Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 24. Mai 2017 - 16a D 15.2267

bei uns veröffentlicht am24.05.2017

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

I.

Der am 1977 geborene Beamte leistete nach dem Abitur im Juni 1996 von Juli 1996 bis April 1997 Wehrdienst. Von Mai 1997 bis Juli 2002 studierte er Theologie an der J.-M.-Universität in W., parallel dazu katholische Religionslehre und Latein für das Lehramt am Gymnasium. Begleitet wurde dies von einer Ausbildung im Zentrum für Pastoralassistenten in W.. Am 24. Juli 2002 erwarb er den akademischen Grad eines Dipl.-Theologen-Univ.

Mit Wirkung vom 19. Februar 2007 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienrat z.A. ernannt, mit Wirkung vom 1. März 2010 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Er unterrichtete seit 19. Februar 2007 bis zum Ausspruch des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte am 9. Oktober 2012 am D.-Gymnasium A. die Fächer Latein und Religion und war Vertrauenslehrer. Zudem leitete er das Profilfach „Tanz“.

Der Beamte ist ledig und bezieht um 45 Prozent gekürzte Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 13.

Eine periodische Beurteilung hat er nicht erhalten.

II.

Der Beklagte ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

Mit Urteil des Amtsgerichts A. - Jugendgericht - vom 27. Januar 2014 wurde der Beklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amt und Verbreitung pornografischer Schriften an eine Person unter 18 Jahren in drei sachlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt (Az.: 1 Ds 101 Js 135876/12 jug)

Die Berufungen des Beklagten und der Staatsanwaltschaft gegen dieses Urteil wurden mit Urteil des Landgerichts A. vom 02. Juni 2014, rechtskräftig seit 11. Juni 2014, mit der Maßgabe verworfen, dass der Beamte unter Freispruch im Übrigen wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften (§§ 223, 230 Absatz 1, 184 Absatz 1 Nr. 1, 52 StGB) zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 70 Euro verurteilt wurde (Az.: J Ns 101 Js 135876/12 jug).

Dem Urteil liegen folgende tatsächliche Feststellungen zu Grunde:

„1. Vorgeschichte der Tat

a) Der Angeklagte hatte die am 31.12.1997 geborene Schülerin N. H. im Schuljahr 2009/2010 (6. Klasse) in Latein. In der Folgezeit hatte sie mit dem Angeklagten beruflich nur noch in seiner Eigenschaft als Tanzlehrer zu tun. Dabei suchte er den Kontakt zu ihr, gab ihr eine Zeitlang unentgeltlich Nachhilfe in Latein und auch N. H. schwärmte im Zeitraum Anfang/Mitte 2010 bis Anfang/Mitte 2011 für den Angeklagten. Als N. H. den Angeklagten später nochmals dringend bat, ihr wieder Nachhilfe zu geben, unterbreitete der Angeklagte ihr den Vorschlag, sie könne ja seine „Sklavin“ sein, was er so herüberbrachte, dass sie Haushaltsarbeiten wie Putzen und Bügeln für ihn verrichten solle, wobei ein nach dem Abitur abzuarbeitendes Punktekonto geführt werden solle.

Als N. H. sich vor einer Lateinschulaufgabe für die Mühe des Angeklagten bedankte und versprach, ihr Bestes zu geben, schloss sie den Brief mit den Worten: „Und falls Sie noch etwas brauchen, ich bin ja Ihre Sklavin.“ Die auch vom Angeklagten erkannte Scherzhaftigkeit dieser Äußerung deutete sie durch Hinzufügen eines Smileys an.

Möglicherweise hierdurch angeregt, eventuell aber auch bereits zuvor, entwickelte der Angeklagte auf die Schülerin N. H. bezogene sadomasochistische Phantasie, die er nunmehr - angeblich ausgelöst durch eine Empfehlung der Schulpsychologin R. J., psychische Probleme durch Schreiben aufarbeiten zu können - zu verschriften begann.

b) Seine Ergüsse hatten im Wesentlichen folgenden Wortlaut (Rechtschreibfehler im Original):

‚l. Vorgeschichte

Ich stehe auf Frauen, wenn sie gestiefelt, gefesselt und geknebelt sind, sodass sie sich nicht wehren können, wenn sie gequält und gefickt werden.

Auf gefesselte Frauen stehe ich schon seit meiner frühen Kindheit. In unserer Nachbarschaft wohnten 3 Mädchen, die ich immer gern gefesselt habe, und zwei davon haben sich das auch immer wieder gefallen lassen. Auch auf Stiefel stand ich schon sehr früh, bestimmt seit der fünften Klasse. Diese Vorlieben haben sich gehalten und sind mit der Zeit immer stärker geworden.

Meine liebe Ex hat sich zwar ein paar Mal fesseln lassen, aber nie wirklich Spaß daran gefunden, vielleicht ein Mitgrund, warum unsere Beziehung in die Brüche ging. Jedenfalls war ich zu dem Schluss gekommen, dass Sklavinnen zwar in SM-Romanen vorkommen, aber nicht im realen Leben. Aber SA-Phantasie hatte ich, und mir wurde klar, dass eine devote masochistische Neigung bei meiner nächsten Freundin ein unabdingbares Kriterium sein würde.

Als Lehrer an einem Gymnasium kam ich gut bei den Schülern und Schülerinnen an. Man bekommt eine Menge schöner Schülerinnen zu sehen, wenn man mal eine zeitlang unterrichtet hat. Und einige von ihnen waren in meinen Phantasie durchaus geeignete Sklavinnen, um mich zu verwöhnen und bestraft zu werden, wenn sie es nicht taten. Die entsprechenden Phantasie bezogen sich dabei immer auf Herr-Sklavin, nie auf Lehrer-Schülerin.

Nun, es soll vorkommen, vielleicht sogar häufiger als man denkt, dass sich Schülerinnen in ihre Lehrer verlieben. Ich nahm es also auf die leichte Schulter, als mir über zwei Ecken zugetragen wurde, dass sich N. in mich verguckt hätte und von mir schwärmte. N. war in meiner 6. Latein-Klasse und ein Kind, also nicht interessant für mich. Dazu kam, dass sie damals auch wie ein Kind aussah und wenig auf ihr Äußeres achtete. Aber sie mahlte mir Bilder und ich heftete sie in meinen Ordner. Das war ja ganz süß. Im Schullandheim kam auch die Rede darauf warum ich keine Frau hatte, und meine Antwort war: „Ich will keine Freundin sondern eine Sklavin.“ Als Lateinlehrer und mit einem Grinsen gesagt wurde diese Antwort als ein netter Scherz aufgenommen, von allen bis auf N.. Wer hätte gedacht, dass sie sich diesen Spruch merkte und zu Herzen nahm?

In diesem Jahr brauchte ich dringend eine Dame in meinem Tanzkurs für einen Herrn…

Also fragte ich N.. Wenn sie schon für mich schwärmte, konnte ich das ja auch nutzen. …Dabei merkte ich, dass N. sehr viel schneller lernte als andere Damen. Sie war formbar und lernwillig, ja gerade lerngierig.

N. wurde tänzerisch richtig gut. … Gleichzeitig blühte N. auch körperlich auf. Das Kind streckte sich, bekam lange Beine, einen Knackarsch und Brüste. Die Haare wurden länger, die Schminke professioneller, die Kleidung freizügiger. … Im Folgenden ist die Rede von den ersten unentgeltlichen Lateinstunden.3

Aber auch im nächsten Schuljahr - N. war noch weiblicher geworden und trug mit Vorliebe kurze Röcke und Stiefel - brauchte oder wollte sie meine Unterstützung. Die Bitte um Nachhilfe in der 8. Klasse war regelrecht flehentlich vorgetragen: „Ich tu alles für Sie: ich wasche ihr Auto, ich putze ihr Haus, ich mähe ihren Rasen, was sie wollen; Aber können sie wieder mit mir arbeiten?“ Wer hätte da nein sagen können? Natürlich war es nicht möglich, eine Schülerin für mich arbeiten zu lassen und Geld wollte ich auch keines nehmen. Also schlug ich mehr im Spaß vor: „Wir eröffnen ein Stundenkonto, und nach dem Abitur arbeitest Du die Stunden als meine Sklavin ab.“ Da war es wieder das Wort, das mein Herz höher schlagen ließ. Und N. stimmte zu! Im Folgenden ist die Rede vom Zustandekommen des Briefs der Schülerin N. H., der mit den Worten „… und falls Sie noch was brauchen: Ich bin ja ihre Sklavin. N.“ endet.25

Das schlug bei mir ein. Wie ernst war das gemeint? Das wollte ich dann doch genauer wissen. Und so stellte ich sie nach dem folgenden Training allein zur Rede. Ich bedankte mich für den Brief, meinte Aber: „Ich glaube nicht, dass Du Dir vorstellen kannst was es heißt, meine Sklavin zu sein“ „Doch, ich glaub schon“, kam als Antwort.

II. Lehrjahre

„Wärst du wirklich bereit, alles zu tun, was ich will, und Dir alles gefallen zu lassen, was ich will?“ fragte ich. „Ja, alles.“, war die Antwort. „Und ist Dir klar, dass da auch viele Sachen dabei sein werden, die Du nicht magst? und dass Du bestraft wirst, wenn Du sie nicht ausführst? Und Dass ich Dir auch einfach so Schmerzen zufügen kann, nur weil ich gerade Bock dazu habe?“, bohrte ich weiter und ging dabei näher auf sie zu. N. sah mich mit ihren großen braunen Augen an. Dann sagte sie leise: „Ja, das ist mir klar.“ „Und willst du das?“ wollte ich wissen. „Ja, das will ich.“ Dieses Mal hatte sie fast nur geflüstert. „Bist Du sicher?“ „Ja.“ „Dann knie dich hin und sprich mir nach!.“

N. kniete sich mitten im Gang vor mir auf den Boden. Ich stand vor ihr und hielt ihr meine Hand hin. Sie legte ihre Hände hinein und sprach mir nach: „Hiermit gelobe ich Gehorsam und Treue meinem Herrn und Gebiete G. U.: zu kommen und zu gehen, zu sprechen und zu schweigen, zu tun und geschehen zu lassen, wie mein Herr es wünscht, von jetzt an bis mein Herr mich frei gibt, der Tod mich nimmt oder die Welt endet. Das sage ich, N. H., geboren am …1998 in A..“ „Und das höre ich, G. U.. Und ich werde es nicht vergessen, zu vergelten, was gegeben wird: Gehorsam und Liebe mit Gnade, Eidbruch mit Strafe.“

Ich ließ ihre Hände los und befahl ihr, sie auf dem Rücken zu verschränken. Ohne Zögern gehorchte N.. „Mund auf“ kommandierte ich. N. öffnete den Mund, und ich sammelte Speichel. Langsam beugte ich mich über sie, während sie mich mit geöffneten Lippen erwartungsvoll ansah. Dann ließ ich einen relativ großen Speicheltropfen in ihren Mund fallen. Ich ließ sie eine Weile knien und betrachtete sie, bevor ich ihr befahl zu schlucken. Wer hätte das gedacht? Und mit einem Schlag hatte ich eine 14jährige Sklavin! Dass sie 14 war, war eher störend. Ich war so schon viel zu weit gegangen, aber jetzt hatte ich es begonnen und jetzt wollte ich es auch durchziehen. Also legte ich los:

„Du hast für´s erste Probezeit. Die wird bis zu Deinem Abitur dauern. In der Zeit bekommst Du nur einfache Befehle, aber wenn Du auch nur einen nicht befolgst, jag ich Dich wieder zum Teufel. Hast Du verstanden, Sklavin?“, fragte ich. „Ja“, antwortete sie. Es wurde Zeit, dass sie lernte. „Ja, was?“, herrschte ich sie an. „Ja, ich habe verstanden.“, gab sie etwas verunsichert zurück. „Ja, ich habe verstanden, was?“, blaffte ich sie wieder an. Sie sah mich verwirrt und verschüchtert an „Was wollen Sie denn, dass ich sage?“, fragte sie und hatte fast schon Tränen in den Augen. „Es fehlt die Anrede.“, stellte ich fest, „immer wenn wir allein sind, und keiner uns hören kann, hast Du mich mit ‚Herr' oder mit ‚mein Herr und Gebieter' anzusprechen. Klar?“, befahl ich. Und N. lernte wirklich schnell, denn ihre Antwort kam prompt: „Ja, ich habe verstanden, mein Herr und Gebieter:“

„Und dann gleich noch mein zweiter Befehl: Du wirst von jetzt an, wenn die Möglichkeit besteht, dass wir uns sehen, also in der Schule und zum Training, immer Stiefel tragen. Welche von Deinen drei Paar ist mir egal. Aber Du wirst immer gestiefelt gehen. Hörst Du? Ein Tag ungestiefelt und das ganze ist erledigt. Der Befehl gilt von September bis einschließlich Mai. Danach wirst Du entweder schwarze Ballerinas oder schwarze Pumps tragen, wie M. welche hat. Klar? Außerdem wirst Du mich um Erlaubnis fragen, wenn Du Dir neue Schuhe kaufst.“ Jetzt war ich schon am Ziel meiner Wünsche, zumindest derer, die in diesem Alter umsetzbar waren. Ich hatte nicht vor, sie in ihrem Alter schon zu nehmen. „Ich habe verstanden, mein Herr und Gebieter. Ich werde bis Mai Stiefel tragen und danach Ballerinas oder Pumps. Und neue Schuhe nur mit Ihrer Erlaubnis, Herr.“

Und N. gehorchte. Von da an trug sie ein Dreivierteljahr lang Stiefel, selbst wenn es im Mai schon sehr warm wurde. Sie hielt eisern durch. Auch wenn ich mit ihr Latein machte, sogar wenn das bei ihr zuhause stattfand, trug sie Stiefel, und das auch im Sommer. Und neue Schuhe kaufte sie nur noch in Absprache mit mir. Ich sorgte dafür, dass die Schuhe immer Absätze hatten, aber nie so hoch, dass man sich was hätte denken können. Vor allem hochschaftige schwarze Stiefel kamen in ihre Schuhsammlung, aber auch die ein oder anderen Pumps. Ein Jahr lang ging das ganze, und N. hielt sich an den Stiefel-Befehl. Ich konnte es ja täglich nachprüfen.

Damit auch N. was davon hatte, befahl ich ihr Studierzeiten. Es war neu für sie, dass sie sich hinsetzen und lernen musste, denn das hatte sie bisher tunlichst vermieden. Es zeigte sich, dass dieser Befehl sehr heilsam für sie war, denn ihre Noten wurden zusehends besser, seit sie nicht mehr jeden Tag zwei Hobbys wahrnahm, sondern sich auf die Schule konzentrierte.

An ihrem 15. Geburtstag gab ich ihr den nächsten Befehl, oder eher ein Verbot. Von da an durfte sie sich die Haare nicht mehr schneiden lassen. Spitzen kürzen, um Spliss zu vermeiden, sei noch erlaubt, erklärte ich, aber ich verlangte, dass in drei Jahren ihre Haare bis zur Taille gehen sollten, nicht länger aber auch nicht weniger. Der Befehl war einfach und viel zu tun hatte N. dabei ja nicht. Die Einhaltung dieses Befehls war also nicht schwer. Aber nach den Trainings gab ich N. immer wieder kleine Aufträge. Mal musste sie alle Stühle stellen, dann musste sie meine Taschen tragen. Wenn ich was zu erledigen hatte, nahm ich dafür meine Sklavin her. Und N. antwortete „ja mein Herr und Gebieter“, gehorchte und führte tatsächlich alles aus, was ich ihr befahl. Wenn die anderen weg waren, denn N. blieb immer als letzte zurück, ließ ich sie knien. Manchmal streichelte ich ihr über ihr Haar oder ihr Gesicht. Sie genoss das sichtlich. Aber mehr an Berührung kam nicht vor. Wir unterhielten uns oft. Über Schule. Familie, Freunde, später dann auch über Sex.

So kam es zum nächsten Befehl, als sie 16 Jahre alt wurde. Ich war zu ihrem Geburtstag eingeladen, oder besser zu dem Ball, auf dem sie ihrem Geburtstag feierte, und so konnte ich ihr mein Geschenk übergeben, mit dem Vermerk es erst aufzumachen, wenn sie alleine sei. In der Schachtel befänden sich Handschellen, die mit Plüsch eingefassten, sodass sie keine heftigen Abdrücke hinterlassen würden. Dazu ein Glückwunsch und der Befehl, von jetzt an jede Nacht in Handschellen zu verbringen. Die Hände sollte sie bis zu den Osterferien vor dem Körper tragen, und zwar die ganze Nacht. In den Osterferien sollte sie sich umgewöhnen und nach den Osterferien die Nächte mit hinter den Rücken geketteten Händen durchschlafen. Natürlich würde ich das nicht nachprüfen können, aber ich erklärte ihr, ich würde ihr da vertrauen. Soweit ich weiß, hat sie dieses Vertrauen erfüllt. Sie erzählte mir regelmäßig, wie es ihr nachts in Handschellen ging. Zu Anfang war es vor allem unbequem, bis sie sich daran gewöhnt hatte, und dann störte es sie vor allem, dass sie sich nachts nicht selbst berühren konnte. Nun, da würde ich noch gemeiner werden, dachte ich, sagte aber noch nichts.

Zum 17. Geburtstag befahl ich ihr, in Zukunft nackt zu schlafen. Sie sollte halt im Winter das Zimmer entsprechend heizen. Auch das konnte ich nicht kontrollieren, aber ich ging davon aus, dass sie sich an meine Anweisungen hielt und erweiterte sie nach den Sommerferien um den Befehl, an den Wochenenden, also von Freitag abends bis Montag früh, mit Stiefeln zu schlafen. Nackt, Handschellen und Stiefel. Ich konnte sie zwar nicht sehen, aber ich stellte sie mir perfekt vor. So würde sie hervorragend an den Alltag als Sklavin gewöhnt sein.

Der 18. Geburtstag brachte nicht die Wende, die wir beide gerne gehabt hätten. Sie war ja noch Schülerin an meiner Schule. Auch wenn ich es tunlichst vermieden hatte, sie seit der 8. Klasse je wieder im Unterricht zu bekommen, so war doch klar, dass selbst mit der Volljährigkeit noch nichts gehen konnte. Ich gab ihr also einen letzten Befehl. Ich bezweifle, dass sie ihn immer eingehalten hat. Aber er diente ja nur der weiteren Vorbereitung, und bald würde ich sie ja persönlich unter Kontrolle haben. Ich verbot ihr, sich ohne meine Erlaubnis zu erregen oder gar zu kommen. Dafür bekam sie die Erlaubnis, mich jederzeit danach fragen zu dürfen. Es war ihr furchtbar peinlich. Nachts war es ihr ja durch die Handschellen sowieso schon schwer, sich selbst zu befriedigen. Der neue Befehl machte es ihr nicht einfacher. Sie meldete sich zwei Wochen lang nicht in dieser Hinsicht, aber dann kam ein Telefonat kurz bevor ich einschlief, in dem sie mich inständig bat, sich streicheln und befriedigen zu dürfen. Ich ließ sie eine Weile zappeln und mir ihr Verlangen beschreiben. Dann erlaubte ich ihr, mit sich selbst zu spielen, aber ich ließ mir von ihr beschreiben, was sie tat. Ich merkte jedoch schnell, dass das weder ihr noch mir einen Kick gab. Sie konnte sich nicht entspannen und mir brachten ihre Beschreibungen wenig. Also gab ich ihr noch mal die Erlaubnis zu kommen und den Befehl, danach wieder die Handschellen anzulegen, und beendete das Telefonat. Aber damit war der Bann gebrochen. Sie rief nun öfter an und bat um Erlaubnis. Auch wenn wir uns in der Schule trafen, bettelte sie manchmal. Und betteln ließ ich sie durchaus. Einfach so ein Ja gab es selten. Und dann, drei Wochen vor der Abiturfeier, gab es keine Erlaubnis mehr. Schließlich sollte sie voll Verlangen sein, wenn sie ihr Abitur in die Hand bekam und im gleichen Augenblick aufhörte, Schülerin zu sein.

III. Abitur-Nacht

Der Tag der Abiturfeier kam. N. erhielt ihr Zeugnis wie alle anderen. Von der Zeugnisverleihung ging es weiter zum Abiball. Ich gab mich unnahbar. Erst nach dem Auftritt der Schulmannschaft ließ ich N. zu mir kommen. „Die Probezeit ist rum, N.. Von mir aus hast Du bestanden. Aber das muss auch umgekehrt gelten. Du hast heute noch einmal die Chance, das alles hinter dir zu lassen. Du kannst frei sein, dir einen Freund suchen, glücklich werden. Oder Du entscheidest Dich, endgültig meine Sklavin zu werden. Aber damit wird sich einiges ändern. Von jetzt an wirst du 24 Stunden am Tag mir gehören und gehorchen und du wirst bestraft und bekommst Schmerzen zugefügt, wenn ich das will. Du hast eine Stunde zum Überlegen.“ Damit ließ ich sie stehen.

N. brauchte keine Stunde. Nach ein paar Minuten kam sie mir nach. Dieses Mal wurde ich eindringlicher, als ich nachbohrte, ob sie wirklich bereit war, mir meinen Traum zu erfüllen. Ich ging etwas abseits von ihr und ließ sie während des ganzen Gesprächs vor mir knien, im Ballkleid, aber das war mir egal. Sie blieb dabei: Meine Sklavin, absoluter Gehorsam, alles dulden. Am Ende des Gesprächs ließ ich mir nochmal den Sklaveneid leisten. „Du hast jetzt drei Stunden Zeit. Um zwei hol ich Dich von der Abi-Feier ab. Und von da an wirst Du für eine Woche weder erreichbar sein, noch nach Hause kommen, noch Kontakt zu irgendjemandem aufnehmen können. Von heute Nacht an, bis Sonntagabend. Also sag Deinen Eltern bescheid, und wem Du sonst noch willst und verabschiede Dich von Deinen Freundinnen! Und sei pünktlich um Zwei abmarschbereit!“ So beendete ich das Gespräch und brach nach Hause auf. Bis zum Schluss war ich mir nicht sicher gewesen, ob sie sich darauf einlassen würde. Freilich, ein paar Sachen waren schon vorbereitet, aber ein paar Dinge waren noch zu erledigen.

Pünktlich um Zwei stand N. bereit. Noch war also der der Geist und das Fleisch willig. Das war schon mal ein gutes Zeichen. Sie stieg ein und wir fuhren los. Anders als sie erwartet hatte, ging es erst einmal zu ihr nach Hause. Vor dem Haus blieb ich stehen und stellte den Motor ab. „N., gib mir Deinen Perso!“ Ich bekam ihn sofort ausgehändigt. Dann befahl ich: „Du wirst jetzt ins Haus gehen. Dort ziehst Du dich aus und räumst Dein Zeug ordentlich auf. Danach ziehst Du Deine Stiefel an und kommst wieder zu mir ans Auto. Verstanden? Nur in Stiefeln. Du hast fünf Minuten.“ Sie nickte, wiederholte und flitzte davon.

Ich hatte schon so geparkt, dass die Scheinwerfer genau auf das Gartentor gerichtet waren. Wenn sie aus dem Garten kam, würde sie völlig geblendet sein. Gut so. Nach fünf Minuten kam N. heraus. Eigentlich schade. Ich hätte sie gerne gleich ein erstes Mal bestraft. Aber sie war fast auf die Sekunde in der Zeit. Als sie durchs Gartentor trat, blendeten sie die Scheinwerfer. Sie hob die Hände, um die Augen abzuschirmen. Ich ließ sie noch zwei Schritt weggehen und befahl dann: „Bleib stehen!“ N. hielt an. „Leg die Hände in den Nacken! Nimm den Ellbogen nach hinten! Geh in einen Split:“ N. gehorchte. Was für ein Anblick! Nackt, gestiefelt, die Beine breit, Hände im Nacken. Scham und Brust ohne Schutz, die Nippel aufgerichtet vor Erregung oder Kälte. geblendet von den Scheinwerfern. Ein Traum wird wahr. Ich ließ sie erst mal eine Weile so stehen.

Nach einer Minute wurde sie unruhig. Aber ein kurzer Befehl von mir und sie stand wieder still da. Nach zwei weiteren Minuten ging ich zu ihr, wobei ich darauf achtete, dass ich nicht in den Lichtschein trat. Ich ging um sie herum und stellte mich dicht hinter sie. Ihr Atem ging stoßweise, ob vor Erregung oder Aufregung war noch nicht klar. Und dann unvermittelt fasste ich um sie herum und nahm ihre beiden Brüste in die Hände. Sie zuckte und wollte die Arme herunter nehmen. „Lass die Hände. wo sie sind!“, befahl ich und N.s Hände kehrten an den Nacken zurück. Es war ein gutes Gefühl. N.s Brüste waren nicht sonderlich groß und ließen sich mit einer Hand jeweils gut halten.

Ich knetete und massierte sie ein wenig, ihre Nippel zwischen, Zeige- und Mittelfinger haltend, bevor ich dann ihre Nippe! ein wenig zusammendrückte. Erst stöhnte sie wohlig, doch als ich noch fester zudrückte, kam aus ihrem Mund ein Quieken. Obwohl sie die Hände im Nacken ließ, begann sie sich ein wenig zu winden. Ein Schlag auf ihre rechte Arschbacke brachte sie zur Raison. Ich ließ von ihrer Brust ab und wanderte langsam über ihren Bauch und Venushügel zu ihrer Spalte. Sie war bereits feucht. Es war also Erregung gewesen. Sehr gut. Eine kleine Weile streichelte ich ihr durch die Spalte, bis sie anfing zu stöhnen.

Ich packte ihre Handgelenke und drehte ihr erst den linken, dann den rechten Arm nach unten auf den Rücken. Dann schloss ich ihr die Hände mit Handschellen auf den Rücken. Als nächstes nahm ich eine Augenmaske hervor und stülpte sie ihr über. Noch immer stand ich hinter ihr und zog sie leicht an mich heran. Ganz dicht ging ich an ihr linkes Ohr und flüsterte: „Bist Du Dir wirklich sicher? Das ist deine letzte Chance. Jetzt wirst du geknebelt und dann kannst Du nicht einmal mehr sagen, dass Du nicht willst.“ „Bitte Herr, knebel mich“, war die einzige Reaktion. Ich nahm ein Stofftaschentuch aus der Hosentasche und steckte es ihr zerknüllt in den Mund. Danach verschloss ich ihren Mund mit einem Ballknebel. Als letztes legte ich ihr ein Halsband an. Dann führte ich sie am linken Arm zum Auto, half ihr beim Einsteigen und fuhr zu meinem Haus.

Ich fuhr in die Garage und ließ das Tor herunter, half N. aus dem Wagen und führte sie durch einen Seiteneingang ins Haus, und von dort nach oben unters Dach. Dort lag schon alles bereit. Ich löste ihre Handschellen hinter dem Rücken, aber nur, um sie ihr vor dem Körper wieder zu verschließen. Dann zog ich ihr die Arme nach oben und hängte sie an einem Querbalten über ihr ein. N. ließ das alles noch ohne Muckser über sich geschehen. Als ich hinter sie trat, lehnte sie sich zurück und schmiegte sich mit ihrem Rücken an mich. Von den ihren Händen abwärts ließ ich meine Hände über ihren Körper gleiten, ihre Unterarme, Oberarme, Achsel (was ein leichtes Zucken auslöste) und die Flanken (was ein stärkeres Zucken und ein leises Quieken verursachte) über ihre Hüften, die Beine hinunter, die Stiefel entlang bis zu ihren Knöcheln. „Mach die Beine breit!“ lautete mein nächster Befehl und N. stellte ihre Füße auseinander. Ich fixierte sie mit einer Spreizstange. Dann trat ich zurück und betrachtete mein Werk. Es sah einfach perfekt aus. So völlig hilflos hatte ich mir N. immer gewünscht.

„Du wirst heute Nacht hier so stehen bleiben.“ erklärte ich meiner Sklavin. „Aber damit dir nicht langweilig wird, bekommst Du eine Aufgabe.“ Ich nahm einen recht großen, an der Basis metallenen, Dildo zur Hand und umkreiste damit ihre Brustwarzen. Ich fuhr zwischen ihren Brüsten hinab zum Nabel und drängte den Dildo längs ihrer leicht behaarten Spalte zwischen ihre Schenkel. „Ough!“ entfuhr es ihr, als das Teil ohne weitere Vorbereitung voll in ihr Innerstes fuhr und sie ausfüllte. „Diesen Freund wirst Du heute Nacht in Dir behalten.“, erklärte ich N.. „Das ist ein Befehl. Hast Du verstanden?“ Sie nickte. „Und damit du auch die nötige Motivation besitzt, diesen Lustzapfen nicht aus dir herausfallen zu lassen, oder ihn gar rauszupressen, zeige ich Dir, was mit unartigen Sklavinnen passiert.“,Swishh‘, ein feuriger Blitz fuhr über ihren Po. Ein höllisches Ziehen erfaßte ihren Hintern. Sie konnte ihre Hände nicht gebrauchen, um den Schmerz durch reiben zu vertreiben. Jammernd trippelte sie auf der Stelle und unternahm allerlei Verrenkungen um sich Erleichterung zu verschaffen. „Das ist keine Strafe, wohlgemerkt“, ließ ich verlauten, „Das ist nur die Ankündigung, was als Strafe passieren wird, wenn Du ihn fallen lässt. Zwanzig Schläge mit der Reitgerte auf deinen Hintern. Die willst Du doch sicher nicht, oder?“ N. schüttelte wild den Kopf und versuchte, in den Knebel zu sprechen. Außer unartikulierten Lauten kam aber nichts durch.

„Zur Erinnerung bekommst du jetzt noch zwei.“, kündigte ich an. ‚Zack' und ‚Swishh' saßen die beiden nächsten. N. zappelte noch mehr an ihren Fesseln. Drei schöne rote Striemen zeichneten sich jetzt auf ihrem Gesäß ab. Aus N.s Knebel kam ein Schluchzen. Ich trat wieder hinter sie und begann sie zu streicheln, „Ich bin sicher, das wird nicht wieder nötig sein.“, flüsterte ich ihr beruhigend ins Ohr. Langsam entspannte sie sich wieder. Ich schob noch mal den Dildo in sie hinein, denn durch das Zappeln war er ein ganzes Stückweit herausgerutscht, und verließ den Dachboden mit den Worten „schön drin behalten.“

Damit begann für N. ihre erste Leidenszeit. Durch die Spreizstange konnte sie die Beine nicht schließen. Gleichzeitig musste sie aber dafür sorgen, dass der dicke Eindringling an seinem Platz blieb. Obwohl sie darin keine Übung hatte, versuchte sie den Dildo irgendwie mit ihrer Beckenmuskulatur zu halten. Natürlich verkrampfte sie sich bei dieser ungewohnten Übung und ließ nach einigen Momenten immer wieder locker. Das Spiel der Muskeln im inneren ihres Unterleibs erwärmte dabei ihr Geschlecht und die Gefahr, dass es, wenn sie nachließ, herausrutschte wurde immer größer.

Gleichzeitig wirkte ihre unsichtbare ‚Gymnastik' mit der Zeit, dass sie immer feuchter wurde. Das machte die Sache nur noch schwieriger, denn dadurch wurde der Eindringling auch noch rutschig. Dass ich sie dabei mit meiner Digi-Cam filmte, konnte sie nicht wissen. Auch nicht, dass sie natürlich keine ganze Nacht würde durchhalten müssen. Das gab der Speicher meiner Kamera schon nicht her. Unterdessen mühte sich N. und gab ihr Bestes. Als ich schließlich nach einer Stunde wieder ins Zimmer trat, musste ich nur wenig mit dein Plastikding nachhelfen um sie in ihren Fesseln aufstöhnen und zucken zu lassen. Schweißnass und stöhnend verkrampften sich ihre Muskeln um den Dildo in ihrem Liebestunnel, ohne dass sie etwas dagegen tun zu konnte.

Als sie zusammensackte, fing ich sie auf und hielt sie fest, bis ihre Beine sie einigermaßen wieder trugen. Dann löste ich erst ihre Knöchel aus der Spreizstange und dann ihre Hände aus den Handschellen. Als sie wieder zusammenzusacken drohte, nahm ich sie auf die Arme, trug sie in mein Schlafzimmer und legte sie auf mein Bett. Sie schlief bereits, bevor ich ihr wieder Handschellen angelegt hatte.

III. Samstag

Toilette, Schamrasur, nackt Einkaufen, Kinobesuch mit Fernsteuerung, Nacht mit Klemmen.

IV. Sonntag

Ponnyplay, Brennesseln

V.

Montag‘

Zu tatsächlichen sexuellen Kontakten des Angeklagten zur Schülerin N. H. kam es nicht.

c) Die am 9.2.1997 geborene Nebenklägerin A. K. hatte seit dem Schuljahr 2010/2011 Tanzunterricht beim Angeklagten. Im F-Kurs bot sich der Angeklagte im Schuljahr 2011/2012 an, mit der Nebenklägerin, deren Tanzpartner ausgefallen war, zu tanzen. Nachdem der Angeklagte von der sehr leistungsorientierten Nebenklägerin, die stets um ihren Status als Klassenbeste kämpfte, erfahren hatte, dass sie sich schulisch überfordert fühle, veranlasste er, dass sie zusätzlich einmal wöchentlich mit ihm im Tanzclub TSC F. trainierte. Dabei gefiel ihm, dass A. K. attraktiv aussah und gut tanzte, und er idealisierte sie als von überragendem Charakter mit hervorragender Empathiefähigkeit und einer über den Stand einer Neuntklässlerin weit hinausgehenden sozialen Kompetenz.

2. Tatgeschehen

a) Anlässlich eines Silvesterballs 2011/2012 verliebte sich der Angeklagte beim gemeinsamen Betrachten des Feuerwerks und Tanz des ersten Walzers des Jahres in die knapp 15-jährige Schülerin A. K..

Den Eltern der Nebenklägerin, die an sich hinter den tänzerischen Aktivitäten ihrer Tochter standen, da sie selbst tanzbegeistert waren und durchaus sahen, dass ihr Abkehr von übertriebenen schulischen Aktivitäten gut tun könnte, nahmen zunehmend wahr, dass der Angeklagte sich bemühte, immer mehr Zeiten mit der Nebenklägerin zu verbringen, was sie für äußerst unangebracht hielten. Der Angeklagte seinerseits wusste die Bemühungen der Eltern um Unterbindung übermäßiger Kontakte für sich dahingehend zu nutzen, die Nebenklägerin gegen ihre Eltern aufzubringen.

Schließlich suchte die Mutter, die Zeugin K. E., den Angeklagten in seiner Sprechstunde auf, um ihn zur Rede zu stellen und massivere Interventionen seitens ihres Ehemanns, des Zeugen K. T., abzuwenden. Bei diesem Gespräch erklärte der Angeklagte, dass er die Nebenklägerin liebe, versprach aber, keinen weiteren Kontakt zur Nebenklägerin zu haben, wobei er nur schwer davon abgebracht werden konnte, der Nebenklägerin noch eine Rose zum Valentinstag zu schenken.

b) Stattdessen bekannte er der Nebenklägerin in einer ausführlichen E-Mail vom 14.2.2012 seine Liebe, was von der Nebenklägerin sogleich erwidert wurde. In der Folgezeit entwickelte sich eine im Wesentlichen durch E-Mail-Verkehr gelebte, vor den Eltern der Nebenklägerin und ihren Mitschülern erfolgreich verheimlichte Liebesbeziehung. Ansonsten kam es nur gelegentlich zu Umarmungen, Händchenhalten oder Liebesbeteuerungen. In den - überwiegend zur Nachtzeit - gewechselten E-Mails ging es um Themen wie Aussehen, Figur, Maße, Kleidung, Liebe, Treue, Eifersucht, den Altersunterschied, das Zuwarten-Müssen bis nach dem Abitur der Nebenklägerin und das Risiko des Aufkommens der Beziehung.

In einer E-Mail vom 27.3.2012 deutete der Angeklagte erstmals bei ihm, vorhandene dunkle Seiten an, die er noch nicht offenbaren wolle. Am 3.4.2012 schrieb der Angeklagte von seinem Wunsch, gemeinsam nackt mit der Nebenklägerin in der Badewanne zu sitzen, was von dieser erwidert wurde. Am 9.6.2012 äußerte der Angeklagte den Wunsch, mit ihr bei Kerzenschein im Bett zu liegen, sie an Gesicht und Rücken zu streicheln, sie enger an sich zu ziehen und sie zu küssen, was dahingehend beantwortet wurde, dass auch sie sich das wünsche, man aber noch zuwarten müsse. Auch in einer E-Mail vom 31.7.2012 schrieb der Angeklagte von Phantasie vom Kuscheln, Streicheln und Küssen. Am 5.8.2012 äußerte der Angeklagte die Angst, die Nebenklägerin zu verlieren; diese Mail endet mit den Worten: „Und so verliebte sich der Löwe in das Lamm. Was für ein dummes Lamm. Was für ein kranker, masochistischer Löwe.“

In einer E-Mail vom 15.8.2012, in dem er die Nebenklägerin nach ihren Wünschen und Träumen für den Fall eines Beisammenseins fragte, deutete der Angeklagte an, dass er bereits begonnen habe, seine eigenen Wünsche zu verschriften, auch wenn dies kein literarisches Meisterwerk sei.

Am 16.8.2012 unterbreitete der Angeklagte den Vorschlag, das Thema Sex nicht länger zu meiden, und es kam zu einem E-Mail-Disput über einen Cyber-Chat der Nebenklägerin, wobei sich der Chat-Partner erkundigt habe, wieviel Schiffe der Angeklagte versenkt habe und ob sie noch könne oder schon müde sei, der Angeklagte wissen wollte, wie oft sie bei diesem Chat „gekommen“ sei, und die Nebenklägerin versicherte, keinen Cybersex zu betreiben und sich beim Chat „keinen runterzuholen“. In einer E-Mail, in der er seinen Wunsch, dass die Nebenklägerin auch mit ihm über Sex rede, wiederholte, sprach er davon, sich vor dem Einschlafen und nach dem Aufwachen Sex mit der Nebenklägerin vorgestellt zu haben und dies auch beim anschließenden Duschen tun zu wollen, wobei er Näheres noch nicht ausführen wolle, da er fürchte, dass die Nebenklägerin sonst entsetzt über ihn und die Beziehung gefährdet sei.

c) Anfang September 2012 befürchtete der Angeklagte zunehmend, dass die Nebenklägerin die Beziehung zu ihm beenden wolle. Am 9.9.2012 um 21.50 Uhr übersandte der Angeklagte der Nebenklägerin eine E-Mail, in der er sie darum bat, nicht zu schlecht von ihm zu denken. Dieser E-Mail, bei deren Versand er die Hoffnung hegte, an die Empathie der Nebenklägerin appellierend die Beziehung stabilisieren zu können, war die Worddatei „Generalbeichte.doc“ mit folgendem Inhalt beigefügt (Rechtschreibfehler im Original):

‚Hallo, A.!

Du bist derzeit am Grübeln, ob das mit uns Sinn hat. Ich fürchte, und bin mir fast sicher, dass, wenn ich Dir das Folgende schicke, Du nicht länger grübeln wirst. Ich fürchte, Du wirst anschließend nicht mehr mit mir zusammen sein wollen. Trotzdem, früher oder später hätte ich Dir das, was jetzt kommt, sowieso sagen müssen. Es geht um mich und meine Persönlichkeit, die schwierig ist, die Du irgendwann kennen lernen würdest, und mit der Du leben können müsstest, wenn wir zusammen bleiben. Ich kann mir - und das bedaure ich sehr - sehr gut vorstellen, dass Du das nicht willst. Aber wenn Du das, was ich Dir jetzt schreibe, in zwei oder drei Jahren erfährst, dann wird es nicht anders sein. Du wirst auch dann nicht mehr mit mir zusammen sein wollen, aber dann hättest Du zwei oder drei Jahre an mich vergeudet, und könntest mir zu Recht den Vorwurf machen, ich hätte Dich hingehalten.

…In 2 formulierten Geständnissen geht es dann um ein Heldinnenprojekt des Angeklagten, der hübsche Schülerinnen sammle, die sich von ihm in kriegerischen Posen (C. S. mit Schild und Speer, A. S. mit Pfeil und Bogen) fotografieren lassen oder für in seinem Garten aufzustellende Statuen (Kosten je 30.000 €) Modell stehen würden.

Drittes Geständnis:

Und damit kommen wir zum Knackpunkt. … Was jetzt kommt, ist eine Charakterfrage, und den Charakter kann man nicht so leicht ändern. Und der Punkt hat mit Sex zu tun. Deshalb wollte ich warten, bis Du wenigstens 16 bist, bevor ich mit Dir darüber rede. Aber da es bereits jetzt auf Messers Scheide mit uns steht, solltest Du es jetzt wissen, damit Du nicht in einem halben Jahr oder Jahr oder noch später, sagen musst „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich damals schon Schluss gemacht“.

Du hast einmal gefragt, wann ich wusste, dass ich Dich liebe. Das war sehr früh, früher noch als der Silvesterball, den ich gerne als Punkt annehme, wo es zwischen uns gefunkt hat. Zumindest ist mir sehr viel früher aufgefallen, dass Du ganz anders bist, als alle anderen Frauen, mit denen ich zu tun habe. Es war bereits die Fahrt, auf der Du nur erzählt hast, dass Deine Mutter Dich schlägt. Wir lassen jetzt mal dahingestellt, wie sehr das wirklich Schlagen war und ist. (Du hast mir inzwischen geschrieben, dass es vielleicht doch kein Schlagen sei.) Ich zumindest hab mir damals vorgestellt, dass Du wirklich verdroschen wirst oder zumindest regelmäßig a richtige Trumm Schellen bekommst. Und je nach Laune und Spontaneität Deiner Mutter scheint es ja tatsächlich mal schlimmer und mal weniger schlimm zu sein. Als Du mir das erzählt hast, ist mir sofort durch den Kopf geschossen: „Das könnte ich nie!“ Und tatsächlich, ich kann mir nicht vorstellen, Dich zu schlagen. Es geht einfach nicht. Ein freundschaftlicher Knuff ist vielleicht noch drin, aber die Flache Hand gegen Dich erheben, Dir spontan eine geben, Dir den Hintern versohlen, das kann ich nicht.

„Na und“, kannst Du sagen. „Was ist daran so besonders?“ Alles. Wenn ich Dir das jetzt erkläre, bin ich wahrscheinlich völlig unten durch bei Dir. Aber ich bin sowieso schon vollkommen in Deiner Hand. Ich muss auch jetzt schon darauf hoffen, dass Du niemals jemandem ein Sterbenswörtchen von uns erzählst. Da kommt es darauf auch nicht mehr an:

Ich bin ein Sadist. Ich stehe auf Frauen, wenn sie gestiefelt, gefesselt und geknebelt sind, sodass sie sich nicht wehren können, wenn sie gequält und gefickt (sit venia verbo) werden. Du könntest das bereits mitbekommen haben, aber wahrscheinlich hast Du damals nicht so drauf geachtet. Auf der Fahrt vom letzten Trainingslager nach Hause hat N. irgendwann mir gegenüber den Satz fallen lassen „Aber sie wollen ja keine Freundin, sie wollen ja eine Sklavin“. Und damit hatte sie echt. Wie man es schließlich nennt, ist egal, Sklavin, Sub, Bottom, das bleibt sich alles gleich. Wichtig ist, dass es um Macht und Ohnmacht, Dominanz und Unterwerfung, Machen können und Ertragen müssen geht.

Um das klar zu stellen: Es geht mir nicht darum, eine Frau zu verprügeln oder ihr möglichst viele Schmerzen zuzufügen. Es geht darum, durch den Wechsel von Erregung und Schmerz die Lust der Sub zu steuern, zu vergrößern, wieder zu verringern, sie hinauszuzögern und sie am Ende dann umso heftiger Erlösung finden zu lassen. Es geht darum, sie ganz in der Hand zu haben, und lenken zu können, wie ich will. Denn ich finde Macht geil.

Darauf, Mädels zu fesseln, stehe ich schon seit dem Kindergarten. Als wir Kinder waren, gab es in der Nachbarschaft zwei Mädels, die ich mehrmals fesseln durfte. Es ist also nichts, was mir erst seit Kurzem im Kopf rumspukt. Auch meine liebe Ex hat sich ein paar Mal fesseln lassen, aber nie Geschmack daran gefunden. Und als es mit ihr aus war, hab ich mir geschworen, meine nächste Freundin muss eine devote, masochistische Ader haben.

Und dann bin ich Dir begegnet und konnte mir das nicht vorstellen. Überhaupt nicht! Dich zu quälen finde ich das Widerlichste überhaupt. Wenn ich an Dich denke, dann denke ich an Schmusen und Streicheln, an Küssen und Zärtlichkeit. Selbst, Dich zu fesseln, ist schwer vorstellbar. Inzwischen kann ich mir Dich gefesselt vorstellen. Am Anfang ging nicht einmal das. Aber Dir weh zu tun - völlig undenkbar! Ich glaube, ich könnte es nicht einmal dann, wenn Du jetzt feststellen würdest, dass Du auf so etwas stehst und es Dir von mir wünschen würdest. Ich kann mir vorstellen, dass andere Dir das antun, ich es unterbinde und Dich rette. Aber dass ich es tue, nein! Und damit bist Du einzigartig für mich.

Wir müssen noch mal auf N. zurückkommen. Anfang des letzten Schuljahres hat sie mich gebeten, mit ihr wieder in Latein zu arbeiten. Und sie hat erklärt: ‚‚Ich tue alles, ich wasch ihr Auto, ich mäh ihren Rasen, ich trag ihre Sachen. ich tu alles, was Sie wollen." Da hab ich gefragt: „Du willst also meine Sklavin werden?“ Und sie hat Ja gesagt. Ups. Damit hatte ich nicht gerechnet. Am Tag ihrer zweiten Latein-Schulaufgabe hat sie mir dann eine Brief geschrieben, in dem sie sich für die Nachhilfestunden bedankt hat und dessen letzter Satz lautete: „Ich bin ja ihre Sklavin“ Ich glaube nicht, dass sie sich klar war, was das bedeutet. Für sie ist das ein Scherz gewesen, da bin ich mir sicher. Aber bei mir ist in dem Moment Kopfkino losgegangen. (Einen Teil davon habe ich aufgeschrieben, falls er Dich interessiert. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Wahrscheinlich bist Du seit einer Weile entsetzt und findest mich bereits jetzt nur noch furchtbar abartig.) Und fast gleichzeitig kam Deine Mail, in der Du geschrieben hast „Ja, der Silvesterball … hm“. Da bin ich in mich gegangen und hab mich gefragt, was ich mir wirklich wünsche. Will ich eine Sklavin (N. war da nur ein Beispiel), mit der ich tun und lassen kann, was ich will, oder will ich Dich als gleichberechtigte Partnerin? Und mir ist klar geworden: Bei dieser Wahl will ich nur Dich. Welche Vorstellungen mir bei Dir durch den Kopf gegangen sind und gehen, habe ich ebenfalls aufgeschrieben. Das war das, was ich Dir angekündigt habe, dass ich Dir bis Ferienende schreiben wollte. Ich werde es Dir schicken, wenn Du willst. Du wirst feststellen, dass da nicht der Hauch von Gewalt dabei ist.

Die ekelhafte Wahrheit ist also: Ich liebe Dich, weil ich Sadist bin und mir trotzdem nicht vorstellen kann, mich Dir gegenüber sadistisch zu verhalten. Der Brief von N. hat mir klar gemacht, dass ich Dich wirklich liebe. Und dass ich mir sehnlichst wünsche, auch von Dir geliebt zu werden.

Ich weiß, dass ist nicht nur viel verlangt, das ist zu viel verlangt. Es ist schon eine riesige Belastung, einen Lehrer zu lieben. Und ich weiß, dass Du schon diesen Druck kaum aushältst. Jetzt, da ich Dir das erzählt habe, glaube ich nicht, dass Du für mich noch etwas übrig hast. Glaub mir, ich hab Dir das nicht deshalb erzählt, um Deine Entscheidung Richtung Schluss machen zu beeinflussen. Ich fürchte, dass das die Folge von diesem Brief sein wird. Aber bitte glaub mir, es war nicht sein Ziel. Ich wünsche mir nichts mehr, als dass Du trotzdem mit mir zusammen sein willst und mit mir zusammen bleibst. Ich werde nur diese Ader in mir nie abstellen können. Diese Vorliebe wird bleiben, auch wenn wir zusammen sind. Und ich bin der Ansicht, Du solltest das wissen. Wenn Du sowieso gerade daran bist, Dir grundsätzlich zu überlegen, wie es mit uns weiter gehen soll, dann solltest Du das wissen und in Deine Überlegungen einbeziehen. Denn wie furchtbar wäre es, wenn wir diese Krise jetzt überstehen, Du meine sadistische Ader in drei Jahren herausfindest, und die Beziehung dann daran zerbricht. Da könntest Du mir dann mit Recht vorwerfen, ich hätte Dich drei Jahre lang verarscht. Und das will ich nicht.

Es bleibt noch eine letzte Frage: Bin ich pervers, weil ich so auf junge Mädels stehe? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass ich ein ausgesprochener Päderast bin (also einer, der besonders auf Menschen zwischen 13 und 17 steht), auch wenn ich Fantasien mit Dir oder N. habe. Ich hätte auch K. oder B. als Partnerin genommen, und die sind beide älter als ich. Ich sehe mich einfach nach der Besten in meinem Umfeld um, und in meinem Umfeld gibt es eben viele Schülerinnen. Aber ich fand anfangs auch J. H. oder M. S. super (bis sie verheiratet waren) und stand auch schon auf einige Referendarinnen (von V. weißt Du ja selbst, aber auch schon vorher). Mir sind andere Dinge wichtig, und viele von denen verwirklichst Du in genialer Weise. Super Aussehen, guter Geschmack, Intelligenz, Latein, Tanzen, Fleiß, vor allem aber Empathie. Es liegt also nicht daran, dass ich auf Junge stehe, sondern dass mir das Alter egal ist, wenn ich glaube, dass der Rest passt. Und bei Dir passt alles.

Ich liebe Dich.

Dein G.‘

d) Im Anschluss an einen Spaziergang übersandte der Angeklagte der Nebenklägerin am 10.9.2012 um 00.09 Uhr per E-Mail mit freundlichem Begleittext die Worddatei „Träume von Dir.doc“ mit folgendem Inhalt (Rechtschreibfehler im Original, vor Versand verfasste erklärende Anmerkungen des Angeklagten in Kleindruck):

‚Träume von Dir

erster Traum

Du erinnerst Dich bestimmt noch an den ersten Abend des Trainingslagers in B.? Schließlich waren alle ins Bett gegangen, selbst S. und co hatte ich aus dem Zimmer von C. und co. in die Falle geschickt. Nur eine saß noch auf dem Gang, gehüllt in eine Decke, und immer wieder ist ihr das Kinn auf die Brust gesunken. Aber als ich die Gangtüre geöffnet habe, ist sie hochgeschreckt. Ich hab mich ihr gegenüber auf den Gang gesetzt und wir haben geredet. Sie hat mir vieles erzählt, und vieles davon war traurig. Außerdem war es auf dem Gang lausig kalt. „Frierst Du nicht?“, wollte ich irgendwann wissen. „Doch, schon.“, kam die Antwort.

Da stehe ich auf, setze mich neben Dich und lege meinen Arm um Dich. Du lehnst Deinen Kopf an meine Schulter. Ich versuche, die Decke über uns beide zu breiten. Wenigstens über beide Rücken reicht sie. Aber es bleibt kalt. Manchmal fröstelst Du. Nach einer Weile ziehe ich Deine Beine über meine drüber, sodass Du im rechten Winkel zu mir sitzt. Dein Kopf liegt noch immer auf meiner linken Schulter, mein linker Arm über Deiner rechten, hinter deinem Hals entlang, sodass ich mit meiner Linken, deine linke Schulter fassen kann. Jetzt passen wir auch beide richtig unter die Decke. Während wir reden treffen sich unsere freien Hände. Und so sitzen wir bestimmt eine halbe Stunde lang. Unter der Decke, zusammengekuschelt, Deine linke Hand in meiner Rechten. Es ist spät, schon drei, und am Ende nickst Du an meiner Schulter ein.

Als ich das merke, beginne ich, Dich sanft zu streicheln. Ich lege Dir die Haar aus dem Gesicht und streiche Dir zärtlich über die Wange, fahre mit dem Finger über deine Stupsnase. Und als Du darauf nicht reagierst, gebe ich Dir leicht einen Kuss auf die Stirn. Davon wirst Du wach. Etwas verwirrt schaust Du mich an. „O Gott, ich sollte schlafen!“, murmelst Du „Ja“, bestätige ich, „es wird Zeit. Komm mit.“ ich helfe Dir auf und lege wieder meinen Arm um Deine Schulter. Sanft, aber bestimmt lotse ich Dich in mein Zimmer. Es ist nicht groß; gerade ein Tisch, ein Stuhl und das Bett haben darin Platz. Auf dem Tisch steht eine Kerze. Sie ist das einzige Licht im Raum. Ruhig dirigiere ich Dich zum Bett. Du wehrst Dich nicht. Mein Arm gleitet an Deinem entlang nach unten, bis ich mit meiner Hand Deine halte. Ich setze mich auf's Bett, und halte Deine Hand. Du zögerst kurz. Natürlich zögerst Du, aber dann lässt Du Dich von mir aufs Bett und zu mir hinziehen. Du kuschelst Dich in meine Arme und ich schließe Dich in meine. Jetzt liegen wir uns gegenüber, ich auf meiner rechten Seite, Du auf Deiner Linken. Die Köpfe teilen sich das ein Kopfkissen. Unsere Gesichter kommen sich immer näher. Wir schließen die Augen. Und dann berühren sich unsere Lippen, ganz zaghaft und sachte. Und trotzdem ist das der Kuss der Küsse. Wie lange er dauert? Keine Ahnung. Wenn mir jemand sagen würde, es sei eine Stunde vergangen, würde ich ihm glauben.

Ich ziehe Dich an mich und auch unser Kuss wird leidenschaftlicher. Meine Rechte hat schon ganz zu Anfang unter Deiner Achsel hindurch gefasst und hält Dich umschlungen. Ich beginne, Dich mit meiner freien Hand zu streicheln. Im Nacken fange ich an und gleite dann langsam über die Schulterblätter, und dann immer tiefer den Rücken hinunter. Ich fahren die Wirbelsäule entlang und halte auf Höhe der Taille an. Du drängst Dich enger an mich. Lässt Du Dich führen oder willst Du der Hand ausweichen? Letzteres wohl nicht, denn Du hörst nicht mit dem Küssen auf.

Ich merke, wie mein Körper reagiert. Still liegen fällt mir zunehmend schwer. Trotzdem lasse ich meine Hand langsam tiefer wandern, bis sie auf Deinem Hintern liegt.

Hier endet meistens dieser Traum. Ich stelle mir vor, dass wir gemeinsam einschlafen und am nächsten Morgen der Wecker klingelt, rechtzeitig, bevor die anderen aufwachen. Kein Sex in dieser Nacht, nur Schmusen, Kuscheln und Streicheln. Arm in Arm einschlafen und auch so wieder aufwachen. Das ist alles. Aber damit bin ich schon überglücklich.

zweiter Traum

Du erinnerst Dich sicher an den ersten Morgen im Trainingslager in B.. Ich kam sehr früh in früh in den Saal, um ihn für das Training herzurichten. Als ich die Tür aufmachte, bewegte sich da ein Mädchen, Knöpfe im Ohr, zu der ihr eigenen Musik. Sie machte gerade Pause vom Lernen, denn ihr Buch lag auf dem Tisch neben der Tür.

Ich bin ganz still und rühre mich nicht. Du hast die Augen geschlossen und bewegst Dich zu der Musik, die nur Du hören kannst. Wie ein Blatt im Wind lässt Du Dich treiben, bewegst die Hüften, den Oberkörper, die Arme. Es ist Dein Tanz und Du bist ganz und gar bei Dir. Ein Lächeln liegt auf Deinem Gesicht, so entspannt und so glücklich, wie sonst nie.

Auf einmal hast Du mich gesehen. Du hast sofort aufgehört zu tanzen, Dich wieder auf den Tisch gesetzt und Dir Dein Buch geschnappt. Ich glaube. Du hast dich auch entschuldigt und erklärt, dass nur eine kurze Pause war.

„Eh, das macht doch nichts“, sage ich, „Der Mensch braucht Pausen.“ Und dabei gehe ich auf Dich zu. Ich trete direkt vor Dich und Du hältst das Buch wie ein Schild vor Deine Brust. Vorsichtig greife ich nach dem Buch, ziehe es Dir aus der Hand und lege es zur Seite. Deine Hand halte ich dabei fest. „Der Mensch braucht Pausen. damit er nicht zum Tier wird.“, erkläre ich. Und dann stehe ich zwischen Deinen Beinen. Ich ziehe Dich mit der Hand an mich heran. Du schaust mich an und ich beuge mich zu Dir hinunter. Langsam kommen sich unsere Gesichter näher. Wir schließen die Augen und dann berühren sich unsere Lippen, ganz sachte und zart.

Ich weiß, das klingt wie im ersten Traum. Aber so stelle ich mir unseren ersten Kuss vor. Langsam, mit viel Zeit, und sachte, mit viel Gefühl; erst nur einen Hauch, ein ganz flüchtiges Streifen, dessen man sich nicht ganz sicher ist; und dann eine leichte Berührung; nach und nach wird es stärker, und irgendwann ist es dann ein richtiger Kuss, der eine gefühlte Ewigkeit dauert. Meine Hände gleiten über Deine Schulterblätter und drücken Dich fester an mich. Auch Du drängst Dich näher heran. Wäre ich nicht im weg, würdest Du von der Tischkante purzeln. Schließlich erreichen meine Hände deine Taille. Ein kurzer Zug, und Dein Oberteil rutscht aus der Hose. Meine Hände verschwinden unter Deinem Oberteil, streicheln Deinen Rücken jetzt direkt. Fahren langsam an Deiner Wirbelsäule entlang nach oben, bis sie den Verschluss Deines BHs erreichen. Auch Du hast mir das T-Shirt aus der Hose gezogen. Deine Hände krallen sich in meinen Rücken. Ich öffne die Schließe deines BHs. Mit dem Zug des Gummis lass ich auch meine Hände nach vorne gleiten, bis ich Deine Flanken erreicht habe. Und während die Handflächen noch deine Rippenbögen halten, fahren meine Daumen von der Taille zum Nabel und von dort aus höher. Von Bauch her fahre ich unter Deine Brüste, stütze sie jeweils mit dem Mittelraum zwischen Daumen und Zeigefinger. Langsam nehme ich Daumen und Handfläche zusammen. Jetzt habe ich Deine Brüste ganz in der Hand. Kurz zögere ich noch, genieße das unbeschreibliche Gefühl, Dich so zu halten, bevor ich Daumen und Zeigefinger ganz schließe und so Deine Brustwarzen zu fassen bekomme. Ich beginne sie zu massieren.

Schon längst hat sich etwas in meiner Hose geregt. Ich drücke mich mit dem Unterkörper enger an Dich und auch Du drückst Dein Becken gegen meins. Langsam wandern Deine Hände zu meinem Gürtel, den Du öffnest, um mir die Hose herunter zu ziehen. Auch ich habe von Deinen Brüsten abgelassen. Mit dem linken Arm halte ich Dich, mit der Rechten öffne nun auch ich Deine Hose. Ich hebe Dich hoch, sodass auch Du Deine Hose tiefer streifen kannst. Leicht führt mein bestes Stück über Deinen Hügel. Es ist ein irres Gefühl. Spätestens jetzt steht er wie eine Eins. Die Arme um den anderen geschlungen, versunken in einem tiefen Kuss, kommen wir zusammen. Es geht ganz von selbst. Auf dem Tisch sitzend streckst Du mir Dein Becken entgegen. Ich dringe in dich ein, erst ein wenig, dann immer tiefer…

Der gemeinsame Orgasmus ist angeblich ein Glückstreffer, aber dies ist ein Traum. Warum sollte man ihn nicht träumen? An diesem Tag scheint für uns nicht nur die Mannschaft zu tanzen. An diesem Tag tanzt für uns die ganze Welt.

Dritter Traum

Die ersten beiden Träume spielen in der Vergangenheit. Ich weiß, diese Situationen wird es nie wieder geben. Aber wenn ich nachts an Dich denke, dann entwickelt sich in meiner Phantasie daraus der Sex, aus Situationen, die wir hatten, und die sich hätten weiterentwickeln können. Der letzte Traum spielt in der Zukunft eine Zukunft, die es nie gehen wird, wie ich jetzt weiß. Aber ich möchte ihn Dir trotzdem noch erzählen.

Ich gehe davon aus, dass Du das …G nach der 10. Klasse verlassen hast, um an einem anderen Gymnasium Latein wählen zu können. Aber wir sind dennoch zusammen geblieben, haben uns dienstags und freitags beim Tanzen gesehen und uns weiterhin regelmäßig gemailt. Und an Silvester 2014/15 haben wir uns das erste Mal Händchen haltend das Feuerwerk angesehen, genau an der Stelle, wo wir es 2011/12 angesehen haben. Natürlich haben Deine Eltern getobt, aber ich bin nicht mehr Dein Lehrer und außer den Händen war nichts. Als Deine Eltern mir Vorwürfe machen, weise ich sie daraufhin, dass ich es gar nicht nötig hatte, Dir zu sagen, dass ich Dich liebe, sondern dass sie diesen Part freiwillig übernommen haben, als sie Dir das Dienstag-Tanzen mit mir verboten haben. Und lächeln kann ich noch hinzufügen, dass sie damit die besten Brautwerber waren, die man sich vorstellen kann. Natürlich bekommst Du sofort generelles Tanzverbot. Aber Dir zuliebe unternehmen sie sonst nichts. (Ich weiß, es ist ein Traum. In der Realität verklagen sie mich, ich verliere meinen Job und wandere in den Knast, aber es ist ein Traum.) Dass wir weiter mailen, können sie nicht verhindern. Sie wissen ja nicht, dass Du auch vom Handy aus mailen kannst.

Und dann kommt Dein 18. Geburtstag. Wir mailen schon den ganzen Abend, und ich schicke meinen Geburtstagsgruß exakt so, dass er um Mitternacht ankommt. Aber Du antwortest nicht. Du bist noch angezogen, schließt den Computer und verlässt Dein Zimmer. Du schnappst Dir die Autoschlüssel und willst gerade das Haus verlassen, als Deine Mutter Dich von hinten ruft. Du drehst Dich um, stehst schon vor der offenen Tür. „Du willst zu ihm.“, wirft Dir Deine Mutter vor. „Ja“, antwortest Du. „Wie kannst Du nur!“, faucht Deine Mutter. „Ich liebe ihn.“, versuchst Du zu erklären. „Wenn Du zum Herrn U. gehst, enterb ich Dich. Und wenn Du jetzt das Haus verlässt brauchst du gar nicht wieder kommen.“, droht Deine Mutter. „Mama, bitte! Ich bin 18. Ich liebe ihn. Mit ihm bin ich glücklich.“, entgegnest Du, „Ich gehe auf jeden Fall zu ihm. Aber wenn Du mich jetzt gehen lässt, dann komme ich zurück. Versprochen.“ Es herrscht langes Schweigen. Und dann sagt Deine Mutter: „Geh!“ Du gehst zu ihr, nimmst sie fest in den Arm und dann verlässt Du das Haus (Manchmal stelle ich mir vor, Du gehst sogar gegen den Willen Deiner Mutter.).

Es ist halb eins als du bei mir ankommst. Ich will gerade schon die übliche Mail schreiben, dass ich davon ausgehe, dass Du eingeschlafen seist, als es an der Haustür klingelt. Vor der Türe stehst du. Du fällst mir um den Hals, wirfst mich fast um, weil ich so überrascht bin. Aber dann fasse ich dich fest um die Schultern und drehe mich mit Dir im Kreis, sodass Du vom Boden abhebst. Wir küssen uns heftig und leschaftlich, immer wieder. Ich öffne Deinen Mantel und streife ihn über Deine Schultern. Noch in der Diele beginnen wir, uns gegenseitig auszuziehen. Und als wir nur noch Unterwäsche anhaben, nehme ich Dich bei der Hand und ziehe Dich in mein Schlafzimmer. Viel ziehen muss ich nicht, Du willst ja selbst dorthin.

Ich schubse Dich aufs Bett und gehe selbst ans Fenster. Dort zünde ich die beiden Duftleuchten an, die auf dem Fensterbrett stehen. Du kriechst schon unter die Decke. Ich schalte das Licht aus und krieche hinterher. Und dann liegen wir erstmal lange da, uns immer wieder küssend, und reden und streicheln uns. Irgendwann streichle ich Deine Unterwäsche weg, und Du meine. Eng umschlungen liegen wir da und dann dringe ich in Dich ein…

Am nächsten Morgen melden wir uns jeweils in unserer Schule krank. Nach einer durchgemachten Nacht, kann man weder unterrichten noch den Unterricht folgen.

