vorgehend
Verwaltungsgericht München, M 13 DK 14.1515, 14.04.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. In Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 14. April 2015 wird der Beklagte in das Amt eines Steuersekretärs (BesGr. A 6) versetzt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

I.

Der 19... in B … geborene Beklagte beendete seine Schullaufbahn 1981 mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss (Note: 2,5). Nach Beendigung einer Einzelhandelskaufmannslehre und der Tätigkeit als Soldat auf Zeit nahm der Beklagte den Vorbereitungsdienst als Steueranwärter auf und wurde mit Wirkung zum 1. September 2000 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Steueranwärter ernannt. Nach dem Bestehen der Anstellungsprüfung im Jahr 2002 mit der Gesamtnote „ausreichend“ folgte mit Wirkung zum 1. September 2002 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe die Ernennung zum Steuersekretär. Zum 1. September 2004 wurde er in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen und mit Wirkung zum 1. September 2007 zum Steuerobersekretär (BesGr. A 7) ernannt. Seit Abschluss seiner Ausbildung war der Beklagte durchgehend in der Umsatzsteuervoranmeldungsstelle des Finanzamtes M … tätig. Der Beklagte ist ledig und bezieht (gekürzte) Bezüge aus der BesGr. A7. Wegen geleisteter Vertretungstätigkeiten wurde ihm am 22. Mai 2009 eine Leistungsprämie in Höhe von 500,- Euro zuerkannt.

Der ledige Beklagte ist seit 19. Februar 2014 vorläufig des Dienstes enthoben und bezieht um 40 Prozent gekürzte Einkünfte aus der BesGr. A 7. In seiner letzten periodischen Beurteilung 2011 erhielt der Beklagte 10 Punkte.

II.

In den Jahren 2004 bis 2007 sowie durchgehend seit Ende 2012 war die Arbeitsfähigkeit des Beklagten aufgrund suchtbedingter bzw. psychiatrischer Erkrankungen eingeschränkt. Im September 2005 wurde wegen amtsärztlich festgestelltem übermäßigen Alkoholkonsums und weiterer psychiatrischer Auffälligkeiten unter Hinweis auf die Gesunderhaltungspflicht und die möglichen Folgen eines Verstoßes die dienstliche Weisung erteilt, sich an eine Suchtberatungsstelle zu wenden und dort entsprechende Beratungstermine wahrzunehmen. Dieser Forderung kam der Beklagte – ebenso wie der Forderung, hierüber Nachweise vorzulegen - erst nach einer erneuten Aufforderung nach. Nach mehreren stationären Aufenthalten – u.a. wegen am Arbeitsplatz geäußerter Suizidabsichten – und einer anschließenden Wiedereingliederung wurde der Gesundheitszustand des Beklagten im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung im Mai 2007 als stabil bewertet.

III.

Mit Verfügung vom 7. März 2013 leitete das Bayerische Landesamt für Steuern gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren wegen des Vorwurfs der missbräuchlichen Nutzung des Internets ein, welcher im laufenden Verfahren wie folgt konkretisiert wurde:

Der Beklagte habe im Zeitraum vom 2. November 2012 bis 28. Februar 2013 an 67 Arbeitstagen unberechtigt während der Dienstzeit das Internet am Arbeitsplatz zu privaten Zwecken genutzt (ca. 282 Stunden). Dabei habe er auch über 6400 Seiten mit pornografischem Inhalt aufgerufen. An insgesamt sechs Tagen in diesem Zeitraum habe er morgens die Dienststelle aufgesucht und dort im Umfang von etwa fünf Stunden das Internet zu privaten Zwecken genutzt. Für diese Tage habe er sich Urlaub genehmigen lassen. An zwei dieser Urlaubstage seien ihm auf seinen Antrag hin nachträglich die Anwesenheitszeiten als Arbeitszeiten gutgeschrieben worden, obwohl er in dieser Zeit jeweils zum überwiegenden Teil (über 30 Minuten) Internet-Seiten zu privaten Zwecken aufgerufen habe. Laut Stellungnahme seines Dienstvorgesetzten vom 21. Februar 2014 sei seine Arbeit seit Ende 2012 zunehmend von Fehlern geprägt gewesen. Er sei an einzelnen Tagen nicht in der Lage gewesen, den Arbeitstag an der Dienststelle zu verbringen. Er verlasse dann nach kurzer Zeit seinen Arbeitsplatz und beantrage nachträglich für diesen Tag Urlaub. Der Beamte bemühe sich zwar aufgrund zunehmender Kontrolle und der Einleitung eines Disziplinarverfahrens um eine Verbesserung seiner Leistungen, ohne dass dies dauerhaft zu fehlerfreien Arbeitsergebnissen geführt habe. Ab Ende 2012 sei bei ihm zunehmend Alkoholisierung am Arbeitsplatz festgestellt worden. Im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung sei im Gutachten vom April 2013 eine Alkoholabhängigkeitserkrankung bei fehlender Krankheitseinsicht bzw. fehlendem Willen zur Veränderung des eigenen Verhaltens diagnostiziert worden. Eine suchttherapeutische Behandlung sowie die ständige Betreuung durch einen niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie wurden als dringend notwendig erachtet und am 6. Juni 2013 dienstlich angewiesen. Dieser Weisung sei der Beamte nicht nachgekommen. Vielmehr habe er sich mehrfach gegen die angewiese fachärztliche Betreuung gewandt, da nach seiner Meinung eine ambulante Suchttherapie ausreichend sei. Der Beamte habe zwischen Juni und September 2013 zwar an Beratungsgesprächen im Rahmen der Motivationsphase zur ambulanten Entwöhnungstherapie teilgenommen, eine ambulante suchttherapeutische Behandlungstherapie jedoch nicht begonnen. Auch habe er sich nicht in die angewiesene fachärztliche Behandlung begeben.

Mit Schreiben vom 30. September 2013 wurde deshalb das Disziplinarverfahren auf den Vorwurf der Nichtbefolgung der Weisung vom 6. Juni 2013 ausgedehnt.

Mit Verfügung der Disziplinarbehörde vom 19. Februar 2014 wurde der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben und seine monatlichen Dienstbezüge um 40 Prozent gekürzt.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2014 erhielt der Beklagte die Gelegenheit zur abschließenden Äußerung. Hiervon machte er keinen Gebrauch.

Zwischen Mai 2014 und Juli 2014 bzw. zwischen September 2014 und Dezember 2014 befand sich der Beklagte zunächst wegen einer aktuellen suizidalen Krise und dann wegen der diagnostizierten Alkoholabhängigkeitserkrankung in stationärer psychiatrischer bzw. psychosomatischer Behandlung.

IV.

Mit Schriftsatz vom 4. April 2014, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am 11. April 2014, erhob der Kläger Disziplinarklage mit dem Antrag, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Durch den Weisungsverstoß und die missbräuchliche Internetnutzung in erheblichem Umfang bzw. die nachträgliche Gutschreibung von Arbeitszeiten an zwei Tagen, an denen er zum überwiegenden Teil Internetseiten zu privaten Zwecken aufgerufen und zunächst Urlaub beantragt habe, habe er gegen seine Verpflichtungen nach § 34 Satz 1 und 3 BeamtStG zum vollen persönlichen Einsatz für den Beruf sowie zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten am Arbeitsplatz verstoßen. Gleichzeitig habe er mit der privaten Internet-Nutzung am Arbeitsplatz auch gegen bestehende dienstliche Weisungen, die die private Nutzung des Internets am Arbeitsplatz untersagen bzw. jedenfalls den Aufruf von pornografischen Seiten verbieten, verstoßen (§ 35 Satz 2 BeamtStG). Mit seiner Weigerung zur unverzüglichen Aufnahme entsprechender suchttherapeutischer und fachärztlicher Behandlungen habe er die diesbezüglichen Weisungen nicht befolgt und damit ebenfalls die ihm aus § 35 Satz 2 BeamtStG obliegende Pflicht sowie auch seine Gesunderhaltungspflicht verletzt. Aufgrund dieser Kernpflichtverletzungen sei das Vertrauen des Dienstherrn so erheblich beeinträchtigt, dass ein weiterer Verbleib im Dienst nicht tragbar sei. Insbesondere sei auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte während der Arbeitszeit in erheblichem Umfang seiner Arbeitsverpflichtung nicht nachgekommen sei und sich deshalb erhebliche Arbeitsrückstände aufgebaut hätten.

Der Beklagte ließ im Schriftsatz vom 1. Juli 2014 im Wesentlichen erwidern, dass die Dienstpflichtverletzungen nicht bestritten würden, allerdings nicht nachgewiesen sei, dass dem Beklagten das Verbot der privaten Nutzung des Internets am Arbeitsplatz bekannt gewesen sei. Aufgrund einer seit ca. 2012 vorliegenden, schwerwiegenden depressiven Erkrankung sei er gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen, seinen Dienstpflichten in vollem Umfang nachzukommen. Auf dieser Grundlage sei auch die Verpflichtung des Beklagten zur amtsärztlichen Untersuchung erfolgt. Der Beklagte habe sich bemüht, externe Hilfe zur Bewältigung seiner gesundheitlichen Probleme in Anspruch zu nehmen. Er habe im Zeitraum vom September bis Dezember 2013 an vier verschiedenen therapeutischen Sitzungen teilgenommen. Hieraus ergebe sich, dass der Beklagte sich bemüht habe, den Weisungen zur Wiederherstellung seiner Gesundheit Folge zu leisten. Dass der Beklagte dann im Dezember 2013 die weitere Teilnahme an den Therapiesitzungen abgebrochen habe, sei auf das vorliegende Disziplinarverfahren zurückzuführen. Durch die Inaussichtstellung der Höchstmaßnahme sei der Beklagte so beeinträchtigt gewesen, dass es ihm nicht mehr möglich gewesen und auch nicht mehr als sinnvoll erschienen sei, weitere therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zur Führung eines normalen Lebens habe der Beklagte keine Möglichkeit mehr gesehen und deshalb einen Selbstmordversuch unternommen, der zu einer stationären Aufnahme in der L …- …- … am 17. Juni 2014 geführt habe. Die Dienstpflichtverletzungen seien ursächlich durch die beim Beklagten vorliegenden Krankheiten bedingt, ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten liege nicht vor, weshalb das Vertrauen des Dienstherrn noch nicht endgültig zerstört sei.

Hierzu nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 12. August 2014 Stellung. Der Beklagte habe mit seinen Aussagen im Rahmen der Anhörung selbst bestätigt, dass er Kenntnis von der Dienstvereinbarung zur privaten Internetnutzung gehabt habe. Trotz nochmaliger Bestätigung der Weisung vom 6. Juni 2013 im Schreiben vom 15. Juli 2013 und im Rahmen der Anhörung vom 15. Oktober 2013 habe der Beamte bis Mitte Dezember 2013 lediglich Gespräche im Beratungs- und Therapiezentrum geführt. Bis zur Erhebung der Disziplinarklage am 4. April 2014 habe er weder eine suchttherapeutische Behandlungstherapie noch eine Behandlung bei einem niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie begonnen. Die angestrebte Höchstmaßnahme sei dem Beklagten erst nach Abschluss der Ermittlungen mit Schreiben vom 21. Februar 2014 mitgeteilt worden.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. April 2015 wurde der Beklagte wegen eines Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der vom Kläger vorgeworfene Sachverhalt werde vom Beklagten eingeräumt bzw. stehe zur Überzeugung des Gerichts fest. Unabhängig von der tatsächlichen Bekanntgabe der entsprechenden dienstlichen Anweisungen zum Verbot der privaten Internetnutzung habe der Beklagte in seiner Anhörung vom 15. Oktober 2013 angegeben, dass ihm dieses Verbot tatsächlich aus den Gesprächen mit den Kollegen bzw. aus dem Chat-Forum an der Dienststelle bekannt gewesen sei. Unstreitig sei auch, dass der Beklagte an einer Alkoholabhängigkeitserkrankung leide, dies würde ihm nicht vorgeworfen. Aus dem Amtsärztlichen Zeugnis vom 30. April 2013 ergebe sich allerdings, dass der Beklagte in der Lage gewesen sei, die Notwendigkeit der Behandlung seiner Erkrankung im Rahmen der ihm obliegenden Gesunderhaltungspflicht einzusehen. Er habe versprochen, sich um Termine für die Suchtberatung und Therapieangebote zu kümmern. Es sei deshalb davon auszugehen, dass dem Beklagten trotz der bei ihm diagnostizierten Erkrankung die Pflicht zur Befolgung der ihm erteilten Weisungen bewusst gewesen sei. Diese habe er schuldhaft verletzt. Dass er im Jahr 2013 subjektiv den Umfang der notwendigen Behandlung anders eingeschätzt und eine ständige Betreuung durch einen Facharzt nicht für notwendig gehalten habe, entbinde ihn nicht von der Pflicht zur Befolgung der ihm erteilten Weisung. Die innerdienstlichen Pflichtverletzungen des Beklagten, die allesamt Kernpflichtverletzungen darstellten, würden aufgrund der negativen Auswirkungen auf seine dienstliche Tätigkeit Dienstpflichtverletzungen von ganz erheblichem Gewicht begründen. Als Regelmaßnahme sei deshalb die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ins Auge zu fassen. Hinzu komme, dass dem Beklagten aufgrund seiner früheren Erkrankung zwischen den Jahren 2004 und 2007 subjektiv bewusst gewesen sein müsse, dass ohne eine fortdauernde Behandlung seiner Erkrankung erhebliche dienstliche Auswirkungen bei fehlender gesundheitlicher Belastbarkeit zu erwarten seien. Aufgrund seiner Vorgeschichte sei dem Beklagten sein pflichtwidriges Verhalten in Bezug auf den Weisungsverstoß und den Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht in noch stärkerem Maße vorzuwerfen. Er hätte sich in besonderem Umfang seiner Mitwirkungsverpflichtung im Rahmen von dienstlichen Weisungen bewusst sein müssen. Demgegenüber lägen keine durchgreifenden Milderungsgründe vor, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten. Entgegen der Auffassung der Beklagtenseite sei das dienstliche Verhalten nicht geeignet, als durchgreifender Milderungsgrund angesehen zu werden. Zwar sei dem Beklagten nach der Genesung und dem eingeschränkten Wiederantritt an seinem Arbeitsplatz im Juni 2007 im Mai 2009 eine Leistungsprämie gewährt worden und auch seine periodische Beurteilung zum 1. Juni 2011 zeige eine Steigerung seiner dienstlichen Leistungen im Vergleich zur Vorbeurteilung; diese positiv zu beurteilende Phase habe jedoch nur längstens bis zum Jahresende 2012 angehalten. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beklagte erneut alkoholisiert am Arbeitsplatz angetroffen worden, große Arbeitsrückstände im Bereich des Beklagten hätten sich angehäuft und die Fehler in seiner Sachbearbeitung hätten nur durch engmaschige Kontrolle in einem vertretbaren Umfang gehalten werden können. Auch sei nicht erkennbar, dass in der Folge der zwischen Mai und Dezember 2014 erfolgten stationären Behandlungen der Erkrankung des Beklagten für diesen eine positive Prognose in Bezug auf sein weiteres dienstliches Verhalten zu stellen sei und der dadurch eingetretene Vertrauensverlust gemildert werden könne. Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen sei eine positive Prognose mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Zudem sei nicht davon auszugehen, dass der Beklagte nur aufgrund von außergewöhnlichen Umständen zeitweilig aus der Bahn geworfen worden sei. Eine dauerhafte Abstinenz und der damit einhergehende Ausschluss weiterer Kernpflichtverletzungen seien nicht zu erwarten bzw. könnten nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, so dass ein endgültiger Vertrauensverlust vorliege.

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil, zugestellt am 22. April 2015, am 22. Mai 2015 Berufung eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts die Klage abzuweisen bzw. auf eine mildere Maßnahme zu erkennen.

Der Sachverhalt an sich werde nicht bestritten. Allerdings habe beim Beklagten neben seiner Alkoholabhängigkeit auch eine depressive Störung vorgelegen, die es naheliegend erscheinen lasse, dass der Beklagte zum fraglichen Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, seine dienstliche Pflichten zu erfüllen und den dienstlichen Weisungen nachzukommen. Zu diesem Umstand habe sich die Amtsärztin nicht geäußert. Das Versprechen des Beklagten, sich um Suchtberatung und Therapieangebote zu kümmern, könne nicht dahin gehend verstanden werden, dass der Beklagte in der Lage gewesen sei, die Notwendigkeit der Behandlung einzusehen und deshalb schuldhaft gegen die ihm erteilte Weisung verstoßen habe. Vielmehr ergebe sich aus dem amtsärztlichen Zeugnis vom 30. April 2013, dass dem Beklagten eine Krankheitseinsicht fehle. Zudem werde darauf verwiesen, dass das familiär-soziale Umfeld des Beklagten seine Trinkgewohnheiten noch verstärke. Die gesundheitlichen Probleme der hochbetagten Mutter mit demenzieller Progression und zunehmender Pflegebedürftigkeit führten bei dem Beklagten zu rezidivierenden depressiven Episoden, die dann auch die Neigung zum Alkoholabusus wiederum verstärken würden. Die Amtsärztin habe selbst darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung keine starke Motivation des Beklagten zu erkennen gewesen sei, an dem Alkoholverhalten etwas grundsätzlich zu ändern, obwohl sie versucht habe, ihm relativ schonungslos die ganze weitere Problematik für sein Leben vor Augen zu halten. Sie könne ihn nicht zwingen, einen Arzt aufzusuchen, insofern solle man vom Beklagten Nachweise über die erfolgte Behandlung verlangen. Ob dies allerdings längerfristig ohne ausreichende Eigenmotivation zum Erfolg führen werde, bleibe fraglich. Aus diesen Ausführungen könne definitiv nicht entnommen werden, dass der Beklagte aufgrund der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen (Alkoholabhängigkeit und schwere depressive Phase) überhaupt in der Lage gewesen sei, der Weisung vom 6. Juni 2013 Folge zu leisten. Vielmehr ergäben sich aus den in den Akten vorhandenen ärztlichen Berichten gravierende Zweifel an der Fähigkeit des Beklagten, seine dienstlichen Verpflichtungen in vollem Umfang einzuhalten. Diese Frage der Schuldfähigkeit, die von Beklagtenseite bestritten worden sei, sei vorrangig eine durch einen medizinischen Sachverständigen zu klärende Frage, weshalb ein entsprechendes Gutachten im Berufungsverfahren beantragt werde. Zwar habe sich das Verwaltungsgericht vorliegend in der Lage gesehen, über die Frage der Schuldfähigkeit selbst zu urteilen und sich dabei auf die Ausführungen der Amtsärztin in ihrer Stellungnahme vom 30. April 2013 gestützt, allerdings habe sich diese hierzu nicht geäußert. Das erstinstanzliche Urteil leide deshalb an einem Rechtsfehler, soweit das Gericht eine für das Verfahren entscheidungserhebliche Feststellung auf medizinischem Sachgebiet getroffen habe, ohne dass hierfür ausreichende medizinische Aussagen in der Akte vorhanden gewesen seien und ohne dass sich die entsprechende Wertung ohne weiteres aus den Umständen ergeben würde. Es werde deshalb beantragt, im Berufungsverfahren ein Gutachten zu der Frage einzuholen, ob der Beklagte aufgrund seines damaligen gesundheitlichen Zustands in der Lage gewesen sei, in vollem Umfang Dienst zu leisten und dienstlichen Weisungen Folge zu leisten. Vom Gericht sei zudem nicht ausreichend als anerkannter Milderungsgrund gewürdigt worden, dass der Beklagte bisher weder strafnoch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei. Auch mit seinen sich ständig verbessernden dienstlichen Leistungen im Zeitraum 2007 bis 2012 habe er gezeigt, dass er an einer ordnungsgemäßen Erfüllung seiner dienstlichen Verpflichtungen interessiert sei. Er besuche nach wie vor eine Therapieeinrichtung in M … und B … und habe ein außerordentlich großes Interesse, wieder in seinem erlernten Beruf tätig zu werden. Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme würde als wesentliches Signal zu einer erheblichen Verbesserung seines gesundheitlichen Zustands beitragen. Zudem zweifle das Gericht im Rahmen der Zukunftsprognose daran, dass die vom Beklagten durchlaufene Behandlung zu seiner Heilung geführt hätte. Dies belege, dass das Gericht letztlich die Höchstmaßnahme für gerechtfertigt halte, weil es davon ausgehe, dass der Beklagte möglicherweise noch nicht ganz geheilt sei. Im Rahmen der Zumessungsentscheidung sei es aber nicht sachgerecht, auf die gesundheitlichen Probleme des Beamten abzustellen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wesentlichen wird ausgeführt, dass sich das Verwaltungsgericht ausführlich mit der Frage der Schuldfähigkeit des Beklagten auseinandergesetzt habe. Bezüglich der Schuldfähigkeit komme es nicht darauf an, ob er Einsicht in die Behandlungsbedürftigkeit seiner Erkrankung gezeigt habe, sondern dass er in der Lage gewesen sei, zu erkennen, dass es zu seinen Dienstpflichten gehöre, sich den ärztlich für notwendig gehaltenen und für ihn zumutbaren Therapiemaßnahmen zur Wiederherstellung und Bewahrung seiner Dienstfähigkeit zu unterziehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Nach Überzeugung des Gerichts sei der Beklagte hierzu uneingeschränkt fähig gewesen. Das Gericht habe sich dabei auf das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung vom 12. März 2013 im Gutachten vom 30. April 2014 gestützt, in der keine Erkrankung i.S.d. § 20 StGB festgestellt worden sei, und zu Recht darauf verwiesen, dass auch in der Folgezeit keine Anzeichen eines Verlustes der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beim Beklagten erkennbar gewesen seien. Auch durch die Äußerungen des Beklagten in der Folgezeit, in der er sich mehrfach – auch unter Kostengesichtspunkten - darum bemüht habe, von der geforderten Behandlung durch einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie entbunden zu werden, werde hinreichend belegt, dass der Beklagte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht an einer Erkrankung im Sinne von § 20 StGB gelitten habe und sich seiner dienstlichen Verpflichtung zu der amtsärztlich für notwendig befundenen Therapiemaßnahme bewusst gewesen sei. Dies habe er entsprechend auch in seiner Anhörung im Rahmen des Disziplinarverfahrens am 15. Oktober 2013 geäußert, als er mitgeteilt habe, dass ihm seine Therapeutin im Suchtberatungs- und Therapiezentrum einen entsprechenden Facharzt vermitteln werde und er hoffe, dass diese Termine auch Freitags stattfinden könnten. Daraufhin sei der Beklagte nochmals unter Hinweis auf seine Gesunderhaltungspflicht zur Vorlage von Nachweisen über die fachärztliche Behandlung aufgefordert worden. Die im vom Beklagten vorgelegten vorläufigen Arztbrief der L …- …- … vom 1. Juli 2014 im Rahmen der dortigen stationären Behandlung im Zeitraum 23. Mai 2014 bis 4. Juli 2014 gestellte Diagnose, dass der Beklagte an einer schweren depressiven Erkrankung leide, lasse sich nicht ohne weiteres auf den verfahrensgegenständlichen Zeitraum übertragen. In dem betreffenden Arztbrief werden als Auslöser für die festgestellte suizidale Krise bei schwerer rezidivierender depressiver Episode auch die ausgeprägten beruflichen Probleme durch das Disziplinarverfahren genannt. Der Beklagte habe innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten trotz hoher Arbeitsrückstände beinahe täglich seinen dienstlichen PC während der Dienstzeit mehrere Stunden unbefugt zu privaten Zwecken genutzt und trotz ausdrücklichen Verbots eine hohe Anzahl an Internetseiten mit pornografischem Inhalt aufgerufen. Hiermit habe er ein eklatantes Desinteresse an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben gezeigt. Zusammen mit seiner Weigerung, sich den amtsärztlich zur Wiederherstellung seiner vollen Dienstfähigkeit für notwendig befundenen Therapiemaßnahmen zu unterziehen, führe dies zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn. Das Gericht habe bei seiner Entscheidung im Hinblick auf die zu verhängende Disziplinarmaßnahme auch nicht unzulässig auf die gesundheitlichen Probleme des Beklagten abgestellt, sondern nachvollziehbar dargetan, dass die Schwere des Dienstvergehens eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis begründe und keine durchgreifenden Milderungsgründe vorlägen, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen würden.

Mit Beschluss vom 6. Dezember 2016 hat der Senat die Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet zu den Fragen,

– ob bei dem Beklagten aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen (Alkoholabhängigkeit, depressive Erkrankung) ab November 2012 mindestens eines der in § 20 StGB genannten Krankheitsbilder vorgelegen hat und deswegen seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen oder erheblich vermindert war (§§ 20, 21 StGB) und

– ob er trotz dieser gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Lage gewesen ist, die ihm dienstlich erteilte Weisung vom 6. Juni 2013 zu befolgen, sich unter ständiger Begleitung durch einen niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie suchttherapeutisch behandeln zu lassen.

Mit Gutachten von Prof. Dr. S …, Leiter der Abteilung für Forensische Psychiatrie der LMU M …, vom 18. März 2017 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung am 6./7. Februar 2017 beim Beklagten neben einer Alkoholabhängigkeit eine Dysthymie sowie eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig schwerer depressiver Episode vorgelegen habe, deren Beginn wahrscheinlich im Herbst 2012 anzusiedeln sei. Dies sei aus psychiatrischer Sicht als krankhafte seelische Störung gemäß § 20 StGB einzuordnen und damit dem ersten Eingangsmerkmal des § 20 StGB zuzuordnen. Ein solcher Zustand führe zwar nicht zu einer Aufhebung der Einsichtsfähigkeit, eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sei jedoch nicht auszuschließen. Aufgrund der störungsspezifischen Ambivalenz und Antriebsstörung sei der Beklagte zudem nicht ausreichend in der Lage gewesen, die dienstliche Weisung vom 6. Juni 2013 zu befolgen.

Hierauf äußerte sich die Beklagtenseite mit Schriftsatz vom 20. April 2017. Aus dem Gutachten vom 18. März 2017 ergebe sich, dass hinsichtlich des vorgeworfenen Verhaltens von einem Verschulden des Beklagten nicht ausgegangen werden könne. Der Beklagte sei nicht ausreichend in der Lage gewesen, der dienstlichen Weisung vom 6. Juni 2013 Folge zu leisten.

Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2017 widersprach der Kläger dieser Auffassung. Nach dem Ergebnis des Gutachtens sei der Beklagte für sein Fehlverhalten verantwortlich zu machen. Die Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB lägen nach den Feststellungen des Gutachters im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht vor. Lediglich eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Beklagten i. S. d. § 21 StGB durch die vorliegende depressive Störung habe der Gutachter für den betreffenden Zeitraum nicht ausschließen können. Nach dessen Auffassung sei der Beklagte aufgrund der störungsspezifischen Ambivalenz und Antriebsstörung nicht ausreichend in der Lage gewesen, die ihm dienstlich erteilte Weisung vom 6. Juni 2013 zu befolgen. Eine krankheitsbedingte Unfähigkeit, dieser Weisung nachzukommen, habe jedoch nicht bestanden. Vielmehr sei zu prüfen, ob die laut Gutachten nicht ausschließbare krankheitsbedingte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit des Beklagten i.S.d. § 21 StGB im verfahrensgegenständlichen Zeitraum derart erheblich gewesen sei, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden müsse. Gerade bei einer Verletzung einer leicht einsehbaren Kernpflicht von grundlegender Bedeutung – wie hier – müsse aber von einem Beamten erwartet werden, dass er trotz verminderter Schuldfähigkeit genügend Widerstandskraft aufbringe. In diesen Fällen liege die Erheblichkeitsschwelle höher als bei anderen Pflichtverletzungen. Es sei dem Beklagten deshalb vorliegend möglich und zumutbar gewesen, trotz einer nach dem Ergebnis des Gutachtens nicht ausschließbaren krankheitsbedingten Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit grundsätzlich der Weisung seines Dienstherrn nachzukommen und sich einer fachärztlichen Behandlung zu unterziehen. Es sei dem Beklagten auch nach Erhalt der Weisung möglich gewesen, ein Suchttherapiezentrum zur Beratung aufzusuchen, Gesprächstermine zu vereinbaren und mehrere Beratungsgespräche durchzuführen. Es erscheine deshalb nicht nachvollziehbar, dass er durch die gutachterlich festgestellte depressive Störung daran gehindert gewesen sein solle, sich einer fachärztlichen Behandlung zu unterziehen. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte auch in der Lage gewesen sei, sich selbständig stationär behandeln zu lassen. Nach den Feststellungen des Gutachters habe diese Behandlung in der Parkklinik H …, B …, vom 3. September 2014 bis 3. Dezember 2014 jedoch nicht zum Erfolg geführt. Von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit sei nicht auszugehen. Dies gelte auch für die dem Beklagten ebenfalls vorgeworfene unzulässige und missbräuchliche Nutzung des dienstlichen Internets. Trotz des jahrelangen intensiven Internetkonsums habe der Gutachter eine diesbezügliche Abhängigkeit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum verneint. Zudem habe der Beklagte seinen Internetkonsum infolge des Disziplinarverfahrens abrupt eingestellt, ohne hierbei in innere Anspannung zu geraten. Nach der Dienstenthebung habe er entsprechend seinen Äußerungen gegenüber dem Gutachter seinen privaten Internetanschluss gekündigt und keine Probleme gehabt, fortan ohne Internet zu leben. Folglich wäre es dem Beklagten auch während der Dienstzeit jederzeit möglich gewesen, vom verbotenen Internetkonsum abzusehen. Es sei ihm stets bewusst gewesen, dass die private Nutzung des dienstlichen Internets nicht erlaubt sei, insbesondere der Aufruf von Seiten mit pornographischem Inhalt. Anhaltpunkte für eine positive Prognose seien nicht ersichtlich. Dies werde auch im psychiatrischen Gutachten vom 18. März 2017 bestätigt.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 17. Februar 2017, rechtskräftig seit dem 16. März 2017, wurde gegen den Beklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit Hausfriedensbruch gemäß § 242 Abs. 1, § 123 Abs. 1 und 2, § 52 StGB eine Geldstrafe in Höhe von 10 Tagessätzen à 30,- Euro verhängt (Az.: Cs 49 Js 43345/16). In dem Strafbefehl wird dem Beklagten zur Last gelegt, sich mehrmals im Zeitraum zwischen dem 25. Oktober 2016 und 27. Oktober 2016 nachts an seinem Wohnort widerrechtlich auf einem fremden Gartengrundstück aufgehalten und von dort mehrere angefangene Schachteln Zigaretten entwendet zu haben. Im Rahmen der polizeilichen Vernehmung vom 4. November 2016 habe der Beklagte angegeben, aufgrund seiner Alkoholerkrankung und seines starken Nikotinkonsums reichten seine Bezüge nicht aus, um den ganzen Monat zu bestreiten. Er habe versucht, sein Alkoholproblem mit ärztlicher Hilfe in den Griff zu bekommen, was ihm aber nicht gelungen sei.

