Bundesfinanzhof Beschluss, 02. Apr. 2012 - III B 189/10
Gericht
Gründe
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Die Beschwerde ist unzulässig. Denn ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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a) Wird die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO begehrt, dann muss der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellen, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Vor allem sind, sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, eine grundlegende Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf. einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Oktober 2003 III B 14/03, BFH/NV 2004, 224; vom 27. Dezember 2011 III B 35/11, juris).
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Bei dem Zulassungsgrund der Rechtsfortbildung handelt es sich um eine Konkretisierung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung. Auch eine Zulassung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO setzt daher unter anderem voraus, dass über eine bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfrage zu entscheiden ist. Ein Klärungsbedarf besteht dann nicht mehr, wenn die Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Dezember 2004 X B 48/04, BFH/NV 2005, 698, m.w.N.; vom 14. Dezember 2011 X B 116/10, BFH/NV 2012, 577; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 41).
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b) Die Beschwerdebegründung entspricht den dargestellten Maßstäben nicht. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) setzt sich nicht mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH auseinander und legt in Anbetracht dessen auch nicht dar, welche Fragen bislang ungeklärt geblieben sind oder welche Gesichtspunkte eine neuerliche Überprüfung der bestehenden Rechtsgrundsätze gebieten könnten.
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aa) Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob die Familienkasse "auf einen steuerrechtlichen Sachverhalt die zum Zeitpunkt des Sachverhalts gültige höchstrichterliche Rechtsprechung" anwenden muss, statt allgemeine Verwaltungsvorschriften in ihrem Sinne zu interpretieren, wird in der Beschwerdeschrift die Klärungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt. Es fehlt bereits an der Auseinandersetzung mit den unmittelbaren Aussagen des Gesetzes zu dieser Frage. Nach §§ 121 Satz 1, 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO tritt eine Bindung der Familienkasse nur im Hinblick auf solche --auch höchstrichterliche-- Urteile ein, die gegen sie als Beteiligte eines Finanzrechtsstreits ergangen sind (v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 176 AO Rz 160). Wendet die Verwaltung, wie im Streitfall geschehen, bestimmte Urteile des BFH nicht an, weil sie diese in einem dem Steuerpflichtigen ungünstigen Sinne interpretiert hat, dann stehen Letzterem die Rechtsschutzmöglichkeiten der Abgabenordnung und der FGO zur Verfügung. Der Kläger hat von diesen Rechtsschutzmöglichkeiten auch tatsächlich Gebrauch gemacht. Dass er mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist, lag daran, dass sich die höchstrichterliche Rechtsprechung mit dem BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09 (BFHE 230, 61, BStBl II 2010, 982, betr. Berücksichtigung von vollzeiterwerbstätigen Kindern während des Wartens auf einen Ausbildungsplatz) während des Klageverfahrens im Sinne der zuvor bereits von der Verwaltung vertretenen Auffassung geändert hat (vgl. Schreiben des Bundeszentralamts für Steuern vom 4. Juli 2008 St II 2-S 2282-138/2008, BStBl I 2008, 716, betr. BFH-Urteil vom 16. November 2006 III R 15/06, BFHE 216, 74, BStBl II 2008, 56).
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bb) Mit der weiteren vom Kläger aufgeworfenen Frage, "ob eine unrichtige Anwendung der bestehenden Rechtsprechung einen Vertrauenstatbestand verhindern" könne, will er wohl dahin verstanden werden, dass er in den Genuss von Vertrauensschutz gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) gekommen wäre, wenn die Verwaltung die zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung gültige höchstrichterliche Rechtsprechung angewendet haben würde. Die unterbliebene Anwendung einer ihm günstigen Rechtsprechung dürfe das Entstehen eines Vertrauenstatbestands nicht verhindern.
