Bundesfinanzhof Urteil, 11. Aug. 2011 - V R 19/10

bei uns veröffentlicht am11.08.2011

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, verkaufte und vermietete im Zeitraum September bis Dezember 2005 PKW.

2

Einziger Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Klägerin war SK. SK war darüber hinaus auch Geschäftsführer und Alleingesellschafter der in den Niederlanden ansässigen E-BV (E), einer Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts. Die E war zu 99 % an der in Frankreich ansässigen S-SARL (S), einer Kapitalgesellschaft französischen Rechts, beteiligt.

3

S bot in Frankreich PKW zum Verkauf an. Zwischen S und der in Spanien ansässigen V-SL (V), einer Kapitalgesellschaft spanischen Rechts, bestand ein "Provisionsvermittlungsvertrag", aufgrund dessen S in Frankreich Abnehmer für Fahrzeuge warb, an die V die Fahrzeuge verkaufte. Die an die in Frankreich ansässigen Abnehmer verkauften PKW erwarb V von der Klägerin, die diese Fahrzeuge ihrerseits entweder von E oder von anderen Händlern erwarb, wenn S einen Abnehmer in Frankreich gefunden hatte. Die Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreis der V belief sich auf ca. 500 € pro PKW.

4

Soweit die Klägerin die Fahrzeuge von E erwarb, war ihrem Geschäftsführer, SK, der Weiterverkauf durch V auf Vermittlung von S an den jeweiligen französischen Abnehmer aufgrund eines "Winst-Verdeling" genannten Vermerks, aus dem sich auch der jeweilige Kaufpreis ergab, bekannt. Bei den PKW handelte es sich sowohl um Neu- als auch um Gebrauchtfahrzeuge.

5

Bei Neufahrzeugen veranlasste die Klägerin die Zulassung des PKW auf sich selbst und versicherte die Fahrzeuge. Mit den französischen Käufern der PKW schloss die Klägerin eine "Kraftfahrzeugüberlassungsvereinbarung" und einen "Mietvertrag" für sechs Monate ab, ohne dass dabei Mietzahlungen vereinbart wurden. Die Klägerin übergab die PKW im Inland an zwei Personen, für die V erst nach Abwicklung der streitigen Fahrzeuglieferungen schriftliche "Überführungsvollmachten" erteilte. Die beiden Bevollmächtigten brachten die PKW nach Frankreich zu S, die die PKW dort den französischen Abnehmern gegen Zahlung des Kaufpreises an S übergab. S leitete die Kaufpreiszahlungen an E weiter.

6

Nach Ablauf von sechs Monaten meldete die Klägerin die PKW ab und erteilte V eine Rechnung über eine innergemeinschaftliche Lieferung eines Gebrauchtfahrzeugs. Zeitgleich überwies E den von den französischen Abnehmern gezahlten Kaufpreis an S zurück. S leitete die Zahlung an V weiter. V überwies den ihr in Rechnung gestellten Kaufpreis an die Klägerin. Mit zwei Ausnahmen wurden alle Fahrzeuge auf die Abnehmer in Frankreich zugelassen. In zwei Fällen wurden PKW auf Käufer in den Niederlanden zugelassen.

7

Die Klägerin behandelte die PKW-Verkäufe an V als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Sie zeichnete die der V erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf. Weiter verfügte die Klägerin jeweils über eine Versicherung der V, die Fahrzeuge nach Barcelona/Spanien zu verbringen und dort der Erwerbsbesteuerung zu unterwerfen. Tatsächlich wendete V auf den Verkauf an die französischen Abnehmer nur die Differenzbesteuerung an.

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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die PKW aufgrund eines Gesamtplans direkt an die französischen Endabnehmer geliefert wurden. V sei nur zum Schein in die Lieferkette einbezogen worden, um innergemeinschaftliche Lieferungen vorzutäuschen. V sei keine Verfügungsmacht verschafft worden. Tatsächliche Abnehmer seien die französischen Endkunden gewesen. Die Einschaltung der V sei wirtschaftlich unsinnig gewesen und habe nur der Umsatzsteuerhinterziehung gedient. Das FA ging daher von steuerpflichtigen Lieferungen im Inland aus und änderte dementsprechend die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide September bis Dezember 2005 durch die Änderungsbescheide vom 22. Juni 2007. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

9

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Abnehmer der Lieferungen sei V gewesen. Die zivilrechtlichen Vereinbarungen hätten zwischen der Klägerin und V bestanden. Die Klägerin habe die PKW an Bevollmächtigte der V ausgehändigt. V habe die in den Rechnungen der Klägerin ausgewiesenen Kaufpreise an die Klägerin gezahlt. Die französischen Abnehmer hätten die Verfügungsmacht von V erhalten. Dass V keinen innergemeinschaftlichen Erwerb versteuert, sondern auf die Lieferungen an die französischen Abnehmer die Differenzbesteuerung angewendet habe, spreche nicht gegen eine Abnehmerstellung der V. Unerheblich sei der "strukturierte Verkaufsablauf" und die der Klägerin bekannte "Winst-Verdeling", nach der sich für V nur eine Marge von ca. 500 € aus den einzelnen PKW-Verkäufen ergeben habe. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass S die Fahrzeuge an die französischen Abnehmer verkauft habe. Hierfür spreche auch nicht die Bezahlung, da S keine Zahlungen an die Klägerin geleistet habe. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Zumindest seien die Lieferungen nach der objektiven Beweislage steuerfrei, da die Klägerin die PKW an V als Unternehmer geliefert habe und aufgrund der Zulassungsbescheinigungen feststehe, dass die Fahrzeuge nach Frankreich und in zwei Fällen in die Niederlande gelangt seien. Einen Antrag des FA auf Tatbestandsberichtigung lehnte das FG ab.

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Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1930 veröffentlicht.

11

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin sei mit ihren Umsätzen in ein Betrugsmodell eingebunden gewesen und habe an Verschleierungsmaßnahmen zur Vermeidung der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland Frankreich kollusiv mitgewirkt. V sei zur Anwendung der Differenzbesteuerung nicht befugt gewesen. Nach den den Mitgliedstaaten gemäß Art. 28c Teil A der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) zustehenden Befugnissen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichthofs der Europäischen Union (EuGH) seien die Lieferungen steuerpflichtig.

12

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

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Die Revision hätte nicht zugelassen werden dürfen. Auch aus der Revisionsbegründung des FA ergebe sich keine grundsätzliche Bedeutung. Das FA habe sich nicht mit Haupt- und Hilfsbegründung des FG auseinandergesetzt. Zumindest sei die Revision unbegründet. Die Sachverhaltswürdigung sei Sache des FG, an die der Bundesfinanzhof (BFH) mangels geltend gemachter Verfahrensfehler gebunden sei. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG habe sich die Klägerin keines Rechts- oder Systemmissbrauchs schuldig gemacht. Es lägen auch keine Feststellungen vor, nach denen sich ihr Geschäftsführer an der Vermeidung einer Erwerbsbesteuerung auch beteiligt habe. Das FG habe weiter festgestellt, dass sie, die Klägerin, den Beleg- und Buchnachweis erbracht habe. Ein strafrechtlicher Vorwurf gegen den Geschäftsführer sei nicht einmal ansatzweise dargelegt worden. Die zuständige Staatsanwaltschaft habe in einem Strafverfahren sogar Freispruch für den Geschäftsführer beantragt. Die spanischen und französischen Finanzbehörden hätten die Sache nicht weiter verfolgt. Von einem kollusiven Zusammenwirken könne keine Rede sein. Der vom EuGH entschiedene Fall sei mit dem Streitfall, weil eine Hinterziehung nicht vorliege, nicht vergleichbar. Es stehe ihr frei, ein steuerlich optimales Ergebnis zu erzielen.

Entscheidungsgründe

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II. A) Die Revision des FA ist entgegen der Auffassung der Klägerin zulässig. Das FA macht mit seiner Revision ausdrücklich eine Verletzung von Bundesrecht durch eine unzutreffende Auslegung von § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) geltend und wendet sich sowohl gegen die vom FG bejahte Steuerfreiheit aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises als auch gegen die vom FG angenommene Steuerfreiheit nach der objektiven Beweislage. Dass sich das FA daneben auch noch zu einzelnen Revisionszulassungsgründen des § 115 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geäußert hat, steht der Zulässigkeit der Revision nach § 120 Abs. 2 FGO nicht entgegen. Weiter kann gegen die Zulassung der Revision nicht eingewendet werden, dass das FG die Revision mangels Zulassungsgrundes nicht habe zulassen dürfen (vgl. § 115 Abs. 3 FGO).

16

B) Die Revision des FA ist auch begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Lieferungen der Klägerin sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei.

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1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen von § 6a UStG steuerfrei.

18

a) Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

19

Die Steuerfreiheit beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG. Danach sind steuerfrei "a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

20

b) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 durch Belege und buchmäßige Aufzeichnungen nachzuweisen. Dieser Beleg- und Buchnachweis beruht auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Danach legen die Mitgliedstaaten Bedingungen "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch" fest, wobei sie die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15 Rdnr. 45). Der Unternehmer hat den Beweis für die Steuerfreiheit einschließlich der von den Mitgliedstaaten aufgestellten Bedingungen zu erbringen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 46).