Der Senat hat am 25. Oktober 2017 mündlich zur Sache verhandelt. Der Sachverständige, Prof. Dr. S …, erläuterte sein Gutachten. Auf die Niederschrift wird insoweit verwiesen.

V.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Dem Senat haben diesbezüglich die Disziplinarakten und Personalakten vorgelegen.

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat in der Sache (teilweise) Erfolg. In Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 14. April 2015 wird der Beklagte in das Amt eines Steuersekretärs (BesGr. A 6) versetzt.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – keine Mängel auf. Solche sind vom Beklagten im Beru-fungsverfahren auch nicht geltend gemacht worden.

II.

Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der dem Beklagten in der Disziplinarklage vorgeworfenen Anschuldigungspunkte wurde von Seiten des Beklagten eingeräumt und steht auch zur Überzeugung des Senats fest.

1. Missbräuchliche Internetnutzung während der Arbeitszeit

1.1 Der Beklagte hat zwischen dem 2. November 2012 und dem 28. Februar 2013 an 67 Arbeitstagen in unberechtigter Weise während der Dienstzeit in einem Umfang von insgesamt ca. 282 Stunden das Internet am Arbeitsplatz zu privaten Zwecken genutzt und dabei entgegen der bestehenden Dienstvereinbarung über 6400 Seiten mit pornografischem Inhalt aufgerufen.

1.2 Der Beklagte hat an insgesamt sechs Tagen im Zeitraum zwischen dem 2. November 2012 und dem 28. Februar 2013 morgens die Dienststelle aufgesucht und dort im Umfang von etwa fünf Stunden das Internet zu privaten Zwecken genutzt, wobei er auch 134 Seiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen hat. An zwei dieser Tage hat er sich, obwohl Urlaub für diese Tage genehmigt war, nachträglich die Anwesenheit an der Dienststelle als Arbeitszeit gutschreiben lassen, wobei er während seiner Arbeitszeit im Umfang von jeweils über 30 Minuten unberechtigt zu privaten Zwecken im Internet gesurft ist.

2. Der Beklagte wurde mit Weisung vom 6. Juni 2013 aufgefordert, umgehend eine suchttherapeutische Behandlung durchzuführen sowie sich in ständige Betreuung eines niedergelassenen Facharztes für Psychiatrie und Neurologie zu begeben und bis spätestens 30. Juni 2013 Nachweise über die eingeleiteten Schritte vorzulegen. Dieser Weisung ist der Beklagte nicht nachgekommen.

III.

Der Beklagte hat durch diese zur Überzeugung des Gerichts festgestellten Sachverhalte gegen die ihm aus § 34 Satz 1 und Satz 3 BeamtStG (Beamtenstatusgesetz) obliegenden Pflichten zum vollen Einsatz für den Beruf sowie zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten sowie gegen seine Gehorsamspflicht gemäß § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen.

1. Durch das Verhalten des Beklagten im Hinblick auf die erhebliche missbräuchliche Internetnutzung (Abschnitt II Ziff. 1) hat er seine Pflicht gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG, sich innerhalb des Dienstes vertrauenswürdig gegenüber seinem Dienstherrn zu verhalten, unabhängig davon verletzt, welchen nicht-dienstlichen Inhalt die abgerufenen Internetseiten konkret hatten. Denn er hat mit der weisungswidrigen Internetnutzung zugleich den ihm vom Dienstherrn mit der Bereitstellung des Internetzugangs gewährten Vertrauensvorschuss, dass er den ihm technisch uneingeschränkt zur Verfügung gestellten Internetzugang nur dienstlich nutzen werde, missbraucht (vgl. Sächs. OVG, U.v. 3.6.2016 – 6 A 64/15.D – juris Rn. 91 m.w.N.). Darüber hinaus ist das Aufrufen und Ansehen pornografischer Internetseiten durch einen Beamten in den Diensträumen einer Behörde und mit einem vom Dienstherrn zur Verfügung gestellten und aus Steuermitteln finanzierten Computer nach Auffassung des Senats auch geeignet, das Ansehen der Beamtenschaft im Auge des Bürgers gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG zu beeinträchtigen (vgl. SächsOVG, B.v. 27.6.2005 – 2 BS 103/05 – juris Rn. 6 f.; VG Dresden, U.v. 21.03.2017 – 10 K 873/16 – juris Rn. 61; a.A. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 12.2.2015 – OVG 80 D 2.12 – juris Rn. 40.

Für den Senat steht in diesem Zusammenhang allerdings die mit der missbräuchlichen Internetnutzung einhergehende Verletzung der Pflicht nach § 34 Satz 1 BeamtStG im Vordergrund, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen. Die hierauf verwendeten 282 Stunden Dienstzeit im verfahrensgegenständlichen Zeitraum entsprechen in etwa einer nicht geleisteten Arbeitszeit von insgesamt sieben Wochen.

2. Mit der Weigerung, sich der amtsärztlich für erforderlich gehaltenen Therapie zu unterziehen (Abschnitt 2 Ziff. 2), hat der Beklagte gegen seine Verpflichtung zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung seiner Gesundheit verstoßen.

Eine ausdrückliche Regelung über die Gesunderhaltungspflicht und deren Grenzen enthält das Beamtenstatusgesetz nicht. Eine grundsätzliche Pflicht zur Gesunderhaltung kann jedoch aus der Pflicht zum vollen Einsatz im Beruf gemäß § 34 Satz 1 BeamtStG hergeleitet werden (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Juli 2015, § 34 BeamtStG Rn. 83 mit weiteren Nachweisen; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand Oktober 2007, MatR/II, Rn. 290; BVerfG, B.v. 19.2.2003 – 2 BvR 1413/01 – juris Rn. 34). Die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz im Beruf umfasst das Bemühen, die Gesundheit so weit zu bewahren, dass die Fähigkeit zur Dienstleistung nicht schuldhaft eingeschränkt oder aufgehoben wird. Der gesunde Beamte ist danach verpflichtet, seine volle Dienstfähigkeit und damit seine Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nach Möglichkeit zu bewahren und, soweit sie eingeschränkt oder aufgehoben ist, nach Möglichkeit wieder zu erlangen (vgl. BVerwG, U.v. 10.1.1980 – 1 D 56/79 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 14.10.2015 – 16a D 14.351 – juris Rn. 57; U.v. 20.4.2005 – 16a D 04.531 – juris Rn. 34).

Dies setzt gegebenenfalls auch voraus, sich zur Erhaltung oder Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen. Ob diese zumutbar ist, kann nicht grundsätzlich, sondern nur nach Maßgabe der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.2015 a.a.O Rn. 58 m.w.N.). Hiernach erscheint die Anordnung, sich einer suchttherapeutischen Behandlung zu unterziehen sowie sich in ständige Betreuung eines niedergelassenen Facharztes für Psychiatrie und Neurologie zu begeben, durchaus zumutbar. Es ist auch nicht erkennbar, dass mit der Behandlung gesundheitliche Risiken verbunden gewesen wären. Zudem hat sich der Beklagte in der Vergangenheit auch wiederholt freiwillig stationär behandeln lassen, um seine gesundheitlichen Probleme in den Griff zu bekommen.

Es liegt auch kein ungerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte des Beklagten vor. Ein Beamter ist aus bereits dargelegten Gründen verpflichtet, sich einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen. Für den Senat steht auch fest, dass der Beklagte keine geeigneten Maßnahmen zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit ergriffen hat. Die vier von ihm wahrgenommenen Beratungsgespräche im Zeitraum von Juni bis September 2013 erfolgten lediglich in Vorbereitung einer ambulanten Entwöhnungstherapie. Hinsichtlich der angewiesenen fachärztlichen Behandlung wurden vom Beklagten keinerlei Schritte unternommen. Mit der Weigerung, die ärztlicherseits für erforderlich gehaltene und zumutbare Therapie mit begleitender fachärztlicher Behandlung, durchzuführen, hat der Beklagte zugleich gegen seine Pflicht nach § 35 Satz 2 BeamtStG verstoßen, dienstliche Anweisungen zu befolgen (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.2015 a.a.O Rn. 67).

3. Der Senat geht vorliegend davon aus, dass die Dienstpflichtverletzungen dem Beklagten auch vorwerfbar sind.

3.1 Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte fähig war, die Pflichtwidrigkeit seiner Handlungen einzusehen. Dem Amtsärztlichen Zeugnis vom 30. April 2013 lässt sich insofern entnehmen, dass dem Beklagten trotz der diagnostizierten Erkrankungen die Pflicht zur Befolgung der ihm erteilten Weisung erkennbar war (s. S. 2: …“hatte der Beklagte mir versprochen, er kümmert sich (…) um Termine für Suchtberatung und Therapieangebote…“), auch wenn er subjektiv den Umfang der notwendigen Behandlung anders einschätzte und eine ständige Betreuung durch einen Facharzt nicht für notwendig hielt. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen aus dem im Berufungsverfahren eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten vom 18. März 2017 durch Herrn Prof. Dr. S … und seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2017.

Im Gutachten vom 18. März 2017 wurde festgestellt, dass beim Beklagten eine Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F 10.2), eine Dysthymie (ICD-10: F 34.1) sowie eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig schwerer depressiver Episode (ICD-10: F 33.2) vorliege. Die Alkoholabhängigkeit habe bisher zu keinen hirnorganischen Beeinträchtigungen geführt und das Persönlichkeitsgefüge des Probanden sei nicht derart beeinträchtigt, dass sie einem Eingangsmerkmal des § 20 StGB zugeordnet werden könnte. Die depressive Störung des Beklagten, die in dieser Ausprägung während des verfahrensgegenständlichen Zeitraums bestanden habe, könne dem ersten Eingangsmerkmal des § 20 StGB zugeordnet werden. Es wurde ausdrücklich festgestellt, dass ein solcher Zustand nicht zur Aufhebung der Einsichtsfähigkeit beim Beklagten geführt habe (s. S. 35 des Gutachtens).

In der mündlichen Verhandlung ergänzte der Gutachter seine Ausführungen dahingehend, dass in Bezug auf die Internetnutzung zum Betrachten von Pornografie die Einsichtsfähigkeit, dass dies verboten sei, erhalten geblieben sei. Der Senat geht deshalb davon aus, dass dem Beklagten auch bewusst gewesen ist, dass er mit der während der Dienstzeit erfolgten massiven Internetnutzung inklusive dem Aufruf von über 6400 Seiten mit pornografischem Inhalt und der Nichtbefolgung der Weisung, sich suchtherapeutisch behandeln und dabei von einem niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie fachärztlich betreuen zu lassen, seine dienstlichen Pflichten verletzt hat (vgl. Zängl, Bayerisches Diszisplinarrecht, Stand August 2017, MatR/I Rn. 48).

3.2 Eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB konnte von Seiten des Gutachters jedoch nicht ausgeschlossen werden. Zudem stellte er klar, dass aufgrund der störungsspezifischen Ambivalenz und Antriebsstörung der Beklagte nicht ausreichend in der Lage gewesen sei, die dienstlich erteilte Weisung vom 6. Juni 2013 zu befolgen. Hier habe eine komplexere Handlungsanforderung für den Beklagten vorgelegen, der Termine planen und einen Arzt hätte aufsuchen müssen. Mit dieser Planung sei er überfordert gewesen, ein Substitut für den fehlenden eigenen Antrieb wäre erforderlich gewesen, weshalb seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sei. Der Senat geht folglich im Hinblick auf beide Vorwürfe von einer zumindest verminderten Schuldfähigkeit des Beklagten aus.

IV.

Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG. Gleichwohl ist nach Überzeugung des Senats von einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht auszugehen. Die besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls erlauben ausnahmsweise eine mildere Bewertung des Dienstvergehens und führen zu einer Zurückstufung des Beklagten.

1. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12).

2. Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßge-bendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Dabei können die von der Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zugrunde gelegt werden. Für die endgültige Bestimmung der Disziplinarmaßnahme ist dann entscheidend, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (BVerwG, U.v. 3.5.2007 – 2 C 9.06 – juris Rn. 21). Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgeblich auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können die objektiven Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte bestimmend sein (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 16).

Die Verhängung der Höchstmaßnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Abwä-gung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Beamten ergibt, dass es dem Dienstherrn nicht mehr zuzumuten ist, mit dem betroffenen Beamten das Beamtenverhältnis fortzusetzen. Neben der Schwere des Dienstvergehens sind dabei auch die persönlichen Verhältnisse und das sonstige dienstliche Verhalten des Beamten vor, bei und nach dem Dienstvergehen zu berücksichtigen. Es ist hierbei eine Prognose zu treffen, ob sich der Beamte aus der Sicht des Dienstherrn und der Allgemeinheit zukünftig so verhalten wird, wie es von ihm im Hinblick auf seine Dienstpflichten als berufserforderlich zu erwarten ist. Die gesamte Prognosegrundlage, also die Bewertung der Schwere des Dienstvergehens wie auch aller anderen Bemessungsgesichtspunkte, die im Hinblick auf entlastende Kriterien nicht nur auf sog. anerkannte Milderungsgründe beschränkt sind, muss ergeben, ob der Schluss auf einen verbliebenen Rest an Vertrauen in die Person des Beamten noch möglich oder der Vertrauensverlust umfassend eingetreten ist; dies ist eine Frage der Gesamtabwägung im Einzelfall (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 - juris Rn. 30).

3. Für den vorliegenden Fall ergibt sich danach Folgendes:

Bei der Bemessung der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme hatte der Senat zu berücksichtigen, dass es bei der zur Beurteilung stehenden Dienstverfehlung kein Regelmaß gibt, sondern stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Fallen einem Beamten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U. v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 66; U.v. 13.7.2011 – 16a D 09.3127 – juris). Die schwerste Dienstpflichtverletzung ist vorliegend in der Weigerung zu sehen, sich der amtsärztlich zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit angewiesenen Suchttherapie inklusive der begleitenden fachärztlichen Behandlung bei einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie zu unterziehen.

3.1 Die Treuepflicht und die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz sowie zur Befolgung von Weisungen gebieten dem Beamten, dem Dienstherrn seine ganze Arbeitskraft zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, demgemäß diese Arbeitskraft auch voll zu erhalten bzw. alles zur unverzüglichen Wiederherstellung der Dienstfähigkeit zu tun.

Die Dienstfähigkeit ist für die Erfüllung der nach dem Beamtenverhältnis obliegenden Pflichten von erheblichem Einfluss: Ohne körperliche und geistig jederzeit voll einsetzbare Mitarbeiter ist die Verwaltung außerstande, die ihr im Interesse der Allgemeinheit auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen. Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ist durch körperlich bzw. geistig oder seelisch nicht oder nur beschränkt einsetzbare Beamte gefährdet. Das ist jedem Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bekannt. Die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten oder im gegebenen Fall durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, stellt daher eine Pflichtverletzung von erheblichem disziplinaren Gewicht dar. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn dienstliche Auswirkungen einer solchen Pflichtverletzung in – wie vorliegend - erheblichem Ausmaß eingetreten sind. Hierin wird nicht nur ein Element der Dienstvergehensqualität, sondern zugleich auch die dienstrechtliche Schwere einer entsprechenden Pflichtverletzung offenbar (vgl. BayVGH, U.v. 14.10.2015 – 16a D 14.351 – juris Rn. 77).

Nach Aussage des Sachverständigen liegt beim Beklagten nach wie vor eine schwere psychiatrische Erkrankung vor, bei der eine Störung aus dem depressiven Formenkreis führend ist. Der schweren depressiven Episode, beginnend im Herbst 2012, geht eine seit 2005 diagnostizierte Dysthymie voraus. Bereits im Jahr 1994 hatte der Beklagte einen Selbstmordversuch unternommen. Die für diese schwere Störung spezifische Ambivalenz ist ursächlich dafür, dass der Beklagte nicht mehr in der Lage war, seinen Arbeitsalltag zu strukturieren und sich vor allem nicht entscheiden konnte, welche Aufgaben er erledigen soll. Nach den Feststellungen des Sachverständigen führte die psychiatrische Erkrankung beim Beklagten zu den beschriebenen Ambivalenzen und ist schwer behandelbar (sog. double Depression). Dies zeigt sich auch in seiner Krankheitsgeschichte. Allerdings kann beim Krankheitsbild des Beklagten durch Psychotherapie mit Pharmakotherapie (und längerem stationärem Aufenthalt) durchaus eine Verbesserung erreicht werden. Hierfür bedarf es jedoch einer längerfristigen Behandlung. Nach Auffassung von Prof. Dr. S … ist dies ein aufwendiger Prozess, der aber schon des Öfteren gegangen wurde.

Mit der Weigerung durch eine zumutbare Behandlung an der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit mitzuwirken und dadurch eine dauernde Dienstunfähigkeit mit folgender Versetzung in den Ruhestand ohne weitere Dienstleistung zumindest in Kauf zu nehmen, macht ein Beamter deutlich, dass er die Belange des Dienstherrn ignoriert. Hierin liegt eine schwerwiegende Pflichtverletzung, durch die ein Beamter seine Beamtenrechte verwirken kann (BVerwG, U.v. 26.7.1983 – 1 D 98/82 – juris Rn. 16) und die die Verhängung der disziplinare Höchstmaßnahme grundsätzlich gerechtfertigt erscheinen lässt.

3.2 Der Senat geht jedoch vorliegend davon aus, dass aufgrund der besonderen Umstände im konkreten Einzelfall das schwerwiegende Dienstvergehen des Beklagten in deutlich milderem Licht zu sehen ist und deshalb von einer Entfernung aus dem Dienst abgesehen werden kann.

Von der Höchstmaßnahme ist – wie vorliegend - zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein in der Rechtsprechung – ursprünglich zu den Zugriffsdelikten entwickelter – sog. anerkannter Milderungsgrund vorliegt. Diese lassen sich typisierend in Beweggründen oder Verhaltensweisen des Beamten finden, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Sie erfassen zum einen ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung, zum anderen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann.

Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht der anerkannten Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrunds aufweisen. Sie sind bereits dann nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ miteinzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (BVerwG, U.v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 - juris Rn. 15).

3.2.1 Vorliegend ist im Hinblick auf den Vorwurf, die Weisung vom 6. Juni 2013 nicht befolgt zu haben (s. Abschnitt II Ziff. 2), als wesentlich entlastend zu werten, dass der Beklagte aufgrund einer krankhaften seelischen Störung gemäß §§ 20, 21 StGB im Zustand erheblich eingeschränkter Steuerungs- und damit Schuldfähigkeit gehandelt hat.

Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung i.S.v. § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Anreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegen zu setzen vermochte (vgl. BayVGH, U.v.17.11.2011 -16a D 09.465 – juris Rn. 64). Nur unter diesen Voraussetzungen kann eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB in Betracht kommen.

Der im Rahmen des Berufungsverfahrens beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S … hat in seinem Psychiatrischen Gutachten vom 18. März 2017 ausdrücklich festgestellt, dass der Beklagte aufgrund der mit der depressiven Störung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum einhergehenden störungsspezifischen Ambivalenz und Antriebsstörung nicht ausreichend in der Lage gewesen sei, die dienstlich erteilte Weisung vom 6. Juni 2017 zu befolgen. Die schwere depressive Episode, deren Beginn wahrscheinlich im Herbst 2012 anzusiedeln ist, ordnete der Sachverständige aus psychiatrischer Sicht als krankhafte seelische Störung ein und damit dem ersten Eingangsmerkmal des § 20 StGB zu. Er kam insgesamt zum Ergebnis, dass ein solcher Zustand zwar beim Beklagten nicht zur Aufhebung der Einsichtsfähigkeit geführt habe, eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB aber nicht auszuschließen sei. In der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2017 ergänzte er seine Ausführungen dahingehend, dass der Beklagte durch die mit der Weisung einhergehende Planung überfordert gewesen und nach seiner Ansicht insoweit die Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen sei.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen geht der Senat im Hinblick auf den Vorwurf der Nichtbefolgung der Weisung vom 6. Juni 2013 (vgl. Abschnitt II Ziff. 2) davon aus, dass beim Beklagten eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB vorgelegen hat.

Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die „Erheblichkeit“ eine Rechtsfrage darstellt, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger im Rahmen einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen, ihres Erscheinungsbilds vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise in eigener Verantwortung zu beantworten haben (BVerwG, U.v.3.5.2007 a.a.O. Rn. 33) und deren Beurteilung auch von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten abhängt (BVerwG, U.v. 25.3.2010 – 2 C 83.08 – juris Rn. 29 f. und U.v. 29.5.2008 – 2 C 59.07 – juris Rn. 30 m.w.N.).

Aufgrund der dargelegten Einschränkungen der Steuerungsfähigkeit ist vorliegend jedoch trotz leicht einsehbarer Kernpflicht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt auszugehen. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang nachvollziehbar dargelegt, dass der Beklagte krankheitsbedingt nicht in der Lage war, der Weisung vom 6. Juni 2017 nachzukommen. Auch die mehrmaligen Versuche des Beklagten, eine Aufhebung oder Änderung der Weisung zu erreichen, sprächen demnach nicht gegen die erheblich verminderte Schuldfähigkeit, sondern fügten sich vielmehr in den Krankheitszustand des Beklagten ein, dessen Bestreben immer darauf gerichtet gewesen sei, eine der angewiesenen Therapie immanente Auseinandersetzung mit dem eigenen, als defizitär wahrgenommenen Verhalten (Sucht und Depression), zu vermeiden. Bei solchen Erkrankungen sei es – nach Aussage des Sachverständigen - normal, sich so lange wie möglich im bisherigen Zustand zu arrangieren und eine Therapie erst dann aufzunehmen, wenn ein „Weiter so“ nicht mehr möglich sei. Der Sachverständige bestätigte in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich, dass sich der Beginn der schweren depressiven Phase im Herbst 2012 am Verhalten des Beklagten – wie z.B. vermehrtes Erscheinen im Dienst im alkoholisierten Zustand - festmachen lasse. Hieran ändere auch die damals mit dem kurzfristigen Urlaubnehmen an bestimmten Tagen gezeigte Unternehmungslust des Beklagten nichts, die ebenfalls die Ambivalenz gegenüber den vom Beklagten als nicht erfüllbar angesehenen und deshalb zu vermeidenden Arbeitsanforderungen belege.

Diese Einschätzung hat zur Folge, dass die Verhängung der Höchstmaßnahme nur noch in Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2008 – 2 B 48/08 – juris Rn. 7; U.v. 25.3.2010 – 2 C 83/08 – juris Rn. 34; BayVGH, U.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 68). Ein solcher Ausnahmefall liegt nach Auffassung des Senats auch in der Gesamtschau mit der missbräuchlichen Internetnutzung während der Dienstzeit (vgl. Abschnitt II Ziff. 1) hier nicht vor.

3.2.2 Auch im Hinblick auf diesen Vorwurf geht der Senat zu Gunsten des Beklagten von einer verminderten Schuldfähigkeit aus. Nach den Feststellungen des Sachverständigen lässt sich eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB nicht ausschließen. Aus dem psychiatrischen Gutachten vom 18. März 2017 (S. 31) kann zwar entnommen werden, dass keine (nicht substanzgebundene) Abhängigkeit in Bezug auf den Internetkonsum vorlag und der Beklagte zu Hause ohne weiteres auf einen derartigen Konsum verzichten konnte. Auch war es ihm ohne weiteres möglich, den Internetkonsum am Arbeitsplatz aufgrund des Disziplinarverfahrens abrupt einzustellen, ohne hierbei in innere Anspannung zu geraten. Der Internetkonsum am Arbeitsplatz stellt sich aber aufgrund des Vermeidungsverhaltens gegenüber den Arbeitsanforderungen anders dar als z.B. im privaten Umfeld. Gerade der Aufruf der verbotenen pornografischen Seiten gegenüber der Alternative des reinen Nichtstuns belege nach Auffassung des Sachverständigen die eingeschränkte Steuerungsfähigkeit des Beklagten, da eine entsprechende Gewichtung des Tuns in Abwägung der Konsequenzen Steuerungsfähigkeit voraussetze. Eine solche Gewichtung hat der Beklagte gerade nicht vorgenommen. Aus diesen Gründen geht der Senat nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon aus, dass die Schuldfähigkeit des Beklagten auch im Hinblick auf den Vorwurf der missbräuchlichen Internetnutzung während der Dienstzeit (Abschnitt II Ziff. 1) vermindert war.

Allerdings verneint der Senat im Hinblick auf die Begleitumstände der Pflichtverletzung die Erheblichkeit der verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB. Hier ist zum einen zu berücksichtigen, dass der Beklagte bei der Internetnutzung im Hinblick auf sein weiteres Verhalten zunächst bewusst Grenzen ausgetestet hat. So erklärte er im Rahmen seiner Anhörung vom 15. Oktober 2013 während des Disziplinarverfahrens, dass er mit dem Aufruf pornografischer Seiten im Dienst zunächst habe prüfen wollen, ob gewisse Kontrollmechanismen beim Dienstherrn auch greifen. Da in der Folgezeit niemand von der Amtsleitung oder von den Kollegen auf ihn zugekommen sei und ihn diesbezüglich belehrt habe, sei er davon ausgegangen, dass die Internetnutzung der Mitarbeiter nicht kontrolliert werde. Auch seine Kollegen hätten ihn nicht auf seinen vermehrten PC-Gebrauch angesprochen. Daher habe er die Nutzung stetig gesteigert.

Berücksichtigt werden muss hier auch, dass der Beklagte bei jedem Aufruf einer verbotenen Seite durch Einblendungen auf dem Bildschirm („Sie verlassen den geschützten Bereich“) erneut ausdrücklich auf das insoweit bestehende Verbot hingewiesen wurde. Im Gegensatz zum aktiven Tun, das vom Beklagten für die Befolgung der Weisung vom 6. Juni 2013 gefordert war, hätte ein bloßes Unterlassen dem Beklagten deutlich weniger Überwindung abverlangt. Insoweit liegt nach Auffassung des Senats im Aufruf von über 6400 Seiten pornografischen Inhalts während der Dienstzeit selbst dann ein (vermindert) schuldhafter Verstoß gegen Dienstpflichten, wenn er aufgrund der schweren depressiven Episode ab November 2012 bereits dienstunfähig gewesen sein sollte. Eine Dienstunfähigkeit ist zwar nicht objektiv z.B. durch ein ärztliches Attest belegt, allerdings geht auch der Sachverständige im psychiatrischen Gutachten vom 18. März 2017 (S. 34 des Gutachtens) davon aus, dass der Beklagte aufgrund seiner depressiven Störung und den beschriebenen Symptomen nicht dienstfähig gewesen sei, es aber nicht schaffte, sich diesbezüglich Hilfe zu holen. Auch die Arbeitsrückstände beim Beklagten seien aus psychiatrischer Sicht darauf zurückzuführen, dass er aufgrund seiner Erkrankung ab November 2012 zur Dienstleistung gar nicht mehr in der Lage gewesen sei. Aus diesen Gründen hält es der Senat vorliegend für nicht angezeigt, der mit dem Internetkonsum einhergehenden Nichtleistung von 282 Stunden Dienst, durch die sich erhebliche Arbeitsrückstände aufbauten, ein ähnliches Gewicht wie dem unentschuldigten Fernbleiben vom Dienst für einen vergleichbaren Zeitraum zuzumessen (vgl. hierzu Zängl a.a.O. Stand August 2016, MatR/II Rn. 239).

Im Rahmen der gebotenen Prüfung, ob vorliegend noch die schärfste Disziplinarmaßnahme geboten ist, kommt der Senat in einer Gesamtschau aller bemessungsrelevanten Umstände im Hinblick auf den Krankheitszustand des Beklagten deshalb zu dem Ergebnis, dass er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit noch nicht endgültig gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG verloren hat. Nach Überzeugung des Senats erweist sich aus diesem Grund die Zurückstufung des Beklagten in das Eingangsamt als angemessene, im Hinblick auf die missbräuchliche Internetnutzung in erheblichem Umfang aber auch gebotene Disziplinarmaßnahme.

Die Maßnahme der Zurückstufung verstößt auch nicht gegen den Verhältnismäßig-keitsgrundsatz. Entsprechend dem Sinn des Disziplinarrechts, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu wahren, ist es notwendig, die disziplinare Maßnahme zu wählen, die dem Gewicht des Dienstvergehens und dem dadurch eingetretenen Vertrauensschaden entspricht. Ins Verhältnis zu setzen sind die Schwere des Fehlverhaltens und der durch den Beamten veranlasste Vertrauensschaden.

Hat beides, wie im vorliegenden Fall, erhebliches Gewicht, so ist der Nachteil, der für den Beamten durch die Disziplinarmaßnahme eintritt, nicht unverhältnismäßig. Er liegt in seinem persönlichen Verantwortungsbereich und ist seinem – wenn auch teilweise erheblich verminderten - schuldhaften pflichtwidrigen Verhalten zuzurechnen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

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(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 14. Januar 2014 wird gegen die Ruhestandsbeamtin auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts auf die Dauer von zwei Jahren um 1/20 erkannt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

I. Die am 3. Januar 19... geborene Beklagte stand als Polizeiobermeisterin im Dienst des Klägers. Sie wurde am 3. Januar 2004 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Mit Verfügung des Polizeipräsidiums O. vom 16. November 2012 wurde sie mit Ablauf des Monats November wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, nachdem sie seit dem 15. Juni 2005 krankgeschrieben war (abgesehen von einem Arbeitsversuch in der Zeit vom 1.9.2005 bis 8.9.2005 und einem Wiedereingliederungsversuch in der Zeit vom 27.3.2006 bis 3.4.2006). Das gegen die Ruhestandsversetzung gerichtete Klageverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 29. Juli 2014 eingestellt (Verfahren M 5 K 13.1106).

Die Beklagte ist - mit Ausnahme des vorliegend vorgeworfenen Sachverhalts - weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.

II. Die Beklagte wurde am 1. Juli 2008 zur Überprüfung ihrer Dienst- und Verwendungsfähigkeit im I. Klinikum - Klinik T. (...) - psychiatrisch begutachtet. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau K. kommt in ihrem psychiatrischen Gutachten vom 27. November 2008 zu dem Ergebnis, dass bei der Beamtin eine chronifizierte depressive Störung mit schweren Episoden (ICD-10 F 33, DSM IV 296.33) und einer erheblichen somatogenen Symptomatik vorliegt. Aus gutachterlicher Sicht sei die Beamtin nicht polizeidienstfähig und für eine Umschulung gesundheitlich nicht geeignet. Mit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest für den Innendienst sei nicht vor Ablauf eines Jahres zu rechnen. Aufgrund der Komplexität, der Schwere und der Dauer des Störungsbildes sei aus Sachverständigensicht eine stationäre Behandlung in einer psychotherapeutischen Behandlung indiziert, um mittelfristig eine begrenzte Dienstfähigkeit der Beamtin wiederherzustellen.

