Tatbestand

1

I. Streitig ist die inländische Steuerpflicht von im Ausland erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit.

2

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, wurden im Streitjahr (2004) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war als Prokuristin bei einer schweizerischen Bank angestellt und bezog aus diesem Arbeitsverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die in der Schweiz einem Quellensteuerabzug unterworfen wurden. Der Arbeitsort in der Schweiz war etwa 35 km vom Wohnort in Deutschland entfernt; die Klägerin nutzte für die Wegstrecke öffentliche Verkehrsmittel (Fahrtzeit ca. eine Stunde).

3

In ihrer Einkommensteuererklärung des Streitjahres deklarierten die Kläger aus diesem Arbeitsverhältnis steuerfreie (dem Progressionsvorbehalt unterliegende) Einkünfte in Höhe von 107.913 € unter Hinweis auf einen Lohnausweis des Arbeitgebers, eine Anlage "N-Gre-3", eine Bescheinigung des Arbeitgebers vom 19. Januar 2005 über die Nichtrückkehr an mehr als 60 Arbeitstagen mit einem Sichtvermerk des Kantonalen Steueramts vom 29. März 2005, sowie eine Einzelaufstellung der Nichtrückkehrtage ("Liste der Nächte 2004"). Nach dieser Aufstellung war die Klägerin an 93 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an ihren inländischen Wohnsitz zurückgekehrt; die dort angeführten Tage und den Grund der langen Arbeitszeiten hatte die Klägerin bei einer Büroanwesenheit jeweils per E-Mail der Personalabteilung ihres Arbeitgebers mitgeteilt.

4

Zum Veranlagungszeitraum 2002 hatte die Klägerin dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) folgende Erläuterung abgegeben: Sie beginne ihre Arbeit regelmäßig zwischen 7:00 Uhr und 7:30 Uhr (spätestens um 7:45 Uhr) und sei häufig bis 22:00 Uhr, manchmal auch länger, tätig. Ihre Arbeitszeit werde nicht erfasst. Grund für diese langen Arbeitszeiten seien insbesondere die weltweiten Bankbeziehungen, insbesondere mit den USA und Japan, und die damit verbundenen Zeitverschiebungen. Eine Heimfahrt mit dem Zug sei ihr nach 22:00 Uhr nicht mehr zuzumuten, zumal sie bereits früh aufstehen müsse, um wieder rechtzeitig im Büro zu sein. Sie fahre mit der Bahn, obwohl ihr ein Geschäftswagen zur Verfügung stehe. Daher übernachte sie bei Bedarf in der Schweiz. Sie habe dort ein möbliertes Zimmer in der Wohnung ihrer volljährigen Tochter und zahle hierfür Miete. Das FA hatte daraufhin aus dem Blickwinkel der Bearbeitung der Steuersache für 2002 in einem Vermerk festgehalten: "Für die Folgejahre ist dafür Sorge zu tragen, dass die betrieblich bedingten Übernachtungen in A (Schweiz) nachgewiesen werden können. Dazu ist zumindest erforderlich, dass alle Übernachtungen dem Arbeitgeber bekanntgegeben werden, so dass dieser diese auch bestätigen kann."

5

Das FA berücksichtigte die Einkünfte der Klägerin im Streitjahr als steuerpflichtig, da sie Grenzgängerin sei; die Schweizer Abzugsteuer in Höhe von 5.488 € wurde auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet. Die Klage, mit der die Steuerfreistellung dieser Einkünfte beantragt worden war, war erfolgreich (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 23. Oktober 2009  11 K 50/07).

6

Das FA rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat unzutreffend angenommen, dass die Klägerin nicht als Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1072, 519) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) --DBA-Schweiz 1992-- anzusehen ist; ihre Einkünfte aus der Tätigkeit in der Schweiz unterliegen vielmehr gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 der deutschen Einkommensteuer.

9

1. Nach Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 sind Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1992 ist jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die im anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1992). Nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 entfällt bei einer in einem Vertragstaat ansässigen Person die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn sie bei einer Beschäftigung im anderen Vertragstaat während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (sog. Nichtrückkehrtage).

10

2. Die Klägerin ist sog. Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992, da sie nicht nachgewiesen hat, im Streitjahr die nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 für die Grenzgängereigenschaft unschädliche Höchstgrenze der sog. Nichtrückkehrtage überschritten zu haben.

11

a) Die Grenzgängereigenschaft entfällt bei einer in einem Vertragstaat ansässigen Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt, dann, wenn sie an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15. September 2004 I R 67/03, BFHE 207, 452, BStBl II 2010, 155) liegt sowohl für die objektive Zahl der Übernachtungen in der Schweiz als auch für deren jeweilige berufliche Veranlassung die objektive Beweislast (Feststellungslast) bei dem Steuerpflichtigen, der die inländische Steuerpflicht seiner Einkünfte unter Hinweis auf Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 bestreitet. Diese Beweislastverteilung folgt aus Art. 3 Abs. 2 Satz 5 des Zustimmungsgesetzes vom 30. September 1993 (BGBl II 1993, 1886, BStBl I 1993, 927), wonach der Arbeitgeber die Tage der Nichtrückkehr auf Grund der Arbeitsausübung bescheinigen muss, wenn der Arbeitnehmer wegen Nichtrückkehr nicht mehr Grenzgänger ist; der Gesetzgeber geht hiernach bei dem in Frage kommenden Personenkreis von der Vermutung der regelmäßigen Rückkehr aus. Allerdings schließt die genannte Bescheinigung eine eigenständige Nachprüfung durch die Finanzbehörden des Ansässigkeitsstaates nicht aus (Nr. II.5. Satz 2 des Verhandlungsprotokolls in BGBl II 1993, 1889, BStBl I 1993, 929); sie ist mithin weder für das FA noch für das FG bindend (Senatsurteil in BFHE 207, 452, BStBl II 2010, 155).

12

b) Das FG, das in seinem Urteil festgestellt hat, dass die Klägerin diesen Nachweis für die die unstreitige Zahl von Nichtrückkehrtagen (28 Tage) übersteigende Zahl der Tage nicht erbracht hat, konnte einer Entscheidung zum Nachteil der Klägerin nicht unter Hinweis auf eine Reduzierung des Beweismaßes entgehen.

13

aa) Das FG hat --in Übereinstimmung mit den Beteiligten-- festgestellt, dass die Klägerin an 28 Tagen an ihren Wohnort nicht zurückkehren konnte, da sie an der Rückkehr durch Auslandsdienstreisen gehindert war. Dies ist nicht im Streit.

14

bb) Das FG hat im Übrigen ausgeführt, es sei davon überzeugt, dass die Klägerin über die bezeichneten 28 Tage hinaus an zahlreichen weiteren Tagen ihre Arbeit im Büro erst so spät beendet habe, dass sie aus diesem Grund von einer Rückkehr an ihren Wohnsitz Abstand genommen habe; es halte es auch für sehr wahrscheinlich, dass dies an allen anderen der in ihrer Aufstellung enthaltenen 65 Tagen der Fall gewesen sei. Das FG habe allerdings trotz des glaubwürdigen Eindrucks, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemacht habe, keine über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Angaben erlangen können. Den von der Klägerin vorgelegten E-Mails (Nachrichten an die Personalabteilung ihres Arbeitgebers über eine Übernachtung an diesem Tag) komme kein (zusätzlicher) Erkenntniswert zu, der über den Erkenntniswert der von ihr vorgelegten Auflistung der berufsbedingten Nichtrückkehrtage hinausgehe.

15

Das FG hat damit festgestellt, dass der Klägerin der ihr obliegende Nachweis der Nichtrückkehrtage nicht gelungen ist. Dies --vom FG als Zwischenergebnis verstanden-- lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

16

cc) Das FG hat sich allerdings im konkreten Fall dazu veranlasst gesehen, "hinsichtlich der Zahl der beruflichen Nichtrückkehrtage den Überzeugungsgrad der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit ausreichen zu lassen". Mehr könne nämlich auf Grund der der Klägerin durch das FA nahe gelegten Art der Nachweisführung (Hinweis auf den Vermerk des FA zum Veranlagungszeitraum 2002) nicht erreicht werden. Höhere Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu stellen, verstieße deshalb unter den gegebenen Umständen gegen Treu und Glauben. Darin ist dem FG nicht zu folgen.

17

aaa) Allerdings sieht, wie es auch das FG ausgeführt hat, § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO mit dem Hinweis auf die richterliche Überzeugung als Grundlage der Entscheidungsfindung kein für alle Situationen einheitliches (festes) Beweismaß vor, sondern lässt Raum für eine vom sog. Regelbeweismaß abweichende Überzeugungsbildung. Zu einer sog. Beweismaßreduzierung kann es unter Berücksichtigung des § 162 der Abgabenordnung (AO) kommen (s. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO und dazu z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. August 1991 X R 86/88, BFHE 165, 458, BStBl II 1992, 128), ebenfalls als Sanktionierung von Pflicht- bzw. Obliegenheitsverletzungen einzelner Beteiligter (s. z.B. Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 96 FGO Rz 62 ff.; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO Rz 64, 69 ff.; Schmidt-Troje in Beermann/ Gosch, AO/FGO, § 96 FGO Rz 58 ff.). Dies bedeutet, dass sich das Gericht über etwa gegebene Zweifel in tatsächlicher Hinsicht hinwegsetzen kann. Stellt das Gericht den Sachverhalt mittels reduzierten Beweismaßes fest, bedarf es keiner Anwendung der Regeln über die Verteilung der Feststellungslast (Beweislast).

18

bbb) Soweit das FG eine Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 Abs. 1 AO --im Streitfall: als Schätzung der Zahl der Nichtrückkehrtage-- für möglich hält, da es den steuererheblichen Sachverhalt (die Anzahl dieser Nichtrückkehrtage) nicht mit letzter Sicherheit ermitteln könnte, ist ihm nicht beizupflichten. Denn nach der Rechtsprechung des BFH erlaubt § 162 Abs. 1 AO nur die Schätzung quantitativer Größen, nicht aber die Schätzung rein qualitativer Besteuerungsmerkmale (im Sinne der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Besteuerung - z.B. BFH-Urteil vom 10. Juni 1999 V R 82/98, BFHE 188, 460; BFH-Beschluss vom 20. Juli 2010 X B 70/10, BFH/NV 2010, 2007; zustimmend z.B. Buciek in Beermann/Gosch, a.a.O., § 162 AO Rz 22; teilweise abweichend [nur Ausschluss der Schätzung des sog. Grundsachverhalts] Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, a.a.O., § 162 AO Rz 14 ff.; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 20). Im Streitfall ist aber die zweite Variante einschlägig. Denn es geht nicht um die Zahl der Nichtrückkehrtage, sondern --bezogen auf jeden einzelnen der geltend gemachten Nichtrückkehrtage-- darum, ob die Klägerin aus beruflichen Gründen nicht an ihren Wohnort zurückgekehrt ist.