Was ich an dem Traum so schön finde, ist (außer dem Sex natürlich), dass Du da völlig zu mir stehst. Ich weiß, das wird es nicht gehen, aber der Traum bleibt.‘

e) Am 10.9.2012 um 1:06 Uhr übersandte der Angeklagte der Nebenklägerin eine E-Mail mit folgendem Wortlaut (Rechtschreibfehler im Original):

‚HalIo, A.!

Ich bezweifle, dass Du das, was jetzt kommt, schön finden wirst. Aber Du hast Dich bisher so hervorragend gehalten, dass ich glaube, auch das noch schicken zu können. Wichtig dabei ist, das es fast nur das Vorgeplänkel ist, das ich geschrieben habe, der eingetliche Teil fehlt ja, denn von der Woche, die ich beschreiben wollte, ist nur der erste Teil fertig. Und es wäre mit der Zeit immer heftiger geworden.

Viel Spaß kann und will ich Dir dieses Mal, anders als bei meinen Träumen, gar nicht damit wünschen.

Bis später!

Dein G.‘

Als Anlage übersandte der Angeklagte die Worddatei „Phantasie.doc“ mit dem Inhalt der unter III 1 b) dargestellten sadomasochistischen Phantasie hinsichtlich der Schülerin N. H.. Diesen Text hatte er am Ende des Abschnitts „I. Vorgeschichte“ bzw. vor der Überschrift „II. Lehrjahre“ mit folgendem Einschub versehen (in Kleindruck):

‚Liebe A., bis hierher ist die Geschichte wahr, wenn auch stark verkürzt und ziemlich pointiert geschrieben. Viele Dinge sind natürlich unter den Tisch gefallen, z. b. dass Du in diesem Jahr als Konkurrenz aufgetaucht bist. Aber dieser Brief und Deine Mail zum Silvesterball waren der Wendepunkt in meiner Beziehung zu N..

Nach diesem Brief hatte ich das Gefühl, wenn ich es richtig anstelle, kann ich sie wirklich zu meiner Sklavin erziehen. Gleichzeitig hatte ich die Mail von Dir. Darin hab ich ein vages Interesse gefunden, einen Hoffnungsschimmer, dass Du wirklich etwas von mir wollen könntest.

Und damit stand ich vor der Frage: Will ich wirklich eine Sexsklavin, die es mir ja sogar anbietet? Oder die Ungewissheit, ob sich aus uns beiden eine Beziehung entwickeln würde, noch dazu eine Beziehung, bei der es keine Sklavin geben würde. Denn das war und ist mir seit unserem Gespräch damals an Allerheiligen klar: Ich kann Dich nicht schlagen. Bei der Vorstellung dreht sich mir der Magen um, statt dass ich wie sonst erregt werde.

Und das war für mich auch der letzte und ausschlaggebende Beweis dafür, dass ich Dich wirklich liebe: Alles in mir schreit nach Dir, ohne dass ich dabei an Schläge oder Klemmen oder andere Foltermethoden denke. Wenn ich an Dich denke, denke ich an Zärtlichkeit und Schmusen, Streicheln und Küssen, an Kuscheln und sich eng aneinander Schmiegen. Und dann passiert irgendwann dabei Sex als eine Fortführung und Verschmelzung und Steigerung der Zärtlichkeit. Bei Katrin hatte ich es nicht. Da hab ich mir sofort SM vorstellen können. Damit bist Du für mich wirklich etwas ganz besonderes.

Du weißt, wie ich mich damals entschieden habe. Die Entscheidung hab ich nicht leichtfertig getroffen. Aber ich habe die richtige Entscheidung getroffen, selbst wenn es nicht halten sollte: Ich liebe Dich!

Dein G.

Von hier an läuft die Phantasie. Und noch eins: N. ist von hier aus auch austauschbar. Was folgt kann ich mir mit vielen Frauen vorstellen.‘

3. Nachtatgeschehen

Infolge dieser E-Mails des Angeklagten kam es zum Abbruch der Beziehung. Die Nebenklägerin ist aufgrund der vom Angeklagten, den sie geliebt hatte, ihr gegenüber geschilderten sadomasochistischen Phantasie hinsichtlich der Schülerin N. H. in ihrer seelischen Entwicklung ganz erheblich beeinträchtigt. Sie hat bereits weit über 65 Therapiestunden absolviert. Ein Ende der Therapie ist derzeit nicht abzusehen.“

III.

Mit Schreiben vom 7. November 2012 informierte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Landesanwaltschaft Bayern als zuständige Disziplinarbehörde über den Verdacht des Vorliegens eines Dienstvergehens. Am 9. Oktober 2012 war dem Beklagten vom Schulleiter mündlich, bestätigt durch Verfügung vom 15. Oktober 2012 die Führung der Dienstgeschäfte vorläufig verboten worden. Mit Verfügung vom 19. November 2012 leitete die Landesanwaltschaft Bayern ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 20. Februar 2013 wurde der Beklagte mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes enthoben.

Mit Verfügung vom 25. April 2013 wurde der Einbehalt von 30% der monatlichen Dienstbezüge angeordnet und das Verfahren im Hinblick auf das Strafverfahren ausgesetzt. Mit Verfügung vom 10. Dezember 2014 wurde das Disziplinarverfahren fortgesetzt. Der Hauptpersonalrat beim Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst wurde antragsgemäß beteiligt. Mit Verfügung vom 2. Oktober 2015 wurde der Einbehalt von 45% der Dienstbezüge angeordnet.

IV.

Am 12. März 2015 erhob die Landesanwaltschaft Bayern wegen der vorbezeichneten Sachverhalte (eine im Wesentlichen aus dem intensiven E-Mail-Verkehr bestehende „Beziehung“ des Beklagten zu der Schülerin A. K., Versenden der Anlagen „Phantasie.doc“, Generalbeichte.doc“ und „Träume von dir.doc“ sowie der E-Mail „Morgen“) Disziplinarklage gegen den Beklagten mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Im Rahmen der Disziplinarklage wurden dem Beklagten darüber hinaus die folgenden Sachverhalte vorgeworden:

1. Am 10.09.2012 um 15:33 Uhr sandte der Beamte der Zeugin A. K. eine E-Mail unter dem Betreff „Morgen“ mit folgendem Inhalt (Rechtschreibfehler im Original):

„Hallo A.!

Ich habe geade mit F. telefoniert. Ich wollte ihn anrufen, weil ich wissen wollte, wie das mit den Schulanfangsgottesdiensten ist. Die bleiben immer an F. und mir hängen. Da hat er gefragt, wie die Ferien waren und ich hab Telefon losgeheult. Vielleicht geht es Dir genauso. Nr. 1 hört sich jedenfalls so ähnlich an.

Ich verstehe dich völlig, wenn Du nur Deine Ruhe haben willst! Am liebsten möchte ich nichts sehen und nichts hören und nichts denken und nichts fühlen. Auf eine Fete könnte ich heute nicht gehen. Morgen werde ich wahrscheinlich vormittags mit M. und F. den Gottesdienst vorbereiten, und ich hoffe, das sich da nicht heulen muss. Dabei wäre ich so gerne stark. Aber Du bist für mich das Wichtigste auf der Welt. Und Dir das angetan zu haben, und Dich jetzt zu verlieren, das tut so verdammt weh. Und das Schlimmste ist, dass es meine Schuld ist. Wenn ich einfach die Klappe gehalten hätte und Dir die drei Texte nicht geschickt hätte, dann wärst Du vielleicht auch zu dem Schluss gekommen, dass es nicht geht, Aber so war klar, und ich wusste es ja schon, als ich es geschickt habe, dass das der Todesstoß wird. Warum hab ich das gemacht? Weil ich nicht wollte, dass Du Dir ohne es zu wissen in mir etwas einhandelst, was nicht gut für Dich ist. Denn ich bin nicht gut und nicht gut genug für Dich.

Eine Beziehung wirft man nicht einfach so über Bord. Schließlich haben wir uns ein halbes Jahr wahnsinnig viel bedeutet. Da reichen ein paar Stunden sicher nicht zum Nachdenken. Selbst wenn Du schon seit einer Woche am Nachdenken bist, auch diese Zeit ist vielleicht zu kurz. (Und wieder zeigt sich, dass Du reifer bist als Deine 15. Andere hätten schon längst Schluss gemacht).

Zu Deinen Punkten: Alles was Du gesagt hast stimmt. Und Du hast in den meisten Punkten Recht. Ich will das auch nicht abstreiten, nur erklären.

1. N.. Ich weiß, dass Du schon immer ein wenig eifersüchtig auf N. warst. Und nach meinen Texten ist das noch nachvollziehbarer. Ich wäre genauso eifersüchtig an Deiner Stelle. Ich kann Dir nur noch mal versichern, dass ich von ihr nichts will. Seit ich mit Dir zusammen bin, ist mir N. scheißegal. Zwischen mir und N. ist weniger als zwischen Dir und C., oder besser zwischen Dir und E.. Mehr als Dir das sagen, kann ich nicht. Aber vielleicht ist gerade diese Eifersucht ein Indiz, dass Du mich noch liebst. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre Dir auch N. egal.

Du lernst Songtexte auswendig, um nicht denken zu müssen? Das ist süß! (Positiv!) Jeder wird mit seinem Kummer auf andere Weise fertig. Und jetzt kommt das Gemeine, aber nicht böse gemeint: Willst Du nicht lieber Latein lernen? Das lenkt genauso ab und hat einen praktischen Nutzen. Nein, ich mach mich nicht über Dich lustig. Es ist durchaus ernst gemeint. Ich war in der Schule immer ein mittelprächtiger Schüler, bis ich in der 11. Klasse heftigen Liebeskummer hatte. Da habe ich mich zur Ablenkung in die Schule gestürzt und bin von einem 2,x Schüler zu einem 1,3 Schüler aufgestiegen. Dann hätte Dein Kummer wenigstens einen Sinn. Aber allein, dass Du Dich so ablenken musst, zeigt, wie sehr Du (noch) an mir hängst. Und das finde ich schön und das gibt mir Hoffnung.

2. Wenn wir nicht mehr zusammen sein sollten, dann werde ich erst mal gar nicht Ausschau halten. Ich werde erst mal trauern. Wenn ich Ausschau halten werde, dann nach einer neuen Frau. Es kommen eine Menge Referendarinnen zu uns. Ich hab mir schon überlegt, ob ich doch zu einer Partnervermittlung gehe. Bei K. hat es ja auch geklappt. Du musst nicht mit mir zusammen bleiben, um mich oder andere Schülerinnen zu schützen. Ich will mit keiner anderen Schülerin zusammen sein. Und das hängt mit 3. zusammen.

3. Männer unterscheiden zwischen Liebe und Sex. Liebe ist für mich etwas Großes, Einzigartiges, wenn alles in Dir nach dem anderen schreit, und Du bereit wärst, notfalls auch alles aufzugeben. Das bin ich bei Dir. Ich hab mich sogar schon nach einer Schreinerlehre erkundigt, falls ich als Lehrer fliege. Nicht, dass ich fliegen will und es darauf anlegen würde. Aber lieber gebe ich meinen Job auf als Dich. Ich würde auch jetzt schon kündigen, wenn das irgendwas nützen würde, aber der Altersabstand ändert sich dadurch ja nicht, und auch nicht die Tatsache, dass Du erst in drei Jahren volljährig bist.

Sex dagegen ist etwas anderes. Ich weiß nicht, wie ich es Dir schreiben soll, ohne Dich wieder zu verletzen. Und Dich verletzen ist das Letzte, was ich will. Ich bemühe mich, so gut ich kann. Du weißt, dass ich perverse Vorstellungen von Sex habe. Ich bin Fetischist. Bei einem Fetischisten ruft eine Praxis, ein Gegenstand o.ä. die sexuelle Erregung hervor, unabhängig von der Person. Ich hätte Dir genauso meine Phantasie zu B., J. oder M. schreiben können. Dass ich von der Person geschrieben habe, deren Namen ich vor Dir nicht mehr nennen will, liegt daran, dass bei ihr am meisten Anklänge an meinen Fetisch gefallen sind.

Wahrscheinlich willst Du es nicht wissen und findest es eklig. Aber um das zu verstehen, ist es einfacher, zu wissen, dass ich mich täglich mindestens dreimal, aber manchmal öfter am Tag befriedige. Morgens beim Aufwachen, vor den Nachmittagsschlaf, vor dem Einschlafen. Und jedes Mal läuft dabei Kopfkino ab. Und es ist jedes Mal eine andere Frau. Aber jetzt kommt das entscheidende: Es ist nicht jedes Mal eine andere Frau, weil ich mit all diesen Frauen wirklich schlafen will. Das will ich nicht. Wenn es mir eine davon anbieten würde, würde ich wahrscheinlich entsetzt ablehen (das wahrscheinlich zu entsetzt, nicht zu ablehen). Sie könnte auch jedes Mal eine Maske tragen, sodass man das Gesicht gar nicht erkennt. Solche Masken gibt es tatsächlich.

Ich habe mir lange überlegt, ob ich mir jedes Mal Dich vorstellen soll. Bei K. hab ich das getan. Aber mit diesen Frauen tue ich Dinge, die ich mir Dir niemals machen möchte. Ich will Dich weder schlagen, noch Dir Klemmen ansetzen, noch Dich mit Gummis zippen, noch Dich auf eine andere Art und Weise quälen. Wenn ich an diese Frauen denke, dann geht es mir nur darum, mich möglichst schnell zu befriedigen. Das ist ein Benutzen der Frauen. Und ich will Dich nicht benutzen.

Du sagst, es wäre erträglicher gewesen, wenn Dein Name in allen Texte aufgetaucht wäre. Wenn Dir das lieber ist, werde ich in Zukunft nur an Dich denken. Das wird kein Problem sein. Ich hab mich nicht zwingen müssen, an die anderen Frauen zu denken. Aber ich wollte nicht an Dich denken, weil Du mir zu wertvoll bist, um zur Selbstbefriedigung benutzt zu werden. Deswegen hab ich Dir ja auch meine Träume geschickt, um Dir zu zeigen, dass ich mir mit Dir ganz andere Dinge vorstelle, als mit den anderen Frauen. Aber wenn Dir der Gedanke unerträglich ist, dass ich mir andere Frauen vorstelle, dann verspreche ich, dass ich in Zukunft auch da nur an Dich denken werde.

Dazu noch eine Frage, die ich schon mal gestellt habe, und die Du nur für Dich beantworten sollst. Denkst Du jedes Mal, wenn Du Dich streichelst an mich? Wenn ja, wäre das Wahnsinn und ich wäre wahnsinnig glücklich. Aber ist das so? Freilich, jetzt, da ich Dir geschrieben habe, woran ich wärhend der Selbstbefriedigung denke, würde mich auch interessieren, woran Du dabei denkst. Aber ich würde das an Deiner Stelle nicht schreiben wollen, nach gestern schon gar nicht mehr, also erwarte ich auch nicht, dass Du es tust.

4. Es ist der Eindruck entstanden, ich würde ständig an Schülerinnen denken. Der ist falsch. Was ich sagen wollte, ist dass jede Schülerin denkbar ist, weil die Person egal ist. Meine Anregungen und Phantasie hole ich mir nicht bei Schülerinnen. Die hole ich mir aus Texten und Videos aus dem Internet oder aus meiner Filmesammlung (es gibt vermutlich nur ganz wenige Männer, die keine Pornos hatten, haben oder haben werden). Und die Frauen sind alle volljährig. Drei Seiten sind es im Internet, die da vor allem interessant sind. Ich glaube nicht, dass Du Dir das ansehen willst. In Deinen Augen muss das furchtbar eklig sein, aber ich kann sie Dir nennen, wenn Du das möchtest. Und ich würde schätzen, dass es zu über 90% diese Frauen sind. an denen ich mich befriedige.

Du fragst „Wie kann ich wollen, dass Du Dir sowas vorstellst, wenn nicht mit mir“. Willst Du denn wirklich, dass ich mir das mit Dir vorstelle? Dann tue ich das.

5. Eine Sache noch, die Du nicht angesprochen hast, aber die ich auch noch schreiben will: Mich erregt der Gedanke an SM, aber ich weiß nicht, ob ich das überhapt in die Realität parktizieren will. Ich glaube, das ist der Grund, warum ich so lange Single war. Ich habe einen SM-Fetisch, aber so will ich die Frauen in der Wirklichkeit nicht behandeln. Das würdigt die Frauen herab, und das kann nur in der Phantasie stattfinden, nie in der Realität. Es sind eben Phantasie und die haben die Eigneschaft, nur wenig mit der Wirklichkeit zu tun zu haben. Ich denke deshalb, war ich so lange solo, weil ich eine Frau gesucht habe, bei der ich diese Phantasie erst gar nicht habe. Und das bist Du.

Ich bin nicht sicher, ob diese Mail Dir hilft. Vielleicht reißt sie eher neue Wunden, als dass sie Dich beruhigt. Wenn das so ist, hasse ich mich jetzt schon dafür.

Was bleibt, und wozu ich nichts sagen und nichts erklären kann, sind die zwei letzten Punkte, die schon seit dem Beginn unserer Beziehung im Raum stehen: es ist verboten und der Altersabstand ist zu groß. Das erste wird sich in drei Jahren von selbst erledigen. Aber der Abstand wird bleiben. Für immer. Wirst du je damit leben können? Ich könnte, aber ich hab es da auch viel leichter. Sollte es bei uns halten, oder sollten wir in drei Jahren wieder zusammen kommen, dann kannst Du durchaus V. fragen, wie sie und H. damit zurecht gekommen sind. Vielleicht hat sie ja tatsächlich einen Rat. Und in drei Jahren wird das auch unverfänglich sein, weil es dann legal ist. Und V. ist nicht die einzige, die sich in einen viel älteren Mann verliebt hat. Vielleicht gibt es noch mehr solche Frauen. Mehr weiß ich da nicht zusagen.

Gerade ist Deine Mail gekommen: Ich will weiter schreiben. Ich hab es die ganze Zeit getan. Es hat nur so lange gedauert. Tut mir leid. Ich dachte nicht, dass Du tatsächlich wartest.

Dein G.“

2. Der Beamte hat im Schuljahr 2010/2011 die damals 18-jährige Schülerin K. W. mittags auf dem Schulhof des Deutschherren-Gymnasiums gefragt, ob sie ihm für die Erstellung einer Statue zur Verfügung stehen wolle. Er gab zuerst vor, dass die Statue im Rahmen eines Lateinprojekts erstellt werden solle, auf spätere Nachfrage der Schülerin gab er jedoch an, dass die Statue in seinem Garten stehen solle. Im Schuljahr 2009/2010 kam der Beamte bei einer Schulfahrt in die Universitätsbibliothek in Augsburg dort auf die Schülerin zu und sagte ihr, es tue ihm leid, dass er sie immer mit offenem Mund anstarre, aber er könne nicht anders.

3. Der Beamte hat der Schülerin M. H. beim Tanzunterricht Komplimente gemacht, sie als Vortänzerin mit sich zusammen ausgewählt und sie während des Tanzens und während der Pausen im Training fotografiert. Sie bemerkte in der folgenden Zeit deutlich, dass sich sein Interesse an ihr steigerte und versuchte infolgedessen Distanz aufzubauen. Trotz ihrer ausdrücklichen Äußerung, dass sie kein Geburtstagsgeschenk von ihm wolle, hat der Beamte in der Nacht zum …2009, ihrem 18. Geburtstag, für sie 18 rote Rosen in den elterlichen Hof gestellt. In dem beiliegenden Brief stand, dass sie eine tolle Person sei und er immer für sie da sein würde. Die Schülerin stellte ihn deswegen zur Rede, worauf er sagte, man könne sich nicht aussuchen, wo die Liebe hinfalle. Zwei Tage später stellte er sie vor die Alternative, einen seitenlangen Brief von ihm zu lesen oder ein klärendes Gespräch mit ihm zu führen, was seitens der Schülerin abgelehnt wurde. Letztlich stellte er ihr in der Tanzgruppe und bis zum Abiturball immer wieder nach. 

4. Der Schülerin K. M. schenkte er am …2011 zum 16. Geburtstag in der Schule eine blaue Rose, der ein Zettel beigefügt war, auf dem unter anderem „…eine besondere Rose für eine besondere Dame. … Es wäre mir recht, wenn Du es nicht an die große Glocke hängen würdest.“ stand.

Die zuletzt genannten Sachverhalte (2. bis 4.) wurden vom Kläger gemäß Art. 21 Abs. 2 Satz 1 BayDG ausgeschieden.

V.

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 17. August 2015 antragsgemäß aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen.

Der Beklagte hat am 8. Oktober 2015 Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 17. August 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Es handele sich bereits nicht um ein innerdienstliches Dienstvergehen, ferner bestehe kein disziplinarrechtlich zu ahndender Überhang und das Verwaltungsgericht verkenne zudem die Intention der Schilderungen des Beklagten. Sein Geständnis im Strafverfahren sei auch im Disziplinarverfahren mildernd zu berücksichtigen. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen ließen den Schluss auf eine verminderte Schuldfähigkeit, wenn nicht auf eine Schuldunfähigkeit zu. Auch die lange Dauer des Disziplinarverfahrens sei mildernd zu berücksichtigen. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass der Beklagte „das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in seinem Amt als Lehrer endgültig verloren“ habe, komme für ihn gleichwohl eine anderweitige Verwendung als ein direkt im Schulbereich tätiger Lehrer, nämlich eine reine Innendiensttätigkeit in der Verwaltung in Betracht. Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis sei gerade auch unter Berücksichtigung seiner existentiellen Betroffenheit unverhältnismäßig.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt im Schriftsatz vom 26. Oktober 2015,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat am 24. Mai 2017 mündlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) verhängt.

Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach Art. 6 BayDG richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.1). Ein Beamter, der sich der Verbreitung pornografischer Schriften in Tateinheit mit vorsätzlicher Köperverletzung gegenüber einer 15-jährigen Schülerin, die ihm aufgrund seines Amtes zur Ausbildung und Erziehung besonders anvertraut ist, strafbar gemacht hat, beeinträchtigt das für die Ausübung seines Berufs erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und sein Ansehen in der Öffentlichkeit auf das Schwerste und macht sich untragbar. In diesem Fall ist die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.2). Die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.3). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.4).

1. Der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts A. vom 2. Juni 2014 zugrunde liegt, steht gemäß Art. 25 Abs. 1, 55, 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Beklagte an die Schülerin A. K. die E-Mail-Anhänge „Phantasie.doc“, „Generalbeichte.doc“ und „Träume von Dir.doc“ versandt, wobei er sich mit der Versendung des E-Mail-Anhangs „Phantasie.doc“ der Verbreitung pornografischer Schriften in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 230 I, 184 Abs. 1 Nr. 1, 52 StGB schuldig gemacht. Fest steht auch, dass der Beklagte mit der Schülerin in der Zeit von Sylvester 2011 bis September 2012 eine rege E-Mail-Korrespondenz - zumeist in den Nachstunden - unterhalten hat. Schlusspunkt dieses Kontakts war die E-Mail mit dem Betreff „Morgen“, die der Beklagte am 10. September 2012 versandte.

Der Einbeziehung der Anhänge „Generalbeichte“ und „Träume von Dir.doc“ in das Disziplinarverfahren steht Art. 15 Abs. 2 BayDG nicht entgegen. Zwar wurde der Beklagte insoweit (in zweiter Instanz) freigesprochen, das Maßnahmeverbot greift aber dann nicht, wenn ein disziplinarrechtlicher Überhang besteht. Ein disziplinarrechtlicher Überhang besteht, wenn ein Tatbestand, ohne eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit darzustellen, ein Dienstvergehen enthält (vgl. BVerwG, B.v. 5.5.2015 - 2 B 32/14 - juris Rn. 7; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: Aug. 2016, Art. 15 Rn. 58 f.). Das ist hier der Fall. Der Beklagte hat durch sein distanzloses Verhalten gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Entsprechend des umfassenden Bildungsauftrags der Schule (Art. 1 und 2 BayEUG) hat ein Lehrer gegenüber den Schülern nicht nur die Pflicht zum Unterricht, sondern auch zur Erziehung unter Beachtung der Elternrechte. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen. Schüler, Eltern, Dienstherr und Öffentlichkeit müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass Übergriffe von Lehrern auf Schüler unterbleiben. Deswegen bedarf er in besonderem Maße des uneingeschränkten Vertrauens sowohl des Dienstherrn als auch der Eltern, die ihre Kinder in die Obhut der Schule geben. Eltern und Öffentlichkeit müssen darauf vertrauen können, dass ein Lehrer seine minderjährigen Schüler nicht in verfängliche Situation bringt, die es als fraglich erscheinen lassen, dass er die psychische und physische Integrität, die Intimsphäre sowie die sexuelle Selbstbestimmung der Schüler in der gebotenen Weise respektiert. Bereits um den Schuldfrieden potentiell beeinträchtigende Sorgen der Eltern zu vermeiden, ist daher jedes Verhalten zu unterlassen, das den berechtigten Verdacht entsprechender Grenzüberschreitungen begründet (vgl. BVerwG, B.v. 1.3.2012 - 2 B 140/11 - juris Rn. 9). Damit besteht ein disziplinarer Überhang in Form der Verletzung der Wohlverhaltenspflicht, hier: sexuelle Grenzüberschreitungen gegenüber einer Schülerin.

Der Beklagte hat den ihm vorgeworfenen Sachverhalt im gerichtlichen Verfahren sowohl vor dem Verwaltungsgericht als auch vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeräumt.

Der Beklagte hat das Dienstvergehen innerdienstlich begangen. Für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung kommt es in erster Linie auf die materielle Dienstbezogenheit an. Entscheidend für die rechtliche Einordnung eines Verhaltens als innerdienstliche Pflichtverletzung ist dessen kausale und logische Einbindung in ein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2001 - 1 D 55.99 - juris Rn. 57, U.v. 19.8.2010 - 2 C 5.10 - juris Rn. 9; U.v. 18.6.2015 - 2 C 9.14 - juris Rn. 10). Diese kausale und logische Einbindung in das Amt des Beklagten als Lehrer ist gegeben. Der Ursachenzusammenhang folgt aus der Stellung des Beklagten gegenüber der Schülerin als ihr Lehrer (vgl. OVG NW, U.v. 30.3.3017 - 3d A 1512/13.O - juris Rn. 91/93; BayVGH, U.v. 13.6.2012 - 16a D 10.1098 - juris Rn. 39).

Der Beklagte hat durch sein Verhalten vorsätzlich und schuldhaft gegen die Pflicht verstoßen, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 223, 230 Abs. 1, 184 Abs. 1 Nr. 1, 52 StGB). Weiter hat er dadurch seine Pflicht zu einem achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verletzt.

2. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG und der dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelung des Disziplinargesetzes des Bundes ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - ZBR 2016, 254 - juris Rn. 12 m.w.N.).

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - ZBR 2016, 254 - juris Rn. 12/13).

2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für seine Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - ZBR 2016, 254 - juris Rn. 16).

Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten nunmehr auf den Strafrahmen zurück und folgt damit der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - ZBR 2016, 254; B.v. 05.7.2016 - 2 B 24/16 - juris Rn. 14).

Vorliegend stellen die dienstpflichtverletzenden Handlungen, welche auch dem Urteil des Landgerichts A. zugrunde lagen, sehr schwere Dienstpflichtverletzungen dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass für die Straftat einer vorsätzlichen Körperverletzung ein Strafrahmen von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe besteht. Damit bewegt sich die Strafandrohung weit über dem mittelschweren Bereich (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2015 - 2 WD 15/14 - juris Rn. 51; U.v. 20.3.2014 - 2 WD 5.13 - juris). Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu fünf Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - juris Rn. 20).

2.2. Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 BayDG führt zur Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).

Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten.

Der Beklagte hat seine Nichteignung für den Lehrerberuf gezeigt. Ein Lehrer ist nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Kinder verpflichtet. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen. Zudem muss der Lehrer in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 19.8.2010 - 2 C 5/10 - juris Rn. 17). Schüler, Eltern, Vorgesetzte und Öffentlichkeit müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass sexuelle Verfehlungen von Lehrern gegenüber Schülern unterbleiben. Die Wahrung der Integrität der Schüler, die Pflicht zur Gewährleistung ihrer behutsamen Entwicklung sowie Anspruch und Vertrauen der Schüler und Eltern darauf, dass Lehrer das Obhut- und Näheverhältnis zu den Schülern nicht zur Verfolgung eigener Bedürfnisse ausnutzen, verpflichten den Lehrer dazu, sich in sexueller Hinsicht uneingeschränkt korrekt - in Wort und Tat - zu verhalten (vgl. BayVGH, U.v. 9.4.2014 - 16a D 12.1439 - juris Rn. 91).

Der Inhalt des Anhangs „Phantasie.doc“ ist mit vorbenanntem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar. Mit dem Versand der auf die Schülerin N. H. bezogenen sadomasochistischen Fantasien hat der Beklagte in erster Linie seine eigenen Bedürfnisse befriedigt, die Erfordernisse seines Berufs, insbesondere das der sexuellen Zurückhaltung, zurücktreten lassen und sich damit als Lehrer und Pädagoge untragbar erwiesen. Bereits die Einleitung „Ich stehe auf Frauen, wenn sie gestiefelt, gefesselt und geknebelt sind, sodass sie sich nicht wehren können, wenn sie gequält und gefickt werden“ ist Ausdruck eines Rollenverständnisses, das im Verhältnis zwischen Lehrer und Schülerin inakzeptabel ist. Hierbei ist nicht entscheidend, ob der Sadomasochismus erwachsener Sexualpartner gesellschaftlich akzeptiert ist oder nicht. Im Verhältnis Lehrer und (minderjähriger) Schülerin sind sexuelle Devianzen jeder Art fehl am Platz. In der Fantasie des Beklagten fixiert er die Schülerin mit den Armen in Handschellen an einem Querbalken an der Decke und mit den Füßen in einer Spreizstange, traktiert sie mit einem „Dildo“ und schlägt sie mit einer Reitpeitsche. Diese Fantasien einer anderen Schülerin mit dem Bemerken zu offenbaren, „Dich zu quälen finde ich das Widerlichste überhaupt. Wenn ich an Dich denke, dann denke ich an Schmusen und Streicheln, an Küssen und Zärtlichkeit. Dich zu fesseln ist schwer vorstellbar. Inzwischen kann ich mir Dich gefesselt vorstellen“ ist eine nicht akzeptable Grenzüberschreitung, zumal auch gegenüber der Schülerin A. K. nicht nur die hehre Liebe, sondern durchaus eine latente Gewaltvorstellung formuliert wird. Insgesamt hat der Beklagte mit der Versendung des Anhangs „Phantasie.doc“ (E-Mail vom 10.9.2012, 1:06 Uhr) in erheblicher Weise in die sittliche und sexuelle Entwicklung eines jungen Menschen eingegriffen, weil die Schülerin wegen ihrer fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig die sexuellen Perversionen mit detaillierten Schilderungen diverser sadomasochistischen Fantasien mit vollkommener Unterwerfung gegenüber dem Beklagten als „Meister“ mit einer ihr namentlich bekannten Mitschülerin gar nicht oder nur sehr schwer verarbeiten konnte. Zum Zeitpunkt des strafrechtlichen Berufungsurteils hatte die Schülerin bereits weit über 65 Therapiestunden absolviert. Ein Ende der Therapie war seinerzeit nicht abzusehen.

Auch der Inhalt des Anhangs „Generalbeichte.doc“ der E-Mail vom 10.9.2012 (0:09 Uhr) wahrt nicht die im Lehrer-Schüler-Verhältnis zwingend erforderliche Distanz. Er stellt vielmehr eine eklatante Überschreitung der durch den pädagogischen Auftrag bestimmten Grenze zwischen Lehrer und Schülerin dar. So bezeichnet sich der Beklagte selbst als Sadist und schildert seine sexuellen sadomasochistischen Vorlieben detailliert und schonungslos, ebenso seinen Wunsch, seine Freundin aus Macht- und Kontrollgelüsten als Sklavin zu behandeln.

Auch der Anhang „Träume von dir.doc“, in der Beklagte der Schülerin A. K. seine Träume über sexuelle Annäherungen zwischen ihnen sowie die Ausübung des Geschlechtsverkehrs schildet („Leicht führt mein bestes Stück über Deinen Hügel. Es ist ein irres Gefühl. Spätestens jetzt steht er wie eine Eins. Die Arme um den anderen geschlungen, versunken in einem tiefen Kuss, kommen wir zusammen. Es geht ganz von selbst. Auf dem Tisch sitzend streckst Du mir Dein Becken entgegen. Ich dringe in dich ein, erst ein wenig, dann immer tiefer…“), lässt ein korrektes Lehrer-Schüler-Verhältnis missen. Auch hier hat der Beklagte in sexueller Hinsicht nicht die gebotene Zurückhaltung gezeigt, die einen Pädagogen als neutrale Instanz auszeichnet. Der Beklagte bekennt offen, dass er die sadistische Ader in sich nie ganz abstellen können wird und er auf junge Mädchen zwischen 13 und 17 steht. Dass er bei den Schilderungen seiner Sexualneigungen und seiner parthenophilen Sexualpräferenz nicht nur die Schülerin A. K., sondern auch andere, ihr bekannte Schülerinnen als Bezugsobjekte verwendet, intensiviert sein distanzloses Verhalten zusätzlich. Hinzu kommt, dass der Beklagte die Trennung der Schülerin von ihren Eltern und das Verlassen des Elternhauses und ein Hinwenden zu ihm thematisiert und so einen Interessenkonflikt schafft, der für einen Pädagogen inakzeptabel ist.

Mit einem korrekten Lehrer-Schüler-Verhältnis unvereinbar ist schließlich auch die E-Mail vom 19. September 2012 mit dem Betreff „Morgen“. Der Beklagte informiert die Schülerin über seine sexuellen Gewohnheiten („Du weißt, dass ich perverse Vorstellungen von Sex habe. Ich bin Fetischist.“) und thematisiert insbesondere Selbstbefriedigung bei sich („mindestens dreimal… am Tag“) und der Schülerin und bietet an, ihr Internetseiten zu sadomasochistischen Praktiken - aus denen er seine Anregungen und Fantasien hole - zu nennen. Zu berücksichtigen war schließlich auch, dass es sich bei dem Dienstvergehen nicht um ein einmaliges Fehlverhalten handelte, sondern der Email-Kontakt mit der Schülerin nahezu ein Jahr andauerte und die Schülerin erhebliche psychische Beeinträchtigungen erlitten hat. Insgesamt ist daher wegen des Versagens im Kernbereich der Dienstpflichten und der groben Verletzung des verfassungsrechtlichen Erziehungsauftrags (Art. 131 Abs. 2 BV) die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens geboten.

2.3 Die in der Rechtsprechung entwickelten sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute. Solche können teilweise zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, es sei denn, es liegen gegenläufige belastende Umstände vor (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 - 2 B 49/15 - juris Rn. 13).

2.3.1 Der Beklagte hat das Dienstvergehen nicht im Zustand einer im Sinne des § 21 StGB erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen, die regelmäßig einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entgegensteht (vgl. BVerwG B.v. 9.2.2016 - 2 B 84.14 - juris Rn. 21; B.v. 4.7.2013 - 2 B 76.12 - juris Rn. 19).

Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie S. hat dem Beklagten unter dem 26. Mai 2014 eine „ängstlich depressive Anpassungsstörung (ICD-10: F43.2) vor dem Hintergrund einer sozialen Konfliktlage“ fachärztlich bestätigt. Das Attest der Therapeutin Dr. D. vom 22. Januar 2014 kommt zu dem Schluss, dass es sich nicht um eine schicksalhafte Erkrankung des Beklagten, sondern um ein Fehlverhalten handele, dessen Folgeschäden nicht beihilfefähig seien. Beide Atteste schildern somit keine Kriterien, die den Schluss auf eine verminderte Schuldfähigkeit, erst recht nicht auf eine Schuldunfähigkeit zulassen. Vielmehr kommen die behandelnden Ärzte übereinstimmend zu dem Schluss, die Therapiebedürftigkeit des Beklagten resultiere ausschließlich aus den Folgen seines Fehlverhaltens. Da kein den Tatzeitraum betreffendes ärztliches Attest oder eine dahingehende Indikation vorgelegt worden ist, war der nicht weiter substantiierten Behauptung einer Persönlichkeitsstörung nicht nachzugehen, zumal der Bevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung einräumte, dieser sei nicht kognitiv beeinträchtigt oder sonst in seiner Einsichtsfähigkeit gehindert gewesen. Umstände, auf Grund derer trotz erhaltener Einsichtsfähigkeit die Fähigkeit des Beklagten, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, beeinträchtigt gewesen könnten, hat der Beklagte nicht angezeigt. Solche Umstände sind auch nicht ersichtlich.

2.3.2 Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer sog. anerkannter Milderungsgründe wie „Handeln in einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat“ bestehen nicht. Die Dauerhaftigkeit der Pflichtverletzungen (E-Mail-Kontakt von Januar bis September 2012) schließt die Annahme einer persönlichkeitsfremden Tat aus. Von einem durch Spontaneität und Kopflosigkeit bestimmten Verhalten als Charakteristika der persönlichkeitsfremden Augenblickstat kann daher nicht ausgegangen werden (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.2016 2 WD 19/15 - juris Rn. 55).

Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - juris Rn. 33) scheidet ebenfalls aus. Das Geständnis im Strafverfahren ist nicht als Milderungsgrund zu werten, da es nicht freiwillig vor drohender Entdeckung, sondern im Rahmen des bereits gegen den Beklagten eingeleiteten Strafverfahrens erfolgt ist (vgl. BayVGH, U.v. 18.3.2015 - 16a D 14.121 - juris Rn. 60).

2.4 Art. 14 Abs. 1 BayDG sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass - über die in der Rechtsprechung entwickelten „anerkannten“ Milderungsgründe hinaus - bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und von dem Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - juris Rn. 37).

Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Klägers und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn die Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände ergibt, dass der Beamte auch künftig seinen Dienstpflichten nicht nachkommen wird oder - wie hier - die Ansehensschädigung nicht wiedergutzumachen ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.6.2006 - 2 C 11.05 - juris Rn. 24).

Wer sexuelle Fantasien, wie sie der Beklagte hat, gegenüber einer minderjährigen Schülerin formuliert, ist als Lehrer untragbar. Gegen den Beklagten spricht, dass er sich nicht nur über seine beamtenrechtlichen Dienstpflichten und jegliche pädagogische Erkenntnisse, sondern auch über die ausdrücklichen Forderungen der Eltern der Schülerin hinwegsetzte, wobei er die Schülerin auch zur Durchsetzung seiner Interessen gegen ihre Eltern aufbrachte und die Fortsetzung der Beziehung verheimlichte. Die der Schülerin übermittelten Fantasien gegenüber N. H. lassen Verständnis für die Menschenwürde einer jungen Frau vermissen. Insbesondere war die detaillierte Schilderung der mit der Schülerin N. H. erträumten Praktiken nicht erforderlich, um über das in dem Dokument „Generalbeichte.doc“ Geschilderte hinaus die Schülerin A. K. über seine sexuellen Vorlieben aufzuklären. Der Beklagte hat - so sein letztes Wort im strafrechtlichen Berufungsverfahren - der Schülerin A. K. zeigen wollen „was für eine besondere Frau sie für mich ist: Dass sie in mir eben keine SM Fantasien weckt, und dass sie damit die erste und einzige Frau ist, bei der mit das so geht“. Dieser Beweggrund entlastet den Beklagten nicht. Warum der Beklagte meinte, die Schülerin umfassend über seine sexuellen Vorlieben informieren zu müssen, kann der Senat nicht so recht nachvollziehen, zumal er den Versand des E-Mail-Anhangs „Phantasie.doc“ mit „ich bezweifle, dass Du das, was jetzt kommt, schön finden wirst“ einleitete. Belastend kommt hinzu, dass der Beklagte sehr wohl wusste, dass sein Verhalten verboten war. So hat der Beklagte beispielsweise in einer E-Mail am 21. Oktober 2012 seiner Schwester geschrieben, dass der Kontakt von Anfang an verboten gewesen sei und er der Schülerin „die Dinge“ nicht hätte schreiben dürfen. Auch in seiner E-Mail „Morgen“ vom 10. September 2012 thematisiert er gegenüber der Schülerin die Möglichkeit, dass er als Lehrer „fliegen könnte“ und er sich bereits nach einer Schreinerlehre erkundigt habe. Dem Beklagten als Lehrer mit einer hohen pädagogischen Verantwortung hätte klar sein müssen, dass er sich bereits mit der vermeintlichen „Liebesbeziehung“ mit der Schülerin A. K. und dem Austausch intimer Vorstellungen und Fantasien („Generalbeichte.doc“, „Träume von Dir.doc“ und E-Mail „Morgen“) für den Lehrerberuf untragbar gemacht hat. In „Generalbeichte.doc“ hat er ihr seine sadistischen Neigungen eingestanden. Eine objektive Notwendigkeit, die Schülerin umfassend an den ausgesprochen detailreichen Gewalt- bzw. Dominanzfantasien gegenüber ihrer Mitschülerin teilnehmen zu lassen, bestand nicht. Der Beklagte führte im Strafverfahren aus, er habe begriffen, dass er die Schülerin im Gegensatz zu allen anderen Frauen nicht habe verletzten wollen bzw. können. Dass Sex in Verbindung mit Gewalt für ihn mit ihr nicht vorstellbar sei. Er habe ihr sagen wollen, dass sie für ihn etwas Besonderes sei, unter allen anderen Frauen herausrage, weil er sie nicht verletzen wolle. Sie gerade damit verletzt zu haben, sei für ihn das Schlimmste an der ganzen Sache. Offensichtlich war es dem Beklagten wichtig, die Schülerin darüber zu informieren, dass er mit ihr keine sadomasochistische Beziehung pflegen möchte. Der Umstand, dass er dies überhaupt thematisiert hat und zudem der Schülerin die drastischen Schilderungen in „Phantasie.doc“ zumutete, zeigen mehr als deutlich, dass der Beklagte als Lehrer vollständig versagt hat und dass ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist.

Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch der Einwand des Beklagten nicht, es könne nicht unberücksichtigt blieben, dass pornografische Schriften in Buchform im Buchhandel vertrieben würden. Es ist für den Senat nicht ansatzweise ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt dieser Umstand einem Vertrauensverlust entgegenstehen sollte. Der freie Verkauf der Romantrilogie „Fifty Shades of Grey“ rechtfertigt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt, dass der Beklagte einer erst 15-jährigen Schülerin mit dem Anhang „Phantasie.doc“ einen pornografischen Text mit detaillierten Schilderungen diverser sadomasochistischer Sexualpraktiken zumutet und damit eine erhebliche Grenzverletzung im Lehrer-Schüler-Verhältnis begeht. Denn es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen fiktiver erotischer, ggf. auch pornografischer Literatur (literarische Hardcore Romantik) und einer personalisierten pornografischen Fantasie, die ein Lehrer hinsichtlich einer seiner Schülerinnen verschriftlicht und einer anderen Schülerin, mit der eine „Liebesbeziehung“ zu haben glaubt, zuleitet, um ihr zeigen, wie sehr er sie angeblich „liebt“.

Die lange Dauer des bereits am 19. November 2012 eingeleiteten Disziplinarverfahrens kann nicht mildernd berücksichtigt werden. Im Disziplinarrecht kann die lange Verfahrensdauer nur unterhalb der Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis berücksichtigt werden. Ergibt die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung aller erschwerenden und mildernden Umstände des Dienstvergehens, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, kann davon nicht abgesehen werden, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Ein Verbleib im Beamtenverhältnis ausschließlich aufgrund einer überlangen Verfahrensdauer lässt sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Integrität des Berufsbeamtentums, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen aus, dass ein Beamter weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn auftreten kann, obwohl er durch ein gravierendes Fehlverhalten untragbar geworden ist. Die Dauer des Disziplinarverfahrens ist nicht geeignet, das von dem Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen (BVerwG, B.v. 10.10.2014 - 2 B 66/14 - juris Rn. 7 m.w.N.).

Eine anderweitige Verwendung des Beklagten - etwa im Bereich der Erwachsenenbildung, verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis - kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht. Wenn - wie hier - das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar ist“ und es dem Dienstherr nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig, ggf. in einer anderen Laufbahn eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden (vgl. VG Hannover, U.v. 9.6.2015 - 18 A 131/14 - juris Rn. 83). Die Prüfung, ob der eines Dienstvergehens schuldige Beamte im Beamtenverhältnis verbleiben darf, hat sich auf sein Amt als Ganzes und nicht nur auf einen begrenzten Tätigkeitsbereich zu beziehen. Das Disziplinargericht kann einer Behörde nicht eine eingeschränkte Verwendung eines disziplinar in Erscheinung getretenen Beamten vorschreiben (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.1996 - 1 D 72/95 - juris 19).

3. Angesichts des von Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt.

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist nicht wegen der damit einhergehenden „existentiellen Betroffenheit“ unverhältnismäßig. Ein Beamter, der das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn zerstört hat, kann nicht verlangen, dass sein Beamtenverhältnis aus Gründen der Vermeidung sozialer Härten unverändert beibehalten wird. Er darf dadurch zwar nicht unter das Existenzminimum fallen. Ihn davor zu bewahren, ist jedoch allein Aufgabe der sozialrechtlichen Vorschriften und Leistungen (vgl. BayVGH, U.v. 7.12.2016 - 16a D 14.1215 - juris Rn. 76 m.w.N.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG, Art. 3 BayDG i.V.m. § 116 Abs. 1 VwGO).

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 223 Körperverletzung


(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 34 Wahrnehmung der Aufgaben, Verhalten und Erscheinungsbild


(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 116


(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 33 Grundpflichten


(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der

Strafgesetzbuch - StGB | § 230 Strafantrag


(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Eins

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Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Tatbestand 1. Der am ... 1942 geborene Beklagte ist gelernter Elektromonteurmeister und war

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 09. Apr. 2014 - 16a D 12.1439

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Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Tatbestand I. Der 1939 geborene Beklagte legte nach dem Besuch von Volksschule und Höh

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Gründe 1 Die Beschwerde hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsge

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(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.

(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

Gründe

1

Die Beschwerde hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Die Beschwerde rechtfertigt zwar nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO; jedoch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

1. Der im Jahre 1968 geborene Beklagte ist beamteter Grundschullehrer (Besoldungsgruppe A 11 ThürBesG) in Diensten des Klägers. Seit 1991 unterrichtete er an einer Grundschule in Erfurt. Im Sommer 2007 führte der Schulleiter der Grundschule mit dem Beklagten ein Gespräch wegen dessen körperliche Nähe zu Schülerinnen herstellenden Verhaltens im Sportunterricht. Im November 2007 wurde gegen den Beklagten ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eingeleitet. Im selben Monat wurde er vom Dienst freigestellt. Mit rechtskräftigem landgerichtlichen Urteil vom November 2009 wurde der Beklagte freigesprochen. In dem im Juli 2008 eingeleiteten und wegen des Strafverfahrens ausgesetzten Disziplinarverfahren wurde im September 2010 Disziplinarklage erhoben. Beide Vorinstanzen haben auf eine Entfernung aus dem Dienst erkannt.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Beklagte ein schwerwiegendes, aus sieben innerdienstlichen Dienstpflichtverletzungen bestehendes einheitliches Dienstvergehen begangen habe, indem er seine beamtenrechtlichen Pflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und zum Wohlverhalten innerhalb des Dienstes verletzt habe. Der Beklagte habe regelmäßig in einer Vielzahl von Fällen während der Unterrichtszeit Kinder zu sich auf den Schoß genommen. Er habe auf privat organisierten Klassenfahrten Grundschülerinnen allein bei sich im Zimmer gehabt, sich mit ihnen auf Klassenfahrt und bei sich zu Hause gemeinsam ins Bett gelegt, mit ihnen gemeinsam Wochenenden in seiner Wohnung verbracht und mit Grundschülerinnen und -schülern ohne hinreichende Sicherstellung der Achtung des Schamgefühls der Kinder spontan einen Saunabesuch durchgeführt. Dabei ging der Senat auf Grund der bindenden Feststellungen des Landgerichts ausdrücklich davon aus, dass den Handlungen, die der Beklagte vorgenommen habe oder habe geschehen lassen, keine strafrechtlich relevante sexuelle Komponente nachzuweisen sei. Die Pflichtwidrigkeit seines Handelns liege darin, dass die nicht sexuell bestimmten Handlungen bei demjenigen, der sie sehe oder davon erfahre, ein sehr großes Unsicherheitsgefühl auslösten, ob der Beklagte jederzeit die verlässliche Gewähr dafür biete, weitere Steigerungen unter gar keinen Umständen aufkommen zu lassen. Bei der Maßnahmebemessung hat das Oberverwaltungsgericht zu Lasten des Beklagten berücksichtigt, dass ihm nach seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung nach wie vor die Einsicht in die Pflichtwidrigkeit seines Tuns fehle.

4

2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

5

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 9). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

6

a) Soweit der Beklagte die Frage aufwirft,

"Darf ein freisprechendes strafgerichtliches Urteil hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen als bindend in ein Disziplinarverfahren eingeführt werden, wenn das disziplinarisch zu ahndende Verhalten vom ursprünglich angeschuldigten strafrechtlichen Verhalten abweicht (disziplinarischer Überhang)?",

ist diese Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.

7

Der sogenannte disziplinare Überhang betrifft hier die Frage, ob trotz eines rechtskräftigen Freispruchs im Straf- oder Bußgeldverfahren noch eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen werden darf oder ob einem solchen Ausspruch die Sperrwirkung des rechtskräftigen Freispruchs entgegensteht. Diese Frage beantworten die Disziplinargesetze (vgl. § 13 Abs. 2 ThürDG, § 14 Abs. 2 BDG). Soweit die Sperrwirkung des rechtskräftigen Freispruchs im Straf- oder Bußgeldverfahren für das Disziplinarverfahren reicht, besteht für dieses ein Prozesshindernis (BVerwG, Urteil vom 9. Mai 1990 - 1 D 54.89 - BVerwGE 86, 279 <281 f.>). Allerdings lassen die Disziplinargesetze den Ausspruch einer Disziplinarmaßnahme dann zu, wenn der Sachverhalt, der Gegenstand des Freispruchs gewesen ist, ein Dienstvergehen darstellt, ohne den Tatbestand einer Straf- oder Bußgeldvorschrift zu erfüllen. Erfüllt also ein bestimmtes Verhalten zwar keinen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand, wohl aber den Tatbestand eines Dienstvergehens, liegt ein disziplinarer Überhang vor und entfaltet der rechtskräftige Freispruch im Straf- oder Bußgeldverfahren keine Sperrwirkung für das Disziplinarverfahren (vgl. BVerwG, Urteile vom 9. Mai 1990 - 1 D 54.89 - BVerwGE 86, 279 <282>, vom 30. Juli 1991 - 2 WD 5.91 - BVerwGE 93, 143 <146>, vom 6. Juni 2000 - 1 D 66.98 - Buchholz 235 § 17 BDO Nr. 1 S. 2 f. und vom 16. März 2004 - 1 D 15.03 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 S. 81).

8

Entfaltet der rechtskräftige Freispruch im Straf- oder Bußgeldverfahren wegen eines disziplinaren Überhangs keine Sperrwirkung für das Disziplinarverfahren, gelten die Regelungen der Disziplinargesetze über die Bindung an tatsächliche Feststellungen in anderen Verfahren und die Lösung von einer solchen Bindung (§ 16 ThürDG, § 57 BDG). Grundsätzlich können auch die Tatsachenfeststellungen in sachgleichen freisprechenden Strafurteilen unter die Bindungswirkung nach den Disziplinargesetzen fallen, wenn und soweit diese auf einer vollständigen Prüfung der Tat- und Schuldfrage beruhen oder wenn das freisprechende Strafurteil darauf beruht, dass - etwa im Falle eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes - Tat und Täterschaft des Beamten feststehen (BVerwG, Urteile vom 21. März 1974 - 1 D 1.74 -, vom 6. Juni 2000 - 1 D 66.98 - Buchholz 235 § 17 BDO Nr. 1 S. 2 f. und vom 16. März 2004 - 1 D 15.03 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 S. 81).

9

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Oberverwaltungsgericht im vorliegenden Fall seiner Entscheidung die nach § 16 ThürDG bindenden Feststellungen des freisprechenden Urteils zugrunde gelegt. Grundsätzlichen Klärungsbedarf hierzu zeigt die Beschwerde nicht auf.

10

b) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,

"Verstößt es gegen Art. 6 EMRK und den Grundsatz der Unschuldsvermutung, wenn kindliche Zeugen im Strafverfahren beeinflusst werden und die von ihnen geschilderten Tatsachen gleichwohl im Disziplinarverfahren als erwiesen eingeführt werden?",

ist nicht entscheidungserheblich.

11

Das Gericht hat im Strafverfahren im Rahmen der Beweisaufnahme den tatsächlichen Geschehensablauf zu erforschen (vgl. § 244 StPO). Dabei hat es ggf. auch Zeugen zu hören und zu prüfen, ob und inwieweit deren Aussagen glaubhaft sind. Das gilt für erwachsene Zeugen und für minderjährige Zeugen gleichermaßen.

12

Im vorliegenden Fall hat das Landgericht unter Zugrundelegung auch der Aussagen der minderjährigen Zeuginnen, soweit es ihnen gefolgt ist, den tatsächlichen Geschehensablauf ermittelt. Dabei hat es die Aussagen der als Zeuginnen vernommenen Schülerinnen im Einzelnen hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts gewürdigt. Bei einem Teil der Aussagen hat es für möglich gehalten, dass sie nicht den tatsächlichen Geschehensablauf wiedergaben, sondern durch nachträgliche Umstände beeinflusst waren. Im Ergebnis hat das Strafgericht hinsichtlich der angeklagten Missbrauchshandlungen eine suggestive Beeinflussung nicht ausschließen können und ist deshalb zum Freispruch gelangt. Damit sind die "kontaminierten" Aussagen der Schülerinnen gerade nicht in die tatsächlichen Feststellungen des Strafurteils eingeflossen und würde sich die aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren nicht stellen.

13

c) Die Frage,

"Ist in Verfahren mit dem Gegenstand des sexuellen Missbrauchs (Strafverfahren) bzw. der Dienstpflicht zu körperlicher Distanz (Disziplinarverfahren) stets ein fachärztliches und psychotherapeutisches Gutachten über den Angeklagten einzuholen, da hinreichende Anhaltspunkte für ein gerichtsbekanntes Krankheitsbild der Pädophilie bestehen (ICD-10 F65.4)?",

ist für sich genommen zu unbestimmt, weil unklar bleibt, zum Beweis welcher Tatsache das Gutachten einzuholen sein soll. Hinreichend bestimmt wird die Frage durch die nachfolgend in der Beschwerde aufgeworfene Verknüpfung:

"Ist in Verfahren, in denen hinreichende Anhaltspunkte für das Krankheitsbild der Pädophilie (F65.4) bestehen, auch ergänzend ein Gutachten über die Schuldfähigkeit bzw. verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten/Beklagten einzuholen?"

14

Soweit sich die Frage auf das Strafverfahren bezieht, bedarf es schon deshalb keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil der Beklagte freigesprochen worden ist, sodass sich im Strafverfahren die Frage nach der Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens von vornherein nicht stellte. Soweit sie sich auf das Disziplinarverfahren bezieht, lässt sie sich nicht in verallgemeinerungsfähiger Form, sondern nur nach den Maßgaben des jeweiligen Einzelfalls beantworten. Denkbar ist deshalb lediglich eine - hier vom Beklagten auch erhobene, vgl. unter 4. - Verfahrensrüge, dass eine im konkreten Fall erforderliche Einholung eines Sachverständigengutachtens unterblieben ist.

15

3. Die Beschwerde ist auch nicht wegen Divergenz zuzulassen.

16

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, § 127 Nr. 1 BRRG setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht oder ein anderes Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge dagegen nicht (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55 und vom 28. Mai 2013 - 7 B 39.12 - juris Rn. 8). Die Entscheidungen müssen dasselbe Gesetz und dieselbe Fassung des Gesetzes zum Gegenstand haben (BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 4 f. m.w.N.).

17

Die Beschwerde bezeichnet keine divergierenden Rechtssätze. Hinsichtlich des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 27. August 2008 (20 LD 5/07 - juris) nimmt die Beschwerde lediglich Formulierungen aus dem Tatbestand dieses Urteils zu einem landgerichtlichen und einem verwaltungsgerichtlichen Urteil auf, bezeichnet aber keine Rechtssätze. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig vom 5. November 1992 (3 L 36/92 - NJW 1993, 952) betrifft die Rechtmäßigkeit einer pädagogischen Maßnahme gegenüber Schülern, die einen Unterrichtsraum verschmutzt hatten und diesen dann zusammen mit dem Lehrer reinigen mussten, und damit einen gänzlich anders gelagerten rechtlichen Kontext.

18

4. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen mit einer Ausnahme (dazu unter 5.) nicht vor.

19

a) Soweit die Beschwerde rügt, im gerichtlichen Disziplinarverfahren sei die Vernehmung der Schülerinnen und Schüler als Zeugen rechtsfehlerhaft unterblieben, zumal diese "offensichtlich" auch im Strafverfahren nicht durch den Beklagten hätten befragt werden können, ist damit ein Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht aufgezeigt. Zum einen stand einer solchen Zeugenbefragung die Bindungswirkung der strafgerichtlichen Feststellungen nach § 16 Abs. 1 ThürDG entgegen. Zum anderen hat der anwaltlich vertretene Beklagte im Berufungsverfahren einen auf die nunmehr vermisste Sachaufklärung gerichteten Beweisantrag nicht gestellt. Das Revisionsverfahren dient nicht dazu, entsprechende Versäumnisse in der Tatsacheninstanz zu korrigieren. Dem Oberverwaltungsgericht musste sich angesichts der Bindungswirkung nach § 16 ThürDG eine Beweisaufnahme auch nicht aufdrängen.

20

b) Das Oberverwaltungsgericht hat nicht den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) oder seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es - wie die Beschwerde anführt - von einer pädophilen Neigung des Beklagten ausgegangen wäre, ohne hierzu ein Sachverständigengutachten einzuholen. Vielmehr ist das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich nicht von einer solchen Neigung ausgegangen.

21

c) Die Rüge des Beklagten, das Oberverwaltungsgericht habe das ihm vorgeworfene Verhalten rechtsfehlerhaft als innerdienstlich qualifiziert, betrifft nicht das Verfahren, sondern die - vermeintlich - unrichtige Anwendung materiellen Rechts im Einzelfall. Das gleiche gilt für seine Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Maßnahmebemessung nicht alle für ihn sprechenden entlastenden Umstände berücksichtigt.

22

d) Mit der Rüge, das behördliche Verfahren leide an dem Mangel, dass die Gleichstellungsbeauftragte vor der Erhebung der Disziplinarklage nicht beteiligt worden sei, kann der Beklagte nicht mehr gehört werden. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 ThürDG hat der Beamte innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Disziplinarklage u.a. wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens zu rügen; eine Rüge in den Rechtsmittelinstanzen ist damit ausgeschlossen.

23

e) Soweit die Beschwerde als Verstoß gegen das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 GG rügt, dass das Oberverwaltungsgericht das Verteidigungsverhalten des Beklagten im Strafverfahren ohne vorherigen Hinweis zu seinem Nachteil ausgelegt habe, ist dies hinsichtlich des Verteidigungsverhaltens im Strafverfahren unbegründet, weil das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil in keiner Weise auf das Verteidigungsverhalten des Beklagten im Strafverfahren rekurriert und es ihm somit auch nicht nachteilig angerechnet hat.

24

5. Die Beschwerde rügt allerdings zu Recht, dass das Oberverwaltungsgericht mit der Berücksichtigung des Verteidigungsverhaltens des Beklagten im Disziplinarverfahren zu seinem Nachteil gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz "nemo tenetur" und gegen das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verstoßen habe. Das Oberverwaltungsgericht hat es versäumt, den Beklagten vor der Verkündung des Berufungsurteils darauf hinzuweisen, dass es die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausschlaggebend auch auf dessen Verteidigungsverhalten im Disziplinarverfahren stützen will.

25

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem Äußerungsrecht keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Jedoch verlangt der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung, dass das Gericht rechtzeitig mitteilt, dass es auf eine Rechtsauffassung abstellen will, mit der die Beteiligten angesichts des Standes von Rechtsprechung und Schrifttum nicht zu rechnen brauchen. Nur durch einen solchen Hinweis erhalten sie Gelegenheit, sich zu dieser Auffassung zu äußern, und damit auf die Entscheidungsfindung des Gerichts einzuwirken (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.>; BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 28 und Beschluss vom 20. November 2012 - 2 B 56.12 - NVwZ 2013, 1093 Rn. 5).

26

Das Oberverwaltungsgericht hat das Verteidigungsverhalten des Beklagten im Disziplinarverfahren nicht als bemessungsneutral behandelt, sondern ausdrücklich zu seinem Nachteil in die Gesamtwürdigung nach § 11 ThürDG einbezogen. Es hat zu Lasten des Beklagten berücksichtigt, dass er offensichtlich nicht erkannt habe, dass er Grenzen überschritten habe. Wie seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zeigten, sei er nach wie vor der Ansicht, dass ihm nichts vorzuwerfen sei. Insbesondere aus dem Inhalt seiner persönlichen Erklärung und der Art und Weise, wie er sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, ergebe sich, dass der Beklagte die ihm vorgeworfenen Handlungen nahezu ausschließlich aus seinem Blickwinkel betrachte und nach seinen Maßstäben bewerte. Es sei nicht im Ansatz zu erkennen gewesen, dass sich der Beklagte um eine objektive Sichtweise bemüht habe, geschweige denn sich selbstkritisch mit seinem Verhalten und dessen Folgen auseinandergesetzt habe. Folglich fehle ihm nach wie vor die Einsicht in die Pflichtwidrigkeit seines Tuns.

27

Diesen Erwägungen zum nachträglichen Umgang des Beamten mit dem von ihm in der Sache nicht bestrittenen Verhalten ist ihre Relevanz für die erforderliche Disziplinarmaßnahme nicht abzusprechen.

28

Gemäß § 11 Abs. 1 ThürDG (vgl. auch § 13 Abs. 1 BDG) wird eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit verhängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 zu § 13 Abs. 1 BDG). Grundsätzlich ist demnach die Schwere des Dienstvergehens richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Davon ausgehend können aber Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 26). Gerade für die Frage, ob auf den Beamten mit pflichtenmahnenden Maßnahmen noch ausreichend eingewirkt werden kann oder ob er für eine weitere Amtsausübung im Beamtenverhältnis untragbar geworden ist, kommt dem Persönlichkeitsbild des Beamten ausschlaggebende Bedeutung zu (BVerwG, Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 8 und vom 11. Februar 2014 - 2 B 37.12 - juris Rn. 21 ff.).

29

Es kann daher zu seinen Gunsten berücksichtigt werden, wenn der Beamte die von ihm eingeräumten Taten nachträglich aufgearbeitet hat und eine erneute Begehung entsprechender Dienstvergehen nicht mehr zu besorgen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 37 zur inneren Einsicht, sich künftig rechtstreu zu verhalten; Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 26 zur freiwilligen Wiedergutmachung).

30

Nicht zulässig ist es dagegen, das Ausbleiben solcher inneren Einsicht und Aufarbeitung der dem Beamten vorgeworfenen Pflichtenverstöße zu seinen Lasten zu würdigen. Zulässiges Prozessverhalten, wozu auch das Bestreiten der Tat selbst und das Negieren oder Relativieren ihres Unrechtsgehalts gehört, darf grundsätzlich nicht zu Lasten des Beamten gewertet werden (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 49 ff.; Beschlüsse vom 20. November 2012 - 2 B 56.12 - NVwZ 2013, 1093 Rn. 8 und vom 10. Dezember 2014 - 2 B 75.14 - ZBR 2015, 131 Rn. 10; hierzu auch Müller, ZBR 2012, 331 <339 ff.>).

31

Die nachteilige Berücksichtigung des Verteidigungsverhaltens des Beklagten im gerichtlichen Verfahren durch das Oberverwaltungsgericht war hier deshalb verfahrensfehlerhaft. Weder im Hinblick auf die dargestellte höchstrichterliche Rechtsprechung noch in Anbetracht des konkreten Prozessverlaufs, in dem das Verteidigungsverhalten bislang nicht für bedeutsam erachtet worden war und im erstinstanzlichen Urteil keine Erwähnung gefunden hatte, bestand für den Beklagten Anlass, von einer maßgeblichen Berücksichtigung dieses Umstandes auszugehen, sodass die Würdigung im Berufungsurteil als "überraschend" gewertet werden muss (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. November 2012 - 2 B 56.12 - NVwZ 2013, 1093 Rn. 4 ff. und vom 12. November 2014 - 2 B 67.14 - ZBR 2015, 92 Rn. 9 ff.).

32

Hätte das Oberverwaltungsgericht einen Hinweis darauf gegeben, wäre der Beklagte in die Lage versetzt worden, seine Einwände gegen eine solche nachteilige Berücksichtigung zulässigen Verteidigungsverhaltens darzulegen. Von dieser Äußerungsmöglichkeit hat er im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ausführlich und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats Gebrauch gemacht. Mit diesen Erwägungen hat sich das Oberverwaltungsgericht bislang nicht auseinandergesetzt, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die angegriffene Entscheidung auf dem unterlassenen Hinweis beruht.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 19. August 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 65 Abs. 1 Hamburgisches Disziplinargesetz - HmbDG - liegt nicht vor.

