vorgehend
Verwaltungsgericht Ansbach, AN 13b D 15.460, 25.11.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

I.

Der 19... geborene Beklagte beendete 1995 seine Schullaufbahn zunächst mit der Mittleren Reife, nachdem er die Abiturprüfung nicht bestanden hatte. Danach war er für die Bundeswehr tätig, seit 1. November 1996 als Soldat auf Zeit. Währenddessen ließ sich der Beklagte in einem Abendkurs zum Bürokaufmann mit IHK-Abschluss ausbilden und nahm an der Bundeswehrfachschule W … erfolgreich am Lehrgang Fachhochschulreife Wirtschaft teil (Gesamtschnitt: 1,6). Zum 1. Oktober 2007 trat der Beklagte als Finanzanwärter beim Finanzamt H. in die Bayerische Finanzverwaltung ein. Ihm wurde im Jahr 2010 die Laufbahnbefähigung für den Mittleren Dienst zuerkannt (§ 47 Abs. 4 StBAPO), nachdem er die Laufbahnprüfung und die Wiederholungsprüfung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes nicht bestanden hatte. Mit Wirkung zum 1. Januar 2011 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Steuersekretär ernannt und zum 1. Januar 2013 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Zum 1. Juli 2013 wurde der Beklagte zum Steuerobersekretär befördert. Bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte war der Beklagte als Buchhalter für Kraftfahrzeugsteuerfälle beim Finanzamt H. tätig.

Der verheiratete Beklagte ist Vater von zwei 2007 und 2010 geborenen Töchtern. Er bezieht ungekürzte Bezüge aus der Besoldungsgruppe A 7. In seiner letzten periodischen Beurteilung 2013 erhielt er 11 Punkte.

II.

Im Rahmen einer beim Finanzamt H. vom 3. Juli 2013 bis 5. Juli 2013 durchgeführten kleinen Geschäftsprüfung wurden folgende Feststellungen getroffen, die vom Beklagten im Disziplinarverfahren eingeräumt wurden:

1. Ein für das Konto „208/BT-WS 79/5“ des am 30. Oktober 2012 verstorbenen Fahrzeughalters W … S … entstandenes Kraftfahrzeugsteuerguthaben in Höhe von 90,00 EUR wurde von dem Beklagten ämterübergreifend unter dessen Kennung „…“ am 16. Mai 2013 auf die Steuernummer „… …“ umgebucht. Das betreffende Kraftfahrzeug war auf den Vater des Beklagten, Herrn K … S …, zugelassen. Für diese Kfz-Steuernummer war ein auf den Beklagten und dessen Ehefrau lautendes, gemeinsames Bankkonto bei der Sparkasse H … hinterlegt.

2. Für den am 27. Oktober 2012 verstorbenen Fahrzeughalter H … M … entstand auf Grund Fahrzeugabmeldung ein Guthaben in Höhe von 115,00 EUR. Hiervon wurde vom Beklagten ein Restguthaben von 114,00 EUR auf die Steuernummer „…“ umgebucht. Das betreffende Kraftfahrzeug war auf die Ehefrau des Beklagten zugelassen. Von diesem Restguthaben wurden 30,00 EUR auf die am 6. September 2013 fällig werdende Kfz-Steuer angerechnet und der verbleibende Betrag von 84,00 EUR auf das für diese Kfz-Steuernummer gespeicherte, auf den Beklagten und dessen Ehefrau lautende, gemeinsame Bankkonto bei der Sparkasse H … erstattet. Die insoweit anfallenden Buchungen wurden von dem Beklagten am 25. und 26. Juni 2013 unter der Kennung des Beklagten „…“ vorgenommen.

III.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes leitete der Leiter des Finanzamtes H als Dienstvorgesetzter mit Vermerk vom 5. Juli 2013 gegen den Beklagten gemäß Art. 19 Abs. 1 BayDG ein Disziplinarverfahren ein.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2013 untersagte das Bayerische Landesamt für Steuern dem Beklagten mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte gemäß § 39 BeamtStG.

Am 15. Juli 2013 wurde das Disziplinarverfahren nach Art. 35 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Art. 35 Abs. 2 Satz 2 BayDG vom Bayerischen Landesamt für Steuern als Disziplinarbehörde übernommen und mit Verfügung vom gleichen Tag gemäß Art. 21 Abs. 1 BayDG auf weitere Tathandlungen des Beamten ausgedehnt.

Dem Beklagten wurde zusätzlich zur Last gelegt, unter seiner Kennung „…“ unberechtigterweise Kfz-Steuer-Guthaben vierer verschiedener Steuerpflichtiger in Höhe von insgesamt 1,91 EUR auf das Kfz-Steuer-Konto „…“ seines Vaters K … S … umgebucht zu haben.

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Vorgänge:

Steuernummer

Steuerpflichtiger/ Fahrzeughalter

Guthaben

Umbuchung auf

Steuernummer/Fahrzeughalter

Datum der Umbuchung

208/BT-FH 175/2

H … (verstorben)

0,50 EUR

HO-SM 37/5

10.04.2013

258/WUN-HC 94/6

J …

0,10 EUR

HO-SM 37/5

10.04.2013

258/768/00376

A …

0,31 EUR

HO-SM 37/5

14.05.2013

WUN-461 E/7

G …

1,00 EUR

HO-SM 37/5

22.05.2013

Mit Verfügung vom 11. September 2013 wurde der Beklagte gemäß Art. 39 BayDG vorläufig des Dienstes enthoben. Unter Berücksichtigung der finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten erfolgte kein Bezügeeinbehalt gemäß Art. 39 Abs. 2 BayDG.

Ein im Auftrag des Landesamtes für Steuern erstelltes Gutachten des Leiters der Klinik für forensische Psychiatrie am Bezirkskrankenhaus B … vom 3. November 2014 gelangte zum Ergebnis, aus forensisch-psychiatrischer Sicht würden keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen, die für die Aufhebung oder erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten im Tatzeitraum April bis Juni 2013 gemäß §§ 20, 21 StGB sprächen. Es sei zwar gut möglich, dass beim Beklagten infolge des Gesprächs im Finanzamt H am 5. Juli 2013 im Hinblick auf die Tatvorwürfe und dessen Folgen eine außergewöhnliche und auf ihn einwirkende akute Belastungsreaktion vorgelegen habe, auf die eine nicht länger anhaltende depressive Reaktion erfolgt sei. Es lägen aber keine hinreichenden Anhaltspunkte aus psychiatrischer Sicht dafür vor, dass beim Beamten vor dem 5. Juli 2013 bereits eine schwerwiegende psychische Erkrankung bestanden habe oder dass vom Vorliegen von gesundheitlichen Störungen ausgegangen werden müsse, die erheblich Einfluss auf zentral-nervöse Funktionen des Beamten vor dem 5. Juli 2013 gehabt hätten. Selbst wenn er sich in den Monaten April bis Juni 2013 auf Grund einer anhaltenden beruflichen und persönlichen Überlastung und dem Bestreben, den an ihn gestellten oder von ihm so empfundenen Anforderungen voll zu genügen, in einer erheblichen psychischen Belastung befunden habe, so dass man durchaus von einer leichten depressiven Reaktion beim Beamten ausgehen könne, so erfülle dies keinesfalls das in der Schuldfähigkeitsbeurteilung geforderte Schwerekriterium. Aufgrund des notwendigen, „mehrschrittigen“ Vorgehens bei den zur Last gelegten Vorgängen sei zudem davon auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nicht in Betracht gezogen werden könne. Zusätzlich wurde festgestellt, dass aufgrund der Erfahrungen, die der Beamte nach dem 5. Juli 2013 machen musste und der hieraus gezogenen Erkenntnisse aus forensisch-psychiatrischer Sicht beim bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Beamten, der grundsätzlich über ein hohes Pflichtbewusstsein verfüge und eine hohe Identifikation mit seinen dienstlichen Aufgaben aufweise, keine weiteren vergleichbaren Handlungen zu befürchten seien. Eine Bereicherungsabsicht könne zudem wohl nicht angenommen werden. Gesundheitliche Einschränkungen, insbesondere von Seiten des psychiatrischen und neurologischen Fachgebietes, die gegen eine Wiederaufnahme der Diensttätigkeit des Beamten sprechen würden, lägen nicht vor.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 wurde dem Beklagten die Gelegenheit zur abschließenden Äußerung gegeben. Hiervon machte er mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 12. Januar 2015 Gebrauch. Unter anderem wurde vorgebracht, dass der Beamte ohne Bereicherungsabsicht gehandelt habe. Gegen eine Bereicherungsabsicht spräche die niedrige Schadenssumme bei vier Umbuchungen unter einem Euro. Er habe durch die Umbuchungen den ihn stark belastenden, ständigen Fehlermeldungen im System begegnen wollen. Dies belege auch die Bezeichnung „Test“ auf einem der Buchungsvermerke.

Die Mitwirkung der Personalvertretung gemäß Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 und 4 BayPVG wurde beantragt. Mit Schreiben vom 18. Februar 2015 teilte diese mit, dass gegen die beabsichtigte Erhebung der Disziplinarklage keine Einwendungen erhoben würden.

IV.

Mit Schriftsatz vom 9. März 2015, eingegangen beim Verwaltungsgericht Ansbach am 17. März 2015, erhob der Kläger Disziplinarklage mit dem Antrag, den Beklagten gemäß Art. 14 Abs. 2 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Der Beklagte habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Buchhaltungssachbearbeiter über einen Zeitraum von 12 Wochen unbefugt Kfz-Steuerguthaben von sechs Steuerpflichtigen auf das auf ihn und seine Ehefrau lautende gemeinsame Bankkonto bei der Sparkasse H … umgebucht, das als Konto für die Kfz-Steuer seines Vaters und seiner Ehefrau in den Finanzamtsdaten hinterlegt gewesen sei. Er habe die Beträge dabei in fünf Fällen auf das Kfz-Steuerkonto seines Vaters und in einem weiteren Fall auf das Kfz-Steuerkonto seiner Ehefrau gebucht. Insgesamt habe der Beklagte dadurch einen Betrag in Höhe von 205,91 Euro veruntreut, mit der Absicht, sich das Geld dauerhaft anzueignen. Er habe hierdurch im Kernbereich seiner Pflichten als Kassenbeamter versagt und ein schweres Dienstvergehen begangen. Erhebliche Entlastungsgründe, insbesondere das Vorliegen einer psychischen Erkrankung, lägen nicht vor, so dass das Vertrauen des Dienstherrn endgültig zerstört sei.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. November 2015 wurde der Beklagte wegen eines Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der vorgeworfene Sachverhalt sei vom Beklagten eingeräumt worden, so dass weitere Ermittlungen nicht veranlasst gewesen seien. Der Beklagte habe schuldhaft gegen rechtliche Vorgaben und Richtlinien zur Behandlung von Steuerguthaben verstoßen, indem er in sechs Fällen unberechtigt Umbuchungen zu Gunsten des Kfz-Kontos seines Vaters bzw. seiner Ehefrau vorgenommen habe. Laut Arbeitsanleitung (AL-ERH) seien Kfz-Steuerguthaben, die mangels Angabe eines Girokontos nicht erstattet werden könnten, einer Guthabensliste zuzuschreiben. Diese weise Guthaben aus, die älter als 28 Tage seien und mindestens 1,00 Euro betrügen. Guthaben von weniger als 1,00 Euro würden gemäß § 16 BuchO in der Liste nicht aufgezeichnet (Fach 5 Teil 6 TZ 1,2 und 3 AL-ERH). Bei der Bearbeitung dieser Liste sei zunächst zu überprüfen, ob ein aufgeführtes Konto zu Recht im Speicherkonto aufgezeichnet sei und erforderlichenfalls der Steuerpflichtige nach der gewünschten Verwendung des Guthabens zu befragen. Über die getroffenen Feststellungen und die Art der Erledigung seien zu jedem Fall von der Buchhaltung kurze Bearbeitungsvermerke in der Guthabensliste anzubringen (Fach 5 Teil 6 TZ 6 AL-ERH). Dabei seien jedoch die „Kleinbetragsregelungen“ zu beachten (Fach 5 Teil 9 TZ 1 AL-ERH).

In Punkt 42 „Behandlung von Mehr- und Minderbeträgen“ der Verwaltungsvorschrift zu Art. 70 BayHO (Bayerische Haushaltsordnung) sei unter Punkt 42.1 geregelt, dass bei Mehrbeträgen unter 3,00 EUR keine Erstattung erfolge, sondern diese nur auf ausdrücklichen Wunsch des Steuerpflichten zurückzuzahlen seien. Ferner werde in TZ 5 des Fachs 5 Teil 9 AL-ERH darauf hingewiesen, dass Beträge von weniger als 1,00 EUR nicht erstattet würden. Könnten die Kassenüberschüsse nicht innerhalb von sechs Monaten aufgeklärt und abgewickelt werden, seien sie bei der ursprünglichen Buchungsstelle zu belassen und gemäß Abschnitt 4 „Abschluss der Bücher“ Punkt 23 „Tagesabschluss“ der Verwaltungsvorschrift zu Art. 71 BayHO auf Grund der erteilten allgemeinen Annahmeanordnung als Einnahme nachzuweisen (Punkt 23.6 zu Art. 71 BayHO i.V.m. Punkt 22.6.2 zu Art. 70 BayHO). Ein unanbringlicher Betrag werde anschließend auf das Konto 952/11942 „Vermischte Einnahmen“ des Freistaats Bayern gebucht. Gegen diese Vorgaben habe der Beklagte schuldhaft verstoßen. Auch wenn es nach der Ende März 2013 erfolgten Einstellung des Scheckverfahrens für Steuererstattungen möglicherweise zu Problemen in den Fällen gekommen sei, in denen kein Erstattungskonto im PC-System hinterlegt gewesen sei, rechtfertige dies keinesfalls eine Umbuchung von Steuerguthaben Dritter zu Gunsten des Vaters bzw. der Ehefrau, nur um eine „Lösung“ für Problemfälle am Computersystem zu finden. Das Fehlverhalten des Beklagten wiege schwer. Bei sog. Zugriffsdelikten, in denen sich der Beamte bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergreife, die ihm dienstlich anvertraut seien, sei die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis regelmäßig Ausgangspunkt für die Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme. Eine Zueignungsabsicht liege auch vor, wenn keine dauerhafte Schädigungsabsicht bestehe. Auf anerkannte Milderungsgründe könne sich der Beklagte nicht berufen. Es liege weder eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat vor, noch handle es sich vorliegend lediglich um einen „geringwertigen“ Betrag. Die Schwelle der Geringfügigkeit sei deutlich überschritten. Auch die anerkannten Milderungsgründe „Handeln in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage“ und „Vorliegen einer schockartig psychischen Ausnahmesituation“ bestünden zur Überzeugung der Kammer nicht. Die Arbeitsumstände hätten sich nicht als derart außerordentlich belastend erwiesen, dass ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr hätte erwartet werden können. Der Beklagte hätte sich bei einer subjektiv empfundenen Überlastung an seine Vorgesetzten wenden müssen. Dies gelte auch hinsichtlich der vom Beklagten geschilderten Problematik des Auftretens von Fehlermeldungen am Computer. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit bestünden nicht. Aus den nachvollziehbaren, nicht substantiiert angegriffenen Feststellungen im psychiatrischen Gutachten vom 3. November 2014 ließen sich keine Umstände entnehmen, die eine schwerwiegende psychische Erkrankung vor der ersten Konfrontation des Beklagten mit den Tatvorwürfen am 5. Juli 2013 annehmen ließen. Somit sei bereits das Eingangskriterium des § 20 StGB nicht erfüllt. Auch der anerkannte Milderungsgrund der Überwindung einer im Zeitpunkt der Pflichtverletzung bestehenden negativen Lebensphase liege nicht vor. Eine Berücksichtigung dieses Umstands komme nur bei außergewöhnlichen Verhältnissen in Betracht, die einen Beamten zeitweilig aus der Bahn würfen. Hierfür bestünden beim Beklagten sowohl im Hinblick auf seine Arbeitssituation als auch im Hinblick auf seine familiären Verhältnisse keine Anhaltspunkte. Sonstige Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen – wie eine umfassende Offenbarung oder Schadenswiedergutmachung vor Aufdeckung der Tat -, die noch auf einen Rest von Vertrauen schließen ließen, lägen nicht vor. Weder die gute dienstliche Beurteilung, die eine vorzeitige Beförderung zum Steuerobersekretär ermöglicht habe, noch eine bisherige tadelfreie Dienstausübung sei geeignet, die gravierenden Pflichtverstöße, die der Beklagte in einem Zeitraum von mehr als zwei Monate begangen habe, in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Es handle sich vorliegend um einen nicht nur einmaligen Zugriff auf dem Beklagten anvertraute Guthaben anderer Steuerpflichtiger. Zudem liege der Wert des pflichtwidrig verwendeten Guthabens – wenn auch nur geringfügig – über der Grenze von 200,- Euro. Nur bei einem derart begrenzten Schaden und ohne weitere belastende Umstände komme aber ein Absehen von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht. In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände sei nach Überzeugung der Kammer deshalb die Entfernung des Beklagten angemessen, geboten und verhältnismäßig.