19

ccc) Dem FG ist ebenfalls darin nicht zu folgen, dass sich das FA in die Rolle des sog. Beweisverderbers begeben haben sollte bzw. nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Nachweisführung durch die Klägerin im Streitfall als ausreichend angesehen werden müsste.

20

Das FG verweist dazu zunächst auf die das Veranlagungsjahr 2002 betreffende Erörterung zwischen den Beteiligten, in der das FA habe erkennen lassen, dass es angesichts der der Klägerin zugebilligten generellen Glaubwürdigkeit für den Nachweis der beruflich veranlassten Nichtrückkehrtage ausreiche, E-Mails an die Personalabteilung ihres Arbeitgebers vorzulegen, und darüber hinaus auf eine Anerkennung der nach dieser Vorgabe nachgewiesenen Nichtrückkehrtage im Veranlagungszeitraum 2003. Damit hat das FG aber der auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum bezogenen Ermittlung des steuererheblichen Sachverhalts durch das FA --und hier der Frage, ob die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis der berufsbedingten Nichtrückkehr an den Wohnort (s. zu II.2.a der Gründe; s. auch § 90 Abs. 2 AO) erbracht hat-- zu enge Grenzen gesetzt. Zwar hat das FG ausdrücklich betont, dass das FA der Klägerin nicht zugesagt habe, jede der von ihr ihrem Arbeitgeber per E-Mail angekündigte Übernachtung anzuerkennen und auf eine Überprüfung der beruflichen Veranlassung zu verzichten. Faktisch soll aber aus der Sicht des FG eine solche Wirkung eingetreten sein. Eine solche Eingrenzung wird --da es sich um einen "Dauersachverhalt" mit großer finanzieller Auswirkung handelt und auch angesichts der Ungewissheit über den Inhalt und den daraus abzuleitenden Beweiswert der E-Mails-- dem Pflichtenumfang des FA (§ 85 AO) nicht gerecht. Die Revision macht im Übrigen in diesem Zusammenhang auch zu Recht geltend, dass das FG unterstellt habe, dass sich das FA bei der Veranlagung des Jahres 2003 ("offensichtlich") davon habe leiten lassen (was das FA bestreitet), ohne dies durch entsprechende Feststellungen abgesichert zu haben.

21

3. Auf dieser Grundlage kommt es auf die von der Revision erhobene Rüge der Verletzung des § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht mehr an.

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bei uns veröffentlicht am 12.05.2016

Tenor 1. Unter Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids vom 6. April 2016 wird die Einkommensteuer auf x.xxx EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu 44 v.H., der Kläger zu 56 v.H.

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Tatbestand

 
Die Klägerin, die seit 1. Mai 2009 Rentnerin ist und mit ihrem Ehemann, dem Kläger, zusammen veranlagt wird, arbeitete als Vize. Sie leitete im Streitjahr 2004 den Bereich „. Wegen der Einzelheiten wird auf das Organigramm der Bezug genommen (Klage-Akte, S.). Sie war zuständig für die Fremdwährungskonten der. Sie hatte solche Konten zu eröffnen, die Konditionen zu verhandeln und die Kontakte zu den jeweiligen Banken zu pflegen. Eine weitere Aufgabe war, als zu fungieren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufgabenbeschreibung der Klägerin (Klage-Akte, S.) sowie die Zielvereinbarung der Klägerin mit ihrem Arbeitgeber vom 23. November 2004 (Klage-Akte, S.) Bezug genommen. Ihr Arbeitsort war etwa 35 Kilometer vom Wohnort Deutschland, entfernt. Die Strecke legte sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück; hierzu verfügte sie über ein Jahresstreckenabonnement. Die Fahrt mit dem Zug dauerte etwa eine Stunde.
Die Kläger erklärten in ihrer Einkommensteuer-ESt-Erklärung 2004 u.a. steuerfreie, im Progressionsvorbehalt zu berücksichtigende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin in Höhe von 107.913,70.- EUR. Sie fügte einen Lohnausweis, eine Anlage „N-Gre-3“, eine Bescheinigung des Arbeitgebers vom 19. Januar 2005 über die Nichtrückkehr an mehr als 60 Arbeitstagen mit einem Sichtvermerk des Kantonalen Steueramts vom 29. März 2005 sowie eine Einzelaufstellung der Nichtrückkehrtage bei. Nach der „Liste der Nächte 2004“ hatte die Klägerin an 93 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an ihrem inländischen Wohnsitz übernachtet und zwar an folgenden Tagen aus folgenden Gründen:
Anzahl
Datum 2004
Gearbeitet bis
Grund
1       
07.01.
21.30
        
2       
12.01.
21.00
        
3       
13.01.
21.30
        
4       
15.01.
21.30
        
5       
26.01.
21.30
        
6       
27.01.
22.00
        
7       
29.01.
21.30
        
8       
02.02.
21.30
        
9       
03.02.
21.30
        
10   
09.02.
21.30
        
11   
10.02.
21.30
        
12   
12.02.
21.30
        
13   
16.02.
21.30
        
14   
18.02.
                 
15   
19.02.
                 
16   
25.02.
23.00
        
17   
26.02.
22.00
        
18   
01.03.
22.00
        
19   
02.03.
22.00
        
20   
04.03.
                 
21   
08.03.
21.30
        
22   
09.03.
21.30
        
23   
11.03.
21.30
        
24   
16.03.
                 
25   
17.03.
21.30
        
26   
22.03.
21.30
        
27   
24.03.
21.30
        
28   
29.03.
                 
29   
30.03.
                 
30   
31.03.
21.30
        
31   
05.04.
21.30
        
32   
19.04.
                 
33   
20.04.
                 
34   
21.04.
21.30
        
35   
26.04.
21.30
        
36   
27.04.
21.30
        
37   
03.05.
                 
38   
04.05.
21.30
        
39   
11.05.
21.30
        
40   
12.05.
21.30
        
41   
18.05.
21.00
        
42   
26.05.
                 
43   
27.05.
                 
44   
28.05.
                 
45   
02.06.
21.00
        
46   
06.06.
                 
47   
07.06.
                 
48   
08.06.
                 
49   
09.06.
                 
50   
10.06.
                 
51   
11.06.
                 
52   
12.06.
                 
53   
13.06.
                 
54   
14.06.
                 
55   
15.06.
                 
56   
16.06.
                 
57   
23.06.
21.30
        
58   
29.06.
21.30
        
59   
30.06.
21.30
        
60   
07.07.
21.00
        
61   
15.07.
21.00
        
62   
21.07.
21.30
        
63   
26.07.
                 
64   
28.07.
21.30
        
65   
29.07.
                 
66   
09.08.
21.00
        
67   
12.08.
21.30
        
68   
01.09.
21.30
        
69   
09.09.
21.30
        
70   
14.09.
21.30
        
71   
21.09.
21.30
        
72   
23.09.
21.00
        
73   
28.09.
21.30
        
74   
04.10.
                 
75   
07.10.
21.30
        
76   
19.10.
                 
77   
20.10.
21.30
        
78   
21.10.
                 
79   
26.10.
21.30
        
80   
02.11.
21.00
        
81   
03.11.
                 
82   
04.11.
21.00
        
83   
10.11.
21.30
        
84   
18.11.
21.30
        
85   
29.11.
21.00
        
86   
30.11.
                 
87   
01.12.
                 
88   
06.12.
21.30
        
89   
07.12.
                 
90   
09.12.
                 
91   
14.12.
                 