Frau Dr. K. vom Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei teilte dem Polizeipräsidium O. (Polizeipräsidium) das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung mit Schreiben vom 22. Mai 2009 mit. Mit dem fachärztlichen Gutachten von Frau K. bestehe polizeiärztlicherseits hinsichtlich der Beurteilung der aktuellen Dienstfähigkeit und des empfohlenen weiteren Procedere Einverständnis. Nach polizeiärztlichem Dafürhalten solle der Beamtin auferlegt werden, sich einer nochmaligen stationären Behandlung in einer psychotherapeutischen (psychosomatischen) Fachklinik zu unterziehen und anschließend eine ambulante Psychotherapie durchzuführen.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2009 informierte das Polizeipräsidium O. (Polizeipräsidium) die Beklagte über das Ergebnis der fachärztlichen Begutachtung und fragte an, ob die Klägerin die indizierte psychotherapeutische Therapie mittlerweile durchgeführt habe bzw. ob eine entsprechende Behandlung konkret geplant sei.

Die Beklagte verneinte dies mit Schreiben vom 28. August 2009 und legte eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 13. August 2008 vor, aus der hervorgeht, dass sich bei der Beamtin trotz „diverser medikamentöser Behandlungsversuche und ambulanter Psychotherapien“ keine deutliche Besserung des Zustandsbildes habe einstellen können und dass aus psychiatrischer Sicht eine erneute stationäre psychotherapeutische Behandlung bei Chronifizierung und schlechter Prognose insgesamt nicht indiziert sei.

Das Polizeipräsidium ordnete daraufhin mit Schreiben vom 13. November 2009 den sofortigen Beginn einer stationären Therapiemaßnahme in einer geeigneten psychosomatischen Fachklinik an.

Die Beklagte legte hiergegen mit Schreiben vom 25. November 2009 Widerspruch ein und listete ihre bisherigen stationären Aufenthalte auf:

30.11.2005 - 21.12.2005

04.04.2006 - 30.06.2006

26.07.2006 - 10.08.2006

28.09.2006 - 15.12.2006

10.12.2006 - 11.12.2006

25.04.2007 - 01.06.2007

08.08.2007 - 29.08.2007

04.09.2007 - 02.11.2007

20.11.2007 - 14.12.2007

Klinikum B.

Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie G.

Psychosomatische Klinik R.

Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie G.

Schlaflabor der Asklepios Fachklinik G.

Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie G.

Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie G.

Klinikum der Universität M., Psychiatrische Klinik

A.-Klinik S., Abt. f. Psychosomatische Medizin

Zu diesem Vortrag gab Frau Dr. K. vom polizeilichen Dienst in ihrer Stellungnahme vom 11. Januar 2010 zusammenfassend an, dass weder der stationäre Aufenthalt in der A.-Klinik noch der Aufenthalt in der Klinik R. hinsichtlich des damaligen Behandlungsverlaufs und -erfolgs bewertet werden könne, da die Beklagte weder dem polizeiärztlichen Dienst noch der Gutachterin Frau K. die Abschlussberichte zur Verfügung gestellt habe. Aus polizeiärztlicher Sicht werde das Gutachten von Frau Dr. K. nicht in Frage gestellt, d. h. eine mindestens 6-wöchige Therapie werde als sinnvoll und zumutbar angesehen.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2010 legte die Beklagte (nochmals) Widerspruch gegen die Anordnung der Therapie ein und wies darauf hin, dass aus psychiatrischer Sicht des behandelnden Arztes Dr. M. die stationären Maßnahmen ausgeschöpft seien.

Frau Dr. K. teilte hierzu am 17. Juni 2010 telefonisch mit, dass sie sich auf ihre Stellungnahme vom 11. Januar 2010 beziehe und die stationäre Therapie ein „absolutes Muss“ sei.

Mit Schreiben vom 18. August 2010 wurde die Beamtin nochmals unter Fristsetzung aufgefordert, die stationäre Maßnahme im Rahmen ihrer Gesunderhaltungspflicht anzutreten, andernfalls müsste sie mit disziplinaren Folgen rechnen.

Hiergegen legte die Beklagte mit Schreiben vom 19. August 2010 Widerspruch ein, der vom Kläger mit Schreiben vom 8. September 2010 mangels VA-Qualität der angefochtenen Anordnung als unstatthaft angesehen wurde. Hinsichtlich keiner der eingelegten Widersprüche erfolgte eine förmliche Widerspruchsentscheidung.

Die Beamtin legte in der Folge ein weiteres Attest von Dr. M. vom 19. November 2010 vor. Es habe keine Besserung des Zustandsbildes erzielt werden können. Die Behandlungsmaßnahmen inklusive der stationären seien ausgeschöpft.

Am 27. November 2010 beantragte die Beklagte bei der HUK-Coburg die Kostenübernahme für eine stationäre Psychotherapie. Ein aktuelles Einweisungsschreiben eines Psychiaters habe sie nicht. Grundlage sei das beiliegende Schreiben der Polizeiärztin vom 22. Mai 2009.

Die HUK-Coburg lehnte die Kostenübernahme mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 ab, da die Entscheidung, ob eine stationäre Therapie angeraten sei, im Rahmen der Privaten Krankenversicherung dem behandelnden Psychotherapeuten obliege. Ihrem Schreiben könne jedoch entnommen werden, dass eine stationäre Psychotherapie aktuell von ihrem Therapeuten gerade nicht befürwortet werde.

Auf Nachfrage teilte Frau Dr. K. von polizeiärztlichen Dienst mit E-Mail vom 23. Dezember 2010 mit, dass sie eine stationäre Therapie nach wie vor für notwendig erachte.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2011 wurde die Beklagte aufgefordert, bis zum 1. März 2011 eine stationäre Therapie in einer psychosomatischen Klinik anzutreten. Sollte bis zum 1. März 2011 kein Nachweis über den Antritt einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Klinik vorliegen, müssten disziplinare Maßnahmen eingeleitet werden.

Nachdem die Beamtin der Aufforderung nicht nachkam und sich weigerte, eine stationäre Therapie anzutreten, entschied das Polizeipräsidium Anfang Mai 2012 nach Rücksprache mit dem polizeiärztlichen Dienst, eine externe Begutachtung durch das M.-...-Institut für Psychiatrie zur Überprüfung der aktuellen Dienstfähigkeit zu veranlassen.

Hierüber wurde die Beklagte mit Schreiben vom 9. Mai 2012 informiert. Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 wurde die Beamtin gebeten, sich am Dienstag, 17. Juli 2012 und Mittwoch, 18. Juli 2012, jeweils 8.00 Uhr, beim M.-Institut für Psychiatrie zur externen Begutachtung vorzustellen.

Die Beklagte legte mit Telefax vom 16. Juli 2012, 17 Uhr, ein ärztliches Attest von Dr. M. vom 14. März 2008 vor. Sie sei nicht in der Lage die „schuld- und schambesetzten Themen“ gegenüber Männern anzusprechen. Dem solle bei der Begutachtung Rechnung getragen werden.

Der Kläger leitete das Telefax mit Schreiben mit E-Mail vom 16. Juli 2012 einschließlich des Attestes an Prof. Dr. W., Leiter der Gutachtensstelle des M.-...-Instituts für Psychiatrie, weiter.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 teilte Prof. Dr. W. mit, dass sich die Beamtin zwar pünktlich zu dem am 17. Juli 2012 anberaumten Untersuchungstermin eingefunden habe, jedoch eine Mitwirkung an der Untersuchung unter Hinweis auf das fachärztliche Attest von Dr. M. abgelehnt habe, nachdem er ihr im Vorbereitungsgespräch eröffnet habe, dass er als Leiter der Gutachtensstelle zur unabhängigen Urteilsbildung verpflichtet sei und daher alle inhaltlich und medizinisch relevanten Fragen persönlich mit ihr besprechen müsse.

Mit Schreiben vom 7. August 2012 trägt die Beklagte vor, sie habe den Untersuchungstermin nicht grundlos abgebrochen und legt zum einem ein Attest von Dr. H., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 22. Juli 2012 und eine fachärztliche Stellungnahme vom 23. Juli 2012 von Dr. M. vor. Aus dem Attest von Dr. H. ergibt sich, dass die Beamtin am 17. Juli 2012 in seiner Praxis vorstellig geworden sei und von einer für sie negativen, sehr belastenden Begegnung mit Ärzten des M.-Instituts berichtet habe. Die Beamtin habe sich in einer akuten Konfliktsituation befunden, die durch verbale Intervention und subcutaner Gabe eines Medikaments normalisiert habe werden können. Nach der fachärztlichen Stellungnahme von Dr. M. befindet sich die Beklagte seit dem 10. Januar 2008 in seiner regelmäßigen psychiatrischen Behandlung. Diagnostisch lägen eine rezidivierende depressive Störung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Im bisherigen Behandlungszeitraum habe sich keine Besserung des Zustandsbildes einstellen können. Im Falle einer angeordneten Begutachtung werde dringend angeraten, diese durch eine weibliche Gutachterin durchführen zu lassen. Ansonsten wäre von einer weiteren Gefährdung des Gesundheitszustands auszugehen. Allein der Versuch den für den 17. Juli 2012 anberaumten Termin bei zwei männlichen Psychiatern wahrzunehmen, habe zu einer erneuten depressiven Dekompensation geführt.

III. Mit Vermerk vom 17. Juli 2012 leitete das Polizeipräsidium gegen die Beklagte wegen ihrer Weigerung, sich einer stationären Therapie zu unterziehen und wegen des Abbruchs des Untersuchungstermins am 17. Juli 2012 ein Disziplinarverfahren ein. Die Beklagte wurde jeweils nach Art. 22 Abs. 1 BayDG über ihre Rechte sowie die Möglichkeit der Beteiligung der Personalvertretung belehrt.

Am 22. Mai 2013 erhob das Polizeipräsidium M. - Disziplinarbehörde - Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, der Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

Der Kläger wirft der Klägerin vor, gegen die Gehorsams- und Gesunderhaltungspflicht verstoßen zu haben:

1. Die Beklagte sei am 1. Juli 2008 zur Überprüfung ihrer Dienst- und Verwendungsmöglichkeit im Bezirkskrankenhaus T./... psychiatrisch begutachtet worden. Nach dem fachärztlichen Gutachten vom 27. November 2008 sei die Beklagte zum Untersuchungszeitpunkt vorübergehend nicht polizeidienstfähig und zudem nicht für den Innen- und Verwaltungsdienst geeignet gewesen. Eine dauernde Dienstunfähigkeit habe nach der gutachterlichen Beurteilung noch nicht vorgelegen, zur Wiederherstellung einer - zumindest begrenzten - Dienstfähigkeit sei aus der Sachverständigensicht eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik indiziert.

Mit Schreiben vom 13. November 2009 sei daher die Durchführung einer stationären Therapiemaßnahme in einer geeigneten psychosomatischen Fachklinik angeordnet und ausdrücklich auf die bestehende Gehorsams- und Gesunderhaltungspflicht hingewiesen worden. Obwohl die Beklagte in der Folgezeit wiederholt (Schreiben des Polizeipräsidiums O. vom 13.8.2010, 8.9.2010, 22.9.2010, 28.10.2010, 28.10.2010, 6.12.2010, 20.12.2010 und 12.1.2011) zur Durchführung der stationären Therapie aufgefordert und auch mehrfach ausdrücklich auf ihre Gesunderhaltungspflicht und die Folgen eines Verstoßes gegen dieselbe belehrt worden sei, habe sie bis dato die medizinisch indizierte Therapiemaßnahme verweigert und infolgedessen ihre Dienstfähigkeit nicht wiedererlangt.

2. Die Beklagte sei mit Schreiben vom 5. Juli 2007 aufgefordert worden, sich zur Überprüfung der Dienst- und Verwendungsmöglichkeit am 17. Juli und 18. Juli 2012 einer externen Begutachtung im M.-Institut für Psychiatrie zu unterziehen. Sie sei explizit darauf hingewiesen worden, dass die Verweigerung der Untersuchung ein Dienstvergehen darstelle.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 habe der Leiter der Gutachtenstelle des M.-Instituts, Prof. Dr. W., mitgeteilt, dass die Beklagte zwar pünktlich zu dem anberaumten Begutachtungstermin erschienen sei, jedoch eine Mitwirkung an der Untersuchung abgelehnt habe, nachdem ihr Prof. Dr. W. im Vorbereitungsgespräch eröffnet habe, dass er als Leiter der Gutachtensstelle zur unabhängigen Urteilsbildung verpflichtet sei und daher auch alle für die Fragestellung inhaltlich und medizinisch relevanten Fragen persönlich mit der Beklagten besprechen müsse. Sie habe ihre Ablehnung mit einem Attest des behandelnden Facharztes Dr. M. vom 14. März 2008 begründet, wonach eine Diskussion „schuld- und schambesetzter“ Themen mit männlichen Untersuchern eine Retraumatisierung hervorrufen könne.

IV. Mit Urteil vom 14. Januar 2014 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten das Ruhegehalt aberkannt.

Ein Beamter müsse seinem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen, er habe diese zu erhalten und sie im Falle der Dienstunfähigkeit schnellstmöglich wiederherzustellen. Dabei habe er den Vorschlägen der Ärzte, insbesondere dem Vorschlag des Polizeiarztes zu folgen.

Die Beklagte leide mindestens seit der fachärztlichen Begutachtung im November 2008 an psychosomatischen Beschwerden, die ihr eine Dienstleistung nicht ermöglichten. Die externe Gutachterin und der polizeiliche Dienst sähen in einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik die Möglichkeit, die Dienstfähigkeit zumindest teilweise wiederherzustellen. Die Beklagte habe eine solche Behandlung nicht verweigern dürfen. Sie habe sich dazu entschieden, sich auf die medikamentöse Behandlung durch ihren Psychiater zu verlassen. Auf die notwendige Behandlung ihrer psychosomatischen Problematik habe sei seit Januar 2008 verzichtet. Diese Entscheidung der Beklagten könne aber nicht zur Folge haben, dass der Dienstherr an seiner Pflicht zur lebenslangen Alimentation festgehalten werden müsse. Auch der Allgemeinheit (d. h. dem Steuerzahler) sei es nicht zu vermitteln, dass eine junge Beamtin kurz nach ihrer Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit es beharrlich ablehne, zumutbare Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit durchzuführen. Dies gelte auch für die Ablehnung der Mitwirkung an einer erneuten fachärztlichen Begutachtung.

Das Dienstvergehen der Beklagten wiege schwer. Sie habe ihre Kernpflichten verletzt. Die Beklagte wolle alimentiert werden, ohne ihrerseits ihre zumutbaren Pflichten zu erfüllen. Dies laufe dem Beamtenverhältnis, das ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis sei, diametral zuwider. Rechtsfertigungsgründe stünden der Beklagten nicht zur Seite. Sie habe vielmehr ihre leicht einsehbaren Kernpflichten bewusst und gewollt und über einen langen Zeitraum hinweg verletzt. Einem solchen Beamten könnten der Dienstherr, die Allgemeinheit und die Kollegen kein Vertrauen mehr entgegenbringen. Die Basis für ein Dienst- und Treueverhältnis sei zerstört und das Vertrauen endgültig verloren. Die Beklagte müsse daher - sollte sie ihren aktiven Beamtenstatus wieder erlangen - aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Bei ihrem derzeitigen Status als Ruhestandsbeamtin sei ihr das Ruhegehalt abzuerkennen.

V. Mit der gegen die Entscheidung eingelegten Berufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie habe nicht gegen ihre Gesunderhaltungspflicht verstoßen. Sie verweist auf die bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen, die eine Einweisung in eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik ablehnten. Neben den bereits im Disziplinarverfahren vorgelegten Atteste bzw. fachärztlichen Stellungnahmen handele es sich um folgende ärztliche Stellungnahmen bzw. Bescheinigungen:

Dr. M. habe der HUK-Coburg unter dem 1. Februar 2011 mitgeteilt, dass sich die Beklagte seit 10. Januar 2008 in seiner regelmäßigen psychiatrischen Behandlung befinde. In den Jahren 2006 und 2008 seien insgesamt drei stationär-psychiatrische Behandlungsversuche an der Klinik G... sowie an der Universitätsklinik M., Psychiatrische Klinik, durchgeführt worden. Zweimalige stationär-psychosomatische Behandlungsmaßnahmen seien an der Psychosomatischen Klinik R. sowie an der Klinik A. durchgeführt worden. Eine ambulante Psychotherapie habe nach erlebter Retraumatisierung mit Verschlechterung der Symptomatik im Jahre 2008 abgebrochen werden müssen. Bei erfolglos eingesetzten stationär-psychosomatischen Maßnahmen sowie einer als Retraumatisierung mit Verschlechterung erlebten ambulanten Psychotherapie sei ein erneuter Versuch einer ambulanten/stationär-psychosomatischen Behandlung nicht indiziert.

Nach einer fachärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 7. Dezember 2009 sei aus psychiatrischer Sicht bei ausgeschöpften stationären Maßnahmen eine erneute stationäre Behandlung nicht indiziert.

Mit Schreiben vom 14. März 2008 habe Dr. M. bei der Beklagten eine rezidivierende depressive Störung, sowie eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Die posttraumatische Belastungsstörung habe sich auf der Basis wiederholter, auch sexueller Traumatisierungen entwickelt. Diese zu thematisieren stelle für die weiterhin instabile Beamtin aus psychiatrischer Sicht derzeit noch eine unüberwindliche Hürde dar. Insbesondere Männern gegenüber sei die Beklagte nicht in der Lage, die schuld- und schambesetzen Themen anzusprechen. Dies käme zum derzeitigen Stand einer Retraumatisierung gleich.

Herr Dr. H., Facharzt für Allgemeinmedizin, weise mit Attest vom 4. Juni 2013 darauf hin, dass die von ihm bereits langjährig betreute Beamtin am 17. Juli 2012 im Rahmen einer hausärztlich-allgemeinmedizinischen Notfallbehandlung, bei einer ausgeprägten psychovegetativen Entgleisung behandelt worden sei.

Eine stationäre Behandlung sei nicht zumutbar. Die Ablehnung einer Einweisung in die stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik beruhe nicht auf einer eigenen Einschätzung, sondern auf fachärztlichen Stellungnahmen. Die Beklagte habe stationär mehrere Psychotherapien gemacht. Dabei sei die Erfahrung gemacht worden, dass es keinen Unterschied zwischen psychiatrischen und psychosomatischen Therapien gebe. Den geforderten Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik habe die Beklagte zweimal absolviert. Die geringe Aufenthaltsdauer ergebe sich daraus, dass die Beklagte bei ihrer Krankenversicherung nur 30 Tage pro Jahr für diesen Zweck versichert sei. Hieraus sei wiederum ersichtlich, dass die Beklagte auch mit Kostenübernahme durch ihre Krankenversicherung die geforderten sechs Wochen ohne zusätzliche Kostenübernahme durch den Freistaat Bayern nicht erreicht hätte. Aus diesem Umstand ergebe sich auch der längere Aufenthalt in der Psychiatrie statt in der psychosomatischen Klinik. Das Verwaltungsgericht habe den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unrichtig angewandt. Die Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere der subjektiven Seite, zeige, dass von der disziplinaren Höchstmaßnahme abzusehen sei. Zu ihren Gunsten sei zu werten, dass sie bislang zu keinem Zeitpunkt disziplinarisch in Erscheinung getreten sei. Weiterhin befinde sie sich in fortwährender fachmedizinischer bzw. fachärztlicher Behandlung und habe stets Stellungnahmen ihrer Fachärzte vorgelegt, welche eine Einweisung in einer stationären Behandlung abgelehnt hätten. Fachlich fundierte Zweifel an diesen Stellungnahmen gebe es nicht. Zusätzlich sei festzuhalten, dass auch ihre Krankenkasse aufgrund der fehlenden fachärztlichen Einweisung eine Kostenübernahme abgelehnt habe. Die Disziplinarbehörde habe verkannt, dass die amtsärztliche Befürwortung einer stationären Behandlung es nicht vermöge, eine fehlende fachärztliche Einweisung zu ersetzen. Die Beklagte habe auf ihre Fachärzte vertrauen können und dürfen. Verhältnismäßig sei allenfalls eine Gehaltskürzung im untersten Bereich.

Der Kläger beantragt am 4. März 2014,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte habe seit Januar 2008 verzichtet, die notwendigen Behandlungen hinsichtlich der Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit durchführen zu lassen. Sie habe sich vielmehr allein auf die Einschätzung ihrer Privatärzte verlassen, ohne die Meinung des polizeiärztlichen Dienstes zu befolgen. Ein Beamter sei aufgrund seiner Gesunderhaltungspflicht verpflichtet, alles ihm Mögliche zu unternehmen, um seine Dienstfähigkeit wieder herzustellen. In diesem Zusammenhang habe er auf die Vorschläge der behandelnden Ärzte, des Dienstvorgesetzten und des Amtsarztes wegen deren Sachkunde auch dann einzugehen, wenn er der Auffassung sei, noch ohne eine stationäre Behandlung auskommen zu können. Es werde nicht bestritten, dass die Beklagte mehrere Psychotherapien durchgeführt habe. Nur sei die seitens des Polizeipräsidiums O. mehrfach angeordnete, dringend notwendige Therapie über Jahre hinweg nicht durchgeführt worden. Die Ausführungen, die Kostenübernahme sei nicht ausreichend durch die Krankenversicherung der Beklagten gesichert gewesen, könnten ebenfalls nicht überzeugen. Die Beklagte habe die Möglichkeit, eine Erhöhung des Beihilfesatzes zur weitgehenden Kostenübernahme der stationären Behandlung bei der Beihilfestelle zu beantragen. Ggf. sei die Kostenübernahme auch durch den Dienstherrn möglich. Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei nicht ersichtlich. Die Beklagte werde eine ihr angeordnete Therapie auch in Zukunft nicht antreten. Sie selbst vertraue auf Empfehlungen des Privatarztes und empfinde eine Therapie als nicht notwendig. Jedoch berechtige ein fehlerhaftes oder als ungerecht empfundenes Verhalten (Therapieanordnung) des Dienstherrn nicht zum Ungehorsam. Die Beamtin habe vielmehr den Weisungen nachzukommen und hinsichtlich der Klärung der Dienstfähigkeit mitzuwirken.

Die Beklagte legte mit Schriftsatz vom 12. März 2014 ein Attest des Universitätsklinikums G... vom 20. Februar 2014 und ein Attest von Dr. H. vom 28. Februar 2014 vor, aus denen sich ergibt, dass eine ambulante Therapie derzeit ausreichend zu sein scheine bzw. weitere Therapieansätze im Sinne einer stationären Behandlung als nicht zielführend im Sinne einer möglichen Heilung abzulehnen seien. Mit Schreiben vom 2. April 2014 legte sie ein Attest von Dr. T. vom 27. März 2013 vor, wonach eine stationäre Behandlung aktuell aufgrund der bestehenden Instabilität nicht indiziert sei.

Der Kläger führte hierzu unter dem 6. Mai 2014 aus, dass nach polizeiärztlicher Beurteilung in keinem der vorgelegten ärztlichen Schreiben nachvollziehbar begründet oder gar belegt sei, dass eine stationäre Behandlung derzeit medizinisch nicht indiziert sei. Nach polizeiärztlichen Dafürhalten könne eine Verbesserung des Gesundheitszustands allenfalls noch von einer erneuten stationären Therapiemaßnahme erwartet werden, nicht hingegen von den von der Beklagten durchgeführten ambulanten Behandlungsmaßnahmen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten (Personalakt in 5 Bänden, 1 Disziplinarakte, 1 Vorgang „Ärztliche Unterlagen“) Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. In Abänderung der Ziff. 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2014 wird gegen die Beklagte auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts um 1/20 auf die Dauer von zwei Jahren erkannt.

I. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind auch von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

II. Der Senat sieht - unter Zugrundelegung der Disziplinarklage vom 22. Mai 2013 - den im Tatbestand unter II. dargestellten Sachverhalt als erwiesen an. Die Beamtin hat den äußeren Sachverhalt im Disziplinarverfahren und im Gerichtsverfahren nicht bestritten.

Damit steht fest, dass die Beklagte entgegen der Anordnungen vom 13. November 2009, 18. August 2010 und 12. Januar 2011 keine stationäre psychosomatische Behandlung angetreten bzw. sich einer solchen unterzogen hat und die Untersuchung ihrer Dienstfähigkeit im Rahmen einer externen Begutachtung im M.-Institut für Psychiatrie am 17. Juli 2012 durch deren vorzeitigen Abbruch vereitelt hat.

III. Durch die ihr zur Last gelegte Taten hat die Beklagte ein einheitliches Dienstvergehens im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.

1. Mit der Weigerung, sich der polizeiärztlich für erforderlich gehaltenen 6-wöchigen stationären psychosomatischen Therapie zu unterziehen, hat die Beklagte gegen ihre Gesunderhaltungspflicht verstoßen.

Eine ausdrückliche Regelung über die Gesunderhaltungspflicht und deren Grenzen enthält das Beamtenstatusgesetz nicht. Eine grundsätzliche Pflicht zur Gesunderhaltung kann jedoch aus der Pflicht zum vollen Einsatz im Beruf hergeleitet werden (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juli 2015, § 34 BeamtStG Rn. 83 mit weiteren Nachweisen; BVerfG, B. v. 19.2.2003 - 2 BvR 1413/01 - NVwZ 2003, 1504 - juris Rn. 34). Die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz im Beruf umfasst das Bemühen, die Gesundheit so weit zu bewahren, dass die Fähigkeit zur Dienstleistung nicht schuldhaft eingeschränkt oder aufgehoben wird. Der gesunde Beamte ist danach verpflichtet, seine volle Dienstfähigkeit und damit seine Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nach Möglichkeit zu bewahren und, soweit sie eingeschränkt oder aufgehoben ist, nach Möglichkeit wieder zu erlangen (vgl. BVerwG, U. v. 10.1.1980 - 1 D 56/79 - BVerwGE 63, 327 - juris Rn. 17; BayVGH, U. v. 20.4.2005 - 16a D 04.531 - juris Rn. 34).

Dies setzt ggf. auch voraus, sich zur Erhaltung oder Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen. Ob sie zumutbar ist, kann nicht grundsätzlich, sondern nur nach Maßgabe der konkreten Umstände des Einzelfalles beantwortet werden (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juli 2015, § 34 BeamtStG Rn. 97; BVerwG, B. v. 9.5.1990 - 2 B 8.90 - ZBR 1990, 261 - juris). Maßgebend ist dabei, welche Erfolgsaussichten die jeweils in Frage kommende Behandlung bietet und welche Kosten, Belastungen und Risiken mit ihr verbunden sind. Insoweit hat eine umfangreiche Abwägung aller Umstände zu erfolgen (vgl. BVerwG, U. v. 26.7.1983 - 1 D 98.82 - BVerwGE 76, 103 - juris).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze erscheint die stationäre psychosomatische Behandlung zumutbar. Nach dem psychiatrischen Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie K. vom I. -...-Klinikum vom 27. November 2008 konnte bislang keine durchgreifende und anhaltende Besserung der depressiven Symptomatik und der Schmerzproblematik sowie der angegebenen posttraumatischen Erlebniswelten erzielt werden, obwohl sich die Beklagte seit 2006 (bis 2007) mehrmonatigen Behandlungen in verschiedenen psychiatrischen Kliniken mit unterschiedlichen Antidepressiva aber auch psychotherapeutischen Interventionen ergänzt von ambulanten Maßnahmen unterzogen habe. Die Ärztin hält es für möglich, dass sich die Beklagte mit ihrem erheblichen Misstrauen und der eingeschränkten Offenheit bisher nicht ausreichend auf therapeutische Prozesse habe einlassen können, obwohl sie durchaus über die intellektuellen Möglichkeiten verfüge, um von therapeutischen Maßnahmen profitieren zu können. Die Ärztin verspricht sich von einer ausreichend langen stationären und nachfolgend ambulanten Behandlung eine mittelfristige Stabilisierung. Es erscheine zwar momentan unrealistisch, dass die Beamtin den körperlichen und psychischen Anforderungen im Außendienst sowie belastenden Ereignissen wie dem Einsatz bei Suiziden werde standhalten können. Prinzipiell sollte jedoch mittelfristig der polizeiliche Innendienst wieder leistbar sein können. Die Polizeiärztin Dr. K. hat sich dieser Einschätzung angeschlossen und hält eine mindestens 6-wöchtige Therapie für sinnvoll und zumutbar.

Dieser Einschätzung stehen die von der Beklagten vorgelegten privatärztlichen Bescheinigungen nicht entgegen. Die ärztlichen Bescheinigungen ihres behandelnden Arztes Dr. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 14. März 2008, 7. Dezember 2009, 13. August 2009, 19. November 2010 und 1. Februar 2011 sind nicht geeignet, die Empfehlungen des polizeiärztlichen Dienstes zu erschüttern. Sie erschöpfen sich in der Aussage, aus psychiatrischer Sicht sei bei ausgeschöpften stationären Maßnahmen eine erneute stationäre Behandlung nicht indiziert, die damit begründet wird, dass bisher insgesamt drei stationär-psychiatrische und zwei stationär-psychosomatische Behandlungsversuche erfolglos gewesen seien und eine ambulante Psychotherapie mit Verschlechterung der Symptomatik im Jahr 2008 habe abgebrochen werden müssen. Es finden sich keine Erklärungen für die Erfolglosigkeit der bisherigen stationären Aufenthalte der Beklagten bzw. für den Abbruch der ambulanten Therapie. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Beweggrund für die vorgeschlagene (erneute) stationäre psychosomatische Behandlung, nämlich das „erhebliche Misstrauen“ und die „eingeschränkte Offenheit“ der Beklagten für therapeutische Prozesse, lassen die ärztlichen Stellungnahmen missen. Die privatärztlichen Stellungnahmen von Dr. M. sind damit nicht geeignet, das amtsärztliche Gutachten bzw. das von der beigezogenen Fachärztin erstellte Gutachten zu entkräften. Gleiches gilt für die ärztliche Einschätzung von Dr. H., der in seinem Attest vom 28. Februar 2014 Therapieansätze im Sinne einer stationären Behandlung im Hinblick auf die bereits vielfach stattgehabten Aufenthalte als nicht zielführend im Sinne einer möglichen Heilung ablehnt und - ohne weitere Begründung - davon ausgeht, die aktuell erreichte, zwar reduzierte aber leidlich stabile Lebensqualität der Beamten werde durch eine solche Maßnahme erheblich gefährdet. Auch hier fehlt die substantiierte Auseinandersetzung mit der Einschätzung der Polizeiärztin.