21

c) Erbringt der Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis nicht vollständig, erweisen sich Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte und nicht durch den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.c), ist die Lieferung steuerpflichtig, wenn diese Mängel den "sicheren Nachweis" der materiellen Anforderungen verhindern (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 31).

22

Darüber hinaus ist die Lieferung auch steuerpflichtig, wenn --obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv vorliegen-- der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 51 und Leitsatz; BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.c).

23

2. Die Klägerin ist nach diesen Grundsätzen entgegen dem FG-Urteil nicht berechtigt, die Steuerfreiheit ihrer Lieferungen aufgrund der nachweislich objektiv vorliegenden Voraussetzungen hierfür zu beanspruchen. Selbst wenn zugunsten der Klägerin davon ausgegangen wird, dass --unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung zur Bestimmung des Abnehmers (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und in BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.b)-- im Streitfall V Abnehmer der Lieferungen der Klägerin war, sind die Lieferungen der Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung steuerpflichtig.

24

a) Der EuGH begründet in seinem Urteil R in UR 2011, 15 die Steuerpflicht trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung damit, dass die Vorlage von Scheinrechnungen oder die Übermittlung unrichtiger Angaben sowie sonstige Manipulationen die genaue Erhebung der Steuer verhindern und das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems in Frage stellen. Das Ausstellen unrichtiger Rechnungen berechtigt dabei die Mitgliedstaaten aufgrund der ihnen nach dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG eingeräumten Befugnisse, die Steuerfreiheit zu versagen, wobei die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Neutralität, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der Steuerpflicht nicht entgegenstehen, wenn sich der Lieferer dadurch vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt, dass er die Identität des wahren Erwerbers verschleiert, um diesen zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 48 bis 55). Dementsprechend geht auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) davon aus, dass "die Steuerfreiheit jedenfalls nicht eingreift, wenn die Erwerbsbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat unterlaufen wird" (BVerfG-Beschluss vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09, unter C.I.b bb). Maßgeblich ist insoweit der zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb bestehende Besteuerungszusammenhang und die damit bezweckte Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als Steuerschuldner vorzunehmende Besteuerung (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und in BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.a und 3.).

25

b) Im Streitfall hat sich die Klägerin über ihren Geschäftsführer SK mit ihren Lieferungen wissentlich an einem auf Umsatzsteuerhinterziehung angelegten Geschäftsmodell beteiligt, das das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdet, und kann daher für diese Lieferungen nicht die Steuerfreiheit nach § 6a UStG beanspruchen.

26

aa) Die Klägerin hat Fahrzeuge erworben, auf die die Regelungen über die Differenzbesteuerung nach nationalem Recht wie nach der Richtlinie 77/388/EWG nicht anwendbar waren.

27

Die Lieferung von Gegenständen unterliegt nur dann der Differenzbesteuerung, wenn für die Lieferung des Gegenstandes an den Unternehmer, der die Differenzbesteuerung anwendet (Wiederverkäufer) gemäß § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG "Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 UStG nicht erhoben" oder "die Differenzbesteuerung vorgenommen wurde", wobei letzteres zu Recht erfolgt sein muss (vgl. BFH-Urteil vom 23. April 2009 V R 52/07, BFHE 226, 123, BStBl II 2009, 860, Leitsatz). Die gleichen Voraussetzungen bestehen im Unionsrecht, das in Art. 26a Teil B Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG für die Anwendung der Differenzbesteuerung darauf abstellt, dass die Gegenstände an den Wiederverkäufer "von einem Nichtsteuerpflichtigen", "von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern die Lieferung des Gegenstandes gemäß Artikel 13 Teil B Buchst. c von der Steuer befreit ist", "von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern für die Lieferung des Gegenstandes durch diesen anderen Steuerpflichtigen die Steuerbefreiung nach Artikel 24 gilt und es sich um ein Investitionsgut handelt" oder "von einem anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, sofern die Lieferung durch diesen anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer gemäß dieser Sonderregelung mehrwertsteuerpflichtig ist", geliefert werden.

28

Im Streitfall hat die Klägerin die Fahrzeuge nach den für den Senat bindenden Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) von anderen Händlern ohne Anwendung der Differenzbesteuerung erworben, so dass die Weiterlieferung durch die Klägerin wie auch weitere Anschlusslieferungen nicht der Differenzbesteuerung unterlagen.

29

bb) Bei der innergemeinschaftlichen Weiterlieferung der Fahrzeuge erteilte die Klägerin Rechnungen an V über nach § 6a UStG steuerfreie Lieferungen, während V für die von S vermittelten Verkäufe an die französischen und niederländischen "Endabnehmer" Rechnungen über differenzbesteuerte Lieferungen ausstellte. V unterließ demgegenüber die im Mitgliedstaat der Beendigung der Beförderung nach Art. 28b Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG geschuldete Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs (Art. 28a der Richtlinie 77/388/EWG). Damit wurde in der von der Klägerin angenommenen Lieferkette (Klägerin an V und V an "Endabnehmer") ein nach der Richtlinie 77/388/EWG nicht bestehender "Steuervorteil" dadurch in Anspruch genommen, dass die in Frankreich und den Niederlanden aufgrund der Lieferungen der Klägerin bestehende Verpflichtung zur Erwerbsbesteuerung durch das Vortäuschen einer differenzbesteuerten Lieferung verdeckt wurde.

30

Dies erfolgte --worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hat-- im Rahmen eines Geschäftsmodells, das durch Hinterziehung der nach der Richtlinie 77/388/EWG geschuldeten Erwerbssteuer darauf angelegt war, das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Frage zu stellen und dazu diente, die Erwerbsbesteuerung zu unterlaufen. Denn der Fahrzeugvermittler S und die Klägerin als Fahrzeugverkäufer waren nahestehende Personen, da der Gesellschafter/Geschäftsführer der Klägerin, SK, Alleingesellschafter und einziger Geschäftsführer der E war, die ihrerseits zu 99 % an S beteiligt war. Die Einschaltung der V beruhte daher nicht auf wirtschaftlichen Erwägungen, sondern diente ausschließlich dazu, durch Ausstellen von Rechnungen über differenzbesteuerte Lieferungen der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs faktisch zu entgehen.

31

cc) Die Klägerin hat sich auch wissentlich an der Hinterziehung der Erwerbssteuer beteiligt. Denn wie sie selbst ausführt, hatte sie über ihren Geschäftsführer "Kenntnis von jedem einzelnen Geschäftsvorfall" und "hat die maßgeblichen Fahrzeuge erst dann selbst angekauft, wenn der Endabnehmer, vorliegend der französische Endkunde, seinerseits den Kaufvertrag abgeschlossen hatte", so dass die angestrebte Lieferkette (Erwerb durch die Klägerin, Lieferung an V und an "Endabnehmer") erst in Gang gesetzt wurde, wenn S einen potentiellen Kunden für ein bestimmtes Fahrzeug gefunden hatte. Zudem hat sich die Klägerin in Kenntnis des "strukturierten Verkaufsablaufs", und in Übernahme der "bewusst sachlich falschen" Angaben der V zum Bestimmungsort der Fahrzeuge in Barcelona/ Spanien an der Hinterziehung der nach der Richtlinie 77/388/EWG in Frankreich und den Niederlanden geschuldeten Erwerbssteuer beteiligt. Ob zugleich auch eine Steuerhinterziehung im Inland vorliegt, ist dabei für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ebenso unerheblich wie die Frage, wie das Handeln des SK strafrechtlich zu würdigen ist.

32

dd) Ohne Bedeutung ist, ob die Klägerin, wie sie darlegt, davon ausging, dass nach spanischem Recht --im Gegensatz zum UStG und zur Richtlinie 77/388/EWG-- ein aufgrund einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung erworbener Gegenstand im Rahmen der Differenzbesteuerung weitergeliefert werden könne. Selbst wenn die Rechtsauffassung der Klägerin in Bezug auf die Beurteilung des spanischen Rechts zuträfe, wäre dies unerheblich, da die Fahrzeuge, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, im Streitfall nie nach Spanien gelangt sind und daher Spanien als ein für Besteuerung maßgeblicher Leistungsort für eine ggf. der Differenzbesteuerung unterliegende Lieferung von vornherein ausscheidet. Daher kommt auch der Behauptung der Klägerin, sie habe "in dem guten Glauben gehandelt, dass der Ablauf der Geschäftsbeziehung legal ist", keine Bedeutung zu, zumal sie sich das Wissen ihres Geschäftsführers SK zurechnen lassen muss (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 2010 XI R 78/07, BFH/NV 2010, 2132, unter II.2.b bb).