92   
16.12.
21.30
        
93   
22.12.
21.30
        
Die Tage und den Grund für ihre langen Arbeitszeiten hatte die Klägerin per Mail der Personalabteilung ihres Arbeitgebers mitgeteilt, damit dieser die Bescheinigung „Gre-3“ ausfüllen konnte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Mails Bezug genommen (Klage-Akte, S.).
Darüber hinaus bescheinigte die Arbeitgeberin der Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2005, dass diese in der Abteilung „“ im Rang einer Vizedirektorin tätig sei und als Leiterin die Sektion „“ führe. Diese Position erfordere einen großen persönlichen Einsatz, der unregelmäßige Arbeitszeiten nach sich ziehe. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben der ...AG Bezug genommen (Klage-Akte, S. 54).
Die Klägerin erläuterte im August 2003 in Bezug auf die Veranlagung für das Jahr 2002 persönlich dem Beklagten, sie beginne ihre Arbeit regelmäßig zwischen 7.00 Uhr und 7.30 Uhr (spätestens um 7.45 Uhr) und sei häufig bis 22.00 Uhr, manchmal auch länger, tätig. Ihre Arbeitszeit werde nicht erfasst. Grund für diese langen Arbeitszeiten seien insbesondere die weltweiten Bankbeziehungen, insbesondere mit den USA und Japan, und die damit verbundenen Zeitverschiebungen. Eine Heimfahrt mit dem Zug sei ihr nach 22 Uhr nicht mehr zuzumuten, zumal sie bereits früh aufstehen müsse, um wieder rechtzeitig im Büro zu sein. Sie fahre mit der Bahn, obwohl ihr ein Geschäftswagen zur Verfügung stehe. Daher übernachte sie bei Bedarf in. Sie habe dort ein möbliertes Zimmer in der Wohnung ihrer volljährigen Tochter und zahle hierfür Miete. Die Klägerin hatte zugunsten ihrer Tochter einen Dauerauftrag von monatlich 400 Schweizer Franken -SFr.- für den „Mietanteil“ eingerichtet. Nach den Angaben im Mietvertrag vom 30. April 2003 zahlte die Tochter ab 1. Juni 2003 monatlich 1.335.- SFr. für ihre Drei-Zimmer-Wohnung. Daraufhin hielt der Beklagte in den Akten u.a. Folgendes fest:
„Für die Folgejahre ist dafür Sorge zu tragen, dass die betrieblich bedingten Übernachtungen in Zürich nachgewiesen werden können. Dazu ist zumindest erforderlich, dass alle Übernachtungen dem Arbeitgeber bekanntgegeben werden, so dass dieser diese auch bestätigen kann“.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Aktenvermerk vom 19. August 2003 sowie die oben zitierte Aktennotiz Bezug genommen (Rechtsbehelfs-Rb-Akte, S. 6-8).
Das beklagte Finanzamt -FA- setzte mit ESt-Bescheid 2004 vom 20. April 2006 die ESt in Höhe von 50.292.- EUR unter Einbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin in Höhe von (121.944.- EUR ./. 2.520.- EUR Entfernungspauschale ./. 517.- EUR übrige Werbungskosten =) 118.907.- EUR in die steuerliche Bemessungsgrundlage fest. Die Schweizer Abzugssteuer in Höhe von 5.488.- EUR rechnete es an. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein.
10 
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, sie, die Klägerin, sei keine Grenzgängerin i.S.d. Art. 15a DBA Schweiz, da sie an mehr als 60 Tagen aus beruflichen Gründen in der Schweiz übernachtet habe und daher ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht im Inland, sondern in der Schweiz zu besteuern seien - so wie in den Vorjahren auch. Sie habe im Rahmen einer persönlichen Erörterung mit dem Beklagten am 15. August 2003 vereinbart, wie der Nachweis einer beruflich veranlassten Übernachtung in der Schweiz geführt werden könne, nämlich durch Vorlage von elektronischen Nachrichten an die Kollegen. Mit ihrer ESt-Erklärung 2004 habe sie eine Liste über insgesamt 93 Übernachtungen in der Schweiz und dem Ausland vorgelegt. Ein Teil dieser Übernachtungen sei notwendig gewesen, weil bei Auslandsreisen der Abflug auf dem Flugplatz in der Regel um 7.00 Uhr morgens und der Rückflug erst gegen 21.20 Uhr erfolgt sei. Eine entsprechende Zugverbindung zwischen ihrem Wohnsitz und dem Flughafen habe es zu diesen Zeiten nicht gegeben. Hinsichtlich der übrigen Übernachtungen habe sie exemplarisch mit mehreren Kopien über die an diesen Tagen stattgefundenen Termine Unterlagen beigelegt. Auch an diesen Tagen sei ihr wegen später Beendigung der Arbeit eine Rückkehr nach  nicht mehr zuzumuten gewesen.
11 
Sie erhalte aufgrund ihrer beruflichen Position eine Vielzahl von Mails, täglich zwischen 50 und 70, teils mit großen Anhängen in englischer Sprache, die zeitnah bearbeitet werden müssten. Zusätzlich fänden am frühen Morgen Telefonate mit Banken aus Asien und am Abend mit Banken aus Amerika/Kanada statt. Damit dauere schon ein normaler Arbeitstag mehr als 10 Stunden. Darüber hinaus betreffe die Frage der Zumutbarkeit immer eine konkrete Situation im Einzelfall unter Berücksichtigung der Art des ausgeübten Berufs. Sie könne die hohen beruflichen Erwartungen nur bei einem besonderen zeitlichen Engagement erfüllen. Dies beruhe auch darauf, dass sie sich hoch gearbeitet habe und bei der Übernahme und Ausführung jeder neuen Tätigkeit immer wieder Informations- und Lernbedarf gehabt habe. Im Übrigen verletze der Vorbehalt der Grenzgängerregelung und damit der Ausschluss der Besteuerung als leitende Angestellte in der Schweiz gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Grundgesetz -GG-. Sie werde insoweit ungleich behandelt. Werde nämlich bei der Zuweisung des Besteuerungsrechts gemäß Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz auf die Verwertung der Tätigkeit in der Schweiz abgestellt, müsse dies folgerichtig auch bei der Auslegung des Art. 15a DBA Schweiz Beachtung finden. Der Beklagte wolle sie wohl rechtlos stellen. Denn er sage nicht einmal, wie sie denn eine berufliche Veranlassung nachweisen könne.
12 
Die Kläger beantragen,
13 
die zuletzt mit Bescheid vom 1. Juli 2009 erfolgte Festsetzung der ESt 2004 erneut zu ändern und dabei die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 116.306,00 EUR steuerfrei zu belassen und nur bei der Ermittlung des Steuersatzes zu berücksichtigen.
14 
Der Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen;
16 
hilfsweise
17 
die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin in Höhe von (17.275.- EUR ./. 920.- EUR =) 16.355.- EUR in die steuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen und (104.669.- EUR ./. 2.801.- EUR =) 101.868.- EUR unter Progressionsvorbehalt steuerfrei zu belassen.
18 
Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, die Klägerin habe nicht anhand geeigneter Belege nachgewiesen, dass Übernachtungen an mehr als 60 Tagen beruflich veranlasst gewesen seien. Ihr sei die Heimkehr möglich und zumutbar gewesen. Der in Art. 15a DBA Schweiz verwendete Begriff „aufgrund ihrer Arbeitsausübung“ sei weder im DBA Schweiz noch in den Protokollen definiert. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -BMF- bestimme sich die Anzahl der Nichtrückkehrtrage nach der Anzahl der beruflich bedingten Übernachtungen. Dabei liege eine Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung vor, wenn die Rückkehr an den Wohnsitz aus beruflichen Gründen -aus objektiven Gründen- nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Es dürfe nicht der persönlichen Betrachtungsweise und Wertung des Steuerpflichtigen überlassen bleiben, ob er nach Hause fahre oder nicht. Sonst könne die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht gewahrt werden. Die Klägerin sei nach § 90 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- zur Beweismittelbeschaffung und -vorsorge verpflichtet. Ihr obliege die objektive Beweislast. Sie habe damit den Grund jedes einzelnen Nichtrückkehrtages sowie den Ort und die Kosten der Übernachtung konkret anzugeben. Der Vordruck „Gre-3“ reiche hierfür nicht aus. Hinzu komme, dass ein Arbeitnehmer nicht erreichen könne, dass seine Grenzgängereigenschaft aufgrund von Nichtrückkehrtagen entfällt, indem er durch Überstunden den verbleibenden Zeitraum zwischen Arbeitsende an einem und Arbeitsbeginn am folgenden Tag so stark verkürze, dass eine Rückkehr an den inländischen Wohnort nicht mehr möglich oder zumutbar sei. Im Übrigen habe er, der Beklagte, nicht zugesagt, jede dem Arbeitgeber per Mail angezeigte Übernachtung als Nichtrückkehrtag anzuerkennen. Ebenso wenig erfordere Art. 3 GG eine Gleichbehandlung aller leitenden Angestellten, unabhängig davon, ob sie Grenzgänger seien oder nicht. Es gebe keine Typisierung für leitende Angestellte.
19 
Hilfsweise werde eine Aufteilung der Schweizer Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit der Klägerin begehrt, weil Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA Schweiz so zu verstehen sei, dass lediglich Einkünfte aus der physisch in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit von der deutschen Steuer freizustellen seien. Art. 15 Abs. 4 DBA regle lediglich ein konkurrierendes und kein ausschließliches Besteuerungsrecht der Schweiz. Das Besteuerungsrecht für Auslandstage eines leitenden Angestellten stehe dem Ansässigkeitsstaat des leitenden Angestellten zu, der die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermeide. Die gegenteilige Ansicht des BFH (vgl. das Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFH/NV 2007, 593)  sei nicht richtig.
20 
Am 23. Juni 2009 fand eine Erörterung der Sach- und Rechtslage statt. Die Klägerin berichtete über ihre Arbeit im Eskalationsteam für Fremdwährungskonten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift der Berichterstatterin vom 23. Juni 2009 Bezug genommen (Klage-Akte, S. 102-104).
21 
Während des Klageverfahrens änderte der Beklagte den ESt-Bescheid 2004 mit Bescheid vom 1. Juli 2009 und setzte ESt in Höhe von 49.122.- EUR fest. Der Beklagte erkannte nunmehr die für das möblierte Zimmer gezahlte Miete als Werbungskosten an. Gleichzeitig kürzte er die Anzahl der Tage für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die sich daraus ergebende Höhe der Werbungskosten von 5.638 EUR und die danach verbleibenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 116.306 EUR sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Klage ist begründet.
23 