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil, zugestellt am 4. Dezember 2015, am 14. Dezember 2015 Berufung eingelegt und beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts die Klage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht die zugunsten des Beklagten sprechenden Umstände nicht ausreichend berücksichtigt habe. Dies gelte gerade auch für Umstände außerhalb der sogenannten anerkannten Milderungsgründe. Die in der Klageerwiderung aufgeführten mildernden Umstände sowie der persönliche und berufliche Werdegang seien nur stark verkürzt und lückenhaft im Tatbestand des Urteils zusammengefasst worden. Bereits hieraus werde ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht nicht sämtliche entlastenden Umstände in seine Abwägung eingestellt habe. So hätten z.B. die Ausführungen des Beklagtenvertreters zu der aus dem wiederholten Scheitern des Beklagten sich ergebenden hohen Arbeitsmotivation ebenso wenig in die Überlegungen Eingang gefunden wie die vom Sachverständigen getroffene positive Zukunftsprognose. Gerade diese Prognose stelle aber ein maßgebliches Kriterium bei der Beurteilung der Frage dar, ob der Beklagte im Beamtenverhältnis verbleiben könne. Hiermit habe sich das Verwaltungsgericht nicht auseinandergesetzt. Auch weitere gewichtige Überlegungen seien nicht in die Maßnahmebemessung eingestellt worden. So habe keinen Niederschlag gefunden, dass die erhebliche Belastung des Beklagten sowohl auf Arbeitsüberlastung als auch auf Belastungen im privaten Umfeld (durch Engagement in Schule und Kindergarten der Töchter sowie der Unterstützung von Bekannten und Verwandten in Steuerfragen) zurückzuführen sei und sich nicht nur psychisch, sondern auch physisch in Schlafstörungen und der Abnahme der psychophysischen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit manifestiert habe. Die Belastung des Beklagten sei dabei durch seinen hohen Leistungswillen noch gesteigert worden, der sich aufgrund des Scheiterns im Abitur und in den Laufbahnprüfungen verstärkt und damit den Druck auf den Beklagten erhöht habe. Er sei stets bestrebt gewesen, sämtlichen Anforderungen im beruflichen, privaten und nachbarschaftlichen bzw. familiären Bereich vollumfänglich zu genügen und habe zusätzlich noch ehrenamtliche Tätigkeiten übernommen. Ihm seien ständig die Zahlen nachgegangen und er habe nicht mehr richtig abschalten können. In dieser angespannten Situation hätten ihn die wiederholten Fehlermeldungen in der EDV zusätzlich belastet und massiv seinen Arbeitsfluss behindert, so dass er nachvollziehbar nach Lösungen gesucht habe, diese Fehlermeldungen zu beenden. Aus diesem Grund habe er die beanstandeten Buchungen vorgenommen, die leicht nachzuverfolgen und als Test gekennzeichnet gewesen seien. Auch die geringe Höhe der Beträge spreche gegen eine Bereicherungsabsicht. Lediglich aufgrund von Nachlässigkeit habe er dann versäumt, die Umbuchungen hinsichtlich des Testkontos wieder zurückzuführen. Diesen Umstand habe das Verwaltungsgericht ebenso wenig berücksichtigt wie den Umstand, dass der Beklagte bereits im Juli 2013 den entstandenen Schaden wieder gut gemacht habe. Die dem Beklagten vorgeworfenen Dienstvergehen würden auch in keiner Weise seinem Persönlichkeitsbild entsprechen. Durch äußerst positive dienstliche Beurteilungen sei es ihm gelungen, aufgrund seiner überaus engagierten Tätigkeit bereits früh die Verbeamtung auf Lebenszeit und die Beförderung zu erreichen. Sein Fehlverhalten sei bislang nicht nach außen getreten, so dass das Ansehen der Finanzverwaltung keinen Schaden genommen habe und das Vertrauensverhältnis zur Allgemeinheit nicht betroffen sei. Hierzu habe sich das Verwaltungsgericht nicht verhalten. Es habe auch unberücksichtigt gelassen, dass der Beklagte zur Bewältigung der seinen Verfehlungen zugrundeliegende Krisensituation unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Aufgrund der psychischen Belastung infolge seiner Suspendierung habe seine Ehefrau im November 2014 einen Nervenzusammenbruch erlitten und mehrere Wochen im Bezirksklinikum verbracht, während der Beklagte seine Töchter in dieser Zeit alleine versorgt habe. Erst in der mündlichen Verhandlung habe der Beklagte überhaupt erfahren, dass er die Fehlermeldungen, die für ihn in der Dienstzeit nicht mehr zu bewältigen gewesen seien, nicht hätte bearbeiten müssen, sondern diese vernichten hätte können. Er sei offenbar von seinem Dienstherrn nicht ordnungsgemäß über die Behandlung von Fehlermeldungen informiert worden. Das Verwaltungsgericht habe deshalb insgesamt verkannt, dass vorliegend die entlastenden Umstände, die ihrem Gewicht nach einem anerkannten Milderungsgrund gleichkämen, überwogen hätten und deshalb eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht die gebotene Maßnahme sei. Der Beklagte habe zudem ohne Zueignungsabsicht gehandelt, so dass eine Entfernung aus dem Dienst ohne sonstige Erschwernisgründe erst ab einer Schadenssumme von 5.000,- Euro in Betracht komme.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wesentlichen wurde vorgetragen, dass das Urteil alle maßgeblichen von den Beteiligten vorgebrachten Tatsachenbehauptungen enthalte und insbesondere auch die den Beklagten entlastenden Umstände hinreichend dargestellt und gewürdigt würden. Im Übrigen nehme das Urteil in nicht zu beanstandender Weise Bezug auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, und die beigezogenen Behördenakten. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht angenommen, dass für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme der Maßstab für sogenannte Zugriffsdelikte anzuwenden sei, da der Beklagte vorliegend dienstlich anvertraute bzw. dienstlich zugängliche Gelder für private Zwecke unberechtigt verwendet habe. Eine Bereicherungsabsicht sei für die Zueignung nicht Voraussetzung. Das Vertrauensverhältnis sei durch das Verhalten des Beklagten endgültig zerstört. Das Verwaltungsgericht sei fehlerfrei davon ausgegangen, dass im gegenständlichen Verfahren keine erheblich entlastenden Umstände gegeben seien, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen würden. Eine Wiedergutmachung nach Aufdeckung der Tat sei auf keinen Fall mildernd zu berücksichtigen. Auch auf das Bekanntwerden des Fehlverhaltens in der Öffentlichkeit komme es nicht an. Maßgeblich sei nur, ob das Dienstvergehen nach seiner Natur geeignet sei, in der Öffentlichkeit ansehensschädigend zu wirken, was vorliegend der Fall sei. Das Gericht sei auch in ausreichendem Maße auf die psychische Belastungssituation und die „besonders hohe Leistungsmotivation“ eingegangen, habe dies aber zu Recht nicht mildernd berücksichtigt. In der vom Beklagten geschilderten Situation einer zumindest subjektiv empfundenen Überlastung hätte er sich an seinen Vorgesetzten wenden müssen. In diesem Zusammenhang sei anzumerken, dass die angeführten Belastungen im privaten Umfeld durch die Unterstützung von Bekannten und Verwandten in Steuerfragen dem Beklagten keinesfalls zu Gute gehalten werden könnten, da es Angehörigen der Finanzverwaltung grundsätzlich verboten sei, für Dritte in Angelegenheiten, die zum Aufgabenbereich der Finanzverwaltung gehörten, tätig zu werden, insbesondere Steuerpflichtigen Hilfe in Steuersachen zu leisten, selbst wenn diese Hilfe unentgeltlich gewährt würde. Auf eine Wiederholungsgefahr, wie im Sachverständigengutachten verneint, komme es nicht an, wenn - wie vorliegend - die eingetretene Untragbarkeit des Beamten nicht rückgängig gemacht werden könne. Die über einen Zeitraum von zwei Monaten vorgenommenen sechs Umbuchungen dienstlich anvertrauter Gelder mit einem Schadensbetrag in Höhe von 205,91 Euro stellten kein einmaliges Versagen dar. Eine positive Zukunftsprognose könne das endgültig zerstörte Vertrauen nicht wieder herstellen. Deshalb sei die ausgesprochene Höchstmaßnahme auch verhältnismäßig.

Der Senat hat am 11. Oktober 2017 mündlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

V.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen. Dem Senat haben diesbezüglich die Disziplinarakten und Personalakten vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht – wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat – keine Mängel auf. Solche sind vom Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht worden.

II.

Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der dem Beklagten in der Disziplinarklage vorgeworfenen Anschuldigungspunkte wurde vom Beklagten eingeräumt und steht auch zur Überzeugung des Senats fest.

Danach hat der Beklagte im Rahmen seiner Tätigkeit als Buchhaltungssachbearbeiter für Kraftfahrzeugsteuerfälle am 10. April 2013 Kraftfahrzeugsteuerguthaben in Höhe von 0,50 Euro und 0,10 Euro der Steuerpflichtigen B … (verstorben) und H …, ebenso wie am 14. Mai 2013 des Steuerpflichtigen W … in Höhe von 0,31 Euro und am 16. Mai 2013 des verstorbenen Fahrzeughalters S … in Höhe von 90,- Euro sowie am 22. Mai 2013 des Steuerpflichtigen K … in Höhe von 1,- Euro auf die Kfz-Steuernummer seines Vaters (…) gebucht. Vom Guthaben des am 27. Oktober 2012 verstorbenen Fahrzeughalters M … in Höhe von 115,- Euro wurden von ihm am 25. Juni 2013 114,- Euro auf die Kfz-Steuernummer seiner Ehefrau (…) gebucht, dort in Höhe von 30,- Euro mit der fälligen Kfz-Steuer verrechnet und der verbleibende Betrag in Höhe von 84,- Euro auf das gemeinsame Bankkonto bei der Sparkasse H … erstattet (vgl. im Einzelnen den Tatbestand Ziff. II und III).

Der durch den Senat festgestellte Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu bewerten:

Der Beklagte hat durch die vorgenommenen Buchungen in sechs Fällen den Untreuetatbestand des § 266 Abs. 1, § 53 StGB zu Lasten seines Dienstherrn verwirklicht. Untreue i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zufügt.

Als Kassenbeamter für Kfz-Steuerfälle hat der Beklagte durch die vorgenommenen Buchungen die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt und damit Untreuehandlungen begangen. Zu den Kassenbeamten im disziplinarrechtlichen Sinn ist dabei jeder Beamte zu rechnen, zu dessen Amt im konkret–funktionellen Sinn die Abwicklung von Kassengeschäften gehört. Hierzu zählen neben Kassenleitern, Oberbuchhaltern, Buchhaltern und Kassierern auch sonstige Beamte, die dienstlich befugt sind, Vorgänge in unmittelbaren Kassengeschäften auszulösen (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2016, MatR II Rn. 317). Ein unmittelbarer Zugriff auf die Kasse ist deshalb auch dann anzunehmen, wenn der Beamte eine Gutbuchung von dienstlichen Geldern auf einem eigenen Konto durch Missbrauch der dienstlichen Stellung veranlasst (vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2017 - 16a D 15.1484 – juris Rn. 83; OVG Lüneburg, U.v. 22.3.2016 – 3 LD 1/14 – juris Rn. 90; OVG NW, U.v. 24.2.2016 – 3d A 1608/11.O – juris Rn. 185). Strafrechtlich ist dies als Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB zu werten (vgl. Zängl, a.a.O. MatR II Rn. 318).

Laut Arbeitsanleitung (AL-ERH) der Bayerischen Steuerverwaltung waren länger als 28 Tage bestehende Kfz-Steuerguthaben mit einem Wert über einem Euro, für die kein Privatkonto hinterlegt war, einer Guthabenliste zuzuschreiben und erforderlichenfalls der Steuerpflichtige nach der gewünschten Verwendung des Guthabens zu befragen. Zudem bestand die Verpflichtung, über die getroffenen Feststellungen und die Art der Erledigung Bearbeitungsvermerke in der Guthabensliste anbringen (Fach 5 Teil 6 TZ 6 AL-ERH). Die Guthaben von B … (0,50 Euro), H … (0,10 Euro) und W … (0,31 Euro) waren nach TZ 5 des Fachs 5 Teil 9 AL-ERH nicht zu erstatten (sog. Kleinstbetragregelung), das Guthaben K … (1,00 Euro) wäre nur auf ausdrücklichen Wunsch zurückzuzahlen gewesen (Punkt 42.1 „Behandlung von Mehr- und Minderbeträgen“ der Verwaltungsvorschrift zu Art. 70 BayHO (Bayerische Haushaltsordnung). Gemäß Abschnitt 4 „Abschluss der Bücher“ Punkt 23 „Tagesabschluss“ der Verwaltungsvorschrift zu Art. 71 BayHO sind innerhalb von sechs Monaten nicht aufklärbare und abgewickelte Guthaben auf Grund der erteilten allgemeinen Annahmeanordnung als Einnahme nachzuweisen (VV 23.6 zu Art. 71 BayHO i.V.m. VV 22.6.2 zu Art. 70 BayHO). Einen unanbringlichen Betrag hätte der Beklagte anschließend auf das Konto 952/11942 „Vermischte Einnahmen“ des Freistaats Bayern buchen müssen.

Durch die vom Beklagten vorgenommenen Buchungen wurden dem Dienstherrn Gelder entzogen, die entweder auf das Konto des Freistaat Bayerns für unanbringliche Beträge oder für Kleinstbeträge zu buchen gewesen wären bzw. den jeweiligen Inhabern bzw. ihren Rechtsnachfolgern zugestanden hätten. Mit der Buchung dieser Steuerguthaben auf das Kfz-Steuerkonto seines Vaters bzw. seiner Ehefrau blieben die Steuererstattungsansprüche der Kfz-Steuerpflichtigen unerfüllt gegenüber dem Dienstherrn bestehen. Eine solchermaßen schadensgleiche Vermögensgefährdung reicht aus, um von einer vollendeten Untreue auszugehen (vgl. BGH, U.v. 8.5.03 – 4 StR 550/02 – juris). Auf die Frage, ob diese Ansprüche auch tatsächlich realisiert worden wären, kommt es insoweit nicht an. Hätten sich die Guthabensbeträge im Nachhinein als unanbringlich erwiesen, wären sie vom Beklagten auf das Konto „Vermischte Einnahmen“ des Dienstherrn zu buchen gewesen (s.o.). Ob der Beklagte sich tatsächlich bereichern wollte, wie von ihm ausdrücklich verneint, ist für die Zueignungshandlung im Rahmen der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB nicht maßgeblich (BayVGH, U.v. 29.7.2015 – 16 b D 13.778 – juris Rn. 41).

III.

Der Beklagte hat durch sein Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen i.S.d. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt hat. Er hat gegen die Grundpflicht zur Achtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, § 266 Abs. 1 StGB), der Pflicht, sein Amt uneigennützig auszuüben (§ 34 Satz 2 BeamtStG), dienstliche Anordnungen auszuführen und allgemeine Richtlinien zu befolgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) sowie sich in seinem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG), verstoßen. Er handelte dabei innerhalb seines Amtes als Kassenbeamter.

Der Beklagte beging die Dienstpflichtverletzungen auch vorsätzlich im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit. Eine Kenntnis der Vorschriften aus der Arbeitsanleitung hat der Beklagte nicht bestritten. Auch aus den Behördenunterlagen lässt sich entnehmen, dass der Beklagte von der vorgeschriebenen Vorgehensweise, insbesondere bei fehlender Hinterlegung eines Privatkontos, grundsätzlich Kenntnis hatte. So findet sich dort zum Beispiel ein Entwurf des Bescheids vom 10. April 2013 im Fall des verstorbenen Steuerpflichtigen M …, adressiert an die Nachlassverwalterin B …, in dem der Beklagte darum bittet, eine Kontoverbindung für die Überweisung des Guthabens in Höhe von 114,- Euro mitzuteilen. Eine Antwort befindet sich nicht in den Unterlagen. Es liegt insoweit nahe, dass der Beklagte diesen Bescheid niemals versandt hat. Soweit er behauptet, er habe stattdessen telefonisch mit der Nachlassverwalterin B … Kontakt aufgenommen, wird dies von Frau B … bestritten. Dass der Beklagte eine korrekte Steuererstattung insoweit nicht herbeiführen wollte, zeigt der ohne Versendungsvermerk abgelegte Entwurf des Schreibens an die Nachlassverwalterin – Bitte um Mitteilung der Bankverbindung - vom 23. Mai 2013 (Bl. 28 der Beweismittelakte), auf das keine Antwort abgewartet wurde. Denn bereits zum 25. Mai 2013 buchte der Beklagte zu seinen Gunsten.

Gegen die o.g. Vorschriften hat der Beklagte auch schuldhaft verstoßen. Sein Vorbringen, er habe mit den jeweiligen Umbuchungen auf die Kfz-Steuerkonten seiner Ehefrau bzw. seines Vaters lediglich testweise die „Fehlermeldungen am PC“ reduzieren bzw. abarbeiten wollen, von denen er jeden Tag Stapel an losen Blättern auf seinem Schreibtisch vorgefunden habe und mit denen er in der Masse nicht fertig geworden sei, hält der Senat für nicht glaubwürdig. Zwar mag es nach der Ende März 2013 erfolgten Einstellung des Scheckverfahrens vermehrt zu Fehlermeldungen in den Fällen gekommen sein, in denen kein privates Erstattungskonto im PC-System hinterlegt war. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger jedoch darauf hingewiesen, dass wegen der Abschaffung des Scheckverfahrens eine Verfügung vom 18. März 2013 bereichsspezifisch ins Intranet für die Finanzverwaltung eingestellt worden ist. Darin sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Fehlermeldungen „BU.text unzul. Bankverbindung fehlt“ nicht bearbeitet werden müssten. Selbst wenn der Beklagte hiervon keine Kenntnis gehabt hätte, ist es nicht nachvollziehbar, warum er sich angesichts der von ihm behaupteten Masse an Fehlermeldungen und der hierdurch bei ihm angeblich hervorgerufenen erheblichen Belastung nicht an seinen Kollegen bzw. seinen Vorgesetzten gewandt hat. Gerade wenn er sich darauf beruft, er sei für die Kasse nicht hinreichend ausgebildet worden und aufgrund der Zentralisierung der KFZ-Steuerfälle habe für Oberfranken Ost weniger Personal zur Bearbeitung zur Verfügung gestanden, wäre diese Vorgehensweise auch aus seiner Sicht naheliegender gewesen. Eine Umbuchung von Steuerguthaben Dritter zugunsten des Vaters bzw. seiner eigenen Person/Ehefrau, um eine Lösung im Hinblick auf die ihn belastenden und seinen Arbeitsfluss beeinträchtigenden Fehlermeldungen herbeizuführen, ist dagegen für den Senat nicht nachvollziehbar. Seine Einlassung, es habe sich nur um Testbuchungen gehandelt, wie er auch auf einer Buchung vermerkt habe, und er habe bloß vergessen, diese zurückzubuchen, hält der Senat ebenfalls für nicht glaubwürdig. Bereits die Anzahl der Buchungen spricht gegen die Durchführung eines „Tests“. Auch die Zielrichtung eines solchen Tests ist für den Senat nicht erklärlich. Eine Antwort auf die Frage des Gerichts, wie er auf die Idee des Tests gekommen sei und was dieser hätte bezwecken sollen, blieb der Beklagte schuldig.

IV.

Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Unter diesen Voraussetzungen ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen.

1. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss daher unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen und gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12).