33

Ohne Erfolg macht die Klägerin für die Steuerfreiheit ihrer Lieferungen schließlich geltend, es stehe ihr "frei, die Rechtsbeziehungen so auszugestalten, dass unter Beachtung der spanischen Umsatzsteuervorschriften insgesamt Umsatzsteuer eingespart und so das Geschäft positiv beeinflusst werden" konnte. Zwar können die Steuerpflichtigen nach der Rechtsprechung des EuGH "die Organisationsstrukturen und die Geschäftsmodelle, die sie als für ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten und zur Begrenzung ihrer Steuerlast am besten geeignet erachten, im Allgemeinen frei wählen" und hat "der Steuerpflichtige, wenn er die Wahl zwischen verschiedenen Umsätzen hat, das Recht ..., seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält" (EuGH-Urteil vom 22. Dezember 2010 C-277/09, RBS Deutschland, UR 2011, 222 Rdnrn. 53 f.). Eine derartige Wahlmöglichkeit bestand aber im Streitfall nicht. Denn die von der Klägerin gelieferten Fahrzeuge unterlagen nicht der Differenzbesteuerung, wobei hinsichtlich der Weiterlieferung der Fahrzeuge auch kein Recht auf "Option" zur Differenzbesteuerung bestand (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 226, 123, BStBl II 2009, 860, unter II.1.c bb).

34

3. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a UStG für die von ihr ausgeführten Lieferungen entgegen dem FG-Urteil, das bei seiner Entscheidung das EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 nicht berücksichtigen konnte, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zusteht.

35

Für ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH besteht kein Anlass. Zwar ergibt sich --worauf der Senat im Urteil in BFH/NV 2011, 1451, unter II.3.a hingewiesen hat-- aus dem EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 nicht, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt. Keine unionsrechtlichen Zweifel bestehen nach der Rechtsprechung des EuGH aber für die im Streitfall vorliegende Fallgestaltung, bei der dem Lieferer --hier der Klägerin-- nicht nur bekannt war, dass der Abnehmer --hier V-- seine Verpflichtung zur Erwerbsbesteuerung in Frankreich und den Niederlanden nicht erfüllt hat, sondern sie im Rahmen des von ihrem Gesellschafter/Geschäftsführer auf Umsatzsteuerhinterziehung angelegten Geschäftsmodells Lieferungen in Kenntnis und Billigung der maßgeblichen Umstände ausgeführt hat.

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Bundesfinanzhof Urteil, 11. Aug. 2011 - V R 19/10 zitiert 10 §§.

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

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(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, ka

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(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebi

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 19 Besteuerung der Kleinunternehmer


(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf e

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(1) Die Revision ist bei dem Bundesfinanzhof innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils soll beigefügt we

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(1) Für die Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 von beweglichen körperlichen Gegenständen gilt eine Besteuerung nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften (Differenzbesteuerung), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Der Unternehmer i

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(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Revision ist bei dem Bundesfinanzhof innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen. Die Revision muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils soll beigefügt werden, sofern dies nicht schon nach § 116 Abs. 2 Satz 3 geschehen ist. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Revisionseinlegung.

(2) Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen; im Fall des § 116 Abs. 7 beträgt die Begründungsfrist für den Beschwerdeführer einen Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Frist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden.

(3) Die Begründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge);
2.
die Angabe der Revisionsgründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Revision darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen Personenfahrzeugen und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien aus. Abnehmer waren die italienischen Firmen RR, RY und ET, bei denen es sich jeweils um Kapitalgesellschaften italienischen Rechts handelte. RR und RY wurden bei den Vertragsschlüssen mit dem Kläger von S vertreten, die im Inland in P wohnte und der sie jeweils Generalvollmacht erteilt hatten. S überwies den Kaufpreis jeweils über inländische Bankkonten, die sie für zwei der Firmen eingerichtet hatte.

2

Mit Schreiben vom 10. November 2003 an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und vom 6. Februar 2004 an das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung teilte die italienische Staatsanwaltschaft mit, dass RR, RY und ET bei innergemeinschaftlichen Erwerben von Fahrzeugen die Erwerbsteuer hinterzogen hätten. Die Geschäfte der drei Firmen seien von S und D geführt worden. Die Firmen hätten ihre Tätigkeit jedenfalls nicht an ihrem jeweiligen Sitz in Italien ausgeübt. Die Verkäufer hätten von der Steuerhinterziehung zugunsten der drei Firmen gewusst. Die von RR, RY und ET erworbenen Fahrzeuge seien von diesen an andere Abnehmer verkauft worden und direkt aus Deutschland zu diesen Abnehmern verbracht worden.

3

Gegen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im Anschluss an den Steuerfahndungsbericht vom 11. August 2005 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 11. Oktober 2005. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erfolgte eine nochmalige Änderung für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 31. Juli 2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage überwiegend statt. In der mündlichen Verhandlung sagte das FA zu, die Bescheide für beide Streitjahre in zwei Einzelpunkten zu ändern. Das FG stützte die Klagestattgabe darauf, es sei nicht zweifelhaft, dass RR, RY und ET Vertragspartner und Abnehmer der Lieferungen seien. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) erteilten Bestätigungen. Der Kläger habe auch den Buchnachweis geführt. Alle Fahrzeuge seien tatsächlich nach Italien verbracht worden.

5

Für die Lieferungen an RR und RY, bei denen Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgt seien, liege der Belegnachweis vor. Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Absender an.

6

Der Nachweis des Bestimmungsorts ergebe sich darüber hinaus aus den in den Rechnungen ausgewiesenen Anschriften der RR, RY und ET. Für den Kläger hätten bei Beachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine Verdachtsmomente bestanden. Es habe sich um Lieferungen im Rahmen normaler Handelsgeschäfte gehandelt. Der Kläger habe nicht an einer Vermeidung der Erwerbsbesteuerung durch seine Abnehmer mitgewirkt. In den Beförderungsfällen hätten Versicherungen vorgelegen, die Fahrzeuge nach Italien zu befördern. Soweit in einzelnen Fällen Name und Anschrift des Abholers nicht ausreichend vermerkt oder nicht lesbar sei, stehe dies der Steuerfreiheit nicht entgegen. Steuerfrei sei auch eine Ausfuhrlieferung an PA nach San Marino.

7

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1537 veröffentlicht.

8

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die CMR-Frachtbriefe seien nicht als Versendungsbelege anzuerkennen. Zwar komme es nicht auf die Bestätigung des Warenerhalts in Feld 24 durch den Empfänger an. Frachtführer und Absender müssten aber den Frachtbrief wie im Formular vorgesehen unterschreiben. Erst aufgrund der Unterschrift des Frachtführers komme dem Frachtbrief Beweiswirkung zu. Soweit in den CMR-Frachtbriefen der inländische Ort P oder nur Italien als Bestimmungsort genannt werde, reiche dies nicht aus. Der Rechnungsanschrift könne dann keine Bedeutung beigemessen werden. Es fehlten auch Angaben zu den Fahrzeugidentifikationsnummern und den Ausfertigungsdaten. In den Abholfällen lägen keine Belegangaben vor. Das FG habe insoweit unter Missachtung der Beweislastverteilung entschieden, dass die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien. Bei den Lieferungen an ET seien die Fahrzeuge von dem im Inland ansässigen G abgeholt worden, ohne dass hinreichende Belegangaben zu dessen Namen und Anschrift vorgelegen hätten. Der nachträglichen Verbringungsbestätigung, die mit unbekannter Unterschrift versehen sei, komme keine Beweiswirkung zu. Soweit das FG allgemein davon ausgegangen sei, dass die Lieferungen aufgrund der objektiven Beweislage steuerfrei seien, sei nicht erkennbar, auf welche Umstände sich das FG dabei stütze. Soweit die Belegnachweise mangelhaft seien, komme entgegen dem FG-Urteil auch kein Vertrauensschutz in Betracht.

9

Das FA beantragt,

das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als das FG Lieferungen in Höhe von 38.567,28 € in 2001 und in Höhe von 288.240 € in 2002 als steuerfrei anerkannt hat und diese als steuerpflichtige Umsätze anzusetzen.

10

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet abzuweisen.

11

Er sei seinen Nachweispflichten nachgekommen. Dass italienische Ermittlungsbehörden im Nachhinein die aufgezeichneten Abnehmer als wirtschaftlich nicht existent bezeichneten, reiche zur Versagung der Steuerfreiheit nicht aus. RR und RY seien zivilrechtlich seine Vertragspartner gewesen. Sie seien wirksam durch S aufgrund ihrer Generalvollmacht verpflichtet worden. Er habe sich hinsichtlich der CMR-Frachtbriefe entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch als Versender ansehen dürfen. Er habe auch qualifizierte Bestätigungsabfragen hinsichtlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern seiner Abnehmer vorgenommen. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit seien auch objektiv erfüllt. Wie den Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft zu entnehmen sei, seien die Fahrzeuge nicht direkt zu den Abnehmern RR, RY und ET, sondern im Rahmen von Reihengeschäften zu deren Abnehmern gelangt. Dies zeige, dass RR, RY und ET die Fahrzeuge zuvor innergemeinschaftlich erworben hätten. Welche Anforderungen an den Objektivnachweis der Steuerfreiheit zu stellen seien, obliege der tatrichterlichen Würdigung. Das FA wende sich nur gegen die Beweiswürdigung des FG.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist im Umfang des Revisionsantrags begründet. Das Urteil des FG ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache ist insoweit an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorliegen.