2

Der Beklagte war als beamteter Lehrer an einer Gesamtschule tätig. Im Mai 2008 wurde gegen ihn durch Strafbefehl eine Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) und Kindern (§ 176 Abs. 1 StGB), wegen des Besitzes kinderpornografischer Schriften (§ 184b Abs. 4 Satz 2 StGB), wegen Nötigung (§ 240 Abs. 1 und 2 StGB) sowie wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB) festgesetzt. Die Vollstreckung wurde zur Bewährung ausgesetzt und der Beklagte erhielt die Weisung, jede Kontaktaufnahme mit fremden Kindern und Jugendlichen zu vermeiden. In dem Strafbefehl wurden ihm insgesamt 18 Straftaten zur Last gelegt. U.a. soll er in seiner Eigenschaft als Lehrer und Fußballtrainer seiner Schule in mehreren Fällen in den Jahren 1997 bis 1998 und 2005 bis 2006 sexuell motivierte Handlungen an Schülern begangen haben.

3

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Jahre 2007 wurde ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten eingeleitet. Er wurde zum ... umgesetzt, wo er bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand zum Ablauf des ... 2009 tätig war. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt; die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat die tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl der Entscheidung im Disziplinarverfahren zugrunde gelegt. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 65 Abs. 1 HmbDG), die ihr die Beschwerde beimisst.

4

1. Die Revision ist nicht zur Klärung der von der Beschwerde in die folgende Formulierung gekleideten Fragen zuzulassen:

"Begeht ein aktiver Beamter ein schweres Dienstvergehen, wird er jedoch nicht suspendiert, keine Gehaltskürzung vorgenommen und in diesem Zusammenhang mit der Wahrnehmung wichtiger anderer Aufgaben betraut, wie etwa der Mitwirkung als Prüfer in einem Staatsexamen, dann indiziert das Dienstvergehen nicht die Höchstmaßnahme auf Grund eines nicht reparablen Vertrauensverlustes, sondern es bedarf einer Einzelfallprüfung, ob gleichwohl die Höchstmaßnahme geboten ist, jedenfalls dann, wenn der Beamte inzwischen auf Grund seiner Schwerbehinderung in den Ruhestand versetzt worden ist."

5

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 > = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 18; Beschluss vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 = Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 173; stRspr). Daran fehlt es hier, weil die aufgeworfenen Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt sind.

6

Zunächst ist es ohne Bedeutung, ob sich der Beamte im Zeitpunkt der Disziplinarmaßnahme noch im aktiven Dienst befindet oder schon - wegen Erreichens der allgemeinen Altersgrenze oder aus anderen Gründen - im Ruhestand ist. Wäre für den noch aktiven Beamten die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten, so tritt an deren Stelle für den Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 HmbDG). Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand die Ausübung der Disziplinarbefugnis nicht beeinträchtigt. Denn auch Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte verfolgen den Zweck, die Integrität des Berufsbeamtentums zu wahren und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen. Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität der Beamtenschaft zu erwarten, wenn ein Ruhestandsbeamter trotz eines erheblichen, während seiner aktiven Dienstzeit begangenen Dienstvergehens, durch das er das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit zerstört hat, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehenen Titel zu führen. Auch gebietet der Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, dass ein Beamter, der nach Begehung einer schwerwiegenden Verfehlung in den Ruhestand tritt, nicht besser gestellt werden darf als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt. Auf diese Weise wird die Disziplinarmaßnahme nicht von dem mehr oder weniger zufälligen oder gar gesteuerten Ausscheiden aus dem aktiven Dienst abhängig gemacht (vgl. Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 - BVerwG 2 B 69.10 - juris Rn. 31 f., vom 26. August 2009 - BVerwG 2 B 66.09 - juris Rn. 9 f. und vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2, Urteile vom 26. Januar 1999 - BVerwG 1 D 34.97 - juris Rn. 16 und vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - RiA 2011, 267 <271 > Rn. 32, jeweils m.w.N. stRspr, bestätigt durch BVerfG, Kammerbeschluss vom 22. November 2001 - 2 BvR 2138/00 - NVwZ 2002, 467).

7

Auch dass im Falle des Beklagten nach Bekanntwerden der Vorwürfe keine vorläufige Dienstenthebung nach § 37 HmbDG und keine Gehaltskürzung nach § 38 HmbDG erfolgt sind, führt nicht zu einer geringeren Schwere des Dienstvergehens. Nach § 11 Abs. 1 HmbDG ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei auf die Schwere des Dienstvergehens sowie auf das gesamte dienstliche und außerdienstliche Verhalten des Beamten abzustellen ist und insbesondere eine Reihe von im Gesetz genannten Umständen zu berücksichtigen sind. Der Umstand, dass ein Beamter nach der Aufdeckung des Dienstvergehens auf einem anderen Dienstposten weiterbeschäftigt worden ist, rechtfertigt keine mildere Disziplinarmaßnahme. Über die Frage seines Verbleibs im Beamtenverhältnis ist nicht von seinem Dienstvorgesetzten, sondern von den Gerichten zu entscheiden. Deren Aufgabe ist es zu beurteilen, ob aufgrund des Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist. Ist das der Fall, so vermag daran auch eine Weiterverwendung auf einem anderen Dienstposten nichts zu ändern (Urteile vom 11. Januar 2007 - BVerwG 1 D 16.05 - juris Rn. 65, vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 26, vom 9. April 2002 - BVerwG 1 D 14.01 -juris Rn. 36, vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 - Buchholz 232 § 70 BBG Nr. 11, vom 26. August 1997 - BVerwG 1 D 68.96 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 13 und vom 22. Mai 1996 - BVerwG 1 D 72.95 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 6; stRspr).

8

2. Soweit das Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen ist, dass außerdem auch als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehen wird, ob bei der Prüfung der Schwere des Dienstvergehens bei bestimmten Handlungen von einer Indizwirkung ausgegangen werden kann und es zur Entkräftung einer solchen Indizwirkung hinreichend gewichtiger entlastender Umstände bedarf oder ob - wie die Beschwerde meint - gleichermaßen alle belastenden und entlastenden Umstände geprüft und bewertet werden müssten und Zweifelsfragen zugunsten des Beamten zu entscheiden seien, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

9

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HmbDG richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen zunächst nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 3 Abs. 1 HmbDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Sie indiziert bei einem Lehrer, der ihm anvertraute Schüler sexuell missbraucht hat (§ 174 Abs. 1 Nr. 1, § 176 Abs. 1 StGB), die Höchstmaßnahme. Ein solches Verhalten stellt bei einem Lehrer ein außerordentlich schweres Versagen im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten dar. Er beeinträchtigt nicht nur das Ansehen des Berufsbeamtentums, sondern zeigt damit in der Regel seine Nichteignung für den Lehrerberuf. Ein Lehrer ist nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Kinder verpflichtet. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen (Urteil vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 17). Schüler, Eltern, Dienstherr und Öffentlichkeit müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass sexuelle Übergriffe von Lehrern auf Schüler unterbleiben. Deshalb ist bei sexuellem Missbrauch von anvertrauten Schülern unter 16 Jahren durch Lehrer gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1, § 176 Abs. 1 StGB die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst indiziert, wenn es in der Gesamtheit an hinreichend gewichtigen entlastenden Gesichtspunkten fehlt (vgl. für den Fall eines außerdienstlich erfolgten sexuellen Missbrauchs eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 -BVerwGE 136, 173 Rn. 18, Beschluss vom 23. Juni 2010 - BVerwG 2 B 44.09 -juris Rn. 5 ff. = IÖD 2010, 189). Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. Urteil vom 25. März 2010 a.a.O. Rn. 20 m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht hat sich bei seiner Entscheidung an diesen Rechtssätzen orientiert. Darüber hinausgehende klärungsbedürftige Fragen von fallübergreifender Bedeutung zeigt die Beschwerde nicht auf. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 76 Abs. 4 Satz 1 HmbDG. Ein Streitwert für das Beschwerdeverfahren muss nicht festgesetzt werden, weil das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist (§ 75 Abs. 1 HmbDG).

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229 werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.

(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die disziplinarrechtliche Ahndung eines von einem Feuerwehrbeamten innerdienstlich begangenen Diebstahls.

2

Der 1962 geborene Beklagte steht als Brandmeister im Dienst der Klägerin und wurde von der Klägerin wegen seiner Ausbildung zum Rettungsassistenten auch im Rettungsdienst eingesetzt. Der Beklagte ist 2003 wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug sowie 2005 wegen Entziehung elektrischer Energie zu Geldstrafen verurteilt worden.

3

Wegen des Vorfalls, der den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte hatte im Jahr 2006 einem stark alkoholisierten und bewusstlosen Patienten während der Fahrt im Rettungswagen einen 50 €-Schein entwendet, um diesen für sich zu behalten. Vom Fahrer des Rettungswagens, der ihn bei der Tat be-obachtet hatte, zur Rede gestellt, schlug der Beklagte zunächst vor, den Geldschein als Trinkgeld in die Gemeinschaftskasse zu geben. Der Fahrer bestand jedoch auf der Rückgabe des Geldes an den Patienten. Bei der Aushändigung des Geldscheins an einen Pfleger des Krankenhauses gab der Beklagte an, der Patient habe das Geld im Rettungswagen verloren. Noch während der Bewährungszeit dieser strafgerichtlichen Verurteilung und des laufenden Disziplinarverfahrens wurde der Beklagte wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt, die auch vollstreckt wurde.

4

Im Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Bei Gesamtwürdigung aller für und gegen den Beklagten sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit unwiederbringlich verloren habe. Mit dem Diebstahl im Rettungswagen habe der Beklagte ein einem Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn gleichzustellendes Dienstvergehen begangen. Das dem Patienten entwendete Geld sei dem Beklagten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich gewesen. Auf den Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sache könne sich der Beklagte nicht berufen, weil durch das Dienstvergehen weitere wichtige Interessen verletzt seien und die konkreten Umstände der Tatbegehung ihn zusätzlich belasteten. Andere anerkannte Milderungsgründe kämen ebenfalls nicht in Betracht. Es habe sich nicht um eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation gehandelt. Die sonstigen Verurteilungen des Beklagten zeigten, dass ihm der Zugriff auf fremdes Vermögen und Eigentum keineswegs persönlichkeitsfremd sei.

6

Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2013 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 2. September 2009 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen,

hilfsweise auf eine unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegende Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, §§ 13, 59, 65 und 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Wertung, der Beklagte sei bei Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch den innerdienstlich begangenen Diebstahl das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 3 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004 (- LDG NW -, GV. NRW S. 624), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW S. 622), endgültig verloren habe, ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 144 Abs. 2 VwGO).

9

Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 LDG NW richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.a). Da der Beklagte die ausweglose Lage des Patienten ausgenutzt hat, ist hier die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.b). Die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.c und d). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.e).

10

1. Nach den gemäß § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich der Beklagte eines Diebstahls schuldig gemacht. Der Beklagte hat dadurch schuldhaft seine Pflichten verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV. NRW S. 234 - LBG NW a.F. -). Er hat gegen die ihm obliegende Dienstpflicht verstoßen, sein Amt uneigennützig nach bestem Wissen zu verwalten (§ 57 Satz 2 LBG NW a.F.). Zugleich hat er die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten vorsätzlich und schuldhaft verletzt (§ 57 Satz 3 LBG NW a.F.).

11

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 10).

12

2. Nach § 13 Abs. 2 LDG NW und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>).

13

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

14

Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

15

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 37). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 <209 f.> und vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).

16

a) Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG NW aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <259>).

17

aa) Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat der Senat zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22, - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 31). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

18

Hiervon ausgehend hat der Senat für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften aus dem von April 2004 bis Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Weist ein Dienstvergehen indes, wie bei einem Lehrer oder einem Polizeibeamten, hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 33; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom 23. Januar 2014 - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

19

bb) Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Auf die bisher in der Praxis des Senats maßgebliche Einstufung eines Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt, für das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung sein soll, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen, kommt es nicht an. Diese Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 f., vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 12 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63. 11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15) gibt der Senat auf.

20

Die Strafgerichte haben den Beklagten wegen des zum Nachteil des bewusstlosen Patienten begangenen besonders schweren Falls des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB bestraft, weil der Beklagte beim Diebstahl die Hilflosigkeit des Patienten ausgenutzt hat. Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB reicht der Strafrahmen von drei Monaten Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

21

b) Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 LDG NW führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Die vom Oberverwaltungsgericht getroffene Entscheidung ist deshalb nicht zu beanstanden.

22

Gemäß § 13 Abs. 1 und 2 LDG NW ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 35). Bei der Ausübung des den Gerichten nach § 13 Abs. 1 LDG NW eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NW), ist jede Schematisierung zu vermeiden (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 36).

23

Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Der Beklagte hat die schutzlose Lage des verletzten und bewusstlosen Opfers, das ihm im Inneren des Rettungswagens ausgeliefert und dessen Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war, zum Diebstahl ausgenutzt. Da eine vollständige Kontrolle der Bediensteten aufgrund der Einsatzumstände ausgeschlossen ist, verlangt die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, deren Schutz Aufgabe der Disziplinarbefugnis ist, gerade im Bereich des Feuerwehr- und Rettungsdienstes, dass sich der Dienstherr und die Öffentlichkeit auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue der dort eingesetzten Beamten unbedingt verlassen können. Die Allgemeinheit muss darauf vertrauen können, dass Beamte im Feuerwehr- und Rettungsdienst das Eigentum sowie die sonstigen Rechte der Opfer achten und schützen und nicht deren Hilflosigkeit und die eigene Zugriffsmöglichkeit zu Eigentumsdelikten ausnutzen.

24

Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 38 f. m.w.N.).

25

c) Der in der Rechtsprechung entwickelte, "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt dem Beklagten nicht zugute.

26

Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit bei etwa 50 € anzusetzen (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - BVerwGE 145, 269 Rn. 82 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 16).

27

Der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache ist hier aber ausgeschlossen, weil der Beklagte durch die konkrete Tatausführung und sein sonstiges Verhalten zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

28

Tragend für diesen Milderungsgrund ist die Erwägung, bei einem Zugriff auf geringere Werte bestünden noch Persönlichkeitselemente, die den betroffenen Beamten noch tragbar und die Fortführung des Beamtenverhältnisses noch möglich erscheinen lassen. Dies ist insbesondere die Annahme, beim Beamten bestehe beim Zugriff auf höhere Werte noch eine Hemmschwelle und beim Zugriff auf lediglich geringwertige Sachen sei sein Unrechtsbewusstsein vermindert (BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318>).

29

Im Streitfall wird das Unrechtsbewusstsein des Beklagten jedoch nicht durch den Wert der entwendeten Sache bestimmt, sondern durch die äußeren Umstände der Tatbegehung. Der Beklagte hat eine Person bestohlen, deren Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war. Er hat den Umstand, dass der geschädigte Patient ihm wegen seiner Verletzung und seiner Bewusstlosigkeit ausgeliefert war, zum Diebstahl ausgenutzt.

30

Zudem liegt hier ein erschwerender Umstand vor, der die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beklagten trotz der objektiven Geringwertigkeit der entwendeten Sache ausschließt (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>). Der Beklagte ist im Vorfeld des Dienstvergehens bereits zweimal wegen Eigentums- und Vermögensdelikten nachteilig in Erscheinung getreten und hat sich diese Verurteilungen nicht zur Warnung dienen lassen. Im November 2010 ist der Beklagte zudem noch wegen eines während seiner Bewährungszeit begangenen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die auch vollstreckt wurde.

31

d) Auch andere in der Rechtsprechung "anerkannte" (klassische) Milderungsgründe, die typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des betroffenen Beamten erfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben, greifen nicht zu Gunsten des Beklagten ein.

32

Die Annahme, das Verhalten des Beklagten stelle sich als unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation dar (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999 - 1 D 31.98 - juris Rn. 19 m.w.N.), ist hier ausgeschlossen. Das Verhalten des Beklagten kann nicht als spontan, kopflos oder unüberlegt bewertet werden. Die Kontrolle der Wertgegenstände eines durch Rettungskräfte versorgten Patienten gehört zu deren Routine. Das Rettungspersonal muss regelmäßig die zu versorgende Person durchsuchen, etwa um die Krankenversicherungskarte zu finden. Auch bei der Rückgabe des Geldes hat der Beklagte durch die Behauptung, das Opfer habe den Geldschein im Rettungswagen verloren, seine Straftat zu verschleiern versucht.

33

Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens oder der Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2001 - 1 D 69.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 25 S. 14 m.w.N.) scheidet ebenfalls aus. Zum einen ist der Beklagte wegen seiner vorangegangenen Eigentums- und Vermögensdelikte nicht unbescholten. Zum anderen erweist sich die Übergabe des gestohlenen 50 €-Scheins an den Pfleger im Krankenhaus allein als Folge der hartnäckigen Vorhaltungen und Ermahnungen des Fahrers des Rettungswagens.

34

Der Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage kommt nicht zur Anwendung, weil der Beklagte den Diebstahl nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht aus Armutsgründen begangen hat. Dieser "anerkannte" Milderungsgrund setzt aber voraus, dass der Beamte Gelder oder Güter zur Minderung oder Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 74).

35

Die Annahme der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist aufgrund der das Revisionsgericht nach § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ausgeschlossen.

36

Schließlich kommt auch der "anerkannte" Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" dem Beklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zugute. Dieser setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind (BVerwG, Urteile vom 18. April 1979 - 1 D 39.78 - BVerwGE 63, 219 <220> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 230.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 36). Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht "vorübergehend aus der Bahn geworfen". Seine Arbeitsleistung war nicht eingeschränkt, er nahm keine Medikamente ein und konnte seine dienstlichen Pflichten im Rettungsdienst uneingeschränkt erfüllen. Nach der eigenen Einschätzung des Beklagten handelte es sich bei dem konkreten Einsatz um einen Routinefall. Auch die Debatte des Beklagten mit dem Fahrer des Rettungswagens, wie mit dem gestohlenen Geld zu verfahren sei, belegt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat mit Bedacht handeln konnte. Auch litt der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat nicht unter einem akuten finanziellen Engpass, den er durch den Diebstahl hätte überwinden können. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht alkoholabhängig und hatte den Dienst auch nicht alkoholisiert angetreten.

37

e) § 13 Abs. 2 LDG NW sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass - über die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe hinaus - bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261 ff.>, vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 14 ff. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 25).

38

Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW).

39

Die Strafgerichte haben die Tat mit einer Freiheitsstrafe geahndet, die sich der Beendigung des Beamtenverhältnisses allein wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung annähert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Feuerwehrbeamte, die zur Brandbekämpfung oder im Rettungsdienst eingesetzt werden, genießen wegen der von ihnen bekämpften Gefahren und Schäden sowie der häufigen Selbstlosigkeit ihres Einsatzes eine besondere Vertrauensstellung. Diese wird durch einen Diebstahl zerstört, bei dem der Beamte die Eigenarten des Einsatzes, hier die alleinige Betreuung des Patienten während der Fahrt zum Krankenhaus, sowie dessen Hilflosigkeit ausnutzt. Die Rückgabe des Geldes beruhte nicht auf der eigenen Einsicht des Beklagten, Unrecht begangen zu haben, sondern auf dem Druck des Kollegen, der den Beklagten beim Diebstahl beobachtet und zur Rückgabe des Geldes gedrängt hatte. Bei der Rückgabe des Geldscheins versuchte der Beklagte noch seine Straftat zu verschleiern. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte für seinen verantwortlichen Dienst als Rettungsassistent voll einsatzfähig. Er war auch in der Lage, seinen Alkoholkonsum zu steuern. Die vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten hat sich der Beklagte nicht zur Warnung gereichen lassen. Die Disziplinarklage mit dem Ziel, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, hat die Klägerin bereits im März 2007 erhoben. Ungeachtet dieser drohenden Folge des Disziplinarverfahrens hat der Beklagte im Juli 2010 einen weiteren Diebstahl begangen. Damit hat er dokumentiert, dass er fremdes Eigentum nicht zu respektieren bereit ist. Als Feuerwehrmann wäre der Beklagte beim Einsatz im Bereich der Brandbekämpfung oder des Rettungsdienstes aber immer wieder mit dem Eigentum Dritter befasst, die sich regelmäßig in einer hilflosen Lage befinden und deshalb den Rettungskräften faktisch ausgeliefert sind.

40

3. Der Senat weist darauf hin, dass der Beklagte durch die Aufgabe der Regeleinstufung bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen (oben Rn. 19) nicht benachteiligt wird. Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wäre die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Richtschnur für die Bemessungsentscheidung gewesen und wäre der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache nicht zur Anwendung gekommen:

41

Der Beklagte hat nicht auf finanzielle Mittel des Dienstherrn, sondern auf Vermögenswerte eines Dritten zugegriffen, die ihm aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich waren. Dieses Dienstvergehen wäre nach der bisherigen gerichtlichen Praxis einem Zugriffsdelikt zum Nachteil des Dienstherrn gleichzustellen gewesen, weil der Beklagte im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt hat (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 16 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15 m.w.N.).

42

Der Umstand, dass der Beklagte durch den Diebstahl auf das Eigentum einer hilflosen Person zugegriffen hat, die zu schützen ihm dienstlich oblag, wäre nach Maßgabe des § 13 LDG NW auch bei der Prüfung des anerkannte Milderungsgrundes der Geringwertigkeit der Sache zu berücksichtigen gewesen. Der Beklagte hat die hilflose Lage einer ihm anvertrauten Person ausgenutzt. Durch diese konkrete Tatausführung wird der Beklagte zusätzlich belastet, so dass der Umstand, dass er nur eine geringwertige Sache gestohlen hat, zurücktritt. Zudem ist der Beklagte mehrfach wegen Eigentums- und Vermögensdelikten verurteilt worden und hat sich diese nicht zur Warnung gereichen lassen (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

43

4. Anlass, die gesetzliche Laufzeit des Unterhaltsbeitrages (§ 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NW) abzuändern, besteht nicht.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie auf einen Verfahrensfehler (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

2

1. Der 1967 geborene, ledige Beklagte steht als Justizvollzugshauptsekretär im Dienst des Klägers. Wegen des Sachverhalts, der den Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Geheimnisverrats (§ 353b StGB) in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 75 Tagessätzen verurteilt. In zwei Fällen hatte der Beklagte einem ihm bekannten Mitglied eines Motorradclubs Informationen über ein in der Justizvollzugsanstalt inhaftiertes Mitglied dieses Motorradclubs, der wegen des Vorwurfs des Mordes an einem Mitglied eines konkurrierenden Motorradclubs vor Gericht stand, übermittelt. Der Beklagte hatte angegeben, auf welche Weise der Transport des inhaftierten Mitglieds zum Strafgericht gesichert und wie dieser Untersuchungshäftling in der Justizvollzugsanstalt untergebracht war. Gegenstand des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist neben dem strafgerichtlich abgeurteilten Geheimnisverrat noch der Umstand, dass sich der Beklagte bereit erklärt hatte, für zwei inhaftierte Mitglieder des Motorradclubs bestimmte Gegenstände in die Justizvollzugsanstalt zu schmuggeln und den Mitgliedern zu übergeben. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3

Der Beklagte habe die ihm obliegenden Dienstpflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten, zur Amtsverschwiegenheit und zum Befolgen der allgemeinen Richtlinien seines Vorgesetzten verletzt. Bei Würdigung sämtlicher zu berücksichtigenden Umstände sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Die schwerste Verfehlung, die strafbare Verletzung der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, wiege so schwer, dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis indiziert sei. Zu den beiden Fällen der unbefugten Offenbarung von Dienstgeheimnissen kämen weitere vorsätzliche Pflichtverletzungen hinzu. Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens fielen nicht derart ins Gewicht, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten sei.

4

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde des Beklagten beimisst.

5

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

6

a) Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst in der Frage,

"ob der Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit als vom Oberverwaltungsgericht angenommene schwerste Verfehlung des Beamten, ohne weitere Wertung insbesondere für die Zukunft für sich allein schon die Annahme zu rechtfertigen vermag, dass einzig die Entfernung aus dem Dienst als schwerste Disziplinarmaßnahme geeignet und angemessen ist, um das Vergehen des Beamten zu ahnden".

7

Die so formulierte Frage vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu rechtfertigen, weil sie sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen würde und deshalb nicht beantwortet werden könnte.

8

Der Frage liegt die Vorstellung zugrunde, das Oberverwaltungsgericht sei davon ausgegangen, der Verstoß des Beklagten gegen die ihm obliegende Pflicht zur Amtsverschwiegenheit als der schwersten Verfehlung vermöge ohne weitere Wertung insbesondere für die Zukunft für sich allein schon die Annahme zu rechtfertigen, einzig seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei als schwerste Disziplinarmaßnahme zur Ahndung des Vergehens des Beamten geeignet und angemessen.

9

Diese Vorstellung entspricht tatsächlich weder der Systematik der Vorschrift des § 13 LDG NW (entspricht § 13 BDG) noch der Vorgehensweise des Oberverwaltungsgerichts im konkreten Fall, das sich an der ständigen Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 S. 3 f.) zum Bedeutungsgehalt der Bestimmung des § 13 LDG NW orientiert hat. Die wörtlich verstandene Fragestellung unterscheidet nicht zwischen der Indizwirkung der Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW und der eigentlichen Bemessung der Disziplinarmaßnahme unter Würdigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls.

10

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist. Dementsprechend hat die Schwere des Dienstvergehens lediglich eine Indizwirkung, sie bestimmt aber nicht "ohne weitere Wertung" die für die Ahndung des Dienstvergehens angemessene Disziplinarmaßnahme.

11

Sollte sich die Frage - entsprechend den einleitenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung - tatsächlich nicht auf die endgültige Bemessung der Disziplinarmaßnahme, sondern lediglich auf die Einstufung der Schwere des Dienstvergehens i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW und der grundsätzlichen Zuordnung zu einer bestimmten Disziplinarmaßnahme als Ausgangspunkt für die weiteren Erwägungen nach Maßgabe des § 13 Abs. 2 und 3 LDG NW beziehen, so könnte sie ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache führen. Denn die so verstandene Frage beträfe die Würdigung des konkreten Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.

12

b) Auch die weitere Frage,

"ob von einer vorsätzlichen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung schon allein dann die Rede sein kann, wenn eine Person, mit welcher der Beamte seit der Kindheit und Jugend persönlich verbunden ist, etwas als persönlichen Gefallen vom Beamten erbittet, die ihrerseits einer kriminellen Vereinigung angehört",

führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Denn auch sie betrifft lediglich die Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls und wirft keine grundsätzliche Rechtsfrage auf.

13

c) Schließlich begründet auch die Frage,

"ob die Erwägungen des Strafgerichts zum Strafmaß - wie vom Oberverwaltungsgericht angenommen - für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme tatsächlich unerheblich sind",

nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung die Rechtsprechung des Senats zur Bedeutung der Bewertung des Dienstvergehens durch die Strafgerichte für die disziplinarrechtliche Würdigung zugrunde gelegt (UA S. 25 f.). Insbesondere geht der Senat unverändert im Grundsatz davon aus, dass Straf- und Disziplinarrecht unterschiedliche Zwecke verfolgen (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Das Strafrecht ist vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über gemeinschaftswidriges Verhalten und strafrechtliche Sanktionen geprägt. Demgegenüber ist es ausschließlich Zweck des Disziplinarverfahrens, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen. Bei einer außerdienstlich begangenen Straftat kann zur Festlegung der Schwere des begangenen Dienstvergehens, die gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW richtungweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, indiziell auf die vom Strafgericht konkret ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteile vom 25. März 2010 - 2 C 83.08 - BVerwGE 136, 173 Rn. 21 und 26 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 37). Ist von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden, kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - BVerwGE 152, 228 Rn. 38).

14

Dies gilt aber nur für außerdienstlich begangene Dienstvergehen, nicht aber für ein innerdienstliches Dienstvergehen, bei dem - wie hier - das pflichtwidrige Verhalten in das Amt des Beamten und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war. Bei diesem hat sich die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW zunächst ebenfalls am gesetzlich bestimmten Strafrahmen auszurichten, um durch die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes an dieser Vorgabe des Gesetzgebers eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen zu gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - NVwZ 2016, 772 Rn. 19). Ein über die bisherige Rechtsprechung des Senats hinausgehender Klärungsbedarf wird in der Beschwerdebegründung nicht entsprechend § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt.

15

Bei einem innerdienstlichen Dienstvergehen, bei dem der Beamte gerade nicht wie jeder andere Bürger, sondern in seiner dienstlichen Pflichtenstellung und damit als Garant einer unparteilichen und gesetzestreuen Verwaltung betroffen ist, kommt dem ausgeurteilten Strafmaß bei der Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme dagegen keine "indizielle" oder "präjudizielle" Bedeutung zu (stRspr, BVerwG, Urteil vom 8. März 2005 - 1 D 15.04 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 24 S. 16).

16

Zu Recht weist die Beschwerde darauf hin, dass bei Straftaten im Amt das Strafgericht das sachnähere Gericht ist, um umfassende Erwägungen zur Strafzumessung zu treffen. Wie dargelegt, dient aber die disziplinarrechtliche Ahndung insbesondere eines innerdienstlichen Dienstvergehens nicht der strafrechtlichen Sanktionierung des Pflichtenverstoßes, sondern der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Für diese muss sich das Disziplinargericht nicht an der - im Streitfall ohnehin nicht unerheblichen - Geldstrafe orientieren, sondern hat in der originär dienstrechtlichen Bemessungsentscheidung in Ausübung der ihm übertragenen Disziplinarbefugnis eigenständig und ohne präjudizielle Bindung an strafrechtliche Bemessungserwägungen zu entscheiden, ob der betroffene Beamte durch das innerdienstlich begangene Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat und deshalb aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist.

17

3. Der vom Beklagten in der Beschwerdebegründung behauptete Verfahrensmangel (§ 67 Satz 1 LDG NW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

18

Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht habe den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es ihm in der mündlichen Verhandlung verschiedene Zeitungsberichte zur öffentlichen Wahrnehmung der Gruppe der "..." zur Kenntnis gebracht habe, ohne deren Relevanz für das Verfahren deutlich zu machen und ohne hierzu Fragen an den Beklagten zu richten. Dies trifft nicht zu.

19

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass ein Verfahrensbeteiligter Einfluss auf den Gang des gerichtlichen Verfahrens und dessen Ausgang nehmen kann. Zu diesem Zweck muss er Gelegenheit erhalten, sich zu allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten zu äußern, die entscheidungserheblich sein können. Zwar korrespondiert mit diesem Äußerungsrecht keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Hinweispflicht des Gerichts. Vielmehr kann regelmäßig erwartet werden, dass die Beteiligten von sich aus erkennen, welche Gesichtspunkte Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens und die abschließende Sachentscheidung des Gerichts erlangen können, und entsprechend vortragen. Das Gericht verstößt aber dann gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es ohne vorherigen Hinweis auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch gewissenhafte und kundige Prozessbeteiligten nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchten (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.> sowie Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 - 1 BvR 980/10 - NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13 m.w.N.).

20

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht auf einen im vorstehenden Sinne überraschenden rechtlichen Gesichtspunkt abgehoben. Die Einordnung des Motorradclubs "..." als eine rechtsfeindliche und gewaltbereite Gruppierung war bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat im Hinblick auf die Schwere des Dienstvergehens des Beklagten ausgeführt, es handele sich bei den "..." um eine Vereinigung, die außerhalb der Gesellschaft und deren Regeln und Gesetze stehe. Immer wieder würden einzelnen Mitgliedern oder ganzen Untergruppierungen Kontakte zur organisierten Kriminalität nachgewiesen, insbesondere hinsichtlich der Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und das Waffengesetz. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht sind dem Beklagten vor der Erörterung der Sach- und Rechtslage Berichte über die Gewaltbereitschaft und die Nähe zur Kriminalität von Mitgliedern des Motorradclubs "..." ausgehändigt worden und ist ihm Gelegenheit zur Kenntnisnahme gegeben worden. Zudem hat der Beklagte in der Berufungsverhandlung eingeräumt, von der langjährigen Mitgliedschaft seines Freundes bei den "..." gewusst zu haben. Angesichts dessen hätte ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter Anlass gehabt, von sich aus auf den Gesichtspunkt der Gefährlichkeit der Gruppierung "..." und ihrer Unterstützung durch den zweifachen Geheimnisverrat des Beklagten nach § 353b StGB, bei dem der Strafrahmen immerhin bis zu einer Freistrafe von fünf Jahren reicht, einzugehen und hierzu umfassend vorzutragen.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NW und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NW erhoben werden.

Tatbestand

1

Der ... geborene Soldat absolvierte die höhere Handelsschule und wurde zum Bankkaufmann ausgebildet. Von ... 1992 bis ... 1993 leistete er Grundwehrdienst. Nachdem er bis ... bei einer Bank gearbeitet hatte, trat er im ... 1994 seinen Dienst in der Bundeswehr erneut an und wurde in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Er durchlief die Unteroffizierlaufbahn bis zum Dienstgrad Oberfeldwebel. Im ... 1999 wurde ihm die Eigenschaft eines Berufssoldaten verliehen. Im ... 2000 wurde er zur Laufbahn der Offiziere des Militärfachlichen Dienstes zugelassen und 2006 zum Oberleutnant befördert. Seine Dienstzeit endet regulär mit dem ... 2027.

2

Nach mehreren Verwendungen wurde der Soldat ab ... 2003 als S1-Offizier Fachdienst bei der ... eingesetzt. Zum ... 2004 wurde er zur ... versetzt; dort nahm er ebenfalls die Funktion als S1-Offizier (Personal) wahr. Hieran schlossen sich zum ... 2010 Versetzungen zum ... und zum ... 2012 zum ... an, wo er im Dezernat "..." als Dezernent eingesetzt ist.

3

Der Soldat wurde zuletzt am ... 2011 regelmäßig beurteilt und im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung mit "5,57" bewertet. In der Beurteilung ist ausgeführt, der Soldat habe als Offizier im ... seinen Platz gefunden. Geistig wach und rege vollziehe er übertragene Aufgaben nicht nur solide, er bringe sich aufgrund vielfältiger Interessen und seines hilfsbereiten Charakters auch stets förderlich ein. Neues nehme er willig und vorbehaltlos auf. Hierbei komme ihm seine klare Lebens- und Berufseinstellung zugute. Einsatzwille, oft unter Zurückstellung persönlicher Belange, Loyalität und die Fähigkeit, sich auf sein Umfeld einstellen zu können, machten ihn zu einem anerkannten und respektierten Mitarbeiter. Er sei psychisch voll belastbar und körperlich fit. Eine Bewährung im Einsatz scheine sicher. Der nächsthöhere Vorgesetzte hat ergänzend ausgeführt, der Soldat habe sich ohne Anlaufschwierigkeit äußerst schnell in den neuen Aufgabenbereich eingearbeitet und deutlich an Profil gewonnen. Mit eigenen Ideen, Engagement, Fleiß, Fingerspitzengefühl, aber auch Hartnäckigkeit halte er einen sehr guten "Klarstand" im sensiblen Bereich der ..., aber auch in der .... Der Soldat ordne sich im Mittelfeld vergleichbarer Offiziere ein und habe sein Potenzial für eine Förderung bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive bewiesen. Später solle eine förderliche Anschlussverwendung auf der Ebene Amt/Kommandobehörde erfolgen.

4

In der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht hat der Leumundszeuge Oberstleutnant K. den Soldaten als wertvollen Mitarbeiter beschrieben, zu dem er uneingeschränktes Vertrauen habe, während der Disziplinarvorgesetzte Oberst a.D. H. den Soldaten als eher unzuverlässigen S1-Offizier charakterisierte.

5

In der von Oberstleutnant K. am ... 2014 erstellten Sonderbeurteilung ist der Soldat im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung mit "6,71" bewertet worden. Im ... hätten dessen Leistungen eine klar aufsteigende Tendenz gezeigt. Der Soldat habe sich in den neuen Aufgabenbereich sehr rasch eingearbeitet, sich den neuen Herausforderungen mit viel Elan gestellt und durch seine unaufgeregte und souveräne Art beeindruckt. Trotz seiner ausgeprägten Eigenständigkeit versäume er es nicht, Vorgesetzte und das außerdienstliche Umfeld zu informieren. Analytischer Scharfsinn, gesunder Menschenverstand, Urteilsfähigkeit sowie Präzision und Verlässlichkeit wurden vom Beurteiler herausgestellt. Der Soldat habe seine hohe Kompetenz kontinuierlich gesteigert. Er sei eine verlässliche Stütze des Dezernats und habe sich als loyaler, hoch motivierter, sehr engagierter und geradliniger Offizier erwiesen. Der Beurteiler hob das Verantwortungsbewusstsein, die zügige, zielstrebige Arbeit, die geistige Flexibilität sowie Können, Wissen und Erfahrungsschatz des Soldaten hervor. Aufgrund seiner fachlichen Kompetenz sei er ein geschätzter Gesprächspartner. Seine Fähigkeit zu konzeptioneller Arbeit sei überdurchschnittlich. Er sei über das Dezernat hinaus hoch geschätzt, bilde sich regelmäßig weiter und sei körperlich wie geistig außerordentlich belastbar. Er werde den Anforderungen im erweiterten Einsatzspektrum der Bundeswehr unzweifelhaft gerecht werden. In der aktuellen Verwendung habe er sein Potenzial für Aufgabenwahrnehmungen oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive unter Beweis gestellt.

6

Der nächste höhere Vorgesetzte führte aus, der Soldat sei äußerst leistungsfähig, hoch belastbar, von scharfem Verstand, kameradschaftlich und angenehm unaufgeregt. Er habe sich in sein Arbeitsumfeld vorbildlich eingebracht und besitze das Potenzial bis in die Ebene A 12. Er gehöre in die leistungsstarke Gruppe der Offiziere des militärfachlichen Dienstes im ... Die weiteren höheren Vorgesetzten teilten die Einschätzung vom Potenzial des Soldaten und würden ihn gerne auf einem A 12-Dienstposten verwenden. Er habe sich trotz der Belastungssituation im täglichen Dienst gefestigt gezeigt.

7

In der Berufungshauptverhandlung hat Oberstleutnant K. im Wesentlichen ausgesagt, er sei mit der Dienstleistung, der fachlichen Expertise und dem Wissen des Soldaten vollkommen zufrieden. Er habe zu ihm weiterhin uneingeschränkt Vertrauen und beurteile ihn nun noch besser als in der Sonderbeurteilung 2014. Der Soldat habe sein Leistungspotenzial bis zum letzten Tag auf gleichem Niveau gehalten und er würde ihm eine Entwicklungsprognose oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive zubilligen.

8

Der Disziplinarbuchauszug des Soldaten verweist auf fünf förmliche Anerkennungen aus den Jahren 1993, 1995, 1999, 2000 und 2002.

9

Der aktuelle Auszug aus dem Zentralregister weist auf die rechtskräftige Verurteilung des Soldaten durch Urteil des Amtsgerichts ... vom 19. Juni 2013 hin. Mit ihm wurde er wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, tateinheitlich mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 80,00 € verurteilt.

10

Der Soldat ist seit Januar 2010 verheiratet, lebt von seiner Ehefrau getrennt und ist kinderlos. Seine Ehefrau hat nach seinen Angaben 2003/2004 einen Suizidversuch unternommen, war danach arbeitsunfähig und wurde zeitweise auch stationär in mehreren Einrichtungen betreut. Von 2009 - 2011 habe sie an einer Umschulungsmaßnahme in ... teilgenommen; eine psychotherapeutische Behandlung sei während dieser Zeit nicht erfolgt.

11

Der Soldat erhält Dienstbezüge von etwa 2728 € netto. Seine finanziellen Verhältnisse sind geordnet. Er bedient einen Kredit, den er zur Begleichung von Verbindlichkeiten aus dem Strafverfahren - Restschuld etwa 1 800/1 900 € - und wegen der Steuerschuld - Restschuld etwa 3 000 € - aufgenommen hat, mit 400 € monatlich.

12

1. Der Amtschef ... hat das gerichtliche Disziplinarverfahren nach Anhörung des Soldaten am 5. Dezember 2012 mit diesem am 29. Januar 2013 ausgehändigter Verfügung vom 24. Januar 2013 eingeleitet. Der Anhörung der Vertrauensperson hatte der Soldat widersprochen. Schlussgehör ist am 24. Oktober 2013 gewährt worden.

13

2. In der dem Soldaten am 10. Dezember 2013 zugestellten Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des ... vom 21. November 2013 wird ihm als vorsätzliches Dienstvergehen zur Last gelegt:

"1. Am 7. Mai 2010 sowie am 6. Mai 2011 reichte der Soldat im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2009 und 2010 beim Finanzamt ... in der Absicht, durch Geltendmachung nicht entstandener Werbungskosten eine höhere Steuerrückerstattung zu erzielen, sieben Kommandierungsverfügungen sowie sieben Bescheinigungen über erhaltene Abfindungen nach dem Bundesreisekostengesetz und der Trennungsgeldverordnung ein, obwohl die Kommandierungen weder beabsichtigt waren, noch durchgeführt wurden, sondern er die von ihm selbst erstellten Kommandierungen seinem damaligen Dienststellenleiter, Oberst H. bzw. am 25. März 2009 in dessen Vertretung dem damaligen Oberstleutnant V., zur Abzeichnung unterschob, daraufhin die Abfindungsbescheinigungen erstellte und mit dem Namen und der Unterschrift nicht existenter Personen der Wehrverwaltung versah, wobei er die Bescheinigungen zu deren Glaubhaftmachung in vier Fällen missbräuchlich mit dem kleinen Dienstsiegel Nr. 3 der ..., zu dessen dienstlichen Gebrauch er als damaliger Personaloffizier der ... ermächtigt worden war, und in drei Fällen mit einem durch ihn hineinkopiertes kleines Dienstsiegel der ... versah, obwohl er wusste, dass nach Nr. 2 (2) der 'Ergänzenden Bestimmungen des Bundesministers der Verteidigung für Dienstsiegel' (BMVg - Org 1, Az.: 11-12, vom 2. Januar 2004, VMBl. 2004, S. 10 f.) Dienstsiegel nur für dienstliche oder im dienstlichen Interesse liegende Zwecke benutzt werden dürfen.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Schriftstücke, eingereicht am 7. Mai 2010 für die Steuererklärung 2009:

a. Kommandierungsverfügung der ... vom 1. Dezember 2008 zu einem Verwendungslehrgang 'Umgang Medien' an der Akademie ... in ... vom 26. Januar bis 20. Februar 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 261,60 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 121,00 EUR, angeblich bescheinigt am 27. Februar 2009 durch einen Regierungshauptsekretär L. unter Nutzung des kleinen Dienstsiegels Nr. 3 der ...;

b. Kommandierungsverfügung der ... vom 19. Januar 2009 zu einem angeblichen Lehrgang ... an der ... vom 2. bis 27. März 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 302,00 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 121,00 EUR, angeblich bescheinigt am 31. März 2009 durch eine Regierungsinspektorin z.A. L. unter Nutzung des kleinen Dienstsiegels Nr. 3 der ...;

c. Kommandierungsverfügung der ... vom 25. März 2009 zu dem angeblichen Lehrgang ... an der ... in ... vom 4. bis 20. Mai 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 263,20 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 76,41 EUR, angeblich bescheinigt am 26. Mai 2009 durch eine Regierungsinspektorin L. unter Nutzung des kleinen Dienstsiegels Nr. 3 der ...;

d. Kommandierungsverfügung der ... vom 29. Mai 2009 zur angeblichen Dienstleistung (Unterstützung und Vertretung S1 Offz) an der ... in ... vom 15. Juni bis 21. August 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 250,40 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 421,30 EUR und Reisebeihilfen für 2 Familienheimfahrten über 500,80 EUR, angeblich bescheinigt am 21. August 2009 durch einen Regierungshauptsekretär L. unter Nutzung eines auf den Vordruck kopierten kleinen Dienstsiegels der ...;

e. Kommandierungsverfügung der ... vom 13. Juli 2009 zu dem angeblichen Lehrgang ... an der ... vom 31. August bis 25. September 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 302,00 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 121,00 EUR, angeblich bescheinigt am 29. September 2009 durch einen Regierungshauptsekretär K. unter Nutzung des kleinen Dienstsiegels Nr. 3 der ...;

f. Kommandierungsverfügung der ... vom 15. Juli 2009 zur angeblichen Dienstleistung (Unterstützung und Vertretung S1 Offz) an der ... in ... vom 5. Oktober bis 27. November 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 250,40 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 121,00 EUR und Reisebeihilfe für eine Familienheimfahrt über 250,40 EUR, angeblich bescheinigt am 27. November 2009 durch einen Regierungshauptsekretär L. unter Nutzung eines auf den Vordruck kopierten kleinen Dienstsiegels der ...;

eingereicht am 6. Mai 2011 für die Steuererklärung 2010:

g. Kommandierungsverfügung der ... vom 16. November 2009 zur angeblichen Dienstleistung (Unterstützung und Vertretung S1 Offz) an der ... in ... vom 18. Januar 2010 bis 2. Juli 2010 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 247,20 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 791,10 EUR und Reisebeihilfen für 11 Familienheimfahrten über 1359,50 EUR, angeblich bescheinigt am 2. Juli 2010 durch eine Regierungsinspektorin S. unter Nutzung eines auf den Vordruck kopierten kleinen Dienstsiegels der ....

2. Darüber hinaus reichte der Soldat im Rahmen seines Lohnsteuerjahresausgleichs am 7. Mai 2010 eine gefälschte Rechnung vom 14. Oktober 2009 sowie am 6. Mai 2011 eine weitere gefälschte Rechnung vom 15. April 2010, beide angeblich ausgestellt durch die Werkstatt Auto ... in ... über Rechnungssummen von jeweils 144,93 EUR, beim zuständigen Finanzamt ... ein, um eine höhere Steuerrückerstattung zu erzielen. Tatsächlich wurden die in den Rechnungen ausgewiesenen Fahrzeuginspektionen nicht durchgeführt und seitens des Unternehmens auch keine entsprechenden Rechnungen ausgestellt.

Wäre der Soldat aufgrund seiner Falschangaben steuerlich veranlagt worden, hätte er die Einkommensteuer für das Jahr 2009 um 3.570,00 EUR und für das Jahr 2010 um 2.845,00 EUR verkürzt."

14

2. Die 4. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat den Soldaten mit Urteil vom 29. Juli 2014 mit im Wesentlichen folgender Begründung aus dem Dienstverhältnis entfernt:

15

Auf der Grundlage der Urkunden und Schriftstücke, der Zeugenaussagen, der Aussage der Sachverständigen K., der weitgehend geständigen Einlassung des Soldaten und der nachfolgend zitierten Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts ... vom 19. Juni 2013 stehe fest:

"Der Angeschuldigte erzielte im Tatzeitraum als Berufssoldat Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und war daher verpflichtet, inhaltlich zutreffende Einkommensteuererklärungen beim zuständigen Finanzamt in ... einzureichen. Für die Veranlagungszeiträume 2009 und 2010 zur Einkommensteuer kam er dieser Pflicht nicht nach. Er reichte für beide Veranlagungszeiträume in Bezug auf die geltend gemachten Werbungskosten unzutreffende Erklärungen ein.

Im Einzelnen:

1.)

Am 7.5.2010 reichte der Angeschuldigte beim Finanzamt ... seine Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2009 ein. Hierin machte er Reisekosten und Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten in Höhe von insgesamt 11.807 € geltend. Die Werbekosten (gemeint: Werbungskosten) belegte er mit vermeintlichen Kommandierungsverfügungen und Inspektionsrechnungen. So gab er an, im Zeitraum vom 26.1.2009 bis zum 20.2.2009 nach ..., im Zeitraum vom 2.3.2009 bis zum 27.3.2009, und vom 31.8.2009 bis zum 25.9.2009 nach ..., im Zeitraum vom 4.5.2009 bis zum 20.5.2009 nach ..., und im Zeitraum vom 15.6.2009 bis zum 21.8.2009 und vom 5.10.2009 bis zum 27.11.2009 nach ... abkommandiert gewesen zu sein. Keine der zum Nachweis der Werbungskosten eingereichten Kommandierungsverfügungen - vermeintlich ausgestellt und unterschrieben von Oberst Dipl.-Ing. H. bzw. Oberstleutnant Dipl.-Ing. V. - entsprach den tatsächlichen Gegebenheiten. Der Angeschuldigte wurde im Jahr 2009 nicht an die oben genannten Dienstorte abkommandiert.

Auch die vorgelegten Inspektionsrechnungen der Werkstatt Auto ... wurden nicht vom vermeintlichen Aussteller ausgestellt und treffen inhaltlich nicht zu.

Das Finanzamt ... erkannte die unrichtigen Angaben des Angeschuldigten zunächst nicht und veranlagte ihn erklärungsgemäß. Es ergab sich eine Einkommensteuer in Höhe von 3.014 €. Tatsächlich hätten die Werbungskosten nicht anerkannt werden dürfen und die Einkommensteuer für das Jahr 2009 wäre auf 6.584 € festzusetzen gewesen. Der Angeschuldigte hat durch seine inhaltlich unzutreffende Steuererklärung - wie von vornherein beabsichtigt - seine Einkommensteuer für das Jahr 2009 mithin um 3.570 € verkürzt.

2.)

Am 6.5.2011 reichte der Angeschuldigte beim Finanzamt ... seine Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2010 ein. Hierin machte er Reisekosten und Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten in Höhe von insgesamt 7.829 € geltend.

Die Werbekosten (gemeint: Werbungskosten) belegte er mit einer vermeintlichen Kommandierungsverfügung und Inspektionsrechnungen. So gab er an, im Zeitraum vom 18.1.2010 bis zum 2.7.2010 nach ... abkommandiert gewesen zu sein. Die zum Nachteil (gemeint: Nachweis) der Werbungskosten eingereichte Kommandierungsverfügung - vermeintlich ausgestellt und unterschrieben von Oberst Dipl.-Ing. H. - entsprach indes nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Der Angeschuldigte wurde im Jahr 2010 nicht nach ..., sondern nur in der Zeit vom 1.3.2010 bis zum 26.3.2010 nach ... abkommandiert. Auch die vorgelegten Inspektionsrechnungen der Werkstatt Auto ... wurden nicht vom vermeintlichen Aussteller ausgestellt und treffen auch inhaltlich nicht zu.

Das Finanzamt ... erkannte jedoch die unrichtigen Angaben des Angeschuldigten und veranlagte ihn zunächst nicht. Wäre er erklärungsgemäß veranlagt worden, hätte sich eine Einkommensteuer für das Jahr 2010 in Höhe von 4.562 € ergeben. Tatsächlich wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2010 nach Einleitung des Strafverfahrens - ohne Berücksichtigung der unzutreffenden Werbungskosten - auf 7.047 € festgesetzt. Der Angeschuldigte hat durch seine inhaltlich unzutreffende Steuererklärung mithin versucht, seine Einkommensteuer für das Jahr 2010 um 2.845 € zu verkürzen."

16

Darüber hinaus habe die Kammer festgestellt, dass der Soldat als Angehöriger der ... vom 1. März 2010 bis 30. Juni 2010 in Erstverwendung als Personaloffizier des Militärfachlichen Dienstes ermächtigt gewesen sei, das kleine Dienstsiegel Nr. 3 der ... zu führen. Um die dienstlichen Abwesenheitszeiten im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen glaubhaft zu machen, habe der Soldat Kommandierungsverfügungen nebst Bescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt erstellt und sie mit frei erfundenen Daten versehen. Hierbei habe es sich im Einzelnen um folgende am 7. Mai 2010 für die Steuererklärung 2009 eingereichte Schriftstücke gehandelt:

"a. Kommandierungsverfügung der ... vom 1. Dezember 2008 zu einem Verwendungslehrgang 'Umgang Medien' an der Akademie ... in ... vom 26. Januar bis 20. Februar 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 261,60 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 121,00 EUR, angeblich bescheinigt am 27. Februar 2009 durch einen Regierungshauptsekretär L. unter Nutzung des kleinen Dienstsiegels Nr. 3 der ...;

b. Kommandierungsverfügung der ... vom 19. Januar 2009 zu einem angeblichen Lehrgang ... an der ... vom 2. bis 27. März 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 302,00 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 121,00 EUR, angeblich bescheinigt am 31. März 2009 durch eine Regierungsinspektorin z.A. L. unter Nutzung des kleinen Dienstsiegels Nr. 3 der ...;

c. Kommandierungsverfügung der ... vom 25. März 2009 zu dem angeblichen Lehrgang ... an der ... in ... vom 4. bis 20. Mai 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 263,20 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 76,41 EUR, angeblich bescheinigt am 26. Mai 2009 durch eine Regierungsinspektorin L. unter Nutzung des kleinen Dienstsiegels Nr. 3 der ...;

d. Kommandierungsverfügung der ... vom 29. Mai 2009 zur angeblichen Dienstleistung (Unterstützung und Vertretung S1 Offz) an der ... in ... vom 15. Juni bis 21. August 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 250,40 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 421,30 EUR und Reisebeihilfen für 2 Familienheimfahrten über 500,80 EUR, angeblich bescheinigt am 21. August 2009 durch einen Regierungshauptsekretär L. unter Nutzung eines auf den Vordruck kopierten kleinen Dienstsiegels der ...;

e. Kommandierungsverfügung der ... vom 13. Juli 2009 zu dem angeblichen Lehrgang ... an der ... vom 31. August bis 25. September 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 302,00 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 121,00 EUR, angeblich bescheinigt am 29. September 2009 durch einen Regierungshauptsekretär K. unter Nutzung des kleinen Dienstsiegels Nr. 3 der ...;

f. Kommandierungsverfügung der ... vom 15. Juli 2009 zur angeblichen Dienstleistung (Unterstützung und Vertretung S 1 Offz) an der ... in ... vom 5. Oktober bis 27. November 2009 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 250,40 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 121,00 EUR und Reisebeihilfe für eine Familienheimfahrt über 250,40 EUR, angeblich bescheinigt am 27. November 2009 durch einen Regierungshauptsekretär L. unter Nutzung eines auf den Vordruck kopierten kleinen Dienstsiegels der ...."

17

Weiterhin habe er am 6. Mai 2011 für die Steuererklärung 2010 die

"g. Kommandierungsverfügung der ... vom 16. November 2009 zur angeblichen Dienstleistung (Unterstützung und Vertretung S1 Offz) an der ... in ... vom 18. Januar 2010 bis 2. Juli 2010 nebst einer 'Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt' über Fahrtkostenerstattung in Höhe von 247,20 EUR sowie Verpflegungszuschuss in Höhe von 791,10 EUR und Reisebeihilfen für 11 Familienheimfahrten über 1359,50 EUR, angeblich bescheinigt am 2. Juli 2010 durch eine Regierungsinspektorin S. unter Nutzung eines auf den Vordruck kopierten kleinen Dienstsiegels der ..."

beim Finanzamt eingereicht.

18

Die Kommandierungsverfügungen habe der Soldat zuvor in Unterschriftsmappen mit einer Vielzahl anderer Dokumente dem Oberst H. bzw. dessen Vertreter, Oberstleutnant V., zur Unterschrift vorgelegt, wobei er darauf vertraut habe, dass ihnen die inhaltlich unrichtigen Kommandierungsverfügungen nicht auffallen würden.

19

Die "Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt" habe der Soldat mit frei erfundenen Beträgen ausgefüllt und den Bescheinigungen vom 27. Februar 2009, 31. März 2009, 26. Mai 2009 und 29. September 2009 zur Bekräftigung eines vermeintlich amtlichen Charakters das ihm in seiner Eigenschaft als S1 Personaloffizier dienstlich anvertraute kleine Dienstsiegel Nr. 3 der ... aufgedrückt. Auf die Bescheinigungen vom 21. August 2009, 27. November 2009 und 2. Juli 2010 habe er unter Nutzung von Siegelabdrucken älterer Dokumente das Dienstsiegel der ... auf die jeweiligen Formblätter eingescannt. Schließlich habe der Soldat an seinem Computer durch Bearbeitung einer Originalrechnung des Autohauses ... zwei gefälschte Rechnungen dieses Autohauses mit Rechnungsdatum vom 14. Oktober 2009 und 15. April 2010 über jeweils 144,93 € erstellt. Soweit der Soldat bestreite, anlässlich der Anfertigung von vier Bescheinigungen das Dienstsiegel benutzt zu haben, sei dies durch die Feststellungen der Sachverständigen widerlegt. Eine Schutzbehauptung sei die Aussage des Soldaten, er habe sich seinerzeit wegen seiner Ehefrau in einer finanziell angespannten Situation befunden.

20

Der Soldat habe durch sein Verhalten in beiden Anschuldigungspunkten gegen die Pflicht verstoßen, treu zu dienen (§ 7 SG) und der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erforderten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2. SG); ferner habe er im Anschuldigungspunkt 2 gegen die Pflicht verstoßen, sich auch außerdienstlich so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtige (§ 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2. SG).

21

Eine Steuerhinterziehung stelle im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden ein schweres Wirtschaftsdelikt dar. In diesen Fällen sei der Ausspruch einer Dienstgradherabsetzung indiziert, wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch sei oder mit dem Fehlverhalten zusätzlich schwerwiegende Straftatbestände oder andere nachteilige Umstände von erheblichem Eigengewicht verbunden seien. Letzteres sei der Fall, weil die Steuerhinterziehung mittels gefälschter dienstlicher Dokumente bewirkt worden sei bzw. habe bewirkt werden sollen. Ferner sei ein schwerwiegender Fall auch deshalb gegeben, weil der Soldat mit außergewöhnlich hoher krimineller Energie gehandelt habe. Besonders erschwerend und letztlich als Schwerpunkt des Dienstvergehens sei zu werten, dass der Soldat das ihm als S1-Personaloffizier anvertraute Dienstsiegel zur Herstellung unechter Urkunden eingesetzt und damit die ihm erteilte Berechtigung missbraucht habe. Eine solche Pflichtwidrigkeit wiege schwer und gebe Anlass, an der Integrität und der Rechtstreue des Soldaten nachhaltig zu zweifeln. Als gleichermaßen schwerwiegender Kernbereichsverstoß sei zu würdigen, dass er als Personaloffizier das ihm von seinen Vorgesetzten entgegengebrachte besondere Vertrauen missbraucht habe. Dies gelte umso mehr, als er über einen längeren Zeitraum vorsätzlich eine Vielzahl von unechten Urkunden unter Missbrauch seiner dienstlichen Stellung hergestellt habe. Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei deshalb die Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

22

Milderungsgründe in der Tat gebe es nicht. Mildernd seien die sehr guten Leistungen als Unteroffizier und die Förmlichen Anerkennungen zu berücksichtigen. Auch sein teilweises Geständnis und seine Nachbewährung rechtfertigten jedoch nicht, von einer Entfernung aus dem Dienstverhältnis abzuweichen. Der Soldat habe als Personaloffizier außergewöhnlich schwerwiegend versagt und sei als Soldat nicht mehr tragbar.

23

3. Gegen das dem Soldaten am 22. August 2014 zugestellte Urteil hat dieser am 18. September 2014 unbeschränkt Berufung einlegen und die Nutzung des ihm anvertrauten Dienstsiegels zur Herstellung unechter Urkunden bestreiten lassen. Ferner sei die vom Truppendienstgericht ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unverhältnismäßig, zumal ein außerdienstliches Verhalten in Rede stehe. In der Berufungshauptverhandlung hat er beantragt, ihn in den Dienstgrad eines Leutnants herabzusetzen, aber nicht mehr an seiner Einlassung festgehalten, er habe vier Bescheinigungen nicht mit dem Dienstsiegel erstellt. Im Übrigen habe er die von seinen Vorgesetzten unterzeichneten Kommandierungsverfügungen beseitigt, nachdem er von ihnen Kopien gefertigt und diese dann später dem Finanzamt vorgelegt habe.

Entscheidungsgründe

24

Die gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

25

Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher im Rahmen der Anschuldigung (1.) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (2.), diese rechtlich zu würdigen (3.) sowie über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (4.).

26

1. Anschuldigungspunkt 2 wirft dem Soldaten nach der eindeutigen Formulierung nur vor, gefälschte Kfz-Rechnungen (vom 14. Oktober 2009 sowie 15. April 2010) beim Finanzamt eingereicht zu haben, von ihnen also zur Täuschung im Rechtsverkehr Gebrauch gemacht zu haben. Die Herstellung der Fälschungen ist nicht angeschuldigt.

27

Ebenso wenig angeschuldigt worden ist eine Verletzung der Kameradschaftspflicht. Selbst bei Einbeziehung der Ausführungen im Ermittlungsergebnis der Anschuldigungsschrift finden sich keine Darlegungen dazu, dass seine (Disziplinar)Vorgesetzten durch sein Verhalten der Gefahr gegen sie gerichteter disziplinarischer Ermittlungen ausgesetzt worden wären (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 2 WD 5.12 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 44 Rn. 29 ff.).

28

Mit angeschuldigt worden ist demgegenüber in einer den Anforderungen an die Bestimmtheit einer Anschuldigungsschrift noch entsprechenden Weise eine Verletzung der Wahrheitspflicht nach § 13 SG. Denn dort wird ihm vorgeworfen, Vorgesetzten Kommandierungsverfügungen zur Unterschrift untergeschoben zu haben. Darin ist der Vorwurf enthalten, durch die Vorlage konkludent die Unterschriftsfähigkeit behauptet zu haben.

29

2. Auf der Grundlage der gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 WDO bindenden Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts... vom 19. Juni 2013, von denen nach § 84 Abs. 1 Satz 2 WDO sich zu lösen für den Senat kein Anlass besteht, des in der Berufungshauptverhandlung nunmehr uneingeschränkten Geständnisses des Soldaten, des Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Ing. (Drucktechnik) Ki., der in die Berufungshauptverhandlung eingeführten streitgegenständlichen Dokumente und der "Ergänzenden Bestimmungen des Bundesministers der Verteidigung für Dienstsiegel" vom 2. Januar 2004 (VMBl. 2004, S. 10 f.) steht zur Überzeugung des Senats fest:

30

a) Der Soldat reichte für die Veranlagungszeiträume 2009 und 2010 für Werbungskosten beim Finanzamt ... wissentlich und willentlich unwahre Erklärungen ein, um rechtswidrig Steuervorteile zu erzielen. Im Einzelnen:

31

aa) Der Soldat reichte am 7. Mai 2010 beim Finanzamt ... seine Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2009 ein, wobei er Reisekosten und Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten in Höhe von insgesamt 11 807 € geltend machte und dies mit sechs von ihm kopierten Kommandierungsverfügungen, sechs "Bescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt" und einer Werkstattrechnung nachzuweisen beabsichtigte. Er behauptete,

(1.) im Zeitraum vom 26. Januar 2009 bis zum 20. Februar 2009 nach ... abkommandiert gewesen zu sein, wobei er zum Nachweis dessen den unter Ziffer 1a der Anschuldigungsschrift bezeichneten (kopierten) Bescheid vom 1. Dezember 2008 - unterschrieben von Oberst H. - sowie eine angeblich vom Regierungshauptsekretär L. erstellte Bescheinigung vom 27. Februar 2009, welche mit dem kleinen Dienstsiegel Nr. 3 der ... versehen war, einreichte;

(2.) im Zeitraum vom 2. März 2009 bis zum 27. März 2009 nach ... abkommandiert gewesen zu sein, wobei er zum Nachweis dessen den unter Ziffer 1b der Anschuldigungsschrift bezeichneten (kopierten) Bescheid vom 19. Januar 2009 - unterschrieben von Oberst H. - sowie eine angeblich von der Regierungsinspektorin z.A. L. erstellte Bescheinigung vom 31. März 2009, welche mit dem kleinen Dienstsiegel Nr. 3 der ... versehen war, einreichte;

(3.) vom 31. August 2009 bis zum 25. September 2009 nach ... abkommandiert gewesen zu sein, wobei er zum Nachweis dessen den unter Ziffer 1e der Anschuldigungsschrift bezeichneten (kopierten) Bescheid vom 13. Juli 2009 - unterschrieben von Oberst H. - sowie eine angeblich von einem Regierungshauptsekretär K. erstellte Bescheinigung vom 29. September 2009, welche mit dem kleinen Dienstsiegel Nr. 3 der ... versehen war, einreichte;

(4.) vom 4. Mai 2009 bis zum 20. Mai 2009 nach ... abkommandiert gewesen zu sein, wobei er zum Nachweis dessen den unter Ziffer 1c der Anschuldigungsschrift bezeichneten (kopierten) Bescheid vom 25. März 2009 - unterschrieben von Oberstleutnant V. - sowie eine angeblich von einer Regierungsinspektorin L. erstellte Bescheinigung vom 26. Mai 2009, welche mit dem kleinen Dienstsiegel Nr. 3 der ... versehen war, einreichte;

(5.) vom 15. Juni 2009 bis zum 21. August 2009 nach ... abkommandiert gewesen zu sein, wobei er zum Nachweis dessen den unter Ziffer 1d der Anschuldigungsschrift bezeichneten (kopierten) Bescheid vom 29. Mai 2009 - unterschrieben von Oberst H. - sowie eine angeblich durch einen Regierungshauptsekretär L. erstellte Bescheinigung vom 21. August 2009, auf welche das kleine Dienstsiegel der ... kopiert war, einreichte;

(6.) vom 5. Oktober 2009 bis zum 27. November 2009 nach ... abkommandiert gewesen zu sein, wobei er zum Nachweis dessen den unter Ziffer 1f der Anschuldigungsschrift bezeichneten (kopierten) Bescheid vom 15. Juli 2009 - unterschrieben von Oberst H. - sowie eine angeblich durch einen Regierungshauptsekretär L. erstellte Bescheinigung von 27. November 2009, auf welche das kleine Dienstsiegel der ... kopiert war, einreichte.