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, da in die Bemessungsgrundlage Beträge eingeflossen sind, die durch die Tätigkeit der Klägerin für die veranlasst sind. Diese Einkünfte sind nach Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 DBA Schweiz im Inland steuerfrei zu belassen. Die insoweit vorrangige Regelung des Art. 15a DBA-Schweiz greift nicht ein, da die Klägerin im Streitjahr nicht Grenzgängerin im Sinne dieser Vorschrift war. Die durch regelmäßige Rückkehr vom ausländischen Arbeitsort an den inländischen Wohnsitz gekennzeichnete Grenzgängereigenschaft (vgl. Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA Schweiz) entfällt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 60 Arbeitstagen aus Gründen seiner Arbeitsausübung nicht an den inländischen Wohnsitz zurückkehrt. Das war bei der Klägerin im Streitjahr indessen der Fall.
24 
1.  Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin an zahlreichen Tagen aus beruflichen Gründen nicht nach zurückgekehrt ist, weil Auslandsdienstreisen eine Rückkehr an ihren Wohnort nicht zugelassen haben; es handelt sich dabei jedenfalls um die in der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung unter den Nrn. 14, 15, 28, 29, 32, 33, 37, 42 bis 44, 46 bis 56, 61, 65, 72, 76, 82, 86 und 87 aufgelisteten 28 Tage. Auch der Senat hat keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Klägerin, wonach sie an diesen Tagen ausschließlich aus Gründen ihrer Arbeitsausübung in Zürich oder im Ausland übernachtet hat. Das gilt auch für die Tage, an denen die Klägerin abends nach 21:00 Uhr auf dem Flughafen gelandet ist; der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat diesbezüglich unwidersprochen vorgetragen, dass es ihr um diese Zeit nicht mehr möglich gewesen sei, mit dem Zug von dort aus nach zurückzukehren.
25 
2.  Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin über die unter 1. bezeichneten 28 Tage hinaus an zahlreichen weiteren Tagen ihre Arbeit im Büro erst so spät beendet hat, dass sie aus diesem Grund von einer Rückkehr an ihren Wohnsitz nach Abstand genommen hat (a). Er hält es darüber hinaus auch für sehr wahrscheinlich, dass dies an allen anderen der in ihrer Aufstellung enthaltenen 65 Tagen der Fall war (b). Das reicht unter den gegebenen Umständen aus, um bei der Entscheidung des Streitfalles hiervon auszugehen; im Hinblick auf die Situation, die infolge der im August 2003 zwischen den Beteiligten u. a. zur Frage der künftigen Nachweisführung geführten Besprechung entstanden ist, erachtet der Senat nämlich eine Sachverhaltsfeststellung auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes für zulässig und auch ausreichend (c).
26 
a)  Schon aufgrund der von der Klägerin wahrzunehmenden Aufgaben (vgl. hierzu die mit dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 07. Juli 2009 vorgelegten Unterlagen; FG-ABl. 114 - 125) erscheint es naheliegend, dass ihre Präsenz im Büro häufig sowohl früh morgens als auch spät abends erforderlich war. Die Klägerin hat hierzu darauf hingewiesen, dass sie infolge ihrer mit der Verwaltung der Fremdwährungskonten der verbundenen Funktion des Deeskalationsmanagements häufig Kontakt mit Stellen im außereuropäischen Ausland habe aufnehmen müssen und sie wegen der Zeitverschiebung die zuständigen Ansprechpartner in Asien nur am frühen Morgen und diejenigen in den USA vielfach nur am späten Abend habe erreichen können. Auch ist es nicht ungewöhnlich, dass eine in leitender Stellung tätige Person vor oder nach (urlaubs-, krankheits-  oder dienstreisebedingter) Büroabwesenheit zur Vermeidung oder dem Abbau von Arbeitsrückständen bis in den späten Abend im Büro bleibt.
27 
Dass sich dies bei der Klägerin so verhalten hat, bezweifelt im Grunde auch das FA nicht. In dem über die Besprechung vom 15. August 2003 gefertigten Aktenvermerk (vgl. Rb-Akte Bl. 6 f.) brachte die daran beteiligte Bedienstete der beklagten Behörde (Frau V) zum Ausdruck, dass die Klägerin einen seriösen Eindruck mache und glaubhaft wirke; es werde weder unterstellt, dass sie die Arbeitszeiten falsch darstelle, noch werde bezweifelt, dass sie in Zürich übernachte. Die in diesem Vermerk Ausdruck findende Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Klägerin hat das FA im gerichtlichen Verfahren nicht korrigiert.
28 
Auch der erkennende Senat ist vor dem Hintergrund, dass die Angaben der Klägerin angesichts der von ihr seinerzeit wahrzunehmenden Aufgaben insgesamt plausibel erscheinen und keine konkreten Anhaltpunkte dafür bestehen, dass sie bereit sein könnte, im Interesse der Verhinderung der inländischen Besteuerung unzutreffende Angaben zu machen, davon überzeugt, dass sie jedenfalls an zahlreichen Tagen bis nach 21.00 Uhr im Büro gearbeitet und es dann im Hinblick auf den für die Fahrten nach und zurück anfallenden Zeitaufwand sowie die dann für die dortige Nachtruhe noch verbleibende Zeit vorgezogen hat, in der Wohnung ihrer Tochter in Zürich zu übernachten.
29 
b)  Während der Senat danach keine Zweifel daran hat, dass die Klägerin an zahlreichen Tagen aus den genannten (beruflichen) Gründen abends nicht nach Deutschland zurückgekehrt ist, hat er die gleiche Gewissheit hinsichtlich der Frage, wie oft dies im Streitjahr tatsächlich der Fall war, nicht gewinnen können. Er hält es zwar namentlich wegen des persönlichen Eindrucks, den er von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, aber auch aufgrund der anderen unter a) ausgeführten weiteren Erwägungen für sehr wahrscheinlich, dass die Klägerin an allen, jedenfalls aber den meisten der in der von ihr erstellten Liste der berufsbedingten Nichtrückkehr enthaltenen Tage wegen allzu später Beendigung ihrer Arbeit in übernachtet hat. Der Senat konnte allerdings trotz des glaubwürdigen Eindrucks, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, keine über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Angaben erlangen. Dies beruht vor allem auf der Erkenntnis, dass die Befragung in der mündlichen Verhandlung nur begrenzte Einsichten hinsichtlich der Aufrichtigkeit der Klägerin vermitteln konnte, da diese nicht durch andere, von ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit unabhängige Erkenntnisquellen bestätigt werden konnten. Solche gibt es nämlich für den zentralen Sachverhalt nicht. Es gibt insbesondere keine Zeugen, die aus eigener Wahrnehmung Angaben dazu hätten machen können, wie oft die Klägerin im Streitjahr ihre Arbeit abends erst so spät beendet hat, dass ihre Nichtrückkehr an ihren Wohnsitz nach Deutschland jeweils als beruflich veranlasst erscheinen konnte. Der Senat misst diesbezüglich auch den von der Klägerin vorgelegten Mails (vgl. FG-ABl.) keinen zusätzlichen, d. h. keinen Beweiswert zu, der über den Erkenntniswert der von ihr vorgelegten Auflistung der berufsbedingten Nichtrückkehrtage hinausgeht. Diese Mails enthalten nämlich weder eine Bestätigung der Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin durch eine andere Person noch ermöglichen sie dem Gericht eine Überprüfung ihrer inhaltlichen Richtigkeit.
30 
In den Mails hat die Klägerin regelmäßig im Verlauf eines Arbeitstages  - mitunter auch schon sehr früh -  ihre Absicht gegenüber einer Mitarbeiterin der Personalabteilung ihres Arbeitgebers kundgetan, an dem jeweiligen Abend ihre Arbeit erst spät (meist gegen 21:30 Uhr) beenden und dann in übernachten zu wollen. Beispielhaft wird hierzu auf den Inhalt der von ihr am 26. Januar 2004 um 12:48 Uhr an Frau gesandte Mail (FG-ABl. 82) Bezug genommen, die unter dem Betreff „Übernachtung in wie folgt lautet:
31 
„Ich hatte letzte Woche Ferien und habe diese Woche viele Meetings. Aus diesem Grunde kann ich meine Mails nicht während der normalen Arbeitszeit abarbeiten und werde deshalb heute abend länger arbeiten (bis ca 21:30) und dann in übernachten.
Gruss und schönen Nachmittag
32 
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die in Mails dieser Art zum Ausdruck kommende Absicht auch tatsächlich der im Zeitpunkt der Absendung der Mail aktuellen Arbeitsplanung der Klägerin entsprochen hat, steht damit noch nicht fest, dass sie dieses Vorhaben auch stets so umgesetzt hat. Die Klägerin könnte die Bearbeitung der Mails schneller als vorausgesehen (etwa bereits um 19:00 Uhr) abgeschlossen haben, sie könnte aber auch aus anderen Gründen von ihrer ursprünglichen Absicht abgerückt sein und die Arbeit auf den folgenden Arbeitstag verschoben haben; in solchen Fällen könnte eine Rückkehr an ihren Wohnort im Inland entweder doch stattgefunden oder aber aus anderen als beruflichen Gründen unterblieben sein. Ein besonderer, über tabellarische Eigenaufzeichnungen hinausgehender Erkenntniswert kommt der von der Klägerin praktizierte Form der Nachweisführung jedenfalls nicht zu.
33 
c) Obwohl der Senat eine volle, von nachvollziehbaren Zweifeln freie Überzeugung hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, an allen in ihrer Aufstellung enthaltenen Tagen bis in die späten Abendstunden in gearbeitet zu haben, nicht hat erlangen können, geht er von diesem Sachverhalt aus. Der Streitfall ist nämlich durch Besonderheiten gekennzeichnet, die es gebieten, hinsichtlich der Zahl der beruflichen Nichtrückkehrtage den Überzeugungsgrad der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit ausreichen zu lassen. Mehr kann nämlich aufgrund der der Klägerin durch das FA nahegelegten Art der Nachweisführung nicht erreicht werden. Höhere Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu stellen, verstieße deshalb unter den gegebenen Umständen gegen Treu und Glauben.
34 
aa)  Für diese Auffassung stützt sich der Senat auf die abgabenrechtlichen Schätzungsregelungen, deren sinngemäße Anwendung für die Überzeugungsbildung des Finanzgerichts § 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- in Ergänzung des im ersten Halbsatz der Regelung definierten Erkenntnismaßstabs ausdrücklich anordnet.
35 
§ 162 Abs. 1 AO sieht die Möglichkeit einer Schätzung immer dann vor, wenn die Finanzbehörde einen steuererheblichen Sachverhalt nicht ausreichend ermitteln kann. Die Konsequenz aus der in § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geregelten sinngemäßen Anwendung des § 162 AO ist demnach die Zulassung eines Wahrscheinlichkeitsurteils als Erkenntnismaßstab und damit eine Reduzierung des Regelbeweismaßes auch im finanzgerichtlichen Verfahren (vgl. dazu die Nachweise aus der Rspr. bei Seer in Tipke/Kruse, AO und FGO, Rz. 69 ff. zu § 96 FGO).