13

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

14

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

15

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/ die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

16

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

17

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

18

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

19

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

20

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

21

Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern, um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstands zu vermeiden, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts nunmehr die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

22

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben, da es § 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 UStDV verletzt.

23

a) Soweit im Streitfall Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgten, hat das FG zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das FG aber, dass derartige Frachtbriefe nur als Versendungsbeleg anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

24

Nach dem Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3. muss ein CMR-Frachtbrief nicht die dort in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung enthalten, um als Versendungsbeleg i.S. von § 17a Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV anerkannt zu werden. Der Senat hat dies insbesondere auf einen Vergleich mit den Angaben gestützt, die bei der Erstellung einer steuerrechtlichen Versandbestätigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV zu machen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3.c aa). Dementsprechend sind CMR-Frachtbriefe umsatzsteuerrechtlich als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

25

Wie das FG zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem BMF-Schreiben vom 5. Mai 2010 (BStBl I 2010, 508 Rdnr. 36; ebenso Abschn. 6a.4 Abs. 3 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) die Beurteilung als Versendungsbeleg i.S. des § 10 Abs. 1 UStDV nicht voraus, dass der Auftraggeber des Frachtführers (Versender) den Frachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die UStDV auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines Frachtbriefs als Versendungsbeleg hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des BMF, ohne Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf dem Versendungsbeleg verzichtet.

26

b) Gleichwohl sind die streitigen CMR-Frachtbriefe keine ausreichenden Versendungsbelege.

27

So enthalten die vom FG in Bezug genommenen CMR-Frachtbriefe vom 12. September 2002 und vom 17. Januar 2002 (Bl. 40 und 41 der Beweismittelakte) entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e UStDV keine Angaben zum Auslieferungsort, während ein weiterer CMR-Frachtbrief entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV keine Angaben zum Ausstellungstag enthält und darüber hinaus als Auslieferungsort P im Inland angibt (CMR ohne Datum, Bl. 70 der Beweismittelakte).

28

Soweit die Fahrzeuge durch Frachtführer mit CMR-Frachtbriefen versendet wurden, genügt somit nur der am 27. Februar 2002 ausgefertigte CMR-Frachtbrief (Bl. 39 der Beweismittelakte) den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV. Er weist S als Absender, RY als Empfänger, den Ort S.L. in Italien sowie die beförderten Gegenstände als "7 Stück Mercedes A 170", weiter gekennzeichnet mit einer jeweils sechsstelligen Zahlenkombination, aus.

29

c) Auch in den Beförderungsfällen bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben, so dass entgegen dem FG-Urteil kein hinreichender Belegnachweis vorliegt. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts nach dem Senatsurteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03 (BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c) aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird. Letzteres erscheint aber im Hinblick auf das Vorliegen von Reihengeschäften, von dem die italienischen Behörden ausgehen, zweifelhaft.

30

d) Liegen somit die Voraussetzungen des Belegnachweises nicht vor oder bestehen an den Belegangaben zumindest begründete Zweifel, ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Feststellungen das FG davon ausgegangen ist, dass nach objektiver Beweislage zweifelsfrei feststehen soll, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen (s. oben II.2.). Ob sich dies für die einzelnen Lieferungen aus den allgemeinen Mitteilungen der italienischen Behörden ergibt, die sich pauschal auf "tausende von Kraftfahrzeugen" (Beweismittelakte Bl. 2) durch eine Vielzahl deutscher Lieferanten (Beweismittelakte Bl. 10 f.) beziehen, ist nicht erkennbar. Auch fehlen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Fahrzeuge in Italien --oder im Fall der Lieferung nach San Marino-- in San Marino zugelassen wurden.

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

32

a) Gegen die Würdigung des FG, dass RR, RY und ET Abnehmer der Lieferungen waren, bestehen revisionsrechtlich jedenfalls keine Bedenken, soweit diese --was nach den Feststellungen des FG nicht eindeutig ist-- von S vertreten wurden.

33

Im Streitfall waren nach den zwischen dem Kläger und S als bevollmächtigte Vertreter für RR und RY abgeschlossenen Verträgen, die den Lieferungen zugrunde lagen (s. oben II.2.b), RR und RY Abnehmer. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die zwischen dem Kläger und S als Vertreter abgeschlossenen Verträge Scheingeschäfte waren (§ 41 Abs. 2 AO), die andere Rechtsgeschäfte des Klägers mit den Kunden der RR und RY verdecken sollten. Dies scheitert bereits daran, dass dem Kläger diese Kunden nicht bekannt waren.

34

b) Sollten RR, RY und ET entsprechend der Mitteilung der italienischen Staatsanwaltschaft die Fahrzeuge an andere Abnehmer weiterverkauft haben, wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

35

Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Kommt es bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, kann nach der Rechtsprechung des EuGH die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die dann als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, UR 2006, 342, Leitsatz 1).

36

Erklärt der Ersterwerber gegenüber dem ersten Lieferer, den Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, handelt er weiter dabei unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und holt er den gelieferten Gegenstand beim ersten Lieferer mit einem LKW und Fahrer des Zweiterwerbers ab, ist die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen, so dass der Erstlieferer die innergemeinschaftliche Lieferung ausführt (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 15 und 35). Weder die Beteiligung des Zweiterwerbers an der Beförderung noch die Beförderung zu einer anderen Adresse als der des Ersterwerbers führen zu einer Zuordnung der Beförderung zur zweiten Lieferung (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 41 f.). Danach kann es sich im Streitfall bei den Lieferungen des Klägers auch dann um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt haben, wenn die Fahrzeuge nicht zu seinen Abnehmern, die dann als Zwischenhändler anzusehen wären, sondern zu den Abnehmern der Zwischenhändler befördert oder versendet wurden.

37

c) Soweit das FG im zweiten Rechtgang feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und Buchnachweis zwar vollständig erbracht hat, wozu auch Angaben zur Identität und Anschrift des Abholers gehören (Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1), die Beleg- und Buchangaben aber z.B. hinsichtlich des Bestimmungsorts der Lieferungen inhaltlich unzutreffend sind (s. oben II.3.b und c) und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist (s. oben II.2.c), kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte. War z.B. für den Kläger auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar, dass Reihengeschäfte vorliegen und die gelieferten Fahrzeuge entgegen den Angaben seiner Abnehmer nicht zum Unternehmensort der Abnehmer befördert oder versendet werden sollten, kann Vertrauensschutz zu gewähren sein.

38

Einer Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG stehen dann auch nicht die Grundsätze des EuGH-Urteils R in UR 2011, 15 entgegen. Zwar ist danach auch eine tatsächlich stattgefundene innergemeinschaftliche Lieferung steuerpflichtig, wenn der Lieferer "die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz). An einer derartigen Verschleierung fehlt es aber, wenn der Unternehmer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns davon ausgehen durfte, dass seine Vertragspartner auch die "wirklichen" Abnehmer sind und für ihn das Vorliegen eines Reihengeschäfts nicht erkennbar ist (s. oben II.4.a).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Österreich an die Firmen EE, FD und BB-GmbH aus. Das Landgericht (LG) verurteilte L.F., den Geschäftsführer der Abnehmerfirmen, mit Urteil vom 9. August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, EE, FD und BB-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an EE, FD und BB-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte das FA die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klägerin aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei.

4

Nach Klageerhebung erging am 6. August 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2000, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1740 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie sei nicht in ein "doloses Umsatzsteuer-Karussell" eingebunden gewesen. Das FG habe sich Feststellungen aus dem Strafverfahren gegen eine für sie fremde Person nicht zu eigen machen dürfen, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei und daher dort keine Einwendungen habe geltend machen können. Im Übrigen stehe die Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Das Strafurteil sei nur gegen L.F. als Geschäftsführer der Abnehmerfirmen ergangen. Das FG habe Zeugenaussagen gewürdigt, ohne Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und die Umsatzsteuer 2000 auf 639.969 DM (anstatt 1.194.163 DM) herabzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die innergemeinschaftlichen Lieferungen seien aufgrund der unzutreffenden Empfängerbezeichnung steuerpflichtig. Die Klägerin habe auch keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

11

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

12

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

13

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

15

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22, und vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber, in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger, in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

16

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

17

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

18

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

19

Der Unternehmer kann die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes zu umgehen, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

20

3. Das FG hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

21

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerfreiheit zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder "wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" oder "Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen".

23

Hierauf hat der EuGH entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zwar objektiv vorliegen, jedoch "bewusst sachlich falsche" Rechnungen ausgestellt werden, um "die Identität der wahren Erwerber" zu "verschleiern" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 47, 49 und Leitsatz). Der EuGH stützt die Steuerpflicht derartiger Lieferungen dabei maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten, zu denen auch Angaben zur Person des Abnehmers gehören.