Auch die von der Beklagten im Berufungsverfahren weiter vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen entkräften die polizeiärztliche Einschätzung nicht. Der Bericht des Universitätsklinikums G... vom 20. Februar 2014 und das Attest von Dr. T. vom 27. März 2014 verhalten sich nicht zum hier maßgeblichen Zeitraum von der erstmaligen Aufforderung, sich der Therapie zu unterziehen, bis zur Erhebung der Disziplinarklage, sondern geben lediglich eine Momentaufnahme bezogen auf den Zeitpunkt des Berichts bzw. des Attestes wieder, wenn eine ambulante Therapie derzeit ausreichend erscheine bzw. eine stationäre psychosomatische Behandlung aktuell aufgrund der bestehenden psychophysischen Instabilität nicht indiziert sei.

Eine erneute stationäre Behandlung erscheint im Übrigen auch vor dem Hintergrund angezeigt, als sich die Beamtin nach Angaben von Dr. M. seit 2008 in seiner psychiatrischer Behandlung befindet, ohne dass sich eine erkennbare Besserung bezüglich ihrer Dienstfähigkeit erkennen lässt, zumal Dr. M. im Rahmen der psychiatrischen Therapie das Hauptaugenmerk auf die medikamentöse Behandlung und nicht auf eine Psychotherapie legt, die von der Polizeiärztin für erforderlich gehalten wird. Soweit sich die Beamtin flankierend zu ihrer medikamentösen Behandlung bei der Dipl.-Psychologin T. einer Psychotherapie unterzieht, vermag dies die für erforderlich gehaltene stationäre psychosomatische Behandlung nicht zu ersetzen, zumal diese Therapie nicht in dem hier maßgeblichen Zeitraum absolviert worden ist.

Es ist des Weiteren nicht erkennbar, dass durch die angeordnete Behandlung gesundheitliche Risiken für die Beamtin gegeben wären, zumal sich die Beklagte in der Vergangenheit wiederholt freiwillig stationären psychiatrischen und psychosomatischen Behandlungen unterzogen hat. Aus dem Umstand, dass im Jahre 2008 eine ambulante Psychotherapie abgebrochen werden musste, lässt sich nicht schließen, dass dies später in einer anderen Einrichtung mit anderen Ärzten auch geschehen könnte, zumal sich die Beamtin frei entscheiden kann, in welche Fachklinik sie sich begibt und ob dort ihren Bedürfnissen Rechnung getragen werden kann. Nicht zuletzt bestehen auch in finanzieller Hinsicht keine Bedenken gegen die Anordnung einer solchen Maßnahme, da die Beklagte zum einem privat versichert und zum anderen als Ruhestandsbeamtin beihilfeberechtigt ist. Hinsichtlich etwaiger nicht abgedeckter Kosten bestünde die Möglichkeit nach § 46 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BayBhV eine Erhöhung des Beihilfesatzes zu beantragen und im Falle einer immer noch bestehenden Unterdeckung an den Dienstherrn heranzutreten, der sowohl im Disziplinarverfahren als auch in der mündlichen Berufungsverhandlung erklärte, die (dann immer noch) nicht gedeckten Kosten zu übernehmen.

Es liegt schließlich auch kein ungerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin vor. Wie bereits oben dargelegt, ist ein Beamter verpflichtet, sich einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen. Im Widerstreit stehen hier das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG und die in den Art. 33 Abs. 5 GG grundgesetzlich verankerten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Bei der hier gegebenen Kollision zweier Grundrechtsnormen, die einerseits ein Recht geben und andererseits eine Pflicht auferlegen, ist für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines staatlichen Eingriffs eine nach dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip vorzunehmende Abwägung entscheidend. Die Anordnung des Dienstherrn ist danach dann als verfassungsgemäß anzusehen, wenn das besondere dienstliche Interesse für die Anordnung den dadurch bewirkten Eingriff in die Grundrechte des Beamten rechtfertigt, wobei das auf Art. 33 Abs. 5 GG beruhende Beamtenrecht den Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ausfüllt (vgl. BVerwG, B. v. 9.5.1990 - 2 B 48.90 - ZBR 1990, 261 - juris 3; BVerfG, U. v. 5.5.2015 - 2 BvL 17/09 u. a. - ZBR 2015, 250 - juris Rn. 123).

Nach diesen Grundsätzen besteht unter Berücksichtigung der 7 Jahre lang andauernden Dienstunfähigkeit und der bisher ersichtlich nicht erfolgreichen Therapieansätze kein Zweifel daran, dass eine 6-wöchige stationäre psychosomatische Behandlung eine angemessene Maßnahme zur möglichen (teilweisen) Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft darstellt, die auch zumutbar ist (vgl. BVerwG, U. v. 26.7.1983 - 1 D 98/82 - BVerwGE 76, 103 - juris Rn. 18; sich anschließend: BayVGH, U. v. 20.4.2005 - 16a D 04.531 - juris Rn. 35) und den Grundrechtseingriff damit rechtfertigt.

Es steht für den Senat fest, dass die Ruhestandsbeamtin schuldhaft keine geeigneten Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer vollen Dienstfähigkeit ergriffen hat. Von ihr wird das Erkennen der Forderung des Dienstherrn, eine Therapie durchzuführen, verlangt und zwar unabhängig davon, ob sie eine solche Behandlung für sich selbst für nötig hält oder nicht. Für die Beklagte war erkennbar, dass sie ohne entsprechende Schritte nicht mehr sachgerecht eingesetzt werden konnte. Indem sie dennoch die Durchführung einer stationären psychosomatischen Therapie unterließ, nahm sie die Folge dieser pflichtwidrigen Weigerung, den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit, in Kauf. Der Senat hält es damit für erwiesen, dass die Ruhestandsbeamtin vorsätzlich, zurechenbar und ohne Rechtfertigung die Durchführung einer stationären Behandlung, die auch für sie zumutbar war, verweigert hat.

Mit der Weigerung, die ärztlicherseits für erforderlich gehaltene und zumutbare stationäre psychosomatische Therapie anzutreten, hat die Beklagte zugleich gegen ihre Pflicht, dienstliche Anweisungen zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen. Der Gehorsamsverstoß war nicht schon deshalb rechtlich unbeachtlich, weil die Beklagte gegen die Anordnungen, eine stationäre Therapie anzutreten, Widerspruch eingelegt hat. Diesen Widersprüchen kam keine aufschiebende Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es sich bei den Anordnungen mangels Außenwirkung nicht um einen Verwaltungsakt handelte (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 - 2 C 17/10 - ZBR 2013, 128 - juris Rn. 15; BayVGH, B. v. 22.9.2015 - 3 CE 15.1042 - juris Rn. 22). Die Beamtin ist wiederholt auf die Gehorsamspflicht und etwaige disziplinare Folgen einer Weigerung hingewiesen worden, so dass der Senat insofern von einem vorsätzlichen Verstoß ausgeht.

2. Mit dem Abbruch der Untersuchung ihrer Dienstfähigkeit am 17. Juli 2012 hat die Beklagte ebenfalls gegen ihre Pflicht, dienstliche Anweisungen zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen. Auch insoweit liegt ein vorsätzlicher Weisungsverstoß vor.

IV. Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen sind nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, der sich nach § 47 Abs. 1 BeamtStG ergibt, einheitlich zu würdigen.

Das einheitliche Dienstvergehen führt zur Kürzung der Ruhestandsbezüge der Beklagten gemäß Art. 12 BayDG auf die Dauer von zwei Jahren um ein Zwanzigstel. Der Ausspruch dieser Maßnahme ist im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkung auf das Maß der Schuld unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit der Beamtin zur Überzeugung des Senats zur Ahndung des Dienstvergehens ausreichend, aber auch erforderlich.

1. Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach Art. 14 BayDG. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten. Aus Art. 14 Abs. 1 BayDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Pflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Bemessungskriterium „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion. Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds ist Ausdruck des Schuldprinzips und für die Bewertung bedeutsam, ob der Beamte trotz des Dienstvergehens weiterhin im Beamtenverhältnis tragbar ist (BVerwG, U. v. 19.8.2010 a. a. O. Rn. 21, U. v. 28.4.2010 a. a. O. Rn. 50).

2. Für den vorliegenden Fall ergibt sich danach Folgendes:

Bei der Bemessung der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme hatte der Senat zu berücksichtigen, dass es bei der zur Beurteilung stehenden Dienstverfehlung kein Regelmaß gibt, sondern stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind.

a. Die schwerste Dienstpflichtverletzung stellt vorliegend die Weigerung der Beamtin, sich einer stationären psychosomatischen Behandlung zu unterziehen, dar.

Das der Beklagten vorgehaltene Dienstvergehen wiegt schwer. Die Treuepflicht und die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz sowie zur Befolgung von Weisungen gebieten es dem Beamten, dem Dienstherrn seine ganze Arbeitskraft zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, demgemäß diese Arbeitskraft auch voll zu erhalten bzw. alles zur unverzüglichen Wiederherstellung zu tun.

Die Beamtin hat vorsätzlich gegen ihre Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf verstoßen und ein schweres Dienstvergehen begangen.

Die Erhaltung oder Wiederherstellung der Dienstfähigkeit als Voraussetzung für die Erfüllung der ihr nach dem Beamtenverhältnis obliegenden Pflichten ist auf dessen Substanz von erheblichen Einfluss: Ohne körperlich und geistig jederzeit voll einsetzbare Mitarbeiter ist die Verwaltung außerstande, die ihr im Interesse der Allgemeinheit auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen. Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ist durch körperlich bzw. geistig oder seelisch nicht oder nur beschränkt einsetzbare Beamte gefährdet. Das ist jedem Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bekannt. Die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten oder im gegebenen Fall durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, stellt daher eine Pflichtverletzung mit erheblichem disziplinaren Gewicht dar. Das muss jedenfalls gelten, wenn dienstliche Auswirkungen einer solchen Pflichtverletzung, wie hier die dauernde Dienstunfähigkeit, eingetreten sind. Hierin wird nicht nur ein Element der Dienstvergehensqualität, sondern zugleich auch die dienstrechtliche Schwere einer entsprechenden Pflichtverletzung offenbar.

Der Vorwurf wiegt jedoch nicht so schwer, dass er die disziplinare Höchstmaßnahme rechtfertigt. Denn dabei kann nicht außer Acht bleiben, dass sich die Beklagte bereits vor der entsprechenden Anordnung erfolglos einer stationären Behandlung unterzogen hat und sich mit ihrer Weigerung auf eine entsprechende Einschätzung ihres Therapeuten stützen konnte (vgl. BayVGH, U. v. 13.12.2006 - 16a D 05.1837 - juris Rn. 37/39).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 26.7.1983 - 1 D 98/82 - BVerwGE 76, 103 - juris Rn. 16) muss für den Fall, dass der Beamte (Ruhestandsbeamte) sich einer zumutbaren Behandlung nicht stellt, weil es für ihn keine Motivation der Behandlung gibt, und er es vielmehr darauf anlegt, ohne weitere Dienstleistung den Ruhestand zu erreichen (bzw. ihn sich zu erhalten), die fehlende Motivation geschaffen werden. Sie wird erreicht durch eine Disziplinarmaßnahme, die dem Beamten (Ruhestandsbeamten) deutlich macht, dass er Gefahr läuft, seine Beamtenrechte zu verlieren, wenn er weiterhin die Belange des Dienstherrn ignoriert.

Auf den hier konkret zu entscheidenden Fall angewendet bedeutet das:

Die Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere der subjektiven Seite, lässt es vertretbar erscheinen, gegenwärtig von der disziplinaren Höchstmaßnahme abzusehen. Zugunsten der Ruhestandsbeamtin kann gewertet werden, dass sie auf ihre behandelnden Ärzten vertrauend, die stationäre psychosomatische Behandlung abgelehnt hat. Aus der - von der Ärztin K. festgestellten - Uneinsichtigkeit der Beklagten gegenüber der für notwendig gehaltenen Therapie mag die Weigerung aus ihrer Sicht entschuldbar gewesen sein. Deshalb und auch vor dem Hintergrund eines bisherigen disziplinarischen Unbescholtenheit und demnach (naturgemäß) auch dem Fehlen einer einschlägigen Vorwarnung ist trotz fehlender Rechtfertigungsgründe zu erwarten, dass der Ruhestandsbeamtin eine Gehaltskürzung im mittleren Bereich den drohenden Verlust ihrer Beamtenrechte für den Fall hinreichend deutlich macht, dass sie ihr Verhalten nicht ändern sollte (BayVGH, U. v. 20.4.2005 - 16a D 04.531 - juris Rn. 39). Hinzu kommt der weitere Gehorsamsverstoß, Abbruch der Untersuchung zur Feststellung der Dienstfähigkeit, der von seiner Gewichtigkeit jedoch gering ist und zudem dadurch erheblich abgeschwächt ist, dass die Beklagte im Vorfeld der Untersuchung - wenngleich ausgesprochen kurzfristig - auf ihr Problem hingewiesen hatte, bestimmte - intime - Themen mit Männern zu besprechen, was zudem durch das Attest vom14. März 2008 belegt war, und sich nach dem Gespräch mit Prof. Dr. W. am Nachmittag in ärztliche Behandlung begeben musste und sich ausweislich des Attestes vom 22. Juli 2012 in einer akuten Konfliktsituation befand, die medikamentös bewältigt werden musste. Der Gehorsamsverstoß spielt damit hinsichtlich der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme eine untergeordnete Rolle.

In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände erscheint dem Senat die Kürzung des Ruhegehalts (Art. 12 BayDG) auf die Dauer von zwei Jahren angemessen und geboten. Der Senat hat in Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, U. v. 21.3.2001 - 1 D 29/00 - ZBR 2001, 362 - juris Rn. 20) den Kürzungsumfang auf ein Zwanzigstel des Ruhegehalts festgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Senats (BayVGH, U. v. 20.4.2005 - 16a D 04.531 - juris Rn. 39) gelten diese Grundsätze auch bei Ruhestandsbeamten.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die disziplinarrechtliche Ahndung eines von einem Feuerwehrbeamten innerdienstlich begangenen Diebstahls.

2

Der 1962 geborene Beklagte steht als Brandmeister im Dienst der Klägerin und wurde von der Klägerin wegen seiner Ausbildung zum Rettungsassistenten auch im Rettungsdienst eingesetzt. Der Beklagte ist 2003 wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug sowie 2005 wegen Entziehung elektrischer Energie zu Geldstrafen verurteilt worden.

3

Wegen des Vorfalls, der den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte hatte im Jahr 2006 einem stark alkoholisierten und bewusstlosen Patienten während der Fahrt im Rettungswagen einen 50 €-Schein entwendet, um diesen für sich zu behalten. Vom Fahrer des Rettungswagens, der ihn bei der Tat be-obachtet hatte, zur Rede gestellt, schlug der Beklagte zunächst vor, den Geldschein als Trinkgeld in die Gemeinschaftskasse zu geben. Der Fahrer bestand jedoch auf der Rückgabe des Geldes an den Patienten. Bei der Aushändigung des Geldscheins an einen Pfleger des Krankenhauses gab der Beklagte an, der Patient habe das Geld im Rettungswagen verloren. Noch während der Bewährungszeit dieser strafgerichtlichen Verurteilung und des laufenden Disziplinarverfahrens wurde der Beklagte wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt, die auch vollstreckt wurde.

4

Im Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Bei Gesamtwürdigung aller für und gegen den Beklagten sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit unwiederbringlich verloren habe. Mit dem Diebstahl im Rettungswagen habe der Beklagte ein einem Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn gleichzustellendes Dienstvergehen begangen. Das dem Patienten entwendete Geld sei dem Beklagten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich gewesen. Auf den Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sache könne sich der Beklagte nicht berufen, weil durch das Dienstvergehen weitere wichtige Interessen verletzt seien und die konkreten Umstände der Tatbegehung ihn zusätzlich belasteten. Andere anerkannte Milderungsgründe kämen ebenfalls nicht in Betracht. Es habe sich nicht um eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation gehandelt. Die sonstigen Verurteilungen des Beklagten zeigten, dass ihm der Zugriff auf fremdes Vermögen und Eigentum keineswegs persönlichkeitsfremd sei.

6

Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2013 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 2. September 2009 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen,

hilfsweise auf eine unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegende Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, §§ 13, 59, 65 und 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Wertung, der Beklagte sei bei Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch den innerdienstlich begangenen Diebstahl das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 3 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004 (- LDG NW -, GV. NRW S. 624), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW S. 622), endgültig verloren habe, ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 144 Abs. 2 VwGO).

9

Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 LDG NW richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.a). Da der Beklagte die ausweglose Lage des Patienten ausgenutzt hat, ist hier die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.b). Die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.c und d). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.e).

10

1. Nach den gemäß § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich der Beklagte eines Diebstahls schuldig gemacht. Der Beklagte hat dadurch schuldhaft seine Pflichten verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV. NRW S. 234 - LBG NW a.F. -). Er hat gegen die ihm obliegende Dienstpflicht verstoßen, sein Amt uneigennützig nach bestem Wissen zu verwalten (§ 57 Satz 2 LBG NW a.F.). Zugleich hat er die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten vorsätzlich und schuldhaft verletzt (§ 57 Satz 3 LBG NW a.F.).

11

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 10).

12

2. Nach § 13 Abs. 2 LDG NW und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>).

13

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

14

Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

15

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 37). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 <209 f.> und vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).

16

a) Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG NW aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <259>).

17

aa) Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat der Senat zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22, - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 31). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

18

Hiervon ausgehend hat der Senat für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften aus dem von April 2004 bis Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Weist ein Dienstvergehen indes, wie bei einem Lehrer oder einem Polizeibeamten, hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 33; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom 23. Januar 2014 - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

19

bb) Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Auf die bisher in der Praxis des Senats maßgebliche Einstufung eines Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt, für das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung sein soll, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen, kommt es nicht an. Diese Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 f., vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 12 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63. 11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15) gibt der Senat auf.

20

Die Strafgerichte haben den Beklagten wegen des zum Nachteil des bewusstlosen Patienten begangenen besonders schweren Falls des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB bestraft, weil der Beklagte beim Diebstahl die Hilflosigkeit des Patienten ausgenutzt hat. Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB reicht der Strafrahmen von drei Monaten Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

21

b) Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 LDG NW führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Die vom Oberverwaltungsgericht getroffene Entscheidung ist deshalb nicht zu beanstanden.

22

Gemäß § 13 Abs. 1 und 2 LDG NW ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 35). Bei der Ausübung des den Gerichten nach § 13 Abs. 1 LDG NW eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NW), ist jede Schematisierung zu vermeiden (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 36).

23

Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Der Beklagte hat die schutzlose Lage des verletzten und bewusstlosen Opfers, das ihm im Inneren des Rettungswagens ausgeliefert und dessen Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war, zum Diebstahl ausgenutzt. Da eine vollständige Kontrolle der Bediensteten aufgrund der Einsatzumstände ausgeschlossen ist, verlangt die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, deren Schutz Aufgabe der Disziplinarbefugnis ist, gerade im Bereich des Feuerwehr- und Rettungsdienstes, dass sich der Dienstherr und die Öffentlichkeit auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue der dort eingesetzten Beamten unbedingt verlassen können. Die Allgemeinheit muss darauf vertrauen können, dass Beamte im Feuerwehr- und Rettungsdienst das Eigentum sowie die sonstigen Rechte der Opfer achten und schützen und nicht deren Hilflosigkeit und die eigene Zugriffsmöglichkeit zu Eigentumsdelikten ausnutzen.

24

Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 38 f. m.w.N.).

25

c) Der in der Rechtsprechung entwickelte, "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt dem Beklagten nicht zugute.

26

Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit bei etwa 50 € anzusetzen (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - BVerwGE 145, 269 Rn. 82 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 16).

27

Der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache ist hier aber ausgeschlossen, weil der Beklagte durch die konkrete Tatausführung und sein sonstiges Verhalten zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

28

Tragend für diesen Milderungsgrund ist die Erwägung, bei einem Zugriff auf geringere Werte bestünden noch Persönlichkeitselemente, die den betroffenen Beamten noch tragbar und die Fortführung des Beamtenverhältnisses noch möglich erscheinen lassen. Dies ist insbesondere die Annahme, beim Beamten bestehe beim Zugriff auf höhere Werte noch eine Hemmschwelle und beim Zugriff auf lediglich geringwertige Sachen sei sein Unrechtsbewusstsein vermindert (BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318>).

29

Im Streitfall wird das Unrechtsbewusstsein des Beklagten jedoch nicht durch den Wert der entwendeten Sache bestimmt, sondern durch die äußeren Umstände der Tatbegehung. Der Beklagte hat eine Person bestohlen, deren Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war. Er hat den Umstand, dass der geschädigte Patient ihm wegen seiner Verletzung und seiner Bewusstlosigkeit ausgeliefert war, zum Diebstahl ausgenutzt.

30

Zudem liegt hier ein erschwerender Umstand vor, der die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beklagten trotz der objektiven Geringwertigkeit der entwendeten Sache ausschließt (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>). Der Beklagte ist im Vorfeld des Dienstvergehens bereits zweimal wegen Eigentums- und Vermögensdelikten nachteilig in Erscheinung getreten und hat sich diese Verurteilungen nicht zur Warnung dienen lassen. Im November 2010 ist der Beklagte zudem noch wegen eines während seiner Bewährungszeit begangenen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die auch vollstreckt wurde.

31

d) Auch andere in der Rechtsprechung "anerkannte" (klassische) Milderungsgründe, die typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des betroffenen Beamten erfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben, greifen nicht zu Gunsten des Beklagten ein.

32

Die Annahme, das Verhalten des Beklagten stelle sich als unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation dar (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999 - 1 D 31.98 - juris Rn. 19 m.w.N.), ist hier ausgeschlossen. Das Verhalten des Beklagten kann nicht als spontan, kopflos oder unüberlegt bewertet werden. Die Kontrolle der Wertgegenstände eines durch Rettungskräfte versorgten Patienten gehört zu deren Routine. Das Rettungspersonal muss regelmäßig die zu versorgende Person durchsuchen, etwa um die Krankenversicherungskarte zu finden. Auch bei der Rückgabe des Geldes hat der Beklagte durch die Behauptung, das Opfer habe den Geldschein im Rettungswagen verloren, seine Straftat zu verschleiern versucht.

33

Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens oder der Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2001 - 1 D 69.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 25 S. 14 m.w.N.) scheidet ebenfalls aus. Zum einen ist der Beklagte wegen seiner vorangegangenen Eigentums- und Vermögensdelikte nicht unbescholten. Zum anderen erweist sich die Übergabe des gestohlenen 50 €-Scheins an den Pfleger im Krankenhaus allein als Folge der hartnäckigen Vorhaltungen und Ermahnungen des Fahrers des Rettungswagens.

34

Der Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage kommt nicht zur Anwendung, weil der Beklagte den Diebstahl nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht aus Armutsgründen begangen hat. Dieser "anerkannte" Milderungsgrund setzt aber voraus, dass der Beamte Gelder oder Güter zur Minderung oder Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 74).

35

Die Annahme der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist aufgrund der das Revisionsgericht nach § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ausgeschlossen.

36

Schließlich kommt auch der "anerkannte" Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" dem Beklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zugute. Dieser setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind (BVerwG, Urteile vom 18. April 1979 - 1 D 39.78 - BVerwGE 63, 219 <220> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 230.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 36). Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht "vorübergehend aus der Bahn geworfen". Seine Arbeitsleistung war nicht eingeschränkt, er nahm keine Medikamente ein und konnte seine dienstlichen Pflichten im Rettungsdienst uneingeschränkt erfüllen. Nach der eigenen Einschätzung des Beklagten handelte es sich bei dem konkreten Einsatz um einen Routinefall. Auch die Debatte des Beklagten mit dem Fahrer des Rettungswagens, wie mit dem gestohlenen Geld zu verfahren sei, belegt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat mit Bedacht handeln konnte. Auch litt der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat nicht unter einem akuten finanziellen Engpass, den er durch den Diebstahl hätte überwinden können. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht alkoholabhängig und hatte den Dienst auch nicht alkoholisiert angetreten.

37

e) § 13 Abs. 2 LDG NW sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass - über die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe hinaus - bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261 ff.>, vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 14 ff. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 25).

38

Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW).

39

Die Strafgerichte haben die Tat mit einer Freiheitsstrafe geahndet, die sich der Beendigung des Beamtenverhältnisses allein wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung annähert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Feuerwehrbeamte, die zur Brandbekämpfung oder im Rettungsdienst eingesetzt werden, genießen wegen der von ihnen bekämpften Gefahren und Schäden sowie der häufigen Selbstlosigkeit ihres Einsatzes eine besondere Vertrauensstellung. Diese wird durch einen Diebstahl zerstört, bei dem der Beamte die Eigenarten des Einsatzes, hier die alleinige Betreuung des Patienten während der Fahrt zum Krankenhaus, sowie dessen Hilflosigkeit ausnutzt. Die Rückgabe des Geldes beruhte nicht auf der eigenen Einsicht des Beklagten, Unrecht begangen zu haben, sondern auf dem Druck des Kollegen, der den Beklagten beim Diebstahl beobachtet und zur Rückgabe des Geldes gedrängt hatte. Bei der Rückgabe des Geldscheins versuchte der Beklagte noch seine Straftat zu verschleiern. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte für seinen verantwortlichen Dienst als Rettungsassistent voll einsatzfähig. Er war auch in der Lage, seinen Alkoholkonsum zu steuern. Die vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten hat sich der Beklagte nicht zur Warnung gereichen lassen. Die Disziplinarklage mit dem Ziel, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, hat die Klägerin bereits im März 2007 erhoben. Ungeachtet dieser drohenden Folge des Disziplinarverfahrens hat der Beklagte im Juli 2010 einen weiteren Diebstahl begangen. Damit hat er dokumentiert, dass er fremdes Eigentum nicht zu respektieren bereit ist. Als Feuerwehrmann wäre der Beklagte beim Einsatz im Bereich der Brandbekämpfung oder des Rettungsdienstes aber immer wieder mit dem Eigentum Dritter befasst, die sich regelmäßig in einer hilflosen Lage befinden und deshalb den Rettungskräften faktisch ausgeliefert sind.

40

3. Der Senat weist darauf hin, dass der Beklagte durch die Aufgabe der Regeleinstufung bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen (oben Rn. 19) nicht benachteiligt wird. Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wäre die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Richtschnur für die Bemessungsentscheidung gewesen und wäre der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache nicht zur Anwendung gekommen:

41

Der Beklagte hat nicht auf finanzielle Mittel des Dienstherrn, sondern auf Vermögenswerte eines Dritten zugegriffen, die ihm aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich waren. Dieses Dienstvergehen wäre nach der bisherigen gerichtlichen Praxis einem Zugriffsdelikt zum Nachteil des Dienstherrn gleichzustellen gewesen, weil der Beklagte im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt hat (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 16 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15 m.w.N.).

42

Der Umstand, dass der Beklagte durch den Diebstahl auf das Eigentum einer hilflosen Person zugegriffen hat, die zu schützen ihm dienstlich oblag, wäre nach Maßgabe des § 13 LDG NW auch bei der Prüfung des anerkannte Milderungsgrundes der Geringwertigkeit der Sache zu berücksichtigen gewesen. Der Beklagte hat die hilflose Lage einer ihm anvertrauten Person ausgenutzt. Durch diese konkrete Tatausführung wird der Beklagte zusätzlich belastet, so dass der Umstand, dass er nur eine geringwertige Sache gestohlen hat, zurücktritt. Zudem ist der Beklagte mehrfach wegen Eigentums- und Vermögensdelikten verurteilt worden und hat sich diese nicht zur Warnung gereichen lassen (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

43

4. Anlass, die gesetzliche Laufzeit des Unterhaltsbeitrages (§ 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NW) abzuändern, besteht nicht.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

I. Die 19... in M. geborene Beklagte beendete ihre Schullaufbahn 1977 mit dem qualifizierten Hauptschulabschluss. Danach absolvierte sie eine Lehre als Buchbinderin, die sie mit der Gesellenprüfung abschloss. Von 1979 bis 1990 war die Beklagte in der Verlags-Sortiments-Buchbinderei L. tätig. Zum 1. Juli 1990 wurde sie als Justizangestellte beim Oberlandesgericht M. eingestellt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1992 wurde die Beklagte zur Justizoberwachtmeisterin z. A. und mit Wirkung zum 1. Januar 1993 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Justizoberwachtmeisterin ernannt. Zum 1. Januar 1997 folgte die Ernennung zur Justizhauptwachtmeisterin, am 1. Mai 2003 die Ernennung zur Ersten Justizhauptwachtmeisterin und am 1. Januar 2011 zur Justizsicherheitssekretärin.

Die Beklagte ist ledig und bezieht um 50 Prozent gekürzte Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 6.

In der letzten periodischen Beurteilung von 2008 erhielt die Beklagte das Gesamturteil 10 Punkte.

II. Die Beklagte ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

Mit Urteil des Amtsgerichts M. vom 11. Januar 2012 (Az.: 821 Cs 125 Js 12277/10) wurde die Beklagte wegen Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit Verletzung des Briefgeheimnisses in Tateinheit mit Diebstahl in Tatmehrheit mit Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Im Urteil wurden folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

1. Am 16.2.2010 war die Angeklagte als Beamtin in der Posteinlaufstelle des AG M. in der I.-straße ... in M. eingesetzt. Im Posteinlauf dieses Tages befand sich ein Brief der Rechtsanwälte G. und Kollegen an die Gerichtsvollzieher Verteilerstelle des AG M., dem ein Schreiben vom 12.2.2010 und 30,- € Bargeld beilagen. Zu jeweils nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten am 16.2.2010 öffnete die Angeklagte zunächst diesen Brief und stempelte das Schreiben - anstatt mit dem ihr selbst zugewiesenen Einlaufstempel - unberechtigt unter Ausnutzung der ihr aus ihrem Amt erwachsenen Möglichkeiten mit dem ihres Kollegen D. über die entsprechende Kennziffer 6 zugewiesenen Stempel, um über die Person des den Brief öffnenden Beamten zu täuschen. Außerdem entnahm die Angeklagte den Bargeldbetrag von 30,- € und entwendete diesen, um ihn für sich zu behalten.

2. Zu einem weiteren nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkt Ende Mai 2010 entwendete die Angeklagte ebenfalls in der Einlaufstelle des AG M. in der I.-straße in M. einen an ihren Kollegen W. persönlich andressierten, per Post eingegangenen Brief, der einen Handyakku Motorola BT 50 im Wert von 6,65 € enthielt, um ihn und seinen Inhalt zunächst für sich zu behalten und den Akku schließlich unter Vorspiegelung ihrer Eigentümerstellung bei ebay zu versteigern.

3. Am 15.6.2010 entwendete die Angeklagte erneut in der Einlaufstelle des Amtsgerichts M. in der I.-straße ... in M. ein an ihren Kollegen W. persönlich adressiertes, als Warensendung präpariertes Päckchen ohne Inhalt, um es für sich zu behalten.