(7.) finanzielle Aufwendungen für Autoreparaturen getätigt zu haben, wobei er zum Nachweis dessen die angeblich von der Firma Werkstatt Auto ... in ... herrührende Rechnung vom 14. Oktober 2009 über 144,93 € vorlegte.

32

Das Finanzamt ... erkannte die Unrichtigkeit der in den Dokumenten getätigten Angaben zunächst nicht, woraus sich für den Soldaten eine Einkommensteuer in Höhe von 3 014 € ergab, obwohl sie ohne Berücksichtigung der unzutreffenden Unterlagen auf 6 584 € festzusetzen gewesen wäre. Der Soldat erhielt dadurch zu Unrecht 3 570 € Einkommensteuer zurückerstattet.

33

bb) Am 6. Mai 2011 reichte der Soldat beim Finanzamt ... seine Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2010 ein und machte Reisekosten und Kosten für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten in Höhe von insgesamt 7 829 € geltend.

34

Er behauptete, vom 18. Januar 2010 bis zum 2. Juli 2010 nach ... abkommandiert gewesen zu sein und legte zum Nachweis dessen den unter Ziffer 1g der Anschuldigungsschrift bezeichneten kopierten Bescheid vom 16. November 2009 - unterschrieben von Oberst H. - sowie eine vermeintlich durch eine Regierungsinspektorin S. erstellte Bescheinigung vom 2. Juli 2010, auf welche das kleine Dienstsiegel der ... kopiert war, vor. Des Weiteren reichte er die angeblich von der Firma Werkstatt Auto ... in ... herrührende Rechnung vom 15. April 2010 über 144,93 € ein.

35

Das Finanzamt ... erkannte die unrichtigen Angaben des Soldaten. Im Falle einer erklärungsgemäßen Veranlagung hätte sich für ihn eine Einkommensteuer in Höhe von 4 562 € ergeben. Tatsächlich wurde sie auf 7 047 € festgesetzt, so dass die Einkommensteuer um 2 485 € verkürzt worden wäre, wenn die Täuschung des Soldaten unerkannt geblieben wäre.

36

b) Der Soldat hat die zuvor bezeichneten Kommandierungsverfügungen und "Bescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt" wissentlich und willentlich hergestellt. Hierzu legte er die von ihm mit inhaltlich unzutreffenden Angaben versehenen Kommandierungsverfügungen dem Oberst H. bzw. im Vertretungsfalle am 25. März 2009 dem Oberstleutnant V. zugleich mit mehreren anderen Dokumenten zur Unterschrift in der Absicht vor, sie würden von ihnen unbesehen unterschrieben, was die Vorgesetzten auch taten. Die Kommandierungsverfügungen kopierte der Soldat nach seiner Einlassung in der Berufungshauptverhandlung dann, um sie dem Finanzamt vorzulegen.

37

Außerdem versah er "Bescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt" mit dem Namen und der Unterschrift nicht existenter Personen der Wehrverwaltung, wobei er auf die Bescheinigungen vom 27. Februar 2009, 31. März 2009, 26. Mai 2009 und 29. September 2009 zu deren Glaubhaftmachung das kleine Dienstsiegel Nr. 3 der ... anbrachte und in die übrigen Bescheinigungen das kleine Dienstsiegel der ... hineinkopierte.

38

Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung gestanden, die vier Bescheinigungen mit dem Dienstsiegel Nr. 3 der ... versehen zu haben. Der Inhalt des Geständnisses stimmt zudem mit der Feststellung der Sachverständigen überein, auf den Bescheinigungen 27. Februar 2009, 31. März 2009, 26. Mai 2009 und 29. September 2009 befinde sich der Originalabdruck des Dienstsiegels Nr. 3 der ..., so dass an der Richtigkeit dieser Feststellung kein vernünftiger Zweifel besteht.

39

Der Soldat war seinerzeit als Personaloffizier der ... unstreitig befugt, das Dienstsiegel Nr. 3 der ... zu führen, und er wusste auch, dass er es nach Nr. 2 (2) der "Ergänzenden Bestimmungen des Bundesministers der Verteidigung für Dienstsiegel" (BMVg - Org 1, Az.: 11-12, vom 2. Januar 2004, VMBl. 2004, S. 10 f.) nur für dienstliche oder im dienstlichen Interesse liegende Zwecke benutzen durfte. Darüber hinaus wusste er nach seinen eigenen Angaben auch, dass die von ihm selbst durch Einfügung neuer Datumsangaben verfälschten Rechnungen der Firma Werkstatt Auto ... nicht von dieser Firma erstellt wurden und er die fraglichen Aufwendungen tatsächlich nicht getätigt hatte.

40

3. Der Soldat hat durchgehend willentlich und wissentlich, mithin bei allen Handlungen vorsätzlich nach § 23 Abs. 1 SG ein Dienstvergehen begangen.

41

a) Durch das vorsätzliche Herstellen von sieben unwahren dienstlichen Bescheinigungen zur Vorlage beim Finanzamt hat der Soldat sowohl mehrfach gegen § 7 SG als auch gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen.

42

§ 7 SG verpflichtet zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung, insbesondere zur Wahrung der Strafgesetze (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - BVerwGE 145, 269 Rn. 49). Dabei muss es sich um einen Rechtsverstoß von Gewicht handeln, der zudem in einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Ein Verstoß von Gewicht liegt vor, da der Soldat - wie auch vom Amtsgericht festgestellt - den Straftatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Alt. 3 und 4 StGB verwirklicht hat. Das Verhalten weist auch einen dienstlichen Bezug auf, weil es sich um Dokumente handelte, die auszustellen ausschließlich der Dienstherr des Soldaten befugt war.

43

Des Weiteren hat der Soldat dadurch gegen § 7 SG verstoßen, dass er bei vier Bescheinigungen das Dienstsiegel Nr. 3 der ZMK entgegen den "Ergänzenden Bestimmungen des Bundesministers der Verteidigung für Dienstsiegel" vom 2. Januar 2004 eingesetzt hat, um ihren dienstlichen Charakter zu verstärken. § 7 SG verlangt vom Soldaten, dienstliche Anweisungen auch dann zu befolgen, bei denen es sich - wie vorliegend - nicht um Befehle im Sinne des § 11 SG handelt (Scherer/Alff/Poretschkin, Soldatengesetz, 9. Aufl. 2013, § 7 Rn. 16). Ein Befehl lag nicht vor, weil die Ergänzenden Bestimmungen nicht durch einen militärischen Vorgesetzten oder durch den Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (Art. 65a GG) oder im Verhinderungsfall durch dessen Vertreter im Amt erlassen worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2007 - 2 WD 27.06 - BVerwGE 129, 181 Rn. 45 m.w.N.).

44

Mit dem Verstoß gegen § 7 ging zugleich ein Verstoß gegen die innerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG einher.

45

b) Durch die Vorlage unwahrer Kommandierungsverfügungen an Vorgesetzte in der Absicht, in Kenntnis des ihm als S1 Offizier entgegengebrachten Vertrauens deren Unterschrift zu erschleichen, hat der Soldat ebenfalls gegen § 7 SG verstoßen.

46

Diese Pflicht kann nicht nur durch Nicht-, sondern ebenso durch Schlechterfüllung verletzt werden. Der Soldat ist verpflichtet, den Dienst auch dort nach besten Kräften zu erfüllen, wo kein Befehl das Verhalten regelt. Dies entband den Soldaten nicht von seiner Verpflichtung, seinen Vorgesetzten bei der Entscheidungsfindung gewissenhaft zu beraten und insbesondere nicht vorsätzlich zu einer wahrheitswidrigen Erklärung zu veranlassen. Auch in diesem mitwirkenden Bereich ist vom Soldaten eine gewissenhafte Diensterfüllung zu erwarten (BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 2 WD 13.09 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 54 Rn. 33).

47

Einher geht damit ein Verstoß gegen § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, weil die Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten massiv in Frage gestellt wird, wenn er von ihm selbst wahrheitswidrig erstellte dienstliche Dokumente Vorgesetzten in der Absicht vorlegt, deren Unterschrift zu erschleichen.

48

Zugleich hat der Soldat damit auch gegen die Pflicht nach § 13 Abs. 1 SG verstoßen, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen. Zwar kann die Wahrheitspflicht grundsätzlich nicht durch Unterlassen verletzt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2012 - 2 WD 40.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 34 Rn. 41). Mit der Vorlage von ihm zuvor gesichteter Dokumente hat er aber konkludent erklärt, es handele sich um dienstlich veranlasste Kommandierungen, die er zur Unterschrift vorbereitet habe. § 13 SG lässt sich auch keine Beschränkung auf bestimmte Mitteilungsformen entnehmen; insbesondere der Begriff, der Soldat müsse die Wahrheit "sagen", ist nicht im Sinne einer bestimmten Verbalisierung, sondern im Sinne einer Mitteilung zu verstehen, die auch nonverbal in sonstiger Weise erfolgen kann (zur elektronischen Kommunikation: BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 - 2 WD 1.12 - juris Rn. 69).

49

c) Durch die mit dem Einreichen der Kommandierungsverfügungen, der Bescheinigungen und der Kfz-Rechnungen beim Finanzamt hinsichtlich der Einkommensteuer 2010 versuchte und hinsichtlich der Einkommensteuer 2009 vollendete Steuerhinterziehung hat der Soldat gegen die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach § 17 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 SG verstoßen.

50

Der Einsatz dienstlichen Materials zur Begehung einer Straftat außer Dienst und außerhalb dienstlicher Anlagen eröffnet den Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2 Satz 1 SG noch nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 50).

51

Eine "ernsthafte" Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens, die die dienstliche Stellung des Soldaten erfordert, liegt vor. Der Soldat hat - wie auch vom Amtsgericht festgestellt - den Straftatbestand einer Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) in einem gemäß § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO besonders schweren Fall begangen, so dass eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren den Strafrahmen bildet. Damit bewegt sich die Strafandrohung weit über dem mittelschweren Bereich, von dem ab außerdienstliches strafrechtlich relevantes Handeln nach der Rechtsprechung des Senats disziplinarwürdig wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - Buchholz 449 § 17 SG Nr. 44 Rn. 63). Dem steht hinsichtlich der Einkommensteuerverkürzung 2010 nicht entgegen, dass sie im Versuchsstadium stecken blieb (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - juris Rn. 60), zumal auch der Versuch nach § 370 Abs. 2 AO strafbar ist.

52

4. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

53

a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen sehr schwer.

54

aa) Die Verstöße gegen § 7 SG, gegen 13 Abs. 1 SG und § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 SG betreffen zentrale soldatische Pflichten.

55

Die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) gehört zu den grundlegenden Pflichten eines Soldaten. Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung (BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 WD 14.13 - juris Rn. 19).

56

Auch die nach § 17 Abs. 2 SG bestehende inner- wie außerdienstliche Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2012 - 2 WD 40.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 34 Rn. 24 m.w.N.).

57

Hinzu tritt, dass ein Soldat, der gegenüber Vorgesetzten in dienstlichen Angelegenheiten unter Verstoß gegen § 13 Abs. 1 SG unwahre Erklärungen abgibt, hierdurch allgemein seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Die Bedeutung der Wahrheitspflicht kommt schon darin zum Ausdruck, dass diese - anders als z.B. bei Beamten - für Soldaten gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im Einsatzfall gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden. Wer als Soldat in dienstlichen Angelegenheiten vorsätzlich unrichtige Angaben macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Bereitschaft zur Erfüllung der Wahrheitspflicht nicht im gebotenen Umfang vorhanden ist. Eine solche Dienstpflichtverletzung und die daraus folgende Beschädigung seiner persönlichen Integrität haben damit erhebliche Bedeutung für die militärische Verwendungsfähigkeit des Soldaten (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2012 - 2 WD 40.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 34 Rn. 23 m.w.N.).

58

bb) Weitere erschwerende Tatumstände liegen vor.

59

Die Pflichtverstöße waren überwiegend strafrechtlich relevant und wurden unter dem Gesichtspunkt der Urkundenfälschung und der Steuerhinterziehung auch tatsächlich strafrechtlich geahndet. Soweit sie innerdienstlichen Bezug aufweisen, sind sie vor allem dadurch gekennzeichnet, dass der Soldat unechte Urkunden hergestellt hat, die einen dienstlichen Charakter erweckten. Darüber hinaus hat er Vorgesetzte getäuscht, welche ihm gerade wegen seiner Funktion als Personaloffizier besonders vertraut haben. Zudem hat er die Vertrauensposition missbraucht, die mit der Berechtigung zum Führen des Dienstsiegels einhergeht. Sowohl die Täuschungshandlungen als auch das Herstellen vermeintlich dienstlicher Urkunden erfolgten zudem nicht vereinzelt, sondern zahlreich. Der Soldat hat insoweit eingeräumt, auf die Fälschung der Dokumente jedenfalls etwa zwei Stunden verwandt zu haben. Die auf die Steuerhinterziehung gerichteten Handlungen erfolgten ebenfalls wiederholt, wobei der Soldat auch nach Abgabe der Steuererklärung für 2009 ein Jahr später erneut zu strafrechtlich relevantem Handeln ansetzte.

60

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch bestimmt, dass der frühere Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Oberleutnant in einem exponierten Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - Rn. 37 m.w.N.).

61

b) Soweit es die Auswirkungen des Dienstvergehens betrifft, wirkt zu Lasten des Soldaten die Höhe des auf Seiten des Bundes für das Veranlagungsjahr 2009 eingetretenen und für das Veranlagungsjahr 2010 drohenden Schadens. Der bei ihm eingetretene bzw. ihm drohende Schaden belief sich auf insgesamt 6 055 € und war damit nicht geringfügig, selbst wenn der Senat berücksichtigt, dass nur ein Teil der Steuereinnahmen dem Bund zusteht.

62

c) Die Beweggründe des Soldaten waren eigennützig. Es ging ihm darum, rechtswidrig eine höhere Steuerrückerstattung zu erlangen und sich so auf Kosten des Bundes, seines Dienstherrn, zu bereichern.

63

d) Das Maß der Schuld des voll schuldfähigen Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat.

64

Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die seine Schuld mindern könnten, bestehen nicht. Sie wären nur dann gegeben, wenn die Situation, in der der Soldat versagt hat, von so außergewöhnlichen Besonderheiten gekennzeichnet gewesen wäre, dass von ihm ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher auch nicht hätte vorausgesetzt werden können (BVerwG, Urteil vom 23. September 2008 - 2 WD 18.07 - Rn. 59 m.w.N.).

65

Zur Überzeugung des Senats steht insbesondere fest, dass der Soldat nicht gehandelt hat, um einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage zu begegnen, die auf andere Weise nicht zu beheben gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2011 - 2 WD 10.10 - juris Rn. 33 m.w.N.). Der Soldat hat auch in der Berufungshauptverhandlung nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihn die Benzinkosten für die Fahrten zu seiner wegen einer Umschulungsmaßnahme etwa 100 km entfernt in ... wohnhaften Ehefrau in eine wirtschaftliche Notlage gebracht haben. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass eine wirtschaftliche Notlage unverschuldet entstanden oder ihre Behebung mit von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Mitteln aussichtslos erschienen wäre, wogegen bereits seine gegenwärtig geordneten finanziellen Verhältnisse sprechen. Der vom Soldaten in der Berufungshauptverhandlung angeführte Suizidversuch seiner Ehefrau lag zum Zeitpunkt der Taten ebenso wie die stationäre Unterbringung seiner Ehefrau bereits mehrere Jahre zurück. Dass sich aus der fortdauernden psychotherapeutischen Betreuung seiner Ehefrau und seinen Fahrtkosten zum Zeitpunkt der Taten Kosten ergeben hätten, die unter Nutzung auch der Überziehungsmöglichkeit des Kontos nicht zu decken waren, hat der Soldat nicht dargetan. Eine finanzielle Belastung, die mit einem die Höhe eines Monatsgehalts abdeckenden Dispositionskredit noch aufgefangen werden kann, begründet jedoch keine wirtschaftliche Notlage für einen Soldaten, der zum Zeitpunkt der Taten über Nettodienstbezüge von etwa 2 600 € verfügte; dies gilt auch, wenn ihnen regelmäßige Belastungen in Höhe von 600 - 800 € für die Miete, 130 € für die Bedienung eines (Kfz-)Kredits und 150 - 200 € Taschengeld für seine Frau gegenüber standen. Dass die Bank eine Umschuldung abgelehnt haben soll, ändert daran nichts, weil sie ihm jedenfalls nicht die Inanspruchnahme des Dispositionskredits verwehrt hat.

66

Der klassische Milderungsgrund einer unzureichenden Dienstaufsicht liegt ebenfalls nicht vor, weil der Soldat keines hilfreichen Eingreifens der Dienstaufsicht bedurfte, um zu erkennen, dass er als Personaloffizier verpflichtet ist, seinen Disziplinarvorgesetzten nur solche Kommandierungsverfügungen ohne weitere Hinweise zur Unterzeichnung vorzulegen, an deren Richtigkeit er keine Zweifel hat, und dass er dienstliche Dokumente und Siegel nicht zur Begehung von Straftaten nutzen darf. Dieser Milderungsgrund steht einem Soldaten nur dann zur Seite, wenn er der Dienstaufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich macht (BVerwG, Urteil vom 11. Juni 2015 - 2 WD 12.14 - juris Rn. 48).

67

e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen für den Soldaten die ihm attestierten Leistungen, die bis 2011 mit „5,57“ allerdings nur durchschnittlich waren. Mit - allerdings wegen des längeren Zurückliegens - noch geringerem Gewicht sprechen die Förmlichen Anerkennungen und die Leistungen in der Unteroffizierlaufbahn für den Soldaten.

68

Für den Soldaten spricht, dass nach 2011 eine Leistungssteigerung eintrat und der Soldat sich seitdem tadelfrei geführt hat, sodass der Senat ihm eine Nachbewährung mildernd zugutehält (BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 WD 10.12 - juris Rn. 48). Die vom Dezember 2014 datierende Sonderbeurteilung bestätigt ihm im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "6,71" und die dort prognostizierte aufsteigende Tendenz hat sich nach Aussage des als Beauftragtem des Disziplinarvorgesetzten vernommenen Oberstleutnant K. in der Berufungshauptverhandlung sodann auch bestätigt. Der Leumundszeuge hat dem Soldaten weiterhin eine Entwicklungsprognose sogar oberhalb der allgemeinen Laufbahnperspektive bescheinigt.

69

Dass der Soldat vorher seinen Dienst untadelhaft versehen hat und straf- sowie disziplinarrechtlich nicht vorbelastet war, ist kein für ihn sprechender Umstand von Gewicht, weil er hiermit nur die Mindesterwartungen des Dienstherrn pflichtgemäß erfüllt (BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 2 WD 23.13 - juris Rn. 58).

70

Zugunsten des Soldaten wiegt, dass er Unrechtseinsicht und Reue bekundet hat sowie in der Berufungshauptverhandlung nunmehr auch hinsichtlich der Verwendung des Dienstsiegels geständig war.

71

f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch einer - gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 63 Abs. 1 WDO zulässigen - Entfernung aus dem Dienstverhältnis erforderlich und angemessen.

72

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in ständiger Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35).

73

aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

74

Fügt ein Staatsdiener dem Staat durch eine schwere Wirtschaftsstraftat, insbesondere eine Steuerhinterziehung, einen besonders hohen Schaden zu, ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen grundsätzlich die Dienstgradherabsetzung. Eine Steuerhinterziehung stellt im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden ein schweres Wirtschaftsdelikt dar. Es handelt sich aus disziplinarischer Sicht nicht um ein "Kavaliersdelikt", sondern um eine regelmäßig schwerwiegende Verfehlung. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Bedienstete durch strafbares Verhalten unter Schädigung des Staates - und damit wie vorliegend des eigenen Dienstherrn - persönlich unberechtigt Steuervorteile verschafft, obwohl er öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat und durch Steuermittel alimentiert wird. In Fällen der Steuerhinterziehung durch Bedienstete ist demzufolge der Ausspruch einer Dienstgradherabsetzung indiziert, wenn der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch ist - sich im fünf- oder sechsstelligen Betragsbereich bewegt - oder wenn mit dem Fehlverhalten zusätzliche schwerwiegende Straftatbestände oder andere nachteilige Umstände von erheblichem Eigengewicht verbunden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2012 - 2 WD 40.10 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 34 Rn. 37).

75

Vorliegend bewegt sich der Schaden bzw. die Gefahr eines Schadenseintritts aus der Steuerhinterziehung des Soldaten zwar noch im vierstelligen Bereich; es treten jedoch zusätzliche schwerwiegende Straftatbestände und andere nachteilige Umstände von erheblichem Eigengewicht hinzu, die die Herabsetzung im Dienstgrad zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen werden lassen. Der Soldat hat sich nämlich nicht darauf beschränkt, seinen Dienstherrn zu schädigen, sondern dies mit unwahren Dokumenten erreicht bzw. zu erreichen versucht, die von ihm zum Teil strafrechtlich relevant im Rahmen einer mehrfachen Urkundenfälschung hergestellt worden sind.

76

bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht hinsichtlich des Disziplinarmaßes einen Spielraum eröffnet (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 WD 11.14 - juris Rn. 52 m.w.N.). Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist eine Abweichung vom Ausgangspunkt der Zumessungserwägung nach "oben" und damit der Übergang zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis geboten.

77

Den Übergang zu der schwersten Disziplinarmaßnahmeart verlangt zum einen, dass der Soldat das ihm in seiner Eigenschaft als S1-Offizier anvertraute Dienstsiegel eingesetzt hat. Zum anderen hat er darüber hinaus das von seinen Vorgesetzten ihm gerade als Personaloffizier entgegengebrachte besondere Vertrauen aufs Gröbste unter Verstoß gegen § 13 Abs. 1 SG dadurch missbraucht, dass er ihnen Kommandierungsverfügungen untergeschoben hat. Das hohe Gewicht der Wahrheitspflichtverletzung kommt darin zum Ausdruck, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Abgabe unwahrer Angaben gegenüber Dienststellen der Bundeswehr oder gegenüber Vorgesetzten in der Absicht, von ihnen dadurch eine ungerechtfertigte berufliche oder finanzielle Besserstellung zu erschleichen, bereits zur disziplinarischen Höchstmaßnahme als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen führt (BVerwG, Urteil vom 31. Mai 2011 - 2 WD 4.10 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 7 Rn. 45 m.w.N.).

78

Er hat damit das in ihn gesetzte Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren, sodass diesem bei objektiver Betrachtung eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.

79

Dabei beantwortet sich die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten schon aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme ausschließlich nach den vom Wehrdienstgericht festgestellten objektiven Bemessungsgesichtspunkten und nicht nach der subjektiven Sicht konkreter einzelner Vorgesetzter.

80

Dem objektiven Vertrauensverlust steht ebenso wenig entgegen, dass sich der Soldat nachbewährt hat. Ist das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört, besteht für eine Nachbewährung kein Raum mehr (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 WD 33.11 - juris Rn. 71). Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, sodass gravierende Defizite an der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen, auch nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (BVerwG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - juris Rn. 73).

81

Auch verbietet die sachgleiche strafrechtliche Verurteilung des Soldaten nicht, gegen ihn die Höchstmaßnahme zu verhängen. Dies folgt aus dem Rückschluss der Regelungen in § 16 Abs. 1 WDO und § 17 Abs. 2 bis 4 WDO. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere des sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder die Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 WD 33.11 - juris Rn. 74 m.w.N.).

82

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 2 WDO.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die disziplinarrechtliche Ahndung eines von einem Feuerwehrbeamten innerdienstlich begangenen Diebstahls.

2

Der 1962 geborene Beklagte steht als Brandmeister im Dienst der Klägerin und wurde von der Klägerin wegen seiner Ausbildung zum Rettungsassistenten auch im Rettungsdienst eingesetzt. Der Beklagte ist 2003 wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug sowie 2005 wegen Entziehung elektrischer Energie zu Geldstrafen verurteilt worden.

3

Wegen des Vorfalls, der den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte hatte im Jahr 2006 einem stark alkoholisierten und bewusstlosen Patienten während der Fahrt im Rettungswagen einen 50 €-Schein entwendet, um diesen für sich zu behalten. Vom Fahrer des Rettungswagens, der ihn bei der Tat be-obachtet hatte, zur Rede gestellt, schlug der Beklagte zunächst vor, den Geldschein als Trinkgeld in die Gemeinschaftskasse zu geben. Der Fahrer bestand jedoch auf der Rückgabe des Geldes an den Patienten. Bei der Aushändigung des Geldscheins an einen Pfleger des Krankenhauses gab der Beklagte an, der Patient habe das Geld im Rettungswagen verloren. Noch während der Bewährungszeit dieser strafgerichtlichen Verurteilung und des laufenden Disziplinarverfahrens wurde der Beklagte wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt, die auch vollstreckt wurde.

4

Im Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Bei Gesamtwürdigung aller für und gegen den Beklagten sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit unwiederbringlich verloren habe. Mit dem Diebstahl im Rettungswagen habe der Beklagte ein einem Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn gleichzustellendes Dienstvergehen begangen. Das dem Patienten entwendete Geld sei dem Beklagten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich gewesen. Auf den Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sache könne sich der Beklagte nicht berufen, weil durch das Dienstvergehen weitere wichtige Interessen verletzt seien und die konkreten Umstände der Tatbegehung ihn zusätzlich belasteten. Andere anerkannte Milderungsgründe kämen ebenfalls nicht in Betracht. Es habe sich nicht um eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation gehandelt. Die sonstigen Verurteilungen des Beklagten zeigten, dass ihm der Zugriff auf fremdes Vermögen und Eigentum keineswegs persönlichkeitsfremd sei.

6

Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2013 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 2. September 2009 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen,

hilfsweise auf eine unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegende Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, §§ 13, 59, 65 und 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Wertung, der Beklagte sei bei Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch den innerdienstlich begangenen Diebstahl das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 3 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004 (- LDG NW -, GV. NRW S. 624), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW S. 622), endgültig verloren habe, ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 144 Abs. 2 VwGO).

9

Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 LDG NW richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.a). Da der Beklagte die ausweglose Lage des Patienten ausgenutzt hat, ist hier die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.b). Die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.c und d). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.e).

10

1. Nach den gemäß § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich der Beklagte eines Diebstahls schuldig gemacht. Der Beklagte hat dadurch schuldhaft seine Pflichten verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV. NRW S. 234 - LBG NW a.F. -). Er hat gegen die ihm obliegende Dienstpflicht verstoßen, sein Amt uneigennützig nach bestem Wissen zu verwalten (§ 57 Satz 2 LBG NW a.F.). Zugleich hat er die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten vorsätzlich und schuldhaft verletzt (§ 57 Satz 3 LBG NW a.F.).

11

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 10).

12

2. Nach § 13 Abs. 2 LDG NW und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>).

13

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

14

Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

15

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 37). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 <209 f.> und vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).

16

a) Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG NW aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <259>).

17

aa) Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat der Senat zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22, - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 31). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

18

Hiervon ausgehend hat der Senat für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften aus dem von April 2004 bis Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Weist ein Dienstvergehen indes, wie bei einem Lehrer oder einem Polizeibeamten, hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 33; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom 23. Januar 2014 - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

19

bb) Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Auf die bisher in der Praxis des Senats maßgebliche Einstufung eines Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt, für das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung sein soll, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen, kommt es nicht an. Diese Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 f., vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 12 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63. 11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15) gibt der Senat auf.

20

Die Strafgerichte haben den Beklagten wegen des zum Nachteil des bewusstlosen Patienten begangenen besonders schweren Falls des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB bestraft, weil der Beklagte beim Diebstahl die Hilflosigkeit des Patienten ausgenutzt hat. Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB reicht der Strafrahmen von drei Monaten Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

21

b) Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 LDG NW führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Die vom Oberverwaltungsgericht getroffene Entscheidung ist deshalb nicht zu beanstanden.

22

Gemäß § 13 Abs. 1 und 2 LDG NW ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 35). Bei der Ausübung des den Gerichten nach § 13 Abs. 1 LDG NW eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NW), ist jede Schematisierung zu vermeiden (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 36).

23

Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Der Beklagte hat die schutzlose Lage des verletzten und bewusstlosen Opfers, das ihm im Inneren des Rettungswagens ausgeliefert und dessen Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war, zum Diebstahl ausgenutzt. Da eine vollständige Kontrolle der Bediensteten aufgrund der Einsatzumstände ausgeschlossen ist, verlangt die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, deren Schutz Aufgabe der Disziplinarbefugnis ist, gerade im Bereich des Feuerwehr- und Rettungsdienstes, dass sich der Dienstherr und die Öffentlichkeit auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue der dort eingesetzten Beamten unbedingt verlassen können. Die Allgemeinheit muss darauf vertrauen können, dass Beamte im Feuerwehr- und Rettungsdienst das Eigentum sowie die sonstigen Rechte der Opfer achten und schützen und nicht deren Hilflosigkeit und die eigene Zugriffsmöglichkeit zu Eigentumsdelikten ausnutzen.

24

Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 38 f. m.w.N.).

25

c) Der in der Rechtsprechung entwickelte, "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt dem Beklagten nicht zugute.

26

Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit bei etwa 50 € anzusetzen (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - BVerwGE 145, 269 Rn. 82 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 16).

27

Der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache ist hier aber ausgeschlossen, weil der Beklagte durch die konkrete Tatausführung und sein sonstiges Verhalten zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

28

Tragend für diesen Milderungsgrund ist die Erwägung, bei einem Zugriff auf geringere Werte bestünden noch Persönlichkeitselemente, die den betroffenen Beamten noch tragbar und die Fortführung des Beamtenverhältnisses noch möglich erscheinen lassen. Dies ist insbesondere die Annahme, beim Beamten bestehe beim Zugriff auf höhere Werte noch eine Hemmschwelle und beim Zugriff auf lediglich geringwertige Sachen sei sein Unrechtsbewusstsein vermindert (BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318>).

29

Im Streitfall wird das Unrechtsbewusstsein des Beklagten jedoch nicht durch den Wert der entwendeten Sache bestimmt, sondern durch die äußeren Umstände der Tatbegehung. Der Beklagte hat eine Person bestohlen, deren Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war. Er hat den Umstand, dass der geschädigte Patient ihm wegen seiner Verletzung und seiner Bewusstlosigkeit ausgeliefert war, zum Diebstahl ausgenutzt.

30

Zudem liegt hier ein erschwerender Umstand vor, der die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beklagten trotz der objektiven Geringwertigkeit der entwendeten Sache ausschließt (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>). Der Beklagte ist im Vorfeld des Dienstvergehens bereits zweimal wegen Eigentums- und Vermögensdelikten nachteilig in Erscheinung getreten und hat sich diese Verurteilungen nicht zur Warnung dienen lassen. Im November 2010 ist der Beklagte zudem noch wegen eines während seiner Bewährungszeit begangenen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die auch vollstreckt wurde.

31

d) Auch andere in der Rechtsprechung "anerkannte" (klassische) Milderungsgründe, die typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des betroffenen Beamten erfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben, greifen nicht zu Gunsten des Beklagten ein.

32

Die Annahme, das Verhalten des Beklagten stelle sich als unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation dar (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999 - 1 D 31.98 - juris Rn. 19 m.w.N.), ist hier ausgeschlossen. Das Verhalten des Beklagten kann nicht als spontan, kopflos oder unüberlegt bewertet werden. Die Kontrolle der Wertgegenstände eines durch Rettungskräfte versorgten Patienten gehört zu deren Routine. Das Rettungspersonal muss regelmäßig die zu versorgende Person durchsuchen, etwa um die Krankenversicherungskarte zu finden. Auch bei der Rückgabe des Geldes hat der Beklagte durch die Behauptung, das Opfer habe den Geldschein im Rettungswagen verloren, seine Straftat zu verschleiern versucht.

33

Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens oder der Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2001 - 1 D 69.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 25 S. 14 m.w.N.) scheidet ebenfalls aus. Zum einen ist der Beklagte wegen seiner vorangegangenen Eigentums- und Vermögensdelikte nicht unbescholten. Zum anderen erweist sich die Übergabe des gestohlenen 50 €-Scheins an den Pfleger im Krankenhaus allein als Folge der hartnäckigen Vorhaltungen und Ermahnungen des Fahrers des Rettungswagens.

34

Der Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage kommt nicht zur Anwendung, weil der Beklagte den Diebstahl nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht aus Armutsgründen begangen hat. Dieser "anerkannte" Milderungsgrund setzt aber voraus, dass der Beamte Gelder oder Güter zur Minderung oder Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 74).

35

Die Annahme der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist aufgrund der das Revisionsgericht nach § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ausgeschlossen.

36

Schließlich kommt auch der "anerkannte" Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" dem Beklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zugute. Dieser setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind (BVerwG, Urteile vom 18. April 1979 - 1 D 39.78 - BVerwGE 63, 219 <220> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 230.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 36). Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht "vorübergehend aus der Bahn geworfen". Seine Arbeitsleistung war nicht eingeschränkt, er nahm keine Medikamente ein und konnte seine dienstlichen Pflichten im Rettungsdienst uneingeschränkt erfüllen. Nach der eigenen Einschätzung des Beklagten handelte es sich bei dem konkreten Einsatz um einen Routinefall. Auch die Debatte des Beklagten mit dem Fahrer des Rettungswagens, wie mit dem gestohlenen Geld zu verfahren sei, belegt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat mit Bedacht handeln konnte. Auch litt der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat nicht unter einem akuten finanziellen Engpass, den er durch den Diebstahl hätte überwinden können. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht alkoholabhängig und hatte den Dienst auch nicht alkoholisiert angetreten.

37

e) § 13 Abs. 2 LDG NW sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass - über die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe hinaus - bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261 ff.>, vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 14 ff. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 25).

38

Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW).

39

Die Strafgerichte haben die Tat mit einer Freiheitsstrafe geahndet, die sich der Beendigung des Beamtenverhältnisses allein wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung annähert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Feuerwehrbeamte, die zur Brandbekämpfung oder im Rettungsdienst eingesetzt werden, genießen wegen der von ihnen bekämpften Gefahren und Schäden sowie der häufigen Selbstlosigkeit ihres Einsatzes eine besondere Vertrauensstellung. Diese wird durch einen Diebstahl zerstört, bei dem der Beamte die Eigenarten des Einsatzes, hier die alleinige Betreuung des Patienten während der Fahrt zum Krankenhaus, sowie dessen Hilflosigkeit ausnutzt. Die Rückgabe des Geldes beruhte nicht auf der eigenen Einsicht des Beklagten, Unrecht begangen zu haben, sondern auf dem Druck des Kollegen, der den Beklagten beim Diebstahl beobachtet und zur Rückgabe des Geldes gedrängt hatte. Bei der Rückgabe des Geldscheins versuchte der Beklagte noch seine Straftat zu verschleiern. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte für seinen verantwortlichen Dienst als Rettungsassistent voll einsatzfähig. Er war auch in der Lage, seinen Alkoholkonsum zu steuern. Die vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten hat sich der Beklagte nicht zur Warnung gereichen lassen. Die Disziplinarklage mit dem Ziel, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, hat die Klägerin bereits im März 2007 erhoben. Ungeachtet dieser drohenden Folge des Disziplinarverfahrens hat der Beklagte im Juli 2010 einen weiteren Diebstahl begangen. Damit hat er dokumentiert, dass er fremdes Eigentum nicht zu respektieren bereit ist. Als Feuerwehrmann wäre der Beklagte beim Einsatz im Bereich der Brandbekämpfung oder des Rettungsdienstes aber immer wieder mit dem Eigentum Dritter befasst, die sich regelmäßig in einer hilflosen Lage befinden und deshalb den Rettungskräften faktisch ausgeliefert sind.

40

3. Der Senat weist darauf hin, dass der Beklagte durch die Aufgabe der Regeleinstufung bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen (oben Rn. 19) nicht benachteiligt wird. Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wäre die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Richtschnur für die Bemessungsentscheidung gewesen und wäre der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache nicht zur Anwendung gekommen:

41

Der Beklagte hat nicht auf finanzielle Mittel des Dienstherrn, sondern auf Vermögenswerte eines Dritten zugegriffen, die ihm aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich waren. Dieses Dienstvergehen wäre nach der bisherigen gerichtlichen Praxis einem Zugriffsdelikt zum Nachteil des Dienstherrn gleichzustellen gewesen, weil der Beklagte im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt hat (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 16 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15 m.w.N.).

42

Der Umstand, dass der Beklagte durch den Diebstahl auf das Eigentum einer hilflosen Person zugegriffen hat, die zu schützen ihm dienstlich oblag, wäre nach Maßgabe des § 13 LDG NW auch bei der Prüfung des anerkannte Milderungsgrundes der Geringwertigkeit der Sache zu berücksichtigen gewesen. Der Beklagte hat die hilflose Lage einer ihm anvertrauten Person ausgenutzt. Durch diese konkrete Tatausführung wird der Beklagte zusätzlich belastet, so dass der Umstand, dass er nur eine geringwertige Sache gestohlen hat, zurücktritt. Zudem ist der Beklagte mehrfach wegen Eigentums- und Vermögensdelikten verurteilt worden und hat sich diese nicht zur Warnung gereichen lassen (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

43

4. Anlass, die gesetzliche Laufzeit des Unterhaltsbeitrages (§ 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NW) abzuändern, besteht nicht.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Tatbestand

1

Der 1947 geborene Beklagte ist Lehrer im Dienst der Klägerin. 1976 wurde er zum Studienrat an Volks- und Realschulen in der Laufbahn des höheren Dienstes ernannt. Bis Ende August 2004 war er an einer Gesamtschule als Klassenlehrer für die Klassen 5 bis 10 tätig. Am 1. September 2004 wurde er wegen der hier in Rede stehenden Vorwürfe mit seinem Einverständnis in das Sportamt der Klägerin abgeordnet. Abgesehen vom vorliegenden Verfahren ist der Beklagte bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.

2

Das Amtsgericht ... verurteilte den Beklagten durch rechtskräftiges Urteil vom 14. April 2004 wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts hatte es der Beklagte unternommen, sich den Besitz von pornographischen Schriften zu verschaffen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben und ein tatsächliches Geschehen wiedergeben.

3

Im sachgleichen Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Aufgrund der Feststellungen des Amtsgerichts stehe fest, dass der Beklagte am 17. September 2002 auf der Festplatte seines privaten Computers kinderpornographische Dateien gespeichert gehalten habe. Durch dieses Dienstvergehen sei das dienstliche Vertrauensverhältnis zerstört worden. Außerdem habe es einen Ansehensverlust bewirkt, der so erheblich sei, dass eine Weiterverwendung des Beklagten das Ansehen des Berufsbeamtentums unzumutbar belasten würde.

4

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision, mit der er beantragt,

die Urteile des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2008 und des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 10. Dezember 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des Beklagten ist mit der Maßgabe der Zurückverweisung nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 65 Hamburgisches Disziplinargesetz vom 18. Februar 2004, HmbGVBl S. 69). Das Berufungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund einer Bemessungsentscheidung bestätigt, die nicht den gesetzlichen Vorgaben des § 11 Abs. 1 und 2 HmbDG genügt. Da die Tatsachenfeststellungen im Berufungsurteil nicht ausreichen, um dem Senat eine abschließende Entscheidung über die Disziplinarklage zu ermöglichen, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 65 Abs. 4 HmbDG).

7

1. Der Beklagte hat durch den vorsätzlichen Besitz kinderpornographischer Schriften im Sinne von § 11 Abs. 3 StGB, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen (§ 59 Satz 3 HmbBG a.F. i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 2 HmbBG a.F.).

8

a) Maßgeblich ist die Rechtslage zum Tatzeitpunkt, weil sich aus dem Inkrafttreten des Beamtenstatusgesetzes vom 17. Juni 2008 (BeamtStG, BGBl I S. 1010) am 1. April 2009 für den Beklagten kein materiellrechtlich günstigeres Recht ergibt (Urteile vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1, Rn. 33 und 51 bis 53 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - zur Veröffentlichung in den Entscheidungssammlungen BVerwGE und Buchholz vorgesehen - juris Rn. 17).

9

Der Beklagte hat das Dienstvergehen außerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten nicht in sein Amt und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (Urteil vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - a.a.O. Rn. 54). Er hatte die kinderpornographischen Dateien ausschließlich auf seinem privaten Computer abgespeichert.

10

Das Verhalten eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert (§ 59 Satz 3 HmbBG a.F.). Besitzt ein Beamter vorsätzlich kinderpornographische Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB), so verstößt er gegen diese Pflicht.

11

Ein Verhalten des Beamten außerhalb des Dienstes erfüllt den objektiven Tatbestand eines Dienstvergehens, wenn die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 Satz 2 HmbBG a.F. erfüllt sind. Danach ist ein Verhalten eines Beamten außerhalb des Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Disziplinarwürdigkeit außerdienstlichen Verhaltens nach diesen Kriterien ist von der Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach § 11 HmbDG zu unterscheiden. Zwar ist für die Beurteilung der Disziplinarwürdigkeit des Verhaltens nunmehr § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG maßgeblich, der die Beeinträchtigung des Ansehens des Beamtentums nicht mehr erwähnt. Dennoch ist § 81 Abs. 1 Satz 2 HmbBG a.F. heranzuziehen, weil die Regelung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG gegenüber der zum Tatzeitpunkt geltenden Rechtslage kein für den Beamten günstigeres Recht geschaffen hat, auf das sich der Betroffene nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB berufen könnte (Urteil vom 25. März 2010 a.a.O. Rn. 14 bis 17). Bereits zum Tatzeitpunkt ging die Rechtsprechung bei der Auslegung des Merkmals "Ansehen des Berufsbeamtentums" davon aus, dass es insoweit allein um die Erhaltung eines allgemeinen Vertrauens in eine rechtsstaatliche Verwaltung geht (Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <26> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 23 zu § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F.). Die Beschränkung auf das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung hat der Gesetzgeber im Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zum Ausdruck gebracht (BTDrucks 16/4027, S. 34 zu § 48).

12

Grund für die Einfügung der besonderen Anforderungen für die Annahme eines außerdienstlichen Dienstvergehens in § 79 Abs. 1 HmbBG a.F. (später § 81 Abs. 1 HmbBG a.F.) durch das 14. Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Besoldungsgesetzes vom 29. März 1968 (HmbGVBl S. 45) war das Bestreben des Gesetzgebers, den Tatbestand des Dienstvergehens im Bereich außerdienstlichen Verhaltens von Beamten einzuschränken (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks VI/945, S. 22 zu Art. 6 Nr. 2 unter Hinweis auf die Regelung des § 45 BRRG). Der geänderten Stellung der Beamten in der Gesellschaft, von denen außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten als von jedem Bürger erwartet wird, sollte Rechnung getragen werden (vgl. Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23 und 26 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 23 S. 22 und 25 und vom 25. März 2010 a.a.O. Rn. 15).

13

Das Merkmal "in besonderem Maße" bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal "in bedeutsamer Weise" bezieht sich auf den "Erfolg" der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarrechtlicher Relevanz deutlich überschreitet (Urteil vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 D 20.00 - BVerwGE 114, 212 <219 f.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 29 S. 40).

14

Die Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens muss sich entweder auf das Amt des Beamten im konkret-funktionellen Sinne (Dienstposten), d.h. auf die Erfüllung der dem Beamten konkret obliegenden Dienstpflichten, oder auf das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beziehen (Urteile vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - a.a.O. S. 25, vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 1 D 4.01 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 32 S. 53 f. und vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - a.a.O. Rn. 52).

15

b) Das strafrechtlich geahndete außerdienstliche Dienstvergehen des Beklagten weist einen Bezug zu seinem Dienstposten auf. Der Dienstbezug ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinn zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Dies ist der Fall, weil der außerdienstliche Besitz kinderpornografischer Schriften bei einem Lehrer einen Persönlichkeitsmangel indiziert, der Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung gibt, der einem Lehrer als Dienstpflicht obliegenden Erziehungsaufgabe gegenüber den ihm anvertrauten Schülern jederzeit gerecht zu werden. Nach Bekanntwerden eines derartigen Fehlverhaltens ist ein Lehrer bei der Aufgabenwahrnehmung zumindest stark beeinträchtigt, weil er elementare Rechte gerade derjenigen Personengruppe verletzt hat, deren Schutz und Erziehung ihm als Dienstpflicht obliegt und anvertraut sind. Insoweit genügt die bloße Eignung, zu einem konkreten Ansehensschaden oder konkreten Übergriffen muss es nicht gekommen sein.

16

Wer kinderpornographische Schriften besitzt (§ 184 Abs. 5 Satz 2 StGB a.F.), trägt durch seine Nachfrage nach solchen Darstellungen zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a Abs. 2 StGB) und damit zum Verstoß gegen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit bei. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Bildung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil ein Kind wegen seiner fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann. Zudem degradiert der Täter die sexuell missbrauchten kindlichen Opfer zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung (Urteile vom 6. Juli 2000 - BVerwG 2 WD 9.00 - BVerwGE 111, 291 <294 f.> = Buchholz 236.1 § 17 SG Nr. 33 S. 25 und vom 25. September 2007 - BVerwG 2 WD 19.06 - Buchholz 450.2 § 38 WDO Nr. 23 S. 19).

17

Ein Lehrer ist nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Kinder verpflichtet. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen. Zudem muss der Lehrer in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln. Der Besitz von Schriften, die den schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, ist mit diesem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar und lässt dessen Erfüllung durch den Beamten zweifelhaft erscheinen.

18

2. Die Bemessungsentscheidung des Berufungsgerichts verstößt gegen § 11 Abs. 1 und 2 HmbDG.

19

a) Die Verwaltungsgerichte erkennen aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 1 und 2 HmbDG auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme, wenn sie nach umfassender Sachaufklärung (§ 54 HmbDG sowie § 86 Abs. 1 und 2 VwGO) zu der Überzeugung gelangen, dass der Beamte die ihm in der Disziplinarklageschrift zur Last gelegten dienstpflichtwidrigen Handlungen begangen hat, und dem Ausspruch der Disziplinarmaßnahme kein rechtliches Hindernis entgegensteht (§ 56 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 HmbDG). Sie sind dabei an die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Wertungen des klagenden Dienstherrn nicht gebunden (Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 11 und vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - juris Rn. 9 sowie Beschluss vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2).

20

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HmbDG nach der Schwere des Dienstvergehens sowie nach dem gesamten dienstlichen und außerdienstlichen Verhalten des Beamten. Den Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe hat der Senat in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - (BVerwGE 124, 252 <258 ff.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 21 ff.) und vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - (a.a.O. Rn. 13 ff.; seitdem stRspr) näher bestimmt. Danach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 HmbDG die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens.

21

Aus § 11 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Nr. 1 bis 10 HmbDG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 16).

22

b) Für das außerdienstlich begangene Dienstvergehen des Besitzes kinderpornographischer Schriften scheidet eine Regeleinstufung, wie sie in der Rechtsprechung für schwerwiegendes innerdienstliches Fehlverhalten entwickelt worden ist (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 20 m.w.N.), aus. Danach kommt regelmäßig die Entfernung aus dem Dienst (bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts) dann in Betracht, wenn die Schwere des innerdienstlichen Dienstvergehens das für die weitere dienstliche Tätigkeit notwendige Vertrauensverhältnis endgültig zerstört hat (z.B. Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 Rn. 28). Im Bereich der Sexualdelikte hat der Senat den mit Freiheitsstrafe geahndeten außerdienstlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes (§ 176 Abs. 1 StGB) als derart schwerwiegend erachtet, dass die Höchstmaßnahme indiziert ist, wenn es insgesamt an hinreichend gewichtigen entlastenden Umständen fehlt (Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 2 C 83.08 - a.a.O.) Anders als bei einem solchen unmittelbaren Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung ist beim Besitz kinderpornografischer Schriften eine Regeleinstufung nicht angezeigt, weil die Variationsbreite der jeweiligen Schwere der außerdienstlichen Verfehlung zu groß ist. Dies gilt auch für die Fälle, in denen das strafbare Verhalten einen Bezug zu den dienstlichen Pflichten des Beamten aufweist. Maßgeblich für die Maßnahmebemessung ist hier ebenfalls die jeweilige Strafandrohung unter Berücksichtigung des Dienstbezugs der Pflichtverletzung des Beamten. Denn durch die Strafandrohung bringt der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck, die bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als Orientierungsrahmen dient. Das Ausmaß des Ansehensschadens, der durch eine außerdienstlich begangene Straftat herangerufen wird, wird maßgeblich durch den Strafrahmen bestimmt. Die Anknüpfung an den Strafrahmen gewährleistet auch insoweit eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung von Dienstvergehen. Die Verwaltungsgerichte dürfen ihre eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts nicht an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen, wenn sie den Strafrahmen für unangemessen niedrig halten. Ebenso wie bei einer Regeleinstufung sind die Verwaltungsgerichte auch bei der Bestimmung eines Orientierungsrahmens gehalten, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden.

23

Für die Bestimmung des Orientierungsrahmens ist der zum Tatzeitpunkt geltende Strafrahmen maßgeblich. Nachträgliche Verschärfungen können nicht rückwirkend für die Beurteilung des zuvor begangenen Dienstvergehens herangezogen werden. Deshalb bleibt hier das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl I S. 3007) unberücksichtigt, mit dem der Gesetzgeber den Strafrahmen für das Vergehen des Besitzes kinderpornographischer Schriften von einem auf zwei Jahre Freiheitsstrafe erhöht hat. Auszugehen ist hier von der zum Tatzeitpunkt geltenden Strafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe (§ 184 Abs. 5 StGB a.F.). Das Ausmaß des Ansehensschadens, der durch eine außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufen wird, wird maßgeblich durch diesen Strafrahmen bestimmt, so dass bei Fehlen jeglichen Dienstbezuges allenfalls eine Disziplinarmaßnahme im unteren Bereich in Betracht käme. Unter Berücksichtigung der dienstlichen Pflichten eines Lehrers hinsichtlich des Schutzes von Kindern und wegen des mit dem Dienstvergehen gerade bei einem Lehrer einhergehenden Autoritätsverlustes ist jedoch eine andere Einordnung gerechtfertigt. Diese bewegt sich im Regelfall auf der Ebene der Zurückstufung (§ 7 HmbDG) im Sinne eines Orientierungsrahmens.

24

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass unter der Geltung der erhöhten Strafandrohung des § 184b Abs. 5 StGB in den Fällen des Besitzes kinderpornographischer Schriften deshalb angesichts der Dienstpflichten von Lehrern der Orientierungsrahmen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist.

25

3. Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen für eine Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme durch den Senat nicht aus:

26

Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil hat der Beklagte nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts ... berichtet, er habe gegenüber seiner Kollegin S. angekündigt, testen zu wollen, ob Schüler im Internet leicht an Kinderpornographie kommen können, und habe dieser Kollegin auch mitgeteilt, dass dies nicht der Fall sei. Diesen Behauptungen des Beklagten hat das Berufungsgericht Bedeutung sowohl für die Frage der Kenntnisnahme des Beklagten von den herunter geladenen kinderpornographischen Dateien als auch für die subjektive Tatseite beigemessen. Insoweit hat das Berufungsgericht die Lösung von den Feststellungen des Amtsgerichts ausdrücklich abgelehnt. Dabei hat es zwar die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Lösung von den Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils angeführt, hat sie aber nicht vollständig verwertet. Danach kommt eine Lösung von den tatsächlichen Feststellungen auch in Betracht, wenn neue Beweismittel vorgelegt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen, und nach denen die Tatsachenfeststellungen jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen (Urteile vom 29. November 2000 - BVerwG 1 D 13.99 - BVerwGE 112, 243 <245> und vom 16. März 2004 - BVerwG 1 D 15.03 - Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 36 und Beschluss vom 24. Juli 2007 - BVerwG 2 B 65.07 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 11). Diese Formulierung entspricht der dem § 18 Abs. 1 BDO nachgebildeten Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 HmbDG, die im Gegensatz zu § 57 Abs. 1 Satz 2 BDG die "offenkundige Unrichtigkeit" der Feststellungen nicht voraussetzt.

27

Die Bindungswirkung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 HmbDG schließt zudem eine vom Strafgericht abweichende Würdigung aus. Dennoch hat das Berufungsgericht die vom Beklagten behaupteten Tatsachen zu den Gesprächen mit seiner Kollegin als wahr unterstellt und sodann als Schutzbehauptung gewürdigt. Er habe diese Erklärungen gegenüber Frau S. nur abgegeben, um im Falle der Entdeckung eine Entlastungszeugin für die von ihm behauptete Motivation für die Suche nach Kinderpornographie im Internet präsentieren zu können.

28

Bei dieser Würdigung hat das Berufungsgericht zudem den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass der Einzelne nicht bloßes Objekt des gerichtlichen Verfahrens ist. Der Verfahrensbeteiligte soll vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>). Zwar verlangt Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts zu entnehmen (BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerfGE 66, 116 <147>). Der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung verlangt aber, dass die Beteiligten erkennen können, auf welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte es für die Entscheidung nach Ansicht des Gerichts ankommt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 BvR 1086/07 - FamRZ 2008, 244 Rn. 21).

29

Nach diesen Grundsätzen war das Berufungsgericht gehalten, den Beklagten zu den Beweggründen der als wahr unterstellten Gespräche mit der Kollegin Frau S. anzuhören und ihm die eigene Würdigung, es handele sich um eine Schutzbehauptung, vorzuhalten. Dies gilt gerade angesichts des Umstands, dass der Beklagte in der Berufungsverhandlung umfangreich befragt worden ist und dabei auch die Gespräche mit der Kollegin Frau S. erwähnt worden sind. Aus diesem Verhalten des Gerichts konnte und musste der Beklagte schließen, das Berufungsgericht habe ihn zu allen aus gerichtlicher Sicht maßgeblichen Aspekten des Falles befragt, zu denen er persönlich Auskunft geben könnte. Die Behauptungen des Beklagten zum Hintergrund seiner Gespräche mit der Kollegin Frau S. waren infolge der Wahrunterstellung nicht mehr Gegenstand der Berufungsverhandlung. Mit der vom Berufungsgericht im Urteil vorgenommenen Würdigung seines Vorbringens musste der Beklagte nach diesem Verlauf der Berufungsverhandlung aber nicht rechnen.

30

4. Sollte das Berufungsgericht bei seiner neuen Bemessensentscheidung nach § 11 HmbDG zu dem Ergebnis kommen, angemessene Disziplinarmaßnahme sei die Zurückstufung des Beklagten nach § 7 HmbDG, so wäre diese aus laufbahnrechtlichen Gründen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 HmbDG ausgeschlossen. Der Beklagte befindet sich nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil noch in seinem Eingangsamt. Der Hamburgische Gesetzgeber hat zwar bei der Neuordnung des Laufbahnrechts nur noch zwei Laufbahngruppen vorgesehen. Für den Bereich des Disziplinarrechts hat er aber von der damit verbundenen Ausweitung der Möglichkeiten der Zurückstufung Abstand genommen und diese auf das jeweilige Eingangsamt begrenzt (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucks 19/3757, S. 78 f.).

31

Kommt allein deshalb die Kürzung der Dienstbezüge nach § 6 HmbDG als nächstmildere Maßnahme in Betracht, so sind die besonderen Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 2 HmbDG stets erfüllt (Urteil vom 19. August 2010 - BVerwG 2 C 13.10 - zur Veröffentlichung bestimmt).

32

Nach § 17 Abs. 4 und 5 HmbDG ist eine Ahndung des Dienstvergehens des Beklagten mit einer Kürzung der Dienstbezüge noch möglich.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

I.

Der 1939 geborene Beklagte legte nach dem Besuch von Volksschule und Höherer Schule 1959 die Reifeprüfung mit Erfolg ab. Er absolvierte ein Studium der Neuphilologie an der Universität E. und legte im Jahr 1966 das erste Staatsexamen in den Fächern Französisch und Englisch für das Lehramt an höheren Schulen ab. 1968 bestand er das zweite Staatsexamen. Mit Wirkung vom 1. April 1970 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Studienrat ernannt (Tätigkeit am A.-Gymnasium in N. bei C.).

Für die Zeit vom 1. August 1971 bis 31. Juli 1974 wurde er entsprechend seinem Antrag für Aufgaben der Entwicklungshilfe in N. zunächst im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Mission mit Sitz in H., sodann im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern mit Sitz in N. unter Fortfall seiner Dienstbezüge vom staatlichen Gymnasialdienst Bayerns beurlaubt. Die Beurlaubung wurde bis 31. Juli 1976 verlängert. Mit Wirkung vom 1. April 1974 erfolgte seine Ernennung zum Oberstudienrat.

In N. war der Beklagte als Lehrer in der K.-L.-School in W., einer Schule mit deutschem Schulzweig für Kinder deutscher Missionare und anderer deutschsprachiger Personen in N. tätig.

Anfang des Jahres 1976 wurde das Missionswerk über sexuelle Übergriffe des Beamten bei den Schülerinnen S. K. und K. G. informiert.

In einem Schreiben an das Missionswerk (Oberkirchenrat Pfarrer B.) vom 15. Februar 1976 räumte der Beklagte ein, im Jahr 1974 „unsaubere, unzüchtige Beziehungen“ zu der 12-jährigen Schülerin K. G. unterhalten zu haben. K. sei etliche Male in seiner Wohnung gewesen, Geschlechtsverkehr sei nicht zustande gekommen, „weil unmöglich“ und weil er von furchtbaren Gewissensbissen geplagt immer wieder im letzten Moment davon abgehalten worden sei. Um aber ganz offen zu sein: Es sei nicht sein Verdienst, dass die geschlechtlichen Handlungen nicht weiter gediehen, sondern ihre Unausführbarkeit. Mit anderen Mädchen habe er nach bestem Wissen und Gewissen nichts zu tun gehabt.

In einem weiteren Schreiben vom 15. Februar 1976 erläuterte der Beklagte gegenüber Oberkirchenrat B., dem was er erklärt habe, sei bei Gott nichts hinzuzufügen. Es sei ja auch schlimm genug. Zum Verständnis und zur Vervollständigung wolle er dennoch berichten, wie es dazu gekommen sei. Im Jahr 1973/74 sei er sehr heftig an einem Fußpilz erkrankt. K. G. habe ihn gepflegt, hierbei seien die ersten Annäherungsversuche entstanden. Er wolle um Verzeihung bitten, für die Folgen müsse er einstehen. Er bitte darum, von einer strafrechtlichen Verfolgung abzusehen, da sonst die „gesamte Existenzgrundlage beim Staat verwirkt wäre“.

Ebenfalls am 15. Februar 1976 räumte der Beklagte gegenüber dem in N. befindlichen Pastor A., welcher durch das Missionswerk mit Ermittlungen in dieser Angelegenheit beauftragt worden war, auf Vorhalt ein, dass es zu Annäherungen gegenüber der Schülerin S. K. gekommen sei. Kontakte zu anderen Schülerinnen seien „unterhalb einer Problemschwelle“ gelegen (zwölfseitiger Aktenvermerk des Pastors A. über seine Ermittlungen vom 21. Februar 1976 befindlich in der Personalakte des Missionswerks).

Unter dem 1. April 1976 schrieb Pastor G., Vater der Schülerin K. G., an das Missionswerk in Deutschland, der Beklagte habe das Leben seiner Tochter „versaut“. Er meine, er solle nicht ohne zu büßen davon kommen. Der Kerl gehöre hinter Gitter. Unter dem 21. April 1976 führte Pastor G. gegenüber dem Missionswerk u. a. aus, der Beklagte habe eine dämonische Geschicktheit gehabt, die Kinder zum Schweigen zu verpflichten und sie sich zu Willen zu machen. Er sei für ihn der typische Sittlichkeitsverbrecher.

In einem bei Oberkirchenrat B. am 14. April 1976 eingegangenen Brief erklärte die Ehefrau des Beklagten u. a., das Verhältnis ihres Mannes mit K. G. sehe sie als Flucht aus häuslichen Problemen und ausgelöst durch das sehr enge Lehrer/Schülerinverhältnis.

Am 30. Mai 1976 berichteten die Eltern der Schülerin M. M. Oberkirchenrat B. von sexuellen Übergriffen des Beklagten an ihrer Tochter im Zeitraum 1972/1973 in W.

Unter dem 22. Juli 1976 wandte sich Pfarrer B. für das Missionswerk als dessen Direktor an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Dem Missionswerk sei im Frühjahr 1976 ein Vorfall zur Kenntnis gekommen, der es veranlasst habe, den Beklagten etwas vorzeitiger aus N. abzurufen. Der Beklagte habe sich einer Schülerin gegenüber Unregelmäßigkeiten zuschulden kommen lassen. Zwischenzeitlich sei die Angelegenheit von Seiten des Missionswerks bereinigt worden. Es könne bestätigt werden, dass die fachliche Arbeit des Beklagten Anerkennung verdiene. Sowohl das Verhältnis unter den vier Kollegen aus Deutschland, sowie zu den Lehrern aus Aus. oder Am. als auch zu den Schülern sei gut gewesen und habe zum Eingreifen keinen Anlass gegeben. Der Beklagte habe sich für die Kinder im Internat außerordentlich und über seine dienstlichen Verpflichtungen hinaus eingesetzt.

In einem Entwurf zu diesem Schreiben hieß es noch u. a.: „Im Frühjahr 1976 allerdings kam ein Vorfall zu unserer Kenntnis, der uns veranlasste, Herrn K. etwas vorzeitig abzurufen. Herr K. hatte sich einer Schülerin unsittlich genähert. Wir haben uns bemüht, die Angelegenheit zwischenzeitlich zu bereinigen“.

Mit Schreiben vom 29. September 1976 nahm der Beklagte gegenüber dem Staatsministerium auf Aufforderung zu dem „Vorfall“ dahingehend Stellung, dass sich die Verhältnisse in der K-L-School in W./N., in der er sehr gerne gewesen sei, mit den schulischen Gegebenheiten in Europa nicht vergleichen ließen. Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern sei ein familiäres. So sei es allgemein üblich, dass sich Schüler und Lehrer gegenseitig mit „Du“ anredeten und dass die Schüler - es handle sich ja um ein Internat - oft ihre Lehrer in deren Wohnungen aufsuchten. Hieraus habe es sich ergeben, dass eine Schülerin, die Tochter eines eng befreundeten Missionars, in der Familie (des Beklagten) Eingang gefunden habe. Sie habe manche Hausarbeiten wie eine Tochter verrichtet. Dies habe zugegebenermaßen in der Notengebung und im Unterricht zu einer gewissen Bevorzugung geführt, die auch von anderen Kindern bemerkt worden sei. Dies habe sich auf das Arbeitsklima an der Schule ungünstig ausgewirkt. Als das Missionswerk davon Kenntnis erhalten habe, sei das Vertrauensverhältnis gestört gewesen. Er habe den Vorschlag akzeptiert, die Schule etwas vorzeitiger vor Beendigung des Schuljahres zu verlassen, zumal dies ihm auch aus gesundheitlichen Gründen gelegen gekommen sei. Der Sachverhalt sei bei Vorsprachen im Missionswerk und bei einer Zusammenkunft mit den Eltern der Schülerin restlos mit allen Beteiligten bereinigt worden. Diese Bereinigung werde ja auch im Schreiben des Missionswerks vom 22. Juli 1976 bestätigt.

Eine Reaktion des Ministeriums erfolgte nicht mehr.

Ab 1. August 1976 unterrichtete der Beklagte wiederum am A.-Gymnasium in N. bei C. Mit Wirkung vom 1. April 1985 wurde er zum Studiendirektor ernannt.

Mit Wirkung vom 1. September 1999 wurde der Beklagte aus gesundheitlichen Gründen auf einen Antrag in den Ruhestand versetzt. Er ist schwerbehindert mit einem zuletzt bekannten Grad der Behinderung von 50.

Der Beklagte ist seit 1971 verheiratet und hat eine 1972 geborene Tochter. Er erkrankte mit drei Jahren an spinaler Kinderlähmung und leidet infolge dessen an einer Rückgratverkrümmung.

Der Beklagte ist bislang weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.

II.

Im Februar 2010 wandte sich Pastor i. R. G.-S. (früher Pastor G.) an das Missionswerk in N.. Seine Tochter K. G. sei Anfang der 70er Jahre in N. von dem Beklagten missbraucht worden. Seine Tochter sei nie darüber hinweggekommen. Die Dinge seien totgeschwiegen worden. Das Missionswerk müsse nun etwas tun.