24

Wie ein Vergleich von Vorabentscheidungsersuchen und EuGH-Urteil zeigt, hat der EuGH in seinem Urteil R in UR 2011, 15 nicht entschieden, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vgl. auch Bülte, Der Betrieb 2011, 442, sowie Bürger/Paul, Betriebs-Berater 2011, 540, 542).

25

b) Ob die Versagung der innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin deswegen nicht in Betracht kommen könnte, weil sie --wie das FG annimmt-- an einem "Karussellgeschäft" beteiligt gewesen sein soll, kann aufgrund der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entschieden werden, denn allein der Hinweis auf ein Karussellgeschäft ersetzt keine tatsächlichen Feststellungen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ihre steuerlichen Pflichten in Hinterziehungsabsicht nicht erfüllt haben und ob dies der Klägerin bekannt war.

26

4. Dem Urteil des FG ist weiter nicht zu entnehmen, ob unzutreffende Abnehmerbezeichnungen vorliegen, wer in einem derartigen Fall als tatsächlicher Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen anzusehen ist und ob die Klägerin die Person des Abnehmers verschleiert hat. Bei der Bestimmung des Abnehmers der von der Klägerin ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung sind im zweiten Rechtsgang die zuvor unter II.2.a und b genannten Grundsätze zu beachten.

27

Liegt keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des jeweiligen Abnehmers vor, sind weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insbesondere zur Erfüllung der dortigen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu treffen. Weiter kommt es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Es kommt dann ggf. auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung möglicherweise bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts in Betracht.

28

Hinsichtlich der vom FG angenommenen Versagung des Vorsteuerabzugs sind weitere Feststellungen zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Vorstandsmitglied der Klägerin und damit die Klägerin Kenntnis von ihrer Einbindung in das Steuerbetrugsmodell ihrer Lieferanten erlangt hat. Hat sie hiervon erst nach dem Leistungsbezug erfahren, würde dies eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs nicht rechtfertigen.

29

5. Auf die Verfahrensrügen kam es nicht mehr an.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Für die Lieferungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 von beweglichen körperlichen Gegenständen gilt eine Besteuerung nach Maßgabe der nachfolgenden Vorschriften (Differenzbesteuerung), wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.
2.
Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde
a)
Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder
b)
die Differenzbesteuerung vorgenommen.
3.
Die Gegenstände sind keine Edelsteine (aus Positionen 71 02 und 71 03 des Zolltarifs) oder Edelmetalle (aus Positionen 71 06, 71 08, 71 10 und 71 12 des Zolltarifs).

(2) Der Wiederverkäufer kann spätestens bei Abgabe der ersten Voranmeldung eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären, dass er die Differenzbesteuerung von Beginn dieses Kalenderjahres an auch auf folgende Gegenstände anwendet:

1.
Kunstgegenstände (Nummer 53 der Anlage 2), Sammlungsstücke (Nummer 49 Buchstabe f und Nummer 54 der Anlage 2) oder Antiquitäten (Position 9706 00 00 des Zolltarifs), die er selbst eingeführt hat, oder
2.
Kunstgegenstände, wenn die Lieferung an ihn steuerpflichtig war und nicht von einem Wiederverkäufer ausgeführt wurde.
Die Erklärung bindet den Wiederverkäufer für mindestens zwei Kalenderjahre.

(3) Der Umsatz wird nach dem Betrag bemessen, um den der Verkaufspreis den Einkaufspreis für den Gegenstand übersteigt; bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und in den Fällen des § 10 Abs. 5 tritt an die Stelle des Verkaufspreises der Wert nach § 10 Abs. 4 Nr. 1. Lässt sich der Einkaufspreis eines Kunstgegenstandes (Nummer 53 der Anlage 2) nicht ermitteln oder ist der Einkaufspreis unbedeutend, wird der Betrag, nach dem sich der Umsatz bemisst, mit 30 Prozent des Verkaufspreises angesetzt. Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage. Im Fall des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 1 gilt als Einkaufspreis der Wert im Sinne des § 11 Abs. 1 zuzüglich der Einfuhrumsatzsteuer. Im Fall des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2 schließt der Einkaufspreis die Umsatzsteuer des Lieferers ein.

(4) Der Wiederverkäufer kann die gesamten innerhalb eines Besteuerungszeitraums ausgeführten Umsätze nach dem Gesamtbetrag bemessen, um den die Summe der Verkaufspreise und der Werte nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 die Summe der Einkaufspreise dieses Zeitraums übersteigt (Gesamtdifferenz). Die Besteuerung nach der Gesamtdifferenz ist nur bei solchen Gegenständen zulässig, deren Einkaufspreis 500 Euro nicht übersteigt. Im Übrigen gilt Absatz 3 entsprechend.

(5) Die Steuer ist mit dem allgemeinen Steuersatz nach § 12 Abs. 1 zu berechnen. Die Steuerbefreiungen, ausgenommen die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a), bleiben unberührt. Abweichend von § 15 Abs. 1 ist der Wiederverkäufer in den Fällen des Absatzes 2 nicht berechtigt, die entstandene Einfuhrumsatzsteuer, die gesondert ausgewiesene Steuer oder die nach § 13b Absatz 5 geschuldete Steuer für die an ihn ausgeführte Lieferung als Vorsteuer abzuziehen.

(6) § 22 gilt mit der Maßgabe, dass aus den Aufzeichnungen des Wiederverkäufers zu ersehen sein müssen

1.
die Verkaufspreise oder die Werte nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1,
2.
die Einkaufspreise und
3.
die Bemessungsgrundlagen nach den Absätzen 3 und 4.
Wendet der Wiederverkäufer neben der Differenzbesteuerung die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften an, hat er getrennte Aufzeichnungen zu führen.

(7) Es gelten folgende Besonderheiten:

1.
Die Differenzbesteuerung findet keine Anwendung
a)
auf die Lieferungen eines Gegenstands, den der Wiederverkäufer innergemeinschaftlich erworben hat, wenn auf die Lieferung des Gegenstands an den Wiederverkäufer die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen im übrigen Gemeinschaftsgebiet angewendet worden ist,
b)
auf die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs im Sinne des § 1b Abs. 2 und 3.
2.
Der innergemeinschaftliche Erwerb unterliegt nicht der Umsatzsteuer, wenn auf die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber im Sinne des § 1a Abs. 1 die Differenzbesteuerung im übrigen Gemeinschaftsgebiet angewendet worden ist.
3.
Die Anwendung des § 3c und die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a) sind bei der Differenzbesteuerung ausgeschlossen.

(8) Der Wiederverkäufer kann bei jeder Lieferung auf die Differenzbesteuerung verzichten, soweit er Absatz 4 nicht anwendet. Bezieht sich der Verzicht auf die in Absatz 2 bezeichneten Gegenstände, ist der Vorsteuerabzug frühestens in dem Voranmeldungszeitraum möglich, in dem die Steuer für die Lieferung entsteht.

(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22 000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz im Sinne des Satzes 1 ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Satz 1 gilt nicht für die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Absatz 5, § 14c Abs. 2 und § 25b Abs. 2 geschuldete Steuer. In den Fällen des Satzes 1 finden die Vorschriften über die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a), über den Verzicht auf Steuerbefreiungen (§ 9), über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4), über die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7) und über den Vorsteuerabzug (§ 15) keine Anwendung.

(2) Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4) erklären, dass er auf die Anwendung des Absatzes 1 verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären.

(3) Gesamtumsatz ist die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abzüglich folgender Umsätze:

1.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nummer 11 bis 29 steuerfrei sind;
2.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 steuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind.
Soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 oder § 20), ist auch der Gesamtumsatz nach diesen Entgelten zu berechnen. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen. Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt.

(4) Absatz 1 gilt nicht für die innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge. § 15 Abs. 4a ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Soweit im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 4 die Vorschriften dieses Unterabschnitts durch Landesgesetz für anwendbar erklärt werden, kann die Revision auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Landesrecht beruhe.

(2) Der Bundesfinanzhof ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im Übrigen ist der Bundesfinanzhof an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die 1997 gegründet und ins Handelsregister eingetragen wurde. Das Stammkapital betrug 50.000 DM. Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war X, der daneben die Firma X, Beschriftungen/Siebdruck betrieb. Gegenstand des Unternehmens war lt. Gewerbeanmeldung und Gesellschaftsvertrag der Handel mit Computerteilen. Das Geschäft wurde mit zwei Angestellten --Y und Z-- geführt. Während X für die finanzielle Abwicklung der einzelnen Geschäfte verantwortlich war, waren Y und Z für den laufenden Geschäftsbetrieb zuständig. Z hatte im Gegensatz zu Y, der dies nicht wollte, eine umfassende Vertretungsmacht für den Handel mit Computerprozessoren (CPU).