Auf die Berufung der Beklagten hielt das Landgericht M. I mit seit 17. Juli 2012 rechtskräftigem Urteil vom 9. Juli 2012, das Urteil des Amtsgerichts M. vom 11. Januar 2012 mit der Maßgabe aufrecht, dass die Beklagte wegen Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit Verletzung des Briefgeheimnisses in Tateinheit mit Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde. Das Urteil beruhte auf einer Verfahrensabsprache gemäß § 257 c StPO. Dem Urteil liegen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:

Infolge der Berufungsbeschränkung stehen der Sachverhalt hinsichtlich der Fälle 1 und 2 sowie der Schuldspruch rechtskräftig fest. Insoweit wird auf die Ausführungen des Urteils des Amtsgerichts M. verwiesen.

Die Angeklagte gab ergänzend an, dass sie sich damals überfordert gefühlt habe. Seit Anfang 2010 gehe es der Mutter so schlecht, dass sie sich täglich um sie kümmern müsse. Darüber hinaus habe es in der Arbeit immer wieder Probleme gegeben, insbesondere Unstimmigkeiten mit Herrn W. Die 30,- € bzw. den Akku habe sie nicht benötigt. Sie habe sich aber, nachdem es kurz zuvor wieder eine Auseinandersetzung gegeben habe, zu der Kurzschlussreaktion hinreißen lassen.“

Von der Verfolgung des Falles 3 war gemäß § 154 Abs. 2 StPO durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom9. Juli 2012 abgesehen worden.

III.Mit Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft M. vom 12. August 2010 wurde gegen die Beklagte ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das mit Verfügungen vom 12. November 2010 und 25. Mai 2011 ausgedehnt wurde. Nach Abschluss des Strafverfahrens wurde das mittlerweile aufgrund der strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzte Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 25. Juli 2012 fortgesetzt.

Mit Verfügung vom 10. August 2012 wurde die Beklagte mit sofortiger Wirkung des Dienstes enthoben. Mit Verfügung vom 5. Dezember 2012 wurden zunächst die monatlichen Dienstbezüge in Höhe von 20 Prozent, mit Verfügung vom 7. März 2013 dann in Höhe von 50 Prozent einbehalten.

Mit Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft M. vom 14. Januar 2013 wurde der Beklagten gemäß Art. 32 BayDG die Gelegenheit zur abschließenden Anhörung gegeben, von der die Beklagte mit Schreiben vom 23. Januar 2013 Gebrauch machte.

IV. Am 22. Februar 2013 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Klage beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag, die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Grundlage hierfür waren neben den dem Urteil des Amtsgerichts unter den Ziffern 1 -3 zugrundeliegende „Sachverhalte“, auch folgende innerdienstliche Vorwürfe:

1. - 3. (s. oben unter Abschnitt 2, Ziff. 1 - 3).

4. Die Beklagte habe entgegen des § 6 Abs. 1 der Dienstanweisung für die gemeinsamen Zugangsstellen der Justizbehörden vom30. Juni 2006 die Abdrucke der Schriftsätze nicht abgestempelt, und zwar vom 2. Juni bis 8. Juni 2010 in 90% der Eingänge.

5. Die Beklagte habe wiederholt gegen § 8 Abs. 3 der Dienstanweisung für die gemeinsamen Eingangsstellen der Justizbehörden verstoßen, wonach der Eingang von Zahlungsmitteln dauerhaft mit Unterschrift zu bescheinigen ist.

6. Der frühere Leiter der Eingangsstelle V habe der Beklagten untersagt, privat zu kopieren. Dennoch habe die Beklagte täglich private Kopien, insbesondere aus der Süddeutschen Zeitung sowie den Speiseplänen gefertigt, ohne diese zu bezahlen. Erst ab März 2010 habe sie damit aufgehört.

7. Der Vorgesetzte W. habe der Beklagten untersagt, sich in erheblichem Umfang private Post an ihre Dienstanschrift zusenden zu lassen. Die Beklagte habe dennoch in der Zeit vom 19. April 2010 bis 28. Mai 2010 27 private Sendungen erhalten.

8. Die Beklagte habe während der Dienstzeit viele private Telefonate mit ihrem Handy geführt. Obwohl ihr Vorgesetzter (Herr P.) sie angewiesen habe, die privaten Telefonate deutlich zu reduzieren oder zu unterlassen, habe die Beklage am 9. Juni 2010 27 eingehende und 22 abgehende private Telefonate mit ihrem Handy geführt.

9. Im Dezember 2009 habe die Beklagte auf ihrem privaten Handy einen als verfassungsfeindlich einzustufenden Handyrufton (Hitlergruß) verwendet. Auf Hinweis habe sie diesen geändert.

10. Die Beklagte habe zumindest im April 2010 gegen die Zielvereinbarung vom 20. Dezember 2004, wonach sie täglich eine frisch gewaschene Dienstbluse anzuziehen habe und die Diensthose spätestens nach drei Tagen zu wechseln, zu lüften und zu reinigen habe, verstoßen. Sie sei mit verschmutzter Dienstkleidung zum Dienst erschienen und habe einen unangenehmen Geruch verbreitet. Sie habe auch verschmutzte Dienstkleidung in ihrem Dienstschrank aufbewahrt.

11. Am 13. August 2010 habe die Beklagte Herrn Justizangestellten A. gefragt, wie er seinen Geburtstag verbracht habe. Auf seine Frage, woher sie diese Informationen habe, habe die Beklagte mitgeteilt: „ich sitze gerade über deinen Scheidungsakten von 1988“.

12. Am 14. Februar 2011 sei die Beklagte dienstunfähig erkrankt gewesen und habe für diesen Tag ein ärztliches Attest vorgelegt. Vom 15. Februar 2011 bis 21. Februar 2011 sei sie nicht zum Dienst erschienen und habe ihre Dienstunfähigkeit nicht angezeigt sowie keine ärztliche Bescheinigung vorgelegt. Am 22. Februar 2011 sei die Beklagte nicht zum Dienst erschienen, habe jedoch telefonisch Urlaub beantragt, der ihr genehmigt worden sei. Für den 23. Februar 2011 habe sie sich erneut krank gemeldet. Am 24. Februar 2011 sei sie wiederum nicht zum Dienst erschienen. Sie habe dem Vorzimmer der Abteilung 3 mitgeteilt, dass sie bis 1. März 2011 krankgeschrieben sei. Am 25. Februar 2011 sei beim Amtsgericht M. ein Attest des Dr. med. O. vom 24. Februar 2011 eingegangen, das ihre Arbeitsunfähigkeit vom 14. Februar 2011 bis 1. März 2011 bescheinigt habe.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. Mai 2013 wurde die Beklagte wegen eines Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die der Beklagten zur Last gelegten Dienstvergehen hielt das Gericht für erwiesen. Hinsichtlich des Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit Verletzung des Briefgeheimnisses in Tateinheit mit Diebstahl bestehe die Bindungswirkung des Urteils des Landgerichts M. I vom 9. Juli 2012 (Ziff. 1 und 2 der Disziplinarklage). Die Entwendung der an den Kollegen W. adressierten Warensendung (Ziff. 3 der Disziplinarklage) habe die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ebenso eingeräumt wie die weiteren innerdienstlichen Dienstvergehen (Ziff. 4 -12 der Disziplinarklage), für die keine Bindungswirkung durch das Strafurteil bestehe. Der Umstand, dass sie auf den Kollegen W. sauer gewesen sei, weil er sie angeschrien und bei der Gruppenleiterin hingehängt habe, rechtfertige die Kollegendiebstähle in keiner Weise. Auch der Hinweis der Beklagten, keiner ihrer Kollegen habe nach § 6 Abs. 1 und § 8 Abs. 3 der Dienstanweisung gearbeitet, könne sie nicht entlasten. Ebenso wenig der nunmehr angeführte Stress in der Arbeit und zu Hause. Hätten die behaupteten Umstände wirklich vorgelegen, hätte die Beklagte sich zum damaligen Zeitpunkt sicher darauf berufen. Insgesamt habe die Beklagte ein äußerst schweres innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Das Schwergewicht der innerdienstlichen Verfehlungen liege dabei auf den strafbaren Handlungen, nämlich dem Diebstahl, der Urkundenfälschung, der Verletzung des Briefgeheimnisses und den beiden Kollegendiebstählen. Aber auch den Weisungsverstößen komme aufgrund ihrer Häufigkeit und Intensität erhebliche Bedeutung zu. Bei einer Gesamtabwägung aller be- und entlastenden Umstände könne von der disziplinaren Höchstmaßnahme nicht abgesehen werden. Die Beklagte habe ihr dienstlich anvertrautes Geld entwendet und um ihre Täterschaft nach außen zu verschleiern den Verdacht auf einen Kollegen gelenkt. Hierdurch habe sie eine Urkundenfälschung in einem besonders schwerem Fall begangen. Die Diebstähle der an den Kollegen W. gerichteten zwei Postsendungen stellten sich als Kollegendiebstähle, in einem Fall mit Verletzung des Briefgeheimnisses dar. Die Beklagte sei gezielt und mit erheblicher krimineller Energie vorgegangen, indem sie den Diebstahl des Geldes durch die Verwendung des Stempels des Kollegen zu kaschieren suchte. Bei den Kollegendiebstählen sei sie ihrem Plan gefolgt, dem Kollegen zu schaden und ihn zu ärgern, weil sie sich ungerecht behandelt gefühlt habe. Die der Beklagten durch ärztliches Attest ihrer behandelnden Ärztin vom 7. März 2013 bescheinigte außerordentliche Belastung durch die Demenzkrankheit ihrer Mutter begründe weder eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit noch eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit. Sowohl dem Diebstahl dienstlich anvertrauten Geldes als auch dem Kollegendiebstahl komme disziplinarisch ein besonders erhebliches Gewicht zu, das in der Regel zur Entfernung aus dem Dienst führe. Hinzu komme, dass die Beklagte bei der Wegnahme der für den Kollegen W. eingegangenen Briefsendung eine typische Alltagssituation ausgenutzt habe. Der Zugriff auf Vermögenswerte des Kollegen wiege nicht weniger schwer, weil es sich bei der einen Postsendung lediglich um einen Handyakku im Wert von 6,65 Euro und bei der anderen um ein präpariertes Fangpäckchen gehandelt habe. Dies sei für die Beklagte bei der Tatbegehung nicht zu erkennen gewesen. Selbst wenn man zu ihren Gunsten den geringen Wert der entwendeten Gegenstände mildernd berücksichtige, könne von der Höchstmaßnahme nicht abgesehen werden, da die konkrete Tatausführung und ihr sonstiges dienstliches Verhalten sie zusätzlich belasteten. Sie sei leicht einsehbaren Weisungen ihrer Dienstvorgesetzten inklusive einer Zielvereinbarung nicht nachgekommen. Auch die Versetzung in die Hauptregistratur habe zu keiner Verhaltensänderung geführt. Sie habe dort unbefugt Einblick in die Scheidungsakte eines Kollegen genommen und weisungswidrig ein erforderliches Attest nicht bzw. erst verspätet vorgelegt. Zwar spreche die bisherige disziplinarrechtliche und strafrechtliche Unbescholtenheit zugunsten der Beklagten, dies führe aber nicht dazu, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könne. Das Vertrauen in die Beklagte sei endgültig erloschen.

Ein in der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2013 gestellter Antrag, Beweis zu erheben dafür, dass bei der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum von Mitte 2009 bis Anfang 2011 eine erhebliche persönliche Überlastungs- und Ausnahmesituation durch die Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter und die Mobbingsituation am Arbeitsplatz bestanden habe, die für das Verhalten der Beklagten zumindest wesentlich mitursächlich gewesen sei, durch Einvernahme der behandelnden Ärztinnen Dr. S. und Dr. H. und Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts als verspätet zurückgewiesen.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. Mai 2013 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen.

Im Rahmen der Berufungsbegründung wurde vorgetragen, dass das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt habe, dass lediglich die Dienstvergehen gemäß Ziffer 1 und 2 (der Disziplinarklage) in Rechtskraft des Berufungsurteils des Landgerichts M. I vom 9. Juli 2016 erwachsen seien, nicht jedoch Ziffer 3. Hier sei vom Landgericht M. I gemäß § 154 Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung abgesehen worden. Auch im Hinblick auf die rechtskräftig abgeurteilten Sachverhalte (Ziff. 1 und 2) sei keine Bindungswirkung gemäß Art. 25 und 55 BayDG eingetreten, da es zu einer strafrechtlichen Verurteilung der Beklagten wegen dieser Vorfälle nur aufgrund einer Verfahrensabsprache gemäß § 257c StPO gekommen sei. Ein eigentliches Geständnis im klassischen Sinn habe im strafgerichtlichen Verfahren nicht vorgelegen. Das Verwaltungsgericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass die Eingangstempel in der Posteinlaufstelle nicht dauerhaft zugeordnet gewesen, sondern jeden Morgen neu verteilt worden seien. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass es bei den Eintragungen der Stempelnummern in Bezug auf die Bediensteten zu Verwechslungen gekommen sei. Der Verletzung des Briefgeheimnisses müsse die unzulässige Handhabung des Kollegen gegenübergestellt werden, sich private Warensendungen an den Arbeitsplatz liefern zu lassen. Vor der angeblichen Entwendung einer präparierten Warensendung ohne Inhalt sei es zu einer erheblichen Provokation der Beklagten durch den betroffenen Kollegen gekommen, zudem habe sie keinesfalls in Zueignungsabsicht gehandelt. Die Überlegung des Verwaltungsgerichts, den Milderungsgrund des Unterschreitens der Geringwertigkeitsschwelle wegen der Begleitdelikte (Urkundenfälschung, Verletzung des Briefgeheimnisses) auszuschließen, greife daher zu kurz. Die die Beklagte entlastenden Gesichtspunkte wie die bisherige Unbescholtenheit und die letzte dienstliche Beurteilung mit 10 Punkten hätten in der Prognoseentscheidung keine ausreichende Berücksichtigung gefunden. Diese genüge deshalb insgesamt nicht den durch das Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen. So könne es bei einem einmaligen Fehlverhalten (Zugriffsdelikt) ohne belastende Begleitumstände mit einem begrenzten Schaden ernsthaft in Betracht kommen, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen. Das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung in fehlerhafter Weise auch nicht berücksichtigt, dass die der Beklagten vorgeworfenen Zugriffsdelikte durch eine gravierende Mobbingsituation gegen die Beklagte mit einem ihr gegenüber verbundenen Aggressionsverhalten sowie durch ihre persönliche Überlastung zumindest mitverursacht sein könnten. Für die prognostische Gesamtwürdigung hätte die Motivlage der Beklagten miteinbezogen werden müssen. Die Beklagte sei auch wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter in einer persönlichen Überlastungs- und Ausnahmesituation gewesen, die ihre Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt der vorgehaltenen Vorfälle eingeschränkt habe. Zum Beweis seien ärztliche Atteste vorgelegt worden. Zudem werde auf die Stellungnahme der die Beklagten nunmehr behandelnden Therapeutin vom 3. September 2013 verwiesen. Ohne Begründung habe das Verwaltungsgericht eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit bzw. eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit der Beklagten verneint. Ein entsprechender Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sei ebenfalls ohne Begründung als verspätet zurückgewiesen worden.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend von der Bindungswirkung der Feststellungen im Strafurteil des Landgerichts M. I ausgegangen, zumal Zweifel an der Richtigkeit nicht bestünden. Die strafrechtlich rechtskräftig abgeurteilten Sachverhalte habe die Beklagte auch eingeräumt. Auch im Hinblick auf die weiteren Sachverhalte sei die Beklagte im Wesentlichen geständig gewesen, die Verfahrensabsprache wirke sich nicht auf die Bindungswirkung der Feststellungen aus. Das Verwaltungsgericht habe eine sorgsame Abwägung vorgenommen und das sonstige Verhalten der Beklagten bei der Tatausführung einfließen lassen. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit eine Mobbingsituation, die im Übrigen auch nicht näher dargelegt worden sei, eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit zur Folge gehabt haben soll. Die von der Beklagten vorgebrachte außergewöhnliche Belastung durch die Demenzkrankheit ihrer Mutter könne weder eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit noch eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit begründen. Hiervon sei auch das Landgericht M. I in seinem rechtskräftigen Urteil ausgegangen. Das Verwaltungsgericht sei dem Beweisantrag deshalb zu Recht nicht nachgekommen. Im Übrigen sei nicht ansatzweise dargetan, worauf die angeblich verminderte Schuldfähigkeit der Beklagten - gemessen an den vier Eingangskriterien der Vorschrift des § 20 StGB - beruhen sollte. Hierzu treffe die Stellungnahme der behandelnden Psychotherapeutin vom 3. September 2013 ebenso wenig eine Aussage, wie zum Grad einer solchen Erkrankung bzw. Störung.

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2014 hat der Senat die Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet zu den Fragen,

- ob bei der Beklagten im Zeitraum von Mitte 2009 bis Anfang 2011 mindestens eines der in § 20 StGB genannten Krankheitsbilder vorgelegen hat und deswegen ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen oder erheblich vermindert war (§§ 20, 21 StGB).

- Falls ja: Ob dieses erfolgreich behandelt wurde und ähnliche Pflichtverstöße nicht mehr eintreten werden.

- Falls nein: Kam der Zustand der Beklagten in diesem Zeitraum der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nahe und hat sie diese schwierige Lebensphase nunmehr vollständig überwunden, so dass ähnliche Pflichtverstöße nicht mehr eintreten werden.

Laut Gutachten von Prof. Dr. W. vom 1. September 2015 wurde festgestellt, dass bei der Beklagten eine mittelgradige depressive Episode bestehe, sich aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Aufhebung oder Minderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Beklagten im Zeitraum der Tathandlungen ergäben. Die psychosoziale Situation der Beklagten habe sich im Jahr 2010 aufgrund der Doppelbelastung durch die Veränderungen am Arbeitsplatz und die Versorgung der demenzkranken Mutter zwar als sehr schwierig dargestellt, ob dieser Zustand jedoch einer Minderung der Steuerungsfähigkeit gleichgekommen sei, müsse aus psychiatrischer Sicht mangels objektivierbarer Angaben und fehlender ärztlicher Unterlagen offenbleiben. Dagegen spreche das von der Beklagten in der Untersuchung eingeräumte normalpsychologisch erklärbare Motiv der Unzufriedenheit und Missachtung am Arbeitsplatz.

Mit Schriftsatz vom 6. November 2015 ließ die Klägerin sowohl formale als auch materielle Mängel des Gutachtens geltend machen. Das Gutachten sei nicht ordnungsgemäß erstellt worden, die in Bezug genommenen Zusatzgutachten würden nicht in unterschriebener Form vorliegen, sondern lediglich zitiert. Es könne deshalb nicht beurteilt werden, ob diese vollständig und sinngemäß wiedergegeben seien. Die Ausführungen zur Motivlage der Beklagten würden eine unhaltbare Vermutung darstellen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts S. vom 15. September 2015 (2 Ds 47 Js 40515/14) wurde die Beklagte wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen à 20,-- Euro verurteilt.

Folgender Sachverhalt lag zugrunde:

1. Am 20.7.2014 gegen 20:00 Uhr nahm die Angeklagte in der S-Bahn Linie S 8 (Zug-Nr. 6894) in Fahrtrichtung H., zwischen den Haltepunkten S. und S.-H. den vom Geschädigten N... auf der Gepäckanlage vergessenen Rucksack der Marke Deuter an sich. Im Rucksack befand sich eine Digitalkamera der Marke Nikon P520 und weiße Kopfhörer der Marke WESC. Außerdem befand sich ein Anaphylaxie Notfallset mit einer Bestätigung des Hausarztes und Name und Adresse des Geschädigten im Rucksack. Die Angeklagte verließ die S-Bahn an der Haltestelle S.-H. und stieg in den zweiten Wagenteil, um den Rucksack samt Inhalt im Gesamtwert von ca. 400 Euro für sich zu behalten.

2. Am 28.9.2014 gegen 17:45 Uhr nahm die Angeklagte in der S-Bahn Linie S 8 in Fahrtrichtung H. zwischen den Haltepunkten S. und S.-H. die schwarze Tasche der Geschädigten S. an sich und verließ die Bahn an der Haltestelle S.-H., um die Tasche samt Inhalt für sich zu behalten. Die Geschädigte hatte zuvor den Sitzplatz gewechselt und die Tasche am ursprünglichen Platz vergessen. In der Tasche befand sich ein rosa Dirndl, zwei Paar Schuhe, eine Strickjacke, ein Lebkuchenherz, sowie eine Getränkeflasche im Gesamtwert von ca. 200 Euro.

Aufgrund dieser Sachverhalte wurde mit Verfügung vom 27. Januar 2015 durch den Präsidenten des Amtsgerichts M. ein weiteres Disziplinarverfahren gegen die Beklagte eingeleitet.

Der Senat hat am 11. Mai 2016 mündlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift verwiesen.

V. Ergänzend wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen. Dem Senat haben diesbezüglich die Strafakten der Staatsanwaltschaft M. I sowie die Disziplinarakten und Personalakten vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) verhängt.

I. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht - wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - keine Mängel auf. Solche sind auch vom Beklagten im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

II.Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts erwiesen.

1. Der der Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte Sachverhalt (Ziffer 1 und 2 der Disziplinarklage), wie er dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 9. Juli 2012 zugrunde liegt, steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 HS. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im Berufungsverfahren bindend.

Der Bindung unterliegen die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts, die den objektiven und subjektiven Tatbestand der verletzten Strafnorm, die Rechtswidrigkeit der Tat, das Unrechtsbewusstsein (§ 17 StGB) sowie die Frage der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB betreffen. Hierzu gehören nicht nur die äußeren Aspekte des Tathergangs, sondern auch die Elemente des inneren Tatbestands wie etwa Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie Zueignungs- oder Bereicherungsabsicht (BayVGH, U. v. 12.3.2013 - 16a D 11.624 - juris Rn. 36).

Aufgrund des Urteils des Landgerichts M. vom 9. Juli 2012 steht fest, dass die Beklagte die Diebstähle unter Ziff. 1 und 2 - einmal in Tateinheit mit Urkundenfälschung, einmal in Tateinheit mit einer Verletzung des Briefgeheimnisses - begangen hat (§§ 202 Abs. 1 Nr. 1, 205, 242 Abs. 1, 248 a, 267 Abs. 1 und 3 Satz 2 Ziff. 4, 52, 53 StGB). Sie entwendete dienstlich anvertrautes Geld in Höhe von 30,- Euro unter Verwendung eines dem Kollegen zugewiesenen Stempels, um über die Person des den Brief öffnenden Beamten zu täuschen, und nahm unter Verletzung des Briefgeheimnisses eines Kollegen dessen Warensendung in Form eines Handyakkus an sich. Diese tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts M. vom 11. Januar 2012 sind aufgrund der Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht M. I am 9. Juli 2012 rechtskräftig geworden. Hierauf wurde im Berufungsurteil ausdrücklich Bezug genommen (... Infolge der Berufungsbeschränkung stehen der Sachverhalt hinsichtlich der Fälle 1 und 2 sowie der Schuldspruch rechtskräftig fest. Insoweit wird auf die Ausführungen des Urteils des Amtsgerichts M. verwiesen ...). Die Ausführungen der Beklagten zu einer möglichen Verwechslung bei der Verwendung der Stempel bzw. zur Verletzung des Briefgeheimnisses gehen deshalb ins Leere.

Der Senat hat keinen Anlass, sich aufgrund des Vorbringens der Beklagten von den Feststellungen des Strafgerichts zu lösen (Art. 55 HS. 2 i. V. m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Die Disziplinargerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils i. S. d. Art. 25 Abs. 1 BayDG zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn diese offenkundig unrichtig sind und sie daher „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Hierunter fällt auch, wenn dem Strafurteil eine Urteilsabsprache zugrunde liegt, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügt (BayVGH, B. v 21.1.2015 - 16a D 13.1904 - juris Rn. 60 m. w. N.). Eine Bindungswirkung ist jedoch nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Berufungsurteil im Hinblick auf die Rechtsfolgen auf einer Verfahrensabsprache gemäß § 257 c StPO beruht. Substantiierte rechtliche Beanstandungen hat die Beklagte diesbezüglich nicht vorgetragen (BVerwG v. 26.8.2010 - 2 B 43/10 - juris Rn. 6). Eine Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen ergibt sich aufgrund der Rechtsfolgenbeschränkung bereits aus dem erstinstanzlichen Urteil.

2. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Beklagte auch den unter Ziff. 3 der Disziplinarklage vorgeworfenen Diebstahl begangen hat.

Aus den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts M. im Urteil vom 11. Januar 2012 ergibt sich, dass die Beklagte am 15. Juni 2010 ein an ihren Kollegen W. persönlich adressiertes Päckchen ohne Inhalt entwendet hat, um es für sich zu behalten. Zwar erlangten diese tatsächlichen Feststellungen mangels ausdrücklicher Berufungsbeschränkung auf die Rechtsfolgen und anschließender Einstellung vor dem Landgericht M. I in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2012 gemäß § 154 Abs. 2 StPO keine Bindungswirkung gem. Art. 25 Abs. 1 BayDG. Diese Feststellungen können aber gemäß Art. 25 Abs. 2, 55, 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG zugrunde gelegt werden (Zängl, Kommentar zum BayDG, Stand: Februar 2011, Art. 25 Rn. 20) und entfalten eine indizielle Wirkung.

Der Sachverhalt wurde im Rahmen des erstinstanzlichen Strafverfahrens und der Gutachtenserstellung durch die Beklagte auch eingeräumt. Ihren Vortrag, sie habe lediglich einen Scherz mit ihrem Kollegen W. machen wollen, hält der Senat angesichts der Zeugenaussagen vor dem Amtsgericht M. und dem eigenen Vorbringen der Beklagten für nicht glaubwürdig. Nach den Aussagen der drei Zeugen W., R. und D. trug die Beklagte ersichtlich ein Päckchen in Ihrer Hosentasche. Auf den Inhalt ihrer Hosentasche angesprochen, entleerte sie diese nur zögerlich und zog erst auf Nachfrage das fragliche Päckchen hervor. Bereits zuvor war die Beklagte vom Zeugen W. auf den Verlust des Päckchens angesprochen worden, ohne sich als dessen Besitzerin zu erkennen zu geben. Ein solches Verhalten spricht - auch angesichts des von der Beklagten geschilderten angespannten Verhältnisses mit dem Kollegen W. - ersichtlich nicht für einen Scherz. Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 7. Mai 2013 und der Begutachtung durch Prof. Dr. W. selbst zugegeben, dass sie am fraglichen Tag auf den Kollegen W. sauer gewesen sei. Er habe sie aus ihrer Sicht zu Unrecht angeschrien und bei der Gruppenleiterin hingehängt. Sie habe dann den Entschluss gefasst, ihm eine reinzuwürgen. Sie wollte ihn ärgern. Als Reaktion habe sie die Warensendung an sich genommen (Sitzungsprotokoll des VG M. vom 13. Mai 2013, S. 4).

Die sonstigen unter Ziff. 4 - 12 (der Disziplinarklage) aufgeführten Sachverhalte wurden von der Beklagten nicht substantiiert bestritten bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen eingeräumt. Insbesondere mit dem unter Ziffer 4, 5, 6, 7, 8 und 10 (in Verbindung mit einer Zielvereinbarung vom 20.12.2004) dargestellten Verhalten hat die Beklagte erhebliche Weisungsverstöße begangen. Mehrfach wurde sie darauf hingewiesen, dass sie gemäß § 6 Abs. 1 der Dienstanweisung für die gemeinsamen Eingangsstellen der Justizbehörden in M. vom 30. Juni 2006 grundsätzlich alle dienstlichen Eingänge - auch Abdrucke -mit dem Eingangsstempel zu versehen hat. Dies wurde auch in den monatlichen Besprechungen immer wieder thematisiert. Gleichwohl kam sie in ca. 90 Prozent der Fälle dieser Anordnung nicht nach, obwohl sie im Juni 2010 nochmals auf die Dienstanweisung hingewiesen wurde. Die Anweisung nach § 8 Abs. 3 der Dienstanweisung für die gemeinsamen Eingangsstellen der Justizbehörden in M., wonach der Eingang von Zahlungsmitteln, die den Eingängen beiliegen, neben dem Eingangsstempel mit Unterschrift zu bescheinigen ist, wurde von der Beklagten ebenfalls dauerhaft missachtet. An das Verbot, private Kopien zu fertigen, private Telefonate zu reduzieren bzw. sich private Postsendungen an die Dienstadresse zustellen zu lassen, hielt sie sich eben so wenig wie an die Zielvereinbarung vom 20. Dezember 2004, wonach sie täglich eine frischgewaschene Dienstbluse anzuziehen und die Diensthose spätestens nach 3 Tagen zu wechseln, ausreichend zu lüften und regelmäßig zu reinigen habe. Vom 15. Februar bis 22. Februar 2011 erschien die Beamtin weder zum Dienst noch zeigte sie ihre Dienstunfähigkeit an (Ziff. 12 der Disziplinarklage). Auch ein Attest wurde nicht vorgelegt. Zudem verwandte sie auf ihrem privaten Handy einen als verfassungsfeindlich einzustufenden Handyrufton (Hitlergruß; Ziff. 9 der Disziplinarklage) und teilte einem Kollegen mit, sie säße (angesichts ihrer Tätigkeit in der Registratur) gerade über dessen Scheidungsakten (Ziff.11 der Disziplinarklage).

III. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, weil sie schuldhaft ihr obliegende Dienstpflichten verletzt hat. Sie hat dadurch gegen ihre Grundpflicht zur Achtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, §§ 202 Abs. 1 Nr. 1, 205, 242 Abs. 1, 248 a, 267 Abs. 1 und 3 Satz 2 Ziff. 4, 52, 53 StGB) sowie gegen ihre Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf (§ 34 Satz 1 BeamtStG), ihre Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung (§ 34 Satz 2 BeamtStG), ihre Pflicht, dienstlichen Anweisungen ihrer Vorgesetzen Folge zu leisten (§ 35 S. 2 BeamtStG i. V. m. der Dienstanweisung für die gemeinsamen Eingangsstellen der Justizbehörden in M. vom 30. Juni 2006 und § 21 UrlVO), ihre Pflicht, sich ihrem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 37 Abs. 1 BeamtStG), verstoßen.

IV. Das Fehlverhalten der Beklagten wiegt schwer i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat - auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds der Beklagten und ihr bisherigen dienstlichen Verhaltens - darüber hinaus die Folge, dass die Beklagte das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Unter diesen Voraussetzungen ist aber nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen.