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Der Kläger hat sich in seiner Beschwerde mit den bereits vorliegenden höchstrichterlichen Aussagen zum Vertrauensschutz bei Änderungen der Rechtsprechung nicht näher befasst. So folgt aus § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO und der hierzu ergangenen Judikatur, dass diese Vorschrift das Vertrauen des Steuerpflichtigen in eine ihm günstige Rechtsprechung als solches nicht schützt. Geschützt wird allein das Vertrauen in die Bestandskraft eines Bescheids, soweit dieser auf einer günstigen Rechtsprechung beruht (vgl. BFH-Urteile vom 11. Oktober 1988 VIII R 419/83, BFHE 155, 298, BStBl II 1989, 284; vom 28. Mai 2002 IX R 86/00, BFHE 199, 1, BStBl II 2002, 840). Der Kläger konzediert, dass das Finanzgericht in der angegriffenen Entscheidung § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO zutreffend verneint hat, weil die Familienkasse zu keinem Zeitpunkt die ihm günstige BFH-Rechtsprechung zu vollzeiterwerbstätigen Kindern in einem Bescheid angewandt hat. Der BFH hat des Weiteren bereits mehrfach entschieden, dass der Steuerpflichtige --außerhalb des Anwendungsbereichs des § 176 AO-- nach dem Grundsatz von Treu und Glauben einen Anspruch auf Vertrauensschutz haben kann, wenn sich die Rechtsprechung des BFH verschärft und der Steuerpflichtige im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage Dispositionen getroffen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 26. September 2007 V B 8/06, BFHE 219, 245, BStBl II 2008, 405, m.w.N.; BFH-Urteil vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865, m.w.N.). Schließlich hat der BFH auch dahin erkannt, dass bei der Änderung einer langjährigen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung das Rechtsstaatsprinzip es gebieten kann, dass die Gerichte aus Vertrauensschutzgründen typisierende Übergangsregelungen treffen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608). Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ist demnach auch hinreichend geklärt, dass es --darauf zielen die Ausführungen des Klägers wohl ab-- keinen generellen Schutz vor belastenden Rechtsprechungsänderungen gibt.
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cc) Im Hinblick auf die weitere Frage, "ob ein Vertrauen auf durch den BFH differenzierte Auslegungen von Gesetzen durch den BFH geschützt werden kann oder geschützt werden muss, um finanzielle Dispositionen der Bürger ..., die auf die Gültigkeit dieser Auslegungen vertrauen, zu ermöglichen", ist auf die soeben (unter Ziffer 1.b bb der Gründe dieses Beschlusses) wiedergegebene Rechtsprechung zum Vertrauensschutz zu verweisen.
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dd) Zuletzt rechtfertigt auch der vom Kläger gerügte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (GG) die Zulassung der Revision nicht. Mit der Rüge soll wohl die allgemein bei Änderungen der Gesetzgebung oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung auftretende Problematik der "Gleichbehandlung in der Zeit" angesprochen werden, wonach bei gleichem Sachverhalt Steuerpflichtige zeitlich vor und nach Änderung des Gesetzes oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschiedlich behandelt werden. Abgesehen davon, dass es sich hierbei wiederum nur um einen Aspekt des Vertrauens- und Dispositionsschutzes handelt, lässt die Beschwerdebegründung die gebotene verfassungsrechtliche Erörterung vermissen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erkennt einen ggf. aus Art. 3 Abs. 1 GG ableitbaren Anspruch auf eine künftig gleichbleibende Rechtslage grundsätzlich nicht an (z.B. BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 2009 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111, BFH/NV 2009, 1382).
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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
Für das Revisionsverfahren gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug und die Vorschriften über Urteile und andere Entscheidungen entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften über die Revision nichts anderes ergibt. § 79a über die Entscheidung durch den vorbereitenden Richter und § 94a über das Verfahren nach billigem Ermessen sind nicht anzuwenden. Erklärungen und Beweismittel, die das Finanzgericht nach § 79b zu Recht zurückgewiesen hat, bleiben auch im Revisionsverfahren ausgeschlossen.
(1) Bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids darf nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass
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das Bundesverfassungsgericht die Nichtigkeit eines Gesetzes feststellt, auf dem die bisherige Steuerfestsetzung beruht, - 2.
ein oberster Gerichtshof des Bundes eine Norm, auf der die bisherige Steuerfestsetzung beruht, nicht anwendet, weil er sie für verfassungswidrig hält, - 3.
sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.
(2) Bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids darf nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.