Unter dem 15. März 2010 übersandte die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (Landeskirchenrat - Landeskirchenamt) dieses Schreiben an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus zur Information. Nach dem Wissensstand der Kirche sei der Beklagte damals aus dem Dienst des Freistaates entlassen worden. Nicht bekannt sei, ob das Kultusministerium damals Strafanzeige erstattet habe. Die Landeskirche habe dies unterlassen. Um Auskunft werde gebeten.

Mit Schreiben vom 10. Mai 2010 informierte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Landesanwaltschaft Bayern als zuständige Disziplinarbehörde, dass der Verdacht auf Vorliegen eines Dienstvergehens bestehe und bat darum, gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren in eigener Zuständigkeit einzuleiten.

Mit Schreiben vom 2. Juni 2010 leitete die Landesanwaltschaft Bayern gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayDG ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Der Beklagte wurde mit Schreiben vom selben Tage darüber informiert und gemäß Art. 22 Abs. 1 BayDG belehrt. Ihm wurde Gelegenheit zur schriftlichen oder mündlichen Äußerung gegeben.

Unter dem 22. Juli 2010 ließ der Beklagte erklären, dass er derzeit keine Einlassung abgebe.

Am 13. September 2010 vernahm die Landesanwaltschaft Bayern in Anwesenheit des Bevollmächtigten des Beklagten die 1962 geborene Zeugin K. B. (geborene G.). Diese erklärte u. a.: Sie glaube den Beklagten ab 1971 in W. im Unterricht gehabt zu haben. Er habe sie oft auf den Schoß genommen. Sie habe das nicht leiden können, weil es dort immer so hart gewesen sei. Sie habe das damals nicht einordnen können, wisse jetzt aber natürlich, dass sein Glied erigiert gewesen sei. Der Beklagte habe sie und ihre Freundin G. ins Haus geholt, wenn seine Frau krank gewesen sei. Er habe sie verschiedene Sachen erledigen lassen. Zum Teil habe er die Freundin weggeschickt. Sie wisse noch, dass er sie geschlagen habe, nachdem er erfahren habe, dass sie ihre Periode bekommen habe. Er habe ihre Mutter gefragt, was sie tun würde, wenn sie schwanger werden würde. Er habe sich mit ihr entweder zuhause im Schlafzimmer vergnügt, wenn seine Frau nicht da gewesen sei oder unter der Schule. Die Häuser in W. seien nämlich auf Stelzen gebaut. Er habe ihr die Beine auseinandergespreizt und versucht, in sie einzudringen. Dies sei nicht gelungen, weil sie sehr eng gewesen sei. Er habe sie beschimpft, dass sie frigide wäre. Er sei dann mit dem Finger in sie eingedrungen. Sie habe ihn mit der Hand oder dem Mund befriedigen müssen. Sie könne nicht sagen, wie oft es gewesen sei, es sei über Jahre hinweg regelmäßig gewesen. Sie glaube, dass es zum vollendeten Geschlechtsverkehr nur einmal gekommen sei. Es könne auch noch mehrmals gewesen sein. Sie könne das nicht sagen, weil es einfach wehgetan habe und sie damals einfach zugemacht habe und infolge dessen wohl auch nicht einordnen habe können, ob er tatsächlich mit dem Glied eingedrungen sei. Sie habe das nicht gewollt und gewusst, dass das auch nicht passe. Sie habe jahrelang Angst vor einer Beziehung gehabt. Sie habe die Vorkommnisse bis vor drei Jahren verdrängt. Damals habe sie einen Unfall gehabt, den sie wohl in suizidaler Absicht verursacht habe, aber nicht bewusst. Sie habe öfter Suizidgedanken gehabt. Ihr Psychiater habe gemeint, sie wäre wohl in eine Depression abgerutscht. Der Beklagte habe sie immer damit bedroht, wenn sie jemandem etwas erzählen würde, würde ihrem Bruder etwas passieren oder er würde sich selbst etwas antun und dann hätte sein Kind keinen Vater mehr. Der Beklagte habe jede Gelegenheit genutzt. Er habe immer versucht, ihr einzureden, dass sie die körperlichen Kontakte mit ihm auch wolle. Sie glaube, dass ihr ein Kondom als Verhütungsmaßnahme in Erinnerung sei. Sie sei damals überhaupt nicht aufgeklärt gewesen. In ihrer Erinnerung gehe ein Übergriff in den nächsten über. Wichtig sei ihr gewesen, dass er möglichst schnell seinen Orgasmus bekomme und sie wieder gehen könne. Es sei mit Sicherheit einmal wöchentlich gewesen. Was sich durch ihr Leben durchziehe, sei ihre Angst vor Schwangerschaften und davor, dass sie frigide sei.

Die 1964 geborene Zeugin S. D. (geborene K.), in A. lebend, erstattete ihre Aussage mit E-Mails vom 9. Oktober und 13. Oktober 2010. Der Beklagte sei von August 1974 bis Ende 1975 ihr Lehrer gewesen. Die Vorfälle sexuellen Missbrauchs hätten sich im Jahr 1975 ereignet. Sie sei damals 11 Jahre alt gewesen. Ab einem gewissen Punkt sei es für sie Teil der regulären Schulstunden gewesen, dass sie auf seinem Schoß gesessen sei. Sie wisse, dass sie oft seine Hand gehalten habe während des Unterrichts. Er habe oft ihr Haar gestreichelt während der Schulstunden und sie am Ende der Stunde geküsst und mit Koseworten bezeichnet. Einmal seien sie und die Zeugin G. W. (geborene H.) mit dem Beklagten in dessen Auto gefahren. Er habe ihnen gesagt, dass er pornografische Magazine in seinem Auto habe und ihnen angeboten, sie ihnen zu zeigen. Dann habe sie die Aufgabe bekommen, nachmittags die Papierkörbe in die Verbrennungsanlage zu bringen. Er sei mit ihr gekommen und habe sie nach einer langen Zeit der Umarmung auf den Mund geküsst. Sie habe die Küsse nicht gemocht, aber er habe ihr versichert, dass sie das nach und nach mögen werde. Dies sei zu mehreren Gelegenheiten passiert. Nach diesen Vorfällen sei sie beunruhigt gewesen und habe gefühlt, dass es nicht richtig gewesen sei, was sie täten. Sie habe mit dem Beklagten über diese Furcht gesprochen. Er sei ziemlich ärgerlich geworden und habe ihr gesagt, sie könne es jederzeit beenden. Das alles sei nur von ihr ausgegangen. Sie habe sich fürchterlich schuldig und verwirrt gefühlt. Während des Schuljahres habe sich der Beklagte ihr körperlich genähert. Er habe ihren Rücken unter ihrer Kleidung gerieben und ihre Brüste gestreichelt und bei zwei Gelegenheiten habe er seine Hand in ihre Unterhose von hinten her geschoben, sie betastet und seinen Finger in ihre Vagina eingeführt. Der Beklagte habe ihr das Versprechen abgenommen, niemals jemandem etwas über ihr Geheimnis zu erzählen. Sie habe sich dann ihren Eltern offenbart, diese hätten einen Brief an den Beklagten geschrieben. Danach habe der Beklagte sie niemals wieder berührt. Sie sei erleichtert und erfreut zu erfahren, dass nun ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten eingeleitet worden sei. Schon daran erkenne man, dass die Ereignisse sie über die Jahre, oft auch unterbewusst, belastet hätten. Vor etwa fünf Jahren habe sie etliche Termine mit einer Psychologin gehabt. Erst da sei ihr richtig klar geworden, wie stark sie diese Missbräuche beeinflusst hätten. Es sei ein Verrat an dem Vertrauen, dass ein kleines Kind einem Erwachsenen schenke, gewesen. Nach dem Ende der Übergriffe habe er sich ihr gegenüber sehr kalt verhalten. Sie habe das Gefühl gehabt, dass durch ihre Gegenwart im Zimmer sie habe verhüten können, dass sich der Beklagte an weiteren Mädchen vergreife. Dies sei eine schreckliche Aufgabe für ein kleines Mädchen gewesen.

Die 1959 geborene Zeugin M. H. (geborene M.) erklärte am 13. September 2010 u. a.: Sie habe beim Beklagten ca. 2½ Jahre Unterricht gehabt. Der Beklagte sei neben ihr gesessen, habe sein Bein an ihres gedrückt und seine Hand auf ihren Oberschenkel gelegt. Sie könne nicht mehr sagen, wie oft dies gewesen sei. Es sei jedenfalls häufiger gewesen. Er habe ihr dann auf Französisch etwas über ihre Schönheit erzählt. Es sei ihr sehr peinlich gewesen. Sie habe immer gehofft, dass die anderen Schüler nicht mitbekommen, was er sage. Er habe auch anzügliche Bemerkungen geäußert. Einmal habe sie etwas an die Tafel schreiben müssen, er sei hinter sie gekommen und habe ihren Busen mit beiden Händen von hinten umfasst. Sie habe darüber weder mit ihren Eltern noch mit Freundinnen gesprochen. Sie habe sich damals nicht gut gefühlt. Es sei eklig und peinlich gewesen, sie habe auch gewusst, dass es nicht in Ordnung gewesen sei.

Die 1963 geborene Zeugin G. P. (geborene H.) erklärte am 13. September 2010 u. a.: Sie sei von 1972 oder 1973 bis 1976 in der Missionarsschule in W. gewesen. Sie habe in der 3. Klasse in der Missionsschule begonnen. Den Beklagten habe sie allerdings erst in der 5. und 6. Klasse gehabt. Der Beklagte sei sehr anzüglich gewesen, d. h., er habe sie am nackten Bein gestreichelt oder die Hand an der Taille unter ihr T-Shirt geschoben. Damals seien Miniröcke sehr modern gewesen, und er habe ihr bei allen möglichen Gelegenheiten gesagt, dass sie die Schönste sei. Ihre Mutter sei zu der Zeit damals verunglückt gewesen, ihr Vater habe sie zur Adoption freigeben wollen. Es hätten ihre Patentante und der Beklagte zur Wahl gestanden. Der Beklagte habe ihr immer gesagt, dass er ihr alles kaufen würde und Reisen mit ihr machen würde, wenn sie erst bei ihm wohnen würde. Sie meine, dass er an ihr als Frau interessiert gewesen sei, sie ihm aber noch zu jung gewesen sei. Eines Tages auf dem Rückweg von der Kirche habe er sie gebeten, ihm beim Bettenüberziehen zu helfen. Seine Frau sei verreist gewesen. Die Laken seien blutverschmiert gewesen. Er habe ihr erklärt, dass seine Frau ihre Periode habe und das würde eben passieren, wenn man in dieser Zeit miteinander schlafe. Er habe sie nach dem Wechseln der Laken auf das Bett gedrückt und sie an der Taille festgehalten und komische Laute gemacht. Er sei seitlich vom Bett gestanden und sie sei dann quasi quer zum Kopfteil im Bett gelegen. Er habe sich über sie gebückt und sie an der Taille festgehalten. Sie habe dann irgendwann gekichert und gelacht und sich weggedreht und er habe sie dann losgelassen. Sie wisse noch einen anderen Vorfall: Einmal habe der Beklagte sie und zwei andere Mädchen im Auto mitgenommen. Er habe ihnen Playboy-Hefte mit nackten Männern zum Anschauen gegeben und ihnen dazu erklärt, wie ein Mann so aussehe. Sie meine, dass er ihre Reaktion auf diese Bilder habe sehen wollen. Sein Verhalten sei jedenfalls nicht normal gewesen. Sie glaube, er habe sie zu bestimmten Vorgängen hinführen wollen. Er habe ihnen auch gesagt, sie sollten das niemandem erzählen. Er habe sie bei jeder Gelegenheit in den Arm genommen, am Oberschenkel am nackten Bein berührt, in der Mitte des Oberschenkels, nicht zwischen den Beinen. Er habe ihr die Hand unter das T-Shirt geschoben, an der Brust habe er sie nicht berührt. Er habe sie auch auf die Stirn geküsst, nicht auf den Mund. Er habe sie oft auch während des Unterrichts auf seinen Schoß gesetzt, während er etwas korrigiert habe. Sie könne nicht sagen, ob er erregt gewesen sei, wenn sie auf seinem Schoß gesessen sei. Er sei für sie ein Vaterersatz gewesen. Er sei für sie praktisch wie ein Gott gewesen. Sie habe sich dann oft gewehrt und habe gesagt „geh weg, geh weg“. Er habe sie dann immer als frigide vor den anderen Schülern bezeichnet. Sie sei alleine oder zusammen mit anderen Kindern öfters im Haus des Beklagten gewesen, z.T. sei auch dessen Ehefrau dagewesen. Der Beklagte habe sich in ihrer Anwesenheit auch umgezogen. Dabei hätten sie jeweils die Geschlechtsteile von ihm gesehen. Das Verhältnis zwischen den Schülern und den Lehrern sei sehr vertraut gewesen, wesentlich enger als das z. B. in Deutschland üblich wäre. Allerdings sei das Verhalten des Beklagten anders gewesen als das anderer Lehrer.

Mit Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern vom 14. Dezember 2010 erhielt der Beklagte die Möglichkeit, abschließend gemäß Art. 32 BayDG Stellung zu nehmen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten führte unter dem 31. Januar 2011 aus, dass eine Äußerung zu den Vorwürfen nicht erfolge. Es werde die Verwirkung der disziplinarischen Ahndung bzw. der Verzicht auf eine solche Ahndung eingewendet. Es werde beantragt, beim zuständigen Staatsministerium Nachfrage zu halten, ob seinerzeit ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei und wie es ggf. geendet habe. Offensichtlich habe das Staatsministerium kein Aufklärungsinteresse gezeigt.

Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus führte sodann unter dem 8. Februar 2011 gegenüber der Landesanwaltschaft Bayern u. a. aus, ein Disziplinarverfahren sei damals nicht eingeleitet worden. Dem Ministerium bekannt geworden sei damals nur eine Ungleichbehandlung bei der Notengebung. Das wahre Ausmaß der Dienstpflichtverletzung sei nicht bekannt gewesen. Weder in dem Schreiben des Missionswerks noch in der Stellungnahme des Beklagten habe sich dazu eine Andeutung gefunden.

III.

Am 9. März 2011 erhob der Kläger Disziplinarklage mit dem Antrag, dem Beklagten die Ruhegehaltsbezüge abzuerkennen.

Dem Beklagten wird unter Einbeziehung des Ergebnisses des behördlichen Disziplinarverfahrens im Einzelnen vorgeworfen:

„Der Beamte unterrichtete in der Zeit vom 1.08.1971 bis 31.07.1976 an der K-L-School in W./N. die Kinder deutscher Missionare und sonstiger Mitarbeiter des Missionswerks der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Der Schule war ein Internat angeschlossen, in dem Kinder von Missionaren während der Abwesenheit der Eltern in der Regel ganzjährig untergebracht waren. In den Ferien wurden die Kinder zum jeweiligen Standort der Eltern auf N. geflogen. Die Kinder kamen im Alter von sieben bis acht Jahren auf eine Schule in W. und wechselten im „Jahre“ (gemeint: Alter) von ca. 12 bis 13 Jahren auf eine Schule in B/A. Das Lehrpersonal an der Schule bestand aus zwei Lehrerinnen, dem Beamten und dem Schulleiter. Der Schulleiter und eine Lehrerin unterrichteten die englischsprachigen Schüler, der Beamte und eine weitere Lehrerin die deutschsprachigen Schüler. Der Beamte selbst unterrichtete im fraglichen Zeitraum ca. acht Schüler bzw. Schülerinnen in zwei Klassen, die sich einen Unterrichtsraum teilten. Der Beamte, seine Frau und die 1972 geborene Tochter des Beamten lebten in einem Haus auf dem Schulgelände in der Nähe der Schule.

1. Sexueller Missbrauch gegenüber K. B., geborene G..

Die Zeugin K. B. wurde ab dem Jahr 1971 in der Schule in W. vom Beklagten unterrichtet. 1972/1973 befand sie sich mit ihren Eltern ein Jahr auf Heimaturlaub in Deutschland und kehrte dann an die Schule in W. zurück. 1975 schließlich wechselte sie auf eine Schule in B.

In der Zeit ab 1971 nahm der Beamte die damals neunjährige Zeugin zu verschiedenen Gelegenheiten auf den Schoß, um sich sexuell zu erregen. Bei diesen Gelegenheiten war sein Glied erigiert.

In Abwesenheit seiner Frau holte der Beamte die Zeugin und ihre Freundin G. G. in sein Haus und ließ sie Hausarbeiten erledigen. Während die Freundin in der Küche sauber machte, nahm er die Zeugin in einer Vielzahl von Fällen mit in das Schlafzimmer, spreizte ihr die Beine auseinander und versuchte, mit seinem Penis in sie einzudringen. Als ihm das bei der kindlichen Zeugin nicht gelang, beschimpfte es sie. Er drang dann mit dem Finger in sie ein, sie musste ihn mit der Hand oder mit dem Mund befriedigen. Mindestens einmal, möglicherweise auch mehrfach, führte der Beklagte mit dem Kind schließlich den Geschlechtsverkehr aus.

Bei einer anderen Gelegenheit schlug der Beamte die damals neunjährige Zeugin, weil sie ihre Periode bekommen hatte.

Um das Schweigen der Zeugin gegenüber anderen und ihren Eltern sicherzustellen, bedrohte der Beamte die Zeugin damit, dass andernfalls ihrem Bruder etwas passieren würde. Er schilderte er ihr, dass er bei einer Fahrt nach W., die an steilen Klippen vorbeiführt, den Truck so lenken würde, dass ihrem Bruder schon etwas passieren würde.

Ab dem Jahr 1975 besuchte die Zeugin eine Schule in B.. Der Beamte überredete die Mutter der Zeugin, dass diese auf dem Weg von A. zu ihren Eltern in N. in W. einen Zwischenstopp machen solle, um die Schule und die alte Umgebung zu besuchen. Die Zeugin sah sich - von der Mutter gedrängt - nicht in der Lage, diesem Ansinnen nicht nachzukommen. Während des einwöchigen Aufenthalts der Zeugin in W. kam es wiederum zur Durchführung verschiedener sexueller Aktivitäten.

Zwischen September und November 1975 sandte der Beamte der Zeugin vier Briefe nach B.. In den Briefen schrieb er der Zeugin, dass er sie liebe und sie vermisse. Die Briefe enthielten körperliche Anzüglichkeiten. Einer der Briefe, die nicht mehr auffindbar sind, enthielt folgende Passage: „Es war so schön mit Dir im Auto. Wie gerne möchte ich das wieder mit Dir machen. Aber vielleicht sind's dann wieder „Srews“ - oder wann geht's endlich mal?!... Ich küsse Dich auf Deine fünf schönsten Stellen am Körper (deine Augen, deinen Mund, deine zwei Brüste und auf deinen …). Herzlichst grüßt und küsst dich Dein W.-herz.“ (zitiert im Personalakt Missionswerk).

Die Mutter der ebenfalls von dem Beamten sexuell missbrauchten Zeugin S. D. (geborene K.) war von ihrer Tochter über die sexuellen Übergriffe ihr gegenüber informiert worden. Als weitere mögliche Betroffene hatte S. D. die Zeugin K. B. benannt. Frau K. veranlasste eine Untersuchung der Zeugin durch einen Gynäkologen, der feststellte, dass bei der Zeugin das Hymen nicht mehr intakt war. Frau K. informierte auch die Eltern der Zeugin über die Übergriffe. In der Folge durchsuchten die Eltern der Zeugin deren Sachen und fanden dabei die Briefe des Beamten.

Der Vater der Zeugin, Pastor H. G., wandte sich von P.-N. aus in mehreren Briefen an das Bayer. Missionswerk und bat um Auskunft über die ihm zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten. Dem Beamten wurde auferlegt, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen, um eine Wiederholungsgefahr ausschließen zu können. Aus einem Brief von Pastor G. vom 14. Juni 1976 ergibt sich schließlich, dass unter der Voraussetzung, dass sich der Beamte einer psychiatrischen Behandlung unterziehen würde, er keine weiteren Maßnahmen für erforderlich halten würde.

Eine Strafanzeige erfolgte nicht, weder durch das Missionswerk noch durch den Vater der Zeugin.

Dem in der Personalakte enthaltenen Schriftverkehr ist zu entnehmen, dass die Bemühungen des Missionswerks ausschließlich dem Wohlergehen und weiteren beruflichen Fortkommen des Beamten gewidmet waren.

2. Sexueller Missbrauch gegenüber S. D., geb. K.

Die Zeugin S. D. war im Internat der K-L-School in W. von August 1972 bis Ende 1975. Von August 1974 bis Ende 1975 unterrichtete der Beamte die Zeugin. Im Laufe des zweiten Trimesters im Jahre 1975 nahm der Beamte die damals zehn- bis elfjährige Zeugin regelmäßig auf den Schoß. Er streichelte ihr das Haar während der Schulstunden. Bei verschiedenen Gelegenheiten küsste er sie nachmittags auf den Mund, nachdem er sie lange umarmt hatte. Bei zwei Gelegenheiten schließlich schob er seine Hand in ihre Unterhose von hinten her, betastete sie und führte seinen Finger in ihre Vagina ein. In den Ferien informierte die Zeugin ihre Eltern. Nach den Ferien kehre sie mit einem Brief ihrer Eltern in die Schule zurück, dass die Eltern davon wüssten und dass sie ein Benehmen anzeigen wollten. Nach Kenntnis des Briefs hielt der Beamte der Zeugin vor, sie hätte ihn betrogen. Ab diesem Zeitpunkt unterließ er die Übergriffe in Bezug auf die Zeugin und verhielt sich ihr gegenüber kalt.

3. Sexuelle Belästigung von M. H., geb. M.

Die Zeugin M. H. war ab dem Jahr 1969 in der K-L-School in W.. Ab ca. 1971 unterrichtete der Beamte die Zeugin als einzige Schülerin ca. 2 ½ Jahre im Fach Französisch. Im Klassenraum waren jedoch auch noch andere Schüler, die sich währenddessen mit anderen Aufgaben beschäftigten.

Während des Unterrichts saß der Beamte neben der zwölfjähren Zeugin, drückte sein Bein gegen das ihre und hatte die Hand auf ihrem Oberschenkel. Dies geschah häufiger. Der Beamte erzählte der Schülerin auf Französisch etwas über ihre Schönheit und äußerte anzügliche Bemerkungen. Dies war der Zeugin sehr peinlich und sie hoffte, dass die anderen Schüler nichts davon verstehen würden.

An einem nicht mehr feststellbaren Tag während dieser Zeit musste die Zeugin auf Anweisung des Beamten eine Tafelaufschrift fertigen. Er stellte sich hinter sie und umfasste von hinten mit beiden Händen ihren Busen.

4. Sexuelle Belästigung gegenüber G. W. (gemeint: G. P.), geborene H..

Die Zeugin war von 1972 oder 1973 bis 1976 in der Missionsschule in W.. Der Beamte unterrichtete sie in der 5. oder 6. Klasse.

Ca. im Jahr 1974 verunglückte die Mutter der Zeugin und ihr Vater erwog, sie zur Adoption freizugeben.

Bereits in der Zeit vor dem Unfall der Mutter, aber auch in der Zeit danach, streichelte er die damals ca. elfjährige Zeugin am nackten Bein und schob seine Hand an der Taille unter ihr T-Shirt. Er sagte ihr bei allen möglichen Gelegenheiten, dass sie die Schönste wäre. Er küsste sie auf die Stirn. Nach dem Unfall der Mutter vermittelte der Beamte der Zeugin den Eindruck, dass er sie adoptieren wolle. Er versprach ihr diverse Dinge zu kaufen, wenn sie erst bei ihm wohnen würde und sagte ihr, wohin er mit ihr verreisen würde.

Auf dem Rückweg von der Kirche bat er sie eines Tages, ihm beim Überziehen der Betten zu helfen. Seine Frau war nicht anwesend. Die Laken waren blutbefleckt. Er erklärte der Zeugin, dass seine Frau ihre Periode hätte und das würde passieren, wenn man in dieser Zeit Geschlechtsverkehr hätte. Nach dem Wechseln der Laken drückte er die Zeugin auf das Bett, hielt sie an der Taille fest und machte „komische Laute“.

Er nahm die Zeugin oftmals auf den Schoß. Bei einigen Gelegenheiten wehrte sich die Zeugin und rief: „geh weg, geh weg!“. Er gezeichnete sie dann vor anderen Schülern als „frigide“. Der Zeugin, die die Bedeutung des Ausdrucks nicht kannte, erklärte er, frigide wäre man, wenn man sich nicht anfassen lassen wolle. Die Zeugin fühlte sich vor den anderen Schülern lächerlich gemacht.“

IV.

Das Verwaltungsgericht erkannte mit Urteil vom 19. März 2012 auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts. Verwirkungs- bzw. Verzichtsumstände könnten nicht durchgreifen. Ein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs für Dienstvergehen, die zur Entfernung aus dem Dienst bzw. zu einer Aberkennung der Ruhestandsbezüge führen, bestehe nicht. Die Rechtsinstitute der „Verwirkung“ oder des „Verzichts auf Ausübung der Disziplinarbefugnisse“ seien im Rahmen von Disziplinarverfahren nicht anwendbar. Es fehlten darüber hinaus aber auch die erforderlichen Voraussetzungen. Regelmaßnahme bei sexuellem Missbrauch von Kindern sei die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. Aberkennung des Ruhegehalts. Dies gelte für einen Lehrer angesichts der ihm obliegenden Aufgaben erst recht. Auf diesem Gebiet habe der Beklagte vollständig versagt. Bei noch aktivem Dienst hätte er aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden müssen.

Gemäß Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgsericht vom 19. März 2012 erklärte der Beklagte u. a., er sei auf Drängen seiner „kirchlichen Vorgesetzten“ wohl im Mai 1976 für zwei Tage in einem psychiatrischen Zentrum in O. befragt bzw. begutachtet worden. Ein förmliches Gutachten sei nicht erstellt worden, ihm sei jedoch gesagt worden, dass er weiter als Lehrer Dienst tun könne.

V.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. März 2012 die Klage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Aberkennung des Ruhegehalts zu erkennen.

Der verhängten Disziplinarmaßnahme stünden eine Verwirkung bzw. ein Verzicht auf die Disziplinarbefugnis entgegen. Auch liege kein Regelfall vor, bei dem der sexuelle Missbrauch von Kindern zur Aberkennung des Ruhegehalts führe. Das Staatsministerium habe im Jahr 1976 auf die Durchführung eines Disziplinarverfahrens verzichtet. Es hätte damals die Richtigkeit des Vorbringens des Beklagten überprüfen können, etwa durch Stellungnahme des Missionswerks. Dies sei offensichtlich unterblieben. Das Ministerium habe letztendlich kein Interesse gezeigt, die „Unregelmäßigkeit gegenüber einer Schülerin“, welche immerhin zu einer vorzeitigen Abberufung des Beklagten geführt hatte, aufzuklären. Ein großer Aufwand wäre hierzu nicht notwendig gewesen. Das Ministerium habe es letztlich in Kauf genommen, ob die Angaben des Beklagten der Richtigkeit entsprächen oder nicht. Dies stelle letztendlich einen Verzicht auf Durchführung eines Disziplinarverfahrens dar. Mit seinem Verhalten habe das Ministerium deutlich gemacht, dass es an dem Berufungskläger weiter festhalten wolle. Des Weiteren wäre, da die Vorfälle zum Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens etwa nahezu 35 Jahre zurücklagen, sehr wohl eine Verwirkung zu prüfen. Jedenfalls habe das damalige Verhalten des Ministeriums Einfluss auf die Maßnahmenfindung. Es sei darauf hinzuweisen, dass die disziplinarrechtlichen Vorwürfe ausschließlich während der Beurlaubung des Beklagten zur Wahrnehmung einer Tätigkeit außerhalb des Dienstes stattgefunden hätten. Er ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte das ihm vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten mit seiner weiteren Dienstverrichtung ab dem 1. August 1976 fortgesetzt habe. Der Beklagte habe sich damals in psychiatrische Behandlung begeben. Aus seinen dienstlichen Beurteilungen ergebe sich eine ansprechende dienstliche Leistung. Er habe weiter das Vertrauen des Dienstherrn genossen. Er befinde sich nunmehr im Ruhestand, insofern gebe es keine spezialpräventiven Gründe für eine Ahndung der Dienstpflichtverletzung.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen für einen Ausschluss der disziplinarischen Verfolgbarkeit durch Verwirkung oder Verzicht lägen nicht vor. Die Rechtsinstitute der Verwirkung und des Verzichts seien im Disziplinarverfahren nicht anwendbar. Abgesehen davon liege kein Verhalten des Staatsministeriums vor, das eine Verwirkung oder einen Verzicht nahelegen würde. Festzuhalten sei, dass der Beklagte sich mit Schreiben vom 29. September 1976 wahrheitswidrig gegenüber dem Ministerium geäußert habe. Damit habe er die Ursache dafür gesetzt, dass das Ministerium keinen Anlass gesehen habe, nach damaligem Recht disziplinare Vorermittlungen einzuleiten. Die Voraussetzungen für eine Aberkennung des Ruhegehalts lägen vor.

Mit Verfügung vom 22. August 2012 ordnete die Landesanwaltschaft Bayern die Einbehaltung von 30 v. H. der monatlichen Ruhegehaltsbezüge des Beklagten an.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten, zudem auf die Personalakte des Missionswerks der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten zu Recht das Ruhegehalt aberkannt.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind auch vom Beklagten im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

II.

Der Senat legt seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde, der Gegenstand der Disziplinarklage des Klägers (Bl. 6 bis 14 der Klageschrift v. 7.3.2011, eingegangen beim VG am 9.3.2011) ist. Der Beklagte hat sich dazu weder im behördlichen noch im gerichtlichen Disziplinarverfahren geäußert. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Beklagte die ihm vorgeworfenen Handlungen begangen hat. Denn zum einen hat der Kläger im Disziplinarverfahren die Zeuginnen K. B., M. H. und G. P. vernommen, sowie schriftliche Äußerungen der Zeugin S. D. eingeholt (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayDG). Die Aussagen der Zeuginnen sind detailreich und widerspruchsfrei, mithin glaubhaft. Sie belegen die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe. Hinzu kommt, dass das Missionswerk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern bereits 1976 umfangreiche, in deren Personalakte dokumentierte Ermittlungen zu den dem Beklagten vorgeworfenen Handlungen durchführte. Mehrfach wurde der Beklagte in N. von Pastor A. vernommen, dabei räumte er jedenfalls die Taten gegenüber K. B. und S. D. im Wesentlichen ein (Aktenvermerk vom 21. Februar 1976). Ebenso bekannte er sich zu den erhobenen Vorwürfen jedenfalls betreffend die Schülerinnen K. B. und S. D. in zwei Schreiben an Oberkirchenrat B. vom 15. Februar 1976. Seine damaligen Einlassungen stehen im Wesentlichen nicht im Widerspruch zu den Aussagen der Zeuginnen K. B. und S. D. im behördlichen Disziplinarverfahren. Hinzu kommt, dass auch die Ehefrau des Beklagten in einem Brief, der am 14. April 1976 bei Oberkirchenrat B. einging, Taten gegenüber der Schülerin K. B. bestätigt. Die Aussagen der Zeugin M. H. im behördlichen Disziplinarverfahren stimmen zudem im Wesentlichen mit den Angaben ihrer Eltern vom 30. Mai 1976 gegenüber Oberkirchenrat B. überein.

III.

Die Verfehlungen des Beklagten gegenüber den vier Schülerinnen stellen ein einheitliches Dienstvergehen dar (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2000 - 1 DB 20.99 - BayVBl 2000, 567, 568). Sie stehen in einem inneren und äußeren Zusammenhang, da sie anlässlich des Dienstes des Beklagten als Lehrer im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Mission/Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern in W./N. begangen wurden.

Durch seine Taten hat der Beklagte ein außerdienstliches Dienstvergehen i. S. d. Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayBG vom 18. Juli 1960 in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung beamtenrechtlicher Vorschriften vom 27. Juli 1970 (GVBl. S. 327) begangen und dadurch vorsätzlich schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt:

Die Taten sind als außerdienstliche Pflichtverletzung zu bewerten. Die Unterscheidung zwischen inner- und außerdienstlichen Verfehlungen bemisst sich nicht in erster Linie nach der formalen Dienstbezogenheit, d. h. nach der engen räumlichen oder zeitlichen Beziehung zum Dienst. Vielmehr kommt es auf die materielle Dienstbezogenheit, nämlich darauf an, ob durch das Verhalten innerdienstliche Pflichten verletzt worden sind (BVerwG, U. v. 21.8.1996 - 1 D 66/95 - juris Rn. 31). Zu fragen ist, ob das pflichtwidrige Verhalten des Beamten in sein Amt und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (BVerwG, U. v. 19.8.2010 - 2 C 5/10 - juris Rn. 9 m. w. N.). Davon ausgehend beging der Beklagte die Taten während seiner Beurlaubung vom staatlichen Gymnasialdienst Bayerns. Ein funktionaler Zusammenhang zwischen den Pflichtverletzungen und der dienstlichen Tätigkeit des Beklagten als beamteter Lehrer im Staatsdienst bestand nicht.

Durch sein Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich schuldhaft gegen seine auch außerdienstliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (Art. 64 Abs. 1 Satz 2 BayBG Stand 1.8.1970) verstoßen.

Dahinstehen kann, ob der Beklagte zudem vorsätzlich schuldhaft gegen die Verpflichtung, die Gesetze zu beachten (Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBG Stand 1.8.1970) verstoßen hat. Innerhalb des Tatzeitraums (1971 bis 1976) waren nach dem StGB vom 15. Mai 1871 i.d. Fassung vom 1. September 1969 (BGBl I 1445 III 450-2) sodann durch die Neufassung vom 2. Januar 1975 (BGBl. I 1) grundsätzlich sowohl der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB 1969/1975) als auch der sexuelle Missbrauch von Kindern (§ 176 StGB 1969/1975) strafbar. Auch galt nach § 3 Abs. 1 StGB 1969 das deutsche Strafrecht für die Tat eines deutschen Staatsangehörigen, einerlei, ob er sie im Inland oder im Ausland beging. Eine Einschränkung sah § 3 Abs. 2 StGB 1969 vor. Danach galt das deutsche Strafrecht für eine im Ausland begangene Tat, die nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht war, nicht, wenn die Tat wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafwürdiges Unrecht war. § 3 StGB 1975 normierte sodann, dass das Strafrecht für Taten gilt, die im Inland begangen werden. Ausnahmsweise gilt gemäß § 5 Nr. 8 StGB 1975 das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts u. a. für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 174 Abs. 1, Abs. 3 sowie 176 Abs. 1 bis 4, 6 StGB für Taten, die im Ausland begangen werden, wenn der Täter und der, gegen den die Tat begangen wird, zur Zeit der Tat Deutsche sind und ihre Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes haben. Eine weitere Ausnahme der Geltung des Strafgesetzbuches für Auslandstaten sieht § 7 Abs. 1 StGB 1975 für Taten vor, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB 1975 gilt das deutsche Strafrecht für andere Taten, die im Ausland begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist.

Der Senat lässt offen, ob der Beklagte durch seine Handlungen gegen das deutsche Strafrecht (StGB in den Fassungen 1969/1975) verstieß. Bei der Bewertung seines Verstoßes gegen die außerdienstliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten ist allerdings zu berücksichtigen, dass er bei Unterstellung eines Tatortes in Deutschland die Straftatbestände der §§ 174 und 176 StGB in den damals geltenden Fassungen jedenfalls gegenüber den Opfern K. B. und S. D. verwirklicht hätte.

Die außerdienstliche Pflichtverletzung stellt auch ein Dienstvergehen dar. Der sachliche Geltungsbereich des Disziplinarrechts war damals und ist heute für den seinerzeit aus dem bayerischen Staatsdienst beurlaubten Beklagten eröffnet (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BayDO 1970, Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BayDG). Auch erfüllt die außerdienstliche Pflichtverletzung die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayBG 1970, § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Danach ist ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Davon ist auszugehen. Zwar wird von einem Beamten außerdienstlich kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet als von jedem Bürger. Hier übersteigt jedoch das Fehlverhalten des Beamten das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Mindestmaß an disziplinarischer Relevanz deutlich und erfüllt damit die besonderen Anforderungen an ein Dienstvergehen. Denn der Beklagte hat als Lehrer im kirchlichen Dienst ihm anvertraute Kinder sexuell missbraucht. Ein derartiges Verhalten mit höchst schädlichen Wirkungen auf die Kinder ist gesellschaftlich geächtet. Auch hat das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 19.8.2010 - 2 C 13/10 - juris), dem sich der Senat anschließt (vgl. BayVGH, U. v. 15.2.2012 - 16a D 10.1974 - juris), in neuerer Zeit ausgeführt, dass schon ein außerdienstliches Fehlverhalten, das keinen Bezug zur Dienstausübung aufweist, regelmäßig ein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis auslöst, wenn es sich dabei um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt. § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB 1969/1975 sah zum Tatzeitpunkt für den tatbestandlich durch den Beklagten verwirklichten sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. Der sexuelle Missbrauch von Kindern wurde nach § 176 Abs. 1 StGB 1969/1975 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minderschweren Fällen mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Durch diese strafrechtliche Bewertung des Fehlverhaltens hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dieses Verhalten als in besonderem Maße verwerflich ansieht. Zwar bleibt offen, ob das Verhalten des Beklagten wegen des Tatorts im Ausland hier strafbar ist. Allerdings hat der Beklagte (unabhängig von der Frage des Geltungsbereichs des Gesetzes) vorsätzlich und schuldhaft die jeweiligen Straftatbestände, jedenfalls gegenüber den Opfern K. B. und S. D. verwirklicht. Dies lässt ohne Weiteres darauf schließen, dass ein derartiges Fehlverhalten das Ansehen des Beamtentums in einer Weise beeinträchtigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionstüchtigkeit nicht hingenommen werden kann.

Hinzu kommt, dass das Fehlverhalten einen Bezug zur dienstlichen Tätigkeit des Beklagten aufweist. Dafür genügt, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem Amt im konkret-funktionellen Sinne zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Insoweit genügt die bloße Eignung, zu einem konkreten Ansehensschaden muss es nicht gekommen sein (BVerwG, U. v. 19.8.2010 - 2 C 5/10 - juris, BVerwG, B. v. 21.12.2010 -2 B 29/10 - juris). Dies ist zu bejahen. Zum einen lässt das Fehlverhalten des Beklagten während seiner Beurlaubung insoweit Rückschlüsse auf dessen Dienstausübung als staatlich beamteter Gymnasiallehrer zu, als sich die Frage aufdrängt, ob sich derartige Taten wiederholen könnten. Zum anderen ist das Fehlverhalten geeignet, das Vertrauen der Schüler, der Eltern, der Kollegen, der Vorgesetzten und der gesamten Öffentlichkeit in die Lehrerstellung des Beklagten zu untergraben, mithin die Dienstausübung zu beeinträchtigen.

IV.

Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 Sätze 1, 2, 13 BayDG). Ein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs (Art. 16 BayDG) besteht für die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts nicht.

Bei der Anwendung des Bemessungskriteriums „Schwere des Dienstvergehens“ ist das festgestellte Dienstvergehen nach seinem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen. Hierbei können die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris Rn. 20). Wiegt das Dienstvergehen schwer, kann das Persönlichkeitsbild des Beamten nur ausnahmsweise die Disziplinarmaßnahme noch im Sinne einer Milderung beeinflussen (BVerwG, B. v. 15.4.2009 - 2 B 1/09 - juris).

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es - etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder gar einer psychischen Ausnahmesituation - davon abweicht (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris Rn. 14).

Der Gesichtspunkt der „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 15).

Aus den gesetzlichen Zumessungskriterien folgt die Verpflichtung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall be- und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung ist danach die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Anbetracht der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 16).

Bei dieser Gesamtwürdigung haben die Gerichte zunächst die im Einzelfall bemessungsrelevanten Tatsachen zu ermitteln und sie mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Während bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens nur solche belastenden Tatsachen berücksichtigt werden dürfen, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen, sind entlastende Umstände schon dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 17).

Auf der Grundlage des so zusammengestellten Tatsachenmaterials haben die Gerichte eine Prognose über das voraussichtliche künftige dienstliche Verhalten des Beamten zu treffen und das Ausmaß der von ihm herbeigeführten Ansehensbeeinträchtigung des Berufsbeamtentums einzuschätzen. Bei schweren Dienstvergehen stellt sich vorrangig die Frage, ob der Beamte nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist. Ein endgültiger Vertrauensverlust i. S. v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG ist anzunehmen, wenn aufgrund der prognostischen Gesamtwürdigung und auf der Grundlage aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 18). Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, wegen eines endgültigen Vertrauensverlustes aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen.

Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ist beim (außerdienstlichen) sexuellen Missbrauch von Kindern die Entfernung aus dem Dienstverhältnis (BVerwG, U. v. 27.7.2010 - 2 WD 5/09 - juris). Die Schwere des Dienstvergehens indiziert bei einem außerdienstlichen sexuellen Missbrauch eines Kindes gemäß § 176 Abs. 1 StGB, der mit einer Freiheitsstrafe geahndet wurde, die Höchstmaßnahme, wenn es in der Gesamtheit an hinreichend gewichtigen entlastenden Gesichtspunkten fehlt (BVerwG U. v. 25.3.2010 - 2 C 83/08, B. v. 23.6.2010 - 2 B 44/09 - juris). Innerdienstliche sexuelle Verfehlungen von Lehrern an ihnen anvertrauten Schülern machen den Beamten regelmäßig untragbar (BayVGH, U. v. 12.3.2013 -16a D 11.624 - juris).

Dies zugrunde gelegt ist hier der Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Aberkennung des Ruhegehaltes, Art. 13 BayDG. Zwar wurde der Beklagte strafrechtlich nicht verurteilt. Es steht aber fest, dass er nach deutschem Recht vorsätzlich und schuldhaft die Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern und von Schutzbefohlenen verwirklicht hat (§§ 174, 176 StGB 1969/1975).

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 19.8.2010 - 2 C 5.10 - juris) richtet sich die Schwere relevanter außerdienstlicher Straftaten in erster Linie nach dem gesetzlichen Strafrahmen. Dadurch bringt der Gesetzgeber den Unwertgehalt eines Delikts verbindlich zum Ausdruck. Diese gesetzliche Wertung ist richtungsweisend für die Schwere des Dienstvergehens und damit für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen war gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB 1969/1975 mit einem Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren belegt. Für den sexuellen Missbrauch von Kindern sah § 176 Abs. 1 StGB 1969/1975 eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minderschweren Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Liegt - wie hier - ein Dienstbezug vor, so ist der Orientierungsrahmen bereits bei einem Strafrahmen bis zu zwei Jahren die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U. v. 19.8.2010 - 2 C 5.10 - juris Rn. 24), hier die Aberkennung des Ruhegehalts, U. v. 21.12.2010 - 2 B 29.10 - juris Rn. 14.

Ausgehend von diesem Orientierungsrahmen ist in der Gesamtschau der Schwere des Dienstvergehens die Aberkennung des Ruhegehalts angezeigt, Art. 6 Abs. 2 Nr. 2, Art. 13 BayDG.

Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist bereits unabhängig von dem konkreten Amt, das ein Beamter innehat, geeignet, das Ansehen des Berufsbeamtentums derart schwerwiegend zu beeinträchtigen, dass als Richtschnur für die Maßnahmebemessung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts zugrunde gelegt werden kann. Dies folgt aus der in hohem Maße schädlichen Wirkung eines sexuellen Missbrauchs für die Persönlichkeit des Kindes (Art. 2 Abs. 1 GG), verbunden mit einer schweren Verletzung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG, BVerwG, U. v. 25.3.2010, B. v. 23.6.2010 jeweils a. a. O.). Das Bundesverwaltungsgericht führt in beiden Entscheidungen weiter aus: „Der strafbare sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeitsschädigend, weil er in den Reifeprozess eines jungen Menschen eingreift und nachhaltig die Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit gefährdet. Ein Kind oder Jugendlicher kann wegen seiner fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife das Erlebte intellektuell und gefühlsmäßig in der Regel gar nicht oder nur sehr schwer verarbeiten. Zugleich benutzt der Täter sein kindliches Opfer als Mittel zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs. In dieser Herabminderung zum bloßen Objekt seines eigenen Sexualverhaltens liegt eine grobe Missachtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte des betroffenen Kindes. Sexualdelikte gegen Kinder unterliegen mittlerweile durchgängig einer starken gesellschaftlichen Ächtung… Deshalb führt auch der außerhalb des Dienstes begangene sexuelle Missbrauch eines Kindes durch einen Beamten in der Vorstellungswelt eines vorurteilsfrei wertenden Betrachters zu einer erheblichen Ansehensbeeinträchtigung des Beamten, wenn nicht zu völligem Ansehensverlust, also zu einem Verlust des Vertrauens der Allgemeinheit in die Integrität des Beamtentums. Insbesondere in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat ist das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Beamtenschaft für den geordneten Ablauf der öffentlichen Verwaltung unabdingbar. Dieses Vertrauen wird auch durch das persönliche Ansehen eines jeden Beamten bestimmt…“. Dem schließt sich der Senat an.

Hinzu kommt, dass der Beklagte in seiner Eigenschaft als vom Staatsdienst beurlaubter, im kirchlichen Dienst stehender Lehrer Schutzbefohlene sexuell missbraucht und sexuell belästigt hat. Damit hat er grundsätzlich seine Nichteignung für den Lehrerberuf gezeigt. Ein Lehrer ist nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der Schüler verpflichtet. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Schüler fördern und schützen. Schüler, Eltern, Vorgesetzte und Öffentlichkeit müssen sich unbedingt darauf verlassen können, dass sexuelle Verfehlungen von Lehrern gegenüber Schülern unterbleiben. Die Wahrung der Integrität der Schüler, die Pflicht zur Gewährleistung ihrer behutsamen Entwicklung sowie Anspruch und Vertrauen der Schüler und Eltern darauf, dass Lehrer das Obhut- und Näheverhältnis zu den Schülern nicht zur Verfolgung eigener Bedürfnisse ausnutzen, verpflichten den Lehrer dazu, sich in sexueller Hinsicht uneingeschränkt korrekt - in Wort und Tat - zu verhalten (BayVGH, U. v. 12.3.2013 - 16a D 11.624 - juris). Der Umstand, dass der Beklagte gegen diese Grundsätze nicht innerdienstlich, sondern während seiner Beurlaubung vom staatlichen Gymnasialdienst verstoßen hat, führt zu keiner anderen Einschätzung. Denn er war auch im kirchlichen Dienst als Lehrer tätig und hat gegenüber den ihm anvertrauten Kindern völlig versagt.

Die äußerst schwere Dienstverfehlung des Beklagten, welche hier die Höchstmaßnahme indiziert, liegt zum einen in seinem Verhalten gegenüber der Schülerin K. B., die er über einen längeren Zeitraum sexuell missbraucht hat, zudem in seinem Verhalten gegenüber den Schülerinnen S. D., M. H. und G. P .(sexueller Missbrauch der S. D., zumindest sexuelle Belästigungen der M. H. und G. P.). Noch erschwerend kommt hinzu, dass die Schülerinnen K. B. und S. D. von noch Jahre später auftretenden massiven psychischen Belastungen berichtet haben.

Die für den Beamten sprechenden Entlastungsgründe haben in einer Gesamtwürdigung kein solches Gewicht, dass von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen wäre (BVerwG, U. v. 23.12.2012 - 2 C 38/10 - juris Rn. 13 bis 15).

Die Geltendmachung des disziplinaren Verfolgungsanspruchs ist unter Würdigung des Verhaltens des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus im Jahr 1976 nicht durch Verwirkung oder Verzicht seitens des Klägers ausgeschlossen.

Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist dem Disziplinarrecht fremd. Im Mittelpunkt disziplinarer Betrachtung und Wertung eines Beamten steht ausschließlich die Frage, ob er für das ihm übertragene Amt noch tragbar bzw. ob, wenn dies der Fall ist, Disziplinarmaßnahmen erzieherischen Charakters verhängt werden müssten, um den Eintritt der Untragbarkeit für das Amt durch Wiederholung einschlägigen oder anderen Missverhaltens zu verhindern. Diese für das Disziplinarrecht hiernach allein legitime Funktion ist nur bei Bewertung der gesamten Persönlichkeit des Beamten und nicht schon einzelner seiner Handlungen möglich. Dem materiellen Disziplinarrecht sind mithin festumrissene Tatbestände grundsätzlich ebenso wesensfremd wie andere Rechtseinrichtungen, die begrifflich Einzelhandlungen oder durch logischen oder zeitlichen Zusammenhang gekennzeichnete und insoweit auch beschränkte Verhaltensweise voraussetzen. Dies aber ist bei der Rechtseinrichtung der Verwirkung der Fall. Bei deren Anwendung wäre das Disziplinarrecht seines Wesens und seiner Funktion, zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes reinigende oder doch erzieherische Maßnahmen zu verwirklichen, entkleidet. (BVerwG, B. v. 6.7.1984 - 1 DB 21/84 -juris, U. v. 26.2.1988 - 2 WD 37/87, NVwZ 1989, 561, B. v. 13.10.2005 - 2 B 19/05 - juris).

Ebenso wenig besteht im Disziplinarrecht die Möglichkeit der Freistellung von der Verfolgung durch behördlichen Verzicht (BVerwG U. v. 26.2.1988 a. a. O.). Diese wäre allenfalls denkbar, wenn ein formaler fehlerfreier Verfolgungsverzicht durch die zuständige Behörde vorläge (BVerwG, U. v. 26.2.1988 a. a. O.). Dies ist nicht der Fall.

Auch die langjährige Bewährung des Beklagten im staatlichen Gymnasialdienst nach den begangenen Taten (1976 bis zur Pensionierung 1999) rechtfertigt kein Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme. Ein Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs besteht gemäß Art. 16 BayDG für die Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) nicht. Trotz seiner langjährigen Bewährung nach den Taten hat der Beklagte durch das von ihm verwirklichte schwere Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Deshalb ist ihm das Ruhegehalt abzuerkennen (Art. 14 Abs. 2 Sätze 1 und 2 BayDG). Der endgültige Verlust des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beruht hier darauf, dass aufgrund der Gesamtwürdigung aller im Einzelfall bedeutsamen be- und entlastenden Gesichtspunkte der Schluss gezogen werden muss, dass die durch das Fehlverhalten des Beamten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnis nicht wieder gutzumachen ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Ruhestandsbeamte künftig - da er nicht mehr als Lehrer im aktiven Dienst tätig ist - keine Gelegenheit mehr hat, jedenfalls in ähnlicher Weise wie in der Vergangenheit zu fehlen. Hat nämlich ein Ruhestandsbeamter im aktiven Dienst ein schweres Dienstvergehen begangen, das die Entfernung aus dem Dienst nach sich gezogen hätte, so ist ihm das Ruhegehalt abzuerkennen. Durch diese Maßnahme wird das Ruhestandsbeamtenverhältnis beendet. Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität des Berufsbeamtentums zu erwarten, wenn ein Ruhestandsbeamter, der wegen eines schweren Dienstvergehens als aktiver Beamter nicht mehr tragbar wäre, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehenen Titel zu führen. Zum anderen gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG, dass ein Beamter, der nach Begehung eines zur Auflösung des Beamtenverhältnisses führenden Dienstvergehens in den Ruhestand tritt, nicht besser gestellt wird als ein Beamter, der bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens im aktiven Dienst verbleibt (zusammenfassend BVerwG, U. v. 24.5.2007 -2 C 28/06, B. v. 13.10.2005 - 2 B 19/05 - jeweils juris, BayVGH, U. v. 25.3.2009 -16a D 07.1652 - juris).

Weder der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) noch das Verhältnismäßigkeitsprinzip führen dazu, dass wegen des Verhaltens des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus im Jahr 1976 von der disziplinaren Höchstmaßnahme abzusehen wäre:

Durch den Brief des Missionswerkes vom 22. Juli 1976 wurde dem Ministerium bekannt, dass der Beklagte sich einer Schülerin gegenüber Unregelmäßigkeiten zu Schulden habe kommen lassen. Damit war der Dienstvorgesetzte des Beklagten gemäß Art. 27 Abs. 1 BayDO 1970 verpflichtet, die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen. Die Ermittlungen hat das Ministerium insoweit durchgeführt, als es eine schriftliche Stellungnahme des Beklagten einholte.

Es kann dahinstehen, ob der vom Dienstvorgesetzten betriebene Umfang der Aufklärung den gesetzlichen Anforderungen genügte. Jedenfalls hat das Missionswerk in seinem Schreiben vom 22. Juli 1976 den Sachverhalt zugunsten des Beklagten verschleiert. Auch hat der Beklagte am 29. September 1976 vorsätzlich wahrheitswidrige Angaben gemacht. Davon ausgehend hatte der Dienstvorgesetzte keine Veranlassung, gegen den Beklagten einen Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern bzw. Schutzbefohlenen zu hegen. Dies entsprach auch gerade den Absichten des Beklagten. Es war ihm (begünstigt durch das Handeln des Missionswerks) daran gelegen, seine Taten zu verbergen, um weiterhin im Staatsdienst tätig sein zu können. Die (formlose) Einstellung der Ermittlungen hat ihn mithin begünstigt, sie war in seinem Sinne. Im Übrigen mag es zwar sein, dass durch eine weitergehende Aufklärung, insbesondere die Anforderung des Personalakts des Missionswerks durch den Dienstvorgesetzten, die Taten des Beklagten schon damals dem Kläger bekannt geworden wären. Unabhängig davon, welche Folgen dies für den Beklagten damals gehabt hätte, kann der Umstand etwaiger mangelhafter Ermittlungen des Dienstvorgesetzten dem Beklagten aufgrund dessen eigenen Verhaltens heute nicht mehr zugute kommen. Eine etwaige Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben ist dem Beklagten mithin verwehrt.

Nämliches gilt für den Umstand, dass der Dienstvorgesetzte das Schreiben des Beklagten vom 29. September 1976, in welchem dieser wahrheitswidrig und zum Zwecke der Verschleierung seiner begangenen Taten die vom Missionswerk angezeigten „Unregelmäßigkeiten“ dadurch erklärte, er habe eine Schülerin in der Notengebung und im Unterricht bevorzugt, nicht zum Anlass nahm, aufgrund dieses Vortrags (weitere) Vorermittlungen gemäß Art. 27 Abs. 1 BayDO 1970 zu veranlassen. Denn es kann sich für den Beklagten nicht entlastend auswirken, dass er mit seinem damaligen den wahren Sachverhalt vertuschenden Verhalten Erfolg hatte.

Von der Verhängung der Höchstmaßnahme ist auch nicht deshalb abzusehen, weil die Ermittlung entlastender Umstände zugunsten des Beklagten im streitgegenständlichen Disziplinarverfahren durch etwaige mangelhafte Ermittlungen des Dienstvorgesetzten ab dem Jahr 1976 erschwert oder unmöglich gemacht wurden. Denn zum einen steht der dem Beklagten zur Last gelegte Sachverhalt aufgrund der durch das Missionswerk ab dem Jahr 1976 vorgenommenen Untersuchungen, seinen eigenen damaligen Einlassungen und den unabhängig davon umfassenden, die Vorwürfe tragenden Ermittlungen der Disziplinarbehörde fest. Zum anderen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, welche durchgreifenden entlastenden Umstände der Beklagte in einem 1976 beginnenden Disziplinarverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern/Schutzbefohlenen hätte vortragen können. Zudem hat der Beklagte etwaige eingeschränkte Möglichkeiten der Darstellung entlastender Umstände im streitgegenständlichen Disziplinarverfahren selbst zu verantworten. Denn er hat durch die wahrheitswidrigen Angaben gegenüber dem Ministerium in seinem Schreiben vom 29. September 1976 erreichen wollen, dass der Behörde seine Taten nicht bekannt werden. Er hat es zu verantworten, dass er mit seinem vertuschenden Verhalten damals Erfolg hatte. Deshalb kann er sich im hiesigen Disziplinarverfahren auf etwaige mangelnde Möglichkeiten der Darlegung entlastender Umstände nicht berufen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte bei der Tatbegehung schuldunfähig wegen seelischer Störungen i. S. d. § 20 StGB gewesen sein könnte, bietet der Sachverhalt nicht. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte für die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB. Der Beklagte hat sich darauf auch nicht berufen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er lediglich davon berichtet, er sei für zwei Tage in einem psychiatrischen Zentrum „begutachtet“ worden, ihm sei gesagt worden, dass er weiterhin als Lehrer Dienst tun könne.

Auch sonstige entlastende Umstände sind nicht gegeben. Insbesondere handelte der Beklagte nicht in einer psychischen Ausnahmesituation. Dieser anerkannte Milderungsgrund setzt eine seelische Zwangslage voraus, die durch ein unvorgesehenes Ereignis ausgelöst worden ist, das schockartig auf den Beamten eingewirkt und zu einer für einen derartigen Zustand typischen Fehlhandlung geführt hat. Hierfür reicht z. B. eine allgemein angespannte Seelenlage in Verbindung mit schwierigen familiären Verhältnissen nicht aus (BayVGH, U. v. 22.9.2010 - 16b D 10.314 - juris). Den Behauptungen der Ehefrau des Beklagten in ihrem Brief an das Missionswerk können mithin mildernde Umstände ebenso wenig entnommen werden wie den Erklärungsversuchen des Beklagten in seinem Schreiben vom 15. Februar 1976

Auch die Würdigung des Persönlichkeitsbilds und die dienstlichen Leistungen des Beklagten ändern nichts daran, von der Höchstmaßnahme abzusehen. Der Beamte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet, er ist seinen dienstlichen Pflichten im Staatsdienst beanstandungsfrei nachgekommen. Besondere Milderungsgründe können daraus angesichts der Schwere des Dienstvergehens nicht entnommen werden.

Eine positive Prognose zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme gebieten würde, ist in der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände danach nicht möglich. Der Beamte hat das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren, ihm ist das Ruhegehalt abzuerkennen, da er, wäre er noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von dem Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen endgültig zerstört, erweist sich die Aberkennung des Ruhegehalts als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezählten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauenschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis - wie hier - endgültig zerstört, erweist sich die Aberkennung des Ruhegehalts als angemessene und hier auch heute noch erforderliche Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Höchstmaßnahme beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem daher als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Dienstpflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U. v. 14.10.2003 - 1 D 2/3, U. v. 8.3.2005 - 1 D 15/04 - jeweils juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie auf das Vorliegen von Verfahrensfehlern (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Der 1964 geborene Beklagte steht als Amtsinspektor (Besoldungsgruppe A 9 BBesO) im Dienst der Klägerin. Von 2006 bis 2010 war er in der Deutschen Botschaft in ... als Sachbearbeiter für Dienstkraftfahrzeugangelegenheiten sowie als Vertreter des Zahlstellenleiters tätig. Im Jahr 2009 nutzte der Beklagte seine Befugnisse dazu, durch Schecks übermittelte Geldbeträge, die dem Budget der Botschaft als Einnahmen hätten zugehen müssen und sein Sachgebiet der Dienstkraftfahrzeuge betrafen, nicht in das Buchungssystem der Botschaft einzutragen, sondern sich durch Einreichung von auf seinen Namen lautenden Schecks auf sein privates Konto umzuleiten. Wegen dieses Sachverhalts verurteilte das Amtsgericht den Beklagten im Dezember 2011 durch Strafbefehl wegen Untreue in drei besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten. Hintergrund der Veruntreuung war, dass sich der Beklagte durch hochspekulative Börsengeschäfte verschuldet hatte. Die der Botschaft vorenthaltenen Beträge nutzte er, um auf seinem Kreditkartenkonto ein Guthaben für den Lebensunterhalt seiner Familie zu erhalten. Die auf das Gehaltskonto eingehenden Zahlungen verwendete der Beklagte weiterhin für den Handel mit Wertpapieren.

3

Nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens im Mai 2011 stellte der Beklagte den Handel mit Wertpapieren ein, ließ bei seiner Bank die Termingeschäftsfähigkeit widerrufen, suchte die psycho-soziale Beratungsstelle des Auswärtigen Amtes auf und zahlte im November 2011 den veruntreuten Betrag in Höhe von 11 077,30 € an die Klägerin zurück. Nach Beteiligung des Personalrats hat die Klägerin Disziplinarklage mit dem Ziel der Zurückstufung des Beklagten erhoben. Der Beklagte habe durch sein Fehlverhalten das Vertrauen in seine Integrität erheblich erschüttert. Es könne jedoch von einer günstigen Zukunftsprognose ausgegangen werden, weil der Beklagte den Spekulationstrieb überwunden habe. Die Unterstützung durch seine Familie spreche für die Annahme, dass er die durch Börsenspekulationen geprägte negative Lebensphase überwunden habe.

4

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten durch Urteil aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Das innerdienstlich begangene Dienstvergehen des Beklagten erfordere nach Maßgabe des § 13 BDG seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Das Zugriffsdelikt des Beklagten indiziere, weil die Schwelle der Geringfügigkeit von 50 € um ein Vielfaches überschritten sei, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens könne nicht angenommen werden, dass beim Beklagten im Zeitraum der Taten die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen sei. Zwar sei der Beklagte spielsüchtig gewesen. Suchtarten wie Alkohol-, Drogen- oder Spielsucht stünden einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB nur gleich, wenn sie entweder zu schwerwiegenden psychischen Persönlichkeitsveränderungen geführt hätten, der Betroffene Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen oder die Tat im akuten Rausch begangen habe. Dies sei nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters auszuschließen. Sonstige "anerkannte" Milderungsgründe lägen nicht vor. Die darüber hinausgehende Würdigung aller bemessungsrelevanten, auch positiven Gesichtspunkte falle wegen des planmäßigen Vorgehens des Beklagten, des dreimaligen Zugriffs sowie der Höhe des Schadens zu seinen Lasten aus. Hinsichtlich der Frage, ob der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG verloren habe, sei eine objektive Bewertung durch das Gericht geboten. Bekundungen des Vertrauens durch Geschädigte, Behördenleiter oder Kollegen oder die, wie hier, milde Haltung des Dienstvorgesetzten seien nicht ausschlaggebend.

6

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

7

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

8

a) Die Beschwerde sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zum einen in den Fragen,

"ob die Annahme einer negativen Lebensphase erfordert, dass der Beamte gegenüber seinem Dienstherrn durch Leistungsminderungen auffällt"

und

"ob das Vorliegen einer überwundenen negativen Lebensphase regelmäßig zum Absehen von der indizierten Höchstmaßnahme führen kann, wenn bei einem Zugriffsdelikt tatsächliche Anknüpfungspunkte für eine positive Persönlichkeitsprognose vorliegen."

9

Diese Fragen vermögen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu rechtfertigen, weil sie einerseits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, ohne dass insoweit erneuter Klärungsbedarf dargelegt wird, und sie andererseits die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach Maßgabe des § 13 BDG im konkreten Einzelfall betreffen, die einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.

10

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt der - gesetzlich nicht bestimmte, sondern lediglich in der gerichtlichen Praxis entwickelte - Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ außergewöhnliche Verhältnisse voraus, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt "aus der Bahn geworfen" haben. Die mildernde Berücksichtigung liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Verhältnisse darstellt. Allerdings muss der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden haben. Dies ist anzunehmen, wenn sich seine Lebensverhältnisse wieder soweit stabilisiert haben, dass nicht mehr davon die Rede sein kann, er sei weiterhin "aus der Bahn" geworfen. Eine derartige Stabilisierung indiziert, dass weitere Pflichtenverstöße gleicher Art nicht zu besorgen sind (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 18. April 1979 - 1 D 39.78 - BVerwGE 63, 219 <220 f.>, vom 23. August 1988 - 1 D 136.87 - NJW 1989, 851, vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 39, vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - NVwZ 2013, 1087 Rn. 40 f. und vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:101215U2C6.14.0] NVwZ 2016, 722 Rn. 36; Beschlüsse vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - [ECLI:DE:BVerwG:2014:091014B2B60.14.0] Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 32 und vom 22. März 2016 - 2 B 43.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:220316B2B43.15.0 Rn. 11 f.).

11

Danach muss es sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Wenn aber das Verhalten des Beamten zum Tatzeitpunkt in keiner Hinsicht auffällig gewesen ist, bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beamte sei aufgrund von außergewöhnlichen Umständen "zeitweilig aus der Bahn geworfen".

12

Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts war der Beklagte zum Tatzeitpunkt in der Lage, seinen dienstlichen Pflichten nachzukommen. Zwar gab es vereinzelt Vorhaltungen seiner Vorgesetzten, in der dienstlichen Beurteilung wurde seine Tätigkeit für den fraglichen Zeitraum aber als überdurchschnittlich bewertet. Seine finanziellen Schwierigkeiten konnte der Beklagte nach seinen Angaben vor seiner Familie verborgen halten; sein Familienleben wies keine ungewöhnlichen Vorkommnisse auf.