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Beamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 13).

2. Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebende Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der jeweiligen Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).

3. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (grundlegend BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04; U.v. 24.5.2007 – 2 C 28.06 – jeweils in juris). Früher galt unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung (z.B. als Betrug, Diebstahl, Untreue, Unterschlagung) für einen Beamten, der ein sog. Zugriffsdelikt beging, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter Gelder und Güter, aufgrund der Schwere dieser Dienstvergehen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich als Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich überstiegen (BVerwG; U.v. 25.7.2013 – 2 C 63/11 - juris). Hat sich der Beamte bei Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenwerten vergriffen, die als dienstlich anvertraut seinem Gewahrsam unterliegen, ist ein solches Dienstvergehen regelmäßig geeignet, das Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit zu zerstören (BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38.10 – juris). Da die Verwaltung im Umgang mit öffentlichem und amtlich anvertrautem Gut auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten in hohem Maße angewiesen ist und eine lückenlose Kontrolle eines jeden Beamten nicht möglich ist, muss derjenige, der diese Vertrauensgrundlage zerstört, mit einer Auflösung seines Beamtenverhältnisses rechnen (BVerwG, B.v. 20.12.2011 – 2 B 64.11 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 9.12.2015 – 16b D 14.642 – juris Rn. 40).

Auf die Einstufung des Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem gleichgestellten Delikt kommt es vorliegend nicht an. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (2 C 6.14) ausdrücklich klargestellt, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgibt; Hieraus lässt sich schließen, dass sich jede schematische Betrachtung – insbesondere an Hand von Schwellenwerten – verbietet (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2017 – 16a D 15.1777 – juris Rn. 31). Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist vielmehr auch bei innerdienstlichen Straftaten auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen zurückzugreifen (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484 – juris Rn. 83). Insbesondere kommt die Verhängung der Höchstmaßnahme insoweit nicht erst ab einer Schadenshöhe von 5.000,- Euro in Betracht.

Für Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB ist ein gesetzlicher Strafrahmen von bis zu fünf Jahren vorgesehen. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen bis zu drei Jahren vorsieht – für die vorliegenden Untreuehandlungen zu Lasten des Dienstherrn sind es sogar bis zu fünf Jahre -, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 20; BayVGH, U.v. 28.6.2017 a.a.O. Rn. 83; U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 70, 72).

Die volle Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Aufgrund der Anzahl der Taten und der Höhe des insgesamt entstandenen Schadens von über 200,- Euro ist das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch den Beklagten als Kassenbeamten unwiederbringlich zerstört. Der Beklagte hat durch sein Verhalten wiederholt gegen die Kernpflichten eines Kassenbeamten verstoßen. In diesem Bereich ist der Dienstherr auf die unbedingte Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit des Beamten beim Umgang mit dienstlich anvertrauten Geldern angewiesen (vgl. BayVGH, U.v. 4.6.2014 – 16a D 10.2005 – juris Rn. 50). Deshalb ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis angemessen und erforderlich.

4. Die zu Gunsten des Beklagten in die Bemessung der Disziplinarmaßnahme einzustellenden mildernden Umstände erreichen weder für sich allein genommen noch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein solches Gewicht, dass von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden kann.

4.1 Von der Höchstmaßnahme ist zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein – ursprünglich vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelter – sog. „anerkannter Milderungsgrund“ vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existentiellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen – auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit – Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung (BVerwG, U.v. 3.5.2007 – 2 C 9/06 – juris Rn. 22). Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38/10 – juris Rn. 13).

4.2 Der Beklagte kann sich vorliegend auf keinen der genannten Milderungsgründe berufen. Dem psychiatrischen Gutachten vom 3. November 2014 lässt sich entnehmen, dass bereits für das Vorliegen einer verminderten Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt keine Anhaltspunkte bestehen. Selbst wenn sich der Beklagte subjektiv aufgrund des Bestrebens, den an ihn gestellten oder so empfundenen Anforderungen voll zu genügen, psychisch stark belastet gefühlt haben mag und mit Schlafstörungen, aber auch mit Abnahme der psycho-physischen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit reagiert habe, würde eine derartige leichte depressive Reaktion nicht die Eingangskriterien der §§ 20, 21 StGB erfüllen.

Gegen eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat spricht die Anzahl der widerrechtlichen Buchungen. Auch im Hinblick auf die Milderungsgründe der „Überwindung einer negativen Lebensphase“, „Vorliegen einer schockartigen psychischen Ausnahmesituation“ oder „Handeln in einer „unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage“ sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Außergewöhnliche Verhältnisse, welche den Beamten zeitweilig aus der Bahn geworfen hätten, wurden nicht vorgetragen. Die geschilderten Belastungen im privaten und beruflichen Bereich reichen nicht aus, eine schwerwiegende Ausnahmesituation zu begründen.

Der „anerkannte“ Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt beim Beklagten ebenfalls nicht zum Tragen. Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit grundsätzlich bei etwa 50,- Euro anzusetzen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O Rn. 26; U.v. 25.7.2013 – 2 C 63.11. – juris Rn. 16; BayVGH, U.v. 11.5.2016 a.a.O. – juris Rn. 78). Angesichts der Vielzahl der Untreuehandlungen über einen Zeitraum von zwei Monaten mit einem Schaden von knapp über 205,91 Euro ist auch nicht von einem einmaligen Fehlverhalten auszugehen, bei dem als Grenze ausnahmsweise 200,- Euro in Betracht kommen könnte (BVerwG, B.v. 23.2.2012 – 2 B 143.11 – juris). Wiederholte Tathandlungen über einen mehrmonatigen Zeitraum – wie vorliegend - gelten insoweit als erschwerende Umstände, die eine weitere Vertrauenswürdigkeit ausschließen und damit den Milderungsgrund der Geringwertigkeit entkräften (vgl. Zängl a.a.O. Rn. 324e; BayVGH, U.v. 16.5.2016 a.a.O. Rn. 78).

Unabhängig davon, dass die Höhe des dem Dienstherrn entstandenen Schadens nicht allein ausschlaggebend für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist, ergibt sich der Vertrauensverlust nicht aus dem materiellen Schaden, den der Dienstherr durch die Untreuehandlung erleidet, sondern bereits aus der unzulässigen Verwendung dienstlich anvertrauter Gelder aus eigennützigen Gründen selbst (BVerwG, U.v. 15.8.1989 – 1 D 61.88 – juris Rn. 26). Ein Absehen von der Höchstmaßnahme würde allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Beklagte – jeweils vor drohender Entdeckung – entweder freiwillig den Schaden wiedergutgemacht oder sein Fehlverhalten offenbart hätte (BayVGH, U.v. 28.6.2017 a.a.O. Rn. 88). Die Wiedergutmachung des Schadens erfolgte vorliegend jedoch erst nach Aufdeckung der Tat.

4.3 Bei der gebotenen gesamtprognostischen Betrachtung sind sonstige durchgreifende Entlastungsgründe vom Gewicht eines „anerkannten“ Milderungsgrunds, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, ebenfalls nicht zu erkennen (vgl. BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 6/14 – juris Rn. 36). Zwar sieht der Senat durchaus, dass das Scheitern an den wichtigen Stationen seines bisherigen Lebens (Abitur, Laufbahnprüfung) den Beklagten wohl insofern in seiner Persönlichkeit geprägt hat, als er sich in seinem nunmehrigen Tätigkeitsbereich in dem Bestreben, nunmehr „alles richtig zu machen“ umso motivierter und leistungsbereit zeigte. Diese Haltung entspricht auch seiner guten Beurteilung und seiner schnellen Beförderung. Es ist für den Senat auch nachvollziehbar, dass sich der Beklagte vor diesem Hintergrund im Hinblick auf die verschiedenen freiwillig übernommenen privaten Verpflichtungen im Kindergarten seiner Töchter und im Bereich der Nachbarschaftshilfe unter Druck gesetzt sah, den an ihn gestellten Anforderungen auch in dieser Weise gerecht zu werden. Gleichwohl erweisen sich diese Belastungen - auch im Zusammenspiel mit den Anforderungen im Arbeitsbereich - vorliegend nicht als so außergewöhnlich, dass sie ausreichend wären, um einen einem anerkannten Milderungsgrund gleichgestellten Entlastungsgrund zu begründen. Phasen stärkerer Belastung können in jeder Lebensphase und in jedem Arbeitsbereich bei jedem Beamten auftreten. Der Senat ist zudem nicht überzeugt davon, dass die Fehlermeldungen, die der Beklagte nach eigenen Aussagen jeden Tag als losen Stapel auf seinem Schreibtisch vorgefunden hat, tatsächlich seinen Arbeitsfluss so massiv behindert und ihn damit über Gebühr zusätzlich belastet haben, wie von ihm dargestellt.

Zugunsten des Beklagten sprechen die Beurteilung 2013 mit 11 Punkten und die schnelle Beförderung ebenso wie die Tatsache, dass er bisher weder strafnoch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist. Auch die unverzügliche Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe nach der Aufdeckung der Taten und die alleinige Versorgung der Töchter während des mehrwöchigen Krankenhausaufenthalts der Mutter werfen ein positives Licht auf den Beklagten. Allerdings sind diese Umstände auch in der Gesamtschau nicht geeignet, die Schwere seines Dienstvergehens derart abzumildern, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen wäre (BayVGH, U.v. 29.7.2015 – 16b D 14.1328 – juris Rn. 40; U.v. 11.5.2016 a.a.O Rn. 92). Es ist davon auszugehen, dass das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig zerstört ist. Auf eine positive Zukunftsprognose kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf die Frage, ob das Fehlverhalten tatsächlich zu einer Ansehensschädigung der Finanzverwaltung geführt hat. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftige pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde (BVerwG, U.v. 20.10.2005 a.a.O. Rn. 26). Vorliegend erhielten zudem die Rechtsnachfolger bzw. die Nachlassverwalter der Kfz-Steuerkonteninhaber M … und S … auch tatsächlich vom Fehlverhalten des Beklagten Kenntnis.

Nach Abwägung aller be- und entlastenden Umstände ist deshalb nach Überzeugung des Senats die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis angemessen und geboten. Die Schwere des Dienstvergehens und das festgestellte Persönlichkeitsbild des Beamten führen zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit.

Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und des dadurch eingetretenen Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis wie hier gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U.v. 14.10.2003 – 1 D 2.03 – juris; BayVGH, U.v. 28.06.2017 a.a.O. Rn. 92).

Nach alledem war die die Berufung des Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG, Art. 3 BayDG i.V.m. § 116 Abs. 1 VwGO).

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(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

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(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

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(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und d

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 47 Nichterfüllung von Pflichten


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 35 Folgepflicht


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 116


(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 33 Grundpflichten


(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der

Strafgesetzbuch - StGB | § 248a Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen


Der Diebstahl und die Unterschlagung geringwertiger Sachen werden in den Fällen der §§ 242 und 246 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschrei

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 39 Verbot der Führung der Dienstgeschäfte


Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sons

Steuerbeamtenausbildungs- und -prüfungsordnung - StBAPO 1977 | § 47 Wiederholung von Prüfungen


(1) Hat die zu prüfende Beamtin oder der zu prüfende Beamte die Zwischenprüfung nicht bestanden oder gilt diese als nicht bestanden und ist eine Wiederholung zulässig (§ 4 Absatz 2 Satz 6 des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes), kann die Zwischenprüfu

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Tenor 1. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand Mit der vorliegenden Disziplinark

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(1) Hat die zu prüfende Beamtin oder der zu prüfende Beamte die Zwischenprüfung nicht bestanden oder gilt diese als nicht bestanden und ist eine Wiederholung zulässig (§ 4 Absatz 2 Satz 6 des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes), kann die Zwischenprüfung nur innerhalb von drei Monaten wiederholt werden. Der Vorbereitungsdienst wird nicht verlängert.

(2) Hat eine zu prüfende Beamtin oder ein zu prüfender Beamter die Laufbahnprüfung nicht bestanden oder gilt diese als nicht bestanden und ist eine Wiederholung zulässig (§ 3 Absatz 2 Satz 4 und § 4 Absatz 2 Satz 6 des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes), so kann sie oder er zu dem der Wiederholungsprüfung vorangehenden Abschnitt der fachtheoretischen Ausbildung oder dem vorangehenden Teil der Fachstudien zugelassen werden. Der Vorbereitungsdienst kann bis zum Abschluß dieser Prüfung verlängert werden.

(3) Die Prüfungen sind vollständig zu wiederholen. Bei der Ermittlung der Prüfungsergebnisse gilt § 11 Abs. 2 Satz 2 entsprechend.

(4) Die oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle kann den zu prüfenden Beamtinnen und Beamten, die die Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst endgültig nicht bestanden oder auf deren Wiederholung verzichtet haben, die Befähigung für die Laufbahn des mittleren Dienstes zuerkennen, wenn sie fachlich und persönlich für die Laufbahn des mittleren Dienstes geeignet sind. Die zu prüfenden Beamtinnen und Beamten, denen die Befähigung für die Laufbahn des mittleren Dienstes zuerkannt wird, erhalten ein Befähigungszeugnis.

Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Tenor

I. Unter Abänderung von Ziff. I. des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Mai 2015 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts erkannt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

1. Der 1949 geborene Beklagte schloss die Schule 1965 mit der mittleren Reife ab. Im September 1965 begann er eine Ausbildung als Regierungsassistentenanwärter im mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst am früheren Landratsamt G … Am 19. August 1966 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Regierungsassistentenanwärter und am 12. Dezember 1968 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsassistenten z.A. ernannt. Nach dem Studium zum Diplom-Verwaltungswirt (FH) von 1974-1977 wurde er mit Wirkung vom 13. Oktober 1976 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Regierungsobersekretär ernannt und am 16. Januar 1978 zum Regierungsinspektor befördert. Bis 31. Januar 1982 war er als Sachgebietsleiter für Öffentliche Sicherheit und Ordnung am Landratsamt F.-… beschäftigt. Zum 1. Februar 1982 wechselte er zur Gemeinde N. (Gemeinde) und wurde zum Verwaltungsoberinspektor ernannt. Am 1. Juli 1986 wurde er zum Verwaltungsamtmann sowie am 1. Juli 1989 zum Verwaltungsamtsrat befördert. Bis 31. Oktober 2007 war er in der Gemeinde als Kämmerer und bis 1. August 2011 auch als geschäftsleitender Beamter tätig. Am 31. Dezember 2012 trat er in den Ruhestand.

Der Beklagte ist schwerbehindert. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Er erhält ungekürzte Ruhegehaltsbezüge aus der BesGr A 12. Der Beklagte ist verschuldet und befindet sich in Privatinsolvenz. Straf- und disziplinarrechtlich ist der Beklagte nicht vorbelastet.

2. Mit Schreiben vom 1. Februar 2011 leitete die Gemeinde aufgrund der Vorwürfe, der Beklagte habe überörtliche Rechnungsprüfungsberichte trotz Anmahnung und Fristsetzung nicht aufgearbeitet, Kasseneinnahmereste nicht aufgelöst, Forderungen gegenüber Schuldnern der Gemeinde trotz mehrfacher Aufforderung nicht bearbeitet sowie Abrechnungen von Baugebieten und Erschließungsbeiträgen nicht zeitgerecht durchgeführt, nach Art. 19 BayDG ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein.

Das Disziplinarverfahren wurde durch Gemeinderatsbeschluss vom 23. November 2011 mit Schreiben vom 29. November 2011 gemäß Art. 21 Abs. 1 BayDG auf die Vorwürfe ausgedehnt, der Beklagte habe sich 2001/2002 Vorschüsse in Höhe von insgesamt 12.000.- € sowie erneut 2007 Gehaltsvorschüsse in Höhe von insgesamt 5.510,470 € eigenmächtig aus der Gemeindekasse bewilligt und nicht zurückgezahlt.

Mit Beschluss des Gemeinderats vom 12. April 2012 wurde das Disziplinarverfahren nach § 4 DVKommBayDG auf die Landesanwaltschaft Bayern – Disziplinarbehörde – übertragen und dies mit Schreiben vom 18. Mai 2012 dem Beklagten mitgeteilt.

Mit Verfügungen der Landesanwaltschaft Bayern vom 30. Januar und 20. März 2013 wurde das Disziplinarverfahren auf weitere Vorwürfe gemäß Art. 21 Abs. 1 BayDG ausgedehnt und die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe konkretisiert. Der Beklagte wurde jeweils gemäß Art. 22 BayDG unterrichtet, belehrt und angehört.

Von der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Untreue (§ 266 StGB) aufgrund der Vorschusszahlungen 2001/2002 wurde laut Vermerk der Staatsanwaltschaft P. vom 16. November 2011 (Az.: …) nach § 152 Abs. 2 StPO abgesehen, weil ein etwaiges Vergehen spätestens mit Ablauf des Jahres 2006 verjährt sei.

Das gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Untreue (§ 266 StGB) aufgrund der Vorschusszahlungen 2007 geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft P. vom 10. Oktober 2012 (Az.: …) nach § 153 Abs. 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

Mit Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern vom 11. November 2013 wurde dem Beklagten Gelegenheit zur abschließenden Äußerung gegeben.

3. Am 16. Dezember 2013 hat die Landesanwaltschaft Bayern Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten erhoben. Darin legt sie dem Beklagten folgende Dienstpflichtverletzungen zur Last:

Anschuldigungspunkt 1: Vorschusszahlungen in den Jahren 2001/2002

a) Der Beklagte habe sich 2001/2002 mehrfach Vorschüsse in folgender Höhe durch die Gemeindekasse auszahlen lassen:

aa) Beihilfevorschuss am 5. März 2001 in Höhe von 1.000,- DM, zurückgezahlt

am 5. Dezember 2001;

bb) Beihilfevorschuss am 26. März 2001 in Höhe von 10.000,- DM;

cc) Vorschuss am 5. November 2001 in Höhe von 2.000,- DM, zurückgezahlt

am 6. Dezember 2001;

dd) Reisekostenvorschuss am 22. Oktober 2001 in Höhe von 1.000,- DM;

ee) Gehaltsvorschuss am 28. Dezember 2001 in Höhe von 2.500,- DM;

ff) Beihilfevorschuss am 3. Mai 2002 in Höhe von 1.597,56 €;

gg) Gehaltsvorschuss am 7. November 2002 in Höhe von 3.500,- €.