2

Vor ihrer Tätigkeit bei der Klägerin waren Y und Z bei der Firma A beschäftigt. Die Beschäftigungsverhältnisse endeten, nachdem der Geschäftsführer dieser Firma wegen Steuerhinterziehung inhaftiert worden war. Davor hatte Y bereits bei Computerfirmen im Vertrieb gearbeitet.

3

Im Anschluss an eine Prüfung der Steuerfahndungsstelle erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 4. Juli 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1999 und 2000 sowie am 7. Juli 2003 geänderte Bescheide über die Festsetzungen der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Januar und Februar 2001, welche zwischenzeitlich durch den Jahressteuerbescheid 2001 vom 11. Oktober 2006 ersetzt wurden. Hintergrund waren Feststellungen der Steuerfahndung, wonach die Klägerin in den Streitjahren erhebliche nichtabzugsfähige Vorsteuern geltend gemacht hatte. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beträge: 20.071.462,08 DM im Jahr 1999, 20.777.535,11 DM im Jahr 2000 und 2.095.858,12 DM bei den Voranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2001.

4

Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung hat sich die Klägerin an einem betrügerischen europaweiten Umsatzsteuerkarussell beteiligt. Dabei werden Waren aus einem anderen Mitgliedstaat an einen Erwerber im Inland steuerfrei geliefert. Der Erwerber (sog. "Missing Trader") veräußert die Ware mit einem geringen Aufschlag an einen Abnehmer (sog. "Buffer I"), der den in der Rechnung des "Missing Trader" ausgewiesenen Steuerbetrag als Vorsteuer abzieht. Der "Missing Trader" zahlt --wie von vornherein beabsichtigt-- keine Umsatzsteuer und ist nicht zu belangen, weil er nicht auffindbar ist. Der "Buffer I" veräußert die Ware an einen sog. "Buffer II" Die Waren werden schließlich nach dem Vorsteuerabzug durch den "Buffer II" von diesem an einen Exporteur (sog. Distributor) veräußert, der sie wieder steuerfrei in den Ausgangsmitgliedstaat liefert und die ihm berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer abzieht.

5

Nach den Feststellungen der Steuerfahndung nahm die Klägerin  innerhalb des Karussells die Stellung eines sog. "Buffer II" ein. Sie bezog dabei ihre Waren nahezu ausschließlich von einem anderen "Buffer", der Firma B, und verkaufte die erworbenen Computerteile an weitere, an dem Karussell als sog. Distributoren beteiligte Firmen, insbesondere auch an die Firma C. Hierbei war es nach Ermittlungen der Steuerfahndung zu Doppel- und Mehrfachdurchläufen derselben Ware gekommen. Auch nach den Feststellungen im Urteil der 3. Strafkammer des Landgerichts L gegen Verantwortliche der Firma B war die Klägerin an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt. Ein deswegen gegen X eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung vom 21. März 2003 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt; das Verfahren gegen Z wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 2.500 € nach § 153a StPO eingestellt. Das Verfahren gegen Y wurde nach dessen Tod gleichfalls eingestellt.

6

Gegen die geänderten Bescheide erhob die Klägerin eine Untätigkeitsklage. Während des Klageverfahrens wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem am 1. Oktober 2007 verkündeten Urteil als unbegründet ab und ließ die Revision zu. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 574 veröffentlicht.

8

Infolge der mündlichen Verhandlungen beim FG ergingen im Wege einer teilweisen Abhilfe des FA am 22. Oktober 2007 geänderte Umsatzsteuerjahresbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2001.

9

Zur Begründung der Revision beruft sich die Klägerin im Wesentlichen darauf, dass das FA die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zum rechtsmissbräuchlich erschlichenen Vorsteuerabzug bei Beteiligung an Karussellgeschäften für die hier erstmals zu entscheidende Fallgestaltung überinterpretiert habe. Sie habe als sog. "Buffer II" keinen Kontakt zur "Missing Trader"-Ebene gehabt und sei ihren steuerlichen Verpflichtungen mit im Prüfungszeitraum angemeldeter und abgeführter Umsatzsteuer von ca. 43,5 Mio. DM und vollständiger Gewinnversteuerung sorgfältig nachgekommen. Die Firma B als Hauptlieferant habe die aus den Ausgangsrechnungen an sie resultierende Umsatzsteuer gleichfalls angemeldet und abgeführt, auch wenn die Vorsteuer aus den Rechnungen der "missing trader" zu Unrecht in Anspruch genommen worden sei. Zu einer strafrechtlichen Verurteilung sei es nicht gekommen. In dieser Konstellation den Vorsteuerabzug wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Steuerpflichtigen zu versagen, sei insbesondere mit dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer nach Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) unvereinbar. In verfassungsrechtlicher Hinsicht sei insoweit neben der in Art. 14 des Grundgesetzes (GG) verankerten Eigentumsgarantie auch das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG im Hinblick auf die gebotene Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und das Verbot unzulässiger Rückwirkung durch Rückverlagerung des neuen § 25d des Umsatzsteuergesetzes 1999 in der ab 2002 geltenden Fassung (UStG) auf einen Altsachverhalt betroffen. Ferner stelle sich die Frage, ob mit der Streichung des Vorsteuerabzugs in dieser Dimension nicht eine erdrosselnde wirtschaftliche (Straf-)Sanktion trotz fehlender Strafbarkeit verhängt werde, welche zwar dem Wortlaut nach nicht gegen den Grundsatz "nulla poena sine lege" nach Art. 103 Abs. 2 GG verstoße, allerdings möglicherweise den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletze.

10

Der EuGH habe bereits in seinem Urteil vom 12. Januar 2006 Rs. C-354/03, C-355/03 und C-484/93 --Optigen-- (Slg. 2006, I-483) geklärt, dass das Recht eines Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug nicht dadurch berührt werde, dass in der Lieferkette, zu der diese Umsätze gehörten, ein anderer Umsatz vorausgehe oder nachfolge, welcher mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sei, ohne dass der Steuerpflichtige hiervon Kenntnis habe oder haben könne. Das Urteil des EuGH vom 6. Juli 2006 Rs. C-439/04 und C-440/04 --Kittel und Recolta Recycling-- (Slg. 2006, I-6161) zeige, dass nichts anderes gelte, wenn solche Umsätze im Rahmen eines vom Verkäufer begangenen Betrugs ausgeführt würden. Dabei sei insbesondere das Neutralitätsprinzip zu beachten. Dies verbiete nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäften. Deshalb müssten Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen getroffen hätten, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen seien, auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren.

11

Im Streitfall müsse sie, die Klägerin, mangels "Kennenmüssens" ihres Geschäftsführers, dessen strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, als gutgläubig gelten. Denn es sei der Rechtsgedanke des § 69 der Abgabenordnung heranzuziehen, wonach es wegen der damit verbundenen Haftung lediglich auf die Kenntnis oder das "Kennenmüssen" des Geschäftsführers ankommen könne.

12

Das FG habe bei seiner Beweiswürdigung auch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen.

13

Mit Schriftsätzen vom 7. Januar 2010 und vom 12. Mai 2010 trägt die Klägerin ergänzend vor, dass das Vorhandensein von Doppel- und Mehrfachdurchläufen in diesem Verfahren --wie auch bei anderen Verfahren zu Umsatzsteuerkarussellgeschäften-- eine entscheidende Rolle gespielt habe. So hätten Fehlein-schätzungen des FA (nicht vorhandene Mehrfachdurchläufe, nicht kriminelle Vortaten in der Kette) schon während des finanzgerichtlichen Verfahrens zu einer Teilabhilfe der ursprünglich zurückgeforderten Vorsteuerbeträge von 10 % (insgesamt ca. 5 % des Gesamtvolumens) geführt. Sie habe zwischenzeitlich Erkenntnisse gewonnen, die den Beweiswert der diese Mehrfachdurchläufe dokumentierenden Kopien der Boxetiketten der an- und verkauften Warenpakete in Frage stellten. Diese Kopien seien aus Beweiszwecken für etwaige Kundenreklamationen zwar ursprünglich in ihrem Büro gefertigt und auch dort von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden. Die Steuerfahndung habe die Ermittlungsakten betreffend die nicht streitbefangenen Vorjahre 1997 und 1998 aber erst nach der mündlichen Verhandlung des FG vollständig zurückgegeben. Daraus ergebe sich nun folgendes Bild: Die Kopien der Vorjahre 1997 und 1998 sähen anders aus als diejenigen der Streitjahre, die als Beweismittel den Berichten der Steuerfahndung und dem FG-Urteil zugrunde gelegt worden seien. Während die Kopien der Vorjahre 1997 und 1998 ab Mitte 1997 weiße Zwischenräume zwischen den einzelnen Boxlabeln aufwiesen, seien die sonstigen Kopien aus den Streitjahren 1999 und 2000 mit schwarzen Zwischenräumen versehen. Dies sei auffällig. Denn ihr Geschäftsführer habe ab Mitte 1997 auf dem Kopiergerät mit Krepppapier eine "Maske" gefertigt, um Toner zu sparen. Ab diesem Zeitpunkt seien auf den Kopien daher nur noch weiße Zwischenräume zwischen den einzelnen Boxetiketten sichtbar gewesen, nicht jedoch schwarze Zwischenräume, wie dies bei den in den Ordnern der Streitjahre befindlichen Kopien der Fall sei. Es komme hinzu, dass die in den Ordnern der Streitjahre befindlichen Kopien abweichend von der bei ihr üblichen Praxis teilweise doppelseitig seien und mehr als 3 Boxetiketten auf einer Seite enthielten, was bei den ursprünglichen Kopien nicht der Fall gewesen sei. Ihre Recherchen hätten ergeben, dass die ursprünglichen Kopien von den Ermittlungsbehörden nochmals vervielfältigt worden seien. Die genannten Umstände stellten den Beweiswert der für die Streitjahre vorhandenen Kopien in Frage. Da sie diese Erkenntnisse erst nach vollständiger Akteneinsicht nach dem Ende der mündlichen Verhandlung beim FG habe gewinnen können, sei insoweit eine neue Beweisaufnahme beim FG durchzuführen. Die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Erkenntnisse sei auch nach dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens beim FG ausnahmsweise "im Sinne des Rechtsgedankens des § 580 Nr. 2 und 7b" der Zivilprozessordnung (ZPO) möglich (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Mai 2008 XI B 211/07). Das FG-Urteil sei insoweit aus formellen Gründen aufzuheben.