13

Die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe führen teilweise zu einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, es sei denn, es liegen gegenläufige belastende Umstände vor (BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 37 ff. und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 26 für den Milderungsgrund der tätigen Reue durch Offenbarung des Fehlverhaltens oder durch freiwillige Wiedergutmachung des Schadens vor Entdeckung). Für den Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“, der hier nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts bereits nicht vorliegt, gilt die regelhafte Herabstufung der angemessenen Disziplinarmaßnahme dagegen nicht (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 7 ff.). Vielmehr ist eine solch negative Lebensphase während des Tatzeitraums je nach den Umständen des Einzelfalls als mildernder Gesichtspunkt im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 13 BDG zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - 2 C 3.12 - BVerwGE 146, 98 Rn. 40). Die Bemessung der Disziplinarmaßnahme nach Maßgabe des § 13 BDG betrifft aber die Umstände des konkreten Einzelfalls und ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

14

b) Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam sieht die Beschwerde auch die Frage an,

"ob die Disziplinargerichte an einen ausdrücklichen oder konkludenten Antrag in der Disziplinarklage gebunden und dementsprechend gehindert sind, eine schwerere als die beantragte Disziplinarmaßnahme zu verhängen."

15

Diese Frage vermag die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu begründen, weil sie bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des Oberverwaltungsgerichts dahingehend geklärt ist, dass das Gericht, entgegen § 88 VwGO, nicht an den Antrag des klagenden Dienstherrn gebunden ist.

16

Nach § 34 Abs. 1 BDG ist gegen einen Beamten Disziplinarklage zu erheben, wenn gegen ihn auf Zurückstufung, auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden soll. Die Vorschrift bringt die Notwendigkeit der Erhebung der Disziplinarklage als Abschlussentscheidung des Dienstherrn zum Ausdruck, wenn dieser als disziplinarische Maßnahme eine Zurückstufung oder die Höchstmaßnahme für erforderlich hält. Dass die Einschätzung des Dienstherrn hinsichtlich des Verhaltens des betroffenen Beamten insoweit maßgeblich ist, zeigt sich auch daran, dass der Dienstherr die Disziplinarklage, wie sich unmittelbar aus § 61 Abs. 1 BDG ergibt, auch zurücknehmen kann.

17

Andererseits ergibt sich aus dem Gesetz auch unmittelbar, dass die Disziplinarbefugnis des Gerichts, soweit Disziplinarklage erhoben und diese nicht wieder zurückgenommen worden ist, unbeschränkt und insbesondere nicht an Anträge des Dienstherrn gebunden ist. Dies hat zur Folge, dass die Vorschrift des § 88 VwGO im gerichtlichen Disziplinarverfahren nicht über die Verweisungsnorm des § 3 BDG anzuwenden ist. Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG kann das Gericht in dem Urteil auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme erkennen oder die Disziplinarklage abweisen; die Vorschrift des § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG gilt nach § 65 Abs. 1 Satz 1 und § 70 Abs. 1 BDG auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren. Nach § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG ist es bei einer Disziplinarklage Sache der Verwaltungsgerichte, die angemessene Disziplinarmaßnahme nach Maßgabe des § 13 BDG zu bestimmen. Dabei sind die Gerichte weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <255>, vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 11 und vom 28. Juli 2011 - 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 Rn. 18).

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Wegen dieser fehlenden Bindung der Disziplinargerichte an die Vorgaben und Wertungen des die Klage erhebenden Dienstherrn muss die Klageschrift auch keinen Sachantrag enthalten (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <255>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 26 und vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 - Schütz, BeamtR, ES/B II 1.1. Nr. 26 Rn. 32). Dies folgt unmittelbar aus § 52 Abs. 1 BDG, der die formalen Anforderungen an eine Disziplinarklage regelt. Anders als in § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist die Formulierung eines bestimmten Antrags in § 52 Abs. 1 BDG nicht einmal als Soll-Vorschrift vorgesehen.

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3. Die vom Beklagten in der Beschwerdebegründung behaupteten Verfahrensmängel (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.

20

a) Einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz sieht die Beschwerde des Beklagten darin begründet, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung des Milderungsgrundes der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ einige die damalige Lebenssituation des Beklagten prägende Umstände zu dessen Nachteil nicht berücksichtigt habe. Der Vorwurf des Verstoßes gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist unbegründet.

21

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht einzelne entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse bei der Würdigung des Sachverhalts außer Acht lassen, insbesondere nicht Umstände übergehen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts (stRspr; vgl. BVerwG; Beschlüsse vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27 und vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - [ECLI:DE:BVerwG:091014B2B60.14.0] Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 41). Im Hinblick auf die in der Beschwerdebegründung genannten Umstände wird das Berufungsurteil diesen Anforderungen gerecht.

22

Der hier in Rede stehende Milderungsgrund, der ohnehin nicht zu einer regelmäßigen Reduzierung der angemessenen Disziplinarmaßnahme um eine Stufe führt, setzt außergewöhnliche Verhältnisse voraus, die den Beamten "aus der Bahn werfen". Dies ist auch in Ansehung des in der Beschwerdebegründung genannten Umstands des massiven Verlangens nach Börsenspekulationen, die den Beklagten in seiner Freizeit zum permanenten Spielen veranlasst haben, nicht gegeben. Denn der Beklagte konnte seinen Dienst - überdurchschnittlich bewertet - verrichten; sein Familienleben wies keinerlei ungewöhnliche Vorkommnisse auf. Gegen die Annahme einer solch ungewöhnlichen Lebenssituation aufgrund der Sucht nach Börsengeschäften spricht auch deren Überwindung. Denn das Oberverwaltungsgericht hat bei der Gesamtwürdigung aller Umstände im Sinne von § 13 BDG festgestellt, dass der Beklagte seine Spielsucht ohne weitere Therapie durch bloßen eigenen Willensentschluss überwinden konnte.

23

b) Entgegen der Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht auch nicht dadurch gegen § 88 VwGO verstoßen, dass es ebenso wie das Verwaltungsgericht über den Antrag der Klägerin in der Disziplinarklage hinausgegangen ist und die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Disziplinarmaßnahme angesehen hat. Wie dargelegt, sind die Disziplinargerichte bei der ihnen nach § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG obliegenden Bemessung der Disziplinarmaßnahme nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Tatbestand

1

Der Soldat absolvierte nach dem Abbruch der Realschule erfolgreich eine Ausbildung zum Zentralheizungs-/Lüftungsbauer. Im ... wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit, im ... in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen und im ... zum Hauptfeldwebel ernannt.

2

Nach verschiedenen Verwendungen wurde der Soldat zum ... zum ... versetzt, wo er unter dem ... zum Tankkartenverwalter bestellt wurde. Im Hinblick auf die angeschuldigten Vorfälle wurde die Bestellung am ... zurückgenommen und der Soldat auf Antrag zum ... zum ... versetzt.

3

Die dienstlichen Leistungen des Soldaten wurden bis zu der Beurteilung vom ... 2003 überdurchschnittlich beurteilt. In der Beurteilung vom ... 2008 erzielte er unter Zugrundelegung einer neun Bewertungsstufen umfassenden Skala als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "5,67" und in der Beurteilung vom ... 2010 "5,80". Die Beurteilung vom ... 2014 weist als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "6,11" aus. In ihr ist im Wesentlichen ausgeführt, der freundlich, aufgeschlossen und bescheiden auftretende, von Pflichtbewusstsein und Loyalität geprägte sowie im Kameradenkreis voll integrierte Soldat befinde sich nach seiner krankheitsbedingten Abwesenheit auf einem sehr guten Weg, zu lange zurückliegenden guten Leistungen zurückzufinden. Vor der Zuversetzung sei er durch persönliche Rückschläge leistungsmäßig abgerutscht. Der nächsthöhere Vorgesetzte führte ergänzend im Wesentlichen aus, der Soldat übertreffe die Leistungserwartungen ständig und bescheinigte eine Entwicklungsprognose "bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive".

4

Der Leumundszeuge Hauptmann X beschrieb den Soldaten erstinstanzlich als erfahrenen Portepeeunteroffizier, der sich im Leistungsvergleich der Hauptfeldwebel zwar nur am oberen Rand des unteren Leistungsdrittels bewege, jedoch dabei sei, ins Mittelfeld vorzustoßen. Er beurteile dessen Leistungen mit "6,4". Fordernden, schwierigen Aufgaben weiche der Soldat zugunsten von zwar unangenehmen, dafür aber weniger anspruchsvollen aus, obwohl es ihm nicht an Fleiß, Können oder gutem Willen, sondern an Selbstvertrauen fehle. Dies sei wohl eine Folge des langjährigen Alkoholmissbrauchs. Vom Soldaten noch zu bewältigen sei die Ordnung seiner finanziellen Verhältnisse; insoweit seien noch Ängste vor Überforderung und Verdrängungstendenzen spürbar. Er - der Vorgesetzte - würde den Soldaten gerne in seinem Verantwortungsbereich behalten.

5

In der Sonderbeurteilung vom ... 2015 erlangte der Soldat als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung "6,60". Der Soldat habe den prognostizierten Aufwärtstrend uneingeschränkt bestätigt. Auch nach dem Urteil des Truppendienstgerichts habe er leistungsmäßig nicht nachgelassen. Zuweilen unterschätze sich der Soldat und halte sich für Aufgaben mit besonderer Verantwortung für ungeeignet, obwohl er sie sorgfältig, verantwortungsbewusst und verlässlich erfülle. Nur aufgrund einer Weisung habe der Vorgesetzte ihm die Zuständigkeit für die Waffenkammer entzogen. Der Soldat sei zwar nicht der Primus in der Vergleichsgruppe; sein Fleiß, sein Fachwissen und seine Verlässlichkeit zeichneten ihn aber als soliden Unteroffizier aus. Sein Pflichtbewusstsein zeige die Bereitschaft, weit über die Regelarbeitszeit hinaus Dienst zu verrichten. Seine berufliche Einstellung und seine Einsicht in begangene Fehler würden ihn zu einem höchst verlässlichen Mitarbeiter machen, der das volle Vertrauen des Vorgesetzten genieße. Verhaltensstabil und in sich ruhend lasse sich der Soldat von persönlichen Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen.

6

In der Berufungshauptverhandlung hat Hauptmann X ergänzend zu seinen erstinstanzlichen Aussagen im Wesentlichen ausgeführt, der ihm als Problemfall angekündigte Soldat habe Expertise mitgebracht und zunehmend verantwortungsvollere Aufgaben übernommen. Der Soldat genieße sein vollstes Vertrauen. Auch wenn dieser kein Spitzenkandidat sei, so hätte er doch gern mehrere Soldaten dieses Formats. Der Soldat verlange nicht nach Arbeit, erledige aber alles, was ihm aufgetragen werde und trage auf Anweisung Verantwortung. Dessen Leistungen bewerte er mit "6,6". Der Soldat sei zuständig auch für die Fuhrparkverwaltung, sodass für ihn die Möglichkeit bestanden habe, Wiederholungstaten zu begehen. Der Soldat benötige fürsorgliche Betreuung durch den Vorgesetzten, ohne die er dazu neige, persönliche Probleme wegzuschieben. Er unterstütze den Soldaten bei Terminvereinbarungen mit der Schuldner- oder Sozialberatung und arbeite daran, das Selbstwertgefühl des Soldaten aufzubauen. Er sei überzeugt, dass der Soldat abstinent sei, weil er dies mit einem Alkoholmessgerät überprüfe und dabei nur eine Probe positiv gewesen sei; dabei könne es sich aber auch um eine Fehlmessung gehandelt haben. Das Dienstvergehen sei nicht flächendeckend bekannt geworden und er - der Disziplinarvorgesetzte - würde dem Soldaten uneingeschränkt vertrauen und ihn gerne behalten.

7

Die aktuelle Auskunft aus dem Zentralregister weist neben dem sachgleichen rechtskräftigen Strafbefehl vom 27. Mai 2013, mit dem eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 20 Euro wegen Betrugs in 11 Fällen verhängt wurde, eine unter dem 3. Juni 2009 rechtskräftig verhängte Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 40 Euro nebst Fahrerlaubnissperre wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr aus. Der aktuelle Disziplinarbuchauszug belegt neben der sachgleichen strafgerichtlichen Verurteilung wegen Betrugs drei förmliche Anerkennungen aus den Jahren 2000, 2001 und 2004.

8

Der geschiedene Soldat ist Vater von vier minderjährigen Kindern, die bei ihren Müttern leben.

9

Von seinen monatlichen Dienstbezügen in Höhe von 2 818,47 € netto werden ihm wegen Pfändungen in Höhe von 2 181,32 € unter anderem wegen des Kindesunterhalts nebst sonstiger Abzüge 477,15 € ausgezahlt. Durch eine Nebentätigkeit erzielt er Zusatzeinkünfte von etwa 450 €. Er lebt bis Ende Februar 2016 in der Kaserne und bezieht zum März 2016 für 250 € Miete monatlich ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft in ...

10

Zu seiner finanziellen Situation hat der Soldat im Wesentlichen ausgeführt, er habe zusammen mit seiner früheren, zwischenzeitlich wieder verheirateten Frau eine Doppelhaushälfte erworben, die nach der Trennung mit Verlust verkauft worden sei. Seine Schulden beliefen sich derzeit auf etwa 80 000 €. Wenn das Urteil der Vorinstanz rechtskräftig werden sollte, würde er gern in ... arbeiten oder bei einem früheren Kollegen eine Arbeit im Fotovoltaik-und Solaranlagenbau aufnehmen.

11

1. Mit Verfügung vom 28. Januar 2013 wurde das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten eingeleitet, nachdem dessen Verteidiger die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schuldfähigkeit seines Mandanten angeregt hatte, der Soldat zuvor mehrfach angehört worden war und er der Anhörung der Vertrauensperson widersprochen hatte. Die unter dem 21. Februar 2013 erfolgte Schlussanhörung wurde am 1. Oktober 2013 wiederholt, weil dem Soldaten Gelegenheit gegeben wurde, sich zu dem vom 7. August 2013 datierenden Sachverständigengutachten des Professor Dr. N. von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der ...Universität ... zu äußern.

12

2. Auf der Grundlage der unter dem 30. Januar 2014 ergänzten Anschuldigungsschrift vom 17. Dezember 2013 sowie des Nachtragsschriftsatzes vom 19. Mai 2015 hat die 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd den Soldaten mit am 25. Juni 2015 zur Geschäftsstelle der Kammer gereichten Urteil vom 19. Mai 2015 aus dem Dienstverhältnis entfernt. Der Vorsitzende Richter der Truppendienstkammer war vom 5. Juni bis 13. Juni 2015 arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

13

a) Das Truppendienstgericht hat zu den Pflichtverletzungen im Wesentlichen festgestellt:

" ... 2. In seiner damaligen Dienststelle, dem ... in ..., wo der Soldat in der ... - Abteilung (...) eingesetzt wurde und am 12. Oktober 2010 zum Tankkartenverwalter gemäß BesAnLog (Besondere Anweisung Logistik - Die Materialbewirtschaftung in den Streitkräften - Band 15 - Bewirtschaftung von Betriebsstoffen - BesAnLog 33/4-1 0-26-0019/15) bestellt worden war, lernte der Soldat eine Kameradin, Hauptfeldwebel Y, die Mutter seiner zwei Jahre alten Tochter kennen, die in der Abteilung ... des ... diente.

In der Phase 'des einander Näherkommens' erwähnte die Kameradin dem Soldaten gegenüber unter anderem, sie sei finanziell 'knapp bei Kasse', und bat ihn eines Tages, ihr auszuhelfen, ob er ihren Pkw betanken könne. Der Soldat, seinerseits ebenfalls 'blank', nahm eine der ihm seitens des Dienstherrn anvertrauten Tankkarten und nutzte diese heimlich, um die Bitte der Frau Y zu erfüllen.

Der Soldat hat hierzu in der Hauptverhandlung angegeben, er habe Frau Y erobern wollen, und wer knapp bei Kasse sei, der sei auch nicht besonders attraktiv, habe weniger Chancen. Geld mache sexy. So habe er den Skoda der Frau Y, so wie ihm zur Last gelegt, mehrfach betankt. Nachdem er den Wagen das erste Mal mit Kraftstoff versorgt gehabt habe, habe es auch nicht mehr sehr lange gedauert, und sie seien ein Paar geworden. Nur wenig später hätten sie in ... eine Wohnung angemietet und seien nach dem Einzug mit ihrem Wagen zum/vom Dienst gependelt. Einfach seien das nicht ganz 50 Kilometer gewesen. Der Sprit, den er mit den Tankkarten beschafft habe, sei im Wesentlichen für diese 'Pendelei' und einige kurze Einkaufsfahrten 'draufgegangen'.

Im Einzelnen handelte es sich um folgende Tankvorgänge:

• Am 19.03.2012 gegen 19:01 Uhr, Gesamtbetrag: 41,08 EUR,...-Tankstelle ..., ...;

• am 22.03.2012 gegen 12:20 Uhr, Gesamtbetrag: 59,33 EUR, ...-Tankstelle ..., ...;

• am 27.03.2012 gegen 14:29 Uhr, Gesamtbetrag: 18,09 EUR, ...-Tankstelle ..., ...;

• am 08.05.2012 gegen 12:39 Uhr, Gesamtbetrag: 54,91 EUR, ...-Tankstelle ..., ...;

• am 15.05.2012 gegen 10:44 Uhr, Gesamtbetrag: 75,06 EUR, ...-Tankstelle ..., ...;

• am 20.05.2012 gegen 19:04 Uhr, Gesamtbetrag: 43,42 EUR, ..., ...;

• am 24.05.2012 gegen 13:36 Uhr, Gesamtbetrag: 57,23 EUR, ...-Tankstelle ..., ...;

• am 06.06.2012 gegen 13:59 Uhr, Gesamtbetrag: 64,19 EUR, ...-Tankstelle ..., ...;

• am 18.06.2012 gegen 11:20 Uhr, Gesamtbetrag: 69,09 EUR, ...-Tankstelle ..., ...;

• am 22.06.2012 gegen 09:57 Uhr, Gesamtbetrag: 61,21 EUR, ...-Tankstelle ..., ... und

• am 28.06.2012 gegen 10:26 Uhr, Gesamtbetrag: 65,75 EUR, ...-Tankstelle ..., ...

Durch den Missbrauch der ihm anvertrauten Tankkarten zur Befüllung des Fahrzeugs der Frau Y mit Kraftstoff auf Kosten des Bundes .... hat der Soldat vorsätzlich die ihm obliegenden Pflichten zu treuem Dienen (§ 7 SG) und - mit Ausnahme der Betankung vom 19. März 2012 - zu dienstlichem Wohlverhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG) verletzt.

Mit dem Tankvorgang vom 19. März 2012 verstieß der Soldat zudem vorsätzlich gegen die Pflicht, sich außer Dienst außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 SG).

3. Zum Betanken des Pkw der Frau Y verließ der Soldat am 22.03.2012 gegen etwa 12:20 Uhr, 27.03.2012 gegen 14:29 Uhr, 15.05.2012 gegen 10:44 Uhr, 24.05.2012 gegen 13:36 Uhr, 06.06.2012 gegen 13:59 Uhr, 22.06.2012 gegen 09:57 Uhr und am 28.06.2012 gegen 10:26 Uhr den Dienst und blieb diesem jeweils für mindestens 25 Minuten unerlaubt fern.

Durch dieses Schwänzen des Dienstes für jeweils mindestens 25 Minuten hat der Soldat in jedem der Fälle vorsätzlich nicht treu gedient und sich im dienstlichen Bereich nicht achtungs- und vertrauenswürdig verhalten - vorsätzliche Verstöße gegen § 7 sowie § 17 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 SG.

Vom 6. Teilvorwurf (Abwesenheit am 18. Juni 2012 für mindestens 25 Minuten ab 11:20 Uhr) war der Soldat freizustellen, da - aufgrund der räumlichen Nähe gerichtsbekannt - seinerzeit im Bereich des ... die Dauer der Mittagspause 30 Minuten betrug, welche in einem Fenster von 11:00 Uhr bis 12:00 wahrgenommen werden konnte, wobei den Soldaten das Verlassen der Liegenschaft gestattet war.

4. Die das Tankkartensystem betreibende Firma ... GmbH & Co. KG stellte dem Bund in der Folgezeit den vom Soldaten für private Zwecke getankten Kraftstoff in Rechnung. Kopien der Rechnungen leitete das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum ... an die Truppe zu deren sachlicher Prüfung weiter. Auf diese Weise gelangten die ersten drei Rechnungskopien an den Soldaten als den verantwortlichen Tankkartenverwalter, der sie als richtig abzeichnete und an das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum zurückleitete, worauf die Rechnungen beglichen wurden, was dem Soldaten von Anbeginn an bewusst war.

Im Einzelnen:

Rechnung vom Tankvorgang bzw. -vorgänge vom Datum der Abzeichnung durch den Soldaten Eingang des abgezeichneten Rückläufers beim BwDLZ am
31.03.2012 19.03.2012

27.03.2012

17.04.2012 18.04.2012
31.03.2012 22.03.2012 17.04.2012 18.04.2012
31.05.2012 08.05.2012

15.05.2012

20.05.2012

24.05.2012

18.06.2012 20.06.2012

  

Die Rechnung vom 30.06.2012 über die Tankvorgänge vom 06. bis zum 28.06.2012 erhielt der Soldat nicht mehr zur Abzeichnung, weil am 13.07.2012 bei der Prüfung der Tankbelege, die der Soldat abgeliefert hatte, aufgefallen war, dass eine Tankkarte nach den Angaben des Soldaten für die Befüllung eines bereits ausgesonderten Lkw verwendet worden war. Nach den Regelungen des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Firma ... geschlossenen Vertrages musste sich der Bund das Fehlverhalten des Soldaten zurechnen lassen und beglich in der Folgezeit auch die Rechnung vom 30.06.2012.

Der Soldat hat sich zur Abzeichnung der Rechnungskopien dahingehend eingelassen, beim ersten Betanken des Skoda der Frau Y habe er sich noch keine großen Gedanken gemacht, wie er sein Fehlverhalten verschleiern könne. Erst danach habe er sich die Details des Abtarnens - wie die Abzeichnung der Rechnungskopien als sachlich richtig - überlegt.

Indem der Soldat die Rechnungen der Wahrheit zuwider - sowie in Kenntnis des Umstandes, hierdurch die Rechnungsbegleichung mit herbeizuführen - abzeichnete und an das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum zurückleitete ..., hat der Soldat jeweils vorsätzlich gegen die Pflichten verstoßen, treu zu dienen (§ 7 SG), in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG) und sich im dienstlichen Bereich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 SG).

5. Zur Verschleierung des Missbrauchs der Tankkarten nahm der Soldat auch Falscheinträge in den Überwachungslisten zu den von ihm verwendeten Karten vor:

Nicht allzu lange nach dem Betankungsvorgang vom 19.03.2012, aber jedenfalls vor dem 13.07.2012 vermerkte der Soldat in der Überwachungsliste zur Tankkarte ... für den Monat März 2012: 'Ausgabe, Datum/Uhrzeit: 19.03.12; Name/Unterschrift Fahrer: Z; Rückgabe Datum/Uhrzeit: 20.03.2012; ... Pumpe Kanister 2x; Tankstelle Ort/Straße: ...; Getankte Menge, Liter/Art: 24,68; Preis: 40,94; Uhrzeit: 19:03 Uhr; Bemerkungen: Für Gemischpumpen' Den Eintrag zeichnete der Soldat mit seiner Paraphe ab.

Nicht allzu lange nach dem 22.03.2012, jedenfalls vor dem 13.07.2012, nahm der Soldat einen ähnlichen Eintrag in der Liste zur Tankkarte ... vor: 'Ausgabe, Datum/Uhrzeit: 22.03.12; Name/Unterschrift Fahrer: A; Rückgabe Datum/Uhrzeit: 22.03.2012; ...; Tankstelle Ort/Straße: ... ...; Getankte Menge, Liter/Art: 35; Preis: 59,12; Uhrzeit: 22.03., 12:30 Uhr; Bemerkungen: (keine Eintragung)' Auch hier signierte der Soldat mit seiner Paraphe den Eintrag.

Wahrscheinlich noch am 27.03.2012, jedoch spätestens am 13.07.2012, trug der Soldat in die Überwachungsliste für die Tankkarte ... für den Monat März 2012 in den jeweiligen Spalten Folgendes ein: 'Ausgabe, Datum/Uhrzeit: 27.03.12; Name/Unterschrift Fahrer: A; Rückgabe Datum/Uhrzeit: Ihr Namenskürzel; ...; Tankstelle Ort/Straße: ... ...; Getankte Menge, Liter/Art: 12,5; Preis: 18,30; Uhrzeit: 27.03., 12:30 Uhr; Bemerkungen: ...' Auch hier setzte der Soldat sein Namenszeichen zum Listeneintrag.

Zur Nennung des Namens des Hauptgefreiten Z in der Überwachungsliste zur Tankkarte ... hat der Soldat erklärt, es sei ihm zwar bewusst gewesen, hiermit möglicherweise den Z 'in Teufelsküche' zu bringen, dieses Risiko sei ihm aber als vernachlässigbar gering erschienen. Es sei nicht seine Absicht gewesen, dem Z 'eine zu machen'.

Durch die Falscheinträge in den Überwachungslisten nebst deren jeweiliger Abzeichnung ... hat der Soldat jeweils vorsätzlich die ihm obliegenden Pflichten verletzt, treu zu dienen (§ 7 SG), in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG) und sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG).

Indem er bei dem Falscheintrag zum Tankvorgang vom 19. März 2012 den Namen des Hauptgefreiten Z vermerkte, hat er damit auch bedingt-vorsätzlich gegen die ihm obliegenden Pflichten zu Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG) und Kameradschaft (§ 12 Sätze 2 und 3 SG) verstoßen.

6. Darüber hinaus lagerte der Soldat ... die ihm anvertrauten Tankkarten nicht diebstahlsicher. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses von der Gewichtung her eher nachrangigen Geschehens wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den vorstehend zitierten verfügenden Teil der Anschuldigungsschrift Bezug genommen."

14

In der Anschuldigungsschrift heißt es dazu:

"Entgegen der Weisung in der BesAnLog 33/4-10-26-0019/15, Anlage 9, Seite 7, wonach die Tankkarte diebstahlsicher und nur dem Tankkartenverwalter zugänglich aufzubewahren ist, was der Soldat wusste, zumindest jedoch hätte wissen können und müssen, lagerte er die Tankkarte mindestens seit Beginn Mai 2012 bis 13.07.2012 in seinem Dienstzimmer Nr. ... in der Liegenschaft ..., das er sich mit einer Soldatin teilte, in einem offenen Rollschrank."

15

Im Urteil heißt es weiter:

"Insoweit hat der Soldat vorsätzlich nicht treu gedient (§ 7 SG) und sich im dienstlichen Bereich nicht achtungs- und vertrauenswürdig verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 SG).

7. Der Soldat war bei allen Tathandlungen vollumfänglich verantwortlich, seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit war nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in dessen Gutachten vom 07. August 2013 nicht erheblich vermindert, geschweige denn aufgehoben ..."

16

b) Zur Maßnahmebemessung hat das Truppendienstgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Soldat habe ein außerordentlich schweres Dienstvergehen begangen. Der Missbrauch einer dem Soldaten durch die Bestellung zum Tankkartenverwalter eingeräumten Vertrauensstellung stelle einen so schweren Verstoß im Kernpflichtenbereich dar, dass die disziplinare Höchstmaßnahme verwirkt sei. Erschwerend wirke, dass er seine Vertrauensstellung über Monate hinweg mehrfach missbraucht und sein Tun durch wahrheitswidrige Angaben verschleiert habe. Gerade der Wahrheitspflicht komme im soldatischen Bereich eine besondere Bedeutung zu. Zudem habe der Soldat einen Kameraden der Gefahr disziplinarer Ermittlungen ausgesetzt.

17

Die depressive Störung des Soldaten und seine Alkoholkrankheit stellten keine Milderungsgründe dar, weil sie nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit nicht erheblich beeinträchtigt hätten. Beeinträchtigungen unterhalb der Schwelle des § 21 StGB könnten regelmäßig nur als Maßnahmeerwägung in der Person berücksichtigt werden. Auf den Milderungsgrund einer wirtschaftlichen Notlage könne sich der Soldat nicht berufen. Eine extreme seelische Ausnahmesituation liege nur für die Betankungsvorgänge im März 2012 vor, weil der Soldat danach die Kameradin Y für sich gewonnen habe. Dem Soldaten gereiche zum Nachteil, dass er wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr strafrechtlich vorbelastet sei. Zu seinen Gunsten zu berücksichtigen seien sein frühzeitiges Geständnis und seine nunmehr abstinente Lebensweise, die seinen alkoholismusbedingten Leistungseinbruch allmählich wett mache. Zwar führe das Vorliegen eines Milderungsgrundes regelmäßig dazu, vom Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zugunsten des Soldaten abzuweichen. Die erschwerenden Umstände würden indes nicht dazu führen, vom Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen abzuweichen.

18

3. Der Soldat hat gegen das ihm am 7. Juli 2015 zugestellte Urteil auf die Anfechtung der Disziplinarmaßnahme beschränkt Berufung einlegen lassen und sie am 7. August 2015 im Wesentlichen damit begründet, das Truppendienstgericht habe das Vorliegen eines durchschlagenden Milderungsgrundes zu Unrecht abgelehnt. Die klassischen Tatmilderungsgründe seien nicht abschließend. Der Soldat sei zu den Tatzeitpunkten alkoholkrank gewesen und sei deswegen erst nach den Taten therapiert worden. Die Alkoholkrankheit hätte zum Scheitern seiner Ehe und zu privater Isolation geführt und gravierende Auswirkungen auf sein Fehlverhalten. Ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten habe von ihm im Tatzeitraum deshalb nicht mehr erwartet werden können. Zudem sei er nun abstinent, nehme an Sitzungen der Anonymen Alkoholiker teil und habe mit seinem Disziplinarvorgesetzten eine Abstinenzvereinbarung geschlossen, die er einhalte. Hinzu komme, dass eine günstige Persönlichkeitsprognose vorliege. Außerdem sprächen seine guten Leistungen, eine Nachbewährung, Reue und Wiedergutmachungsbemühungen für ihn.

Entscheidungsgründe

19

1. Die Berufung des Soldaten ist zulässig. Sie wurde insbesondere gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WDO form- und fristgerecht eingelegt.

20

2. Das von dem Soldaten eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt eingelegt worden. Der Senat hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 327 StPO die unter II. 2 a) dargelegten Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des Truppendienstgerichts seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

21

Verfahrensmängel werden bei einer beschränkten Berufung regelmäßig gegenstandslos, soweit sie nicht das gesamte disziplinargerichtliche Verfahren oder den gerichtlichen Verfahrensabschnitt unzulässig machen. Beachtlich bleiben allerdings Aufklärungs- und Verfahrensmängel von solcher Schwere, die die Grundlage der Entscheidung über die Maßnahmebemessung - die tatsächlichen und disziplinarrechtlichen Feststellungen zur Schuld des Soldaten - erschüttern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 2015 - 2 WD 10.15 - juris Rn. 10 m.w.N.).

22

Ein unter Verletzung von § 275 Abs. 1 StPO abgesetztes Urteil bietet nach der gesetzgeberischen Wertung keine hinreichende Gewähr für die Übereinstimmung der Gründe des Urteilstextes mit dem Ergebnis der Hauptverhandlung und der Beratung, so dass ein derartiger Verfahrensfehler die Grundlage der Bemessungsentscheidung des Senats erschüttert (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2015 - 2 WD 10.15 - juris Rn. 11 m.w.N.).

23

Das am 19. Mai 2015 verkündete Urteil gelangte am Donnerstag, den 25. Juni 2015, zur Geschäftsstelle, so dass die mit dem 23. Juni 2015 ablaufende Frist der §§ 91 WDO, 275 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 StPO nicht gewahrt ist. Ob die Fristüberschreitung gemäß §§ 91 WDO, 275 Abs. 1 Satz 4 StPO im Hinblick auf die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Vorsitzenden Richters des Truppendienstgerichts vom 5. bis zum 13. Juni 2015 unschädlich ist, bedarf keiner Entscheidung, weil der Senat eine Verletzung von § 275 StPO unterstellt und im Rahmen seines Ermessens von einer Aufhebung des Urteils vom 19. Mai 2015 und der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung absieht. Zwar ist eine Erkrankung des einzigen Berufsrichters der Kammer ein unvorhersehbarer und unabwendbarer Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2015 - 2 WD 9.15 - juris Rn. 10 m.w.N.). Allerdings ist der zur Urteilsabsetzung berufene Richter nach Wegfall des Hindernisses verpflichtet, das Urteil mit größtmöglicher Beschleunigung zu den Akten zu bringen (vgl. Meyer-Goßner, StPO Kommentar, 58. Auflage 2015, § 275 Rn. 16 m.w.N. zur Rspr.). Es bedarf keiner Aufklärung, ob dem Vorsitzenden Richter eine Absetzung des Urteils in den sieben Werktagen zwischen seiner Genesung und dem Ablauf der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO auch im Hinblick auf z.B. bereits terminierte andere Hauptverhandlungen oder dienstliche Abwesenheiten möglich gewesen wäre, weil eine ungerechtfertigte Überschreitung dieser Frist den Senat nicht an einer Sachentscheidung hindert. Trotz des - unterstellten - schweren Verfahrensmangels hat der Senat auch bei einer maßnahmebeschränkten Berufung gemäß § 121 Abs. 2 WDO nach pflichtgemäßem Ermessen über eine Aufhebung und Zurückverweisung zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2015 - 2 WD 10.15 - juris Rn. 14).

24

Abzuwägen ist auf der einen Seite das in § 17 Abs. 1 WDO als Beschleunigungsgebot normierte Interesse des Dienstherrn und grundsätzlich auch des Soldaten an einer das gerichtliche Disziplinarverfahren zeitnah endgültig abschließenden Entscheidung und auf der anderen Seite das Recht des Soldaten darauf, dass über die Disziplinarmaßnahme von den Wehrdienstgerichten unter Beachtung der gesetzlichen, auch seinem Interesse dienenden Verfahrensregelungen befunden wird. In die Abwägung sind die im Raum stehende Disziplinarmaßnahme, der konkrete Gesetzesverstoß und die Stellungnahme der Beteiligten zu den mit einer Zurückverweisung für sie verbundenen Nachteilen einzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 2 WD 23.12 - juris Rn. 36). Nach Maßgabe dessen ist keine Zurückverweisung angezeigt.

25

Der Senat verkennt nicht, dass vorliegend die Entfernung aus dem Dienstverhältnis als schwerste disziplinarische Sanktion im Raum steht; jedoch würde es dem Gesetzesverstoß, wie er sich konkret darstellte, an dem zu einer Zurückverweisung drängenden Gewicht fehlen. Auch wenn Überschreitungen der Absetzungsfrist nach § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO bei maßnahmebeschränkten Berufungen eher als solche bei unbeschränkten Berufungen erhebliches Gewicht erlangen mögen (vgl. zu den indiziellen Überschreitungszeiträumen dort: BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 2 WD 23.12 - juris Rn. 37 i.V.m. Rn. 34, 35), wirft ein Überschreiten von höchstens zwei Tagen noch keinen so gravierenden Zweifel an der Übereinstimmung von Urteilstext und Beratungsinhalt auf, dass es rechtsstaatlich bedenklich wäre, diesen Urteilstext der Senatsentscheidung über die Maßnahmebemessung zugrunde zu legen.

26

3. Das Truppendienstgericht hat festgestellt, dass der Soldat wissentlich und willentlich bei den von der Kammer örtlich und zeitlich bestimmten elf Gelegenheiten Tankkarten der Bundeswehr zur Befüllung eines privaten Fahrzeuges missbraucht und so vorsätzlich jeweils die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), in zehn Fällen die Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 1 SG und einmal die Wohlverhaltenspflicht aus § 17 Abs. 2 Satz 2 SG verletzt hat. Zum Tanken habe er siebenmal für mindestens 25 Minuten wissentlich und willentlich den Dienst geschwänzt und damit vorsätzlich die Pflichten aus § 7 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Indem der Soldat dreimal wissentlich der Wahrheit zuwider die sachliche Richtigkeit von Rechnungen für von ihm zu privaten Zwecken durchgeführte Betankungen bestätigte, um so eine Zahlung durch das Dienstleistungszentrum herbeizuführen, habe er vorsätzlich die Pflichten aus §§ 7, 13 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Weiter habe er dreimal zur Verschleierung des Missbrauchs der Tankkarten Falscheinträge in den Überwachungslisten vorgenommen und so vorsätzlich die Pflichten aus §§ 7, 13 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt. Bei einer Falscheintragung habe er den Namen eines Untergebenen eingetragen, billigend in Kauf genommen, dass gegen diesen ermittelt werden könnte, und so bedingt vorsätzlich die Pflichten aus § 10 Abs. 3 und § 12 SG verletzt. Ferner habe der Soldat in Kenntnis der Bestimmungen über eine diebstahlssichere Aufbewahrung die Tankkarten in einem offenen Rollschrank aufbewahrt und dadurch vorsätzlich die Pflichten aus §§ 7 und 17 Abs. 2 Satz 1 SG verletzt.

27

Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den Senat damit bindend. Ob die Tat- und Schuldfeststellungen vom Truppendienstgericht rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom Senat nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der Prozessstoff nicht mehr von der Anschuldigungsschrift, sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt. Der Senat ist aber nicht gehindert, zusätzliche für die Maßnahmebemessung erhebliche Feststellungen zu treffen, solange dies weder im Widerspruch zu den Tat- und Schuldfeststellungen der Truppendienstkammer steht noch dadurch deren rechtliche Würdigung in Frage gestellt wird. Er hat daher Feststellungen zur besonderen Vertrauensstellung des Soldaten hinsichtlich der Tankkarten und zu Einschränkungen der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Soldaten getroffen.

28

4. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht ausschließlich darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten. Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

29

a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen sehr schwer.

30

aa) Es liegen durchgehend vorsätzliche Verstöße gegen § 7 SG in seinen mehrfachen Erscheinungsformen vor. Der Soldat hat gegen ihn nicht nur durch den Umgang mit dem Vermögen des Bundes - in Gestalt des unberechtigten Tankens, der unkorrekten Bestätigung der Tankrechnungen, der Falschangaben im Tankbuch und des unkorrekten Aufbewahrens der Tankkarten - verstoßen, sondern auch dadurch, dass er dem Dienst unerlaubt fern blieb. Einher ging damit durchgehend ein vorsätzlicher Verstoß gegen die innerdienstliche und - soweit es das Fernbleiben am 18. Juni 2012 betrifft - außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht nach 17 Abs. 2 SG. Sowohl die mehrfache Verletzung der Pflicht zu treuem Dienen (§ 7 SG) als auch die zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten inner- und außerhalb des Dienstes (§ 17 Abs. 2 SG) wiegen schwer. § 7 SG betrifft eine der soldatischen Kernpflichten (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - juris Rn. 64). Ihre Verletzung ist in der Regel schon deshalb von erheblicher Bedeutung (BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 WD 14.13 - juris Rn. 19). Auch die Pflicht zur Wahrung von Achtung und Vertrauen ist kein Selbstzweck, sondern hat funktionalen Bezug zur Erfüllung des grundgesetzmäßigen Auftrages der Streitkräfte und zur Gewährleistung des militärischen Dienstbetriebs. Ein Soldat, insbesondere - wie hier - ein Vorgesetzter, bedarf der Achtung seiner Kameraden und Untergebenen sowie des Vertrauens seiner Vorgesetzten, um seine Aufgaben so zu erfüllen, dass der gesamte Ablauf des militärischen Dienstes gewährleistet ist (BVerwG, Urteil vom 13. März 2014 - 2 WD 37.12 - juris Rn. 44).

31

Erheblich erschwerend kommt hinzu, dass der Soldat Vorgesetzten gegenüber in dienstlichen Angelegenheiten unter Verstoß gegen § 13 Abs. 1 SG unwahre Erklärungen abgegeben und hierdurch an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Die Bedeutung der Wahrheitspflicht kommt schon darin zum Ausdruck, dass diese - anders als z.B. bei Beamten - für Soldaten gesetzlich ausdrücklich geregelt ist. Eine militärische Einheit kann nicht ordnungsgemäß geführt werden, wenn sich die Führung und die Vorgesetzten nicht auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen Untergebener verlassen können. Denn auf ihrer Grundlage müssen im Frieden und erst recht im Einsatzfall gegebenenfalls Entschlüsse von erheblicher Tragweite gefasst werden. Wer als Soldat in dienstlichen Angelegenheiten vorsätzlich unrichtige Angaben macht, lässt unmissverständlich erkennen, dass seine Bereitschaft zur Erfüllung der Wahrheitspflicht nicht im gebotenen Umfang vorhanden ist. Eine solche Dienstpflichtverletzung und die daraus folgende Beschädigung seiner persönlichen Integrität haben damit erhebliche Bedeutung für die militärische Verwendungsfähigkeit des Soldaten (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2015 - 2 WD 15.14 - juris Rn. 57 m.w.N.).

32

Die weiteren Verstöße gegen die Pflicht zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3 SG) und zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 und 3 SG) betreffen ebenfalls zentrale Pflichten des Vorgesetzten mit hoher Bedeutung.

33

bb) Zusätzlich liegen erschwerende Tatumstände vor.

34

Die Pflichtverstöße sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass der Soldat durch die Nutzung der ihm anvertrauten Tankkarten in einem Kernbereich seiner dienstlichen Tätigkeit versagt hat.

35

Zwar steht hier kein Zugriffsdelikt in Rede, weil der Soldat nicht die ihm anvertrauten Tankkarten entwendet oder unterschlagen hat (vgl. zu den Zugriffsdelikten BVerwG, Beschluss vom 23. Februar 2012 - 2 B 143.11 - juris Rn. 5). Allerdings hat er die Tankkarten als Instrument genutzt, um sich auf Kosten des Dienstherrn einen unberechtigten Vermögensvorteil zu verschaffen, obwohl er mit der durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Verfügung des ... vom 12. Oktober 2010 förmlich gemäß der Besonderen Anweisung Logistik BesAnLog 33/4-10-26-19/15 Anl 9/2 - 9/12 zum Tankkartenverwalter bestellt worden war. Durch diese Bestellung ist ihm eine Vertrauensstellung hinsichtlich der Verwaltung der Tankkarten übertragen worden. Ihm war damit die Sorge für die bestimmungsgemäße Nutzung der Tankkarten zur Abwicklung der Bezahlung dienstlich veranlasster Tankvorgänge anvertraut. Die Bestellung zum Tankkartenverwalter dokumentiert die Erwartung des Dienstherrn, der Soldat werde die Tankkarten ausschließlich im Interesse des Bundes aufbewahren und einsetzen sowie ihren bestimmungsgemäßen Gebrauch überwachen. Der Missbrauch derart anvertrauter Tankkarten wiegt ebenso schwer wie der Zugriff auf einen einem Soldaten anvertrauten Gegenstand des Bundes (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 2 WD 16.12 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 43 Rn. 38 m.w.N.), sodass der Senat hier dieselben Bemessungsgrundsätze anwendet.

36

Die Pflichtverletzungen waren zudem teilweise strafrechtlich relevant und wurden insoweit auch tatsächlich strafrechtlich geahndet. Sie erfolgten zudem zahlreich und erstreckten sich über Monate.

37

Eigenart und Schwere des Dienstvergehens werden des Weiteren dadurch bestimmt, dass der Soldat aufgrund seines Dienstgrades als Hauptfeldwebel in einem Vorgesetztenverhältnis stand (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Soldaten in Vorgesetztenstellung obliegt eine höhere Verantwortung für die Wahrung dienstlicher Interessen. Wegen seiner herausgehobenen Stellung ist ein Vorgesetzter in besonderem Maße für die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Dienstpflichten verantwortlich und unterliegt damit im Falle einer Pflichtverletzung einer verschärften Haftung, da Vorgesetzte in ihrer Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben sollen (§ 10 Abs. 1 SG). Dabei ist nicht erforderlich, dass es der Soldat bei seinem Fehlverhalten innerhalb eines konkreten Vorgesetztenverhältnisses an Beispielhaftigkeit hat fehlen lassen. Es reicht das Innehaben einer Vorgesetztenstellung aufgrund des Dienstgrades aus (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2009 - 2 WD 7.08 - Rn. 37 m.w.N.).

38

b) Das Dienstvergehen zeitigte auch nachteilige Auswirkungen. Der Bund erlitt dadurch einen Schaden von gut 600 €, der sich somit jenseits des Bagatellbereichs bewegte. Zudem hatte es personalwirtschaftliche Folgen, weil der Soldat wegen des Dienstvergehens seine Versetzung zum ... beantragte und der Dienstherr dem entsprach. Der Soldat hat zudem selbst ausgeführt, das Dienstvergehen habe sich in seiner früheren Einheit herumgesprochen, mögen die Aussagen seines Disziplinarvorgesetzten in der Berufungshauptverhandlung auch dafür sprechen, dass es in der neuen Einheit weitgehend unbekannt geblieben ist.

39

c) Die Beweggründe des Soldaten waren eigennützig. Es ging ihm darum, sich auf Kosten des Bundes, seines Dienstherrn, zu bereichern. Er wollte sich nämlich auf Kosten des Dienstherrn seiner Lebensgefährtin gegenüber großzügig zeigen.

40

d) Das Maß der Schuld des Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat.

41

aa) Der Soldat war in seiner Schuldfähigkeit auch nicht erheblich eingeschränkt im Sinne des § 21 StGB.

42

aaa) Die Frage einer vor allem alkoholbedingt wesentlich eingeschränkten Schuldfähigkeit kann nicht deshalb offen bleiben, weil sich der Soldat von vornherein entgegenhalten lassen müsste, sich schuldhaft in einen alkoholisierten Zustand versetzt zu haben (BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - 2 WD 2.15 - juris Rn. 34). Da er zum Zeitpunkt des Dienstvergehens ausweislich des Sachverständigengutachtens sowie der sonstigen medizinischen Befunde an einer Alkoholerkrankung litt, alkoholisierte er sich nicht schuldhaft (BVerwG, Urteile vom 4. Dezember 2014 - 2 WD 23.13 - juris Rn. 44 m.w.N. und vom 3. Dezember 2015 - 2 WD 2.15 - juris Rn. 34 m.w.N.).

43

Nach der Rechtsprechung des Senats vollzieht sich die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit eines Soldaten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe - krankhafte seelische Störung, tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder andere schwere seelische Abartigkeit - zum Zeitpunkt des Dienstvergehens aufgehoben oder jedenfalls entsprechend § 21 StGB erheblich vermindert war, in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren, wobei es sich sowohl bei der Bejahung der Eingangsmerkmale des § 20 StGB als auch bei der Annahme einer rechtserheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit um Rechtsfragen handelt, für die der Zweifelsatz nicht gilt (vgl. zu den Einzelheiten: BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2014 - 2 WD 35.11 - juris Rn. 62 - 64 m.w.N.). Danach ist zunächst die Feststellung erforderlich, dass bei dem früheren Soldaten eine psychische Störung vorlag, die unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Dem zu folgen hat die Feststellung des Ausprägungsgrades der Störung, also deren Schwere. Schließlich ist zu prüfen, ob sich die festgestellte Einschränkung von Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit auch tatsächlich auf die abzuurteilende Tat ausgewirkt hat.

44

bbb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze lässt sich ausschließen, dass die Schuldfähigkeit des Soldaten zum Zeitpunkt des Dienstvergehens erheblich vermindert gewesen ist.

45

Der Senat stützt seine Erkenntnis auf das Sachverständigengutachten des Klinikums der ...-Universität ... vom 7. August 2013, welches sowohl auf § 256 Abs. 1 Nr. 1 StPO als auch im Hinblick auf das Einverständnis der Beteiligten auf § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO gestützt in die Berufungshauptverhandlung im Selbstleseverfahren (§ 249 Abs. 2 StPO) eingeführt worden ist.

46

Das Sachverständigengutachten genügt den daran zu stellenden Anforderungen an Verlässlichkeit und Überzeugungskraft. Zweifel an der Methodik und Wissenschaftlichkeit des Gutachtens bestehen nicht (zu den formalen Anforderungen an ein Sachverständigengutachten: BVerwG, Urteil vom 28. August 2014 - 2 WD 20.13 - juris Rn. 33 ff.); sie sind auch weder vom Soldaten noch von seinem Verteidiger vorgetragen worden.

47

Dem Gutachten sind die tatsächlichen Grundlagen zu entnehmen, die der Senat benötigt, um im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 21 StGB die aufgeworfenen Rechtsfragen beantworten zu können. Es basiert auf der am 24. und 25. Juli 2013 von dem Sachverständigen über mehrere Stunden durchgeführten ambulanten Begutachtung des Soldaten. Der Gutachter ist zudem Facharzt für forensische Psychiatrie und - ausweislich der Anlage zum Gutachten - wissenschaftlich qualifiziert. Das 34 Seiten umfassende Gutachten gibt den Inhalt der ausgewerteten Unterlagen und ausführlich auch die Angaben des Soldaten wieder. Es erläutert die Befunde auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden und legt dar, aus welchen Gründen eine rezidivierende mittelgradige Depression des Soldaten und (allein) im Hinblick auf die zusätzliche Alkoholerkrankung des Soldaten zwar das klassische Eingangsmerkmal des § 20 StGB vorliegt (Seite 29 f.), die davon herrührende Beeinträchtigung jedoch nicht wesentlich war (Seite 31/32). Die zuletzt genannte Feststellung ist das Ergebnis der "normativen Beurteilung einer gegebenen Funktionsbeeinträchtigung" (Seite 31) wie die Rechtsprechung dies im Rahmen der gestuften Prüfung verlangt.

48

Auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Soldat bei keiner der festgestellten Taten durch seine Depression oder die Alkoholintoxikation in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war.

49

Da das Gutachten auf der Grundlage der durchgeführten Diagnostik eine posttraumatische Belastungsstörung ausschließt (vgl. Seite 29 f. des Gutachtens) fehlt es unter diesem Aspekt bereits an einer Diagnose, die ein Eingangsmerkmal des § 20 StGB erfüllen kann.

50

Das Gutachten diagnostiziert zwar eine rezidivierende mittelgradige depressive Störung (F33.1 nach ICD 10), die als episodisch auftretende affektive Störung grundsätzlich das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB erfüllen kann (Seite 30 des Gutachtens). Es stellt hierzu aber auch mit überzeugender Begründung fest, dass diese nie das Ausmaß einer derartig schweren Psychopathologie erreicht habe, dass sie die freie Willensbildung ausschließen bzw. die Steuerungsfähigkeit vermindern oder ausschließen konnte (vgl. Seiten 32 und 33 des Gutachtens). Mithin geht auch der Senat nicht von einem Ausprägungsgrad dieser Störung aus, der zu einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Soldaten zu den Tatzeiten hätte führen können.

Weiter errechnet das Gutachten auf der Grundlage der Angabe des Soldaten zu seinen Trinkzeiten und den Trinkmengen die maximal möglichen Blutalkoholkonzentrationen zu den jeweils in Rede stehenden Tatzeiten (vgl. Seite 30 f. des Gutachtens). Hiernach ist bei der überwiegenden Zahl der in Rede stehenden Tatzeiten von einer Blutalkoholkonzentration von unter 2 Promille auszugehen, sodass nach den der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und auch des Senates angewandten Erfahrungswerten allein hiernach eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit noch nicht indiziert ist (vgl. Fischer, StGB Kommentar, 63. Auflage 2016, § 20 Rn. 19 ff.; BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 2 WD 23.13 - juris Rn. 50). Soweit für einzelne der Taten eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 2 Promille nicht ausgeschlossen werden kann, war nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachtens allerdings - ebenso wie für die anderen in Rede stehenden Taten auch - dem Soldaten nachweislich klar-planendes Denken und Handeln unmittelbar vor und unmittelbar nach den Taten möglich, sodass von einem für eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit hinreichenden Schweregrad der alkoholbedingten Beeinträchtigung nicht ausgegangen werden kann (vgl. Seiten 30 f. des Gutachtens).

51

Die Bewertung des Sachverständigen wird nachvollziehbar durch die auf Seite 20 des Gutachtens beschriebene zeitlich gestreckte, mehraktige und planvolle Vorgehensweise des Soldaten. Sie lässt jeden affektiven Impuls vermissen. Der Soldat beschreibt dort, als ihm zum ersten Mal der Gedanke gekommen sei, mit der Bundeswehrkarte zu tanken, habe er seiner Freundin gegenüber zunächst geäußert, dass er das Tanken finanzieren könne, jedoch seine EC-Karte in der Kaserne vergessen habe. Sodann habe sie ihn noch einmal zur Kaserne zurückgefahren. Anschließend habe er die Tankkarte entwendet und sei mit seiner Freundin wieder zur Tankstelle zurückgefahren. Dort habe er das Auto betankt und bezahlt.

52

Gegen einen erheblichen Ausprägungsgrad der Störung spricht zudem, dass der Soldat dem Sachverständigen gegenüber erklärt hat, während der Zeit des Alkoholmissbrauchs keine Toleranzsteigerung, Kontrollverluste, Filmrisse, Entzugserscheinungen und Probleme durch Alkohol im Dienst erlitten zu haben (Seite 8). Hinzu tritt, dass er - ausweislich Seite 20 des Sachverständigengutachtens - ausgesagt hat, er habe seinerzeit überhaupt keine Angst vor möglichen Konsequenzen gehabt, weil er nach seiner (bisherigen) Lebenserfahrung nie irgendwelche Konsequenzen für ein Fehlverhalten habe befürchten müssen. Eine Aussage, die er in der Berufungshauptverhandlung bekräftigt hat. Er kenne in der Regel auch kein schlechtes Gewissen. Auch der Umstand, dass er einen Arbeitskollegen einer (disziplinaren) Verfolgungsgefahr ausgesetzt habe, habe bei ihm - jedenfalls seinerzeit - kein solches verursacht (Seite 21). In Verbindung mit der Aussage, zunächst habe er gedacht, seine große Gleichgültigkeit rühre vom Alkohol her, sie liege aber auch unabhängig davon weiter vor (Seite 22), spricht alles dafür, dass in den Pflichtverletzungen zuvörderst ein charakterlicher Mangel, nicht aber eine alkoholbedingte (erhebliche) Enthemmung manifest wird.

53

Gegen eine alkoholbedingt erhebliche Enthemmung spricht schließlich die sich über mehrere Monate hinziehende Vorgehensweise, mit der eine kontinuierliche Absicherung des kriminellen Verhaltens der Umgebung gegenüber einherging. Ein solch‘ taktisches Vorgehen streitet ebenso gegen einen erheblichen Kontrollverlust wie der zusätzliche Umstand, dass sich der Soldat - bis zum Zeitpunkt der Pflichtverletzungen - im Dienst durchgehend sozial-adäquat verhalten hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2014 - 2 WD 35.11 - juris Rn. 72).

54

bb) Zur Überzeugung des Senats steht ebenfalls fest, dass sich der Soldat nicht darauf berufen kann, die Pflichtverletzungen aus einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage heraus begangen zu haben, die auf andere Weise nicht zu beheben gewesen wäre (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2011 - 2 WD 10.10 - juris Rn. 33 m.w.N.). Ein solcher Milderungsgrund setzt eine Konfliktsituation voraus, in der der Soldat keinen anderen Ausweg als den Zugriff auf Vermögen des Dienstherrn sieht, um durch ein zeitlich begrenztes Fehlverhalten den Notbedarf zu decken ohne sich dadurch gleichsam eine weitere Einkunftsquelle zu erschließen (BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 - 2 WD 22.11 - juris Rn. 45 m.w.N.). Die Anerkennung dieses klassischen Milderungsgrundes verbietet sich somit, weil es sich um mehrfache Pflichtverletzungen handelte, die sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstreckten.

55

cc) Dauerhaftigkeit und Vielzahl der Pflichtverletzungen schließen zudem die Annahme einer persönlichkeitsfremden Tat aus. Von einem durch Spontaneität und Kopflosigkeit bestimmten Verhalten als Charakteristika der persönlichkeitsfremden Augenblickstat kann angesichts der Dauerhaftigkeit der Pflichtverletzungen und ihrer strukturierten Abfolge ("Dauerdelikt") nicht ausgegangen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. April 2015 - 2 WD 7.14 - juris Rn. 47, vom 28. August 2014 - 2 WD 20.13 - juris Rn. 61 und vom 5. Mai 2015 - 2 WD 6.14 - juris Rn. 55).

56

dd) Ob sich der Soldat auf das Vorliegen einer seelischen Ausnahmesituation als weiteren klassischen Milderungsgrund berufen kann (BVerwG, Urteil vom 1. September 1997 - 2 WD 13.97 - BVerwGE 113, 128 <130>), kann dahinstehen.

57

Voraussetzung dafür wäre das Vorliegen belastender Lebensumstände, die einen so hohen Grad an Zuspitzung erfahren hätten, dass vom Soldaten ein normgemäßes Verhalten kaum noch hätte erwartet werden können (vgl. BVerwG, Urteile vom 28. August 2014 - 2 WD 20.13 - juris Rn. 63, vom 8. Mai 2014 - 2 WD 10.13 - Rn. 78, vom 4. Dezember 2014 - 2 WD 23.13 - juris Rn. 52 f., vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - juris Rn. 43, sowie vom 12. November 2015 - 2 WD 1.15 - juris Rn. 39). Insoweit ist nicht zu verkennen, dass sich der Soldat zu den Tatzeitpunkten - so auch die Feststellungen des Sachverständigen - in einer schwierigen privaten und finanziellen Situation befunden hat, an Alkoholismus und einer mittelgradigen Depression erkrankt war, was in Kombination mit seiner (unsicher-vermeidenden) Persönlichkeitsstruktur die Tatbegehung begünstigte (Seite 33 des Sachverständigengutachtens), und die Belastung zwar nicht über Jahre bestand, jedoch nicht nur situativ war (BVerwG, Urteil vom 13. September 2011 - 2 WD 15.10 - juris Rn. 53). Diese Umstände führen dazu, dass der Senat von einem mildernden Umstand ausgeht, weil die klassischen Milderungsgründe in den Umständen der Tat keinen abschließenden Kanon mildernder Umstände bilden (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Februar 2015 - 2 WD 2.14 - Rn. 45 m.w.N., sowie vom 28. August 2014 - 2 WD 20.13 - juris Rn. 64). Ob die jenseits dieser belastenden Lebensumstände bestehende Alkoholerkrankung und die mittelgradige Depression dazu führen, dass Milderungsgründe vorliegen, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines klassischen Milderungsgrundes erlangen, ist zwar fraglich, weil trennungsbedingte private und finanzielle Belastungen nicht selten auftreten (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Mai 2014 - 2 WD 10.13 - Rn. 78); dem braucht jedoch nicht abschließend nachgegangen zu werden. Denn selbst wenn man ihnen das Gewicht eines klassischen Milderungsgrundes beimäße, änderte dies aus noch darzulegenden Gründen an der Rechtmäßigkeit der verhängten Disziplinarmaßnahme im Ergebnis nichts.

58

e) Im Hinblick auf die Zumessungskriterien "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sprechen für den Soldaten seine jedenfalls bis 2003 überdurchschnittlichen Leistungen. Ihnen schloss sich zwar ein durch die Krankheit und längere Abwesenheitszeiten bedingter Leistungsabfall an; der Soldat hat sich jedoch anschließend wieder kontinuierlich gesteigert. Nach der aktuellen Sonderbeurteilung vom ... 2015 und nach Aussage des Leumundszeugen X in der Berufungshauptverhandlung liegen sie bei "6,60", nachdem sie nach der Beurteilung vom 23. September 2014 noch bei "6,11" und der erstinstanzlich abgegebenen Einschätzung des Disziplinarvorgesetzten im Mai 2015 noch bei "6,40" gelegen haben. Auch wenn sie damit nicht überdurchschnittlich sind, begründen sie gleichwohl eine Nachbewährung. Sie ist festzustellen, wenn durch das Gesamtverhalten eines Soldaten im Laufe des gerichtlichen Disziplinarverfahrens deutlich wird, dass das Verfahren selbst nachhaltig pflichtenmahnend auf ihn wirkt und er durch seine dienstliche Führung in jeder Hinsicht dokumentiert, dass er die durch die Pflichtverletzungen begründeten Zweifel an seiner charakterlichen Integrität und fachlichen Eignung durch besonders korrekte Pflichterfüllung ausräumen will (BVerwG, Urteil vom 23. April 2015 - 2 WD 7.14 - juris Rn. 44). Für ihn spricht zudem, dass er in der Berufungshauptverhandlung erneut glaubhaft Unrechtseinsicht bekundet hat.

59

Der Milderungsgrund des freiwilligen Offenbarens des Fehlverhaltens bzw. der freiwilligen Wiedergutmachung des Schadens greift nicht ein. Freiwillig ist die Offenbarung oder die Wiedergutmachung nur, wenn sie ohne äußeren oder inneren zwingenden Anlass erfolgt und das Verhalten erkennbar von Einsicht oder Reue bestimmt ist, sodass deswegen das an sich zerstörte Vertrauen des Dienstherrn in die Zuverlässigkeit und Treuebereitschaft des Soldaten wiederhergestellt werden kann (objektiv nachträgliche Prognose, vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 WD 6.14 - juris Rn. 58). Der Soldat war jedoch erst geständig, nachdem durch Urkunden zahlreiche Indizien auf seine Täterschaft hindeuteten. Dieses Geständnis war nicht freiwillig, sondern ist vielmehr unter dem Druck der Beweislage erfolgt und hat deshalb keinen hohen mildernden Wert.

60

f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts der Ausspruch der - gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 5 in Verbindung mit § 63 Abs. 1 WDO zulässigen - Entfernung aus dem Dienstverhältnis erforderlich und angemessen.

61

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in ständiger Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35).

62

aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

63

Soweit es die Verwendung der Tankkarten des Bundes betrifft, leitet sich der Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen aus der Fallgruppe ab, die der Senat für Zugriffe auf Vermögen des Bundes entwickelt hat. Danach ist bei vorsätzlicher versuchter oder vollendeter Schädigung des Dienstherrn bzw. Gefährdung des Vermögens des Dienstherrn als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis in Betracht zu ziehen, wenn die Schädigung im Bereich der dienstlichen Kernpflichten erfolgte (BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 WD 6.14 - juris Rn. 64). Hiervon ist auszugehen, da der Soldat zum Tankkartenverwalter bestellt war und die damit begründete Vertrauensstellung missbraucht hat (vgl. zum Tankkartenbetrug: BVerwG, Urteil vom 13. März 2014 - 2 WD 37.12 - juris Rn. 54).

64

bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die eine Milderung oder Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme gebieten. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. - wie vorliegend allein bedeutsam - nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht hinsichtlich des Disziplinarmaßes einen Spielraum eröffnet (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 WD 11.14 - juris Rn. 52 m.w.N.).

65

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind keine mildernden Umstände ersichtlich, die nach Art und Gewicht des Dienstvergehens ein Absehen von der Höchstmaßnahme gebieten. Das Gewicht mildernder Umstände muss für eine Abmilderung der den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildenden Maßnahmeart umso größer sein, je schwerer das Dienstvergehen wiegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 2 WD 6.14 - juris Rn. 66 m.w.N.).

66

Für den Soldaten sprechen zwar seine Reue, seine früheren überdurchschnittlichen Leistungen, die Nachbewährung und die im Zusammenhang mit der Alkoholerkrankung und der mittelgradigen Depression des Soldaten stehenden Umstände finanzieller und familiärer Natur. Selbst wenn der Senat auch letzteren das Gewicht eines klassischen Milderungsgrundes beimisst, würde dies jedoch nicht den Übergang zu einer milderen Maßnahmeart tragen, weil die Schwere des Dienstvergehens durch den Missbrauch der Tankkarten nicht abschließend bestimmt wird. Hinzu treten als weitere Pflichtverletzungen das vorschriftswidrige Aufbewahren der Tankkarten, das mehrfache unerlaubte Fernbleiben vom Dienst sowie vor allem die mehrfache Abgabe unwahrer dienstlicher Meldungen unter Inkaufnahme der disziplinarischen Verfolgung eines Kameraden. Damit liegen neben den bereits die Höchstmaßnahme indizierenden Pflichtverletzungen solche vor, die bereits allein für sich gesehen eine massive disziplinarische Ahndung - jedenfalls eine Herabsetzung im Dienstgrad - verlangt hätten. Sie vermitteln dem Dienstvergehen insgesamt eine solche Schwere, dass die für den Soldaten sprechenden Umstände nicht ein Gewicht erreichen, um von der Höchstmaßnahme absehen zu können (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 2 WD 23.13 - juris Rn. 62).

67

Der Soldat hat mit dem Dienstvergehen das in ihn gesetzte Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren, sodass diesem bei objektiver Betrachtung eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei beantwortet sich die Frage nach der Vertrauenswürdigkeit eines Soldaten schon aus Gründen der Gleichbehandlung sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme ausschließlich nach den vom Wehrdienstgericht festgestellten objektiven Bemessungsgesichtspunkten und nicht nach der subjektiven Sicht konkreter einzelner Vorgesetzter. Der Aussage des Disziplinarvorgesetzten X, er würde dem Soldaten voll und ganz vertrauen und ihn definitiv gerne behalten, kommt daher keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Desgleichen gilt für den Umstand, dass der Soldat erneut mit der Verwaltung von Dienstfahrzeugen betraut worden ist, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen wäre.