Der Beklagte sei dabei zwar für die Auszahlungen anordnungsbefugt gewesen. Die Zahlungen unter cc)-gg) seien aber ohne Bewilligung des Dienstherrn erfolgt, wobei der Beklagte beim auszahlenden Kassenbeamten den Anschein einer Absprache mit dem Dienstherrn erweckt oder einen bestehenden Anschein ausgenutzt habe; soweit der Beklagte behaupte, dass die Auszahlungen unter aa) und bb) mit dem früheren ersten Bürgermeister K … abgesprochen gewesen seien, sei dies zu seinen Gunsten als wahr unterstellt worden.

b) Der Beklagte habe nach Auszahlung der Vorschüsse - bis auf die Beträge aa) und cc) - weder Modalitäten für die Rückzahlung vereinbart noch diese in Höhe von 12.000,- € in den nächsten acht Jahren zurückbezahlt. Erst nach Entdeckung durch den neuen Kämmerer R … 2007/2008 habe der erste Bürgermeister W … mit dem Beklagten vereinbart, dass er den Gesamtbetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5% p.a. (insgesamt 5.337,57 €) zurückzahlen solle. Der Gesamtbetrag sei erst am 24. November 2010 zurückgezahlt worden. Zinsen in Höhe von 2.000,- € seien am 30. November 2010 mit dem Dezembergehalt des Beklagten verrechnet worden, weitere 3.337,57 € Zinsen seien von ihm bis Februar 2011 beglichen worden.

Anschuldigungspunkt 2: Gehaltsvorschüsse im Jahr 2007

Der Beklagte habe sich 2007 Vorschüsse in Höhe von insgesamt 5.510,74 € im Sinne einer Überzahlung ohne Kenntnis des Dienstherrn eigenmächtig bewilligt (6. Juni 2007: 2.200,- €; 4. Juli 2007: 200,- €/2.500,- € abzüglich Gehaltsanspruch für Juli 2007; 17. September 2007: 1.500,- €/2.300,- €). Der Rückforderungsbetrag sei im November 2007 vom Kämmerer R … mit dem Dezembergehalt des Beklagten verrechnet worden, Zinsen seien hierfür nicht gefordert worden.

Anschuldigungspunkt 3: Mangelhafte Aufarbeitung der Rechnungsprüfungsberichte

(…)

Anschuldigungspunkt 4: Liegengebliebene Vorgänge

(…)

Anschuldigungspunkt 5: Durchführung privater Arbeiten im Dienst

(…)

Anschuldigungspunkt 6: Fehlende Baugenehmigung/eigenmächtige Planänderung

(…)

Zu Einzelheiten wird auf die Disziplinarklageschrift vom 9. Dezember 2013 Bezug genommen.

Zugleich wurde der Beklagte von den unter Nr. 1 a) aa) und bb), Nr. 3 b) aa) (2), Nr. 3 b) cc), Nr. 3 j) und Nr. 5 a)-e) erhobenen Vorwürfen freigestellt sowie die unter Nr. 3 f), h), i) und Nr. 5 f) und g) gemachten Vorwürfe ausgeschieden.

Der Beklagte ließ hierzu am 18. August 2014 ausführen: Das Disziplinarverfahren sei zunächst lediglich wegen des Vorwurfs mangelnder Diensterfüllung geführt worden. Weitere Vorwürfe seien ihm erstmals mit Verfügung vom 30. Januar 2013 mitgeteilt worden. Die Gemeinde habe das nunmehr gerügte Verhalten jahrzehntelang nicht als Dienstpflichtverletzung angesehen. Es habe die Verwaltungspraxis bestanden, dass der Beklagte zwar immer wieder ermahnt worden sei, ohne dass dies jedoch zu Konsequenzen geführt habe. Aufgrund seiner Überlastung sei ihm die Aufarbeitung auch nicht möglich gewesen. Es werde bestritten, dass der Gemeinde dadurch ein Schaden entstanden sei. Die Vorschusszahlungen vom 5. und 26. März 2001 seien mit dem damaligen ersten Bürgermeister K … abgesprochen gewesen. Auch die übrigen Auszahlungen seien von der Gemeinde hingenommen worden. Der erste Bürgermeister W … habe in der Sache nichts gegen ihn unternommen. Er habe die Vorschüsse samt Zinsen vollständig zurückgezahlt. Die Vorfälle lägen Jahre zurück und seien strafrechtlich verjährt. Er habe zu keinem Zeitpunkt vorgehabt, das Geld nicht zurückzuzahlen, habe dies wegen seiner schlechten finanziellen Lage aber nicht gekonnt. Seit 1995 habe sich auch sein Gesundheitszustand verschlechtert. Ohne die Ruhestandsbezüge verfüge er über keine finanzielle Grundlage im Alter. Die Aberkennung des Ruhegehalts sei deshalb unverhältnismäßig, dessen Kürzung komme nach über drei Jahren nicht mehr in Betracht (Art. 16 Abs. 2 BayDG).

4. Mit Urteil vom 18. Mai 2015 hat das Verwaltungsgericht das Ruhegehalt des Beklagten auf fünf Jahre um monatlich 10% gekürzt. Der Beklagte habe ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Er habe sich 2001/2002 eigenmächtig Vorschüsse in Höhe von insgesamt 12.000.- € auszahlen lassen, ohne Modalitäten für eine Rückzahlung festzulegen. Er habe die Vorschüsse in den Folgejahren auch nicht zurückbezahlt, sondern sie erst nach Entdeckung 2010/2011 beglichen. Zudem habe er sich 2007 erneut eigenmächtig Gehaltsvorschüsse in Höhe von insgesamt 5.510,74 € bewilligt. Er habe vorsätzlich ohne Wissen und Willen des Dienstherrn gehandelt und gegen kassenrechtliche Bestimmungen (§§ 38-40 KommHV a.F.) bzw. gegen Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG verstoßen. Die von ihm hierfür geltend gemachten Gründe (Einnahmeverluste, Krankheitskosten, Zuzahlungen, Schulden der Tochter, Pflegebedürftigkeit der Mutter, Erkrankung der Ehefrau sowie eigene Erkrankungen) könnten sein Verhalten weder rechtfertigen noch entschuldigen. Er habe sich unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner Amtsstellung und dienstlichen Befugnisse zum Nachteil seines Dienstherrn über Jahre hinweg einen unredlichen Vermögensvorteil verschafft und gegen Dienstpflichten verstoßen. Das Verhalten sei strafrechtlich als Untreue i.S.d. § 266 StGB zu bewerten. Der Vermögensnachteil liege in den entgangenen Zinsen. Auch liege eine Vermögensgefährdung hinsichtlich der Vorschussbeträge vor, weil der Beklagte deren Rückzahlung nicht unmittelbar beabsichtigt habe. Er habe auch keine Anstalten gemacht, die Vorschüsse überhaupt zurückzuzahlen. Zu seinen Lasten falle zwar die erhebliche Höhe der veruntreuten Beträge ins Gewicht. Die innerdienstlich begangene Untreue sei jedoch nicht als Zugriffsdelikt einzustufen, da ihm die Gelder nicht anvertraut gewesen seien. Nach Rückzahlung der Vorschüsse liege der durch Zinsausfälle verursachte Vermögensschaden zudem deutlich unterhalb 5.000.- €. Auch sei das Vorgehen von vornherein nicht auf dauerhaften Entzug der Gelder, sondern nur auf deren zeitlich begrenzte Inanspruchnahme angelegt gewesen. Der Beklagte sei nicht verdeckt vorgegangen, sondern habe die Zahlungen gegenüber dem Kassenverwalter offengelegt sowie überprüfbare Spuren hinterlassen. Die Inanspruchnahme von Vorschüssen durch den Beklagten sei in der Gemeinde auch bekannt gewesen. Deshalb sei die Kürzung des Ruhegehalts für die maximal zulässige Dauer von fünf Jahren um 1/10 gerade noch ausreichend. Die Kürzung des Ruhegehalts sei auch nicht wegen Zeitablaufs unzulässig (Art. 16 Abs. 2 BayDG), da das einheitliche Dienstvergehen erst mit der 2010/2011 erfolgten Rückzahlung beendet gewesen sei. Auch die übrigen Vorwürfe würden - ihre Richtigkeit unterstellt - nicht zur Aberkennung des Ruhegehalts führen.

5. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der beantragt,

dem Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 18. Mai 2015 das Ruhegehalt abzuerkennen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts würden bereits die eigenmächtigen Vorschusszahlungen so schwer wiegen, dass das Vertrauen des Dienstherrn in den Beklagten als endgültig zerstört anzusehen sei, so dass ihm nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen sei. Dieser habe durch die eigenmächtige Bewilligung von „Vorschüssen“ ein Zugriffsdelikt bzw. ein diesem gleichzustellendes Dienstvergehen verwirklicht. Er sei als Kämmerer und geschäftsleitender Beamter zumindest mitverantwortlich für die Verwaltung des Gemeindevermögens gewesen und habe auch über die Anordnungsbefugnis verfügt, so dass ihm dieses Vermögen anvertraut gewesen sei. Unerheblich sei, dass der Beklagte die Auszahlung nicht selbst, sondern durch den jeweiligen Kassenbeamten vorgenommen habe, da er diesen bewusst getäuscht habe, indem er ihm gegenüber wahrheitswidrig erklärt habe, die Zahlungen seien mit dem ersten Bürgermeister abgestimmt. Auch sei er gegenüber den Kassenbeamten weisungsbefugt gewesen. Milderungsgründe lägen nicht vor. Die Geringwertigkeitsgrenze bei Zugriffsdelikten liege grundsätzlich bei 50 €. Zudem sei nicht nur auf den Zinsschaden abzustellen, sondern der der Gemeinde entstandene Schaden liege bereits in der unzulässigen Vorenthaltung der Gelder. Auch die Absicht, den Schaden wiedergutzumachen, könne eine mildere Beurteilung nicht rechtfertigen. Zudem sei dem Beklagten auch sein Folgeverhalten vorzuwerfen. Er habe in den Folgejahren weder die Vorschüsse zurückgezahlt noch diese bzw. Rückzahlungsmodalitäten je zur Sprache gebracht. Erschwerend sei zu bewerten, dass der Beklagte sich 2007 weitere 5.510,74 € habe auszahlen lassen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt die Vorschüsse aus 2001/2002 in Höhe von 12.000 € noch nicht zurückgezahlt gehabt habe und wegen seiner finanziellen Probleme auch nicht hätte zurückzahlen können. Sein Verhalten sei daher nicht auf eine nur zeitlich begrenzte Inanspruchnahme der Gelder angelegt gewesen. Er sei nicht offen vorgegangen, weil er sich die Vorschüsse ohne Wissen und Wollen des Dienstherrn bewilligt und den Kassenbeamten dabei getäuscht habe. Die sonstigen ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen könnten für sich zwar die Aberkennung des Ruhegehalts nicht begründen. Sie seien aber in die Gesamtschau für die Beurteilung miteinzustellen, ob ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten sei. Dies sei vorliegend zu bejahen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten hat mit Schriftsatz vom 22. Juli 2015 erklärt, dass er das Mandat niedergelegt habe. Der Senat hat ihm hierauf mit Schreiben vom 27. Juli 2015 mitgeteilt, dass die gegenüber dem Gericht erklärte Mandatsniederlegung aufgrund des im Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehenden Anwaltszwangs erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts wirksam werde.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 30. Juli 2015 erklärt, dass sein Bevollmächtigter das Mandat niedergelegt habe und er sich keinen Anwalt leisten könne. Der Senat hat ihm hierauf mit Schreiben vom 3. August 2015 mitgeteilt, dass die gegenüber dem Gericht erklärte Mandatsniederlegung aufgrund des im Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehenden Anwaltszwangs erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts wirksam werde. Weiter wurde er auf die Möglichkeit hingewiesen, für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu beantragen, und ihm die hierfür erforderlichen Formulare übersandt. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 hat der Insolvenzverwalter angezeigt, dass mit Beschluss des Amtsgerichts P … vom 20. Januar 2016 (Az.: …) über das Vermögen des Beklagten das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wurde.

Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2017 hat der Bevollmächtigte des Beklagten den Erhalt der Ladung vom 13. April 2017 bestätigt und erklärt, zum Termin am 28. Juni 2017 nicht zu erscheinen.

Der Senat hat am 28. Juni 2017 öffentlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift verwiesen.

Der Senat hat mit Beschluss gemäß Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Art. 54 Satz 1 BayDG die noch verbliebenen Anschuldigungspunkte unter Nr. 3 (mangelhafte Aufarbeitung der Rechnungsprüfungsberichte), Nr. 4 (liegengebliebene Vorgänge) und Nr. 6 (fehlende Baugenehmigung/eigenmächtige Planänderung) ausgeschieden, da sie für Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht fallen.

Zu den Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist wie beantragt abzuändern und gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) zu erkennen.

1. Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Bevollmächtigte des Beklagten noch der Beklagte selbst zur mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2017 erschienen sind. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wurde rechtzeitig am 13. April 2017 zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung wurde darauf hingewiesen, dass auch beim Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (Art. 3 BayDG i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO, vgl. SächsOVG, U.v. 31.3.2010 – D 6 A 268/09 – juris Rn. 32). Daran ändert auch die Mitteilung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, er habe das Mandat niedergelegt, nichts. Wenn – wie im Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 3 BayDG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO) – Anwaltszwang besteht, wird der Widerruf der Vollmacht sowie die Niederlegung des Mandats nach Art. 3 BayDG, § 173 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 Hs. 2 ZPO gegenüber dem Gericht erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten wirksam. Bis zur Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten können daher alle Prozesshandlungen wie Zustellungen gegenüber dem bisherigen Bevollmächtigten vorgenommen werden (SächsOVG, U.v. 31.3.2010 a.a.O. Rn. 33).

2. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder vom Beklagten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich, insbesondere hatte der Beklagte in jeder Lage des Verfahrens Gelegenheit zur Äußerung nach Art. 22 BayDG. Eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung gemäß Art. 95 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 SGB IX konnte unterbleiben, weil sich der Beklagte im Zeitpunkt der abschließenden Anhörung nach Art. 32 BayDG bereits im Ruhestand befand. Nach dem Gesetzeszweck des § 95 SGB IX, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb bzw. die Dienststelle zu fördern (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX), besteht keine Verpflichtung des Dienstherrn, die Schwerbehindertenvertretung in einem Disziplinarverfahren gegen einen schwerbehinderten Ruhestandsbeamten zu beteiligen, da dieser nicht mehr auf der Dienststelle beschäftigt ist (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3020 – juris Rn. 37).

3. Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der vom Kläger dem Beklagten in der Disziplinarklage vorgeworfenen Anschuldigungspunkte 1) und 2) steht auch zur Überzeugung des Senats fest.

3.1 Anschuldigungspunkt 1 (Vorschusszahlungen in den Jahren 2001/2002)

Der Beklagte hat sich 2001 und 2002 folgende Beträge in Höhe von insgesamt 13.533,87 € von der Gemeindekasse auszahlen lassen:

(1) Beihilfevorschuss am 5. März 2001 in Höhe von 1.000,- DM [511,29 €]

(2) Beihilfevorschuss am 26. März 2001 in Höhe von 10.000,- DM [5.112,92 €]

(3) Reisekostenvorschuss am 22. Oktober 2001 in Höhe von 1.000,- DM [511,29 €]

(4) Vorschuss am 5. November 2001 in Höhe von 2.000,- DM [1.022.58 €]

(5) Gehaltsvorschuss am 28. Dezember 2001 in Höhe von 2.500,- DM [1.278,23 €]

(6) Beihilfevorschuss am 3. Mai 2002 in Höhe von 1.597,56 €

(7) Gehaltsvorschuss am 7. November 2002 in Höhe von 3.500,- €.

Der Beklagte, der als geschäftsleitender Beamter nach Nr. 2.1 der Dienstanweisung für das Finanz- und Kassenwesen vom 29. Juni 1981 über die Befugnis zu kassenrechtlichen Anordnungen verfügte und der als Kämmerer für die Verwaltung des Gemeindevermögens verantwortlich war, hat sich die Beträge (3) bis (7) wissentlich und willentlich eigenmächtig ohne Kenntnis des damaligen ersten Bürgermeisters W … angeordnet und sich mittels Auszahlungsanordnung von der Gemeindekasse auszahlen lassen, indem er gegenüber dem damaligen Kassenverwalter K … bzw. dessen damaligen Stellvertreter R …, denen gegenüber er weisungsbefugt war, vortäuschte, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgestimmt, bzw. einen diesbezüglich bei diesen bestehenden Anschein ausnutzte, und so das Gemeindevermögen um diese Beträge vermindert. Hinsichtlich der Auszahlungen (1) und (2) ist nach der unwiderlegten Einlassung des Beklagten davon auszugehen, dass diese mit dem 2001 verstorbenen damaligen ersten Bürgermeister K … abgestimmt waren. Die Auszahlungsanordnungen waren dabei nicht vom anordnungsbefugten ersten Bürgermeister oder von einem anderen Anordnungsbefugten unterzeichnet und nicht mit einem Eingangsstempel der Kasse oder einem Prüfungsvermerk versehen. Die Auszahlungen wurden vom Kassenverwalter als sachlich und rechnerisch richtig abgezeichnet und angewiesen.

Ein Anspruch auf Auszahlung dieser Gelder bestand, wie der Beklagte wusste, nicht. Den Auszahlungen standen keine entsprechenden Ansprüche des Beklagten gegen die Gemeinde gegenüber. Die „Gehaltsvorschüsse“ (5 und 7) wurden unabhängig von dem ihm zustehenden Gehalt gezahlt, auf besonderen Haushaltsstellen für durchlaufende Gelder verbucht und nicht mit seinem Gehaltsanspruch verrechnet. Den „Beihilfevorschüssen“ (1, 2 und 6) lagen mangels entsprechenden Antrags keine Abschlagszahlungen (d.h. Vorschüsse im beihilferechtlichen Sinn) zugrunde, die auf Beihilfeansprüche des Beklagten angerechnet wurden. Bezüglich des „Reiskostenvorschusses“ (3) wurden keine Auslagen, die dem Beklagten im Zusammenhang mit einer Dienstreise entstanden, mit Reisekostenantrag geltend gemacht. Hinsichtlich des sonstigen „Vorschusses“ (4) fehlt es an der Angabe eines Rechtsgrundes dafür, weshalb dieser ausgezahlt wurde.