Der Senat folgt hinsichtlich der Zumessungskriterien des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris) zu § 13 BDG (BayVGH U. v. 23.9.2009 - 16a D 07.2355 - juris; U. v. 15.2.2012 - 16a D 10.1974; U. v. 21.1.2015 - 16a D 13.1904, Rn. 82, 83 - jeweils in juris).

1. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung, wobei Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG regelmäßig aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sind. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung haben die Gerichte zunächst im Einzelfall bemessungsrelevante Tatsachen zu ermitteln und sie mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen die Beamtin ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastender und entlastender Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden der Beamtin stehen (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 - juris Rn. 18).

Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen der Beamtin für ihr pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, B. v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - juris Rn. 16; B. v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 - juris Rn. 20; B. v. 25.5.2012 - 2 B 133.11 - juris Rn. 9 mit weiteren Nachweisen), insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris).

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es - etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder gar einer psychischen Ausnahmesituation - davon abweicht (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 14).

Der Gesichtspunkt der „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens der Beamtin im Hinblick auf ihren allgemeinen Status, ihren Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und ihre konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 15).

Bei der Anwendung des Bemessungskriteriums „Schwere des Dienstvergehens“ ist das festgestellte Dienstvergehen nach seinem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Hierbei können die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeitete Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 20).

2. Fallen einem Beamten - wie hier - mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U. v. 13.7.2011 - 16a D 09.3127 - juris), also vorliegend nach den innerdienstlichen Diebstählen, die sogenannte „Zugriffsdelikte“ darstellen.

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (grundlegend BVerwG, U. v. 20.10.2005 - 2 C 12.04, U. v. 24.5.2007 - 2 C 28.06 - jeweils in juris.)

Für einen Beamten, der auf dienstlich anvertrautes oder zugängliches Gut zugreift - also unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung (z. B. Betrug, Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung) ein sog. „Zugriffsdelikt“ begeht, galt aufgrund der Rechtsprechung des erkennenden Senats und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der Schwere dieser Dienstvergehen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich als Richtschnur für die Maßnahmebestimmung (BVerwG, U. v. 10.1.2007 - 1 D 15.05; U. v. 11.6.2002 - 1 D 31.01 - jeweils in juris). Hat sich der Beamte bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergriffen, die als dienstlich anvertraut seinem Gewahrsam unterliegen, ist ein solches Dienstvergehen regelmäßig geeignet, das Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit zu zerstören (BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 - juris). Da die Verwaltung im Umgang mit öffentlichem und amtlich anvertrautem Gut auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten in hohem Maße angewiesen ist und eine lückenlose Kontrolle eines jeden Beamten nicht möglich ist, muss derjenige, der diese Vertrauensgrundlage zerstört, mit einer Auflösung seines Beamtenverhältnisses rechnen (BVerwG, B. v. 20.12.2011 - 2 B 64.11 - juris Rn. 11; BayVGH, U. v. 9.12.2015 - 16b D 14.642 - juris Rn. 40).

Ein solches Fehlverhalten im Kernbereich der dienstlichen Aufgaben liegt hier in der Entwendung der dienstlichen Gelder in Höhe von 30,- Euro aus der an die Gerichtsvollzieher-Verteilerstelle des Amtsgerichts M. gerichteten Postsendung am 16. Februar 2010. Gleiches gilt für die zwei Kollegendiebstähle, welche nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Schwere im Grundsatz der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar sind, da ein solcher Diebstahl gegenüber Kollegen das Betriebsklima vergiftet und den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise stört (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris Rn. 21). In diesen Fällen der sog. „Zugriffsdelikte“, war bisher die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme. So auch im vorliegenden Fall der Beklagten.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (2 C 6.14 - juris) klargestellt, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgebe; bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen sei vielmehr ebenfalls die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen am gesetzlich bestimmten Strafrahmen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleiste die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Hiervon ausgehend ergibt sich im Fall der Beklagten keine abweichende Beurteilung:

Im Hinblick auf die von der Beklagten verwirklichten Delikte ist vorliegend grundsätzlich die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten.

Die Strafgerichte haben die Beklagte vorliegend wegen eines Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und wegen Diebstahls in Tateinheit mit der Verletzung des Briefgeheimnisses gem. §§ 202 Abs. 1 Nr. 1, 205, 242 Abs. 1, 248 a, 267 Abs. 1 und 3 Satz 2 Ziff. 4, 52, 53 StGB bestraft. Zudem wurde ein weiterer Diebstahl tatbestandlich festgestellt, aber im Berufungsverfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Sowohl nach § 242 Abs. 1 StGB (Diebstahl) als auch nach § 267 StGB (Urkundenfälschung) reicht der Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu fünf Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U. v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20).

Vorliegend hat die Beklagte den Kernbereich ihrer dienstlichen Pflichten verletzt, indem sie in einem Fall dienstlich anvertrautes Geld entwendete, wobei sie durch die Verwendung eines ihr nicht zugewiesenen Stempels zumindest in Kauf nahm, den Verdacht auf einen jungen Kollegen zu lenken, und damit zusätzlich noch den Tatbestand einer Urkundenfälschung verwirklichte. Im anderen Fall brachte sie unter Verletzung des Briefgeheimnisses eine an den Kollegen W. gerichtete Warensendung an sich. Ein weiteres an denselben Kollegen gerichtetes Päckchen steckte sie in ihre Hosentasche. Der Senat geht davon aus, dass ein solches Verhalten grundsätzlich geeignet ist, das Vertrauensverhältnis in unheilbarer Weise zu zerstören. Dienstherr und Allgemeinheit müssen sich im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auf die Ehrlichkeit der mit dienstlichen Geldern oder Gütern betrauten Beamten verlassen können.

Bei der Einordnung des Dienstvergehens der Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene erhebliche Freiheitsstrafe von acht Monaten - zur Bewährung ausgesetzt - zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (nunmehr BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O. Rn. 24; U. v. 18.6.2015 - 2 C 9.14 - juris Rn. 38f.).

3. Von der Höchstmaßnahme ist zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein - ursprünglich vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelter - sog. „anerkannter“ Milderungsgrund vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 38/10 - juris Rn. 13).

Diese Milderungsgründe stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Bei der prognostischen Frage, ob gegenüber einem Beamten aufgrund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis außerdem alle für diese Einschätzung bedeutsamen belastenden und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Schadenshöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Sie sind bereits dann mit einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände (BVerwG, U. v. 6.6.2007 - 1 D 2.06 - juris). Bei schweren Dienstvergehen stellt sich dann vorrangig die Frage, ob der Beamte nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist.

Die Beklagte kann sich vorliegend nicht mit Erfolg auf einen der „anerkannten“ Milderungsgründe berufen.

3.1 Der in der Rechtsprechung entwickelte „anerkannte“ Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt bei der Beklagten nicht zum Tragen. Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248 a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit bei etwa 50,- Euro anzusetzen (BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O. Rn. 26; U. v. 25.7.2013 - 2 C 63.11 - Rn. 16), wobei bei einmaligem Fehlverhalten auch 200,- Euro als Grenze in Betracht kommen kann (BVerwG, B. v. 23.2.2012 - 2 B 143.11 - juris). Diese Grenzen sind vorliegend zwar nicht überschritten, jedoch greift ein solcher Milderungsgrund nur unter der Voraussetzung, dass der Beamte nicht durch sein sonstiges Verhalten oder die konkrete Tatausführung zusätzlich belastet ist und, dass durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Schutzgüter verletzt worden sind (BVerwG, U. v. 8.4.2003 - 1 D 27/02 - juris Rn. 21). Im vorliegenden Fall wird das Unrechtsbewusstsein der Beklagten nämlich nicht durch den Wert der entwendeten Sache - der vorliegend dem Zufall überlassen blieb - bestimmt, sondern durch äußere Umstände der Tatbegehung (BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O. Rn. 29). Vorliegend hat die Beklagte drei Diebstähle, einmal einhergehend mit der Verletzung des Briefgeheimnisses und einmal einhergehend mit einer Urkundenfälschung, begangen. Damit wird der Milderungsgrund der Geringwertigkeit des entwendeten Geldes entkräftet, weil über die Zugriffsdelikte hinaus weitere Schutzgüter verletzt worden sind. Im Rahmen der konkreten Tatausführung ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit der Verwendung eines fremden Stempels zumindest in Kauf genommen hat, den Verdacht auf einen Kollegen zu lenken. Als erschwerende Umstände, die die weitere Vertrauenswürdigkeit ausschließen, gelten auch wiederholte Diebstähle über einen Zeitraum von mehreren Monaten (Zängl, Kommentar zum BayDG, Stand: Oktober 2013, MatR II, Rn. 324 e).

Der Umstand, dass es sich bei der dritten Diebstahlshandlung, die letztendlich im Berufungsverfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, um ein präpariertes Päckchen ohne Inhalt handelte, kann im Hinblick auf die Geringwertigkeit keine Rolle spielen. Hiervon hatte die Beklagte im Zeitpunkt der Tathandlung keine Kenntnis. Darüber hinaus hätte die Berücksichtigung der Geringwertigkeit bei der Einschleusung eines präparierten Päckchens in den Postverlauf bei bereits bestehendem Verdacht zur Folge, dass je nach Wert der Einlage die Grenze zur Geringwertigkeit und damit die Disziplinarmaßnahme steuerbar wäre (vgl. BayVGH, U. v. 9.12.2015 a. a. O. Rn. 47).

3.2 Die Voraussetzungen einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB als weiterer „anerkannter“ Milderungsgrund liegen ebenfalls nicht vor. Ist - wie hier - die Frage der Schuldunfähigkeit mit bindender Wirkung im Strafurteil verneint worden, bleibt es Sache des erkennenden Gerichts, für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme festzustellen, ob ein Fall verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gegeben ist und welchen Grad die Minderung gegebenenfalls erreicht. Auf Feststellungen, die für diese Frage Bedeutung haben, erstreckt sich die Bindungswirkung eines Strafurteils nicht (vgl. BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris).

Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass die Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung „erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen, ihres Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris m. w. N.). Angesichts dessen wird eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit bei Zugriffsdelikten und diesen gleichgestellten Delikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden (BVerwG, U. v. 3.5.2007 - 2 C 30.05 - juris Rn. 36; BayVGH, U. v. 20.4.2016 - 16a D 14.938 - juris Rn. 66). Gerade bei der Verletzung einer leicht einsehbaren innerdienstlichen Kernpflicht muss nämlich von dem Beamten im Hinblick auf die Bedeutung dieser Pflicht für das öffentlichrechtliche Dienst- und Treueverhältnis erwartet werden, dass er trotz der verminderten Schuldfähigkeit noch genügend Widerstandskraft gegen eine Verletzung dieser Pflicht im Dienst aufbringt. Die Erheblichkeitsschwelle liegt in solchen Fällen also höher als bei anderen Pflichtverletzungen (OVG Lüneburg, U. v. 22.3.2016 - 3 LD 1/14 - juris Rn. 100).

Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Fähigkeit des Beamten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB erheblich gemindert war, so muss das Verwaltungsgericht die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufklären (BVerwG, B. v. 28.1.2015 - 2 B 15.14 - juris Rn. 18). Gegebenenfalls muss also geklärt werden, ob der Beamte im Tatzeitraum an einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten hat, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert hat. Hierfür bedarf es in der Regel besonderer medizinischer Sachkunde. Erst wenn die seelische Störung und ihr Schweregrad feststehen oder entsprechende Beeinträchtigungen nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, kann beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Denn von den Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten der Beamtin hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ab.

Der Senat geht vorliegend davon aus, dass eine psychische Erkrankung (depressive Störung) der Beklagten - wenn sie überhaupt bereits zum Zeitpunkt der vorgehaltenen Taten vorgelegen hat - nicht im Sinne des § 21 StGB geeignet war, die Steuerungsfähigkeit der Beklagten einzuschränken. Er folgt insofern dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. W. vom 1. September 2015, der sich mit dieser Frage dezidiert befasst und sie nachvollziehbar verneint hat.

Aufgrund des Vorbringens der Beklagten bestand hinreichender Anlass, der entscheidungserheblichen Frage der Verminderung der Schuldfähigkeit der Beklagten zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlungen nachzugehen. Im Gutachten wird jedoch ausgeführt, dass sich ausreichende Anhaltspunkte für eine Aufhebung oder Minderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Beklagten im Zeitraum der Tathandlungen nicht ergeben hätten. Zwar sei bei der Beklagten zum Untersuchungszeitpunkt im Jahr 2015 eine mittelgradige depressive Symptomatik festzustellen, die sich wahrscheinlich bereits in den letzten Jahren entwickelt habe, insbesondere in der Zeit der Doppelbelastung mit Veränderung des Arbeitsplatzes sowie Versorgung der erkrankten Mutter. Somit lasse sich zumindest ab dem 2. Halbjahr 2013 sicher das Vollbild einer depressiven Störung erkennen, was auch durch die Angaben der die Beklagte ambulant betreuenden psychologischen Psychotherapeutin G. vom 3. September 2013 bestätigt werde. Für die Jahre davor, insbesondere für den Zeitpunkt der Straftaten (Februar bis Juni 2010), ließen sich mangels Unterlagen bzw. Angaben der Beklagten jedoch keine gesicherte Aussagen über das Vorliegen einer depressiven Störung treffen. Aus psychiatrischneurologischer Sicht bestünden allerdings keine Anhaltspunkte für eine zugrunde liegende psychische Erkrankung, welche die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit der Beklagten bei Begehung der Tathandlungen im Jahr 2010 hätte beeinflussen können. Zudem sei das Verhalten der Beklagten im Zeitpunkt der Tathandlungen von Aktivität dominiert gewesen, eine schwere depressive Störung würde jedoch eher Passivität erwarten lassen. Auch im Hinblick auf die im Jahr 2014 neu bekannt gewordenen Straftaten sei trotz der zu diesem Zeitpunkt gesicherten mittelgradigen Ausprägung einer depressiven Erkrankung eine Auswirkung auf die Einsicht- und Steuerungsfähigkeit der Beklagten unwahrscheinlich. Aus dem Gutachten ergibt sich weiter, dass die Beklagte zwar über eine passivaggressive sowie paranoide Persönlichkeitsstrukturierung verfüge, diese jedoch keinesfalls den Schweregrad einer klinisch manifesten und relevanten Persönlichkeitsstörung erreiche. Bei der Beklagten zeige sich aus dem Gefühl der Unzufriedenheit und persönlichen Missachtung am Arbeitsplatz ein aus Gutachtersicht normalpsychologisch erklärbares Verhalten, welches definitions- und erfahrungsgemäß nicht von einer Person mit einem schweren depressiven Syndrom gezeigt werde.

Soweit die Beklagte hierin unhaltbare Vermutungen zu ihrer Motivlage sieht und insoweit Mängel am Gutachten vom 1. September 2015 aufzeigen will, kann sie nicht durchdringen. Die diesbezüglichen Ausführungen von Prof. Dr. W. dienen im Rahmen des Gutachtensauftrags gerade dazu, das Verhalten der Beklagten als Ausdruck einer eher passivaggressiven sowie paranoiden Persönlichkeitsakzentuierung von einer ebensolchen Persönlichkeitsstörung abzugrenzen. Diese Einschätzungen stellen den Kernbereich des psychiatrischen Gutachtens dar.

Das Gutachten vom 1. September 2015 ist auch ordnungsgemäß erstellt worden. Der gerichtliche Sachverständige ist nicht verpflichtet, sämtliche für die Begutachtung notwendige Tätigkeiten persönlich vorzunehmen, sondern darf bei der Vorbereitung und Abfassung des schriftlichen Gutachtens geschulte und zuverlässige Hilfskräfte sowie wissenschaftliche Mitarbeiter - insbesondere zu einzelnen Untersuchungen - heranziehen. Die Mitwirkung geeigneter Hilfspersonen muss jedoch die volle persönliche Verantwortung des gerichtlich ernannten Sachverständigen wahren (BVerwG, U. v. 9.3.1984 - 8 C 97/83 - juris 23 ff.) Die Erstellung des vom erkennenden Senat eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens hält sich ersichtlich in diesem Rahmen. Prof. Dr. W. hat die volle Verantwortung für das erstattete Gutachten übernommen, indem er die in Bezug genommenen Zusatzgutachten ins Gutachten übernommen und seiner Unterschrift die Worte „Einverstanden aufgrund eigener Urteilsbildung“ vorangesetzt hat. Dies entspricht der gängigen Praxis. Die Vorlage der einzelnen Zusatzgutachten in unterschriebener Form bedurfte es deshalb nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Zusatzgutachten nicht ordnungsgemäß im Gutachten von Prof. Dr. W. wiedergegeben wurden, sind nicht ersichtlich und wurden von der Beklagten auch nicht vorgetragen.

3.3 Schließlich kommt auch der „anerkannte“ Milderungsgrund der „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ der Beklagten nicht zugute. Dieser setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Taten ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind (BVerwG, U. v. 3.5.2007 - 2 C 9.06; U. v. 10.12.2015 a.a.O - jeweils in juris). Die Überwindung einer im Zeitpunkt der Pflichtverletzung bestehenden negativen Lebensphase kann sich mildernd bei der Maßnahmebemessung auswirken, wenn davon ausgegangen werden kann, dass sich die Lebenssituation der Beamtin inzwischen gefestigt hat und sie sich künftig - ggf. in einem anderen Amt - pflichtgemäß verhalten wird. Erforderlich dabei ist, dass außergewöhnliche Verhältnisse vorlagen, die die Beklagte zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Hinzukommen muss, dass sie die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat (BVerwG, B. v. 9.10.2014 - 2 B 60.14; B. v. 20.12.2013 - 2 B 35/13 - jeweils in juris).

Davon ausgehend, dass die negativen Lebensumstände eine gravierende Ausnahmesituation begründen müssen, die über das hinausgeht, was an familiären und finanziellen Schwierigkeiten grundsätzlich jeden treffen kann (BayVGH, U. v. 30.1.2013 - 16b D 12.71 - juris; U. v. 20.4.2016 a. a. O. Rn. 72), hat der Senat bereits erhebliche Zweifel, dass sich die Beklagte auf das Vorliegen einer solchen Phase berufen kann. Selbst wenn vor dem Hintergrund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den sog. Zugriffsdelikten (BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O.) nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass ein Zugriffsdelikt in der Regel die Entfernung aus dem Dienst nach sich zieht, ist vorliegend - zumindest aufgrund der Verletzung im Kernbereich der dienstlichen Pflichten - davon auszugehen, dass nur individuelle Extremsituationen disziplinarisch relevant sein können (BayVGH, U. v. 29.7.2015 - 16b D 13.778 - juris Rn. 65; U. v. 20.4.2016 a. a. O. Rn. 72). Ob eine solche bei der Beklagten, die sich zweifellos wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter in einer persönlichen Überlastungs- und Ausnahmesituation befunden hat, tatsächlich vorlag, kann nach Auffassung des Senats aber dahingestellt bleiben. Aufgrund der weiteren von der Beklagten am 20. Juli 2014 und 28. September 2014 begangenen Diebstähle geht der Senat davon aus, dass die negative Lebensphase der Beklagten zumindest noch nicht überwunden ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte zwischenzeitlich die begleitende psychotherapeutische Behandlung abgebrochen hat. Ein insgesamt positive Prognose kommt deshalb vorliegend nicht in Betracht.

3.4 Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer sog. anerkannter Milderungsgründe wie „Handeln in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage“, „Vorliegen einer schockartigen psychischen Ausnahmesituation“ oder „einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat“ bestehen nicht.

3.5 Sonstige Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen, welche grundsätzlich geeignet sind, bei einem Beamten, welcher durch die Verwirklichung von Diebstahlsdelikten im Kernbereich versagt hat, noch einen Rest an Vertrauen anzunehmen, liegen ebenfalls nicht vor. In Betracht käme insoweit, dass ein Beamter vor Aufdeckung der Tat diese umfassend offenbart und/oder den Schaden wieder gutmacht (BayVGH, U. v. 27.10.2010 - 16a D 09.2470; BVerwG, B. v. 28.8.2007 - 2 B 26.07 - jeweils in juris). Dies ist hier jeweils nicht der Fall.

4. Bei der gebotenen gesamtprognostischen Betrachtung sind sonstige durchgreifende Entlastungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, ebenfalls nicht zu erkennen. Weitere Milderungsgründe, die zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen wären und die über den Kreis der so genannten „anerkannten Milderungsgründe“ hinausgehen (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 6/14 - juris Rn. 36), sind nicht ersichtlich. Zwar sieht der Senat durchaus, dass sich die Beklagte aufgrund der Belastung mit der Pflege der Mutter im Zeitpunkt der Begehung der Straftaten in einer persönlichen Überlastungssituation befunden hat, zu der sicherlich auch die durch vorangegangenen Vorgesetzen- und Kollegenwechsel angespannte Situation am Arbeitsplatz beigetragen hat. Für eine angebliche Mobbingsituation bestehen allerdings keine Anhaltspunkte. Hierzu wurde von der Beklagten substantiiert nichts vorgetragen. Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 1. September 2015 ebenfalls auf die schwierige psychosoziale Situation der Beklagten infolge der Doppelbelastung hingewiesen, aber zugleich auch festgestellt, dass aus seiner Sicht eher das normalpsychologisch erklärbare Motiv der Unzufriedenheit und Missachtung am Arbeitsplatz als Ursache für das Verhalten der Klägerin bestehe.

Die Beklagte ist weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich vorbelastet. Die gute Beurteilung mit 10 Punkten für den Zeitraum 2004 bis 2007 spricht zwar ebenso für die Beklagte wie die Tatsache, dass sie weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Allerdings sind diese Umstände allein nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einer Beamtin, die das in sie gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden kann (BayVGH, U. v. 29.7.2015 - 16b D 14.1328 - juris Rn. 40). Zulasten der Beklagten sind die zahlreichen weiteren Dienstpflichtverletzungen (Ziff. 4 - 12 der Disziplinarklage), insbesondere die erheblichen Weisungsverstöße - zu berücksichtigen. Sie zeigen, dass die Beklagte im Grundsatz nicht geneigt ist, Anordnungen von Vorgesetzten, die ihren eigenen Ansichten zuwider laufen, umzusetzen. Aus den Akten (Akten des Generalstaatsanwalts Band I, Bl. 114) ergibt sich, dass sich dieses Verhalten auch an der neuen Dienststelle (Registratur) fortsetzte. Dort kam es auch zu weiteren Dienstpflichtverletzungen (Ziff. 11 und 12 der Disziplinarklage). Im Rahmen der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist deshalb nach Überzeugung des Senats die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis angemessen, aber auch geboten. Die Schwere des Dienstvergehens und das festgestellte Persönlichkeitsbild der Beamtin führen zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit.

Die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatgebot folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von den Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen.

Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, die Beamtin werde dem Gebot, ihre Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und des dadurch eingetretenen Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis wie hier gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch die Beamtin und ist dieser daher als für alle öffentlichrechtlichen und privaten Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U. v. 14.10.2003 - 1 D 2.03 - juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i. V. m. 154 Abs. 2 VwGO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG, Art. 3 BayDG i. V. m. § 116 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 14. Januar 2014 wird gegen die Ruhestandsbeamtin auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts auf die Dauer von zwei Jahren um 1/20 erkannt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

I. Die am 3. Januar 19... geborene Beklagte stand als Polizeiobermeisterin im Dienst des Klägers. Sie wurde am 3. Januar 2004 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Mit Verfügung des Polizeipräsidiums O. vom 16. November 2012 wurde sie mit Ablauf des Monats November wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, nachdem sie seit dem 15. Juni 2005 krankgeschrieben war (abgesehen von einem Arbeitsversuch in der Zeit vom 1.9.2005 bis 8.9.2005 und einem Wiedereingliederungsversuch in der Zeit vom 27.3.2006 bis 3.4.2006). Das gegen die Ruhestandsversetzung gerichtete Klageverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 29. Juli 2014 eingestellt (Verfahren M 5 K 13.1106).

Die Beklagte ist - mit Ausnahme des vorliegend vorgeworfenen Sachverhalts - weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.

II. Die Beklagte wurde am 1. Juli 2008 zur Überprüfung ihrer Dienst- und Verwendungsfähigkeit im I. Klinikum - Klinik T. (...) - psychiatrisch begutachtet. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau K. kommt in ihrem psychiatrischen Gutachten vom 27. November 2008 zu dem Ergebnis, dass bei der Beamtin eine chronifizierte depressive Störung mit schweren Episoden (ICD-10 F 33, DSM IV 296.33) und einer erheblichen somatogenen Symptomatik vorliegt. Aus gutachterlicher Sicht sei die Beamtin nicht polizeidienstfähig und für eine Umschulung gesundheitlich nicht geeignet. Mit der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zumindest für den Innendienst sei nicht vor Ablauf eines Jahres zu rechnen. Aufgrund der Komplexität, der Schwere und der Dauer des Störungsbildes sei aus Sachverständigensicht eine stationäre Behandlung in einer psychotherapeutischen Behandlung indiziert, um mittelfristig eine begrenzte Dienstfähigkeit der Beamtin wiederherzustellen.

Frau Dr. K. vom Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei teilte dem Polizeipräsidium O. (Polizeipräsidium) das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung mit Schreiben vom 22. Mai 2009 mit. Mit dem fachärztlichen Gutachten von Frau K. bestehe polizeiärztlicherseits hinsichtlich der Beurteilung der aktuellen Dienstfähigkeit und des empfohlenen weiteren Procedere Einverständnis. Nach polizeiärztlichem Dafürhalten solle der Beamtin auferlegt werden, sich einer nochmaligen stationären Behandlung in einer psychotherapeutischen (psychosomatischen) Fachklinik zu unterziehen und anschließend eine ambulante Psychotherapie durchzuführen.

Mit Schreiben vom 10. Juni 2009 informierte das Polizeipräsidium O. (Polizeipräsidium) die Beklagte über das Ergebnis der fachärztlichen Begutachtung und fragte an, ob die Klägerin die indizierte psychotherapeutische Therapie mittlerweile durchgeführt habe bzw. ob eine entsprechende Behandlung konkret geplant sei.

Die Beklagte verneinte dies mit Schreiben vom 28. August 2009 und legte eine fachärztliche Stellungnahme von Dr. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 13. August 2008 vor, aus der hervorgeht, dass sich bei der Beamtin trotz „diverser medikamentöser Behandlungsversuche und ambulanter Psychotherapien“ keine deutliche Besserung des Zustandsbildes habe einstellen können und dass aus psychiatrischer Sicht eine erneute stationäre psychotherapeutische Behandlung bei Chronifizierung und schlechter Prognose insgesamt nicht indiziert sei.

Das Polizeipräsidium ordnete daraufhin mit Schreiben vom 13. November 2009 den sofortigen Beginn einer stationären Therapiemaßnahme in einer geeigneten psychosomatischen Fachklinik an.

Die Beklagte legte hiergegen mit Schreiben vom 25. November 2009 Widerspruch ein und listete ihre bisherigen stationären Aufenthalte auf:

30.11.2005 - 21.12.2005

04.04.2006 - 30.06.2006

26.07.2006 - 10.08.2006

28.09.2006 - 15.12.2006

10.12.2006 - 11.12.2006

25.04.2007 - 01.06.2007

08.08.2007 - 29.08.2007

04.09.2007 - 02.11.2007

20.11.2007 - 14.12.2007

Klinikum B.

Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie G.

Psychosomatische Klinik R.

Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie G.

Schlaflabor der Asklepios Fachklinik G.

Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie G.

Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie G.

Klinikum der Universität M., Psychiatrische Klinik

A.-Klinik S., Abt. f. Psychosomatische Medizin

Zu diesem Vortrag gab Frau Dr. K. vom polizeilichen Dienst in ihrer Stellungnahme vom 11. Januar 2010 zusammenfassend an, dass weder der stationäre Aufenthalt in der A.-Klinik noch der Aufenthalt in der Klinik R. hinsichtlich des damaligen Behandlungsverlaufs und -erfolgs bewertet werden könne, da die Beklagte weder dem polizeiärztlichen Dienst noch der Gutachterin Frau K. die Abschlussberichte zur Verfügung gestellt habe. Aus polizeiärztlicher Sicht werde das Gutachten von Frau Dr. K. nicht in Frage gestellt, d. h. eine mindestens 6-wöchige Therapie werde als sinnvoll und zumutbar angesehen.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2010 legte die Beklagte (nochmals) Widerspruch gegen die Anordnung der Therapie ein und wies darauf hin, dass aus psychiatrischer Sicht des behandelnden Arztes Dr. M. die stationären Maßnahmen ausgeschöpft seien.

Frau Dr. K. teilte hierzu am 17. Juni 2010 telefonisch mit, dass sie sich auf ihre Stellungnahme vom 11. Januar 2010 beziehe und die stationäre Therapie ein „absolutes Muss“ sei.

Mit Schreiben vom 18. August 2010 wurde die Beamtin nochmals unter Fristsetzung aufgefordert, die stationäre Maßnahme im Rahmen ihrer Gesunderhaltungspflicht anzutreten, andernfalls müsste sie mit disziplinaren Folgen rechnen.

Hiergegen legte die Beklagte mit Schreiben vom 19. August 2010 Widerspruch ein, der vom Kläger mit Schreiben vom 8. September 2010 mangels VA-Qualität der angefochtenen Anordnung als unstatthaft angesehen wurde. Hinsichtlich keiner der eingelegten Widersprüche erfolgte eine förmliche Widerspruchsentscheidung.

Die Beamtin legte in der Folge ein weiteres Attest von Dr. M. vom 19. November 2010 vor. Es habe keine Besserung des Zustandsbildes erzielt werden können. Die Behandlungsmaßnahmen inklusive der stationären seien ausgeschöpft.

Am 27. November 2010 beantragte die Beklagte bei der HUK-Coburg die Kostenübernahme für eine stationäre Psychotherapie. Ein aktuelles Einweisungsschreiben eines Psychiaters habe sie nicht. Grundlage sei das beiliegende Schreiben der Polizeiärztin vom 22. Mai 2009.

Die HUK-Coburg lehnte die Kostenübernahme mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 ab, da die Entscheidung, ob eine stationäre Therapie angeraten sei, im Rahmen der Privaten Krankenversicherung dem behandelnden Psychotherapeuten obliege. Ihrem Schreiben könne jedoch entnommen werden, dass eine stationäre Psychotherapie aktuell von ihrem Therapeuten gerade nicht befürwortet werde.

Auf Nachfrage teilte Frau Dr. K. von polizeiärztlichen Dienst mit E-Mail vom 23. Dezember 2010 mit, dass sie eine stationäre Therapie nach wie vor für notwendig erachte.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2011 wurde die Beklagte aufgefordert, bis zum 1. März 2011 eine stationäre Therapie in einer psychosomatischen Klinik anzutreten. Sollte bis zum 1. März 2011 kein Nachweis über den Antritt einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Klinik vorliegen, müssten disziplinare Maßnahmen eingeleitet werden.