14

Ferner rechtfertigten die Feststellungen des FG keine vollständige Versagung des Vorsteuerabzugsrechts. Denn das FG habe entsprechend den Feststellungen der Steuerfahndung nur einen Umfang an Doppel- und Mehrfachdurchläufen von ca. 8 % in 1999, von 15 % in 2000 und von 5,13 % in 2001 angenommen. Da die übrigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts erfüllt seien, dürfe die Klage allenfalls nur teilweise abgewiesen werden.

15

Schließlich sei ggf. eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geboten. Denn der EuGH habe --soweit ersichtlich-- über die Anwendung der Rechtsgrundsätze seiner bisherigen Urteile zum Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts (EuGH-Urteile in Slg. 2006, I-483, und in Slg 2006, I-6161) beim Umsatzsteuerkarussell auf den sog. "Buffer II" noch nicht entschieden. Eine Abrundung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH wäre gerade im Hinblick auf die bereits dargestellten Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit und zum Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer wünschenswert. Außerdem sei in diesem Zusammenhang der Begriff "means of knowledge" in der Rechtsprechung des EuGH insofern noch nicht abschließend geklärt, als Zweifel bestünden, ob die vom Dienst der Europäischen Union (EU) vorgenommene Übersetzung in die deutsche Sprache mit "wissen müssen" oder "wissen können" zutreffend sei. Auch dies sei klärungsbedürftig (vgl. Weber, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2009, 834 ff.).

16

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen,

hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide für 1999, 2000 und 2001 vom 22. Oktober 2007 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuerbeträge jeweils in Höhe von 18.314.273 DM (9.363.939,09 €) in 1999, 20.032.663 DM (10.242.537,95 €) in 2000 und 1.833.552 DM (937.480,25 €) in 2001 zum Abzug zugelassen werden.

17

Höchst hilfsweise regt sie an, das Verfahren auszusetzen und im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens den EuGH anzurufen und folgende Rechtsfrage vorzulegen:

18

"Wie sind die Rechtsprechungsgrundsätze zur Versagung des Vorsteuerabzugs, wenn der Leistungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich an betrugsbehafteten Umsätzen beteiligt, auszulegen oder zu konkretisieren?"

19

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

20

II. Die Revision der Klägerin führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie ist jedoch in der Sache unbegründet.

21

1. Das FG hat über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerbescheide vom 4. Juli 2003 betreffend die Streitjahre 1999 und 2000 und vom 11. Oktober 2006 zum Streitjahr 2001 entschieden. An die Stelle dieser Bescheide traten nach Verkündung des FG-Urteils gemäß § 68 Satz 1, § 121 Satz 1 FGO die Änderungsbescheide vom 22. Oktober 2007. Damit liegen dem FG-Urteil nicht mehr existierende Bescheide zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand mehr haben kann (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, m.w.N.).

22

Einer Zurückverweisung an das FG lediglich aus formalen Gründen nach § 127 FGO bedarf es nicht, weil sich durch die Änderungsbescheide der bisherige Streitstoff nicht verändert hat. Der erkennende Senat entscheidet deshalb in der Sache selbst (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 FGO).

23

2. Das FG hat zu Recht die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bejaht und in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einen Vorsteuerabzug wegen "Bösgläubigkeit" versagt.

24

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

25

Der dieser nationalen Vorschrift zu Grunde liegende Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Der Steuerpflichtige ist danach befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer u.a. die (im Inland) geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden, soweit sie für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden (Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG).

26

Im Streitfall verfügt die Klägerin nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG über den formalen Anforderungen des § 14 UStG genügende Rechnungen ihrer Lieferanten über die Lieferungen von CPUs. Die Lieferanten waren auch Unternehmer. Ferner sind die in den Rechnungen ausgewiesenen CPUs an die Klägerin tatsächlich geliefert und von dieser nach Veräußerung weitergeliefert worden.

27

Der Annahme von Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG an die Klägerin steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer ihrer Hauptlieferantin wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff der Lieferung bei einem mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten Umsatz nicht erfüllt (vgl. Urteil vom 21. Februar 2006 Rs. C-255/02 --Halifax--, Slg. 2006, I-1609, Randnr. 59). Es ist aber zu berücksichtigen, dass jeder Umsatz in einer Lieferkette für sich zu betrachten ist; Umsätze, die nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen und stellen Lieferungen dar (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-483, Randnrn. 47, 49 und 51). Die Lieferanten der Klägerin haben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ihre Lieferungen in ihren Steuererklärungen angemeldet und die Umsatzsteuer abgeführt, sodass diese Umsätze nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet und Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG sind.

28

b) Die Entscheidung des FG, der Vorsteuerabzug sei gleichwohl zu versagen, hält ebenfalls einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

29

aa) Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen in Slg. 2006, I-483 und in Slg. 2006, I-6161 ist nach dem BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04 (BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315) der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.

30

bb) Im Streitfall ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin hinsichtlich der Kenntnis oder des "Kennenmüssens" der objektiven Umstände, wonach sie an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war, nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern auch das ihrer sonstigen Angestellten in analoger Anwendung von § 166 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zuzurechnen ist. Dies beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen eines anderen bedient, nicht besser stehen darf als derjenige, der diese Verpflichtungen selbst erfüllt. Daher ist für die entsprechende Anwendung von § 166 BGB das Bestehen eines Vertretungsverhältnisses nicht maßgeblich (vgl. BFH-Urteile vom 29. Juli 2003 VII R 3/01, BFHE 203, 222, und vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463). Eine Wissenszurechnung kommt jedoch nach wertender Beurteilung nur für die Kenntnisse in Betracht, welche die Mitarbeiter infolge der vorgesehenen Arbeitsteilung und Organisation des Betriebs im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit erlangt haben (MünchKommBGB/Schramm, 5. Aufl., § 166 Rz 20, 24, 25, und Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 31. Januar 2006  4 U 423/04, OLG-Report Saarbrücken 2006, 944, Rz 48, m.w.N.) oder hätten erlangen müssen.

31

Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass X für die finanzielle Abwicklung der einzelnen Geschäfte verantwortlich war; für den laufenden Geschäftsbetrieb seien hingegen Y und Z zuständig gewesen. Z hatte darüber hinaus umfassende Vertretungsmacht für den Handel mit CPUs. Y war zwar nicht vertretungsberechtigt, hat aber nach eigenem Vortrag des X den Betrieb tatsächlich geführt, d.h. X hat sich seiner im rechtsgeschäftlichen Verkehr wie eines Vertreters bedient.

32

Diese Umstände rechtfertigen die Annahme des FG, der Klägerin sei auch ein "Wissenmüssen" des Y und der Z zuzurechnen.

33

cc) Die Würdigung des FG, Y und Z hätten zumindest wissen müssen, dass die Klägerin sich mit ihrem jeweiligen Erwerb an einem Umsatz beteiligt habe, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen gewesen sei, liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, unter II.3.a). Die Beweiswürdigung des FG kann im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorgekommen sind; die Würdigung des FG muss denkgesetzlich möglich, jedoch nicht die einzig in Betracht kommende sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23. November 1995 IV R 75/94, BFHE 179, 307, BStBl II 1996, 194).