Der Beklagte hat nach Auszahlung der Gelder auch keine Bedingungen für deren Rückzahlung mit der Gemeinde vereinbart oder diese – mit Ausnahme der von ihm laut Sammel-Einzahlungsnachweis vom 5. Dezember 2001 am 5. bzw. 6. Dezember 2001 beglichenen Beträge in Höhe von 1.000,- DM und 2.000,- DM – nicht an die Gemeinde zurückgezahlt. Vielmehr hat er wissentlich und willentlich jeweils unter dem Betreff „Beihilfevorschuss“ nicht vorhandene Zahlungen vorgetäuscht und den 2001 verbliebenen Fehlbetrag in das Haushaltsjahr 2002 verschoben, indem er am 28. Dezember 2001 2.500,- DM (1.278,23 €) und am 18. April 2002 13.500,- DM (6.902,44 €) als Einsowie am 18. April 2002 8.500,- € (6.902,44 € sowie weiterer „Beihilfevorschuss“ in Höhe von 1.597,56 €) als Auszahlung verbucht hat, obwohl es sich dabei - mit Ausnahme der am 3. Mai 2002 erfolgten Auszahlung von 1.597,56 € - lediglich um fiktive Buchungen handelte. In der Folge hat er sich am 12. November 2002 weitere 3.500,- € als „Gehaltsvorschuss“ auszahlen lassen und den Fehlbetrag bis Ende 2002 auf 12.000,- € erhöht. Der Beklagte hat die ausstehenden Gelder auch in den nachfolgenden Jahren nicht zurückgezahlt. Erst nach Entdeckung der Buchungen durch den neuen Kämmerer R … 2007 hat er diesen darüber in Kenntnis gesetzt, dass noch ein Fehlbetrag in Höhe von 12.000,- € offen ist. 2008 hat der Beklagte mit dem ersten Bürgermeister W … vereinbart, den Fehlbetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5% (insgesamt 5.337,57 €) zurückzuzahlen. 12.000,- € hat der Beklagte sodann am 24. November 2010 zurückgezahlt. Zinsen in Höhe von 2.000,- € wurden am 30. November 2010 mit seinem Dezembergehalt verrechnet. Weitere 3.337,57 € Zinsen hat der Beklagte bis 28. Februar 2011 beglichen.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Aussagen der Zeugen W …, R … und S … vom 7. Mai 2013 im Disziplinarverfahren, der Stellungnahme des Zeugen K … vom 28. Juni 2013, der Akten der Staatsanwaltschaft P … im Verfahren Az.: …, der Aktenvermerke der Staatlichen Rechnungsprüfungsstelle am Landratsamt F.-… vom 16. November 2011 sowie vom 30. März 2012, der Auszahlungsanordnungen vom 5. März 2001, 26. März 2001, 22. Oktober 2001, 5. November 2001 und 7. November 2002, der Sammelzahlungsnachweise vom 5. Dezember 2001 und 18. April 2002, der Aktenvermerke R … vom 20. Juli 2010 sowie 17. und 19. August 2010 und S … vom 21. Oktober 2011 und der Einlassungen des Beklagten bei seiner Anhörung am 19. März 2013, im Schreiben vom 21. November 2011 und im Schriftsatz vom 18. August 2014.

Der Beklagte hat den Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt. Soweit er vorträgt, er habe vorgehabt, die Vorschüsse sobald wie möglich zurückzuzahlen, er habe dies wegen seiner schlechten finanziellen Lage aber nicht gekonnt, sieht der Senat dieses Vorbringen als unglaubwürdige Schutzbehauptung an. Dem steht schon entgegen, dass er den nach Rückzahlung von 3.000,- DM am 5./6. Dezember 2001 weiterhin verbleibenden Fehlbetrag nicht offengelegt, sondern im Gegenteil versucht hat, ihn durch Umbuchungen zu verschleiern. Er hat die Auszahlungen auch nicht durch Fehlzettel o.dgl. kenntlich gemacht, um damit nach außen eine Rückzahlungsabsicht zu bekunden, sondern den Fehlbetrag erst nach der Entdeckung 2007 eingeräumt. Auch hat er sich im gleichen Zeitraum, als er 3.000,- DM zurückgezahlt hat, erneut Vorschüsse in Höhe von 1.000,- DM bzw. 2.500,- DM bewilligt, so dass nicht von einer Rückzahlungsabsicht ausgegangen werden kann. Hiergegen spricht auch, dass er sich 2002 sowie 2007 weitere Vorschüsse über 5.097,56 € bzw. 5.510,74 € auszahlen ließ, obwohl er zu diesem Zeitpunkt die früheren Vorschüsse noch nicht zurückgezahlt hatte. Ebenfalls als unglaubhaft sieht der Senat das Vorbringen an, im März 2001 habe wegen eines Kuraufenthaltes eine Zahlung in Höhe von 10.000,- DM angestanden, für deren Ausgleich Beihilfe und Krankenkasse sechs bis acht Wochen gebraucht hätten, so dass er bei der Gemeinde einen Vorschuss beantragt habe. Der Beklagte hat hierzu lediglich eine handschriftliche Aufstellung vorgelegt. Nach Angaben des Zeugen R … hat er ihm zwar Aufstellungen zu angeblichen Abrechnungen mit der Beihilfe gezeigt und versichert, ihm stünden entsprechende Vorleistungen zu. Abschlagszahlungen hätte der Beklagte – wie er selbst einräumt – aber bei der Beihilfeversicherung, nicht bei der Gemeinde geltend machen müssen.

3.2 Anschuldigungspunkt 2 (Vorschusszahlungen im Jahr 2007)

Der Beklagte hat sich 2007 folgende Beträge in Höhe von insgesamt 5.510,74 € als Gehaltsvorschüsse von der Gemeindekasse auszahlen bzw. überweisen lassen:

(1) 6. Juni 2007: 2.200,-€ 65

(2) 4. Juli 2007: 200,- €

(3) 4. Juli 2007: 2.500,- € (abzüglich Gehaltsanspruch für Juli 2007)

(4) 17. September 2007: 1.500,- €

(5) 17. September 2007: 2.300,- €

Der Beklagte, der als geschäftsleitender Beamter nach Nr. 2.1 der Dienstanweisung für das Finanz- und Kassenwesen vom 29. Juni 1981 über die Befugnis zu kassenrechtlichen Anordnungen verfügte und der als Kämmerer für die Verwaltung des Gemeindevermögens verantwortlich war, hat sich die Beträge (1) bis (5) wissentlich und willentlich eigenmächtig ohne Kenntnis des damaligen ersten Bürgermeisters W … mittels des am 12. Januar 2007 erstellten Sammelauszahlungsnachweises für seine Bezüge bewilligt und sich von der Gemeindekasse auszahlen bzw. überweisen lassen, indem er gegenüber dem damaligen Kassenverwalter R …, dem gegenüber er weisungsbefugt war, vortäuschte, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgestimmt, bzw. einen diesbezüglich bestehenden Anschein bei diesem ausnutzte, und so das Gemeindevermögen um diese Beträge vermindert. Ein Anspruch auf Vorleistung von Bezügen als „Beihilfevorschuss“ bestand, wie der Beklagte wusste, nicht; auch wurde nur die Zahlung (3) vom Juligehalt abgezogen. Die verbliebene Überzahlung in Höhe von 5.510,74 € wurde im November 2007 durch den neuen Kämmerer ohne Zutun des Beklagten mit dem Dezembergehalt verrechnet.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Aussagen der Zeugen W … und R … vom 7. Mai 2013 im Disziplinarverfahren, der Akten der Staatsanwaltschaft P … im Verfahren Az.: …, der Aktenvermerke der Staatlichen Rechnungsprüfungsstelle am Landratsamt F.-… vom 16. November 2011 sowie vom 30. März 2012, des Sammelauszahlungsnachweises vom 12. Januar 2007, des Aktenvermerks K … vom 16. Juli 2007 sowie der Einlassungen des Beklagten bei seiner Anhörung am 19. März 2013, im Schreiben vom 21. November 2011 und im Schriftsatz vom 18. August 2014. Der Beklagte hat den Sachverhalt eingeräumt.

4. Der durch den Senat festgestellte Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu bewerten:

4.1 Der Beklagte hat aufgrund der eigenmächtigen Anordnung bzw. Bewilligung der Auszahlung von Vorschüssen aus der Gemeindekasse an sich eine Untreue in zwölf Fällen gemäß §§ 266, 53 StGB zu Lasten der Gemeinde begangen. Untreue i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Gemessen daran erfüllen die im Anschuldigungspunkt 1) und 2) aufgeführten Vorschusszahlungen an den Beklagten den Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (SächsOVG, U.v. 7.3.2014 – D 6 A 555/10 – juris Rn. 74).

Als Kämmerer der Gemeinde und Leiter der Finanzverwaltung oblag dem Beklagten die Pflicht zur Betreuung des Gemeindevermögens (BGH, B.v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10 – juris Rn. 8). Die Aufgaben eines Gemeindekämmerers umfassen neben den Haushaltsangelegenheiten die Vermögens- und Schuldenverwaltung und die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel (BGH, B.v. 4.7.1961 – 1 StR 181/61 – juris Rn. 10). Der Beklagte hat die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt, als er 2001/2002 in sieben Fällen den Kassenverwalter angewiesen hat, aus der Gemeindekasse Vorschüsse an ihn zu zahlen, sowie sich 2007 in fünf Fällen selbst Vorschüsse aus der Gemeindekasse bewilligt hat, um sie für private Zwecke zu verwenden, obwohl ihm diese nicht bzw. jedenfalls noch nicht zustanden (BVerwG, U.v. 15.8.1989 – 1 D 61.88 – juris Rn. 16). Insoweit ist unerheblich, ob den Vorschüssen entsprechende Zahlungsansprüche gegen die Gemeinde gegenüber standen, mit denen sie verrechnet werden hätten können, da der Beklagte jedenfalls im Zeitpunkt der Auszahlung keinen Anspruch auf die Vorschüsse hatte und er sich einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil in Gestalt eines vorübergehenden Kredits verschaffte, der ihm so nicht zustand (BVerwG, U.v. 15.8.1989 a.a.O. Rn. 17). Eine Untreue wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beklagte ggf. Ansprüche auf Beihilfeleistungen oder Reisekostenerstattung bzw. auf entsprechende Vorschüsse (Abschlagszahlungen) geltend machen hätte können (BVerwG, U.v. 15.8.1989 a.a.O. Rn. 12; siehe auch BGH, U.v. 7.5.1997 – 1 StR 638/96 – juris Rn. 9).

Durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht trat ein Vermögensnachteil bei der Gemeinde ein, deren Vermögen unmittelbar durch die Auszahlung in Höhe der veruntreuten Gelder vermindert wurde, ohne dass dem zugleich ein unmittelbarer Vermögensvorteil in entsprechender Höhe gegenüber gestanden wäre. Ein Schaden ist bei der - hier vorliegenden - unberechtigten Nutzung öffentlichen Vermögens für private Zwecke unproblematisch zu bejahen (Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 266 Rn. 122). Der Vermögensnachteil liegt nicht allein in dem durch die unberechtigte - vorübergehende - Nutzung der Gelder entstandenen Zinsschaden, sondern auch in der - wenn auch nur vorübergehenden - unberechtigten Vorenthaltung gemeindlicher Gelder (schadensgleiche Vermögensgefährdung, vgl. BGH, U.v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02 – juris Rn. 17). Die bloße Absicht, die Gelder zurückzuzahlen, steht dem nicht entgegen, da der eingetretene Vermögensnachteil dadurch nicht beseitigt wird.

Der Beklagte handelte bei Anordnung bzw. Bewilligung der Auszahlung der Gelder vorsätzlich im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit sowie im Bewusstsein der Erlangung eines unredlichen Vermögensvorteils zu Lasten der Gemeinde, da er wusste, dass er jedenfalls im Zeitpunkt der Auszahlung keinen Anspruch gegenüber der Gemeinde auf Auszahlung der Gelder hatte; daran ändert auch nichts, dass die Auszahlungen vom 5. und 26. März 2001 nach Angaben des Beklagten mit dem damaligen ersten Bürgermeister abgestimmt waren. Selbst wenn der Beklagte jedoch von Anfang an beabsichtigt haben sollte, die Vorschüsse zurückzuzahlen, wäre insoweit bedingter Vorsatz zu bejahen, da der Beklagte einen entsprechenden Nachteil zu Lasten der Gemeinde zumindest billigend in Kauf genommen hat (BayVGH, U.v. 4.6.2014 – 16a D 10.2005 – juris Rn. 38).

Es kann offen bleiben, ob der Beklagte durch sein Verhalten auch eine Untreue in einem besonders schweren Fall (§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB) begangen hat, weil er seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 a) StGB) missbraucht hat, obwohl die Amtsträgereigenschaft erst die Täterqualifikation des § 266 StGB begründet (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 190). Ebenfalls dahingestellt bleiben kann, ob der Beklagte durch die Buchungsmanipulationen 2001/2002 eine erneute Veruntreuung begangen hat (vgl. BGH, B.v. 20.5.1994 – 2 StR 202/94 – juris Rn. 3). Ebenso kann dahinstehen, ob der Beklagte durch sein Verhalten gegenüber dem Kassenverwalter zugleich einen Betrug i.S.d. § 263 StGB verübt hat (vgl. SächsOVG, U.v. 7.3.2014 a.a.O. Rn. 89).

4.2 Daneben hat der Beklagte durch eigenmächtige Anordnung bzw. Bewilligung der Auszahlung von Vorschüssen aus der Gemeindekasse auch gegen kassen- und verwaltungsrechtliche Vorschriften verstoßen (SächsOVG, U.v. 7.3.2014 a.a.O. Rn. 79). Durch Anweisung des Kassenverwalters bzw. seines Stellvertreters, ihm Vorschüsse auszuzahlen, hat der Beklagte gegen Art. 100 Abs. 2 Satz 3 BayGO verstoßen, wonach die Anordnungsbefugten nicht gleichzeitig die Aufgaben eines Kassenverwalters oder seines Stellvertreters wahrnehmen können. Die sachliche und rechnerische Feststellung der Richtigkeit wäre vor Erteilung der Anordnung auch von einer anderen Person zu treffen gewesen (§ 37 Abs. 2 Satz 3, § 40 Abs. 2 KommHV a.F.). Die Auszahlungsanordnungen waren entgegen § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KommHV a.F. nicht vom Anordnungsbefugten unterzeichnet und entgegen § 49 KommHV a.F. nicht mit dem Eingangsstempel der Kasse und einem Prüfvermerk versehen. Hinzu kommt ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 BayVwVfG, wonach ein Beteiligter in eigenen Angelegenheiten nicht tätig werden darf, wenn die Entscheidung ihm selbst einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Dazu gehört ersichtlich die Bewilligung eines Vorschusses aus der Gemeindekasse an den anordnungsbefugten Kämmerer. Diese Entscheidung hätte vielmehr nur der gleichfalls anordnungsbefugte erste Bürgermeister treffen können.

5. Durch sein Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen die ihm gegenüber der Gemeinde obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Er hat gegen die Pflichten verstoßen, die Gesetze zu beachten (§§ 266 Abs. 1, 53 StGB, Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), allgemeine Richtlinien zu befolgen (Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBG a.F., § 35 Satz 2 BeamtStG), den Dienst ordnungsgemäß zu erfüllen (Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 34 Satz 1 BeamtStG), das ihm übertragene Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen auszuüben (Art. 64 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 34 Satz 2 BeamtStG) sowie sich im Dienst achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a.F., § 34 Satz 3 BeamtStG). Das Vorgehen des Beklagten war in sein Amt als Kämmerer bzw. geschäftsleitender Beamter der Gemeinde und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden, weil er in dieser Eigenschaft gegenüber dem Kassenverwalter bzw. dessen Stellvertreter die Anweisung erteilte, Vorschüsse auszuzahlen, bzw. sich Vorschüsse bewilligte (BayVGH, U.v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160 – juris Rn. 23).

6. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 BayDG auf die Höchstmaßnahme zu erkennen. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhestandsbeamten gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen.

6.1 Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss daher unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen und gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12).

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aufgrund eines solchen Verhaltens aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG). Nur so können die Integrität des Beamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 13).

6.2 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der jeweiligen Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).

Dabei kann offen bleiben, ob das Verhalten des Beklagten ein Zugriffsdelikt darstellt. Allerdings dürfte das Vorliegen eines Zugriffsdelikts hier wohl zu verneinen sein, weil der Beklagte – anders als in dem mit Urteil des Senats vom 4. Juni 2014 (a.a.O.) entschiedenen Fall eines Beamten, der allein über ein Dienstkonto verfügungsbefugt war – nicht durch Missbrauch seiner Anordnungsbefugnis unmittelbar auf Gelder der Gemeinde zugegriffen hat, sondern die Auszahlung erst durch den Kassenverwalter vorgenommen wurde (SächsOVG, U.v. 7.3.2014 a.a.O. Rn. 89), auch wenn dem Beklagten als Kämmerer das Gemeindevermögen anvertraut war. Auf die Einstufung des Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt kommt es indes nicht an. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzlich begangene Straftat des Beamten hervorgerufen worden ist, ist auch bei innerdienstlich verübten Straftaten nunmehr auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen abzustellen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 19). Vorliegend stellen die Untreuehandlungen zu Lasten der Gemeinde die schwersten Dienstpflichtverletzungen dar. Dies folgt schon daraus, dass für eine Straftat der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren besteht. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht - hier sind es sogar bis zu fünf Jahre -, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 20) bzw. bei Ruhestandsbeamten bis zur Aberkennung des Ruhegehalts.

6.3 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung führt zur Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG). Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen i.d.R. anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. Erschwernisgründe können sich z.B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben (BVerwG, B.v. 6.5.2015 – 2 B 19.14 – juris Rn. 11).

Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Aufgrund der Anzahl der Taten (12 Fälle) sowie der Höhe der veruntreuten Gelder von 19.044,34 € (13.533,87 € 2001/2002 sowie 5.510,74 € 2007), des dadurch für die Gemeinde entstandenen Zinsschadens in Höhe von (mindestens) 5.337,57 € sowie der früheren Stellung des Beklagten als Kämmerer und geschäftsleitender Beamter ist die Aberkennung des Ruhegehalts angemessen und erforderlich (BayVGH, U.v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160 – juris Rn. 28). Die Veruntreuung hat zu einem eklatanten Vertrauensbruch und zu einem erheblichen Schaden geführt. Der Beklagte hat zudem im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt. Als geschäftsleitender Beamter repräsentierte er die Gemeinde nach innen und außen, als Kämmerer war ihm zudem die Verwaltung des Gemeindevermögens anvertraut. Dennoch hat er unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner Amtsstellung und seiner Dienstbefugnisse über Jahre hinweg gemeindliche Gelder veruntreut, um sich aus rein eigennützigen Motiven einen ungerechtfertigten finanziellen Vorteil in erheblicher Höhe zu verschaffen. Erschwerend kommt hinzu, dass er zu diesem Zweck Mitarbeitern, denen gegenüber er weisungsbefugt war, vortäuschte, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgesprochen, gegen kassen- und verwaltungsrechtliche Vorschriften verstieß sowie versuchte, die Taten durch fiktive Kassenbuchungen zu verschleiern. Ein weiterer Verbleib im Dienst der Gemeinde wäre deshalb weder dieser noch der Allgemeinheit zuzumuten gewesen, so dass ihm nach Eintritt in den Ruhestand das Ruhegehalt abzuerkennen ist.

6.4 Demgegenüber erreichen die zu Gunsten des Beklagten in die Bemessung der Disziplinarmaßnahme einzustellenden mildernden Umstände weder für sich allein genommen noch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein solches Gewicht, dass von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte.

6.4.1 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass es sich bei dem vom Beklagten verübten Dienstvergehen nicht um ein Zugriffsdelikt gehandelt habe. Hierauf kommt es nach dem unter 6.2 Ausgeführten nämlich nicht an.

6.4.2 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann auch nicht zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass dieser von Anfang an beabsichtigt habe, die Vorschüsse wieder zurückzuzahlen, sobald er über die hierfür erforderlichen Mittel verfügen sollte. Von einer solchen Rückzahlungsabsicht kann nach dem unter 3.1 sowie 3.2 Ausgeführten nicht ausgegangen werden. Im Übrigen kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagte die Gelder tatsächlich nur vorübergehend in Anspruch nehmen und baldmöglichst zurückzahlen wollte. Ein Beamter ist nicht befugt, Geld des Dienstherrn diesem auch nur vorübergehend vorzuenthalten, um es zunächst für eigene Zwecke einzusetzen. Die bloße Wiedergutmachungsabsicht vermag eine mildere Beurteilung deshalb nicht zu rechtfertigen, da Gelder des Dienstherrn nicht dazu bestimmt sind, dem Kreditbedürfnis der mit der Verwaltung betrauten Beamten zu dienen (BayVGH, U.v. 4.6.2014 a.a.O. Rn. 67 m.w.N.). Diesbezüglich kann dem Beklagte auch nicht zugutekommen, dass er die Vorschüsse inzwischen vollständig (samt Zinsen) zurückgezahlt hat und dass der nach Rückzahlung der Vorschüsse verbleibende Zinsschaden deutlich unter 5.000,- € liegt. Unabhängig davon, dass die Höhe des dem Dienstherrn entstandenen Schadens nicht allein ausschlaggebend für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist, ergibt sich der Vertrauensverlust nicht aus dem materiellen Schaden, den der Dienstherr durch die Untreuehandlung erleidet, sondern bereits aus der unzulässigen Verwendung dienstlich anvertrauter Gelder aus eigennützigen Gründen selbst (BVerwG, U.v. 15.8.1989 a.a.O. Rn. 26). Ein Absehen von der Höchstmaßnahme würde allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Beklagte - jeweils vor drohender Entdeckung - entweder freiwillig den Schaden wiedergutgemacht oder sein Fehlverhalten offenbart hätte (BayVGH, U.v. 4.6.2014 a.a.O. Rn. 68). Hiervon kann aber nicht die Rede sein, da der Beklagte erst nach Entdeckung der Taten diese eingeräumt und die Gelder zurückgezahlt hat.

6.4.3 Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts führt es auch nicht zu einer milderen Beurteilung, dass der Beklagte nicht verdeckt vorgegangen sei, sondern die Zahlungen gegenüber dem Kassenverwalter offengelegt und überprüfbare Spuren hinterlassen habe. Zwar hat der Beklagte die Gelder nicht heimlich aus der Kasse entnommen, sondern sich durch den jeweiligen Kassenverwalter auszahlen lassen. Doch kann dies nicht als offenes Vorgehen bezeichnet werden, weil der Beklagte bei der Auszahlung der Gelder gegenüber seinen Untergebenen vortäuschte, dass die Auszahlungen mit dem Bürgermeister abgesprochen seien, und somit betrügerisch vorging. Er hat zudem auch keine nachprüfbaren Spuren hinterlassen, indem er die Auszahlungen ohne die erforderliche Unterschrift eines Anordnungsberechtigten veranlasste, sondern vielmehr versucht, die Auszahlungen durch fiktive Buchungen zu verschleiern. Er hat nach Auszahlung der Gelder auch keine Bedingungen für deren Rückzahlung mit der Gemeinde vereinbart oder diese an den ausstehenden Fehlbetrag erinnert. Darüber hinaus würde auch eine offensichtliche Veruntreuung von Geldern der Gemeinde nicht zu einer milderen Beurteilung führen, da auch dann von einem endgültigen Vertrauensverlust auszugehen wäre.

6.4.4 Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts kann schließlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Auszahlung von Vorschüssen an den Beklagten in der Gemeinde bekannt gewesen und hingenommen worden sei. Zwar wussten der jeweilige Kassenverwalter bzw. dessen Stellvertreter um die Auszahlungen, doch hat der Beklagte diesen wahrheitswidrig vorgespiegelt, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgesprochen, so dass diese auch keine Veranlassung sahen, den Bürgermeister zu informieren oder bei diesem nachzufragen. Als Untergebene des Beklagten hatten sie auch keinen Anlass, an dessen Angaben zu zweifeln. Sonstige Mitarbeiter der Gemeinde waren an den Auszahlungen nicht beteiligt. Nach der glaubhaften Aussage des ersten Bürgermeisters W … hat dieser erst durch Mitteilung des neuen Kämmerers R … von den Auszahlungen erfahren. Es erscheint zwar bedenklich, dass der Bürgermeister auch nach der Entdeckung der Veruntreuungen und Rückzahlung der Vorschüsse die Sache auf sich beruhen lassen und zunächst nichts gegen den Beklagten unternehmen wollte. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der Bürgermeister den Beklagten bei der Bewilligung der Vorschüsse nicht genügend überwacht hätte. Ein Organisationsverschulden der Gemeinde ist deshalb auszuschließen. Im Übrigen würde auch eine mangelhafte Kontrolle durch die Gemeinde die Verantwortung des Beklagten nicht beseitigen.

6.4.5 Sonstige Milderungsgründe, die zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dem Beklagten ist zwar zu Gute zu halten, dass er sich bemüht hat, den Schaden wiedergutzumachen; die nachträgliche, zudem erst mehr als acht Jahre nach Auszahlung der Gelder erfolgte Rückzahlung führt jedoch nicht zu einer milderen Beurteilung des Dienstvergehens. Die Leistungen des Beklagten, der zuletzt 1978 mit „übertrifft die Anforderungen“ dienstlich beurteilt worden ist, waren nach den ihm gegenüber erhobenen weiteren Vorwürfen ungenügend; im Übrigen wäre eine überdurchschnittliche Diensterfüllung nicht geeignet, schwerwiegenden Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Anhaltspunkte für eine fehlende oder eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beklagten i.S.d. §§ 20, 21 StGB bzw. für eine psychische Ausnahmesituation zum Zeitpunkt der Taten liegen nicht vor. Zwar hat er behauptet, dass er schon ab 2001 psychisch krank gewesen sei, doch gibt es keinen Beleg für diese Behauptung. Auch für eine überwundene negative Lebensphase fehlt es an Anhaltspunkten. Die vom Beklagten vorgetragenen schwierigen Lebensumstände (Einnahmeverluste, Krankheitskosten, eigene und Schulden der Tochter, Pflege der Mutter, Erkrankung der Ehefrau und eigene Erkrankungen) sind nicht von einem Gewicht, dass sie die schweren Verfehlungen in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten. Solche familiären und finanziellen Schwierigkeiten können grundsätzlich jeden treffen und sind nicht geeignet, eine ausweglose Ausnahmesituation zu begründen. Auch kann nicht von einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage ausgegangen werden, in der der Beklagte keinen anderen Aus Weg gesehen hat, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern, da er sich mit der Finanzierung des Hausbaus u.a. übernommen hat; im Übrigen ist diese Phase auch nicht überwunden, da sich der Beklagte seit Anfang 2016 in Privatinsolvenz befindet. Angesichts der mehrfachen, über Jahre hinweg begangenen Veruntreuungen ist darüber hinaus eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat zu verneinen. Die Tatsache, dass der Beklagte an diversen Erkrankungen leidet und schwerbehindert ist, führt ebenfalls nicht dazu, von der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 101). Auch die Dauer des 2011 eingeleiteten Disziplinarverfahrens führt nicht zu einer Milderung, da es hinsichtlich der Höchstmaßnahme kein Disziplinarmaßnahmeverbot gibt (BayVGH, U.v. 9.4.2014 – 16a D 12.1439 – juris Rn. 79). Auch auf Verwirkung kann sich der Beklagte insoweit nicht berufen, da diese dem Disziplinarrecht fremd ist (BayVGH, U.v. 9.4.2014 a.a.O. Rn. 95).

7. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis - wie hier - endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen. Für Ruhestandsbeamte gilt nichts anderes. Ihnen ist bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen das Ruhegehalt abzuerkennen (BayVGH, U.v. 15.3.2017 a.a.O. Rn. 31).

Der Senat verkennt nicht, dass der Beklagte und seine Familie dadurch existentiell betroffen werden und dass der Beklagte aufgrund seines Alters und Gesundheitszustands auch keine Arbeit mehr finden und ausüben können wird. Ihm steht deshalb für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 BayDG zu. Auch ist er durch die Gemeinde in der Rentenversicherung nachzuversichern, so dass er ggf. eine Altersrente beantragen kann. Im Übrigen ist er auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu verweisen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 a.a.O. Rn. 105).

8. Nach alldem war der Berufung des Klägers stattzugeben und dem Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts das Ruhegehalt abzuerkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG. Das Urteil ist mit Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 550/02
vom
8. Mai 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Untreue u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwältin
als Verteidiger für den Angeklagten B. ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten S. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 1. Juli 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei- dung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die Revision des Angeklagten B. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen Untreue nach § 266 StGB a.F. (Fälle 3 bis 7 der Anklage) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, verurteilt und ihn im übrigen vom weitergehenden Vorwurf der Untreue (Fälle 1, 2 und 8 der Anklage) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Den Angeklagten S. hat es vom Vorwurf der Beihilfe zur Untreue des Angeklagten B. vollumfänglich ebenfalls aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Der Angeklagte B. beanstandet mit seiner Revision, soweit er ver- urteilt worden ist, das Verfahren und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Mit ihren zu Ungunsten beider Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen, die vom Generalbundesanwalt nur hinsichtlich des Angeklagten S. vertreten werden, wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die (Teil-)Freisprechung der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten B. bleibt ohne Erfolg; die Revisionen der Staatsanwaltschaft führen zur Aufhebung des Urteils insgesamt.

I.


1. Nach den Feststellungen war der Angeklagte B. seit 1981 bis zu seiner vorläufigen Amtsenthebung im März 2000 gewählter Bürgermeister der gemeinde S. (Sachsen-Anhalt). Im Zuge der im Juli 1990 begonnenen Planung, in einem Ortsteil der Gemeinde ein Gewerbegebiet zu errichten , beschloß der Gemeinderat von S. in seiner Sitzung vom 5. März 1991 einstimmig die Aufnahme von Krediten außerhalb des Haushalts zum Kauf von Land für dieses Projekt und ermächtigte gleichzeitig den Angeklagten, als Bürgermeister für die Gemeinde S. Grundstücke zu erwerben.
In der zweiten Märzhälfte 1991 faßte der Angeklagte B. den Entschluß , die für das Gewerbegebiet benötigten Grundstücke für die Gemeinde nicht direkt von den Eigentümern zu erwerben, sondern die S. und P. GmbH (künftig: S. GmbH) "durch seine Vermittlung" als Zwischenerwerberin einzuschalten. Der Angeklagte S. war Mehrheitsgesellschafter dieser GmbH; Mitgesellschafter war Tu. . Beide Gesellschafter waren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer. Der Angeklagte B. kam mit
einem der Geschäftsführer der GmbH überein, daß die GmbH die Grundstücke zunächst für 5 DM/qm erwerben und sie sodann für 10 DM/qm an die Gemeinde weiterverkaufen sollte. Es war nicht vorgesehen, daß die S. GmbH vor dem Weiterverkauf an die Gemeinde wertsteigernde Maßnahmen an den Grundstücken vornehmen sollte. Den Gemeinderat und den Landrat informierte der Angeklagte B. über die geplante Vorgehensweise nicht.
In der Folgezeit setzte sich der Angeklagte B. überwiegend persönlich bei betroffenen Eigentümern dafür ein, ihre im geplanten Gewerbegebiet belegenen Grundstücke für 5 DM/qm an die S. GmbH zu verkaufen. Lediglich die Grundstückseigentümer M. , T. und G. (Fälle 1, 2 und 8 der Anklage) kamen möglicherweise nicht durch die direkte Einflußnahme des Angeklagten B. , sondern durch anderweitige Kenntniserlangung über die Kaufbereitschaft der S. GmbH mit dieser in Kontakt. Die Eigentümer T. , W. , P. , Th. , A. und Thi. (Fälle 2 bis 7 der Anklage) hätten ihre Grundstücke zum selben Preis auch unmittelbar an die Gemeinde verkauft.
Am 28. März 1991, 11. April 1991 und am 28. Oktober 1991 gaben die genannten acht Eigentümer notariell beurkundete, bis 31. Oktober 1993 (bzw. 1992 im Fall 8 der Anklage) befristete, unwiderrufliche Angebote ab, ihre Grundstücke zu einem Preis von 5 DM/qm an die S. GmbH zu verkaufen. Der GmbH wurde dabei jeweils das Recht eingeräumt, diese Angebote auch durch einen von ihr zu benennenden Dritten annehmen zu lassen.
Am 24. Juli 1991 beantragte der Angeklagte B. für die Gemeinde bei der L. bank zum Erwerb der im geplanten Gewer-
begebiet belegenen Grundstücke einen ersten Kredit auf der Grundlage eines Kaufpreises von 10 DM/qm. Der Kreditvertrag kam am 29. August 1991 zustande.
Am selben Tag nahm die S. GmbH, vertreten durch den Angeklagten S. , mit notarieller Urkunde das Kaufangebot des Eigentümers M. (Fall 1 der Anklage) auf der Grundlage eines Quadratmeterpreises von 5 DM (insgesamt 2,39 Mio DM) an. Am 17. Oktober 1991 erwarb der Angeklagte B. mit notariellem Kaufvertrag für die Gemeinde das Grundstück von der S. GmbH, vertreten durch den Angeklagten S. , zum Preis von 10 DM/qm. Die Überweisung des Kaufpreises durch die Gemeinde an die S. GmbH erfolgte am 6. November 1991.
Anläßlich eines Notartermins vom 2. April 1992 nahm die S. GmbH, vertreten durch Al. Tu. , die Kaufangebote der Grundstückseigentümer T. (2,4 Mio DM), W. , P. , Th. , A. und Thi. an (Fälle 2 bis 7 der Anklage). Im selben Termin erfolgte die Weiterveräußerung der Grundstücke für 10 DM/qm an die Gemeinde S. . Der Kaufpreis in Höhe von insgesamt 7,45 Mio DM wurde am 13. Mai 1992 an die S. GmbH überwiesen.
Schließlich wurde nach Ausübung des Drittbenennungsrechts das notarielle Kaufangebot (385.400 DM) der Eigentümer G. (Fall 8 der Anklage ) von einer anderen, dem Angeklagten S. zuzurechnenden Gesellschaft – der S. GmbH M. und P. – am 23. September 1992 im Beisein des Angeklagten S. angenommen. Im selben Termin erfolgte der Weiterverkauf an die Gemeinde, vertreten durch den
Angeklagten B. . Den Kaufpreis in Höhe von 770.800 DM beglich die Ge- meinde am 18. Februar 1993.
2. a) In den Fällen, in denen der Angeklagte B. selbst Grundstückseigentümer , die auch an die Gemeinde direkt verkauft hätten, als Verkäufer an die S. GmbH vermittelt hatte (Fälle 3 bis 7 der Anklage), sieht die Strafkammer den Straftatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB als erfüllt an, da der Angeklagte hierdurch einen günstigeren Erwerb durch die Gemeinde vereitelt habe. In den Fällen 1, 2 und 8 der Anklage hat das Landgericht den Angeklagten B. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen , da nicht nachgewiesen werden könne, daß diese Grundstückseigentümer durch den Angeklagten B. an die S. GmbH herangeführt worden seien oder er anderweitig den Zwischenerwerb hätte verhindern können.

b) Den Angeklagten S. hat das Landgericht ebenfalls aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. In den Fällen 3 bis 7 der Anklage hat es nicht festzustellen vermocht, daß er die Taten des Angeklagten B. gefördert habe. Es sei nicht geklärt, mit welchem der beiden Gesellschafter der S. GmbH der Angeklagte B. die Vereinbarung über den Zwischenerwerb vom März 1991 geschlossen habe. Zu Gunsten des Angeklagten S. geht die Wirtschaftsstrafkammer davon aus, daß der Angeklagte B. mit A. Tu. die Vereinbarung traf und diese auf Vorschlag des Angeklagten B. zustande kam, mithin sich die Geschäftsführer der S. GmbH allenfalls als "passive" Grundstücksspekulanten betätigt hätten.
In den Fällen 1, 2 und 8 der Anklage sieht sich die Strafkammer bereits mangels Nachweises einer Haupttat des Angeklagten B. an einer Verurteilung des Angeklagten S. wegen Beihilfe zur Untreue gehindert.

II.