36 
Auch wenn Aufklärungsdefizite im Besteuerungsverfahren häufig auf Mitwirkungspflichtverletzungen zurückzuführen sind und diese deshalb den größten Teil der Anwendungsfälle des § 162 AO ausmachen, beschränkt § 162 Abs. 1 AO die Befugnis zur Schätzung keineswegs auf solche Fälle. Sie ist vielmehr auch in anderen Fällen in Betracht zu ziehen, in denen die tatsächlichen Umstände einer Besteuerungsgrundlage nicht mit letzter Sicherheit ermittelt werden können. Das bedeutet indessen nicht, dass es für die Zulässigkeit einer auf ein reduziertes Beweismaß gestützten gerichtlichen Entscheidung belanglos wäre, worauf es beruht, dass eine sichere Überzeugung von einer steuererheblichen Tatsache nicht erlangt werden kann. Wer nach den steuergesetzlichen Wertungen die Verantwortung dafür trägt, dass der besteuerungserhebliche Sachverhalt aufgeklärt wird, soll nicht durch Verletzung seiner diesbezüglichen Pflichten erreichen können, dass dadurch das Beweismaß für die Feststellung in seiner Aufklärungsverantwortung liegenden steuerentlastenden Tatsachen gesenkt wird. Obwohl der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz getroffenen Ausnahmeregelung trägt (vgl. das BFH-Urteil vom 15. September 2004  I R 67/03, BFH/NV 2005, 267) und obwohl § 90 Abs. 2 AO bezogen auf Auslandssachverhalte eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen begründet, die auch eine Pflicht zur Beweisvorsorge beinhaltet, ist jedoch auch im Streitfall eine Sachverhaltsfeststellung auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes nicht ausgeschlossen. Denn die Klägerin hat ihre diesbezüglichen Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Sie hat vorgelegt, was sie vorlegen konnte. Dass sie sich nicht um weitere  - aussagekräftigere -  Beweismittel bemüht hat, kann ihr im Streitfall nicht angelastet werden.
37 
bb)  Die Besonderheiten, die im Streitfall eine Reduzierung des Beweismaßes auf dasjenige der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit rechtfertigen, liegen darin, dass die Beteiligten am 15. August 2003 vor dem Hintergrund diesbezüglich unterschiedlicher Auffassungen die Anforderungen an einen Nachweis der berufsbedingten Nichtrückkehrtage miteinander erörtert haben und das FA dabei hat erkennen lassen, dass es hierfür Mails, mit denen die Klägerin ihren Arbeitgeber jeweils im Voraus über die Nichtrückkehr unterrichtet, als ausreichend erachten werde.
38 
In einem über diese Unterredung gefertigten Aktenvermerk vom 19. August 2003 (Rb-ABl. 6 f.), auf den wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, ist die Problematik der Nachweisführung vor dem Hintergrund skizziert, dass die Arbeitszeiten der Klägerin nicht über Zeiterfassungsgeräte festgehalten werden und ihr Arbeitgeber nur allgemein ihre teilweise ungewöhnlich langen Arbeitszeiten, nicht aber konkret diejenigen Tage bestätigen kann, an denen sie deshalb in der Schweiz übernachtet hat. Ferner ist darin festgehalten, dass die Klägerin einen ebenso seriösen wie glaubwürdigen Eindruck mache und nicht davon ausgegangen werde, dass sie hinsichtlich ihrer Arbeitszeiten falsche Angaben mache. Nach weiteren Ausführungen schließt der Aktenvermerk mit dem Ergebnis, dass eine „Freistellung“ (bezogen auf die Arbeitseinkünfte der Klägerin für 2002 von der inländischen Steuerpflicht) erfolgen könne, was dann auch geschehen ist. In einem weiteren  - undatierten -  Vermerk ist unter der Überschrift „WV 2003 ff“ ausgeführt (vgl. Rb-ABl. 8; vgl. ferner oben Seite 7 des Urteils):
39 
„Für die Folgejahre ist dafür Sorge zu tragen, dass die betrieblich bedingten Übernachtungen nachgewiesen werden können.
Dazu ist zumindest erforderlich, dass alle Übernachtungen dem Arbeitgeber bekanntgegeben werden, so daß dieser diese auch bestätigen kann.“
40 
Es ist dem FA zwar zuzugeben, dass die Behörde der Klägerin damit nicht zugesagt hat, jede der von ihr ihrem Arbeitgeber per Mail angezeigte Übernachtung anzuerkennen und auf eine Überprüfung der beruflichen Veranlassung zu verzichten. Jedoch muss sie sich entgegen halten lassen, dass sie der Klägerin gegenüber den Eindruck erweckt hat, sich angesichts der ihr zugebilligten generellen Glaubwürdigkeit für den Nachweis der beruflich veranlassten Nichtrückkehrtage mit Mails begnügen zu wollen, in denen sie  - die Klägerin -  ihrer Personalabteilung jeweils frühzeitig (um die Möglichkeit der Überprüfung zu gewährleisten) unter stichwortartiger Nennung des hierfür gegebenen Grundes die bevorstehende Verlängerung ihrer Arbeitszeit in die Abendstunden hinein anzeigen sollte. So jedenfalls hat die Klägerin das Ergebnis der hierzu mit der Sachbearbeiterin des FA (Frau ) geführten Besprechung nach ihren glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung verstanden und so durfte sie dieses Ergebnis aufgrund des Inhalts der vorstehend dargestellten Vermerke nach Auffassung des Senats auch verstehen. Von diesem Verständnis der Nachweisanforderungen hat sich im Übrigen ganz offensichtlich zunächst auch das FA leiten lassen. Es hat nämlich die von der Klägerin aus ihrer Tätigkeit für die ... erzielten Einkünfte im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2003 im Inland steuerfrei belassen (vgl. das Eingabeprotokoll für die Veranlagung 2003; ESt-Akte Fach 2003), obwohl die Klägerin die für diesen Zeitraum geltend gemachten berufsbedingten Nichtrückkehrtage nach dem Inhalt der ESt-Akte Fach 2003 ebenfalls (nur) mit einer Auflistung der entsprechenden Tage, Mails der auch für das Streitjahr 2004 vorgelegten Art sowie einer darauf Bezug nehmenden Bestätigung ihres Arbeitgebers vom 04. August 2004 belegt hatte.
41 
dd)  Gegen eine sinngemäße Anwendung des § 162 AO im Streitfall spricht auch nicht, dass es bei der streitigen Zahl der berufsbedingte Nichtrückkehrtage nicht lediglich um die Quantifizierung dem Grunde nach feststehender Besteuerungsgrundlagen geht. Martin (in Betriebs-Berater 1986, 1021 ff., 1029) und Seer (in Tipke/Kruse; AO und FGO, Rz. 20 zu § 162 AO) haben zutreffend nachgewiesen, dass auch bei der Annahme eines Sachverhalts von einem als Schätzung bezeichneten Wahrscheinlichkeitsurteil ausgegangen werden kann; jedem quantitativen Zahlenansatz liegt nämlich bei einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen immer ein mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit vermuteter Lebensvorgang zugrunde.
42 
ee)  Nachdem die Klägerin für die in ihrer Auflistung enthaltenen Tage jeweils entsprechende Mails vorgelegt hat, ihre generelle Glaubwürdigkeit vom FA auch in der mündlichen Verhandlung weiterhin  - wie bereits anlässlich der Besprechung vom 15. August 2003  -  als sehr hoch eingeschätzt wurde und auch die von der Klägerin zu ihrer Stellung und ihren Aufgaben bei der vorgelegten Unterlagen insgesamt ihre Angaben zu den Daten der Nichtrückkehr glaubhaft erscheinen lassen, legt der Senat diese seiner Entscheidung zugrunde.
43 
3. Kann deshalb  - mit einer sehr hohen, für den Streitfall ausreichenden Wahrscheinlichkeit - davon ausgegangen werden, dass die Klägerin an insgesamt 93 Tagen nicht nach Deutschland an ihren Wohnort zurückgekehrt ist, weil sie entweder sich auf einer Dienstreise befunden oder ihre Tätigkeit im Büro erst so spät abgeschlossen hat, dass sie deswegen nicht mehr an ihren inländischen Wohnort nach zurückgekehrt ist, dann war sie im Streitjahr nicht Grenzgängerin gemäß Art. 15a DBA Schweiz. Sie ist an den entsprechenden (mehr als 60) Tagen im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz „auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht … zurückgekehrt“. Den gegen diese Würdigung vom FA erhobenen Einwand, dass die Klägerin ihre Arbeit auch so habe einrichten können, dass sie diese an jedem Arbeitstag frühzeitig genug abschließt, um noch ohne weiteres mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren zu können, hält der Senat nicht für stichhaltig. Wenn die Klägerin bis um 21:30 Uhr in ihrem Büro am Betriebssitz ihres Arbeitgebers gearbeitet hat und wenn sie  - was aufgrund der von Klägerseite dargelegten Bahnverbindungen unstreitig ist -  bei einer anschließenden Rückkehr nach Hause mit öffentlichen Verkehrsmitteln dort erst nach 23:00 Uhr hätte eintreffen können, dann hatten ihre Übernachtungen in an diesen Tagen ihren Grund in der Arbeitsausübung der Klägerin.
44 
4.  Sind die Voraussetzungen der Grenzgängerbesteuerung danach nicht erfüllt, dann sind die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA Schweiz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen. Sie sind (nur) in der Schweiz zu besteuern, da die Klägerin ihre Arbeit dort ausgeübt hat. Weil sie als Prokuristin einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft zu einer der in Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz genannten Gruppen leitender Angestellter gehörte, gilt dies auch für Zeiträume, in denen sie Dienstreisen ins Ausland unternommen hat (vgl. das BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFH/NV 2007, 593).
45 
Das zu versteuernde Einkommen der Kläger ist danach um die  - der Höhe nach unstreitigen -  Arbeitseinkünfte der Klägerin von 116.306 EUR zu vermindern . Diese Einkünfte sind in der genannten Höhe jedoch bei der Berechnung des Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG einzubeziehen. Der Senat überträgt die Ermittlung des festzusetzenden Steuerbetrages nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA, welches § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO zu beachten hat.
46 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
47 
Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da er der Frage der Reduzierung des Beweismaßes in Fällen unverschuldeter Beweisnot rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst. Im Übrigen sind offensichtlich auch zur Frage der Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz auf Tätigkeiten eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die tatsächlich außerhalb der Schweiz verrichtet werden, noch Revisionen anhängig; schon deshalb wäre mit Rücksicht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision zuzulassen.