34

Im Streitfall hat das FG seine Überzeugung, Y und Z hätten von der Einbeziehung der umstrittenen Umsätze in einen Mehrwertsteuerbetrug wissen müssen, nach Durchführung umfangreicher Beweisaufnahmen aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) gewonnen. Es hat im Wege einer Gesamtbetrachtung darauf abgestellt, dass Y und Z von Doppel- und Mehrfachdurchläufen der CPUs Kenntnis gehabt hätten, Y insoweit auch ein "Problembewusstsein" gehabt habe und dass bei den unter den "Original-Equipment-Manufacturer"-Preisen liegenden Einkaufspreisen schnell --und wegen der festen Gewinnaufschlagssätze und der festen Lieferbeziehungen-- praktisch ohne Risiko hohe Umsätze und Gewinne erzielt worden seien. Die Würdigung des FG, diese Umstände hätten einen ordentlichen Kaufmann misstrauisch machen müssen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung am oben dargestellten Maßstab stand:

35

(1) Einen Verfahrensfehler des FG hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Soweit sie die Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 FGO wegen des Unterlassens der Einvernahme der Umsatzsteuer-Sonderprüfer als Zeugen rügt, hat sie die Rüge nicht in zulässiger Weise erhoben, weil sie nicht hinreichend dargetan hat, weshalb sich dem FG die Einvernahme dieser Zeugen hätte aufdrängen müssen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, m.w.N.).

36

(2) Die Annahme des FG, angesichts der festgestellten Tatsachen habe die Einholung von Bankauskünften und Handelsregisterauszügen zu Beginn der Geschäftsbeziehung nicht ausgereicht, um die Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung auszuschließen, steht nicht im Widerspruch zu Erfahrungssätzen oder Denkgesetzen, sondern ist denkgesetzlich möglich und nachvollziehbar.

37

(3) Ein Verstoß der angefochtenen Entscheidung gegen einen Erfahrungssatz lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass das FG München in seinem zu einem Umsatzsteuerkarussell ergangenen Urteil vom 8. Februar 2007  14 K 1898/04 (EFG 2007, 881) Mehrfachdurchläufen von 2 % keine ausreichende Indizwirkung für ein "Wissenmüssen" beigemessen hat. Denn anders als dort hat das FG im Streitfall nicht allein auf das Vorhandensein und die Kenntnis der Angestellten von Mehrfachdurchläufen, sondern zusätzlich darauf abgestellt, dass Y aufgrund seiner Branchenkenntnisse die Mehrfachdurchläufe als Problem erkannt und deshalb auf diese ungehalten reagiert, aber gleichwohl an der Lieferfirma festgehalten habe.

38

(4) Auch der Hinweis der Klägerin, dass mehrere Umsatzsteuer-Sonderprüfungen bei ihr zu keinen Beanstandungen geführt hätten, rechtfertigt es nicht, die Würdigung des FG, Y und Z hätten von der Einbeziehung der umstrittenen Umsätze in einen Mehrwertsteuerbetrug wissen müssen, zu beanstanden. Denn diese Sonderprüfungen haben sich auf das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG und die korrekte Versteuerung der eigenen Umsätze der Klägerin und nicht auf eine eventuelle "Bösgläubigkeit" ihres Geschäftsführers und ihrer Angestellten bezogen.

39

(5) Auch das Vorbringen der Klägerin in ihren nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsätzen vermag der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen.

40

Aus § 118 Abs. 2 FGO wird der Rechtsgrundsatz abgeleitet, dass neues tatsächliches Vorbringen zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Rechts im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt u.a. zwar im Hinblick auf Tatsachen, deren Beachtung sonst im Wege der Restitutionsklage gegen das Urteil des FG durchgesetzt werden könnte (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1999 VII R 152/97, BFHE 191, 140, BStBl II 2000, 93, m.w.N.). Dieser Ausnahmetatbestand liegt im Streitfall aber nicht vor.

41

- Nach § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 2 ZPO findet eine Restitutionsklage statt, wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war. Dafür ist nach § 581 Abs. 1 ZPO aber Voraussetzung, dass wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder dass die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Die Klägerin hat zwar ausgeführt, dass sie eine Fälschung der von ihr angefertigten Kopien für möglich hält, sie hat aber nicht dargelegt, dass deswegen eine Verurteilung erfolgt ist oder die weiteren Voraussetzungen des § 581 Abs. 1 ZPO erfüllt sind.

42

Darüber hinaus ist nach § 582 ZPO die Restitutionsklage nur zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Im Streitfall hätte die Klägerin schon im Klageverfahren auf die unterschiedliche Art der Kopien und die daraus von ihr gezogene Schlussfolgerung einer Fälschung aufmerksam machen können. Denn nicht nur in den Aktenordnern für die Jahre 1997 und 1998, sondern auch in den vom FG zum Verfahren beigezogenen Akten für das Streitjahr 1999 haben sich Kopien mit weißen Zwischenräumen befunden (vgl. Seite 4 des Schriftsatzes der Klägerin vom 7. Januar 2010).

43

- Auch der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO liegt nicht vor. Danach findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass die unterschiedliche Art der Kopien in den Aktenordnern der Jahre 1997 und 1998 gegenüber den Kopien in den Aktenordnern für die Streitjahre zu einer günstigeren Entscheidung für die Klägerin geführt hätte. Denn das FG hat seine Entscheidung über die Kenntnis der Angestellten der Klägerin von Mehrfachdurchläufen nicht aus einem bestimmten Prozentsatz von Mehrfachdurchläufen abgeleitet, der sich aus den Kopien der Boxetiketten ergab. Es hat seine Überzeugung vielmehr auf die Aussagen mehrerer Zeugen über die Mehrfachdurchläufe und die Reaktion des Y darauf sowie auf die eigenen Aussagen des Y und der Z gestützt (vgl. Seite 16 des Urteils).

44

Außerdem war die Klägerin auch nicht ohne ihr Verschulden außerstande, bereits im Klageverfahren auf die Unterschiede bei den Kopien hinzuweisen, da sich --wie oben ausgeführt-- Kopien mit weißen Zwischenräumen auch in den im Klageverfahren beigezogenen Akten für das Streitjahr 1999 befunden haben.

45

3. Das Begehren der Klägerin, zumindest teilweise weitere Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen, ist nicht gerechtfertigt. Soweit die Klägerin zur Begründung auf die Prozentsätze der Doppel- und Mehrfachdurchläufe verweist, ist dies für die Höhe der abziehbaren Vorsteuern nicht entscheidungserheblich. Denn der Vorsteuerabzug ist nicht nur bei Doppel- und Mehrfachdurchläufen zu versagen, sondern bei allen Geschäften, bei denen der Steuerpflichtige wusste, wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist (vgl. oben unter II.2.b aa). Dazu hat das FG festgestellt, dass bei sämtlichen Liefervorgängen, bei denen die Vorsteuer nicht zum Abzug zugelassen worden ist, Lieferanten involviert waren, bei denen die "Missing-Trader-Eigenschaft" feststeht (Seite 15 des Urteils). An diese Feststellung ist der Senat mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.

46

4. Soweit die Klägerin ausführt, wegen ihrer relativ entfernten Stellung zum sog. "Missing Trader" als sog. "Buffer II" sei die Versagung des Vorsteuerabzugsrechts im Streitfall unverhältnismäßig und verstoße gegen das Prinzip der Rechtssicherheit, kann ihr Vortrag schon deshalb keinen Erfolg haben, weil diese Rechtsfolge als Ausnahme von dem Neutralitätsprinzip im Einklang mit der zitierten einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zur Versagung des Vorsteuerabzugsrechts bei einer Beteiligung des Unternehmens an einem betrügerischen Umsatzsteuerkarussell steht (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2006, I-483, und in Slg. 2006, I-6161).

47

5. Es besteht auch keine Veranlassung, den EuGH erneut nach Art. 267 AEUV im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens anzurufen. Denn entgegen der Auffassung der Klägerin hat der EuGH bereits ausdrücklich geklärt, dass ein Missbrauch des Vorsteuerabzugsrechts auch gegeben sein kann, wenn "ein anderer Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet ist" und "dieser Steuerpflichtige hiervon Kenntnis hat oder haben kann" (EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-483). Diese Formulierung umfasst auch Eingangsbezüge des sog. "Buffer II", der nicht in einer unmittelbaren Lieferbeziehung zum sog. "Missing Trader" steht.

48

Zweifel an der Auslegung des für die Entscheidung des Streitfalls maßgeblichen Gemeinschaftsrechts ergeben sich auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) zur Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung bei kollusivem Zusammenwirken der Beteiligten zur Hinterziehung von Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat des Erwerbers. Die Rechtsfragen in dem vom BGH vorgelegten Fall sind mit denen des Streitfalls nicht vergleichbar. Denn dort ist nicht der Vorsteuerabzug, sondern die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung streitig, wenn feststeht, dass die Lieferung tatsächlich in einen anderen Mitgliedstaat erfolgt ist, so dass der steuerliche Schaden --anders als im Streitfall-- allein im Ausland eingetreten ist.

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Soweit die Klägerin ausführt, es sei zweifelhaft, ob die vom Übersetzungsdienst der EU vorgenommene Übersetzung von "means of knowledge" in die deutsche Sprache mit "wissen müssen" oder "wissen können" zutreffend sei (vgl. hierzu Weber, UR 2009, 834 ff.), ist nicht dargetan oder ersichtlich, inwiefern diese begriffliche Unterscheidung im Streitfall erheblich sein könnte.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.