Nachdem die Beamtin der Aufforderung nicht nachkam und sich weigerte, eine stationäre Therapie anzutreten, entschied das Polizeipräsidium Anfang Mai 2012 nach Rücksprache mit dem polizeiärztlichen Dienst, eine externe Begutachtung durch das M.-...-Institut für Psychiatrie zur Überprüfung der aktuellen Dienstfähigkeit zu veranlassen.

Hierüber wurde die Beklagte mit Schreiben vom 9. Mai 2012 informiert. Mit Schreiben vom 5. Juli 2012 wurde die Beamtin gebeten, sich am Dienstag, 17. Juli 2012 und Mittwoch, 18. Juli 2012, jeweils 8.00 Uhr, beim M.-Institut für Psychiatrie zur externen Begutachtung vorzustellen.

Die Beklagte legte mit Telefax vom 16. Juli 2012, 17 Uhr, ein ärztliches Attest von Dr. M. vom 14. März 2008 vor. Sie sei nicht in der Lage die „schuld- und schambesetzten Themen“ gegenüber Männern anzusprechen. Dem solle bei der Begutachtung Rechnung getragen werden.

Der Kläger leitete das Telefax mit Schreiben mit E-Mail vom 16. Juli 2012 einschließlich des Attestes an Prof. Dr. W., Leiter der Gutachtensstelle des M.-...-Instituts für Psychiatrie, weiter.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 teilte Prof. Dr. W. mit, dass sich die Beamtin zwar pünktlich zu dem am 17. Juli 2012 anberaumten Untersuchungstermin eingefunden habe, jedoch eine Mitwirkung an der Untersuchung unter Hinweis auf das fachärztliche Attest von Dr. M. abgelehnt habe, nachdem er ihr im Vorbereitungsgespräch eröffnet habe, dass er als Leiter der Gutachtensstelle zur unabhängigen Urteilsbildung verpflichtet sei und daher alle inhaltlich und medizinisch relevanten Fragen persönlich mit ihr besprechen müsse.

Mit Schreiben vom 7. August 2012 trägt die Beklagte vor, sie habe den Untersuchungstermin nicht grundlos abgebrochen und legt zum einem ein Attest von Dr. H., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 22. Juli 2012 und eine fachärztliche Stellungnahme vom 23. Juli 2012 von Dr. M. vor. Aus dem Attest von Dr. H. ergibt sich, dass die Beamtin am 17. Juli 2012 in seiner Praxis vorstellig geworden sei und von einer für sie negativen, sehr belastenden Begegnung mit Ärzten des M.-Instituts berichtet habe. Die Beamtin habe sich in einer akuten Konfliktsituation befunden, die durch verbale Intervention und subcutaner Gabe eines Medikaments normalisiert habe werden können. Nach der fachärztlichen Stellungnahme von Dr. M. befindet sich die Beklagte seit dem 10. Januar 2008 in seiner regelmäßigen psychiatrischen Behandlung. Diagnostisch lägen eine rezidivierende depressive Störung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Im bisherigen Behandlungszeitraum habe sich keine Besserung des Zustandsbildes einstellen können. Im Falle einer angeordneten Begutachtung werde dringend angeraten, diese durch eine weibliche Gutachterin durchführen zu lassen. Ansonsten wäre von einer weiteren Gefährdung des Gesundheitszustands auszugehen. Allein der Versuch den für den 17. Juli 2012 anberaumten Termin bei zwei männlichen Psychiatern wahrzunehmen, habe zu einer erneuten depressiven Dekompensation geführt.

III. Mit Vermerk vom 17. Juli 2012 leitete das Polizeipräsidium gegen die Beklagte wegen ihrer Weigerung, sich einer stationären Therapie zu unterziehen und wegen des Abbruchs des Untersuchungstermins am 17. Juli 2012 ein Disziplinarverfahren ein. Die Beklagte wurde jeweils nach Art. 22 Abs. 1 BayDG über ihre Rechte sowie die Möglichkeit der Beteiligung der Personalvertretung belehrt.

Am 22. Mai 2013 erhob das Polizeipräsidium M. - Disziplinarbehörde - Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, der Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

Der Kläger wirft der Klägerin vor, gegen die Gehorsams- und Gesunderhaltungspflicht verstoßen zu haben:

1. Die Beklagte sei am 1. Juli 2008 zur Überprüfung ihrer Dienst- und Verwendungsmöglichkeit im Bezirkskrankenhaus T./... psychiatrisch begutachtet worden. Nach dem fachärztlichen Gutachten vom 27. November 2008 sei die Beklagte zum Untersuchungszeitpunkt vorübergehend nicht polizeidienstfähig und zudem nicht für den Innen- und Verwaltungsdienst geeignet gewesen. Eine dauernde Dienstunfähigkeit habe nach der gutachterlichen Beurteilung noch nicht vorgelegen, zur Wiederherstellung einer - zumindest begrenzten - Dienstfähigkeit sei aus der Sachverständigensicht eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik indiziert.

Mit Schreiben vom 13. November 2009 sei daher die Durchführung einer stationären Therapiemaßnahme in einer geeigneten psychosomatischen Fachklinik angeordnet und ausdrücklich auf die bestehende Gehorsams- und Gesunderhaltungspflicht hingewiesen worden. Obwohl die Beklagte in der Folgezeit wiederholt (Schreiben des Polizeipräsidiums O. vom 13.8.2010, 8.9.2010, 22.9.2010, 28.10.2010, 28.10.2010, 6.12.2010, 20.12.2010 und 12.1.2011) zur Durchführung der stationären Therapie aufgefordert und auch mehrfach ausdrücklich auf ihre Gesunderhaltungspflicht und die Folgen eines Verstoßes gegen dieselbe belehrt worden sei, habe sie bis dato die medizinisch indizierte Therapiemaßnahme verweigert und infolgedessen ihre Dienstfähigkeit nicht wiedererlangt.

2. Die Beklagte sei mit Schreiben vom 5. Juli 2007 aufgefordert worden, sich zur Überprüfung der Dienst- und Verwendungsmöglichkeit am 17. Juli und 18. Juli 2012 einer externen Begutachtung im M.-Institut für Psychiatrie zu unterziehen. Sie sei explizit darauf hingewiesen worden, dass die Verweigerung der Untersuchung ein Dienstvergehen darstelle.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 habe der Leiter der Gutachtenstelle des M.-Instituts, Prof. Dr. W., mitgeteilt, dass die Beklagte zwar pünktlich zu dem anberaumten Begutachtungstermin erschienen sei, jedoch eine Mitwirkung an der Untersuchung abgelehnt habe, nachdem ihr Prof. Dr. W. im Vorbereitungsgespräch eröffnet habe, dass er als Leiter der Gutachtensstelle zur unabhängigen Urteilsbildung verpflichtet sei und daher auch alle für die Fragestellung inhaltlich und medizinisch relevanten Fragen persönlich mit der Beklagten besprechen müsse. Sie habe ihre Ablehnung mit einem Attest des behandelnden Facharztes Dr. M. vom 14. März 2008 begründet, wonach eine Diskussion „schuld- und schambesetzter“ Themen mit männlichen Untersuchern eine Retraumatisierung hervorrufen könne.

IV. Mit Urteil vom 14. Januar 2014 hat das Verwaltungsgericht der Beklagten das Ruhegehalt aberkannt.

Ein Beamter müsse seinem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellen, er habe diese zu erhalten und sie im Falle der Dienstunfähigkeit schnellstmöglich wiederherzustellen. Dabei habe er den Vorschlägen der Ärzte, insbesondere dem Vorschlag des Polizeiarztes zu folgen.

Die Beklagte leide mindestens seit der fachärztlichen Begutachtung im November 2008 an psychosomatischen Beschwerden, die ihr eine Dienstleistung nicht ermöglichten. Die externe Gutachterin und der polizeiliche Dienst sähen in einer stationären Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik die Möglichkeit, die Dienstfähigkeit zumindest teilweise wiederherzustellen. Die Beklagte habe eine solche Behandlung nicht verweigern dürfen. Sie habe sich dazu entschieden, sich auf die medikamentöse Behandlung durch ihren Psychiater zu verlassen. Auf die notwendige Behandlung ihrer psychosomatischen Problematik habe sei seit Januar 2008 verzichtet. Diese Entscheidung der Beklagten könne aber nicht zur Folge haben, dass der Dienstherr an seiner Pflicht zur lebenslangen Alimentation festgehalten werden müsse. Auch der Allgemeinheit (d. h. dem Steuerzahler) sei es nicht zu vermitteln, dass eine junge Beamtin kurz nach ihrer Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit es beharrlich ablehne, zumutbare Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit durchzuführen. Dies gelte auch für die Ablehnung der Mitwirkung an einer erneuten fachärztlichen Begutachtung.

Das Dienstvergehen der Beklagten wiege schwer. Sie habe ihre Kernpflichten verletzt. Die Beklagte wolle alimentiert werden, ohne ihrerseits ihre zumutbaren Pflichten zu erfüllen. Dies laufe dem Beamtenverhältnis, das ein öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis sei, diametral zuwider. Rechtsfertigungsgründe stünden der Beklagten nicht zur Seite. Sie habe vielmehr ihre leicht einsehbaren Kernpflichten bewusst und gewollt und über einen langen Zeitraum hinweg verletzt. Einem solchen Beamten könnten der Dienstherr, die Allgemeinheit und die Kollegen kein Vertrauen mehr entgegenbringen. Die Basis für ein Dienst- und Treueverhältnis sei zerstört und das Vertrauen endgültig verloren. Die Beklagte müsse daher - sollte sie ihren aktiven Beamtenstatus wieder erlangen - aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Bei ihrem derzeitigen Status als Ruhestandsbeamtin sei ihr das Ruhegehalt abzuerkennen.

V. Mit der gegen die Entscheidung eingelegten Berufung beantragt die Beklagte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie habe nicht gegen ihre Gesunderhaltungspflicht verstoßen. Sie verweist auf die bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten fachärztlichen Stellungnahmen, die eine Einweisung in eine stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik ablehnten. Neben den bereits im Disziplinarverfahren vorgelegten Atteste bzw. fachärztlichen Stellungnahmen handele es sich um folgende ärztliche Stellungnahmen bzw. Bescheinigungen:

Dr. M. habe der HUK-Coburg unter dem 1. Februar 2011 mitgeteilt, dass sich die Beklagte seit 10. Januar 2008 in seiner regelmäßigen psychiatrischen Behandlung befinde. In den Jahren 2006 und 2008 seien insgesamt drei stationär-psychiatrische Behandlungsversuche an der Klinik G... sowie an der Universitätsklinik M., Psychiatrische Klinik, durchgeführt worden. Zweimalige stationär-psychosomatische Behandlungsmaßnahmen seien an der Psychosomatischen Klinik R. sowie an der Klinik A. durchgeführt worden. Eine ambulante Psychotherapie habe nach erlebter Retraumatisierung mit Verschlechterung der Symptomatik im Jahre 2008 abgebrochen werden müssen. Bei erfolglos eingesetzten stationär-psychosomatischen Maßnahmen sowie einer als Retraumatisierung mit Verschlechterung erlebten ambulanten Psychotherapie sei ein erneuter Versuch einer ambulanten/stationär-psychosomatischen Behandlung nicht indiziert.

Nach einer fachärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 7. Dezember 2009 sei aus psychiatrischer Sicht bei ausgeschöpften stationären Maßnahmen eine erneute stationäre Behandlung nicht indiziert.

Mit Schreiben vom 14. März 2008 habe Dr. M. bei der Beklagten eine rezidivierende depressive Störung, sowie eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Die posttraumatische Belastungsstörung habe sich auf der Basis wiederholter, auch sexueller Traumatisierungen entwickelt. Diese zu thematisieren stelle für die weiterhin instabile Beamtin aus psychiatrischer Sicht derzeit noch eine unüberwindliche Hürde dar. Insbesondere Männern gegenüber sei die Beklagte nicht in der Lage, die schuld- und schambesetzen Themen anzusprechen. Dies käme zum derzeitigen Stand einer Retraumatisierung gleich.

Herr Dr. H., Facharzt für Allgemeinmedizin, weise mit Attest vom 4. Juni 2013 darauf hin, dass die von ihm bereits langjährig betreute Beamtin am 17. Juli 2012 im Rahmen einer hausärztlich-allgemeinmedizinischen Notfallbehandlung, bei einer ausgeprägten psychovegetativen Entgleisung behandelt worden sei.

Eine stationäre Behandlung sei nicht zumutbar. Die Ablehnung einer Einweisung in die stationäre Behandlung in einer psychosomatischen Klinik beruhe nicht auf einer eigenen Einschätzung, sondern auf fachärztlichen Stellungnahmen. Die Beklagte habe stationär mehrere Psychotherapien gemacht. Dabei sei die Erfahrung gemacht worden, dass es keinen Unterschied zwischen psychiatrischen und psychosomatischen Therapien gebe. Den geforderten Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik habe die Beklagte zweimal absolviert. Die geringe Aufenthaltsdauer ergebe sich daraus, dass die Beklagte bei ihrer Krankenversicherung nur 30 Tage pro Jahr für diesen Zweck versichert sei. Hieraus sei wiederum ersichtlich, dass die Beklagte auch mit Kostenübernahme durch ihre Krankenversicherung die geforderten sechs Wochen ohne zusätzliche Kostenübernahme durch den Freistaat Bayern nicht erreicht hätte. Aus diesem Umstand ergebe sich auch der längere Aufenthalt in der Psychiatrie statt in der psychosomatischen Klinik. Das Verwaltungsgericht habe den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unrichtig angewandt. Die Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere der subjektiven Seite, zeige, dass von der disziplinaren Höchstmaßnahme abzusehen sei. Zu ihren Gunsten sei zu werten, dass sie bislang zu keinem Zeitpunkt disziplinarisch in Erscheinung getreten sei. Weiterhin befinde sie sich in fortwährender fachmedizinischer bzw. fachärztlicher Behandlung und habe stets Stellungnahmen ihrer Fachärzte vorgelegt, welche eine Einweisung in einer stationären Behandlung abgelehnt hätten. Fachlich fundierte Zweifel an diesen Stellungnahmen gebe es nicht. Zusätzlich sei festzuhalten, dass auch ihre Krankenkasse aufgrund der fehlenden fachärztlichen Einweisung eine Kostenübernahme abgelehnt habe. Die Disziplinarbehörde habe verkannt, dass die amtsärztliche Befürwortung einer stationären Behandlung es nicht vermöge, eine fehlende fachärztliche Einweisung zu ersetzen. Die Beklagte habe auf ihre Fachärzte vertrauen können und dürfen. Verhältnismäßig sei allenfalls eine Gehaltskürzung im untersten Bereich.

Der Kläger beantragt am 4. März 2014,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte habe seit Januar 2008 verzichtet, die notwendigen Behandlungen hinsichtlich der Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit durchführen zu lassen. Sie habe sich vielmehr allein auf die Einschätzung ihrer Privatärzte verlassen, ohne die Meinung des polizeiärztlichen Dienstes zu befolgen. Ein Beamter sei aufgrund seiner Gesunderhaltungspflicht verpflichtet, alles ihm Mögliche zu unternehmen, um seine Dienstfähigkeit wieder herzustellen. In diesem Zusammenhang habe er auf die Vorschläge der behandelnden Ärzte, des Dienstvorgesetzten und des Amtsarztes wegen deren Sachkunde auch dann einzugehen, wenn er der Auffassung sei, noch ohne eine stationäre Behandlung auskommen zu können. Es werde nicht bestritten, dass die Beklagte mehrere Psychotherapien durchgeführt habe. Nur sei die seitens des Polizeipräsidiums O. mehrfach angeordnete, dringend notwendige Therapie über Jahre hinweg nicht durchgeführt worden. Die Ausführungen, die Kostenübernahme sei nicht ausreichend durch die Krankenversicherung der Beklagten gesichert gewesen, könnten ebenfalls nicht überzeugen. Die Beklagte habe die Möglichkeit, eine Erhöhung des Beihilfesatzes zur weitgehenden Kostenübernahme der stationären Behandlung bei der Beihilfestelle zu beantragen. Ggf. sei die Kostenübernahme auch durch den Dienstherrn möglich. Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei nicht ersichtlich. Die Beklagte werde eine ihr angeordnete Therapie auch in Zukunft nicht antreten. Sie selbst vertraue auf Empfehlungen des Privatarztes und empfinde eine Therapie als nicht notwendig. Jedoch berechtige ein fehlerhaftes oder als ungerecht empfundenes Verhalten (Therapieanordnung) des Dienstherrn nicht zum Ungehorsam. Die Beamtin habe vielmehr den Weisungen nachzukommen und hinsichtlich der Klärung der Dienstfähigkeit mitzuwirken.

Die Beklagte legte mit Schriftsatz vom 12. März 2014 ein Attest des Universitätsklinikums G... vom 20. Februar 2014 und ein Attest von Dr. H. vom 28. Februar 2014 vor, aus denen sich ergibt, dass eine ambulante Therapie derzeit ausreichend zu sein scheine bzw. weitere Therapieansätze im Sinne einer stationären Behandlung als nicht zielführend im Sinne einer möglichen Heilung abzulehnen seien. Mit Schreiben vom 2. April 2014 legte sie ein Attest von Dr. T. vom 27. März 2013 vor, wonach eine stationäre Behandlung aktuell aufgrund der bestehenden Instabilität nicht indiziert sei.

Der Kläger führte hierzu unter dem 6. Mai 2014 aus, dass nach polizeiärztlicher Beurteilung in keinem der vorgelegten ärztlichen Schreiben nachvollziehbar begründet oder gar belegt sei, dass eine stationäre Behandlung derzeit medizinisch nicht indiziert sei. Nach polizeiärztlichen Dafürhalten könne eine Verbesserung des Gesundheitszustands allenfalls noch von einer erneuten stationären Therapiemaßnahme erwartet werden, nicht hingegen von den von der Beklagten durchgeführten ambulanten Behandlungsmaßnahmen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten (Personalakt in 5 Bänden, 1 Disziplinarakte, 1 Vorgang „Ärztliche Unterlagen“) Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg. In Abänderung der Ziff. 1 des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 14. Januar 2014 wird gegen die Beklagte auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts um 1/20 auf die Dauer von zwei Jahren erkannt.

I. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind auch von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

II. Der Senat sieht - unter Zugrundelegung der Disziplinarklage vom 22. Mai 2013 - den im Tatbestand unter II. dargestellten Sachverhalt als erwiesen an. Die Beamtin hat den äußeren Sachverhalt im Disziplinarverfahren und im Gerichtsverfahren nicht bestritten.

Damit steht fest, dass die Beklagte entgegen der Anordnungen vom 13. November 2009, 18. August 2010 und 12. Januar 2011 keine stationäre psychosomatische Behandlung angetreten bzw. sich einer solchen unterzogen hat und die Untersuchung ihrer Dienstfähigkeit im Rahmen einer externen Begutachtung im M.-Institut für Psychiatrie am 17. Juli 2012 durch deren vorzeitigen Abbruch vereitelt hat.

III. Durch die ihr zur Last gelegte Taten hat die Beklagte ein einheitliches Dienstvergehens im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.

1. Mit der Weigerung, sich der polizeiärztlich für erforderlich gehaltenen 6-wöchigen stationären psychosomatischen Therapie zu unterziehen, hat die Beklagte gegen ihre Gesunderhaltungspflicht verstoßen.

Eine ausdrückliche Regelung über die Gesunderhaltungspflicht und deren Grenzen enthält das Beamtenstatusgesetz nicht. Eine grundsätzliche Pflicht zur Gesunderhaltung kann jedoch aus der Pflicht zum vollen Einsatz im Beruf hergeleitet werden (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juli 2015, § 34 BeamtStG Rn. 83 mit weiteren Nachweisen; BVerfG, B. v. 19.2.2003 - 2 BvR 1413/01 - NVwZ 2003, 1504 - juris Rn. 34). Die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz im Beruf umfasst das Bemühen, die Gesundheit so weit zu bewahren, dass die Fähigkeit zur Dienstleistung nicht schuldhaft eingeschränkt oder aufgehoben wird. Der gesunde Beamte ist danach verpflichtet, seine volle Dienstfähigkeit und damit seine Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nach Möglichkeit zu bewahren und, soweit sie eingeschränkt oder aufgehoben ist, nach Möglichkeit wieder zu erlangen (vgl. BVerwG, U. v. 10.1.1980 - 1 D 56/79 - BVerwGE 63, 327 - juris Rn. 17; BayVGH, U. v. 20.4.2005 - 16a D 04.531 - juris Rn. 34).

Dies setzt ggf. auch voraus, sich zur Erhaltung oder Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen. Ob sie zumutbar ist, kann nicht grundsätzlich, sondern nur nach Maßgabe der konkreten Umstände des Einzelfalles beantwortet werden (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juli 2015, § 34 BeamtStG Rn. 97; BVerwG, B. v. 9.5.1990 - 2 B 8.90 - ZBR 1990, 261 - juris). Maßgebend ist dabei, welche Erfolgsaussichten die jeweils in Frage kommende Behandlung bietet und welche Kosten, Belastungen und Risiken mit ihr verbunden sind. Insoweit hat eine umfangreiche Abwägung aller Umstände zu erfolgen (vgl. BVerwG, U. v. 26.7.1983 - 1 D 98.82 - BVerwGE 76, 103 - juris).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze erscheint die stationäre psychosomatische Behandlung zumutbar. Nach dem psychiatrischen Gutachten der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie K. vom I. -...-Klinikum vom 27. November 2008 konnte bislang keine durchgreifende und anhaltende Besserung der depressiven Symptomatik und der Schmerzproblematik sowie der angegebenen posttraumatischen Erlebniswelten erzielt werden, obwohl sich die Beklagte seit 2006 (bis 2007) mehrmonatigen Behandlungen in verschiedenen psychiatrischen Kliniken mit unterschiedlichen Antidepressiva aber auch psychotherapeutischen Interventionen ergänzt von ambulanten Maßnahmen unterzogen habe. Die Ärztin hält es für möglich, dass sich die Beklagte mit ihrem erheblichen Misstrauen und der eingeschränkten Offenheit bisher nicht ausreichend auf therapeutische Prozesse habe einlassen können, obwohl sie durchaus über die intellektuellen Möglichkeiten verfüge, um von therapeutischen Maßnahmen profitieren zu können. Die Ärztin verspricht sich von einer ausreichend langen stationären und nachfolgend ambulanten Behandlung eine mittelfristige Stabilisierung. Es erscheine zwar momentan unrealistisch, dass die Beamtin den körperlichen und psychischen Anforderungen im Außendienst sowie belastenden Ereignissen wie dem Einsatz bei Suiziden werde standhalten können. Prinzipiell sollte jedoch mittelfristig der polizeiliche Innendienst wieder leistbar sein können. Die Polizeiärztin Dr. K. hat sich dieser Einschätzung angeschlossen und hält eine mindestens 6-wöchtige Therapie für sinnvoll und zumutbar.

Dieser Einschätzung stehen die von der Beklagten vorgelegten privatärztlichen Bescheinigungen nicht entgegen. Die ärztlichen Bescheinigungen ihres behandelnden Arztes Dr. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 14. März 2008, 7. Dezember 2009, 13. August 2009, 19. November 2010 und 1. Februar 2011 sind nicht geeignet, die Empfehlungen des polizeiärztlichen Dienstes zu erschüttern. Sie erschöpfen sich in der Aussage, aus psychiatrischer Sicht sei bei ausgeschöpften stationären Maßnahmen eine erneute stationäre Behandlung nicht indiziert, die damit begründet wird, dass bisher insgesamt drei stationär-psychiatrische und zwei stationär-psychosomatische Behandlungsversuche erfolglos gewesen seien und eine ambulante Psychotherapie mit Verschlechterung der Symptomatik im Jahr 2008 habe abgebrochen werden müssen. Es finden sich keine Erklärungen für die Erfolglosigkeit der bisherigen stationären Aufenthalte der Beklagten bzw. für den Abbruch der ambulanten Therapie. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Beweggrund für die vorgeschlagene (erneute) stationäre psychosomatische Behandlung, nämlich das „erhebliche Misstrauen“ und die „eingeschränkte Offenheit“ der Beklagten für therapeutische Prozesse, lassen die ärztlichen Stellungnahmen missen. Die privatärztlichen Stellungnahmen von Dr. M. sind damit nicht geeignet, das amtsärztliche Gutachten bzw. das von der beigezogenen Fachärztin erstellte Gutachten zu entkräften. Gleiches gilt für die ärztliche Einschätzung von Dr. H., der in seinem Attest vom 28. Februar 2014 Therapieansätze im Sinne einer stationären Behandlung im Hinblick auf die bereits vielfach stattgehabten Aufenthalte als nicht zielführend im Sinne einer möglichen Heilung ablehnt und - ohne weitere Begründung - davon ausgeht, die aktuell erreichte, zwar reduzierte aber leidlich stabile Lebensqualität der Beamten werde durch eine solche Maßnahme erheblich gefährdet. Auch hier fehlt die substantiierte Auseinandersetzung mit der Einschätzung der Polizeiärztin.

Auch die von der Beklagten im Berufungsverfahren weiter vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen entkräften die polizeiärztliche Einschätzung nicht. Der Bericht des Universitätsklinikums G... vom 20. Februar 2014 und das Attest von Dr. T. vom 27. März 2014 verhalten sich nicht zum hier maßgeblichen Zeitraum von der erstmaligen Aufforderung, sich der Therapie zu unterziehen, bis zur Erhebung der Disziplinarklage, sondern geben lediglich eine Momentaufnahme bezogen auf den Zeitpunkt des Berichts bzw. des Attestes wieder, wenn eine ambulante Therapie derzeit ausreichend erscheine bzw. eine stationäre psychosomatische Behandlung aktuell aufgrund der bestehenden psychophysischen Instabilität nicht indiziert sei.

Eine erneute stationäre Behandlung erscheint im Übrigen auch vor dem Hintergrund angezeigt, als sich die Beamtin nach Angaben von Dr. M. seit 2008 in seiner psychiatrischer Behandlung befindet, ohne dass sich eine erkennbare Besserung bezüglich ihrer Dienstfähigkeit erkennen lässt, zumal Dr. M. im Rahmen der psychiatrischen Therapie das Hauptaugenmerk auf die medikamentöse Behandlung und nicht auf eine Psychotherapie legt, die von der Polizeiärztin für erforderlich gehalten wird. Soweit sich die Beamtin flankierend zu ihrer medikamentösen Behandlung bei der Dipl.-Psychologin T. einer Psychotherapie unterzieht, vermag dies die für erforderlich gehaltene stationäre psychosomatische Behandlung nicht zu ersetzen, zumal diese Therapie nicht in dem hier maßgeblichen Zeitraum absolviert worden ist.

Es ist des Weiteren nicht erkennbar, dass durch die angeordnete Behandlung gesundheitliche Risiken für die Beamtin gegeben wären, zumal sich die Beklagte in der Vergangenheit wiederholt freiwillig stationären psychiatrischen und psychosomatischen Behandlungen unterzogen hat. Aus dem Umstand, dass im Jahre 2008 eine ambulante Psychotherapie abgebrochen werden musste, lässt sich nicht schließen, dass dies später in einer anderen Einrichtung mit anderen Ärzten auch geschehen könnte, zumal sich die Beamtin frei entscheiden kann, in welche Fachklinik sie sich begibt und ob dort ihren Bedürfnissen Rechnung getragen werden kann. Nicht zuletzt bestehen auch in finanzieller Hinsicht keine Bedenken gegen die Anordnung einer solchen Maßnahme, da die Beklagte zum einem privat versichert und zum anderen als Ruhestandsbeamtin beihilfeberechtigt ist. Hinsichtlich etwaiger nicht abgedeckter Kosten bestünde die Möglichkeit nach § 46 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 BayBhV eine Erhöhung des Beihilfesatzes zu beantragen und im Falle einer immer noch bestehenden Unterdeckung an den Dienstherrn heranzutreten, der sowohl im Disziplinarverfahren als auch in der mündlichen Berufungsverhandlung erklärte, die (dann immer noch) nicht gedeckten Kosten zu übernehmen.

Es liegt schließlich auch kein ungerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte der Antragstellerin vor. Wie bereits oben dargelegt, ist ein Beamter verpflichtet, sich einer zumutbaren Heilbehandlung zu unterziehen. Im Widerstreit stehen hier das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG und die in den Art. 33 Abs. 5 GG grundgesetzlich verankerten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Bei der hier gegebenen Kollision zweier Grundrechtsnormen, die einerseits ein Recht geben und andererseits eine Pflicht auferlegen, ist für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit eines staatlichen Eingriffs eine nach dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip vorzunehmende Abwägung entscheidend. Die Anordnung des Dienstherrn ist danach dann als verfassungsgemäß anzusehen, wenn das besondere dienstliche Interesse für die Anordnung den dadurch bewirkten Eingriff in die Grundrechte des Beamten rechtfertigt, wobei das auf Art. 33 Abs. 5 GG beruhende Beamtenrecht den Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG ausfüllt (vgl. BVerwG, B. v. 9.5.1990 - 2 B 48.90 - ZBR 1990, 261 - juris 3; BVerfG, U. v. 5.5.2015 - 2 BvL 17/09 u. a. - ZBR 2015, 250 - juris Rn. 123).

Nach diesen Grundsätzen besteht unter Berücksichtigung der 7 Jahre lang andauernden Dienstunfähigkeit und der bisher ersichtlich nicht erfolgreichen Therapieansätze kein Zweifel daran, dass eine 6-wöchige stationäre psychosomatische Behandlung eine angemessene Maßnahme zur möglichen (teilweisen) Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft darstellt, die auch zumutbar ist (vgl. BVerwG, U. v. 26.7.1983 - 1 D 98/82 - BVerwGE 76, 103 - juris Rn. 18; sich anschließend: BayVGH, U. v. 20.4.2005 - 16a D 04.531 - juris Rn. 35) und den Grundrechtseingriff damit rechtfertigt.

Es steht für den Senat fest, dass die Ruhestandsbeamtin schuldhaft keine geeigneten Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer vollen Dienstfähigkeit ergriffen hat. Von ihr wird das Erkennen der Forderung des Dienstherrn, eine Therapie durchzuführen, verlangt und zwar unabhängig davon, ob sie eine solche Behandlung für sich selbst für nötig hält oder nicht. Für die Beklagte war erkennbar, dass sie ohne entsprechende Schritte nicht mehr sachgerecht eingesetzt werden konnte. Indem sie dennoch die Durchführung einer stationären psychosomatischen Therapie unterließ, nahm sie die Folge dieser pflichtwidrigen Weigerung, den Eintritt der dauernden Dienstunfähigkeit, in Kauf. Der Senat hält es damit für erwiesen, dass die Ruhestandsbeamtin vorsätzlich, zurechenbar und ohne Rechtfertigung die Durchführung einer stationären Behandlung, die auch für sie zumutbar war, verweigert hat.