Gründe

 
22 
Die Klage ist begründet.
23 
Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, da in die Bemessungsgrundlage Beträge eingeflossen sind, die durch die Tätigkeit der Klägerin für die veranlasst sind. Diese Einkünfte sind nach Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 DBA Schweiz im Inland steuerfrei zu belassen. Die insoweit vorrangige Regelung des Art. 15a DBA-Schweiz greift nicht ein, da die Klägerin im Streitjahr nicht Grenzgängerin im Sinne dieser Vorschrift war. Die durch regelmäßige Rückkehr vom ausländischen Arbeitsort an den inländischen Wohnsitz gekennzeichnete Grenzgängereigenschaft (vgl. Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA Schweiz) entfällt nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 60 Arbeitstagen aus Gründen seiner Arbeitsausübung nicht an den inländischen Wohnsitz zurückkehrt. Das war bei der Klägerin im Streitjahr indessen der Fall.
24 
1.  Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin an zahlreichen Tagen aus beruflichen Gründen nicht nach zurückgekehrt ist, weil Auslandsdienstreisen eine Rückkehr an ihren Wohnort nicht zugelassen haben; es handelt sich dabei jedenfalls um die in der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung unter den Nrn. 14, 15, 28, 29, 32, 33, 37, 42 bis 44, 46 bis 56, 61, 65, 72, 76, 82, 86 und 87 aufgelisteten 28 Tage. Auch der Senat hat keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung der Klägerin, wonach sie an diesen Tagen ausschließlich aus Gründen ihrer Arbeitsausübung in Zürich oder im Ausland übernachtet hat. Das gilt auch für die Tage, an denen die Klägerin abends nach 21:00 Uhr auf dem Flughafen gelandet ist; der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat diesbezüglich unwidersprochen vorgetragen, dass es ihr um diese Zeit nicht mehr möglich gewesen sei, mit dem Zug von dort aus nach zurückzukehren.
25 
2.  Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Klägerin über die unter 1. bezeichneten 28 Tage hinaus an zahlreichen weiteren Tagen ihre Arbeit im Büro erst so spät beendet hat, dass sie aus diesem Grund von einer Rückkehr an ihren Wohnsitz nach Abstand genommen hat (a). Er hält es darüber hinaus auch für sehr wahrscheinlich, dass dies an allen anderen der in ihrer Aufstellung enthaltenen 65 Tagen der Fall war (b). Das reicht unter den gegebenen Umständen aus, um bei der Entscheidung des Streitfalles hiervon auszugehen; im Hinblick auf die Situation, die infolge der im August 2003 zwischen den Beteiligten u. a. zur Frage der künftigen Nachweisführung geführten Besprechung entstanden ist, erachtet der Senat nämlich eine Sachverhaltsfeststellung auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes für zulässig und auch ausreichend (c).
26 
a)  Schon aufgrund der von der Klägerin wahrzunehmenden Aufgaben (vgl. hierzu die mit dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 07. Juli 2009 vorgelegten Unterlagen; FG-ABl. 114 - 125) erscheint es naheliegend, dass ihre Präsenz im Büro häufig sowohl früh morgens als auch spät abends erforderlich war. Die Klägerin hat hierzu darauf hingewiesen, dass sie infolge ihrer mit der Verwaltung der Fremdwährungskonten der verbundenen Funktion des Deeskalationsmanagements häufig Kontakt mit Stellen im außereuropäischen Ausland habe aufnehmen müssen und sie wegen der Zeitverschiebung die zuständigen Ansprechpartner in Asien nur am frühen Morgen und diejenigen in den USA vielfach nur am späten Abend habe erreichen können. Auch ist es nicht ungewöhnlich, dass eine in leitender Stellung tätige Person vor oder nach (urlaubs-, krankheits-  oder dienstreisebedingter) Büroabwesenheit zur Vermeidung oder dem Abbau von Arbeitsrückständen bis in den späten Abend im Büro bleibt.
27 
Dass sich dies bei der Klägerin so verhalten hat, bezweifelt im Grunde auch das FA nicht. In dem über die Besprechung vom 15. August 2003 gefertigten Aktenvermerk (vgl. Rb-Akte Bl. 6 f.) brachte die daran beteiligte Bedienstete der beklagten Behörde (Frau V) zum Ausdruck, dass die Klägerin einen seriösen Eindruck mache und glaubhaft wirke; es werde weder unterstellt, dass sie die Arbeitszeiten falsch darstelle, noch werde bezweifelt, dass sie in Zürich übernachte. Die in diesem Vermerk Ausdruck findende Einschätzung der Glaubwürdigkeit der Klägerin hat das FA im gerichtlichen Verfahren nicht korrigiert.
28 
Auch der erkennende Senat ist vor dem Hintergrund, dass die Angaben der Klägerin angesichts der von ihr seinerzeit wahrzunehmenden Aufgaben insgesamt plausibel erscheinen und keine konkreten Anhaltpunkte dafür bestehen, dass sie bereit sein könnte, im Interesse der Verhinderung der inländischen Besteuerung unzutreffende Angaben zu machen, davon überzeugt, dass sie jedenfalls an zahlreichen Tagen bis nach 21.00 Uhr im Büro gearbeitet und es dann im Hinblick auf den für die Fahrten nach und zurück anfallenden Zeitaufwand sowie die dann für die dortige Nachtruhe noch verbleibende Zeit vorgezogen hat, in der Wohnung ihrer Tochter in Zürich zu übernachten.
29 
b)  Während der Senat danach keine Zweifel daran hat, dass die Klägerin an zahlreichen Tagen aus den genannten (beruflichen) Gründen abends nicht nach Deutschland zurückgekehrt ist, hat er die gleiche Gewissheit hinsichtlich der Frage, wie oft dies im Streitjahr tatsächlich der Fall war, nicht gewinnen können. Er hält es zwar namentlich wegen des persönlichen Eindrucks, den er von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, aber auch aufgrund der anderen unter a) ausgeführten weiteren Erwägungen für sehr wahrscheinlich, dass die Klägerin an allen, jedenfalls aber den meisten der in der von ihr erstellten Liste der berufsbedingten Nichtrückkehr enthaltenen Tage wegen allzu später Beendigung ihrer Arbeit in übernachtet hat. Der Senat konnte allerdings trotz des glaubwürdigen Eindrucks, den die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, keine über jeden vernünftigen Zweifel erhabene Überzeugung von der Richtigkeit ihrer Angaben erlangen. Dies beruht vor allem auf der Erkenntnis, dass die Befragung in der mündlichen Verhandlung nur begrenzte Einsichten hinsichtlich der Aufrichtigkeit der Klägerin vermitteln konnte, da diese nicht durch andere, von ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit unabhängige Erkenntnisquellen bestätigt werden konnten. Solche gibt es nämlich für den zentralen Sachverhalt nicht. Es gibt insbesondere keine Zeugen, die aus eigener Wahrnehmung Angaben dazu hätten machen können, wie oft die Klägerin im Streitjahr ihre Arbeit abends erst so spät beendet hat, dass ihre Nichtrückkehr an ihren Wohnsitz nach Deutschland jeweils als beruflich veranlasst erscheinen konnte. Der Senat misst diesbezüglich auch den von der Klägerin vorgelegten Mails (vgl. FG-ABl.) keinen zusätzlichen, d. h. keinen Beweiswert zu, der über den Erkenntniswert der von ihr vorgelegten Auflistung der berufsbedingten Nichtrückkehrtage hinausgeht. Diese Mails enthalten nämlich weder eine Bestätigung der Richtigkeit des Vorbringens der Klägerin durch eine andere Person noch ermöglichen sie dem Gericht eine Überprüfung ihrer inhaltlichen Richtigkeit.
30 
In den Mails hat die Klägerin regelmäßig im Verlauf eines Arbeitstages  - mitunter auch schon sehr früh -  ihre Absicht gegenüber einer Mitarbeiterin der Personalabteilung ihres Arbeitgebers kundgetan, an dem jeweiligen Abend ihre Arbeit erst spät (meist gegen 21:30 Uhr) beenden und dann in übernachten zu wollen. Beispielhaft wird hierzu auf den Inhalt der von ihr am 26. Januar 2004 um 12:48 Uhr an Frau gesandte Mail (FG-ABl. 82) Bezug genommen, die unter dem Betreff „Übernachtung in wie folgt lautet:
31 
„Ich hatte letzte Woche Ferien und habe diese Woche viele Meetings. Aus diesem Grunde kann ich meine Mails nicht während der normalen Arbeitszeit abarbeiten und werde deshalb heute abend länger arbeiten (bis ca 21:30) und dann in übernachten.
Gruss und schönen Nachmittag
32 
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die in Mails dieser Art zum Ausdruck kommende Absicht auch tatsächlich der im Zeitpunkt der Absendung der Mail aktuellen Arbeitsplanung der Klägerin entsprochen hat, steht damit noch nicht fest, dass sie dieses Vorhaben auch stets so umgesetzt hat. Die Klägerin könnte die Bearbeitung der Mails schneller als vorausgesehen (etwa bereits um 19:00 Uhr) abgeschlossen haben, sie könnte aber auch aus anderen Gründen von ihrer ursprünglichen Absicht abgerückt sein und die Arbeit auf den folgenden Arbeitstag verschoben haben; in solchen Fällen könnte eine Rückkehr an ihren Wohnort im Inland entweder doch stattgefunden oder aber aus anderen als beruflichen Gründen unterblieben sein. Ein besonderer, über tabellarische Eigenaufzeichnungen hinausgehender Erkenntniswert kommt der von der Klägerin praktizierte Form der Nachweisführung jedenfalls nicht zu.
33 
c) Obwohl der Senat eine volle, von nachvollziehbaren Zweifeln freie Überzeugung hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, an allen in ihrer Aufstellung enthaltenen Tagen bis in die späten Abendstunden in gearbeitet zu haben, nicht hat erlangen können, geht er von diesem Sachverhalt aus. Der Streitfall ist nämlich durch Besonderheiten gekennzeichnet, die es gebieten, hinsichtlich der Zahl der beruflichen Nichtrückkehrtage den Überzeugungsgrad der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit ausreichen zu lassen. Mehr kann nämlich aufgrund der der Klägerin durch das FA nahegelegten Art der Nachweisführung nicht erreicht werden. Höhere Anforderungen an die Überzeugungsbildung zu stellen, verstieße deshalb unter den gegebenen Umständen gegen Treu und Glauben.
34 
aa)  Für diese Auffassung stützt sich der Senat auf die abgabenrechtlichen Schätzungsregelungen, deren sinngemäße Anwendung für die Überzeugungsbildung des Finanzgerichts § 96 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- in Ergänzung des im ersten Halbsatz der Regelung definierten Erkenntnismaßstabs ausdrücklich anordnet.
35 
§ 162 Abs. 1 AO sieht die Möglichkeit einer Schätzung immer dann vor, wenn die Finanzbehörde einen steuererheblichen Sachverhalt nicht ausreichend ermitteln kann. Die Konsequenz aus der in § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO geregelten sinngemäßen Anwendung des § 162 AO ist demnach die Zulassung eines Wahrscheinlichkeitsurteils als Erkenntnismaßstab und damit eine Reduzierung des Regelbeweismaßes auch im finanzgerichtlichen Verfahren (vgl. dazu die Nachweise aus der Rspr. bei Seer in Tipke/Kruse, AO und FGO, Rz. 69 ff. zu § 96 FGO).
