Bundesfinanzhof Beschluss, 29. Apr. 2010 - II R 56/09
Tatbestand
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I. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) hat der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Verfahren II B 68/09 durch Beschluss vom 16. Oktober 2009 die Revision zugelassen. Der Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Oktober 2009 mit Postzustellungsurkunde durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt und enthielt den rechtlichen Hinweis, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung eine Begründung der Revision beim BFH einzureichen sei.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers begründete die Revision mit Telefax vom 26. November 2009. Mit Schreiben vom 30. November 2009 teilte der Vorsitzende des II. Senats des BFH ihm unter Hinweis auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit, dass die Monatsfrist für die Begründung der Revision am 24. November 2009 abgelaufen und die Revisionsbegründung daher verspätet eingegangen sei.
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Mit Telefax vom 7. Dezember 2009 machte der Prozessbevollmächtigte geltend, dass er keine Frist versäumt habe und berief sich dabei auf die "Zugangsfiktion von drei Tagen".
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Der Kläger beantragt "rein vorsorglich" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 12. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2007 dahin abzuändern, dass sein Fahrzeug als sonstiges Fahrzeug besteuert wird.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unzulässig und war daher gemäß § 126 Abs. 1 FGO zu verwerfen.
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1. Die Revision ist nicht rechtzeitig begründet worden. Die Revisionsbegründungsfrist beträgt für einen Beschwerdeführer, dessen Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg hatte, einen Monat und beginnt mit der Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 116 Abs. 7 Satz 2, § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO). Auf den Fristbeginn ist die nur für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten geltende Drei-Tages-Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung nicht anzuwenden. Ob der Fristbeginn auf einen Sonntag, allgemeinen Feiertag oder Sonnabend fällt, ist unerheblich, denn das Gesetz sieht in § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) diesen Umstand lediglich für das Ende der Frist als bedeutsam an (BFH-Beschluss vom 28. November 2007 IX B 175/07, nicht veröffentlicht).
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Für den Kläger begann danach die Begründungsfrist durch Einlegung des Beschlusses in den Briefkasten (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 180 Satz 2 ZPO) mit Ablauf des 24. Oktober 2009 (Samstag) und endete nach einem Monat mit Ablauf des 24. November 2009 (Dienstag). Die am 26. November 2009 eingegangene Revisionsbegründung war daher verspätet.
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2. Dem Kläger ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 56 Abs. 1 FGO kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei muss sich der Beteiligte nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines Bevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 56 Rz 8, m.w.N.). Das Versäumen der Revisionsbegründungsfrist durch den Prozessbevollmächtigten ist im Streitfall nicht entschuldbar, da er den rechtlichen Hinweis im Beschluss über die Zulassung der Revision nicht beachtet hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. August 2003 IV R 13-16/02, BFH/NV 2004, 61; vom 24. März 2006 V R 59/05, BFH/NV 2006, 1323; vom 29. März 2007 VIII R 52/06, BFH/NV 2007, 1515).
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Referenzen - Gesetze
Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126
Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht
Finanzgerichtsordnung - FGO | § 155
Zivilprozessordnung - ZPO | § 222 Fristberechnung
Abgabenordnung - AO 1977 | § 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts
Finanzgerichtsordnung - FGO | § 56
Zivilprozessordnung - ZPO | § 180 Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten
Finanzgerichtsordnung - FGO | § 54
Finanzgerichtsordnung - FGO | § 53
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundesfinanzhof Beschluss, 29. Apr. 2010 - II R 56/09 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).
Bundesfinanzhof Beschluss, 30. Nov. 2010 - IV B 39/10
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.
(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.
(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof
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in der Sache selbst entscheiden oder - 2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.
(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben
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bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, - 2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.
(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.
(7) Betreffen Verwaltungsakte
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts oder der Entscheidung oder mit dem Zeitpunkt, an dem die Bekanntgabe als bewirkt gilt.
(2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 225 und 226 der Zivilprozessordnung.
(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.
(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sowie Terminbestimmungen und Ladungen sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist.
(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung.
(3) Wer seinen Wohnsitz oder seinen Sitz nicht im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Geschieht dies nicht, so gilt eine Sendung mit der Aufgabe zur Post als zugestellt, selbst wenn sie als unbestellbar zurückkommt.
Ist die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt. Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung.
(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
(2) Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; bei Versäumung der Frist zur Begründung der Revision oder der Nichtzulassungsbeschwerde beträgt die Frist einen Monat. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder ohne Antrag bewilligt werden, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat.
(5) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.