68

Dem objektiven Vertrauensverlust steht auch die Nachbewährung des Soldaten nicht entgegen. Ist das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört, besteht für eine Nachbewährung kein Raum mehr (BVerwG, Urteil vom 24. November 2015 - 2 WD 15.14 - juris Rn. 80 m.w.N.). Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, sodass gravierende Defizite der persönlichen Integrität, die bei objektiver Betrachtung zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn führen müssen, nicht durch fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (BVerwG, Urteil vom 6. September 2012 - 2 WD 26.11 - juris Rn. 73).

69

Ebenso wenig verbietet die sachgleiche strafrechtliche Verurteilung, gegen den Soldaten die Höchstmaßnahme zu verhängen. Dies folgt aus dem Rückschluss der Regelungen in § 16 Abs. 1 WDO und § 17 Abs. 2 bis 4 WDO. Steht im Einzelfall - wie hier - § 16 WDO der Zulässigkeit des Ausspruchs einer Disziplinarmaßnahme nicht entgegen, ist die Art oder Höhe einer Kriminalstrafe oder sonstigen Strafsanktion für die Gewichtung der Schwere eines sachgleichen Dienstvergehens regelmäßig nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen unterschiedliche Zwecke. Die Kriminalstrafe unterscheidet sich nach Wesen und Zweck grundlegend von der Disziplinarmaßnahme. Während erstere neben Abschreckung und Besserung der Vergeltung und Sühne für begangenes Unrecht gegen den allgemeinen Rechtsfrieden dient, ist die disziplinarische Ahndung darauf ausgerichtet, unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen geordneten und integren Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, indem sie denjenigen, der die ihm obliegenden Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, entweder durch eine erzieherische Maßnahme zu künftig pflichtgemäßem Verhalten mahnt oder die Höchstmaßnahme ausspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 WD 33.11- juris Rn. 74 m.w.N.).

70

5. a) Die Entfernung aus dem Dienst ist nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie die angespannte wirtschaftliche Lage des Soldaten durch den Verlust der Dienstbezüge verschärft. Ist dem Dienstherrn die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wegen des objektiven Verlustes des Vertrauens in den Soldaten nicht mehr zumutbar, sind die durch § 63 Abs. 1 Satz 2 WDO hieran geknüpften Folgen als dem schuldhaft pflichtwidrigen Verhalten zurechenbare Folgen für den Soldaten vorhersehbar. Ihr Eintritt macht die Verhängung der tat- und schuldangemessenen Maßnahme nicht unverhältnismäßig (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2011 - 2 WD 10.10 - juris Rn. 48 und vom 23. April 2015 - 2 WD 7.14 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 48 Rn. 58).

71

b) Wegen der schon aktuell sehr schwierigen finanziellen Situation des Soldaten, welche durch die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme erheblich verschärft wird, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 WDO vor, sodass der Bezug des Unterhaltsbeitrages auf insgesamt achtzehn Monate zu verlängern ist.

72

Zur Vermeidung einer unbilligen Härte ist dies notwendig, weil der Soldat mit der Entfernung aus dem Dienstverhältnis die Rechte als Soldat im Rahmen des § 63 Abs. 1 Satz 2 WDO verliert. Zwar erhält er nach § 63 Abs. 2 Satz 1 WDO für sechs Monate einen Unterhaltsbeitrag, der ihm nach dem Fortfall der Dienstbezüge den Übergang in eine zivile Berufstätigkeit ermöglichen soll. Allerdings wird es ihm wegen der zur Entfernung aus dem Dienstverhältnis führenden Gründe, der bislang weitgehend von ihm allein getragenen beträchtlichen Schulden und der Unterhaltsverpflichtungen für vier Kinder nicht leicht fallen, seinen eigenen Unterhalt zu bestreiten und seinen zahlreichen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Soweit der Soldat ausgeführt hat, er könne außerhalb ... bei einem Bekannten arbeiten, ist diese Aussicht vage und nicht geeignet, eine wirtschaftliche Härte in Frage zu stellen, die schon durch die Höhe der laufenden Pfändungen ausweislich der Auskunft des Bundesverwaltungsamtes vom 27. Januar 2016 auch im Sinne des § 63 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 WDO glaubhaft gemacht worden ist. Die Härte ist auch gem. § 63 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 WDO unbillig, da die erheblichen Schulden in erster Linie das Ergebnis des trennungsbedingt mit Verlust erfolgten Hausverkaufs sind, der Soldat sie bislang allein abträgt und er erhebliche Unterhaltsforderungen zu bedienen hat.

73

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 2 WDO.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die disziplinarrechtliche Ahndung eines von einem Feuerwehrbeamten innerdienstlich begangenen Diebstahls.

2

Der 1962 geborene Beklagte steht als Brandmeister im Dienst der Klägerin und wurde von der Klägerin wegen seiner Ausbildung zum Rettungsassistenten auch im Rettungsdienst eingesetzt. Der Beklagte ist 2003 wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug sowie 2005 wegen Entziehung elektrischer Energie zu Geldstrafen verurteilt worden.

3

Wegen des Vorfalls, der den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte hatte im Jahr 2006 einem stark alkoholisierten und bewusstlosen Patienten während der Fahrt im Rettungswagen einen 50 €-Schein entwendet, um diesen für sich zu behalten. Vom Fahrer des Rettungswagens, der ihn bei der Tat be-obachtet hatte, zur Rede gestellt, schlug der Beklagte zunächst vor, den Geldschein als Trinkgeld in die Gemeinschaftskasse zu geben. Der Fahrer bestand jedoch auf der Rückgabe des Geldes an den Patienten. Bei der Aushändigung des Geldscheins an einen Pfleger des Krankenhauses gab der Beklagte an, der Patient habe das Geld im Rettungswagen verloren. Noch während der Bewährungszeit dieser strafgerichtlichen Verurteilung und des laufenden Disziplinarverfahrens wurde der Beklagte wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt, die auch vollstreckt wurde.

4

Im Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Bei Gesamtwürdigung aller für und gegen den Beklagten sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit unwiederbringlich verloren habe. Mit dem Diebstahl im Rettungswagen habe der Beklagte ein einem Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn gleichzustellendes Dienstvergehen begangen. Das dem Patienten entwendete Geld sei dem Beklagten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich gewesen. Auf den Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sache könne sich der Beklagte nicht berufen, weil durch das Dienstvergehen weitere wichtige Interessen verletzt seien und die konkreten Umstände der Tatbegehung ihn zusätzlich belasteten. Andere anerkannte Milderungsgründe kämen ebenfalls nicht in Betracht. Es habe sich nicht um eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation gehandelt. Die sonstigen Verurteilungen des Beklagten zeigten, dass ihm der Zugriff auf fremdes Vermögen und Eigentum keineswegs persönlichkeitsfremd sei.

6

Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2013 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 2. September 2009 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen,

hilfsweise auf eine unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegende Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, §§ 13, 59, 65 und 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Wertung, der Beklagte sei bei Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch den innerdienstlich begangenen Diebstahl das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 3 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004 (- LDG NW -, GV. NRW S. 624), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW S. 622), endgültig verloren habe, ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 144 Abs. 2 VwGO).

9

Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 LDG NW richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.a). Da der Beklagte die ausweglose Lage des Patienten ausgenutzt hat, ist hier die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.b). Die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.c und d). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.e).

10

1. Nach den gemäß § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich der Beklagte eines Diebstahls schuldig gemacht. Der Beklagte hat dadurch schuldhaft seine Pflichten verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV. NRW S. 234 - LBG NW a.F. -). Er hat gegen die ihm obliegende Dienstpflicht verstoßen, sein Amt uneigennützig nach bestem Wissen zu verwalten (§ 57 Satz 2 LBG NW a.F.). Zugleich hat er die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten vorsätzlich und schuldhaft verletzt (§ 57 Satz 3 LBG NW a.F.).

11

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 10).

12

2. Nach § 13 Abs. 2 LDG NW und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>).

13

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

14

Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

15

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 37). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 <209 f.> und vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).

16

a) Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG NW aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <259>).

17

aa) Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat der Senat zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22, - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 31). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

18

Hiervon ausgehend hat der Senat für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften aus dem von April 2004 bis Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Weist ein Dienstvergehen indes, wie bei einem Lehrer oder einem Polizeibeamten, hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 33; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom 23. Januar 2014 - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

19

bb) Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Auf die bisher in der Praxis des Senats maßgebliche Einstufung eines Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt, für das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung sein soll, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen, kommt es nicht an. Diese Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 f., vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 12 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63. 11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15) gibt der Senat auf.

20

Die Strafgerichte haben den Beklagten wegen des zum Nachteil des bewusstlosen Patienten begangenen besonders schweren Falls des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB bestraft, weil der Beklagte beim Diebstahl die Hilflosigkeit des Patienten ausgenutzt hat. Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB reicht der Strafrahmen von drei Monaten Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

21

b) Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 LDG NW führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Die vom Oberverwaltungsgericht getroffene Entscheidung ist deshalb nicht zu beanstanden.

22

Gemäß § 13 Abs. 1 und 2 LDG NW ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 35). Bei der Ausübung des den Gerichten nach § 13 Abs. 1 LDG NW eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NW), ist jede Schematisierung zu vermeiden (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 36).

23

Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Der Beklagte hat die schutzlose Lage des verletzten und bewusstlosen Opfers, das ihm im Inneren des Rettungswagens ausgeliefert und dessen Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war, zum Diebstahl ausgenutzt. Da eine vollständige Kontrolle der Bediensteten aufgrund der Einsatzumstände ausgeschlossen ist, verlangt die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, deren Schutz Aufgabe der Disziplinarbefugnis ist, gerade im Bereich des Feuerwehr- und Rettungsdienstes, dass sich der Dienstherr und die Öffentlichkeit auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue der dort eingesetzten Beamten unbedingt verlassen können. Die Allgemeinheit muss darauf vertrauen können, dass Beamte im Feuerwehr- und Rettungsdienst das Eigentum sowie die sonstigen Rechte der Opfer achten und schützen und nicht deren Hilflosigkeit und die eigene Zugriffsmöglichkeit zu Eigentumsdelikten ausnutzen.

24

Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 38 f. m.w.N.).

25

c) Der in der Rechtsprechung entwickelte, "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt dem Beklagten nicht zugute.

26

Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit bei etwa 50 € anzusetzen (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - BVerwGE 145, 269 Rn. 82 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 16).

27

Der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache ist hier aber ausgeschlossen, weil der Beklagte durch die konkrete Tatausführung und sein sonstiges Verhalten zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

28

Tragend für diesen Milderungsgrund ist die Erwägung, bei einem Zugriff auf geringere Werte bestünden noch Persönlichkeitselemente, die den betroffenen Beamten noch tragbar und die Fortführung des Beamtenverhältnisses noch möglich erscheinen lassen. Dies ist insbesondere die Annahme, beim Beamten bestehe beim Zugriff auf höhere Werte noch eine Hemmschwelle und beim Zugriff auf lediglich geringwertige Sachen sei sein Unrechtsbewusstsein vermindert (BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318>).

29

Im Streitfall wird das Unrechtsbewusstsein des Beklagten jedoch nicht durch den Wert der entwendeten Sache bestimmt, sondern durch die äußeren Umstände der Tatbegehung. Der Beklagte hat eine Person bestohlen, deren Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war. Er hat den Umstand, dass der geschädigte Patient ihm wegen seiner Verletzung und seiner Bewusstlosigkeit ausgeliefert war, zum Diebstahl ausgenutzt.

30

Zudem liegt hier ein erschwerender Umstand vor, der die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beklagten trotz der objektiven Geringwertigkeit der entwendeten Sache ausschließt (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>). Der Beklagte ist im Vorfeld des Dienstvergehens bereits zweimal wegen Eigentums- und Vermögensdelikten nachteilig in Erscheinung getreten und hat sich diese Verurteilungen nicht zur Warnung dienen lassen. Im November 2010 ist der Beklagte zudem noch wegen eines während seiner Bewährungszeit begangenen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die auch vollstreckt wurde.

31

d) Auch andere in der Rechtsprechung "anerkannte" (klassische) Milderungsgründe, die typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des betroffenen Beamten erfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben, greifen nicht zu Gunsten des Beklagten ein.

32

Die Annahme, das Verhalten des Beklagten stelle sich als unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation dar (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999 - 1 D 31.98 - juris Rn. 19 m.w.N.), ist hier ausgeschlossen. Das Verhalten des Beklagten kann nicht als spontan, kopflos oder unüberlegt bewertet werden. Die Kontrolle der Wertgegenstände eines durch Rettungskräfte versorgten Patienten gehört zu deren Routine. Das Rettungspersonal muss regelmäßig die zu versorgende Person durchsuchen, etwa um die Krankenversicherungskarte zu finden. Auch bei der Rückgabe des Geldes hat der Beklagte durch die Behauptung, das Opfer habe den Geldschein im Rettungswagen verloren, seine Straftat zu verschleiern versucht.

33

Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens oder der Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2001 - 1 D 69.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 25 S. 14 m.w.N.) scheidet ebenfalls aus. Zum einen ist der Beklagte wegen seiner vorangegangenen Eigentums- und Vermögensdelikte nicht unbescholten. Zum anderen erweist sich die Übergabe des gestohlenen 50 €-Scheins an den Pfleger im Krankenhaus allein als Folge der hartnäckigen Vorhaltungen und Ermahnungen des Fahrers des Rettungswagens.

34

Der Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage kommt nicht zur Anwendung, weil der Beklagte den Diebstahl nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht aus Armutsgründen begangen hat. Dieser "anerkannte" Milderungsgrund setzt aber voraus, dass der Beamte Gelder oder Güter zur Minderung oder Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 74).

35

Die Annahme der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist aufgrund der das Revisionsgericht nach § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ausgeschlossen.

36

Schließlich kommt auch der "anerkannte" Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" dem Beklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zugute. Dieser setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind (BVerwG, Urteile vom 18. April 1979 - 1 D 39.78 - BVerwGE 63, 219 <220> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 230.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 36). Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht "vorübergehend aus der Bahn geworfen". Seine Arbeitsleistung war nicht eingeschränkt, er nahm keine Medikamente ein und konnte seine dienstlichen Pflichten im Rettungsdienst uneingeschränkt erfüllen. Nach der eigenen Einschätzung des Beklagten handelte es sich bei dem konkreten Einsatz um einen Routinefall. Auch die Debatte des Beklagten mit dem Fahrer des Rettungswagens, wie mit dem gestohlenen Geld zu verfahren sei, belegt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat mit Bedacht handeln konnte. Auch litt der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat nicht unter einem akuten finanziellen Engpass, den er durch den Diebstahl hätte überwinden können. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht alkoholabhängig und hatte den Dienst auch nicht alkoholisiert angetreten.

37

e) § 13 Abs. 2 LDG NW sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass - über die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe hinaus - bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261 ff.>, vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 14 ff. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 25).

38

Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW).

39

Die Strafgerichte haben die Tat mit einer Freiheitsstrafe geahndet, die sich der Beendigung des Beamtenverhältnisses allein wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung annähert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Feuerwehrbeamte, die zur Brandbekämpfung oder im Rettungsdienst eingesetzt werden, genießen wegen der von ihnen bekämpften Gefahren und Schäden sowie der häufigen Selbstlosigkeit ihres Einsatzes eine besondere Vertrauensstellung. Diese wird durch einen Diebstahl zerstört, bei dem der Beamte die Eigenarten des Einsatzes, hier die alleinige Betreuung des Patienten während der Fahrt zum Krankenhaus, sowie dessen Hilflosigkeit ausnutzt. Die Rückgabe des Geldes beruhte nicht auf der eigenen Einsicht des Beklagten, Unrecht begangen zu haben, sondern auf dem Druck des Kollegen, der den Beklagten beim Diebstahl beobachtet und zur Rückgabe des Geldes gedrängt hatte. Bei der Rückgabe des Geldscheins versuchte der Beklagte noch seine Straftat zu verschleiern. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte für seinen verantwortlichen Dienst als Rettungsassistent voll einsatzfähig. Er war auch in der Lage, seinen Alkoholkonsum zu steuern. Die vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten hat sich der Beklagte nicht zur Warnung gereichen lassen. Die Disziplinarklage mit dem Ziel, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, hat die Klägerin bereits im März 2007 erhoben. Ungeachtet dieser drohenden Folge des Disziplinarverfahrens hat der Beklagte im Juli 2010 einen weiteren Diebstahl begangen. Damit hat er dokumentiert, dass er fremdes Eigentum nicht zu respektieren bereit ist. Als Feuerwehrmann wäre der Beklagte beim Einsatz im Bereich der Brandbekämpfung oder des Rettungsdienstes aber immer wieder mit dem Eigentum Dritter befasst, die sich regelmäßig in einer hilflosen Lage befinden und deshalb den Rettungskräften faktisch ausgeliefert sind.

40

3. Der Senat weist darauf hin, dass der Beklagte durch die Aufgabe der Regeleinstufung bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen (oben Rn. 19) nicht benachteiligt wird. Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wäre die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Richtschnur für die Bemessungsentscheidung gewesen und wäre der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache nicht zur Anwendung gekommen:

41

Der Beklagte hat nicht auf finanzielle Mittel des Dienstherrn, sondern auf Vermögenswerte eines Dritten zugegriffen, die ihm aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich waren. Dieses Dienstvergehen wäre nach der bisherigen gerichtlichen Praxis einem Zugriffsdelikt zum Nachteil des Dienstherrn gleichzustellen gewesen, weil der Beklagte im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt hat (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 16 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15 m.w.N.).

42

Der Umstand, dass der Beklagte durch den Diebstahl auf das Eigentum einer hilflosen Person zugegriffen hat, die zu schützen ihm dienstlich oblag, wäre nach Maßgabe des § 13 LDG NW auch bei der Prüfung des anerkannte Milderungsgrundes der Geringwertigkeit der Sache zu berücksichtigen gewesen. Der Beklagte hat die hilflose Lage einer ihm anvertrauten Person ausgenutzt. Durch diese konkrete Tatausführung wird der Beklagte zusätzlich belastet, so dass der Umstand, dass er nur eine geringwertige Sache gestohlen hat, zurücktritt. Zudem ist der Beklagte mehrfach wegen Eigentums- und Vermögensdelikten verurteilt worden und hat sich diese nicht zur Warnung gereichen lassen (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

43

4. Anlass, die gesetzliche Laufzeit des Unterhaltsbeitrages (§ 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NW) abzuändern, besteht nicht.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

I.

In Abänderung der Ziffer I des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 11. Oktober 2013 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

I.

Der 19... geborene Beklagte steht als Studienrat im Dienst der Klägerin und unterrichte in der Zeit vom 1. August 2005 bis 12. Dezember 2012 am J.-Gymnasium in N. in den Fächern Mathematik und Physik. Der Beamte ist verheiratet und hat zwei 2008 und 2010 geborene Kinder. Seine Ehefrau ist als Oberstudienrätin am S.-Gymnasium der Klägerin in Vollzeit beschäftigt.

Der Beklagte erwarb 1995 das Abitur und legte im Herbst 2002 die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien ab. Im Anschluss an das Referendariat legte er im Februar 2005 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien erfolgreich ab. Am 1. August 2005 wurde er von der Klägerin unter Berufung zum Studienrat z. A. und am 1. März 2008 unter Ernennung zum Studienrat in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen. Seit dem 13. Dezember 2012 wird er wegen der dem Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Vorwürfe nicht mehr im Unterricht, sondern beim Amt für Allgemeinbildende Schulen vorübergehend zur Unterstützung und Überbrückung von Arbeitsspitzen sowie Fortschreibung der anstehenden Schulentwicklungsplanung mit aktuellen Daten eingesetzt.

Der Beklagte wurde gemäß Beurteilungen vom 18. Dezember 2007 und 14. Januar 2010 jeweils mit dem Gesamturteil 10 Punkte beurteilt. Ab Ende der Elternzeit bis zur Zeit der Erhebung der Disziplinarklage war er auf seinen Antrag hin mit der Hälfte des Regelstundensatzes beschäftigt.

Im Jahr 2008 hat der Beklagte ein Informatikstudium an der Universität E. begonnen. Mit Bescheid vom 24. September 2012 wurde die regelmäßige Arbeitszeit ab 1. Oktober 2012 auf insgesamt zehn Wochenstunden bis 2. September 2028 festgesetzt, daneben wurde dem Beklagten eine Nebentätigkeit bei der G. Akademie mit einer Vergütung von monatlich 2.375 Euro genehmigt.

II.

Gegen den straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelasteten Beklagten wurde mit dem seit dem 11. Juli 2011 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts N. vom 31. März 2011 - 44 Cs 652 Js 37224/10 - wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften gemäß §§ 184b Abs. 4 Satz 2, Abs. 6, 11 Abs. 3 und 47, 53, 74 StGB eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 50 Euro (insgesamt 7.500 Euro) verhängt.

In den Gründen des Urteils wird ausgeführt:

„2. Vom 22.03.2007 bis zum 02.09.2008 hatte der Angeklagte auf dem PC „Packer Bell Imedia 9500“ insgesamt mindestens 453 kinderpornographische Bilddateien und mindestens 10 kinderpornographische Videodateien gespeichert, in denen in grobreißerischer und allein auf sexuelle Erregung abzielende Art und Weise dargestellt wird, wie Kinder aneinander bzw. Erwachsene bei Kindern sexuelle Handlungen vornehmen. Teilweise ist die Durchführung des vaginalen, oralen oder analen Geschlechtsverkehrs bzw. des Handverkehrs wiedergegeben. Wie der Angeklagte wusste, hatten die Darstellungen ein tatsächliches Geschehen zum Gegenstand. Dies wurde im Rahmen einer am 18.03.2010 in der Wohnung des Angeklagten, …durchgeführten Wohnungsdurchsuchung festgestellt.

Zugunsten des Angeklagten wird davon ausgegangen, dass alle genannten Bilder und Videos gleichzeitig gespeichert waren und es sich somit insoweit nur um eine Tat im prozessualen Sinn handelt.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Einlassung des Angeklagten sowie der durchgeführten Untersuchung des sichergestellten Computers.

Der Angeklagte räumte ein, die Bilddateien und Videodateien aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Er erklärte, dass er als Lehrer eine vertrauensvolle Stellung gegenüber den Schülern erlangen konnte und er immer gern versucht hat zu helfen. Er hat als Administrator an einem Sorgenchat im Internet teilgenommen. Hier erfuhr der Angeklagte, wie junge Frauen im Internet erzählen, wie sie Missbrauch in ihrer Kindheit erlebt hatten. Er lernte über diesen Chat und auch über die Schule Frau M. W. und Frau N. H. kennen, die sich ihm über den erlittenen Missbrauch anvertrauten. Der Angeklagte wollte nunmehr verstehen, warum Kindern so etwas angetan wird. Aufgrund seiner vielen Arbeit im Internet bemerkte er, wie leicht es ist, im Chat auf solch ein Thema angesprochen zu werden. Er hat sich dann darauf eingelassen und sich mit dem Thema Missbrauch beschäftigt. U. a. wurde ihm hier ein Link zugeschickt, den er angeklickt hat. Es hat sich dann eine Seite mit ZIP-Dateien geöffnet, die nach Erinnerung des Angeklagten nur mit 3 Ziffern beschriftet waren. Er hat dann hier mehrere ZIP-Dateien angeklickt, die sich dann auf den Computer heruntergeladen haben. Am gleichen Abend des 22.03.2007 habe der Angeklagte die Dateien entzipt. Der Angeklagte gab an, seine Festplatte in zwei Teile partizipiert zu haben. Die ZIP-Dateien waren auf dem Teil C gespeichert. Hier wollte er auch die entzipten Dateien speichern. Jedoch hat er nachträglich bemerkt, dass die Dateien aus Versehen auf einem anderen Teil der partizipierten Festplatte gespeichert wurden. Nachdem der Angeklagte erkannt hatte, was er sich genau runtergeladen hat, hat er die Festplatte C komplett neu formatiert und die hierauf befindlichen Programme neu installiert. Der Angeklagte gab weiter an, erst am 02.09.2008, als er Dateien für die Schule suchte, wieder auf die Bilddateien im anderen Teil der Festplatte gestoßen zu sein und dann hier alle Dateien in den Papierkorb gelegt zu haben.

Der Angeklagte konnte sich nicht mehr detailliert erinnern, wann er die E-Mail mit dem Bild versandt hat.

Die Auswertung des sichergestellten Computers ergab, dass als File-Created-Datum der 22.03.2007 angegeben und Last Expess-Datum bei allen Dateien der 02.09.2008 vermerkt ist. Am 23.03.2007 wurden alle Programme neu installiert.

Der Angeklagte hat sich daher des Besitzes kinderpornographischer Schriften gemäß §§ 184b Abs. 4 S. 2, Abs. 6 je in der Fassung vom 01.04.2008 bis 04.11.2008, §§ 11, Abs. 3, 47, 53, 74 StGB strafbar gemacht.

Der Angeklagte hat über den gesamten Zeitraum kinderpornographische Bild- und Videodateien objektiv besessen und hat hierfür auch den erforderlichen Besitzwillen gehabt. Zwar hat der Angeklagte am 22.03.2007 den Teil C der Festplatte neu formatiert und alle Systemprogramme neu installiert, so dass die ZIP-Dateien vollständig gelöscht wurden. Der Angeklagte muss jedoch noch Kenntnis vom Vorhandensein der kinderpornographischen Schriften gehabt haben. Denn im Besitzzeitraum wurde eine E-Mail mit einem sogenannten Posing-Bild versandt. Dieses Posingbild stammt aus einer der ZIP-Dateien, die am 22.03.2007 vom Angeklagten heruntergeladen wurde. Somit hatte er zumindest eine Ahnung vom Vorhandensein dieser Bilddateien. Dieses billigende In-Kaufnehmen reicht für den festzustellenden Besitzwillen aus.

Bei der Strafzumessung ließ sich das Gericht von folgenden Gesichtspunkten leiten:

Erheblich zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte auch zur Überzeugung des Gerichts keinerlei sexuelle Motivation am Besitz dieser kinderpornographischen Schriften hatte. Das Gericht legt hier als Motivation für die Tat tatsächlich den vom Angeklagten angegebenen Sachverhalt zugrunde. Es ist mithin davon auszugehen, dass der Angeklagte in die Gelegenheit des Besitzes kam, da er sich aufgrund der erfahrenen Geschichten verschiedener Personen über erlittenen Missbrauch für die Täterpersönlichkeit interessierte, um den Opfern helfen zu können. Zugunsten des Angeklagten war ferner zu sehen, dass alle Bild- und Videodateien in einem Akt gespeichert und auch in einem Akt gelöscht wurden.

Zulasten des Angeklagten war jedoch die Vielzahl der Bild- und Videodateien zu würdigen. Auch dem Angeklagten muss klar gewesen sein, dass er, auch wenn er sich nicht wirklich für kinderpornographische Schriften interessiert, bei den Anbietern dennoch durch Vorspiegelung dieses Interesses den Eindruck erweckt, dass ein weiterer Markt für solche kinderpornographische Schriften vorhanden ist.“

III.

Die Klägerin leitete mit Verfügung vom 25. November 2010 ein Disziplinarverfahren ein, das gemäß Art. 24 Abs. 1 BayDG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt wurde. Nachdem das Urteil des Amtsgerichts N. vom 31. März 2011 rechtskräftig geworden war, wurde das Disziplinarverfahren vom Personal- und Organisationsausschuss des Stadtrats der Klägerin als Disziplinarbehörde übernommen und fortgesetzt.

Der Beklagte äußerte sich im Disziplinarverfahren im Wesentlichen dahingehend, dass er einen Fehler gemacht habe, den er bedaure. Er habe an den kinderpornographischen Bildern kein sexuelles Interesse. Er habe sich außerhalb des Unterrichts mit Problemen von Schülern befasst und zu helfen versucht. In diesem Rahmen habe er eine Internetseite (www...de) entdeckt, wo er dann auch Administrator geworden sei. In diesem Zusammenhang sei auch der Begriff Missbrauch aufgetaucht. Während eines Chats, auf den er sich eingelassen habe, um zu verstehen, was Männer antreibe, Interesse an Kindern zu haben, sei ihm ein Link zugeschickt worden, den er angeklickt habe. Dieser habe zu einer Webseite geführt, von der am 22. März 2007 einige ZIP-Daten heruntergeladen und entpackt habe. Erst da habe er erkannt, dass es sich um kinderpornographische Dateien gehandelt habe. Sein Versuch, die Dateien zu löschen, sei letztlich nicht erfolgreich gewesen. Er sei zwar nicht häufig auf solche Themen angesprochen worden, trotzdem seien Kontakte zustande gekommen. Er habe festgestellt, dass es zwei Arten von Chatpartnern gegeben habe. Die Erste wollte ausschließlich Bilder tauschen, da ihn das nicht interessiert und er auch keine besessen habe, sei er für sie uninteressant gewesen und diese Gespräche seien schnell beendet worden. Für die Zweiten sei es mehr um das Mitteilen ihrer Fantasien gegangen. Um in Erfahrung zu bringen, wie solche Männer ticken und wo Gefahren lauern würden, habe er sich auf Gespräche einlassen müssen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse habe er zum Schutz der Schüler verwenden und sie insbesondere vor den Gefahren des Internets warnen wollen. Er sei im Eifer des Gefechts über das Ziel hinausgeschossen.

Im Rahmen der abschließenden Anhörung gemäß Art. 32 BayDG beantragte der Beklagte eine mündliche Anhörung vor dem Personal- und Organisationsausschuss des Stadtrates, was dieser jedoch ablehnte. Die abschließende mündliche Anordnung wurde im Auftrag des Personal- und Organisationsausschusses des Stadtrats durch den beim Personalamt beschäftigten Verwaltungsrat A. durchgeführt.

IV.

Am 4. Juni 2012 hat die Klägerin wegen des strafrechtlich geahndeten Sachverhalts beim Verwaltungsgericht Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis erhoben.

Mit Schriftsatz vom 8. August 2012 nahm der Beklagte hierzu Stellung. Es wurden wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens geltend gemacht. Die Klägerin habe gegen den Beschleunigungsgrundsatz des Art. 4 BayDG verstoßen. Darüber hinaus sei dem Beklagten rechtswidrig eine mündliche Anhörung beim Personal- und Organisationsausschuss verweigert worden. Außerdem sei die Klägerin von den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts N. rechtsfehlerhaft abgewichen. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin davon ausgehe, der Beklagte habe auch aus sexuellen Motivation gehandelt. Dies sei nach dem Ergebnis der hierzu durchgeführten Ermittlungen widerlegt. Die Feststellung, dass der Beklagte nicht aus sexueller Motivation gehandelt habe, unterfalle der Bindungswirkung. Darüber hinaus wäre es der Klägerin gemäß Art. 23 Abs. 2 BayDG verwehrt gewesen, zur vorgeblichen sexuellen Tatmotivation des Beklagten eigene Ermittlungen anzustrengen. Hinsichtlich der Motivation des Beklagten seien mehrere Beweisanträge gestellt worden. Aus den Chatprotokollen könne auch nichts Gegenteiliges entnommen werden. Der Beklagte habe „Undercover Recherchen“ vornehmen wollen. Insoweit habe er auch, um das Vertrauen des anderen zu gewinnen, diesen in der vermeintlichen Sicherheit wiegen müssen, dass er es hier mit einem vollauf Gleichgesinnten zu tun habe.

Mit Urteil vom 11. Oktober 2013 hat das Verwaltungsgericht gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge in Höhe von monatlich einem Zehntel auf die Dauer von fünf Jahren erkannt. Das Gericht sei aufgrund der Bindungswirkung an die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts N. gebunden. Gründe für eine Lösung von diesen Feststellungen lägen nicht vor. Der Beklagte habe sein diesbezügliches Handeln auch eingeräumt. Der Beklagte habe durch sein Verhalten gegen seine Dienstpflichten in Form eines außerdienstlichen Dienstvergehens verstoßen. Die erforderliche Disziplinarmaßnahme sei die ausgesprochene Kürzung der Dienstbezüge. Vorliegend gehe das Gericht - aufgrund der Aktenlage und des vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2013 gewonnenen persönlichen Eindrucks - davon aus, dass die Voraussetzungen nach Art. 14 Abs. 2 BayDG für die Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, nicht vollständig vorlägen. Zwar habe der Beklagte ein schweres Dienstvergehen dadurch begangen, dass er sich den Besitz kinderpornographischen Bild- und Videomaterials verschafft habe. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls gehe das Gericht jedoch davon aus, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit nicht endgültig verloren habe, sondern dass ein Vertrauensrest geblieben sei, auf dessen Grundlage davon auszugehen sei, dass der Beklagte in absehbarer Zeit das Vertrauen wieder gewinnen werde, das er vor seiner Dienstverfehlung innehatte. Die Kammer glaube dem Beklagten, dass er die kinderpornographischen Dateien nicht heruntergeladen habe, um sie zu betrachten, weil er Gefallen daran finde. Es gehe ihm - der nach Einschätzung der Kammer von einem ausgeprägten Helfersyndrom erfasst sei - letztlich darum, die Hilfen, die er - wie von ihm glaubhaft geschildert - jungen Schülerinnen gegenüber erbracht habe, fortzusetzen und die Situationen, in denen sich diese Kinder befinden können, zu verstehen. Aus diesen Gründen habe er - in einer Tathandlung im strafrechtlichen Sinne, wie das Amtsgericht festgestellt habe - die Dateien heruntergeladen und sie dann wieder - vergeblich, wie sich gezeigt hat - zu löschen versucht. Auch seine Teilnahme an den in der Klageschrift dargestellten Chat war - wie die Kammer dem Beklagten glaube - dem Zweck geschuldet, Erfahrungen hinsichtlich der Situation der Kinder, die er habe unterstützen wollen, zu gewinnen. Dies sei deshalb glaubhaft, weil er sich, wie sich aus den Chatprotokollen entnehmen lasse, nicht auf Tauschgeschäfte eingelassen habe. Die Schwere des Dienstvergehens und des Verschuldens liege darin, dass der Beklagte sich bei seinem Bemühen, gefährdeten Kindern zu helfen, eindeutig auf einen falschen und gefährlichen Weg begeben habe. Im vorliegenden Falle bestehe die vom Beklagten unzulässiger Weise überschrittene Grenze darin, dass er sich, um die Situation der Jugendlichen zu verstehen, den Besitz der kinderpornographischen Dateien verschafft habe. Das Gericht gehe davon aus, dass der Beklagte derartige Dinge in Zukunft unterlassen werde. Da der Beklagte gleichwohl ein schweres Dienstvergehen begangen habe, durch das das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in hohem Maße beeinträchtigt worden sei, sei es erforderlich, trotz des - für die Zeit vor Begehen des Dienstvergehens - günstigen Persönlichkeitsbildes und des bislang untadeligen bisherigen dienstlichen Verhaltens die nächst höchste, unter der Höchstmaßnahme liegende Disziplinarmaßnahme zu verhängen. Da der Beklagte sich im Eingangsamt seiner Laufbahn befinde, sei dies die Kürzung der Dienstbezüge.

Die Klägerin hat hiergegen am 15. Januar 2014 Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 11. Oktober 2013 in Ziffer I. aufzuheben und den Beklagten gemäß Art. 11 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Die Erwägungen, mit denen das Verwaltungsgericht ein gegebenes Restvertrauen in den Beklagten rechtfertigen wolle und mit denen es annehme, der Beklagte habe keinen Gefallen an dem Umgang mit kinderpornographischen Dateien gefunden, würden als nicht tragfähig erscheinen. Unzutreffend sei die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Beklagte sei bei seinem Tun von einem ausgeprägten Helfersyndrom erfasst worden. Hinsichtlich des Beklagten könne zwar als richtig unterstellt werden, dass er sich in den von ihm geschilderten Fällen um Missbrauchsopfer gekümmert habe. Dies ändere aber nichts daran, dass ein Helfersyndrom des Beklagten nicht vorliege. Dass es zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen komme, sei allgemein bekannt und leider eine Tatsache. Vor diesem Hintergrund machten die vom Beklagten behaupteten Recherchen keinerlei Sinn. Dem Beamten sei schon allein aufgrund der von den Mädchen, die er nach seinen Angaben unterstützt habe, geschilderten Fällen bekannt, dass diese von ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden seien. Nicht nachvollziehbar sei, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn der monatelange Austausch von kinderpornographischen Bildern, Videos und Phantasien über den sexuellen Missbrauch von Kindern in einem Chatroom hätte bringen sollen. Wäre der Beamte tatsächlich ein Mensch mit ausgeprägtem Helfersyndrom, hätte er seine Informationen aus den Chatprotokollen dazu genutzt, die Polizei zu informieren. Dass sich jemand mit ausgeprägtem Helfersyndrom monatelang mit verschiedenen Chatpartnern und mit diesen unerträgliche pädophile Phantasien austausche, sei nicht schlüssig. Aus den Unterlagen im Ordner „Chatroom“ ergebe sich, dass sich der Beamte mindestens im Zeitraum vom 26. März 2007 bis 17. Mai 2007 wiederholt in diesem Chat aufgehalten habe. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Beamte habe sich nicht am Tausch von kinderpornografischen Bildern beteiligt, sei falsch. Vielmehr ergebe sich aus den Daten des Chatblocks, dass der Beamte sehr wohl den Hello-Chat dazu benutzt habe, selbst kinderpornographische Dateien hochzuladen und sich mit anderen Nutzern hinsichtlich entsprechender Dateien auszutauschen. Aus den Unterlagen ergebe sich, dass der Beklagte sich nicht auf irgendwelche Gespräche beschränkt habe, sondern sich aktiv mit anderen Chatnutzern in einer menschenverachtenden Kommunikation über diese Bilder ausgetauscht habe. Der Austausch der Bilddateien sowie der Wortlaut des Chats ließen sich nicht mit einem Helfersyndrom erklären, sondern nur dadurch, dass der Beklagte Gefallen an einem Austausch der Kinderpornographie gefunden habe. Hätte das Verwaltungsgericht die Aktivitäten des Beklagten im Chat zutreffend erfasst und bewertet, hätte es, wie beantragt, auf die Entfernung aus dem Dienst entscheiden müssen.

Der Beklagte führte aus, es sei eine völlig unzutreffende und durch nichts gerechtfertigte Unterstellung, dass die in der Datei C.dat enthaltenen Bilder über den „Hello-Chat“ oder sonstwie versandt worden seien.

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte, er habe die von der Klägerin ausgedruckten Chat-Dialoge auch so geführt. Die Bilder, die er nach Angaben der Klägerin verschickt haben soll, habe er nicht verschickt.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen. Dem Senat haben die Strafakten sowie die Disziplinar- und Personalakten des Beklagten vorgelegen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründungsfrist wurde vom Vorsitzenden auf Antrag der Klägerin bis 13. Februar 2014 verlängert (Art. 62 Abs. 1 Satz 4 BayDG). Die Berufungsbegründung ging am 13. Februar 2014 per Telefax beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein, so dass die Berufungsbegründungsfrist eingehalten wurde.

Die Berufung hat auch Erfolg und führt dazu, dass unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2013 gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß Art. 11 BayDG erkannt wird.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.

Nach Art. 23 Abs. 2 BayDG ist von Ermittlungen abzusehen, soweit der Sachverhalt aufgrund der tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren feststeht. Hier liegt das seit 11. Juli 2011 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts N. vom 31. März 2011 - 44 Cs 652 Js 37224/10 vor. Dessen tatsächliche Feststellungen sind im Disziplinarverfahren bindend, so dass hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen von weiteren Ermittlungen abzusehen ist. Art. 23 Abs. 2 BayDG ist im Zusammenhang mit Art. 25 BayDG zu sehen, wonach die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren im Disziplinarverfahren, das denselben Sachverhalt zum Gegenstand hat, bindend sind. Soweit Bindungswirkung eintritt, ist von weiteren Ermittlungen abzusehen. Besteht aber keine Bindungswirkung, können weitere Ermittlungen durchgeführt werden. Insoweit kommt es entscheidend darauf an, inwieweit die Bindungswirkung des strafrechtlichen Urteils reicht. Von der Bindungswirkung sind umfasst die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des Strafgerichts, die den objektiven und subjektiven Tatbestand der verletzten Strafnorm, die Rechtswidrigkeit der Tat, das Unrechtsbewusstsein (§ 17 StGB) sowie die Frage der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB betreffen. Hierzu gehören nicht nur die äußeren Aspekte des Tathergangs, sondern auch die Elemente des inneren Tatbestandes wie etwa Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie der Besitzwille (BayVGH, U. v. 12.3.2013 - 16a D 11.624 - juris Rn. 36). Davon unberührt bleiben die Strafzumessungserwägungen. Tatsächliche Feststellungen, die lediglich für die Strafzumessung maßgeblich waren, lösen keine Bindungswirkung aus (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 25 Rn. 15; Weiß, GKÖD II § 23 Rn. 16 zum gleichlautenden BDG). Entscheidungstragend sind nicht die zum inneren Tatbestand einer Straftat getroffenen Feststellungen, die nicht den gesetzlichen Tatbestand betreffen. Der gesetzliche Tatbestand des Besitzes kinderpornographischer Bilder ist bereits durch den Besitz erfüllt, ohne dass es auf die Motivation für den Besitz ankommt. Ob der Beklagte eine sexuelle Motivation für den Besitz der Bilder hatte oder nicht, ist für die Erfüllung des Straftatbestands unerheblich. Daraus folgt, dass die vom Strafgericht angenommene Motivation für den Besitz der Bilder nicht der Bindungswirkung unterfällt. Insoweit konnte die Klägerin hinsichtlich der Motivation des Beklagten für den Besitz der kinderpornographischen Bilder weitere Ermittlungen anzustellen, die Chatprotokolle ausdrucken und Recherchen hinsichtlich des Ablaufs des verwendeten Chatprogramms durchführen.

Es liegt auch kein Verfahrensfehler vor, weil die abschließende Anhörung gemäß Art. 32 BayDG nicht vor dem Personal- und Organisationsausschusses des Stadtrats stattgefunden hat. Auf diesen Ausschuss sind die Aufgaben der Disziplinarbehörde übertragen (§ 10 Nr. 3 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Klägerin). Danach übt der Personal- und Organisationsausschuss die Disziplinarbefugnisse der Disziplinarbehörde aus. Hierzu bedient er sich entsprechender Bedienstete der Klägerin, die den verwaltungsmäßigen Vollzug durchführen. Im Rahmen seiner Zuständigkeit hat der Ausschuss am 6. Dezember 2011 den Beschluss gefasst, dem Beklagten das Ergebnis des bisherigen Disziplinarverfahrens und die Absicht des Personal- und Organisationsausschusses bekannt zu geben, eine Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erheben und ihm vorab Gelegenheit zu geben, sich zum bisherigen Ermittlungsergebnis zu äußern. Mit der Durchführung der in diesem Zusammenhang notwendigen Verfahrensschritte wurde der Verwaltungsrat A. vom Personalamt beauftragt. Einen Antrag, die abschließende Anhörung gemäß Art. 32 Abs. 1 BayDG unmittelbar in der Sitzung des Personal- und Organisationsausschusses vorzunehmen, hat dieser mit Beschluss vom 24. Januar 2012 abgelehnt. Grundsätzlich kann sich der Ausschuss zur Durchführung der Anhörung Mitarbeiter der Klägerin bedienen. Einen Anspruch auf Anhörung vor dem Ausschuss hat der Beklagte nicht. Es gibt kein Recht, dass eine mündliche Anhörung vor einer bestimmten Person oder einen bestimmten Ausschuss, der zugleich Disziplinarbehörde ist, durchgeführt wird. Der Ausschuss kann - wie hier geschehen - einen Beamten mit der Durchführung der entsprechenden Verfahrensschritte beauftragen. Dieser hat dann auch - wie vom Beklagten gewünscht - die mündliche Anhörung durchzuführen. Das hat zwar zur Folge, dass letztlich der Personal- und Organisationsausschuss die Niederschrift der mündlichen Anhörung erhält und die mündliche Anhörung in schriftlicher Form transformiert wird. Eine solche Abfolge ist durch die Trennung der Entscheidungsbefugnis und des verwaltungsmäßigen Vollzugs systemimmanent.

Selbst wenn man von einem Verfahrensfehler ausginge, ist dieser nicht entscheidungserheblich. Es liegt kein wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens vor. Ein Mangel des behördlichen Verfahrens ist wesentlich i. S. d. Art. 53 BayDG, wenn sich nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen lässt, dass er sich auf das Ergebnis des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ausgewirkt haben kann (vgl. BVerwG, U. v. 24.6.2010 - 2 C 15/09 juris Rn. 19). Das ist hier nicht der Fall. Dies folgt daraus, dass die Disziplinargerichte nach Art. 58 Abs. 2 Satz 2 BayDG die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund ihrer eigenen Sachaufklärung und der darauf beruhenden Ermessensentscheidung bestimmen, ohne an die Wertungen des klagenden Dienstherrn gebunden zu sein. Sie sind verpflichtet, den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt selbst festzustellen und rechtlich zu würdigen (BVerwG, B. v. 23.1.2013 - 2 B 63/12 - juris Rn. 29). Der Senat hat den Beklagten in der mündlichen Verhandlung angehört, so dass er sein rechtliches Gehör auch in dem erforderlichen Umfang wahrnehmen konnte.

Soweit der Beklagte einen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz des Art. 4 BayDG im behördlichen Disziplinarverfahren rügt, vermag der Senat einen solchen nicht zu erkennen. Das strafgerichtliche Urteil des Amtsgerichts N. ist am 11. Juli 2011 rechtskräftig geworden. Der Ermittlungsbericht ist am 16. November 2011 erstellt worden. Daraufhin schloss sich die Anhörung des Beklagten an, die sich durch den Streit, ob eine mündliche Anhörung vor dem Ausschuss durchgeführt werden muss, verzögert hat. Die Klageerhebung erfolgte am 4. Juni 2012. Letztlich kann jedoch ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz offen bleiben, da er keine Auswirkungen hat, wenn auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt wird (vgl. IV 2).

II.

Der dem Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte Sachverhalt, wie er dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts N. vom 31. März 2011 zugrunde liegt, steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbsatz 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im Berufungsverfahren bindend. Der Bindung unterliegen die Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts. Nicht von der Bindungswirkung umfasst sind - wie bereits ausgeführt - die Strafzumessungserwägungen, insbesondere, welche sexuelle Motivation der Beklagte am Besitz der kinderpornographischen Bilder hatte.

Aufgrund des Urteils des Amtsgerichts N. steht fest, dass der Beklagte vom 22. März 2007 bis 2. September 2008 auf seinem PC insgesamt mindestens 453 kinderpornographische Bilddateien und mindestens zehn kinderpornographische Videodateien gespeichert hatte, in denen in grob reißerischer und allein auf sexuelle Erregung abzielende Art und Weise dargestellt wird, wie Kinder aneinander bzw. Erwachsene bei Kindern sexuelle Handlungen vornehmen. Teilweise ist die Durchführung des vaginalen, oralen und analen Geschlechtsverkehrs bzw. des Handverkehrs wiedergegeben. Der Beklagte wurde aufgrund dieses Sachverhalts wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (§§ 184 b Abs. 4 Satz 2, Abs. 6, 11 Abs. 3, 47, 53, 74 StGB) zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 50 Euro (insgesamt 7.500 Euro) verurteilt. Diesen Sachverhalt hat der Beklagte auch im Berufungsverfahren eingeräumt.

III.

Der Beklagte hat durch den Besitz kinderpornographischer Bilder und Videodateien schuldhaft gegen seine Pflicht aus Art. 62 Abs. 1 Satz 2 und Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG i. d. F. vom 27. August 1998 (a. F.) bzw. § 33 Abs. 1 und § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen, die Gesetze zu beachten sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (BayVGH, U. v. 28.4.2010 - 16a D 08.2928 - juris Rn. 45).

Der Beklagte hat dadurch ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen (Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayBG a. F., § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG), weil sein pflichtwidriges Verhalten nicht in sein Amt und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war, sondern außerhalb des Dienstes stattfand. Er hat die Dateien ausschließlich auf seinen privaten Computer abgespeichert (BVerwG, U. v. 19.8.2010 - 2 C 5/10 - juris Rn. 7).

Das außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten erfüllt den Tatbestand eines Dienstvergehens i. S. d. Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayBG a. F., § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, weil es nach dem Umständen des Einzelfalls im besonderen Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Dies ist beim außerdienstlichen Besitz kinderpornographischer Schriften bei einem Lehrer aufgrund des Dienstbezugs der Fall. Ein Dienstbezug ist zu bejahen, wenn das außerdienstliche Verhalten des Beamten Rückschlüsse auf die Dienstausübung in dem innegehabten Amt im konkret-funktionellen Sinne zulässt oder den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Das strafrechtlich relevante außerdienstliche Verhalten des Beklagen weist einen Bezug zu seinem Dienstposten auf, weil der nach §§ 184b Abs. 4 StGB strafbewehrte Besitz kinderpornographischer Schriften bei einem Lehrer einen Persönlichkeitsmangel indiziert, der Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung gibt, der einem Lehrer als Dienstpflicht obliegenden Erziehungsaufgabe gegenüber den ihm anvertrauten Schülern jederzeit gerecht zu werden. Denn nach Bekanntwerden eines derartigen Fehlverhaltens ist ein Lehrer bei der Aufgabenwahrnehmung zumindest stark beeinträchtigt, weil er elementare Rechte gerade derjenigen Personengruppe verletzt hat, deren Schutz und Erziehung ihm als Dienstpflicht obliegt und die ihm anvertraut sind. Insoweit genügt bereits die bloße Eignung für eine Vertrauensbeeinträchtigung, zu einem konkreten Ansehensschaden oder konkreten Übergriffen muss es nicht gekommen sein (BVerwG, U. v. 19.8.2010 a. a. O. Rn. 15; B. v. 22.12.2010 - 2 B 18/10 - juris Rn. 15).

Wer kinderpornographische Schriften besitzt (§ 184b Abs. 4 StGB), trägt durch seine Nachfrage nach solchen Darstellungen zum sexuellen Missbrauch von Kindern und damit zum Verstoß gegen ihre Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit bei. Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeits- und sozialschädlich. Er greift in die sittliche Entwicklung eines jungen Menschen ein und gefährdet die harmonische Bildung seiner Gesamtpersönlichkeit sowie seine Einordnung in die Gemeinschaft, weil ein Kind wegen seiner fehlenden oder noch nicht hinreichenden Reife intellektuell und gefühlsmäßig das Erlebte in der Regel gar nicht oder nur schwer verarbeiten kann. Zudem degradiert der Täter die sexuell missbrauchten kindlichen Opfer zum bloßen, auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde oder Erregung (BVerwG, U. v. 19.8.2010 a. a. O. Rn. 16).

Der Besitz kinderpornographischer Schriften durch einen Lehrer, dem Kinder zur Ausbildung und Erziehung anvertraut sind, ist demgemäß in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Ein Lehrer ist nach dem umfassenden Bildungsauftrag der Schule (vgl. Art. 131 BV, Art. 1, 2 und 59 BayEUG) nicht nur zur Vermittlung von Wissen, sondern auch zur Erziehung der seiner Obhut unterstehenden Kinder verpflichtet. Er muss insbesondere die geistige und sittliche Entwicklung der ihm anvertrauten Kinder fördern und schützen. Zudem muss der Lehrer in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln. Der Besitz von Schriften, die den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben, ist mit diesem Bildungsauftrag unvereinbar und lässt dessen Erfüllung durch den Beamten zweifelhaft erscheinen. Ein Lehrer, der sich strafbares kinderpornographisches Material verschafft oder dieses besitzt, beweist dadurch erhebliche Persönlichkeitsmängel, die eine nachhaltige Vertrauensbeeinträchtigung i. S. d. Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayBG a. F., § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nach sich ziehen, weil der Täter hierdurch das Vertrauen, das der Dienstherr in seine Selbstbeherrschung, seine Zuverlässigkeit und seine moralische Integrität setzt, von Grund auf erschüttert bzw. zerstört (BayVGH, U. v. 28.4.2010 a. a. O. Rn. 49).

Diese Gesichtspunkte gelten auch für den Beklagten. Ihm muss klar gewesen sein, dass er, auch wenn er sich nicht wirklich für kinderpornographische Schriften interessiert, durch sein vorgespiegeltes Interesse an den Bildern bei den Anbietern den Eindruck erweckt, dass weiter ein Markt für diese Bilder vorhanden ist. Dadurch hat der Beklagte das Vertrauen, das der Dienstherr in seine Selbstbeherrschung, seine Zuverlässigkeit und seine moralische Integrität setzt, von Grund auf erschüttert.

IV.

Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 11 BayDG ist auch angemessen und erforderlich.

Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach Art. 14 BayDG. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten. Aus Art. 14 Abs. 1 BayDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Pflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Bemessungskriterium „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhalten des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion. Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes ist Ausdruck des Schuldprinzips und für die Bewertung bedeutsam, ob der Beamte trotz des Dienstvergehens weiterhin im Beamtenverhältnis tragbar ist (BVerwG, U. v. 19.8.2010 a. a. O. Rn. 21; BayVGH, U. v. 28.4.2010 a. a. O. Rn. 50).

1. Der Beklagte hat mit dem Besitz kinderpornographischer Schriften ein schweres Dienstvergehen begangen, so dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis den Ausgangspunkt der disziplinarrechtlichen Bewertung bildet.

Für den Erwerb bzw. Besitz kinderpornographischer Schriften gibt es keine Regeleinstufung, weil die Variationsbreite der jeweiligen Schwere der außerdienstlichen Verfehlung zu groß ist. Maßgeblich für die Maßnahmebemessung ist die jeweilige Strafandrohung unter Berücksichtigung des Dienstbezugs der Pflichtverletzung des Beamten. Das Ausmaß des Vertrauensschadens, der durch eine außerdienstlich begangene Straftat hervorgerufen wird, wird maßgeblich durch den Strafrahmen bestimmt (BVerwG U. v. 19.8.2010 a. a. O. Rn. 22). Für die disziplinarische Ahndung des außerdienstlichen Erwerbs bzw. Besitzes kinderpornographischen Materials ist aus dem Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bei der Maßnahmebemessung deshalb auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen, wenn das Dienstvergehen keinen Bezug zu den dienstlichen Aufgaben des Beamten aufweist (BVerwG, B. v. 14.5.2012 - 2 B 146/11 - juris Rn. 9).

Bei Lehrern wirkt der außerdienstliche Besitz kinderpornographischen Materials besonders schwer, weil hier stets ein enger dienstlicher Bezug gegeben ist. Ein solches Verhalten gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf. Ein Lehrer, der sich nach § 184b Abs. 4 StGB strafbar gemacht hat, bietet daher keine Gewähr dafür, dass er die ihm dienstlich obliegenden Erziehungsaufgaben mit der erforderlichen Autorität erfüllen kann. Der Orientierungsrahmen für den außerdienstlichen Besitz kinderpornographischen Materials reicht deshalb bei Lehrern bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Dabei kommt die Entfernung eines Lehrers aus dem Beamtenverhältnis in Betracht, wenn das strafbare Verhalten aufgrund der Tatumstände, insbesondere der Anzahl und des Inhalts des Materials als besonders verwerflich einzustufen ist und dem Beamten auch keine entlastenden Umstände von erheblichem Gewicht zukommen (BVerwG, B. v. 25.5.2012 - 2 B 133/11 - juris Rn. 11; B. v. 5.4.2013 - 2 B 79/11 - juris Rn. 7).

Der Beklagte hat mit dem Besitz von 453 kinderpornographischen Bilddateien und zehn kinderpornographischen Videodateien Straftaten verübt, die sich gegen eine Personengruppe richten, die ihm aufgrund seines Amtes zur Ausbildung und Erziehung besonders anvertraut ist. Er hat dadurch im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt, auch wenn sich dieser Vorgang im außerdienstlichen Bereich abspielte.

Das Verhalten des Beklagten, das den Straftatbestand des § 184b Abs. 4 Satz 2 StGB erfüllt, steht der Verpflichtung eines Angehörigen dieses Berufes, die Würde und persönliche Entfaltung der Schüler zu schützen und zu fördern, diametral entgegen, so dass ihm ein glaubwürdiges pädagogisches Wirken nur mehr schwer möglich ist. Zudem verfügt er nicht mehr über die persönliche Autorität, die für diesen Beruf unabdingbar ist (BayVGH, U. v. 28.4.2010 - a. a. O. Rn. 54; U. v. 5.11.2014 - 16a D 13.1568 - juris Rn. 54). Ein Lehrer, der in strafbarer Weise kinderpornographische Schriften besitzt, hat damit zumindest in aller Regel dazu beigetragen, dass der einschlägige Markt aufrechterhalten bleibt. Denn er hat einen Anreiz zur Produktion solchen Materials und dem damit notwendig verbundenen sexuellen Missbrauch von Kindern gegeben.

Für das Zustandekommen eines vertrauensvollen Lehrer-Schüler-Verhältnisses ist es abträglich, wenn Schüler bzw. ihre Eltern einem Pädagogen nur mit Misstrauen oder unter Beachtung von Vorsichtsmaßnahmen gegenübertreten wollen, weil sie wegen seiner strafbaren Befassung mit Kinderpornographie berechtigtermaßen Widerwillen gegen ihn empfinden oder weil sie - die wenn auch nur emotional begründete - Sorge tragen, die persönliche Integrität eines Kindes könnte im Kontakt mit ihm Schaden nehmen.

Nimmt man die Beweggründe des Beklagten für sein pflichtwidriges Verhalten in den Blick, so war Ausgangspunkt seiner strafrechtlichen Verfehlung seine Hilfestellung für andere missbrauchte Kinder, die er als Administrator der Internetseite „sorgenchat“ kennengelernt hat. Der Senat glaubt dem Beklagten, dass seine Hilfestellung für andere missbrauchte Kinder ihn dazu gebracht hat, sich auf Chats mit Männern einzulassen, die einen Bezug zu Kinderpornographie hatten. Er wollte verstehen können, was Männer antreibt, Interesse an Kindern zu haben. Im Rahmen dessen wurde ihm ein Link zugeschickt, den er angeklickt hat. Es hat sich dann eine Seite mit ZIP-Dateien geöffnet. Er hat mehrere ZIP-Dateien angeklickt, die sich dann auf den Computer heruntergeladen haben. Nachdem der Beklagte erkannt hatte, dass er kinderpornographische Bilder heruntergeladen hat, hat er die Festplatte C komplett neu formatiert und die hierauf befindlichen Programme neu installiert, um die ZIP-Dateien zu löschen. Dies ist jedoch nicht gelungen, denn der Beklagte hat die kinderpornographischen Bilder später wieder auf seinem Rechner gefunden. Er muss auch Kenntnis vom Vorhandensein der kinderpornographischen Bilder gehabt haben, denn im Besitzzeitraum wurde eine E-Mail mit einem sogenannten Posing-Bild versandt, das aus einer dieser ZIP-Dateien stammte. Später hat er noch einmal quer über die Bilder geschaut, sie mit dem Programm „Hello“ durchgescrollt und dann gelöscht, indem er sie in den Papierkorb verschoben hat.

Die geschilderten Beweggründe des Beklagten für sein Handeln lassen die Tat zunächst weniger schwerwiegend erscheinen. Der Versuch des sofortigen Löschens der kinderpornographischen Dateien kann einen Milderungsgrund darstellen, wenn damit der Wille zum Ausdruck kommt, sich von kinderpornographischen Darstellungen definitiv abzuwenden und diese Abwendung aus ethisch werthaltigen Beweggründen - z. B. der Einsicht, dass die Herstellung derartigen Materials mit schweren Rechtsgutverletzungen zulasten der betroffenen Kinder einhergeht - beruht. Dem steht aber entgegen, dass der Beklagte nach Wiederauffinden der Bilder aus einer dieser ZIP-Dateien ein Posing-Bild per E-Mail verschickte, was zwar zum Tatzeitpunkt nicht strafbar war. Er hat damit zumindest ein nicht strafbewehrtes Posing-Bild auch im Rahmen seiner Chats verschickt und dadurch die zugunsten des Beklagten sprechenden Gesichtspunkte relativiert. Auch das spätere Löschen der Bilder, in dem der Beklagte sie in den Papierkorb verschob, stellt kein endgültiges Abrücken dar, da ihm bewusst war, dass damit keine endgültige Löschung verbunden war.

Erschwerend sind die vom Beklagten geführten und von ihm eingeräumten Chatprotokolle in den Blick zu nehmen. In diesen Chatprotokollen wird der Missbrauch von Kindern drastisch geschildert und der Beklagte beteiligt sich bei diesen Missbrauchschilderungen von Kindern und stellt sich so dar, dass er Freude am Missbrauch von Kindern hätte. Daraus wird eine menschenverachtende Kommunikation über den Missbrauch von Kindern deutlich. Auch wenn nicht festgestellt werden kann, von wem der beiden Chatteilnehmer der jeweilige Beitrag geschrieben wurde, lässt sich aufgrund des Gesprächsverlaufs (Frage/Antwort etc.) eindeutig belegen, dass auch der Beklagte Beiträge verfasst hat, die sich weit von den vom Beklagten geltend gemachten Recherchegründen entfernen. So wird von beiden Chatteilnehmern, wovon einer der Beamte ist, unter Loslösung von sonstigen menschlichen Bezügen über Sex mit Minderjährigen gesprochen, wobei die missbrauchten Kinder und Jugendlichen allein zum Objekt sexueller Begierde degradiert werden. Ob daraus bereits auf eine sexuelle Motivation des Beamten geschlossen werden kann, wie die Klägerin meint, kann dem Beklagten nicht nachgewiesen werden. Hier steht immer noch das Motiv des Beklagten im Raum, dass er sich nur darauf eingelassen habe, um zu verstehen, was solche Männer antreibt, Interesse an Kindern zu haben. Es fällt jedoch schwer, bei den ausgedruckten Chatprotokollen dies als Motivation noch anzunehmen. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, der Beklagte habe an diesen Chats im Laufe der Zeit auch Gefallen gefunden. Da jedoch nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ entlastende Umstände bereits dann in die Bewertung einzubeziehen sind, wenn hinreichende Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (BVerwG, U. v. 23.2.2012 -2 C 38/10 - juris Rn. 15), kann nicht unterstellt werden, dass der Beklagte sexuelle Motive bei seinen Taten hatte.

Unabhängig von der Motivlage macht sich der Beklagte im Rahmen der Chats jedoch mit den Tätern in einer Weise gemein, dass ein unbefangenes Gegenübertreten der Schüler und Eltern gegenüber dem Beklagten als Lehrer nicht mehr möglich ist. In den Chats macht sich der Beklagte als Täter, der Kinder missbraucht, gemein. Wenn der Beklagte derart über Kindesmissbrauch redet und zum Ausdruck bringt, er würde dabei mitmachen, überschreitet er eine Grenze, die ihn in seiner Berufsausübung als Lehrer unmöglich macht. Er stellt sich damit auf die gleiche Stufe wie die Täter. Das lässt sich nicht dadurch entschuldigen, für seine Recherchen sei eine solche Handlungsweise unabdingbar. Hier hätte der Beklagte auch anders agieren können. Einem Lehrer, der ein solches Verhalten an den Tag gelegt hat, kann nicht mehr das nötige Maß an Respekt entgegengebracht werden, das für ein glaubwürdiges erzieherisches Wirken unabdingbar ist.

Der Senat ist der Auffassung, dass durch die geführten Chats, die durch die Chatprotokolle belegt sind, der Beklagte dieses Vertrauen verloren hat. Schüler und Eltern können einem solchen Lehrer nicht frei von der Befürchtung gegenübertreten, er sehe in den ihm zur Ausbildung und Erziehung überantworteten Kindern und Jugendlichen keine Objekte sexuell motivierter Wünsche.

2. Die den Beklagten entlastenden Umstände besitzen demgegenüber sowohl für sich betrachtet als auch in der Gesamtschau kein derartiges Gewicht, um den vom Senat festgestellten endgültigen Vertrauensverlust so zu relativieren, dass vorliegend von der Verhängung der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte.

Angesichts der Schwere des von ihm begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen sich der Beklagte als Lehrer untragbar gemacht hat, können weder die guten dienstlichen Leistungen des Beklagten noch sein überdurchschnittliches berufliches Engagement und die Tatsache, dass der Beklagte straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Diese Umstände stellen das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte, (BayVGH, U. v. 12.7.2006 - 16a D 05.981 - juris Rn. 25). Die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist - selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen - für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, derartige gravierende Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, B. v. 5.4.2013 - 2 B 79/11 - juris Rn. 27).

Auch das Geständnis des Beklagten führt nicht zu einer milderen Beurteilung, da es nicht freiwillig vor drohender Entdeckung, sondern im Rahmen des bereits gegen den Beklagten eingeleiteten Strafverfahrens erfolgt ist.

Die durch das gravierende Fehlverhalten des Beklagten herbeigeführte Zerstörung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit ist bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen.

Auch die Dauer des Disziplinarverfahrens rechtfertigt keine mildere Disziplinarmaßnahme. Selbst eine überlange Verfahrensdauer kann nicht zum Absehen der disziplinarrechtlich gebotenen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen (BVerwG, U. v. 28.2.2013 - 2 C 3.12 - juris Rn. 44).

3. Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis wegen Besitzes kinder- pornographischer Schriften ist unter Abwägung des Gewichts des Dienstvergehens sowie des eingetretenen Vertrauensverlustes und der mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastung auch nicht unverhältmäßig und verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Schuldprinzip (BVerfG, B. v. 18.1.2008 - 2 BvR 313/07 - juris Rn. 11).

Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung der Eignung erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von dem Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde seine Dienstaufgaben künftig pflichtgemäß erfüllen, ist die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U. v. 14.10.2003 - 1 D 2/03 - juris Rn. 49). Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Beklagte durch die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis substantiell betroffen wird, aber er hat aufgrund seiner Vorbildung und seines Alters durchaus die Möglichkeit, wieder eine adäquate Arbeit zu finden, wie er sie im Rahmen seiner genehmigten Nebentätigkeit auch ausführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.

Das Urteil ist mit seiner Zustellung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2, Art. 3 BayDG i. V. m. § 116 Abs. 2 VwGO).

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

1. Der am ... 1942 geborene Beklagte ist gelernter Elektromonteurmeister und war vom 1. Mai 1990 bis zu seiner Entlassung auf eigenen Antrag am 6. Oktober 2011 ehrenamtlicher erster Bürgermeister der Gemeinde H. (Gemeinde) im Landkreis E.-... Er ist verheiratet und bezieht nach eigenen Angaben Alterseinkünfte aus der Deutschen Rentenversicherung Bund und der betrieblichen Altersversorgung seines früheren Arbeitgebers in Höhe von insgesamt 1.948,52 € monatlich. Daneben wurde ihm von der Gemeinde für die Zeit vom 7. Oktober 2011 bis zum 6. Oktober 2012 eine um 30% gekürzte Überbrückungshilfe gemäß Art. 137a KWBG a. F. in Höhe von 1.100,78 € monatlich gewährt. Seit 7. Oktober 2012 erhält er von der Gemeinde einen um 30% gekürzten Pflichtehrensold gemäß Art. 59 KWBG n. F. in Höhe von 969,34 € monatlich.

2. Der Beklagte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Ein gegen ihn seit Mitte 2007 geführtes Disziplinarverfahren, in dem ihm vorgeworfen worden war, am 8. März 2001 einen notariellen Kaufvertrag im Namen der Gemeinde über den Erwerb des Grundstücks FlNr. 385 der Gemarkung H. geschlossen zu haben, der eine abweichende Formulierung der von der Gemeinde üblicherweise verwendeten Aufzahlungsklausel enthält, weshalb die Gemeinde mit Urteil des Landgerichts N.-... vom 28. September 2006 zur Zahlung von 257.174,96 € verurteilt worden war, und den Gemeinderat hierüber nicht informiert zu haben, wurde mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 22. Februar 2008 wegen eines Maßnahmeverbots aufgrund Zeitablaufs nach Art. 16 BayDG eingestellt.

3. Der Beklagte ist strafrechtlich wie folgt vorbelastet:

3.1 Mit seit 17. März 2011 rechtskräftigem Strafurteil des Amtsgerichts E. vom 29. Oktober 2010 (6 Cs 902 Js 144703/08) wurde der Beklagte wegen Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 150 € verurteilt; die Höhe des Tagessatzes resultiert aus den Angaben des Beklagten, er verdiene 6.000.- € netto. Das Strafurteil enthält folgende tatsächliche Feststellungen:

„Am 24.08.2005 verpflichtete sich der Angeklagte als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde H. in einem vor dem Landgericht A. geschlossenen Vergleich, für den Fall der Veräußerung des Grundstücks Flurnummer 400, Gemarkung H., innerhalb von zehn Jahren nach Bestandskraft des Vergleiches einen den Betrag von 60.000,00 EUR übersteigenden Erlös an die Geschädigten G. und M. zur Hälfte auszukehren.

Mit notarieller Urkunde vom 16.11.2006 verkaufte der Angeklagte für die Gemeinde H. das oben genannte Grundstück zu einem Preis von 60.000,00 EUR, wobei der Angeklagte wusste, dass der Erwerber S. zur Zahlung eines weit höheren Betrages, nämlich 85.000,00 EUR, bereit gewesen wäre. Nachdem der Zeuge N. bereits 85.000,00 EUR für das Grundstück geboten hatte, vereinbarte der Angeklagte mit ihm, das Grundstück Flurnummer 400 zu einem Preis von 60.000,00 EUR zu veräußern und das Grundstück mit der Flurnummer 546, Gemarkung H., zu einem Preis von 25.000,00 EUR an ihn zu übergeben. Dabei wusste der Angeklagte, dass das Grundstück Flurnummer 546, Gemarkung H., lediglich einen Marktwert von ca. 1.330,00 EUR hatte.

Der Zeuge N. ging auf das Angebot des Angeklagten ein und erwarb das Grundstück Flurnummer 400, Gemarkung H., zum Preis von 60.000,00 EUR, das Grundstück Flurnummer 546, Gemarkung H., zum Preis von 25.000,00 EUR. Beide Verkäufe wurden durch den Gemeinderat gebilligt.

Der Angeklagte wollte gegenüber den Geschädigten K. wahrheitswidrig den Eindruck vermitteln, dass im Rahmen des Verkaufes des Grundstückes Flurnummer 400 ein Erlös erzielt wurde, der den Betrag von 60.000,00 EUR nicht überstieg und dass diese somit keinen Anspruch auf Auskehrung des hälftigen Grundstückserlöses gegenüber der Gemeinde H. besäßen. Tatsächlich war das Grundstück Flurnummer 400 jedoch nur deshalb für 60.000,00 EUR an den Zeugen S. verkauft worden, weil dieser zuvor das Grundstück Flurnummer 546 für einen deutlich über dem Marktpreis liegenden Kaufpreis erworben hatte.

Die Geschädigten K. unterließen daraufhin - wie vom Angeklagten beabsichtigt - die Geltendmachung ihres Anspruchs auf Auskehrung gegenüber der Gemeinde H., weil sie von einem mit dem Verkauf des Grundstücks Flurnummer 400 zusammenhängenden Verkauf des Grundstücks Flurnummer 546 keine Kenntnis hatten. Die Geschädigten hatten auch keine Kenntnis darüber, dass der Zeuge N. das Grundstück für 85.000,00 EUR erworben hätte. Folglich konnten sie ihre Ansprüche auf den hälftigen, 60.000,00 EUR übersteigenden Betrag nicht geltend machen. Es entstand bei ihnen ein konkreter Vermögensschaden in Höhe von 12.000,00 EUR [richtig: 12.500,00 EUR, vgl. auch Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. Januar 2014 Bl. 4 UA].“

3.2 Mit seit 26. Oktober 2011 rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 10. Oktober 2011 (9 Cs 902 Js 141146/11) wurde der Beklagte wegen Untreue in zwei Fällen nach §§ 266 Abs. 1 und Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 4, 53, 56 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dem Strafbefehl liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

„Unter dem Aktenzeichen 902 Js 144703/08 war gegen den Angeschuldigten ein Strafverfahren wegen Betrugs anhängig und am 19.03.2010 vom Amtsgericht E. auch ein Strafbefehl gegen ihn erlassen worden. Nach Einspruchseinlegung gegen diesen Strafbefehl meinte der Angeschuldigte, sich gegen den Betrugsvorwurf damit verteidigen zu können, dass ein von ihm in seiner Eigenschaft als Bürgermeister der Gemeinde H. für diese Gemeinde verkauftes Grundstück lediglich einen Wert von 52.000,00 EUR habe. Um diesen Grundstückswert gegenüber dem Gericht plausibel zu machen, beauftragte der Angeschuldigte am 06.04.2010 den Sachverständigen E. mit der Erstellung des entsprechenden Gutachtens. Obwohl dem Angeschuldigten bewusst war, dass das Strafverfahren und die hierbei anfallenden Verteidigungskosten ihn in seiner Eigenschaft als Privatperson betrafen, erteilte er den Auftrag an den Sachverständigen gleichwohl in seiner Eigenschaft als Bürgermeister der Gemeinde H. und ließ das Gutachten in deren Namen auf deren Rechnung erstellen. Das Gutachten des Sachverständigen B. vom 21.04.2010 legte sodann der Verteidiger des Angeschuldigten mit Schriftsatz vom 30.04.2010 dem Amtsgericht E. vor und beantragte die Ladung des Sachverständigen zu einem Hauptverhandlungstermin.

Für die Erstattung des Gutachtens erstellte der Sachverständige B. unter dem 21.04.2010 eine Rechnung in Höhe von 1.989,68 EUR an die Gemeinde H. Obwohl dem Angeschuldigten bewusst war, dass das Gutachten des Sachverständigen B. alleine für seine Verteidigung im Strafverfahren erstellt worden war und er daher nicht befugt war, im Namen und für Rechnung der Gemeinde H. ein Gutachten in Auftrag zu geben, unterschrieb der Angeschuldigte in seiner Eigenschaft als Bürgermeister am 26.04.2010 eine Auszahlungsanordnung für die Verwaltungsgemeinschaft H., so dass aus dem Gemeindehaushalt die Rechnung des Sachverständigen bezahlt wurde, während er sich eigene Aufwendungen ersparte.

Nachdem ein gerichtlich bestellter Gutachter einen höheren Grundstückswert ermittelt hatte, beauftragte der Angeschuldigte zum Zwecke seiner Verteidigung, aber wiederum im Namen und auf Rechnung der Gemeinde H. den Sachverständigen B., eine fachliche Stellungnahme zu dem Gutachten des gerichtlich bestellten Gutachters zu erstellen. Diese fachliche Stellungnahme ließ der Angeschuldigte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13.07.2010 gegenüber dem Amtsgericht vorlegen. Für diese fachliche Stellungnahme erstellte der Sachverständige B. am 05.07.2010 eine Rechnung in Höhe von 1.637,44 EUR gegenüber der Gemeinde H. Mit Auszahlungsanordnung vom 13.07.2010 wies der Angeschuldigte erneut in dem Bewusstsein, dass die fachliche Stellungnahme des Sachverständigen und die hieraus entstandenen Kosten allein seine Verteidigung als Privatperson in einem Strafverfahren betrafen, in seiner Eigenschaft als Bürgermeister die Verwaltungsgemeinschaft H. an, die Gutachtenrechnung auszuzahlen, so dass aus dem Gemeindehaushalt die Rechnung des Sachverständigen bezahlt wurde, während er sich eigene Aufwendungen ersparte. Der Gesamtschaden von 3.627,12 EUR wurde zwischenzeitlich vom Angeschuldigten zurückgezahlt.“

4. Nachdem das Landratsamt E.-... am 29. November 2010 seine Disziplinarbefugnisse nach Art. 18 Abs. 4 Satz 2 BayDG auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen hatte, leitete diese mit Verfügung vom 2. Dezember 2010 gemäß Art. 19 BayDG wegen des Vorwurfs des Betrugs beim Verkauf der Grundstücke FlNr. 400 und 546 der Gemarkung H. ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Mit Verfügung vom 16. Februar 2011 dehnte sie das Disziplinarverfahren nach Art. 21 Abs. 1 BayDG weiter auf die Vorwürfe aus, der Beklagte habe den Gemeinderat im Zusammenhang mit dem Verkauf der Grundstücke nicht vollständig und zutreffend über den Sachverhalt informiert sowie ein zu seiner Verteidigung im Strafverfahren vor dem Amtsgericht E. vorgelegtes Gutachten vom 21. April 2010 im Namen und auf Rechnung der Gemeinde in Auftrag gegeben. Mit Verfügung vom 29. August 2011 dehnte sie das Disziplinarverfahren nach Art. 21 Abs. 1 BayDG erneut auf den Vorwurf aus, der Beklagte habe eine zu seiner Verteidigung im Strafverfahren vor dem Amtsgericht E. erstellte fachliche Stellungnahme vom 5. Juli 2010 im Namen und auf Rechnung der Gemeinde in Auftrag gegeben. Der Beklagte wurde jeweils gemäß Art. 22 BayDG unterrichtet, belehrt und angehört.

Mit Schreiben vom 19. September 2011 beantragte der Beklagte seine Entlassung als erster Bürgermeister nach Art. 19 KWBG a. F. aufgrund Dienstunfähigkeit und erklärte, für die Zukunft auf die Bewilligung von Ehrensold gemäß Art. 138 KWBG a. F. zu verzichten. Am 27. September 2011 stimmte der Gemeinderat dem Antrag auf Entlassung zu und erteilte dem Beklagten gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 55 Abs. 4 KWBG a. F. die Erlaubnis, die Ehrenbezeichnung „Altbürgermeister“ zu führen. Mit Bescheid der Gemeinde vom 6. Oktober 2011 wurde der Beklagte zum 7. Oktober 2011 nach Art. 20 Abs. 1 KWBG a. F. als erster Bürgermeister entlassen.

Mit Verfügung vom 19. Oktober 2011 setzte die Landesanwaltschaft Bayern das Disziplinarverfahren im Hinblick auf das vorgreifliche Verfahren bezüglich des Verzichts auf den Ehrensold nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 BayDG aus.

Mit Schreiben vom 29. Mai 2012 erklärte der Beklagte gegenüber der Gemeinde, dass er seinen Verzicht hinsichtlich des Ehrensolds zurücknehme.

Mit Verfügung vom 4. Juni 2012 setzte die Landesanwaltschaft Bayern das Disziplinarverfahren gemäß Art. 24 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 BayDG fort.

Mit bestandskräftiger Verfügung vom 22. Juni 2012 ordnete die Landesanwaltschaft Bayern gemäß Art. 39 Abs. 2 BayDG unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Beklagte Überbrückungshilfe nach Art. 137a KWBG a. F. bzw. Ehrensold nach Art. 138 KWBG a. F. bezieht, deren Einbehaltung in Höhe von jeweils 30% an.

Zugleich forderte sie die Gemeinde unter Übersendung einer Abschrift der Verfügung mit Schreiben vom 22. Juni 2012 auf, den angeordneten Einbehalt zu vollziehen und Überbrückungshilfe bzw. Ehrensold jeweils um 30% zu kürzen, sobald der Beklagte Überbrückungshilfe und/oder Ehrensold beziehen sollte. Hiervon unberührt bleibe, dass die Gemeinde in eigener Zuständigkeit und Verantwortung über die Gewährung von Überbrückungshilfe und/oder Ehrensold an den Beklagten zu entscheiden habe.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 1. August 2012 bewilligte die Gemeinde dem Beklagten gemäß Beschluss des Gemeinderats vom 31. Juli 2012 für den Zeitraum vom 7. Oktober 2011 bis zum 6. Oktober 2012 eine monatliche Überbrückungshilfe nach Art. 137a KWBG a. F. in Höhe von 1.572,54 €. Die Überbrückungshilfe sei nach der Entscheidung der Landesanwaltschaft Bayern vom 22. Juni 2012 um 30% zu kürzen und betrage somit 1.100,78 € monatlich.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. November 2012 bewilligte die Gemeinde dem Beklagten gemäß Beschluss des Gemeinderats vom 30. Oktober 2012 ab 7. Oktober 2012 einen monatlichen Pflichtehrensold nach Art. 59 KWBG n. F. in Höhe von 1.384,76 €. Der Ehrensold sei nach der Entscheidung der Landesanwaltschaft Bayern vom 22. Juni 2012 um 30% zu kürzen und betrage somit 969,34 € monatlich.

Am 8. November 2012 erhielt der Beklagte gemäß Art. 32 BayDG Gelegenheit zur abschließenden Äußerung. Er beantragte, das Disziplinarverfahren einzustellen, da er gegenüber der Gemeinde auf den Ehrensold in Höhe von 30% verzichtet habe. Nach deren Angaben ist dort von einem solchen Verzicht aber nichts bekannt.

Mit Klage vom 27. Dezember 2012 hat der Kläger beantragt, dem Beklagten wegen der gegen ihn im Straf- und Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfe gemäß Art. 13 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen. Der Beklagte ist dem mit Schriftsatz vom 22. Februar 2013 und 14. Mai 2013 entgegengetreten und hat beantragt, die Disziplinarklage abzuweisen.

5. Mit Urteil vom 29. Januar 2014, den Bevollmächtigten des Beklagten zugestellt am 29. April 2014, hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten gemäß Art. 13, Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG das Ruhegehalt aberkannt. Das Disziplinarverfahren weise in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Hinsichtlich des Sachverhalts stünden die in der Disziplinarklage vorgeworfenen Dienstvergehen zur Überzeugung des Gerichts fest, die der Beklagte dem Grunde nach eingeräumt habe, auch wenn er sie z.T. rechtlich anders bewerte. Er habe den vom Urteil des Amtsgerichts E. vom 29. Oktober 2010, an dessen tatsächliche Feststellungen das Gericht gebunden sei, erfassten Betrug vorsätzlich und schuldhaft zum Nachteil der Eheleute K. begangen. Auch stehe aufgrund der Indizwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts E. vom 10. Oktober 2011 fest, dass der Beklagte die ihm vorgeworfene Untreue zulasten der Gemeinde vorsätzlich und schuldhaft begangen habe. Zudem sei aufgrund des Akteninhalts erwiesen, dass der Beklagte es unterlassen habe, den Gemeinderat vom Verkauf der Grundstücke ausreichend zu informieren. Durch sein Verhalten habe der Beklagte gegen seine Dienstpflichten gemäß Art. 34 und Art. 35 KWBG a. F. verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen i. S. d. Art. 48 KWBG a. F. begangen. Das Fehlverhalten wiege sehr schwer und führe zu einem endgültigen Vertrauensverlust. Am gravierendsten sei der Betrug gegenüber den Gemeindebürgern, bei denen ein Schaden von 12.500,-- € entstanden sei. Dabei könne den Beklagten nicht entlasten, dass er ohne persönliche Bereicherungsabsicht gehandelt habe. Ebenso schwer wiege auch die Untreue zulasten der Gemeinde hinsichtlich der Gutachterkosten, durch die sich der Beklagte in Höhe von 3.627,-- € (zunächst) persönlich bereichert habe. Um seine Absicht, die Eheleute K. zu betrügen, umsetzen zu können, habe er auch nicht davor zurückgeschreckt, den Gemeinderat bei der Beschlussfassung über den Verkauf der Grundstücke über den wahren Sachverhalt im Unklaren zu lassen. Als erster Bürgermeister habe er eine besondere Vertrauensstellung in herausgehobener Position und eine Vorbildfunktion innegehabt, in der er versagt habe, so dass er untragbar geworden sei. Zugunsten des Beklagten sei zu werten, dass er bis auf die genannten Verurteilungen weder disziplinar- noch strafrechtlich vorbelastet sei. Auch habe er den verursachten Schaden wiedergutgemacht. Zudem sprächen die vielfachen Verdienste des Beklagten um das Wohl der Gemeinde zu seinen Gunsten. Gegen ihn spreche jedoch, dass er nicht davor zurückgeschreckt habe, durch „Tricksereien“ zum Erfolg zu kommen. Er habe auch in der erforderlichen Gesamtschau das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren, so dass ihm das Ruhegehalt abzuerkennen sei.

6. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 29. Januar 2014 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen.

Der Beklagte unterliege nicht dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes, da er auf Antrag als erster Bürgermeister entlassen worden sei. Bei Erlass der Verfügung vom 22. Juni 2012 sei kein „Ehrensold“ bewilligt gewesen. Durch die nachträgliche Bewilligung des um 30% gekürzten „Ehrensolds“ unterfalle er nicht Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG. Die Kürzung des „Ehrensolds“ finde in Art. 60 KWBG n. F. keine Rechtsgrundlage. Die von der Gemeinde in eigener Verantwortung beschlossene Kürzung der Bezüge, mit der sie die Dienstvergehen des Beklagten abschließend sanktioniert habe, sei trotz der Falschbezeichnung eine Maßnahme sui generis, die nicht der gerichtlichen Überprüfung nach dem Bayerischen Disziplinargesetz unterliege. Art. 13 Abs. 1 BayDG gehe vom ungekürzten Ruhegehalt aus, bei einem um 30% gekürzten Ruhegehalt liege ein Unterhaltsbeitrag nach Art. 13 Abs. 2 BayDG vor. Auch könne das Gericht nach Art. 6 Abs. 2 BayDG gegenüber Ruhestandsbeamten lediglich die Kürzung des Ruhegehalts auf bis zu fünf Jahre um höchstens 20% (Art. 12 BayDG) oder dessen Aberkennung (Art. 13 BayDG) verhängen. Die hier an sich gebotene Disziplinarmaßnahme einer dauerhaften Bezügekürzung um 30% sei nicht zulässig. Die Aberkennung der bereits um 30% gekürzten Bezüge sei unverhältnismäßig. Durch die Kürzung sei ein Disziplinarklageverbrauch eingetreten. Das Urteil verstoße deshalb gegen den Grundsatz des „ne bis in idem“ (Art. 103 Abs. 3 GG). Eine Umsetzung des Urteils wäre auch rechtlich unmöglich, da die Gemeinde den bestandskräftigen Bewilligungsbescheid nicht aufheben könne. Der Beklagte habe auf 30% des „Ehrensolds“ verzichtet, da er gegen den Bescheid vom 28. November 2012 kein Rechtsmittel eingelegt habe. Der sachliche Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) BayDG sei nicht eröffnet. Darüber hinaus seien die gegen Ehrenbeamte zulässigen Disziplinarmaßnahmen in Art. 6 Abs. 3 BayDG abschließend geregelt, die Aberkennung des Ruhegehalts sei danach nicht möglich. Zugunsten des Beklagten sei mildernd zu berücksichtigen, dass er sich in seiner 21-jährigen Amtszeit große Verdienste um die Gemeinde erworben und nicht eigennützig, sondern nur im Interesse des Gemeindehaushalts gehandelt habe. Er habe den Schaden auch wiedergutgemacht. Die Aberkennung des Ruhegehalts sei daher unangemessen, da der Beklagte auch nicht nachversichert werden könne.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt weiter aus: Der Beklagte beziehe nach der Entscheidung der Gemeinde vom 28. November 2012 Pflichtehrensold nach Art. 59 KWBG n. F. und unterfalle dadurch gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes. Aus der Beschlussfassung vom 30. Oktober 2012 und dem Bescheid vom 28. November 2012 folge, dass die Gemeinde eine Entscheidung über Pflichtehrensold nach Art. 59 KWBG n. F. treffen habe wollen und auch getroffen habe. Die Kürzung des Ehrensolds um 30% führe nicht zu einer anderen Klassifizierung und sei für den persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes nicht relevant. Selbst bei Annahme einer Leistung sui generis unterfalle der Beklagte jedoch dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes, da nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BayDG auch andere Unterhaltsbeiträge zu berücksichtigen seien, die unwiderruflich bewilligt seien. Durch Bewilligung eines um 30% gekürzten Ehrensolds sei keine Disziplinarmaßnahme nach dem Bayerischen Disziplinargesetz ausgesprochen worden, so dass in der Aberkennung des Ruhegehalts nach Art. 13 BayDG keine erneute Disziplinarmaßnahme liege. Der von der Landesanwaltschaft Bayern verfügte Einbehalt von 30% des Ehrensolds sei keine Disziplinarmaßnahme i. S. d. Art. 6 BayDG, sondern eine vorläufige Maßnahme i. S. d. Art. 39 Abs. 2 BayDG. Auch die Entscheidung der Gemeinde, dem Beklagten aufgrund des Einbehalts in Höhe von 30% lediglich einen gekürzten Ehrensold zu zahlen, stelle schon mangels Zuständigkeit keine Disziplinarmaßnahme dar und stehe daher einer Aberkennung des Ruhegehalts im Disziplinarverfahren nicht entgegen. Diese Maßnahme sei auch nicht unverhältnismäßig. Das Verhalten des Beklagten habe zu einem endgültigen Vertrauensverlust geführt, so dass ihm das Ruhegehalt abzuerkennen sei.

Der Senat hat am 7. Dezember 2016 mündlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Zu Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Disziplinarakten und der Strafakten der Verfahren 6 Cs 902 Js 144703/08 und 9 Cs 902 Js 141146/11 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Beklagten zu Recht gemäß Art. 13 BayDG das Ruhegehalt aberkannt.

1. Verfahrenshindernisse bestehen nicht. Hierunter fallen neben dem Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen wie etwa der Verfolgbarkeit von Tat und Täter auch sonstige schwere Mängel des Verfahrens, die nicht auf andere Weise geheilt werden können (BVerwG, B. v. 22.7.2004 - 2 WDB 4.03 - juris Rn. 4). Solche Mängel des Disziplinarverfahrens können sich z. B. aus der Verletzung von Vorschriften über den persönlichen bzw. sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes (Art. 1 und 2 BayDG) oder der Nichtbeachtung von Maßnahmeverboten (Art. 15 und 16 BayDG) ergeben. Soweit derartige Mängel gemäß Art. 33 BayDG zur Einstellung des behördlichen Disziplinarverfahrens führen würden, haben sie regelmäßig auch die Unzulässigkeit der Disziplinarklage zur Folge (BVerwG, U. v. 20.10.2005 - 2 C 12.04 - juris Rn. 13).

1.1 Der persönliche Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes, der Verfahrensvoraussetzung für die Verfolgbarkeit eines Dienstvergehens ist (BVerwG, B. v. 27.10.1993 - 1 DB 16.93 - juris Rn. 5), ist eröffnet. Der Beklagte unterliegt als Bezieher von Pflichtehrensold nach Art. 59 Abs. 1 KWBG (in der gemäß Art. 66 Abs. 1 KWBG am 1. August 2012 in Kraft getretenen Fassung der Bek. vom 24. Juli 2012 [GVBl. S. 366] = n. F.) gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes.

1.1.1 Der Beklagte unterfiel vor seiner Entlassung auf eigenen Antrag gemäß Art. 19 KWBG (in der Fassung der Bek. vom 1. Januar 1983, zuletzt geändert durch § 7 des Gesetzes vom 16. Februar 2012 [GVBl. S. 30] = a. F.) mit Wirkung vom 7. Oktober 2011 als ehrenamtlicher erster Bürgermeister (kommunaler Wahlbeamter i. S. d. Art. 1 Nr. 1, Art. 4 KWBG a. F. i. V. m. Art. 34 Abs. 2 GO) dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes, so dass am 2. Dezember 2010 nach Art. 19 BayDG ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet werden konnte. Nach Art. 1 Abs. 1 BayDG gilt das Bayerische Disziplinargesetz auch für (Ruhestands-) Beamte, auf die das Gesetz über Kommunale Wahlbeamte Anwendung findet. Hiergegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern (BayVerfGH, E. v. 18.5.1967 - Vf. 35-VII-63 - VerfGHE 20, 101/107 ff.; E. v. 19.4.1989 - Vf. 1-VI-88 - VerfGHE 42, 54/59 ff.).

1.1.2 Mit Ausscheiden aus seinem Amt als erster Bürgermeister ab 7. Oktober 2011 unterfiel der Beklagte zwar nicht mehr dem Gesetz über Kommunale Wahlbeamte und damit dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes gemäß Art. 1 Abs. 1 BayDG, da er mit der Entlassung keinen Anspruch auf Dienstbezüge und Versorgung hat, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 KWBG a. F.). Durch (rückwirkende) Bewilligung von Überbrückungshilfe nach Art. 137a KWBG a. F. ab 7. Oktober 2011 bzw. von Pflichtehrensold nach Art. 59 Abs. 1 KWBG n. F. ab 7. Oktober 2012 unterlag er jedoch erneut dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG gelten als Ruhestandsbeamte auch frühere Beamte, die Ehrensold nach Art. 59 KWBG n. F. beziehen. Art. 59 KWBG n. F. ist auf den Beklagten anwendbar, da ihm Pflichtehrensold erstmals mit Bescheid der Gemeinde vom 28. November 2012 bewilligt wurde (Art. 64 Abs. 2 KWBG n. F.). Gleiches gilt gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BayDG für frühere Beamte, die sonstige Unterhaltsbeiträge beziehen, die - wie Überbrückungshilfe - unwiderruflich bewilligt sind. Ihre Bezüge gelten als Ruhegehalt (Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayDG). Das Bayerische Disziplinargesetz trifft insoweit gegenüber dem Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz eine eigene Regelung. Für den Vollzug des Bayerischen Disziplinargesetzes gelten die in Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDG genannten Bezüge, die Grundlage für die Einbeziehung der Leistungsempfänger in den persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes bilden, als Ruhegehalt. Da die dort im Einzelnen genannten Bezüge als Ruhegehalt gelten, sind sie als solche disziplinarrechtlich zu berücksichtigen (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand August 2016, Art. 5 BayDG Rn. 5).

Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte mit Schreiben vom 19. September 2011 gegenüber der Gemeinde auf die Bewilligung von Ehrensold verzichtet hat. Unabhängig davon, ob auf Ehrensold verzichtet werden kann (bejahend: Nr. 3.12 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 18. Januar 1986 [Ehrensold für frühere Bürgermeister und Bezirkstagspräsidenten], Az. IB2-3001-8g/1 (86), MABl. S. 112 - Ehrensoldbekanntmachung) und ob die einseitige Verzichtserklärung wirksam war oder zu ihrer Wirksamkeit der Annahme durch die Gemeinde bedurft hätte, hat diese dem Beklagten mit Bescheid vom 28. November 2012 (ungekürzten) Pflichtehrensold nach Art. 59 Abs. 1 KWBG n. F. bewilligt, so dass er gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG - nach wie vor - dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes unterliegt.

Ausweislich der Beschlussfassung des Gemeinderats vom 30. Oktober 2012 und des Bescheids vom 28. November 2012 wollte die Gemeinde dem Beklagten einen Pflichtehrensold i. S. d. Art. 59 Abs. 1 KWBG n. F. bewilligen und hat ihm auch einen solchen bewilligt. Nach Art. 59 Abs. 1 KWBG n. F. ist einem ersten Bürgermeister für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt Pflichtehrensold zu bewilligen, wenn er aus dieser Tätigkeit außer Übergangsgeld keine Versorgung erhält, das sechzigste Lebensjahr vollendet hat und dieses Amt in derselben Gemeinde mindestens zwölf Jahre bekleidet hat. Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung der Gemeinde in der Person des Beklagten vor. Dieser hat in der Gemeinde vom 1. Mai 1990 bis zum 6. Oktober 2011 das Amt als erster Bürgermeister ausgeübt, das sechzigste Lebensjahr vollendet und erhält aus diesem Amt nach Ablauf der Überbrückungshilfe keine sonstige Versorgung. Die Bewilligung von Pflichtehrensold kann nach Art. 59 Abs. 5 KWBG n. F. zurückgenommen bzw. versagt werden, wenn sich der Empfänger des Ehrensolds nicht würdig erweist (BayVGH, B. v. 26.3.2015 - 3 BV 13.157 - juris Rn. 20). Die Gemeinde hat nach Erörterung im Gemeinderat eine Unwürdigkeit des Beklagten i. S. d. Art. 59 Abs. 5 KWBG n. F. verneint und diesem im Rahmen ihrer Zuständigkeit und in eigener Verantwortung den sich nach Art. 60 Abs. 1 KWBG n. F. errechnenden (ungekürzten) Pflichtehrensold in Höhe von 1.384,76 € bewilligt.

Daran ändert auch nichts, dass sie den dem Beklagten bewilligten Pflichtehrensold aufgrund der Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 22. Juni 2012 um 30% gekürzt hat, so dass dieser 969,34 € beträgt. Mit der Kürzung hat die Gemeinde als für die Auszahlung des Pflichtehrensolds zuständige Stelle lediglich die Anordnung nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG vollzogen, 30% des Ruhegehalts des Beklagten einzubehalten, aber keine Entscheidung als Dienstherr des Beklagten (Art. 2 Abs. 1 KWBG n. F. i. V. m. Art. 34 Abs. 1 Satz 1 GO) über eine anteilige Kürzung des Pflichtehrensolds getroffen. Darin liegt entgegen der Ansicht des Beklagten auch keine Maßnahme sui generis, die nicht der gerichtlichen Überprüfung nach dem Bayerischen Disziplinargesetz unterfallen würde, sondern nur der Vollzug des nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayDG verfügten Einbehalts, auch wenn er zeitgleich zusammen mit der erstmaligen Bewilligung des Ehrensolds vorgenommen worden ist. Eine anteilige Kürzung des Pflichtehrensolds fände in Art. 59 Abs. 1 und 5, Art. 60 Abs. 1 KWBG n. F. - anders als ggf. bei der Gewährung von freiwilligem Ehrensold nach Art. 59 Abs. 2, Art. 60 Abs. 2 KWBG n. F. (BayVGH, B. v. 21.7.2011 - 3 ZB 10.1484 - juris Rn. 4) - auch keine Rechtsgrundlage.

Der Beklagte hat demgemäß auch nicht auf 30% des Pflichtehrensolds verzichtet, indem er gegen den Bescheid der Gemeinde vom 28. November 2012 kein Rechtsmittel eingelegt hat und diesen bestandskräftig werden ließ, sondern lediglich keinen Antrag auf Aussetzung der Einbehaltung von Bezügen gemäß Art. 61 BayDG gestellt und so die Einbehaltungsverfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 22. Juni 2012 unanfechtbar werden lassen. Demzufolge kommt es auch nicht darauf an, ob die Gemeinde ihren bestandskräftigen Bescheid vom 28. November 2012 aufheben bzw. ändern könnte. Auch der Hinweis darauf, dass Art. 13 Abs. 1 BayDG von einem ungekürzten Ruhegehalt ausgehe, während es sich bei einem um 30% gekürzten Ruhegehalt nur um einen Unterhaltsbeitrag i. S. d. Art. 13 Abs. 2 BayDG handle, liegt neben der Sache. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 BayDG wird ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70% des Ruhegehalts gewährt, wobei eine Einbehaltung des Ruhegehalts nach Art. 39 Abs. 2 BayDG unberücksichtigt bleibt. Im Übrigen ändert die (vorläufige, vgl. Art. 40 Abs. 5, Art. 41 BayDG) Einbehaltung nichts am Rechtscharakter des Pflichtehrensolds als Ruhegehalt i. S. d. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BayDG.

Selbst wenn man jedoch von einer gemeindlichen Maßnahme sui generis ausgehen wollte, würde dies nicht dazu führen, dass der Beklagte nicht mehr dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes unterliegen würde, da die von der Gemeinde gewährten Leistungen jedenfalls als sonstige unwiderruflich bewilligte Unterhaltsbeiträge i. S. d. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BayDG anzusehen wären. Dabei handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der alle unwiderruflichen Leistungen des früheren Dienstherrn erfasst, die der frühere Beamte im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis erhält (Zängl, a. a. O. Art. 1 BayDG Rn. 19).

Vor diesem Hintergrund wurde das Disziplinarverfahren zu Recht am 19. Oktober 2011 im Hinblick auf den vom Beklagten mit Schreiben vom 19. September 2011 erklärten Verzicht auf den Ehrensold nach Art. 24 Abs. 3 Satz 1 BayDG zunächst ausgesetzt und nach Widerruf des Verzichts mit Schreiben vom 29. Mai 2012 am 4. Juni 2012 nach Art. 24 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 BayDG fortgesetzt. Das Verfahren wäre allenfalls dann gemäß Art. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG einzustellen gewesen, wenn der Beklagte aus seinem Amt als erster Bürgermeister ausgeschieden wäre, ohne dass ein weiteres für die Durchführung eines Disziplinarverfahrens nach Art. 1 BayDG genügendes Beamtenverhältnis fortbestanden hätte oder neu begründet worden wäre (Zängl, a. a. O. Art. 1 BayDG Rn. 3).

1.2 Entgegen der Behauptung des Beklagten ist auch der sachliche Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes eröffnet. Dieses gilt nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) BayDG für die von Ruhestandsbeamten im aktiven Beamtenverhältnis begangene Dienstvergehen i. S. d. Art. 48 Abs. 1 KWBG a. F. Um solche handelt es sich hier, da die dem Beklagten zur Last gelegten Handlungen aus den Jahren 2006 und 2010 in die Zeit als ehrenamtlicher erster Bürgermeister (1990 bis 2011) fallen. Nach dem Eintritt in den Ruhestand von ihm als Ruhestandsbeamter begangene, gemäß Art. 48 Abs. 2 KWBG a. F. als Dienstvergehen geltende Handlungen i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) BayDG werden dem Beklagten nicht vorgeworfen.

1.3 Das Disziplinarverfahren ist auch nicht aufgrund des auch im Disziplinarrecht (entsprechend) geltenden Verbots der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG, Art. 104 Abs. 2 BV) unzulässig und insoweit auch kein „Disziplinarklageverbrauch“ eingetreten. Das Verbot der Doppelbestrafung gilt unmittelbar nur für Verurteilungen aufgrund der (allgemeinen) Strafgesetze und nicht im Verhältnis von Strafrecht zum Disziplinarrecht (BVerwG, U. v. 11.4.2000 - 1 D 1.99 - juris Rn. 9). Es gilt darüber hinaus aber auch (analog) im Disziplinarrecht, als wegen eines Dienstvergehens nicht mehrere disziplinarische Sanktionen verhängt werden dürfen (BVerwG, U. v. 20.2.2001 - 1 D 55.99 - juris Rn. 61). Ein Disziplinarverfahren ist daher unzulässig, wenn ihm ein tatsächlicher Sachverhalt zugrunde liegt, über den bereits in einem früheren Disziplinarverfahren entschieden wurde. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass der Ehrensold bereits mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 22. Juni 2012 um 30% gekürzt worden sei, so dass eine vollständige Aberkennung des (gekürzten) Ruhegehalts unzulässig sei, handelt es sich bei der Einbehaltung von Bezügen gemäß Art. 39 Abs. 2 BayDG lediglich um eine vorläufige (Sicherungs-) Maßnahme, aber nicht um eine vorweggenommene Disziplinarmaßnahme i. S. d. Art. 6 BayDG (BayVGH, B. v. 28.1.1981 - Nr. 16 C 80 A.2066 - VGHE n. F. 34, 21/22). Die teilweise Einbehaltung des Ruhegehalts trägt dem Umstand Rechnung, dass einem Beamten, dem voraussichtlich das Ruhegehalt aberkannt werden wird, dieses nicht mehr in voller Höhe belassen werden soll, und endet mit dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens (Art. 40 Abs. 5 BayDG); soweit darin auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt wird, verfallen die nach Art. 39 Abs. 2 BayDG einbehaltenen Bezüge (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDG), andernfalls sind sie nachzuzahlen (Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayDG).

Auch die Entscheidung der Gemeinde, dem Beklagten aufgrund des Einbehalts in Höhe von 30% lediglich einen entsprechend gekürzten Ehrensold auszuzahlen, stellt keine Disziplinarmaßnahme i. S. d. Art. 6 BayDG dar. Die Gemeinde hat damit nur die Anordnung der Landesanwaltschaft Bayern vollzogen, 30% des Ruhegehalts des Beklagten einzubehalten, aber keine eigenständige Disziplinarmaßnahme getroffen. Die dauerhafte Kürzung des Ruhegehalts um 30% wäre nach Art. 6 Abs. 2 BayDG nicht zulässig, da gegenüber Ruhestandsbeamten nur die Kürzung des Ruhegehalts auf bis zu fünf Jahre um maximal 1/5 (Art. 12 BayDG) oder die Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) möglich ist. Darüber hinaus ist die Gemeinde für die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gegen den Beklagten als ihrem früheren ehrenamtlichen ersten Bürgermeister auch nicht zuständig. Bei Personen i. S. d. Art. 1 Nr. 1 KWBG a. F. (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 KWBG n. F.) i. V. m. Art. 34 Abs. 2 GO, auch wenn sie Ruhestandsbeamte sind oder - wie der Beklagte - als solche gelten, nimmt die Rechtsaufsichtsbehörde (vorliegend gemäß Art. 110 Satz 1 GO das Landratsamt E.-...) die Disziplinarbefugnisse wahr (Art. 18 Abs. 4 Satz 1 BayDG). Diese hat ihre Befugnisse mit Schreiben vom 29. November 2010 nach Art. 18 Abs. 4 Satz 2 BayDG i. V. m. §§ 1 Abs. 2, 5 Satz 1 DVKommBayDG vom 29. Juli 2008 (GVBl. S. 552) auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen. Gegen Personen i. S. d. Art. 1 Nrn. 1 bis 3 KWBG a. F. (Art. 1 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 KWBG n. F.) wie den Beklagten können Disziplinarmaßnahmen zudem nur durch das Verwaltungsgericht verhängt werden (Art. 35 Abs. 5 BayDG). Daran ändert auch nichts, dass die Gemeinde zunächst in eigener Zuständigkeit und Verantwortung über die Bewilligung von Pflichtehrensold an den Beklagten zu entscheiden hatte.

Für eine Auslegung der von ihr getroffenen Entscheidung dahingehend, dass die Gemeinde dem Beklagten aufgrund der eigenen Würdigung seines Verhaltens nur einen um 30% gekürzten Pflichtehrensold gewähren wollte, um dieses angemessen zu sanktionieren, fehlt es sowohl an einer Tatsachengrundlage, noch gibt es eine Rechtsgrundlage hierfür. Auch lässt die Möglichkeit, einem früheren kommunalen Wahlbeamten, der Ehrensold bezieht, diesen durch Disziplinarurteil zu kürzen bzw. abzuerkennen, die Befugnis der Gemeinde unberührt, ihm den Ehrensold wegen unwürdigen Verhaltens zu entziehen; dasselbe gilt umgekehrt (Weigert, BayDO, Stand Februar 1995, Art. 13 Rn. 7). Daher stünde auch eine dauerhafte Kürzung des Pflichtehrensolds um 30% als beamtenrechtliche Entscheidung der Gemeinde einer Aberkennung des Ruhegehalts als Disziplinarmaßnahme durch Urteil nicht entgegen.

2. Das behördliche Disziplinarverfahren weist, wovon das Verwaltungsgericht zu Recht ausgegangen ist, keine formellen Mängel auf, insbesondere hatte der Beklagte in jeder Lage des Verfahrens Gelegenheit zur Äußerung i. S. d. Art. 22 BayBG. Solche Mängel wurden vom Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht.

3. Der dem Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte, vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt ist zur Überzeugung des Senats erwiesen, zumal der Beklagte diesen auch in vollem Umfang eingeräumt hat.

3.1 Der dem Beklagten zur Last gelegte Betrug gemäß § 263 Abs. 1 StGB, der dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts E. vom 29. Oktober 2010 zugrunde liegt, steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Hs. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach sind tatsächliche Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im Berufungsverfahren bindend. Es steht daher fest, dass der Beklagte vorsätzlich, rechtswidrig sowie schuldhaft und in Bereicherungsabsicht zugunsten der Gemeinde die Eheleute K. darüber getäuscht hat, dass das Grundstück FlNr. 400 der Gemarkung H. für 85.000,-- € statt 60.000.-- € veräußert worden wäre, wodurch diesen ein Schaden in Höhe von 12.500,-- € entstanden ist.

Der Senat hat auch keinen Anlass, sich aufgrund des Vorbringens des Beklagten von den Feststellungen des Strafgerichts zu lösen (Art. 55 Hs. 2 i. V. m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Danach sind die Disziplinargerichte nur an offenkundig unrichtige Feststellungen in einem rechtskräftigen Strafurteil nicht gebunden. Ein pauschales Bestreiten genügt hierfür nicht. Es müssen tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit ergeben kann. Auch reicht die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen objektiv oder subjektiv auch anders gewesen sein könnte, für einen Lösungsbeschluss nicht aus (BayVGH, U. v. 5.2.2014 - 16a D 12.2494 - juris Rn. 30). Der Beklagte hat die von ihm erstinstanzlich gemachten Einwendungen hinsichtlich der Aussagen der Zeugen D. und N. sowie des Sachverständigengutachtens S. zum Verkehrswert des Grundstücks FlNr. 400 im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten. Zudem betreffen diese nicht näher substantiierten Einwände lediglich die Frage der Beweiswürdigung durch das Amtsgericht gemäß § 261 StPO, so dass die hiergegen gerichteten Angriffe nicht zu einem Lösungsbeschluss führen können (BayVGH, U. v. 5.2.2014 a. a. O. Rn. 31).

3.2 Auch die dem Beklagten weiter mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 10. Oktober 2011 zur Last gelegte Untreue zulasten der Gemeinde in zwei Fällen gemäß §§ 266 Abs. 1 und Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 4, 53, 56 StGB steht zur Überzeugung des Senats fest. Die darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind zwar nicht gemäß Art. 25 Abs. 1 BayDG bindend, der Senat kann sie jedoch gemäß Art. 25 Abs. 2, Art. 55 Hs. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG ohne nochmalige Prüfung seinem Urteil zugrunde legen, da der Beklagte die ihm vorgeworfenen Taten mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. September 2011 eingeräumt hat. Danach steht fest, dass der Beklagte vorsätzlich, rechtswidrig sowie schuldhaft seine ihm nach Art. 37, 38 GO zustehende Befugnis, über das Vermögen der Gemeinde zu verfügen oder sie zu verpflichten, missbraucht und ihr dadurch einen Vermögensnachteil in Höhe von 3.627,12 € zugefügt hat, indem er zu seiner Verteidigung im Strafverfahren vor dem Amtsgericht E. vorgelegte Gutachten im Namen und auf Rechnung der Gemeinde in Auftrag gegeben hat. Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte den Gesamtbetrag inzwischen an die Gemeinde zurückgezahlt hat, da der Beklagte sich durch die unrechtmäßige Nutzung öffentlichen Vermögens der Gemeinde für private Zwecke zunächst selbst ungerechtfertigt bereichert und einen entsprechenden Nachteil zulasten des Vermögens der Gemeinde damit billigend in Kauf genommen hat. Durch seine Verfügungen wurde das Vermögen der Gemeinde unmittelbar vermindert.

Soweit der Beklagte erstinstanzlich aufgrund der Angaben des Geschäftsleiters der Gemeinde H., eine Erstellung der Gutachten auch im Interesse der Gemeinde behauptet hat („Doppelwirkung“), wendet er sich nur gegen die rechtliche Bewertung seines Verhaltens, vermag aber die tatsächlichen Feststellungen im Strafbefehl nicht substantiiert in Frage zu stellen. Im Übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern die Gutachtenserstellung für ein bereits verkauftes Grundstück auch im Interesse der Gemeinde gelegen haben sollte.

3.3 Aufgrund des Inhalts der vorliegenden Straf- und Disziplinarakten ist außerdem erwiesen, dass der Beklagte es vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft unterlassen hat, den Gemeinderat vollständig und ordnungsgemäß über den Hintergrund des Verkaufs der Grundstücke FlNr. 400 und 546 zu informieren; dass der Beklagte so gehandelt hat, ergibt sich zudem aus den Gründen des Strafurteils, das der Beklagte nicht substantiiert in Frage gestellt hat.

4. Der Beklagte als ehemaliger kommunaler Wahlbeamter (früherer ehrenamtlicher erster Bürgermeister i. S. d. Art. 1 Nr. 1, Art. 4 KWBG a. F. i. V. m. Art. 34 Abs. 2 GO) hat durch sein Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen i. S. d. Art. 48 Abs. 1 Satz 1 KWBG a. F. (nunmehr § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG) begangen und dadurch vorsätzlich und schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt. Sowohl der Verkauf der im Eigentum der Gemeinde befindlichen Grundstücke als auch die Beauftragung von Gutachten im Namen und auf Kosten der Gemeinde durch den Beklagten war in sein Amt als erster Bürgermeister der Gemeinde und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden, da er diese Handlungen im Zusammenhang mit den ihm gemäß Art. 36 bis 38 GO zustehenden Befugnissen vorgenommen hat, so dass der Beklagte die Dienstpflichtverletzungen innerdienstlich begangen hat (BayVGH, U. v. 5.2.2014 a. a. O. Rn. 33). Durch sein Verhalten hat der Beklagte jeweils vorsätzlich und schuldhaft gegen die Dienstpflichten verstoßen, die Gesetze zu beachten, seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen (Art. 34 Abs. 1 Satz 2 KWBG a. F. bzw. § 33 Abs. 1 BeamtStG) sowie sich mit voller Hingabe seinem Amt zu widmen und es uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten (Art. 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 KWBG a. F. bzw. § 34 Satz 1 und 2 BeamtStG). Zudem hat er dadurch jeweils vorsätzlich und schuldhaft auch seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes missachtet (Art. 35 Abs. 1 Satz 3 KWBG a. F. bzw. § 34 Satz 3 BeamtStG).

5. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 BayDG auf die Höchstmaßnahme zu erkennen. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus seinem Amt als Bürgermeister hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhestandsbeamten gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen.

Die Auffassung, dass nach Art. 6 Abs. 3 BayDG gegen Ehrenbeamte nur die dort genannten Disziplinarmaßnahmen verhängt werden könnten, liegt insoweit neben der Sache, da auch gegen ehemalige kommunale Ehrenbeamte wie den Beklagten als früheren ehrenamtlichen ersten Bürgermeister nach Eintritt in den Ruhestand (nur) die in Art. 6 Abs. 2 BayDG genannten Maßnahmen verhängt werden können.

5.1 Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U. v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 12). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Beamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O. Rn. 13).

5.2 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z. B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z. B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O. Rn. 16).

Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen zurückzugreifen (BVerwG, B. v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Rn. 14). Vorliegend stellen die Taten, die dem Strafurteil des Amtsgerichts E. vom 29. Oktober 2010 und dem Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 10. Oktober 2011 zugrunde liegen - Betrug gegenüber Gemeindebürgern und Untreue in zwei Fällen gegenüber der Gemeinde -, die schwersten Dienstpflichtverletzungen dar. Dies ergibt sich schon daraus, dass für die Straftat des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren und für die Straftat der Untreue als Amtsträger in einem besonders schweren Fall gemäß §§ 266 Abs. 1 und Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB ein Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe besteht. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es sogar bis zu zehn Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O. Rn. 20).

5.3 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung führt zur Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 BayDG). Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen i.d.R. anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. Erschwernisgründe können sich z. B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben. Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Angesichts der Schwere der in den Strafverurteilungen dokumentierten mehrfachen Pflichtverstöße und des verursachten Gesamtschadens in Höhe von 16.127,12 € sowie der früheren Stellung des Beklagten als ehrenamtlicher erster Bürgermeister ist die Aberkennung des Ruhegehalts angemessen und erforderlich.

Innerdienstliche Betrugshandlungen eines Beamten zulasten Dritter (hier: Betrug gegenüber Gemeindebürgern) mit einem Schaden von 12.500,-- € rechtfertigen i.d.R. die Verhängung der Höchstmaßnahme, auch wenn sie - wie hier - zugunsten des Dienstherrn (Befreiung von der Aufzahlungspflicht) und somit ohne wirtschaftliches Eigeninteresse begangen werden (BVerwG, B. v. 6.5.2015 - 2 B 19.14 - juris Rn. 11). Zu diesen treten die Untreuehandlungen zulasten der Gemeinde, die nicht nur zu einem erheblichen Schaden in Höhe von 3.627,12 €, sondern auch zu einem eklatanten Vertrauensbruch geführt haben (SächsOVG, U. v. 7.3.2014 - D 6 A 555/10 - juris Rn. 86), und die unvollständige und unzutreffende Information des Gemeinderats über den Inhalt der Grundstücksgeschäfte nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 GO (BayVGH, B. v. 15.12.2000 - 4 ZE 00.332 - juris Rn. 14), wodurch der Beklagte gegen die aus der Stellung als erster Bürgermeister resultierenden Kernpflichten gegenüber seinem Dienstherrn verstoßen hat (BayVGH, U. v. 13.7.2011 - 16a D 09.3127 - juris Rn. 132).

Erschwerend kommt hinzu, dass der Beklagte als erster Bürgermeister nach den kommunalrechtlichen Bestimmungen eine besondere Vertrauensstellung innehatte (BayVGH, U. v. 1.6.2005 - 16a D 04.3502 - juris Rn. 58). Ein erster Bürgermeister als kommunaler Wahlbeamter besitzt weitreichende Befugnisse in der Gemeinde. Dem stehen hohe Anforderungen an seine Führungsqualitäten und seine persönliche Integrität gegenüber. In der Gemeindeverwaltung besitzt er eine Vorbildfunktion für nachgeordnete Bedienstete. Außerdem steht er als gewählter Repräsentant seiner Gemeinde unter besonderer Beobachtung der Gemeindebürger. Sein Fehlverhalten ist demgemäß in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine gesetzestreue Gemeindearbeit zu beschädigen (BayVGH, U. v. 5.2.2014 a. a. O. Rn. 48). Da der Beklagte als erster Bürgermeister Gemeindebürger betrogen, Gelder der Gemeinde veruntreut und den Gemeinderat nicht ordnungsgemäß informiert hat, was zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Ansehens seiner Gemeinde in der Öffentlichkeit geführt hat, ist sein innerdienstliches Fehlverhalten als so gravierend anzusehen, dass er als erster Bürgermeister untragbar geworden ist.

5.4 Die für den Beklagten sprechenden Entlastungsgründe besitzen demgegenüber sowohl für sich allein genommen als auch im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung kein derartiges Gewicht, um von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen.

Ein Absehen von der Höchstmaßnahme kommt nicht deshalb in Betracht, weil der Beklagte durch freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor drohender Entdeckung tätig von seinen Taten abgerückt wäre. Er hat die von ihm verübten Taten erst eingestanden und den durch ihn der Gemeinde verursachten Schaden erst ausgeglichen, als Ermittlungen gegen ihn eingeleitet worden waren. Von einer Freiwilligkeit der Offenbarung bzw. der Wiedergutmachung kann deshalb keine Rede sein. Die spätere Einräumung des Fehlverhaltens bzw. Wiedergutmachung des Schadens ist zwar zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, führt aber nicht zu einer milderen Disziplinarmaßnahme.

Auch die Würdigung des Persönlichkeitsbilds und der dienstlichen Leistungen des Beklagten führen nicht zum Absehen von der Höchstmaßnahme. Der Beklagte ist zwar weder disziplinarrechtlich noch (bis auf die ihm vorliegend zur Last gelegten Verurteilungen) strafrechtlich vorbelastet und ist auch im Übrigen den Dienstpflichten beanstandungsfrei nachgekommen. Die langjährige Beachtung der Dienstpflichten ist - selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen - für sich genommen aber regelmäßig nicht geeignet, schwerwiegende Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Ein Absehen von der Höchstmaßnahme ist auch nicht deshalb möglich, weil sich der Beklagte in seiner 20-jährigen Amtszeit unbestreitbar große Verdienste um seine Gemeinde erworben hat und durch die Ausweisung von Bauland sowie Gewerbeflächen, von denen er niemals persönlich profitiert hat, die Grundlage für bleibend hohe Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinde gelegt hat. Das besondere Engagement des Beklagten als erster Bürgermeister im finanziellen Interesse der Gemeinde kann den von ihm gegenüber Gemeindebürgern verübten Betrug und die von ihm zulasten der Gemeinde begangene Untreue nicht aufwiegen. Auch wenn der Beklagte nach den von ihm erstinstanzlich vorgelegten Schreiben von Bürgern und Amtsträgern (siehe Anlagen B13 bis B28 der Klageerwiderung) wegen seiner Leistungen für die Gemeinde ein durchaus von vielen geschätzter Bürgermeister gewesen sein mag, stehen dem Beschwerden von Bürgern und Äußerungen von Gemeinderatsmitgliedern über die selbstherrliche, sich nicht an geltende Gesetze haltende Amtsführung des Beklagten in den ihm im vorliegenden Disziplinarverfahren zur Last gelegten Fällen gegenüber. Die subjektiven Stellungnahmen zugunsten des Beklagten werden durch das ihm vorgeworfene Verhalten relativiert und vermögen daher nicht die objektive Feststellung des endgültigen Vertrauensverlustes in Frage zu stellen.

Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass er hinsichtlich des von ihm verübten Betrugs nicht eigennützig, sondern lediglich im Interesse des Gemeindehaushalts gehandelt habe, vermag ihn dies ebenfalls nicht zu entlasten, weil ein Betrug durch einen ersten Bürgermeister gegenüber Gemeindebürgern, auch wenn er im Interesse der Gemeinde erfolgt ist, ebenso schwer wie ein Betrug zulasten des Dienstherrn wiegt. Im Übrigen ist ein strafbares Vorgehen, um der Gemeinde Aufwendungen zu ersparen, auch durch nichts zu rechtfertigen.

Auch die Tatsache, dass die gegen den Beklagten mit Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 10. Oktober 2011 verhängte Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, laut Beschluss des Amtsgerichts E. vom 9. Januar 2015 nach Ablauf der Bewährungszeit gemäß § 56g Abs. 1 StGB erlassen worden ist, weil sich der Beklagte nichts mehr zu Schulden hat kommen lassen, führt nicht zu einer nachträglichen milderen Bewertung seines gravierenden dienstlichen Fehlverhaltens und des dadurch verursachten endgültigen Vertrauensbruchs.

5.5 Erschwerend ist zulasten des Beklagten zu werten, dass er bei der Begehung der Taten eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt hat. So hat er nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen D. und G. unmittelbar im Anschluss an die Verhandlung vor dem Landgericht A. am 24. August 2005 geäußert, den dort geschlossenen Vergleich „so zu regeln“, dass die Eheleute K. hieraus keinen Nutzen ziehen könnten, und hat den Betrug ersichtlich gezielt und planmäßig vorbereitet. Insoweit ist der Beklagte auch nicht davor zurückgeschreckt, den Gemeinderat über den wirklichen Sachverhalt beim Verkauf der Grundstücke FlNr. 400 und 546 der Gemarkung H. im Unklaren zu lassen, um seine Absicht, die Eheleute K. zu täuschen und finanziell zu schädigen, in die Tat umsetzen zu können. Dabei hat er jedoch den Wert des Grundstücks FlNr. 546 im Grunde mit 0,-- € angesetzt, worin - worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufungsbegründung im Strafverfahren wegen Betrugs vom 6. Dezember 2010 zutreffend hingewiesen hat - ein weiterer Fall einer (tatmehrheitlich zum Betrug begangenen) Untreue zulasten der Gemeinde liegt, obwohl der Beklagte nur im Interesse des Gemeindehaushalts gehandelt haben will. Zudem hat der Beklagte bei der Beauftragung der Gutachten Geldmittel der Gemeinde eingesetzt, um sich selbst Aufwendungen in dieser Höhe zu ersparen, obwohl die Gutachten nur seiner Verteidigung im Strafverfahren dienen sollten, so dass er eigennützig und nicht zugunsten der Gemeinde handelte.

5.6 Eine noch positive Prognose zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme gebieten würde, ist in der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände danach nicht möglich. Der Beklagte hat vielmehr das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren. Ihm ist daher gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen.

6. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis - wie hier - endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BayVGH, U. v. 5.2.2014 a. a. O. Rn. 55). Für Ruhestandsbeamte gilt nichts anderes (BVerfG, NB. v. 22.11.2001 - 2 BvR 2138/00 - juris Rn. 3). Daher ist einem Ruhestandsbeamten wie dem Beklagten bei Vorliegen der eben genannten Voraussetzungen das Ruhegehalt abzuerkennen (BayVGH, U. v. 13.7.2011 a. a. O. Rn. 170).

Demgegenüber kann der Beklagte auch nicht einwenden, die hier an sich gebotene Disziplinarmaßnahme, nämlich die dauerhafte Kürzung des Pflichtehrensolds um 30%, sei nach dem Bayerischen Disziplinargesetz nicht zulässig, weil das Gericht gemäß Art. 6 Abs. 2 BayDG gegenüber Ruhestandsbeamten entweder die Kürzung des Ruhegehalts auf bis zu fünf Jahre um höchstens 20% (Art. 12 BayDG) oder die Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) verhängen könne, so dass die vollständige Aberkennung der bereits um 30% gekürzten Bezüge unverhältnismäßig sei. Wie eben dargelegt, ist die Aberkennung des Ruhegehalts geeignet und erforderlich und nicht etwa unverhältnismäßig, sondern die angemessene Reaktion auf das vom Beklagten verübte Dienstvergehen. Die Frage, ob die im geltenden Disziplinarrecht nicht vorgesehene Sanktionsmöglichkeit einer dauerhaften Kürzung von mehr als 20% des Ruhegehalts angemessen wäre, stellt sich deshalb vorliegend nicht.

Der Senat verkennt nicht, dass der Beklagte und seine Ehefrau von der Aberkennung des Ruhegehalts erheblich betroffen werden. Dies ist jedoch ausschließlich die Folge der vom Beklagten begangenen gravierenden Dienstpflichtverletzungen. Dem Beklagten steht zudem für die Dauer von sechs Monaten noch ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 Satz 1 in Höhe von 70% des ungekürzten Pflichtehrensolds von 1.384,76 € zu, d. h. die bislang an ihn gezahlten 969,34 €, der ggf. nach Art. 13 Abs. 4 i. V. m. Art. 11 Abs. 3 Satz 3 über sechs Monate hinaus verlängert werden kann, soweit dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden (BayVGH, U. v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 69). Da der Beklagte laut seinen Angaben im Disziplinarverfahren Alterseinkünfte in Höhe von (mindestens) 1.948,52 € monatlich bezieht, steht nicht zu erwarten, dass er die Sicherung des Lebensunterhalts für sich und seine Ehefrau nicht mehr gewährleisten kann.

Im Übrigen wird die Aberkennung des Ruhegehalts nicht dadurch unverhältnismäßig, dass die mittelbaren Folgen der Beendigung des Ruhestandsbeamtenverhältnisses den Beklagten ggf. hart treffen. Ein Ruhestandsbeamter, der als aktiver Beamter das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn zerstört hat, kann nicht verlangen, dass sein Beamtenverhältnis aus Gründen der Vermeidung sozialer Härten unverändert beibehalten wird. Er darf dadurch zwar nicht unter das Existenzminimum fallen. Ihn davor zu bewahren, ist jedoch allein Aufgabe der sozialrechtlichen Vorschriften und Leistungen (BVerfG, NB. v. 22.11.2001 a. a. O. Rn. 6; BVerwG, B. v. 17.5.2006 - 2 B 15.06 - juris Rn. 6; U. v. 23.11.2006 - 1 D 1.06 - juris Rn. 41).

Soweit der Beklagte behauptet, dass er als früherer kommunaler Ehrenbeamter im Gegensatz zu Beamten mit Versorgungsansprüchen, die im Falle der Aberkennung des Ruhegehalts gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert würden, nicht mehr nachversichert werden könne, ist die Frage, ob ein ehemaliger ehrenamtlicher erster Bürgermeister, dessen Anspruch auf Ehrensold untergegangen ist, für seine ehrenamtliche Tätigkeit nachzuversichern ist, nicht im vorliegenden Disziplinarverfahren, sondern vor dem Sozialgericht zu klären (OVG Koblenz, U. v. 5.8.1987 - 2 A 21/87 - juris). Dabei ist davon auszugehen, dass der Ehrensold zwar nicht selbst in der Rentenversicherung beitragspflichtig ist, da insoweit kein Beschäftigungsverhältnis mehr zwischen dem Beklagten und der Gemeinde besteht (vgl. Nr. 3.13 Ehrensoldbekanntmachung), dass jedoch die frühere Tätigkeit des Beklagten als ehrenamtlicher erster Bürgermeister in der Rentenversicherung beitragspflichtig war (BayVGH, B. v. 21.7.2011 a. a. O. Rn. 11). Im Übrigen dient der Ehrensold auch nicht als Versorgungsleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern ist als eine Art Treueprämie gedacht, um Bürgermeistern mit langer Amtszeit die Anerkennung der Gemeinde zuteilwerden zu lassen (BayVerfGH, E. v. 25.5.1970 - Vf. 18-VII-70 - VerfGHE 23, 115/117).

Die Aberkennung des Ruhegehalts kann auch nicht deshalb als unverhältnismäßig angesehen werden, weil der Beklagte bereits strafrechtlich verurteilt wurde. Zwar kann aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) die Verpflichtung hergeleitet werden, zu überprüfen, ob daneben noch eine Disziplinarmaßnahme erforderlich ist (BVerfG, B. v. 2.5.1967 - 2 BvR 391/64, 2 BvR 263/66 - BVerfGE 21, 378; B. v. 29.10.1969 - 2 BvR 545/68 - BVerfGE 27, 180). Das ist in Art. 15 Abs. 1 BayDG dahingehend konkretisiert, dass neben einer strafgerichtlichen Verurteilung pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahmen nicht (Nr. 1) bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen (Nr. 2) verhängt werden dürfen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerwG, B. v. 23.11.2009 - 2 B 87.08 - juris Rn. 5). Damit ist nicht ausgeschlossen, die Überprüfungspflicht auch auf die disziplinarische Höchstmaßnahme zu beziehen. Insoweit stehen die strafrechtlichen Verurteilungen des Beklagten der Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme aber nicht nur nicht entgegen, sondern gebieten diese im Gegenteil sogar. Es ist mit der herausgehobenen Stellung eines ersten Bürgermeisters nicht zu vereinbaren, wenn dieser wegen Betrugs zulasten von Gemeindebürgern sowie wegen Untreue zulasten der Gemeinde vorbestraft ist (BayVerfGH, E. v. 19.4.1989 a. a. O. S. 63).

7. Nach alldem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG zurückzuweisen.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll. Das Urteil ist den Beteiligten zuzustellen.

(2) Statt der Verkündung ist die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(3) Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, so wird die Verkündung durch Zustellung an die Beteiligten ersetzt.