Mit der Weigerung, die ärztlicherseits für erforderlich gehaltene und zumutbare stationäre psychosomatische Therapie anzutreten, hat die Beklagte zugleich gegen ihre Pflicht, dienstliche Anweisungen zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen. Der Gehorsamsverstoß war nicht schon deshalb rechtlich unbeachtlich, weil die Beklagte gegen die Anordnungen, eine stationäre Therapie anzutreten, Widerspruch eingelegt hat. Diesen Widersprüchen kam keine aufschiebende Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es sich bei den Anordnungen mangels Außenwirkung nicht um einen Verwaltungsakt handelte (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 - 2 C 17/10 - ZBR 2013, 128 - juris Rn. 15; BayVGH, B. v. 22.9.2015 - 3 CE 15.1042 - juris Rn. 22). Die Beamtin ist wiederholt auf die Gehorsamspflicht und etwaige disziplinare Folgen einer Weigerung hingewiesen worden, so dass der Senat insofern von einem vorsätzlichen Verstoß ausgeht.

2. Mit dem Abbruch der Untersuchung ihrer Dienstfähigkeit am 17. Juli 2012 hat die Beklagte ebenfalls gegen ihre Pflicht, dienstliche Anweisungen zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) verstoßen. Auch insoweit liegt ein vorsätzlicher Weisungsverstoß vor.

IV. Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen sind nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, der sich nach § 47 Abs. 1 BeamtStG ergibt, einheitlich zu würdigen.

Das einheitliche Dienstvergehen führt zur Kürzung der Ruhestandsbezüge der Beklagten gemäß Art. 12 BayDG auf die Dauer von zwei Jahren um ein Zwanzigstel. Der Ausspruch dieser Maßnahme ist im Hinblick auf die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens, seine Auswirkung auf das Maß der Schuld unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit der Beamtin zur Überzeugung des Senats zur Ahndung des Dienstvergehens ausreichend, aber auch erforderlich.

1. Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach Art. 14 BayDG. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten. Aus Art. 14 Abs. 1 BayDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Pflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Bemessungskriterium „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion. Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds ist Ausdruck des Schuldprinzips und für die Bewertung bedeutsam, ob der Beamte trotz des Dienstvergehens weiterhin im Beamtenverhältnis tragbar ist (BVerwG, U. v. 19.8.2010 a. a. O. Rn. 21, U. v. 28.4.2010 a. a. O. Rn. 50).

2. Für den vorliegenden Fall ergibt sich danach Folgendes:

Bei der Bemessung der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme hatte der Senat zu berücksichtigen, dass es bei der zur Beurteilung stehenden Dienstverfehlung kein Regelmaß gibt, sondern stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind.

a. Die schwerste Dienstpflichtverletzung stellt vorliegend die Weigerung der Beamtin, sich einer stationären psychosomatischen Behandlung zu unterziehen, dar.

Das der Beklagten vorgehaltene Dienstvergehen wiegt schwer. Die Treuepflicht und die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz sowie zur Befolgung von Weisungen gebieten es dem Beamten, dem Dienstherrn seine ganze Arbeitskraft zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, demgemäß diese Arbeitskraft auch voll zu erhalten bzw. alles zur unverzüglichen Wiederherstellung zu tun.

Die Beamtin hat vorsätzlich gegen ihre Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf verstoßen und ein schweres Dienstvergehen begangen.

Die Erhaltung oder Wiederherstellung der Dienstfähigkeit als Voraussetzung für die Erfüllung der ihr nach dem Beamtenverhältnis obliegenden Pflichten ist auf dessen Substanz von erheblichen Einfluss: Ohne körperlich und geistig jederzeit voll einsetzbare Mitarbeiter ist die Verwaltung außerstande, die ihr im Interesse der Allgemeinheit auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen. Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ist durch körperlich bzw. geistig oder seelisch nicht oder nur beschränkt einsetzbare Beamte gefährdet. Das ist jedem Mitarbeiter im öffentlichen Dienst bekannt. Die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten oder im gegebenen Fall durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, stellt daher eine Pflichtverletzung mit erheblichem disziplinaren Gewicht dar. Das muss jedenfalls gelten, wenn dienstliche Auswirkungen einer solchen Pflichtverletzung, wie hier die dauernde Dienstunfähigkeit, eingetreten sind. Hierin wird nicht nur ein Element der Dienstvergehensqualität, sondern zugleich auch die dienstrechtliche Schwere einer entsprechenden Pflichtverletzung offenbar.

Der Vorwurf wiegt jedoch nicht so schwer, dass er die disziplinare Höchstmaßnahme rechtfertigt. Denn dabei kann nicht außer Acht bleiben, dass sich die Beklagte bereits vor der entsprechenden Anordnung erfolglos einer stationären Behandlung unterzogen hat und sich mit ihrer Weigerung auf eine entsprechende Einschätzung ihres Therapeuten stützen konnte (vgl. BayVGH, U. v. 13.12.2006 - 16a D 05.1837 - juris Rn. 37/39).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 26.7.1983 - 1 D 98/82 - BVerwGE 76, 103 - juris Rn. 16) muss für den Fall, dass der Beamte (Ruhestandsbeamte) sich einer zumutbaren Behandlung nicht stellt, weil es für ihn keine Motivation der Behandlung gibt, und er es vielmehr darauf anlegt, ohne weitere Dienstleistung den Ruhestand zu erreichen (bzw. ihn sich zu erhalten), die fehlende Motivation geschaffen werden. Sie wird erreicht durch eine Disziplinarmaßnahme, die dem Beamten (Ruhestandsbeamten) deutlich macht, dass er Gefahr läuft, seine Beamtenrechte zu verlieren, wenn er weiterhin die Belange des Dienstherrn ignoriert.

Auf den hier konkret zu entscheidenden Fall angewendet bedeutet das:

Die Würdigung der gesamten Umstände, insbesondere der subjektiven Seite, lässt es vertretbar erscheinen, gegenwärtig von der disziplinaren Höchstmaßnahme abzusehen. Zugunsten der Ruhestandsbeamtin kann gewertet werden, dass sie auf ihre behandelnden Ärzten vertrauend, die stationäre psychosomatische Behandlung abgelehnt hat. Aus der - von der Ärztin K. festgestellten - Uneinsichtigkeit der Beklagten gegenüber der für notwendig gehaltenen Therapie mag die Weigerung aus ihrer Sicht entschuldbar gewesen sein. Deshalb und auch vor dem Hintergrund eines bisherigen disziplinarischen Unbescholtenheit und demnach (naturgemäß) auch dem Fehlen einer einschlägigen Vorwarnung ist trotz fehlender Rechtfertigungsgründe zu erwarten, dass der Ruhestandsbeamtin eine Gehaltskürzung im mittleren Bereich den drohenden Verlust ihrer Beamtenrechte für den Fall hinreichend deutlich macht, dass sie ihr Verhalten nicht ändern sollte (BayVGH, U. v. 20.4.2005 - 16a D 04.531 - juris Rn. 39). Hinzu kommt der weitere Gehorsamsverstoß, Abbruch der Untersuchung zur Feststellung der Dienstfähigkeit, der von seiner Gewichtigkeit jedoch gering ist und zudem dadurch erheblich abgeschwächt ist, dass die Beklagte im Vorfeld der Untersuchung - wenngleich ausgesprochen kurzfristig - auf ihr Problem hingewiesen hatte, bestimmte - intime - Themen mit Männern zu besprechen, was zudem durch das Attest vom14. März 2008 belegt war, und sich nach dem Gespräch mit Prof. Dr. W. am Nachmittag in ärztliche Behandlung begeben musste und sich ausweislich des Attestes vom 22. Juli 2012 in einer akuten Konfliktsituation befand, die medikamentös bewältigt werden musste. Der Gehorsamsverstoß spielt damit hinsichtlich der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme eine untergeordnete Rolle.

In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände erscheint dem Senat die Kürzung des Ruhegehalts (Art. 12 BayDG) auf die Dauer von zwei Jahren angemessen und geboten. Der Senat hat in Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, U. v. 21.3.2001 - 1 D 29/00 - ZBR 2001, 362 - juris Rn. 20) den Kürzungsumfang auf ein Zwanzigstel des Ruhegehalts festgesetzt. Nach der Rechtsprechung des Senats (BayVGH, U. v. 20.4.2005 - 16a D 04.531 - juris Rn. 39) gelten diese Grundsätze auch bei Ruhestandsbeamten.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Tatbestand

1

Der 1955 geborene Beklagte war als Justizvollzugsobersekretär zuletzt in der Justizvollzugsanstalt für Frauen in B. tätig. Er befindet sich seit dem 1. November 2004 aufgrund einer psychischen Erkrankung wegen dauernder Dienstunfähigkeit im vorzeitigen Ruhestand. Nach dem Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung war der Beklagte durch diese Erkrankung im Jahre 2002 gesundheitlich nicht in der Lage, die Folgen seines unentschuldigten Fehlens im Dienst objektiv zu beurteilen.

2

Der Beklagte war von Mai 1998 bis Oktober 2001 in zweiter Ehe mit einer aus G. stammenden Frau verheiratet, die einen 1986 geborenen Sohn und eine 1991 geborene Tochter mit in die Ehe brachte. Während der Ehe litt er unter Alkoholabhängigkeit. Mit rechtskräftigem Strafurteil des Amtsgerichts T. vom 23. Juli 2003 wurde er wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes (§§ 174, 176 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts rief der Beklagte an einem Abend zwischen Juni und August 1998 seine sechs Jahre alte Stieftochter zu sich auf den Balkon, wo er mit herabgelassener Hose und sichtbar erigiertem Penis saß. Er veranlasste sie, sich zu ihm zu setzen. Dann zog er ihr die Hose und Unterhose herunter und hob ihr T-Shirt an, streichelte und küsste sie am Bauch und an den Innenseiten der Oberschenkel und manipulierte mit seiner Hand an ihrer Scheide. Er ergriff eine Hand des Kindes und führte sie in Richtung seines Penis.

3

Wegen dieser Straftat hat das Berufungsgericht im Disziplinarklageverfahren auf die Berufung des Beklagten die Aberkennung des Ruhegehalts durch das Verwaltungsgericht bestätigt. Es hat sich an die tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil gebunden gesehen, die auch die Feststellung schuldhaften Handelns umfassten. Der sexuelle Missbrauch stelle ein gravierendes Dienstvergehen dar. Der Beklagte habe während seiner Zeit im aktiven Dienst das Ansehen des Berufsbeamtentums nachhaltig beschädigt, was die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis notwendig mache. Dem entspreche nach der Versetzung in den Ruhestand die Aberkennung des Ruhegehalts. Das strafbare Fehlverhalten sei von einer Reihe erschwerender Umstände gekennzeichnet. Das Eigengewicht der Tat sei erheblich und bewege sich nicht am unteren Rand denkbarer Missbrauchsfälle. Die Tat sei durch eine erhebliche Intensität der intimen Berührungen gekennzeichnet. Seine im gemeinsamen Haushalt lebende Stieftochter sei zum Zeitpunkt des Übergriffs erst sechs Jahre alt und dem sexuellen Übergriff schutzlos ausgeliefert gewesen. Negative Folgewirkungen für das Kind seien nicht ausgeschlossen. Da die strafrechtliche Bedeutung das disziplinarische Gewicht des Fehlverhaltens maßgebend bestimme, zeige schließlich auch das Strafmaß die Schwere des Dienstvergehens.

4

Durchgreifende Entlastungsgründe lägen nicht vor. Insbesondere handele es sich nicht um eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation. Zwar sei zu Gunsten des Beklagten davon auszugehen, dass er bei der Tatbegehung vermindert schuldfähig gewesen sei. Dies wirke sich aber nicht mildernd aus, weil der Beklagte selbstverständliche Grundpflichten des Beamtenverhältnisses verletzt habe.

5

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision, mit der er beantragt,

die Urteile des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Juni 2006 und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Mai 2007 aufzuheben und dem Beamten das Ruhegehalt zu kürzen.

6

Der Kläger verteidigt das angegriffene Berufungsurteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses verteidigt ebenfalls das angegriffene Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Landesrecht (§ 49 Abs. 1 Satz 1, § 41 des Disziplinargesetzes für das Land Berlin (DiszG) i.V.m. §§ 69, 70 BDG). Das Berufungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Aberkennung des Ruhegehalts aufgrund einer Bemessungsentscheidung bestätigt, die gegen die gesetzlichen Vorgaben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 DiszG verstößt. Da die Tatsachenfeststellungen des Berufungsurteils nicht ausreichen, um dem Senat eine abschließende Entscheidung über die Disziplinarklage zu ermöglichen, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 41 DiszG i.V.m. § 70 Abs. 2 BDG).

9

Die Verwaltungsgerichte erkennen aufgrund einer eigenen Bemessungsentscheidung gemäß § 13 Abs. 1 und 2 DiszG (entspricht § 13 BDG) auf die erforderliche Disziplinarmaßnahme, wenn sie nach umfassender Sachaufklärung (§ 41 DiszG i.V.m. § 58 BDG, § 86 Abs. 1 und 2 VwGO) zu der Überzeugung gelangen, dass der Beamte die ihm in der Disziplinarklageschrift zur Last gelegten dienstpflichtwidrigen Handlungen begangen hat, und dem Ausspruch der Disziplinarmaßnahme kein rechtliches Hindernis entgegensteht (§ 41 DiszG i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BDG, § 5 DiszG). Sie sind dabei an die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Wertungen des klagenden Dienstherrn nicht gebunden (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 11 und Beschluss vom 14. Juni 2005 - BVerwG 2 B 108.04 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 S. 2).

10

Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DiszG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung.

11

Den Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe hat der Senat für die wortgleiche Vorschrift des § 13 BDG in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - (BVerwGE 124, 252 <258 ff.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1) und vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - (a.a.O.; seitdem stRspr) näher bestimmt. Danach ist maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 DiszG die Schwere des Dienstvergehens. Sie beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens. Das Bemessungskriterium "Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit" gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 DiszG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

12

Aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DiszG folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums zu gewährleisten (Urteil vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 16).

13

1. Das rechtskräftig festgestellte außerdienstliche Sexualdelikt des Beklagten gegen ein Kind ist in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen der Allgemeinheit gegenüber dem Beamten in einer für sein Amt und das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise gravierend zu beeinträchtigen (zu a). Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens und der damit verbundenen Ansehensschädigung auch dann geeignet, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts zu rechtfertigen, wenn die Tat keinen dienstlichen Bezug aufweist (zu b). Dies entbindet die Gerichte nicht von einer Prüfung der sonstigen relevanten subjektiven und objektiven Handlungsmerkmale im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DiszG (zu c und 2.).

14

a) Auch strafbares außerdienstliches Verhalten stellt nur dann ein disziplinarrechtlich relevantes Fehlverhalten dar, wenn die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. (seit 1. April 2009 § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) erfüllt sind, d.h. es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Beamten oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

15

Für die entsprechenden bundesrechtlichen Vorschriften in § 54 Satz 3 BBG a.F. und § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG hat der Disziplinarsenat (Urteil vom 30. August 2000 - BVerwG 1 D 37.99 - BVerwGE 112, 19 <23 ff.> = Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 23) hervorgehoben, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG dem Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen über die Stellung der Beamten Rechnung tragen wollte. Diese werden nicht mehr als Vorbild in allen Lebenslagen angesehen, die besonderen Anforderungen an Moral und Anstand unterliegen. Daher ist ein außerdienstliches Fehlverhalten nur dann disziplinarisch bedeutsam, wenn es die Achtung und das Vertrauen beeinträchtigt, die der Beruf des Beamten erfordern. Die Beeinträchtigung muss sich auf das konkrete Amt des Beamten beziehen oder das Ansehen des Beamtentums nachhaltig beschädigen.

16

In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. Insoweit wird in der Gesetzesbegründung hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien "immer im Dienst", in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl. BTDrucks 16/4027). Eine Rechtsänderung ergibt sich hieraus nicht. Die Wahrung des "Ansehens des Beamtentums" dient allein der Erhaltung eines allgemeinen Vertrauens in eine rechtsstaatliche Verwaltung. Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen. Das Vertrauen, dass er diesem Auftrag gerecht wird und dessen er zur Erfüllung seiner Aufgabe bedarf, darf der Beamte durch sein Verhalten nicht beeinträchtigen (Urteil vom 30. August 2000 a.a.O. m.w.N.).

17

Der mit der Gesetzesänderung nachvollzogene Wertungswandel bei der Beurteilung außerdienstlichen Verhaltens als Dienstvergehen ist zu berücksichtigen, entsprach aber bereits zum Tatzeitpunkt der Auslegung der seinerzeit geltenden § 20 Satz 3 und § 40 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. durch das Bundesverwaltungsgericht. Für die Frage, ob der Beamte im angeschuldigten Tatzeitraum seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, ist daher weiterhin die damalige Sach- und Rechtslage maßgebend, weil es auch im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB kein für den Beklagten materiellrechtlich günstigeres neues Recht gibt (vgl. dazu zuletzt: Urteil vom 25. August 2009 - BVerwG 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1, m.w.N.).

18

Vorsätzlich begangene schwerwiegende Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden sind, führen allerdings auch ohne Bezug auf das konkrete Amt in der Regel zu einer Ansehensschädigung wie die gesetzgeberische Wertung in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG (bzw. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG, vormals § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG a.F. bzw. § 83 Satz 1 Nr. 1 LBG a.F.) zeigt (Urteil vom 30. August 2000 a.a.O.). Um eine solche schwerwiegende Straftat handelt es sich bei einem vorsätzlich begangenen außerdienstlichen Sexualdelikt gegen ein Kind im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB, das mit einer Freiheitsstrafe geahndet worden ist. Eine solche Straftat ist - unabhängig vom konkreten Amt, das der Beamte innehat - geeignet, das Ansehen des Berufsbeamtentums derart schwerwiegend zu beeinträchtigen, dass als Richtschnur für die Maßnahmebemessung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts zugrunde gelegt werden kann.

19

b) Das folgt aus der in hohem Maße schädlichen Wirkung eines sexuellen Missbrauchs für die Persönlichkeit des Kindes (Art. 2 Abs. 1 GG) verbunden mit einer schweren Verletzung seiner Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), die auch in dem hohen Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB zum Ausdruck kommt. Der strafbare sexuelle Missbrauch eines Kindes ist in hohem Maße persönlichkeitsschädigend, weil er in den Reifeprozess eines jungen Menschen eingreift und nachhaltig die Entwicklung seiner Gesamtpersönlichkeit gefährdet. Ein Kind oder Jugendlicher kann wegen seiner fehlenden bzw. noch nicht hinreichenden Reife das Erlebte intellektuell und gefühlsmäßig in der Regel gar nicht oder nur sehr schwer verarbeiten. Zugleich benutzt der Täter sein kindliches Opfer als Mittel zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs. In dieser Herabminderung zum bloßen Objekt seines eigenen Sexualverhaltens liegt eine grobe Missachtung der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte des betroffenen Kindes. Sexualdelikte gegen Kinder unterliegen mittlerweile durchgängig einer starken gesellschaftlichen Ächtung. Der Gesetzgeber hat in Reaktion hierauf Kinder unter 14 Jahren unter einen uneingeschränkten strafrechtlichen Schutz gestellt. Die Tatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§§ 176, 176a, 176b, ebenso § 184b, vgl. auch § 5 Nr. 8b StGB) bezwecken, die Entwicklung des Kindes vor vorzeitigen sexuellen Erlebnissen zu schützen. Deshalb führt auch der außerhalb des Dienstes begangene sexuelle Missbrauch eines Kindes durch einen Beamten in der Vorstellungswelt eines vorurteilsfrei wertenden Betrachters zu einer erheblichen Ansehensbeeinträchtigung des Beamten, wenn nicht zu völligem Ansehensverlust, also zu einem Verlust des Vertrauens der Allgemeinheit in die Integrität des Beamtentums. Insbesondere in einem freiheitlich- demokratischen Rechtsstaat ist das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Beamtenschaft für den geordneten Ablauf der öffentlichen Verwaltung unabdingbar. Dieses Vertrauen wird auch durch das persönliche Ansehen eines jeden Beamten bestimmt (vgl. zuletzt Urteil vom 24. Februar 1999 - BVerwG 1 D 72.97 - juris, m.w.N.).

20

c) Dies entbindet die Gerichte jedoch nicht davon, die Umstände des Einzelfalls ausreichend zu würdigen. Für die Zumessungsentscheidung müssen die in § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 DiszG genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen zukommenden Gewicht ermittelt und eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (stRspr, vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2008 - 2 BvR 313/07 - NVwZ 2008, 669 f., m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 30). Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens stehen, die maßgebend auch vom Verschulden des Beamten abhängt. Insbesondere entfällt die Indizwirkung dann, wenn sich im Einzelfall aufgrund des Persönlichkeitsbildes des Beamten Entlastungsgründe von solchem Gewicht ergeben, dass die prognostische Gesamtwürdigung den Schluss rechtfertigt, der Beamte habe das Vertrauensverhältnis noch nicht vollends zerstört (dazu sogleich zu 2.).

21

Ungeachtet der Schwere des mit einer Freiheitsstrafe geahndeten sexuellen Missbrauchs eines Kindes im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB können über das Eigengewicht der Tat hinaus weitere erschwerende Umstände hinzutreten. Darauf kommt es an, wenn dem Beamten nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" mildernde Umstände von erheblichem Gewicht zugute kommen.

22

Hier kann sich der Umstand, dass in Tateinheit mit dem Kindesmissbrauch der Missbrauch einer Schutzbefohlenen (§ 174 StGB) verwirklicht wurde, neben dem Eigengewicht der Tat nicht zusätzlich erschwerend auswirken. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn dem Beamten - etwa einem Lehrer - dienstlich Kinder anvertraut sind, da dann dem außerdienstlichen Fehlverhalten zugleich eine Indizwirkung für die Erfüllung der Dienstpflichten zukommt.

23

Irrelevant sind auch die weiteren vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstände, dass das Tatgeschehen durch eine erhebliche Intensität der intimen Berührungen gekennzeichnet sei, es sich um ein erst sechs Jahre altes Kind gehandelt habe und eine hohe Freiheitsstrafe ausgesprochen worden sei. Diese Umstände begründen die Schwere des Dienstvergehens und fallen deshalb nicht zusätzlich ins Gewicht.

24

Bemessungsrelevant sind dagegen solche Umstände, die auch nach der Wertung im Strafrecht zu berücksichtigen sind - etwa die Intensität und Häufigkeit der sexuellen Beziehungen und die Folgen für das Kind - wie dies durch die § 176 Abs. 3, § 176a und § 176b StGB zum Ausdruck kommt. Weniger schwerwiegend sind etwa die in § 176 Abs. 4 und 5 StGB beschriebenen Straftaten.

25

Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den negativen Folgewirkungen für das Kind verletzen § 13 Abs. 1 DiszG in mehrfacher Hinsicht:

26

Negative Folgewirkungen für das Kind sind disziplinarisch nur dann - im Gleichklang mit dem Strafrecht - als erschwerend anzusehen, wenn das Kind durch die Tat in die Gefahr einer erheblichen Schädigung der seelischen oder körperlichen Entwicklung des Kindes gebracht wird (vgl. § 176a Abs. 2 Nr. 3 StGB). Diese strafschärfende Qualifikation hat das Amtsgericht jedoch nicht festgestellt. Unabhängig davon genügt es nicht, wenn negative Folgewirkungen lediglich nicht ausgeschlossen werden können. Zum einen ist die Gefahr einer seelischen Schädigung mit einem sexuellen Missbrauch immer verbunden, lässt sich also nie ausschließen. Gerade deshalb sind die Tatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet. Zum anderen führt die Wendung, negative Folgewirkungen für das Kind seien nicht ausgeschlossen, in einen Konflikt mit dem auch im Disziplinarrecht geltenden Grundsatz "in dubio pro reo". Eine Gefahr setzt voraus, dass hinreichende und konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich diese verwirklichen wird. Worin diese bestehen, muss aufgezeigt werden.

27

Hinzu kommt Folgendes: Dem Strafurteil lässt sich zu Folgewirkungen für das Kind nichts entnehmen, so dass das Berufungsgericht hierzu den Sachverhalt hätte selbst aufklären und die erforderlichen Beweise erheben müssen (§ 41 DiszG i.V.m. § 58 Abs. 1 BDG, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG, § 3 DiszG i.V.m. § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 2 VwGO, vgl. Beschluss vom 29. Mai 2009 - BVerwG 2 B 3.09 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 5). Das Berufungsgericht stellt in diesem Zusammenhang auf die polizeiliche Vernehmung des Kindes ab. Der erkennende Senat vermag dieser Vernehmung nichts dergleichen zu entnehmen. Eine besondere eigene Sachkunde hat das Berufungsgericht nicht geltend gemacht. Die von ihm in diesem Zusammenhang herangezogenen Stellungnahmen der behandelnden Pädagogin und der Soziologin (nicht: Psychotherapeutin) lassen nicht erkennen, dass der sexuelle Missbrauch als Hauptursache für die Leistungs- und Verhaltensprobleme des Kindes anzusehen ist. Die Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin des Jugendamtes hat ausgeführt, dass das Kind während der Therapiestunden nicht über einen sexuellen Missbrauch gesprochen habe und auch keine Hinweise in seinem Verhalten vorlägen, die eindeutig auf sexuellen Missbrauch zurückzuführen seien. Auch angesichts dessen hätte das Berufungsgericht, wollte es diesem Umstand maßgebende Bedeutung beimessen, hierzu den Sachverhalt weiter aufklären müssen.

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2. Das Berufungsgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, die Frage einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten bei der Tat im Sinne des § 21 StGB aufzuklären und entsprechend ihrer rechtlichen Bedeutung bei der Würdigung der subjektiven Handlungsmerkmale und des Persönlichkeitsbildes des Beklagten zu berücksichtigen.

29

a) Das Berufungsgericht ist zu Gunsten des Beklagten davon ausgegangen, dass seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit im Zeitpunkt des sexuellen Übergriffs im Sinne des § 21 StGB vermindert war (UA S. 14u), verneint aber gleichwohl die Relevanz, also die Erheblichkeit dieser Annahme, weil der Beklagte die leicht einsehbare Pflicht verletzt habe, die sexuelle Integrität Dritter, insbesondere von Kindern nicht zu verletzen. Dies verstößt nicht nur gegen die Bemessungsvorgaben nach § 13 Abs. 1 Satz 1 bis 4 DiszG, sondern auch gegen das verfassungsrechtlich fundierte Schuldprinzip (vgl. Urteil vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 30). Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (vgl. Urteile vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 31 und vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 m.w.N.; stRspr). Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund der krankhaften seelischen Störung erheblich im Sinne des § 21 StGB war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände (Urteil vom 3. Mai 2007 a.a.O. Rn. 33).

30

Für die Annahme einer erheblichen Minderung der Schuldfähigkeit sind schwerwiegende Gesichtspunkte heranzuziehen wie etwa Psychopathien, Neurosen, Triebstörungen, leichtere Formen des Schwachsinns, altersbedingte Persönlichkeitsveränderungen, Affektzustände sowie Folgeerscheinungen einer Abhängigkeit von Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Alkoholabhängigkeit kommt, auch wenn sie pathologischer Natur ist, hinsichtlich des Schweregrades einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB nur gleich, wenn sie entweder zu schwerwiegenden psychischen Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder der Betroffene die Tat im akuten Rausch begangen hat. Nur unter diesen Voraussetzungen kann eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB in Betracht kommen.

31

Das Berufungsgericht durfte daher die Frage, aufgrund welcher Tatsachen die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB ernsthaft in Betracht kommen ("in dubio pro reo") nicht offen lassen oder zugunsten des Beklagten ohne tatsächliche Grundlagen eine erhebliche Minderung unterstellen. Vielmehr musste es selbst die hierfür erforderlichen Umstände aufklären. Die Frage, ob der Beamte im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne von §§ 20, 21 StGB gehandelt hat, darf nicht quasi schematisch als unbeachtlich behandelt werden (stRspr, Urteile vom 29. Mai 2008 a.a.O., vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. und vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50).

32

Hier ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte möglicherweise schon zum Tatzeitpunkt psychisch erkrankt war und unter Alkoholmissbrauch litt. Ferner gab es einen Beweisantrag zu § 21 StGB, so dass für das Berufungsgericht begründeter Anlass bestand, diesen entscheidungserheblichen Fragen nachzugehen.

33

b) Das Berufungsgericht wird daher zunächst durch Einholung von Sachverständigengutachten zu prüfen haben, ob hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beklagte im Tatzeitraum an einer krankhaften seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten hat. Sollte eine solche Störung nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, so stellt sich die Frage nach der Erheblichkeit einer dadurch bewirkten Verminderung der Schuldfähigkeit.

34

Liegt allerdings eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Beamten im Sinne des § 21 StGB tatsächlich vor, so ist dieser Umstand bei der Bewertung der Schwere des Dienstvergehens mit dem ihm zukommenden erheblichen Gewicht heranzuziehen. Auch insoweit leidet das Berufungsurteil an einem Abwägungsmangel. Es hat zwar eine Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten im Sinne des § 21 StGB ohne eigene Tatsachenfeststellung unterstellt, diesen Umstand aber dann als unbeachtlich gewertet. Dies ist in sich widersprüchlich. Wenn eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit vorliegt, wird die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden können.

35

Unter Umständen kann dann der Umstand, dass die Tat in eine zeitlich begrenzte und mittlerweile abgeschlossene Lebensphase verstärkten Alkoholkonsums fiel, ebenfalls Gewicht erlangen.

36

Litt der Beamte tatsächlich an einer Störung im Sinne des § 20 StGB bereits zum Zeitpunkt der Missbrauchstat, ist nicht auszuschließen, dass er bereits seinerzeit schuldunfähig war, wie dies das Berufungsgericht (und bereits das Verwaltungsgericht) für die weiter angeklagten Taten des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst und der Versäumung der amtsärztlichen Untersuchungen angenommen hat. Erhebliche Fehlzeiten und der Verdacht eines Alkoholmissbrauchs waren bereits zum Tatzeitpunkt gegeben. Das Amtsgericht ist dem Alkoholkonsum nicht näher nachgegangen, die psychische Erkrankung des Beamten, die schließlich zu seiner Dienstunfähigkeit geführt hat, wurde nicht problematisiert. Insoweit könnte das Ergebnis der Ermittlungen des Berufungsgerichts zu § 21 StGB sogar Anlass zu einer Lösung von den Feststellungen des Strafgerichts zu § 20 StGB geben. Diese Feststellungen wären dann nicht mehr nach § 41 DiszG i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG bindend, weil sie sich als offenbar unrichtig im Sinne des Satzes 2 dieser Vorschrift erwiesen hätten.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.