Der Angeklagte B.
1. Die Revision des Angeklagten
Das Urteil weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

a) Die Untreue zu Lasten der Gemeinde S. ist nicht verjährt. Da sich die notariellen Angebote der Grundstückseigentümer an die S. GmbH, deren spätere Annahme durch die GmbH und die notariellen Kaufverträge zwischen der GmbH und der Gemeinde einander bedingen und auf der Grundlage der im März 1991 getroffenen Vereinbarung eine Einheit darstellen, war nach § 78 a StGB die Tat erst beendet, als sich der aus den Kaufverträgen ergebende Schaden vollends zum Nachteil der Gemeinde S. verwirklicht hatte. Zwar kann für die Vollendung der Untreue schon eine schadensgleiche Vermögensgefährdung ausreichen. Für die für den Beginn der Verjährung maßgebende Tatbeendigung ist aber die Realisierung dieser Gefährdung entscheidend. Entsteht, wie hier, der Nachteil im Sinne des § 266 StGB erst durch verschiedene Ereignisse, ist der Zeitpunkt des letzten Ereignisses maßgeblich (BGHR StGB § 78 a Satz 1 Untreue 1, 2; BGH NStZ 2001, 650). Das in den notariellen Vertragsangeboten der Grundstückseigentümer an die S. GmbH liegende Gefahrenpotential verwirklichte sich im Abschluß der notariellen Kaufverträge zwischen der GmbH und der Gemeinde und verfestigte sich in der hieraus folgenden Erfüllung der Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises. Diese
erfolgte in den ausgeurteilten Fällen am 13. Mai 1992. Deshalb trat vorher jedenfalls keine Beendigung der Tat im Sinne des § 78 a StGB ein.
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 27. Januar 2003 im einzelnen zutreffend darlegt, steht einer Verfolgungsverjährung der Tat Art. 315 a Abs. 2 EGStGB in der Fassung des 3. Verjährungsgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I 3223) entgegen. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Anwendbarkeit des 3. Verjährungsgesetzes sind in dem hier zu beurteilenden Fall von "Vereinigungskriminalität" nicht zu ersehen. Die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts im einstweiligen Anordnungsverfahren vom 1. August 2002 - 2 BvR 1247/01 -, auf die sich die Revision beruft, befaßt sich mit der Frage, ob durch das 3. Verjährungsgesetz eine Verlängerung der absoluten Verfolgungsverjährungsfrist erfolgt ist. Diese Frage ist hier jedoch ohne Belang, da dem Eintritt einer absoluten Verjährung (§ 78 c Abs. 3 Satz 2 und 3 StGB) mit Eröffnung des Hauptverfahrens am 7. August 2001 das Ruhen der Verjährung gemäß § 78 b Abs. 4 StGB entgegen stand (vgl. BGHR StGB § 78 b Abs. 4 Strafdrohung 1).

b) Soweit sich der Angeklagte mit Verfahrensrügen und der Sachrüge gegen die Verurteilung wendet, ist sein Rechtsmittel aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft
Soweit der Angeklagte in den Fällen 1, 2 und 8 der Anklage freigesprochen worden ist, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Nach den getroffenen Feststellungen ist zu besorgen, daß die Wirtschaftsstrafkammer bei der Beurteilung des pflichtwidrigen Handelns des Angeklagten einen zu engen Maßstab angelegt und deshalb den Untreuevorwurf zu seinem Vorteil nicht zutreffend beurteilt hat.
Der Angeklagte war als Bürgermeister der Gemeinde S. dieser gegenüber im Sinne des § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB treupflichtig (vgl. Lenckner/Perron in Schönke/Schröder 26. Aufl. § 266 Rdn. 25 m.w.N.). Diese Vermögensbetreuungspflicht wird in § 48, § 34 Abs. 2 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 4 der im Tatzeitraum geltenden Kommunalverfassung vom 17. Mai 1990 (GBl DDR I 1990, 255) konkretisiert. Danach war ein Bürgermeister verpflichtet, Vermögen der Gemeinde pfleglich bzw. sparsam und wirtschaftlich zu behandeln, insbesondere wenn ihm, wie hier, durch Gemeinderatsbeschluß die Befugnis zur Verfügung über Vermögen übertragen wird (vgl. Richter in Schmidt-Eichstaedt u.a., Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR, 1990, § 48 Anm. 2).
Im Rahmen dieser Vermögensbetreuungspflicht durfte der Angeklagte die Möglichkeit eines dem betreuten Vermögen vorteilhaften Vertragsabschlusses nicht vereiteln oder unberücksichtigt lassen, um unter Berufung darauf, daß Leistung und Gegenleistung äquivalent sind, für sich oder einen Dritten einen Betrag zu erlangen, den der Treugeber mit Sicherheit erspart hätte,
wenn die Möglichkeit des vorteilhaften Vertragsschlusses im Interesse des betreuten Vermögens genutzt worden wäre (BGHSt 31, 232 ff. = NJW 1983, 1807 ff.; BGH wistra 1984, 109 und 189, 224). Dies hat das Landgericht im Ansatz nicht verkannt. Eine Vereitelung vorteilhafter Vertragsabschlüsse durch den Angeklagten B. unter Verletzung seiner Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gemeinde sieht es aber nur in den Fällen als gegeben an, in welchen der Angeklagte Eigentümer, die ihre Grundstücke zum selben Preis auch an die Gemeinde verkauft hätten, selbst angesprochen und an die S. GmbH als Verkäufer vermittelt hat.
Bei dieser Bewertung des Umfangs der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten läßt das Landgericht indes rechtsfehlerhaft außer Betracht, daß bereits in dem Abschluß der Vereinbarung mit der S. GmbH vom März 1991 über einen Zwischenerwerb der Grundstücke ein tatbestandsmäßiges Handeln liegen kann (vgl. BGH NStZ 2000, 46, 47). Nach den getroffenen Feststellungen war die Vereinbarung vom März 1991 nämlich darauf angelegt, der Gemeinde einen finanziellen Nachteil zuzufügen. Einen wirtschaftlich nachvollziehbaren Grund für die Einschaltung eines Zwischenerwerbers, der den vereinbarten Preisaufschlag bei der Weiterveräußerung der Grundstücke an die Gemeinde rechtfertigen könnte, hat die Strafkammer nicht festgestellt.
Zwar enthielt die Vereinbarung vom März 1991 für sich allein keine Verfügung des Angeklagten über Vermögenswerte der Gemeinde. Sie bildete aber die Grundlage für die alsbald darauf von den Grundstückseigentümern gegenüber der S. GmbH abgegebenen unwiderruflichen und damit zu Lasten der Gemeinde vermögensgefährdend wirkenden Verkaufsangebote. Unerheblich ist dabei, ob die Grundstückseigentümer vom Angeklagten selbst
an die GmbH herangeführt wurden oder ob sie anderweitig von deren Erwerbsbereitschaft Kenntnis erlangten. Auch im letzteren Fall hatte der Angeklagte durch die Vereinbarung die wesentliche Ursache dafür gesetzt, daß die von dem Flächennutzungskonzept betroffenen Eigentümer wegen des Verkaufs ihrer Grundstücke nicht direkt an die Gemeinde herantraten, sondern den Verkauf über den Zwischenerwerber abwickelten (BGH NStZ 2000, 46, 47; vgl. auch RGSt 61, 1, 5). Wie die "Drittbenennungsklausel" in den Verkaufsangeboten zeigt, wären diese Eigentümer ebenfalls bereit gewesen, direkt an die Gemeinde zu verkaufen. Danach bestand für die Gemeinde auch in den Fällen 1, 2 und 8 der Anklage nicht nur eine ungewisse Chance auf einen Vertragsabschluß , sondern eine gesicherte Aussicht auf Abschluß eines Kaufvertrages unmittelbar mit den Eigentümern auf der Grundlage eines Preises von 5 DM/qm, wenn sich der Angeklagte B. – wie ihm dies bei der Umsetzung des Gemeinderatsbeschlusses oblag – um den Direktkauf der Grundstücke bemüht hätte.
Nach den getroffenen Feststellungen steht deshalb allein die fehlende Vermittlungstätigkeit des Angeklagten B. in den Fällen 1, 2 und 8 der Anklage einer Verurteilung wegen Untreue nicht entgegen. Schon deshalb bedarf die Sache insoweit neuer tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung. Da aber das gesamte Tatgeschehen in den Fällen 1 bis 8 der Anklage insbesondere wegen des begrenzten Kreises der betroffenen Grundstückseigentümer sachlich -rechtlich eine einheitliche Tat darstellt, hebt der Senat den Schuldspruch insgesamt auf.

III.


Der Angeklagte S.
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Der Freispruch des Angeklagten S. vom Vorwurf der Beihilfe zur Untreue des Angeklagten B. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Soweit die Strafkammer zu dem Ergebnis gelangt, dem Angeklagten S. sei in den Fällen 3 bis 7 der Anklage nicht nachzuweisen, daß er selbst im März 1991 die für die späteren Grundstücksveräußerungen maßgebliche "Unrechtsvereinbarung" mit dem Angeklagten B. für die S. GmbH getroffen habe, ist dies - für sich betrachtet - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht gelangt mit rechtsfehlerfreien Erwägungen zu dem jedenfalls möglichen, wenngleich nicht eben naheliegenden Schluß, die S. GmbH könne bei der Vereinbarung allein durch den zweiten Geschäftsführer der GmbH, A. Tu. , vertreten worden sein.
Rechtlich fehlerhaft ist es jedoch, daß die Strafkammer das Verhalten des Angeklagten nach Abschluß der Vereinbarung nicht als mögliche Beihilfe zur ausgeurteilten Untreue des Angeklagten B. in Betracht gezogen hat. Die getroffenen Feststellungen legen nämlich eine Beihilfehandlung des Angeklagten S. dadurch nahe, daß er als Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer an einem Projekt der S. GmbH mitwirkte, wissend, daß dieses darauf abzielte, einen Gewinn durch eine Straftat zu erreichen (vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 3). Bei einer solchen Sachlage käme es nicht, wie die Strafkammer meint, darauf an, welcher der beiden Geschäftsführer
nach außen auftrat und für die GmbH handelte. Entscheidend wäre vielmehr, ob durch die Mitwirkung des Angeklagten S. innerhalb der Gesellschaft die Straftat des Angeklagten B. noch vor deren Beendigung gefördert wurde.
Hierfür spricht die Feststellung des Landgerichts, daß der Angeklagte S. zwischen Juli 1991 und dem 13. August 1991 einen mit "vertrauliche Vorgehensweise beim Grunderwerb und Verkauf bei der Gemeinde S. " überschriebenen Vermerk fertigte. Aus diesem Vermerk geht hervor, daß die S. GmbH "Grund und Boden per Kaufoption für 5 DM pro qm erworben hat und ... diese an die Gemeinde S. für 10 DM pro qm verkauft". Den Vermerk übergab der Angeklagte S. u. a. dem damaligen Rechtsberater der GmbH, der wiederum auf der Grundlage dieses Schriftstücks am 13. August 1991 ein "Strategiepapier" entwarf. Form und Inhalt dieses Vermerks und dessen Weitergabe an den Rechtsberater sprechen dafür, daß dem Angeklagten S. nicht nur die Vereinbarung vom März 1991, sondern auch deren Unrechtsgehalt bekannt war und er jedenfalls in einem Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung der Untreue des Angeklagten B. in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH selbst Aktivitäten zur Umsetzung der Vereinbarung entfaltete.
Soweit die Strafkammer davon ausgegangen ist, die Organe der GmbH hätten sich nur "passiv" als Grundstücksspekulanten betätigt, ist diese Wertung mit den festgestellten Tatsachen nicht in Einklang zu bringen. Form und Inhalt des oben beschriebenen "vertraulichen" Vermerks des Angeklagten S. sprechen vielmehr dafür, daß die Vereinbarung vom März 1991 mit jedenfalls einem der Geschäftsführer der GmbH im kollusiven Zusammenwirken mit dem Angeklagten B. zustande kam und der Angeklagte S. bewußt an
deren späteren Umsetzung aktiv mitwirkte. Darauf, ob der in der Literatur vertretenen Auffassung (Schünemann in LK 11. Aufl. § 266 Rdn. 163; Tröndle /Fischer StGB 51. Aufl. § 266 Rdn. 80), eine strafbare Beihilfe liege nicht vor, wenn ein außenstehender Dritter in geschäftlichen Verhandlungen seinen Vorteil sucht und die Pflichtverletzung des Täters erkennt, ohne jedoch mit diesem kollusiv zusammenzuwirken, zu folgen ist, kommt es hier deshalb nicht an.
Das Urteil unterliegt, soweit es den Angeklagten S. betrifft, ebenfalls insgesamt der Aufhebung, da auch die Feststellungen zur Haupttat des Angeklagten B. in den Fällen 1, 2 und 8 der Anklage der rechtlichen Überprüfung, wie unter II. 2. dargelegt, nicht standhalten.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tenor

Die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 2010 und des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 6. Dezember 2004 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird in das Amt eines Polizeiobermeisters (Besoldungsgruppe A 8 BBesO) versetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1

Der 1958 geborene Beklagte steht als Polizeihauptmeister im Dienst der Klägerin. Mit rechtskräftigem Urteil vom 17. April 2002 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte am 13. Mai 2001 außerdienstlich vor seinem Anwesen zwei Personen wegen ihres Fahrverhaltens zur Rede gestellt, beleidigt und mit der nicht geladenen Waffe bedroht. Das sachgleiche Disziplinarverfahren wurde im Hinblick auf das Strafurteil mit Verfügung vom 26. Juni 2002 unter Feststellung einer an sich verwirkten langfristigen Kürzung der Dienstbezüge wegen Maßnahmeverbots eingestellt.

2

Gegenstand der Disziplinarklage ist der durch Urteil vom 19. März 2003 rechtskräftig festgestellte Sachverhalt, nach dem der Beklagte am 4. Dezember 2002 einen 50-€-Schein aus der Geldbörse eines Kollegen in der Absicht, diesen für sich zu behalten, entnahm. Die Geldbörse mit weiterem Bargeld befand sich im unverschlossenen Aktenkoffer des Kollegen, den dieser im Umkleideraum seiner Hundertschaft abgestellt hatte. Der Beklagte wurde wegen des Diebstahls zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt; die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 17. April 2002 wurde nicht widerrufen.

3

Im sachgleichen Disziplinarklageverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. Dezember 2004 den Beklagten um zwei Ämter in das Eingangsamt eines Polizeimeisters zurückgestuft. Das Berufungsgericht hat den Beamten mit Beschluss vom 10. November 2006 aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Entscheidung durch Urteil vom 25. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 43.07 - aufgehoben und die Sache zur Verhandlung und erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe nicht ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen, weil § 130a VwGO im Disziplinarklageverfahren nicht anwendbar sei. Zudem weise die Maßnahmebemessung Rechtsfehler auf.

4

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Berufungsgericht den Beamten aus dem Dienst entfernt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

5

Der Kollegendiebstahl ziehe im Falle der Geringwertigkeit des entwendeten Betrags nach seiner Schwere im Regelfall eine Zurückstufung nach sich. Weitere anerkannte Milderungsgründe oder sonstige mildernde Umstände von insgesamt vergleichbarem Gewicht lägen nicht vor. Demgegenüber falle erschwerend ins Gewicht, dass der Beklagte sich das vorhergehende Disziplinarverfahren und die strafgerichtliche Verurteilung nicht zur Warnung habe dienen lassen. Ein Beamter, der der Versuchung nicht widerstehen könne, eine zufällig unbewachte und unverschlossene Tasche eines Kollegen zu öffnen und aus dem darin vorgefundenen Geldbeutel Geld zu entwenden, und sich eine zeitnah vorangegangene Bestrafung bei noch laufender Bewährungsfrist nicht zur abschreckenden Warnung dienen lasse, sei nicht mehr tragbar.

6

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Revision. Er beantragt,

die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 2010 und des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 6. Dezember 2004 aufzuheben und eine mildere Disziplinarmaßnahme zu bestimmen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, nämlich § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 BDG69 BDG, § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Senat macht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten von der ihm gesetzlich eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Disziplinarmaßnahme auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts abschließend zu bestimmen (§ 70 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1, § 60 Abs. 2 BDG).

9

Das Revisionsgericht hat bei der Anwendung des revisiblen Rechts auf den festgestellten Sachverhalt (§ 137 Abs. 2 VwGO, § 69 BDG) grundsätzlich dieselben Befugnisse und Entscheidungsmöglichkeiten, die das Berufungsgericht im Falle einer Zurückverweisung hätte. Das Bundesdisziplinargesetz enthält insoweit, anders als etwa § 82 Abs. 3 Satz 2 DRiG, keine Einschränkungen. Vielmehr gilt die Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 BDG, die den Verwaltungsgerichten die Befugnis zur Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme überträgt, gemäß § 70 Abs. 1, § 65 Abs. 1 Satz 1 BDG auch für das Revisionsverfahren (Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 26, vom 24. Mai 2007 - BVerwG 2 C 25.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 4 Rn. 27 und vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 Rn. 25).

10

Das Bundesverwaltungsgericht kann von der ihm danach zustehenden, durch die Rechtsmittelanträge eingeschränkten Befugnis jedoch nur Gebrauch machen, wenn es aufgrund der gemäß § 137 Abs. 2 VwGO, § 69 BDG bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils eine gesetzeskonforme, d.h. den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG genügende Bemessungsentscheidung treffen kann. Es kann weder Tatsachen berücksichtigen, die nicht festgestellt sind, noch die Richtigkeit der festgestellten Tatsachen nachprüfen. Daher kann das Bundesverwaltungsgericht über die Disziplinarklage nur dann abschließend entscheiden, wenn das Berufungsurteil alle wesentlichen bemessungsrelevanten Gesichtspunkte enthält. Ansonsten muss es gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO, § 70 Abs. 2 BDG aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 27, vom 24. Mai 2007 a.a.O. Rn. 28 und vom 29. Mai 2008 a.a.O. Rn. 26).

11

Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils reichen für die Maßnahmebemessung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 BDG aus. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden; sie haben keine Einwendungen erhoben (zur Erforderlichkeit einer vorherigen Anhörung: Urteil vom 29. Mai 2008 a.a.O. Rn. 33).