36 
Auch wenn Aufklärungsdefizite im Besteuerungsverfahren häufig auf Mitwirkungspflichtverletzungen zurückzuführen sind und diese deshalb den größten Teil der Anwendungsfälle des § 162 AO ausmachen, beschränkt § 162 Abs. 1 AO die Befugnis zur Schätzung keineswegs auf solche Fälle. Sie ist vielmehr auch in anderen Fällen in Betracht zu ziehen, in denen die tatsächlichen Umstände einer Besteuerungsgrundlage nicht mit letzter Sicherheit ermittelt werden können. Das bedeutet indessen nicht, dass es für die Zulässigkeit einer auf ein reduziertes Beweismaß gestützten gerichtlichen Entscheidung belanglos wäre, worauf es beruht, dass eine sichere Überzeugung von einer steuererheblichen Tatsache nicht erlangt werden kann. Wer nach den steuergesetzlichen Wertungen die Verantwortung dafür trägt, dass der besteuerungserhebliche Sachverhalt aufgeklärt wird, soll nicht durch Verletzung seiner diesbezüglichen Pflichten erreichen können, dass dadurch das Beweismaß für die Feststellung in seiner Aufklärungsverantwortung liegenden steuerentlastenden Tatsachen gesenkt wird. Obwohl der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz getroffenen Ausnahmeregelung trägt (vgl. das BFH-Urteil vom 15. September 2004  I R 67/03, BFH/NV 2005, 267) und obwohl § 90 Abs. 2 AO bezogen auf Auslandssachverhalte eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen begründet, die auch eine Pflicht zur Beweisvorsorge beinhaltet, ist jedoch auch im Streitfall eine Sachverhaltsfeststellung auf der Grundlage eines reduzierten Beweismaßes nicht ausgeschlossen. Denn die Klägerin hat ihre diesbezüglichen Mitwirkungspflichten nicht verletzt. Sie hat vorgelegt, was sie vorlegen konnte. Dass sie sich nicht um weitere  - aussagekräftigere -  Beweismittel bemüht hat, kann ihr im Streitfall nicht angelastet werden.
37 
bb)  Die Besonderheiten, die im Streitfall eine Reduzierung des Beweismaßes auf dasjenige der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit rechtfertigen, liegen darin, dass die Beteiligten am 15. August 2003 vor dem Hintergrund diesbezüglich unterschiedlicher Auffassungen die Anforderungen an einen Nachweis der berufsbedingten Nichtrückkehrtage miteinander erörtert haben und das FA dabei hat erkennen lassen, dass es hierfür Mails, mit denen die Klägerin ihren Arbeitgeber jeweils im Voraus über die Nichtrückkehr unterrichtet, als ausreichend erachten werde.
38 
In einem über diese Unterredung gefertigten Aktenvermerk vom 19. August 2003 (Rb-ABl. 6 f.), auf den wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, ist die Problematik der Nachweisführung vor dem Hintergrund skizziert, dass die Arbeitszeiten der Klägerin nicht über Zeiterfassungsgeräte festgehalten werden und ihr Arbeitgeber nur allgemein ihre teilweise ungewöhnlich langen Arbeitszeiten, nicht aber konkret diejenigen Tage bestätigen kann, an denen sie deshalb in der Schweiz übernachtet hat. Ferner ist darin festgehalten, dass die Klägerin einen ebenso seriösen wie glaubwürdigen Eindruck mache und nicht davon ausgegangen werde, dass sie hinsichtlich ihrer Arbeitszeiten falsche Angaben mache. Nach weiteren Ausführungen schließt der Aktenvermerk mit dem Ergebnis, dass eine „Freistellung“ (bezogen auf die Arbeitseinkünfte der Klägerin für 2002 von der inländischen Steuerpflicht) erfolgen könne, was dann auch geschehen ist. In einem weiteren  - undatierten -  Vermerk ist unter der Überschrift „WV 2003 ff“ ausgeführt (vgl. Rb-ABl. 8; vgl. ferner oben Seite 7 des Urteils):
39 
„Für die Folgejahre ist dafür Sorge zu tragen, dass die betrieblich bedingten Übernachtungen nachgewiesen werden können.
Dazu ist zumindest erforderlich, dass alle Übernachtungen dem Arbeitgeber bekanntgegeben werden, so daß dieser diese auch bestätigen kann.“
40 
Es ist dem FA zwar zuzugeben, dass die Behörde der Klägerin damit nicht zugesagt hat, jede der von ihr ihrem Arbeitgeber per Mail angezeigte Übernachtung anzuerkennen und auf eine Überprüfung der beruflichen Veranlassung zu verzichten. Jedoch muss sie sich entgegen halten lassen, dass sie der Klägerin gegenüber den Eindruck erweckt hat, sich angesichts der ihr zugebilligten generellen Glaubwürdigkeit für den Nachweis der beruflich veranlassten Nichtrückkehrtage mit Mails begnügen zu wollen, in denen sie  - die Klägerin -  ihrer Personalabteilung jeweils frühzeitig (um die Möglichkeit der Überprüfung zu gewährleisten) unter stichwortartiger Nennung des hierfür gegebenen Grundes die bevorstehende Verlängerung ihrer Arbeitszeit in die Abendstunden hinein anzeigen sollte. So jedenfalls hat die Klägerin das Ergebnis der hierzu mit der Sachbearbeiterin des FA (Frau ) geführten Besprechung nach ihren glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung verstanden und so durfte sie dieses Ergebnis aufgrund des Inhalts der vorstehend dargestellten Vermerke nach Auffassung des Senats auch verstehen. Von diesem Verständnis der Nachweisanforderungen hat sich im Übrigen ganz offensichtlich zunächst auch das FA leiten lassen. Es hat nämlich die von der Klägerin aus ihrer Tätigkeit für die ... erzielten Einkünfte im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 2003 im Inland steuerfrei belassen (vgl. das Eingabeprotokoll für die Veranlagung 2003; ESt-Akte Fach 2003), obwohl die Klägerin die für diesen Zeitraum geltend gemachten berufsbedingten Nichtrückkehrtage nach dem Inhalt der ESt-Akte Fach 2003 ebenfalls (nur) mit einer Auflistung der entsprechenden Tage, Mails der auch für das Streitjahr 2004 vorgelegten Art sowie einer darauf Bezug nehmenden Bestätigung ihres Arbeitgebers vom 04. August 2004 belegt hatte.
41 
dd)  Gegen eine sinngemäße Anwendung des § 162 AO im Streitfall spricht auch nicht, dass es bei der streitigen Zahl der berufsbedingte Nichtrückkehrtage nicht lediglich um die Quantifizierung dem Grunde nach feststehender Besteuerungsgrundlagen geht. Martin (in Betriebs-Berater 1986, 1021 ff., 1029) und Seer (in Tipke/Kruse; AO und FGO, Rz. 20 zu § 162 AO) haben zutreffend nachgewiesen, dass auch bei der Annahme eines Sachverhalts von einem als Schätzung bezeichneten Wahrscheinlichkeitsurteil ausgegangen werden kann; jedem quantitativen Zahlenansatz liegt nämlich bei einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen immer ein mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit vermuteter Lebensvorgang zugrunde.
42 
ee)  Nachdem die Klägerin für die in ihrer Auflistung enthaltenen Tage jeweils entsprechende Mails vorgelegt hat, ihre generelle Glaubwürdigkeit vom FA auch in der mündlichen Verhandlung weiterhin  - wie bereits anlässlich der Besprechung vom 15. August 2003  -  als sehr hoch eingeschätzt wurde und auch die von der Klägerin zu ihrer Stellung und ihren Aufgaben bei der vorgelegten Unterlagen insgesamt ihre Angaben zu den Daten der Nichtrückkehr glaubhaft erscheinen lassen, legt der Senat diese seiner Entscheidung zugrunde.
43 
3. Kann deshalb  - mit einer sehr hohen, für den Streitfall ausreichenden Wahrscheinlichkeit - davon ausgegangen werden, dass die Klägerin an insgesamt 93 Tagen nicht nach Deutschland an ihren Wohnort zurückgekehrt ist, weil sie entweder sich auf einer Dienstreise befunden oder ihre Tätigkeit im Büro erst so spät abgeschlossen hat, dass sie deswegen nicht mehr an ihren inländischen Wohnort nach zurückgekehrt ist, dann war sie im Streitjahr nicht Grenzgängerin gemäß Art. 15a DBA Schweiz. Sie ist an den entsprechenden (mehr als 60) Tagen im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA Schweiz „auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht … zurückgekehrt“. Den gegen diese Würdigung vom FA erhobenen Einwand, dass die Klägerin ihre Arbeit auch so habe einrichten können, dass sie diese an jedem Arbeitstag frühzeitig genug abschließt, um noch ohne weiteres mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren zu können, hält der Senat nicht für stichhaltig. Wenn die Klägerin bis um 21:30 Uhr in ihrem Büro am Betriebssitz ihres Arbeitgebers gearbeitet hat und wenn sie  - was aufgrund der von Klägerseite dargelegten Bahnverbindungen unstreitig ist -  bei einer anschließenden Rückkehr nach Hause mit öffentlichen Verkehrsmitteln dort erst nach 23:00 Uhr hätte eintreffen können, dann hatten ihre Übernachtungen in an diesen Tagen ihren Grund in der Arbeitsausübung der Klägerin.
44 
4.  Sind die Voraussetzungen der Grenzgängerbesteuerung danach nicht erfüllt, dann sind die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit gemäß Art. 15 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA Schweiz von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen. Sie sind (nur) in der Schweiz zu besteuern, da die Klägerin ihre Arbeit dort ausgeübt hat. Weil sie als Prokuristin einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft zu einer der in Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz genannten Gruppen leitender Angestellter gehörte, gilt dies auch für Zeiträume, in denen sie Dienstreisen ins Ausland unternommen hat (vgl. das BFH-Urteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFH/NV 2007, 593).
45 
Das zu versteuernde Einkommen der Kläger ist danach um die  - der Höhe nach unstreitigen -  Arbeitseinkünfte der Klägerin von 116.306 EUR zu vermindern . Diese Einkünfte sind in der genannten Höhe jedoch bei der Berechnung des Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG einzubeziehen. Der Senat überträgt die Ermittlung des festzusetzenden Steuerbetrages nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA, welches § 100 Abs. 2 Satz 3 FGO zu beachten hat.
46 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
47 
Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da er der Frage der Reduzierung des Beweismaßes in Fällen unverschuldeter Beweisnot rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst. Im Übrigen sind offensichtlich auch zur Frage der Anwendung des Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz auf Tätigkeiten eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die tatsächlich außerhalb der Schweiz verrichtet werden, noch Revisionen anhängig; schon deshalb wäre mit Rücksicht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision zuzulassen.

(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

Tatbestand

1

I. Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) beantragten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 2008 die Gewährung der Steuerbegünstigung nach §§ 10f, 7i des Einkommensteuergesetzes (EStG) für ihre in X belegene Eigentumswohnung. Hierzu legten sie eine Eingangsbestätigung des Amtes für Bauordnung und Denkmalpflege der Stadt X vom 17. Oktober 2008 vor, wonach der Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung gemäß §§ 7i, 10f und 11b EStG dort am 10. September 2008 eingegangen sei. Die von den Antragstellern in der Anlage FW geltend gemachten Aufwendungen betragen 259.380 €, der Abzugsbetrag nach §§ 10f, 7i EStG 23.345 € (9 % aus 259.380 €). Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung des geltend gemachten Abzugsbetrags mit der Begründung ab, eine endgültige Bescheinigung des Regierungspräsidiums liege (noch) nicht vor. Es setzte mit Bescheid vom 2. September 2009 die Einkommensteuer 2008 auf 67.699 € fest. Hinsichtlich der fehlenden Bescheinigung wurde der Bescheid gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) für vorläufig erklärt.

2

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichten die Antragsteller zusätzlich eine "Qualifizierte Eingangsbestätigung zur Vorlage beim Finanzamt" ein. Darin wurde ihnen von der Stadt X, Amt für Bauordnung und Denkmalpflege, bestätigt, ihr Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach §§ 7i, 10f und 11b EStG sei am 10. September 2008 eingegangen. Die Antragssumme belaufe sich entsprechend den im Kaufvertrag angegebenen Sanierungskosten auf 330.000 €. Die Bestätigung der unteren Denkmalschutzbehörde über die Einhaltung des nach § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG erforderlichen Abstimmungsverfahrens liege vor.

3

Den Einspruch hat das FA bislang nicht verbeschieden; die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Einkommensteuerbescheids 2008 hat es mit Bescheid vom 6. Oktober 2009 abgelehnt.

4

Das Finanzgericht (FG) hat den Antragstellern AdV in Höhe der auf den beantragten Abzugsbetrag nach §§ 10f, 7i EStG entfallenden Einkommensteuer gewährt. Es sei ernstlich zweifelhaft, ob das FA ohne Weiteres den Ansatz des geltend gemachten Abzugsbetrags habe vollständig unterlassen dürfen oder ob es nicht vielmehr hätte prüfen müssen, ob ein Abzugsbetrag im Wege der Schätzung nach §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO anzusetzen sei. Da es sich bei der erforderlichen denkmalschutzrechtlichen Bescheinigung um einen Grundlagenbescheid i.S. von §§ 175 Abs. 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO handele, seien beim Erlass des Einkommensteuerbescheids die Grundsätze der §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO anzuwenden. Zwar sei die Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde keine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i.S. von § 180 AO durch eine Finanzbehörde. Dennoch sei diese Bescheinigung im Verhältnis zum Einkommensteuerbescheid ein Grundlagenbescheid. Im Einkommensteuerbescheid dürfe keine abschließende Entscheidung getroffen werden, solange die Denkmalschutzbehörde nicht über den bei ihr gestellten Antrag eine verbindliche Entscheidung getroffen habe. Deshalb müsse das FA entscheiden, ob es trotz des fehlenden Grundlagenbescheids einen Einkommensteuerbescheid erlasse. Bejahe es diese Frage, müsse geprüft werden, ob und in welchem Umfang die nach §§ 10f, 7i EStG geltend gemachten Aufwendungen vorläufig zu berücksichtigen seien. Obwohl im Streitfall davon auszugehen sei, dass ein --noch nicht exakt bezifferbarer-- Abzugsbetrag bei der Einkommensteuer anzusetzen sei, habe das FA dies nicht in seine Überlegungen einbezogen (Ermessensfehlgebrauch). Dies werde das FA nachzuholen haben.

5

Das FA hält mit seiner Beschwerde an der Auffassung fest, dass Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen nach §§ 10f, 7i EStG nur dann in Anspruch nehmen können, wenn dies durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde nachgewiesen ist. Bei der nach §§ 10f Abs. 1, 7i Abs. 2 EStG vorgeschriebenen Bescheinigung handele es sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Abzugsbetrags. Liege die Bescheinigung nicht vor, könne der Abzugsbetrag nicht gewährt werden. Insofern räume der Gesetzgeber der Steuerverwaltung keinen Ermessensspielraum ein.

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Zwar seien von der Finanzverwaltung 90 % der in Kaufverträgen ausgewiesenen Sanierungsaufwendungen in Steuerbescheiden vorläufig anerkannt worden, wenn eine vor dem 31. Dezember 2008 ausgestellte qualifizierte Eingangsbestätigung vorgelegt worden sei. Auf nach dem 31. Dezember 2008 ausgestellte Bestätigungen sei diese Verwaltungsregelung jedoch nicht mehr anwendbar. Eine Selbstbindung der Verwaltung oder ein Anspruch aus Vertrauensschutzgründen könne aus dieser früheren Verwaltungspraxis nicht abgeleitet werden.

7

Das FA beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und den AdV-Antrag abzulehnen.

8

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

die Beschwerde des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

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1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder --was vorliegend nicht in Betracht kommt und auch von den Antragstellern nicht geltend gemacht wird-- seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen kann (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. April 2009 II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146, und vom 26. November 2009 VIII B 190/09, BFHE 226, 541, BFH/NV 2010, 331). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist im Regelfall die Vollziehung auszusetzen.

11

2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG bei summarischer Prüfung zu Recht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bejaht.

12

a) Nach § 10f Abs. 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung kann der Steuerpflichtige Aufwendungen an einem eigenen Gebäude im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den neun folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 9 % wie Sonderausgaben abziehen, wenn die Voraussetzungen des § 7h oder des § 7i EStG vorliegen.

13

b) Nach § 7i Abs. 1 EStG begünstigt sind Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Der Abzugsbetrag nach §§ 10f, 7i EStG kann jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude (Baudenkmal nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften) und die Erforderlichkeit der Aufwendungen durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nachgewiesen hat (§ 7i Abs. 2 EStG). Bei der Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG handelt es sich --worauf auch das FG zutreffend abgestellt hat-- um einen Grundlagenbescheid (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 X R 8/08, BFHE 225, 431, BStBl II 2009, 960).

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c) Im Streitfall konnten die Antragsteller die Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 EStG zwar (noch) nicht vorlegen. Das FA hätte jedoch eine Ermessensentscheidung dahingehend treffen müssen, ob und ggf. in welcher Höhe es einen Abzugsbetrag nach §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO schätzt.

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aa) Gemäß § 155 Abs. 2 AO kann ein Steuerbescheid auch dann erteilt werden, wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde. Macht das FA von dieser Möglichkeit Gebrauch und erlässt vor Ergehen des Grundlagenbescheids --wie im Streitfall-- einen Einkommensteuerbescheid, muss es alle geltend gemachten Besteuerungsgrundlagen (also auch alle Sonderausgaben) berücksichtigen und selbst überprüfen (BFH-Beschluss vom 24. Februar 1981 VIII B 14/78, BFHE 132, 402, BStBl II 1981, 416; Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 155 Rz 41). Dies folgt aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 88 Abs. 2 AO, wonach die Finanzbehörde alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen hat (BFH-Beschluss in BFHE 132, 402, BStBl II 1981, 416). Lassen sich die Besteuerungsgrundlagen nicht ohne Weiteres ermitteln, können die feststellungsbedürftigen Voraussetzungen nach § 162 Abs. 5 AO geschätzt werden.

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bb) Während nach § 162 Abs. 1 und 2 AO nur quantitative Größen, nicht aber qualitative Besteuerungsmerkmale geschätzt werden können (Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 22), unterliegen der Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 5 AO alle in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen. Die Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 5 AO knüpft in systematischer Hinsicht nicht an die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 und 2 AO an. Deshalb können die Besteuerungsgrundlagen nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach geschätzt werden (Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 278; a.A. Frotscher in Schwarz, AO, § 162 Rz 65, 8). Innerhalb der Schätzungsbefugnis hat das FA die Frage zu beantworten, ob es im Streitfall die gesetzlichen Vorgaben eines Abzugsbetrags nach § 10f, 7i EStG vorläufig als gegeben ansieht. Falls es mit seiner Schätzung von der Steuererklärung abweichen will, muss es auch insoweit überprüfbar darlegen, aus welchem Grund die Anerkennung versagt werden soll. Daran fehlt es im Streitfall; das FA hat nicht erkannt, dass es eine Ermessensentscheidung treffen konnte. Die vom FA zum Beleg seiner gegenteiligen Ansicht angeführte Kommentierung von Buciek in Beermann/Gosch, AO (§ 162 Rz 90) bezieht sich auf die Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 1 und 2 AO, nicht jedoch auf die Schätzung der in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 5 AO.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Beteiligten sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet. Sie kommen der Mitwirkungspflicht insbesondere dadurch nach, dass sie die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen und die ihnen bekannten Beweismittel angeben. Der Umfang dieser Pflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

(2) Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falls bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.

(3) Ein Steuerpflichtiger hat über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Absatz 4 des Außensteuergesetzes Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungspflicht umfasst neben der Darstellung der Geschäftsvorfälle (Sachverhaltsdokumentation) auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen für eine den Fremdvergleichsgrundsatz beachtende Vereinbarung von Bedingungen, insbesondere Preisen (Verrechnungspreisen), sowie insbesondere Informationen zum Zeitpunkt der Verrechnungspreisbestimmung, zur verwendeten Verrechnungspreismethode und zu den verwendeten Fremdvergleichsdaten (Angemessenheitsdokumentation). Hat ein Steuerpflichtiger Aufzeichnungen im Sinne des Satzes 1 für ein Unternehmen zu erstellen, das Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe ist, so gehört zu den Aufzeichnungen auch ein Überblick über die Art der weltweiten Geschäftstätigkeit der Unternehmensgruppe und über die von ihr angewandte Systematik der Verrechnungspreisbestimmung, es sei denn, der Umsatz des Unternehmens hat im vorangegangenen Wirtschaftsjahr weniger als 100 Millionen Euro betragen. Eine multinationale Unternehmensgruppe besteht aus mindestens zwei in verschiedenen Staaten ansässigen, im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes einander nahestehenden Unternehmen oder aus mindestens einem Unternehmen mit mindestens einer Betriebsstätte in einem anderen Staat. Zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind zeitnah Aufzeichnungen zu erstellen. Die Aufzeichnungen im Sinne dieses Absatzes sind auf Anforderung der Finanzbehörde zu ergänzen.

(4) Die Finanzbehörde kann jederzeit die Vorlage der Aufzeichnungen nach Absatz 3 verlangen; die Vorlage richtet sich nach § 97. Im Falle einer Außenprüfung sind die Aufzeichnungen ohne gesondertes Verlangen vorzulegen. Die Aufzeichnungen sind jeweils innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Anforderung oder nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen. In begründeten Einzelfällen kann die Vorlagefrist verlängert werden.

(5) Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen, wird das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Art, Inhalt und Umfang der nach den Absätzen 3 und 4 zu erstellenden Aufzeichnungen zu bestimmen.

Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.