12

Der Senat kommt im Rahmen seiner Bemessungsentscheidung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 Satz 1 BDG zu dem Ergebnis, dass der Beklagte grundsätzlich eine Zurückstufung in das Eingangsamt seiner Laufbahn verwirkt hat. Dabei sieht er die Vorbelastung als gravierend ins Gewicht fallenden erschwerenden Umstand an, jedoch würdigt er, anders als das Berufungsgericht, die freiwillige Wiedergutmachung und Entschuldigung als entlastenden Umstand von beachtlichem Gewicht. Aufgrund der von Verfassungs wegen gebotenen Berücksichtigung der unangemessen langen Verfahrensdauer wird der Kläger jedoch nur in das Amt eines Polizeiobermeisters (BesGr. A 8 BBesO) zurückgestuft.

13

1. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung. Der Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt (Urteil vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.> = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 1 S. 5; seitdem stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 62.11 - Rn. 39 ff., zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen). Danach müssen die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. grundlegend Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 258 f. bzw. S. 5; stRspr).

14

a) Wie § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG durch die Verwendung des Wortes "insbesondere" zum Ausdruck bringt, ist die Schwere des Dienstvergehens maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zuzuordnen ist. Für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens hat die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts generelle Maßstäbe für einzelne Fallgruppen entwickelt (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 258 f. bzw. S. 6 und vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 20; zuletzt vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18, jeweils Rn. 29 und vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 39 f.).

15

Für die Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter Gelder und Güter, ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen. Der Kollegendiebstahl ist hinsichtlich seiner Schwere der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 260 ff., vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 21 und - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 30 § 108 abs. 1 vwgo nr. 50>, vom 15. Oktober 2007 - BVerwG 2 C 43.07 - Rn. 19 § 65 bdg nr. 2>, vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - Rn. 21 § 70 bdg nr. 3>; zuletzt vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 ff., zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung Buchholz vorgesehen, Rn. 12, stRspr).

16

Danach ist für den nach § 57 Abs. 1 Satz 1 BDG bindend festgestellten Kollegendiebstahl aufgrund der Geringwertigkeit des entwendeten Geldbetrages von 50 € die Zurückstufung nach § 9 BDG Richtschnur für die Maßnahmebemessung.

17

b) Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beamten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 und 4 BDG im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 259 f. bzw. S. 6, vom 3. Mai 2007- BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 20, zuletzt vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - a.a.O. Rn. 29, vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - Rn. 26 f. = NVwZ 2013, 1087 und - BVerwG 2 C 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 juris Rn. 39; stRspr). Deshalb dürfen die nach der Schwere des Dienstvergehens angezeigten Regeleinstufungen nicht schematisch angewandt werden.

18

Je schwerwiegender das Dienstvergehen oder die mit ihm einhergehende Vertrauensbeeinträchtigung ist, umso gewichtiger müssen die sich aus dem Persönlichkeitsbild ergebenden mildernden Umstände sein, um gleichwohl eine andere Maßnahme zu rechtfertigen (stRspr; Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 261 ff. bzw. S. 7 ff., vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 21 ff.; vom 24. Mai 2007 - BVerwG 2 C 25.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 4 Rn. 22 und vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 40; zuletzt Urteile vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 33 und - BVerwG 2 C 62.11 - a.a.O. Rn. 46). Umgekehrt können Gesichtspunkte des Persönlichkeitsbildes oder eine besondere Vertrauensbeeinträchtigung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen, obwohl diese Maßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens für sich genommen nicht indiziert ist.

19

Das Bemessungskriterium "Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit" gemäß § 13 Abs. 1 Satz 4 BDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 24 § 108 abs. 1 vwgo nr. 50). maßstab ist hierbei, in welchem umfang die allgemeinheit dem beamten noch vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden umstände bekannt würde (grundlegend urteil vom 20. oktober 2005 a.a.o. s. 260 bzw. s. 7, seitdem strspr; zuletzt urteil vom 28. februar 2013 - bverwg 2 c 62.11 - a.a.o. rn. 56). die prüfung, ob der betreffende beamte im beamtenverhältnis verbleiben darf, hat sich auf sein amt als ganzes und nicht nur auf einen begrenzten tätigkeitsbereich (amt im funktionellen sinne) zu beziehen (urteil vom 22. mai 1996 - bverwg 1 d 72.95 - buchholz 232 § 54 satz 3 bbg nr. 6 s. 17 m.w.n.).

20

Die Stellung als Polizeibeamter kann sich für die Bewertung außerdienstlichen Verhaltens erschwerend auswirken, wenn ein Bezug zur Dienstausübung des Beamten gegeben ist (stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. Dezember 2010 - BVerwG 2 B 29.10 - Buchholz 232 § 77 BBG Nr. 32 Rn. 5 ff., vom 25. Mai 2012 - BVerwG 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 m.w.N. und vom 5. April 2013 - BVerwG 2 B 79.11 - juris Rn. 4 ff.). Entsprechendes gilt für innerdienstliche Pflichtverletzungen, die unter Ausnutzung der dienstlichen Stellung begangen werden (vgl. Urteile vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 ff. Rn. 16 und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 31 ff., 36). Dagegen hängt die disziplinarische Bewertung eines Kollegendiebstahls nicht davon ab, welcher Laufbahn oder welchem Verwaltungszweig der Beamte angehört oder welche dienstlichen Aufgaben er wahrnimmt. Der Kollegendiebstahl ist hinsichtlich seiner Schwere im Grundsatz deshalb der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar, weil der Dienstherr sich auch hier auf die Ehrlichkeit seiner Bediensteten verlassen können muss. Ein Diebstahl zum Nachteil eines Kollegen belastet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden und damit letztlich die Funktionsfähigkeit der Verwaltung in schwerwiegender Weise (stRspr; zuletzt Urteil vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - Rn. 21 § 70 bdg nr. 3> m.w.N.). Insofern macht es keinen Unterschied, ob ein Polizeibeamter oder ein Beamter aus einem anderen Verwaltungszweig seine Kollegen bestiehlt.

21

Das Persönlichkeitsbild nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG erfasst die persönlichen Verhältnisse des Beamten und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach dem Dienstvergehen. Insbesondere sind frühere disziplinarische oder strafrechtliche Verfehlungen, deren Berücksichtigung bei der Maßnahmebemessung kein rechtliches Hindernis entgegensteht, in die Würdigung einzubeziehen. Dies beruht darauf, dass - anders als im Strafrecht - mit einer Disziplinarmaßnahme nicht eine einzelne Tat bestraft wird. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 25 § 108 abs. 1 vwgo nr. 50>, - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 16 und vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 <481>; stRspr). Aus einer Vorbelastung kann geschlossen werden, dass sich der Beamte eine vorherige strafgerichtliche oder disziplinarische Sanktionierung nicht hat zur Mahnung dienen lassen.

22

Die Berücksichtigung einer Vorbelastung als erschwerender Umstand bei der Maßnahmebemessung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG scheidet aus, wenn ein Verwertungsverbot eingreift. Dies bestimmt sich für strafrechtliche Verurteilungen nach den Tilgungsvorschriften des Bundeszentralregistergesetzes. Danach kann die erste strafrechtliche Verurteilung nicht mehr im Revisionsverfahren berücksichtigt werden (vgl. § 51 Abs. 1 BZRG). Für disziplinare Vorbelastungen gelten die Verwertungsverbotsregelungen des § 16 BDG. Absatz 4 der Vorschrift erfasst diejenigen Disziplinarvorgänge, die - wie hier - nicht zur Verhängung einer Disziplinarmaßnahme geführt haben. Die Frist für das Verwertungsverbot und die Tilgungspflicht beträgt bei erwiesenen Dienstvergehen zwei Jahre (§ 16 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 BDG). Aufgrund der Einleitung des neuen, hier streitgegenständlichen Disziplinarverfahrens vor Ablauf der Frist, hat diese Frist noch nicht geendet (§ 16 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 BDG). Das Gewicht einer Vorbelastung hängt vor allem von der dafür rechts- oder bestandskräftig ausgesprochenen Disziplinarmaßnahme und vom zeitlichen Abstand zur neuen Verfehlung ab.

23

Danach fällt das außerdienstliche Fehlverhalten des Beklagten vom 13. Mai 2001 erheblich zum Nachteil des Beklagten ins Gewicht. Es handelt sich um eine rechtskräftig abgeurteilte Straftat, für die die Klägerin eine Kürzung der Dienstbezüge (§ 8 BDG) für verwirkt hielt. Vor allem aber beging der Beklagte den Kollegendiebstahl am 13. Dezember 2002 nicht einmal ein halbes Jahr nach Beendigung des ersten Disziplinarverfahrens.

24

Als durchgreifende Entlastungsgründe kommen vor allem die Milderungsgründe in Betracht, die in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts zu den Zugriffsdelikten entwickelt worden sind. Diese Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet und daher nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 31 § 108 abs. 1 vwgo nr. 50>).

25

Unter Geltung der Bemessungsvorgaben gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ist es nicht mehr möglich, diese Milderungsgründe als abschließenden Kanon der bei Zugriffsdelikten allein beachtlichen Entlastungsgründe anzusehen (vgl. Urteil vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 262 ff. bzw. S. 8 f., seitdem stRspr). Vielmehr gelten auch hier die dargestellten Anforderungen an die prognostische Gesamtwürdigung. Demnach dürfen entlastende Gesichtspunkte bei Zugriffsdelikten nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie für das Vorliegen eines solchen Milderungsgrundes ohne Bedeutung sind oder nicht ausreichen, um dessen Voraussetzungen - im Zusammenwirken mit anderen Umständen - zu erfüllen. Die Milderungsgründe bieten jedoch Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von "Begleitdelikten" und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 32 § 108 abs. 1 vwgo nr. 50>).

26

Einen Aspekt des Persönlichkeitsbildes stellt die tätige Reue dar, wie sie durch die Offenbarung des Fehlverhaltens oder die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens jeweils noch vor der drohenden Entdeckung zum Ausdruck kommt (Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 23). Der anerkannte Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung greift nicht ein, wenn der Beamte das Dienstvergehen deshalb offenbart, weil er damit rechnet, dass gegen ihn ermittelt wird. Durch die freiwillige Offenbarung zeigt der Beamte, dass er sein Fehlverhalten bereut und aus innerer Einsicht entschlossen ist, sich künftig rechtstreu zu verhalten. Sein Persönlichkeitsbild im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG erscheint in einem günstigeren Licht, sodass die Erwartung gerechtfertigt ist, die von ihm verursachte Ansehensschädigung könne wettgemacht werden. Mit dem Zweck des Milderungsgrundes der freiwilligen Offenbarung lässt sich nicht vereinbaren, den in die Tat umgesetzten Persönlichkeitswandel generell für unbeachtlich zu erklären. Vielmehr führt die Umkehr des Beamten aus freien Stücken selbst bei schwerwiegenden innerdienstlichen Pflichtenverstößen regelmäßig zur Bestimmung einer Disziplinarmaßnahme, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme. Dies gilt nur dann nicht, wenn dem Milderungsgrund erschwerende Umstände von ganz erheblichem Gewicht gegenüberstehen (zum Ganzen zuletzt: Urteil vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18, jeweils ab Rn. 37 m.w.N.).

27

Einer Selbstanzeige, die der Beamte aus Furcht vor Entdeckung abgibt, kommt naturgemäß ein geringeres Gewicht als einer freiwilligen Offenbarung zu. Hier muss davon ausgegangen werden, dass der Beamte weniger aus innerer Einsicht als vielmehr in dem Bestreben tätig wird, die nachteiligen Folgen seines Fehlverhaltens so gering wie möglich zu halten. Daher hängt es vom Hinzutreten weiterer, dem Persönlichkeitsbild zuzuordnenden mildernden Umständen ab, welches Gewicht diesem Verhalten beizumessen ist. Dieses Gewicht erhöht sich, wenn der Beamte nach der Selbstanzeige aus Furcht vor Entdeckung den Schaden alsbald ausgeglichen hat. Gleiches gilt, wenn der Beamte durch seine Mitwirkung die Aufklärung des Dienstvergehens ermöglicht oder erheblich vereinfacht hat (zum Ganzen: Urteil vom 28. Juli 2011 a.a.O. Rn. 38 f. m.w.N.).

28

Danach ist das hier vom Beklagten gezeigte Verhalten nicht unbeachtlich, auch wenn es nicht den anerkannten Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung erfüllt. Zwar war bereits die Tat entdeckt, der Täter war aber noch nicht ermittelt worden, als sich der Beklagte dem geschädigten Kollegen gegenüber offenbart hat. Insofern ist von Bedeutung, dass durch die Mitwirkung des Beamten die Aufklärung des Dienstvergehens vereinfacht wird. Dies ist bei einem Geständnis zu einem frühen Zeitpunkt, d.h. bevor die vom Berufungsgericht aufgezeigten Ermittlungsmaßnahmen bereits angelaufen sind, der Fall. Der Beklagte hat außerdem den Schaden "alsbald" ausgeglichen und sich beim Geschädigten entschuldigt. Er hatte das Geld noch vor der Aufdeckung seiner Täterschaft zurückgesandt. Dies alles lässt sein Persönlichkeitsbild im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG in einem günstigeren Licht erscheinen.

29

c) Nach alledem hält es der Senat für erforderlich, aber noch ausreichend, den Beklagten in das Eingangsamt seiner Laufbahn, d.h. um zwei Ämter, zurückzustufen.

30

Die Schwere des Kollegendiebstahls indiziert die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht, weil dem Beklagten der Milderungsgrund der Geringfügigkeit der entwendeten Sache zugute kommt. Demnach käme die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur in Betracht, wenn die außerdienstliche Bedrohung, die als Vorbelastung zum Nachteil des Beklagten in die Gesamtwürdigung nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG einzubeziehen ist, nicht durch das ihm gut zu bringende Nachtatverhalten kompensiert wird. Wie dargelegt, ist die Vorbelastung erheblich. Dies folgt aus der als angemessen erachteten Kürzung der Dienstbezüge und dem engen zeitlichen Zusammenhang mit der neuerlichen gravierenden Dienstpflichtverletzung.

31

Dem steht gegenüber, dass der Beklagte den Geldschein zurückgegeben und sich später gegenüber dem Geschädigten offenbart hat, bevor die Tat entdeckt war. Zwar reicht dies nicht aus, um den anerkannten Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung zu erfüllen. Das Verhalten lässt jedoch Gesichtspunkte des Persönlichkeitsbildes erkennen, die die Einschätzung rechtfertigen, das Vertrauen, der Beklagte werde sich künftig inner- und außerdienstlich einwandfrei verhalten, sei noch nicht zerstört, sondern nur stark erschüttert.

32

Der Senat gewichtet damit das Nachtatverhalten anders als das Berufungsgericht, das mildernden Umständen außerhalb des Anwendungsbereichs der freiwilligen Offenbarung eine zu geringe Bedeutung beigemessen hat. Die Verwaltungsgerichte müssen bei der Gesamtwürdigung offen dafür sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines so genannten anerkannten Milderungsgrundes nicht ausreichen. Sie dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens und belastenden Gesichtspunkten gesetzt werden.

33

2. Der Zurückstufung um ein Amt, die hier wegen der unangemessen langen Dauer des Disziplinarverfahrens angemessen ist, steht nicht das Verschlechterungsverbot nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO entgegen, das nach § 3 BDG auch für Disziplinarklageverfahren gilt. Es wirkt sich als Beschränkung der grundsätzlich uneingeschränkten Befugnis des Rechtsmittelgerichts aus, die Disziplinarmaßnahme zu bestimmen (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 24). Das Rechtsmittelgericht darf nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO nur eine Disziplinarmaßnahme festsetzen, die sich innerhalb des Rahmens hält, der durch den Antrag des Rechtsmittelführers bestimmt wird (§ 64 Abs. 1 Satz 4 BDG).

34

Zwar konnte unter der Geltung der Bundesdisziplinarordnung aufgrund des Verweises in § 25 Satz 1 BDO auf die Vorschriften der Strafprozessordnung auch bei zu Lasten des Beamten eingelegten Berufungen des Bundesdisziplinaranwalts zugunsten des Beamten entschieden werden (vgl. § 301 StPO; dazu z.B. Urteil vom 11. März 1997 - BVerwG 1 D 68.95 - juris Rn. 7). Dies ist aber nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes nicht mehr möglich. Das Bundesdisziplinargesetz hat das Disziplinarrecht verfahrensrechtlich von der Bindung an das Strafprozessrecht gelöst und stattdessen eng an das Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht angelehnt (BTDrucks 14/4659, S. 33). Sinnfällig wird dies durch die Streichung des § 25 BDO und die zeitgleiche Einfügung der Verweisung in § 3 BDG auf die ergänzend anzuwendenden Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der Verwaltungsgerichtsordnung. Auf Regelungen der Strafprozessordnung wird nur noch punktuell in den Fällen verwiesen, in denen auf sie nicht verzichtet werden kann (BTDrucks 14/4659 S. 34 f.; vgl. zum Ganzen auch Urteil vom 24. September 2009 - BVerwG 2 C 80.08 - BVerwGE 135, 24 = Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 4, jeweils Rn. 15).

35

Vorliegend hat nur die Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt, das den Beklagten um zwei Ämter zurückgestuft hatte. Allerdings ist hier eine Durchbrechung des Verschlechterungsverbots zugunsten des Beklagten geboten, um den Vorgaben von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) Rechnung zu tragen. Die unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens muss zu einer Herabsetzung der Disziplinarmaßnahme auf eine Zurückstufung um ein Amt führen.

36

Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

37

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Rechtsprechung über den jeweils entschiedenen Fall hinaus Orientierungs- und Leitfunktion für die Auslegung der EMRK hat, entnimmt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK einen Anspruch auf abschließende gerichtliche Entscheidung innerhalb angemessener Zeit. Die Angemessenheit der Dauer des Verfahrens ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung der Schwierigkeit des Falles, des Verhaltens der Parteien, der Vorgehensweise der Behörden und Gerichte sowie der Bedeutung des Verfahrens für die Parteien zu beantworten. Dies gilt auch für Disziplinarverfahren. Sie müssen innerhalb angemessener Zeit, d.h. ohne schuldhafte Verzögerungen, unanfechtbar abgeschlossen sein. Dabei sind behördliches und gerichtliches Verfahren als Einheit zu betrachten (vgl. nur EGMR, Urteil vom 16. Juli 2009 - 8453/04 - NVwZ 2010, 1015 <1017>).

38

Für die innerstaatlichen Rechtsfolgen einer unangemessen langen Verfahrensdauer im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK ist zu beachten, dass diese Bestimmung nur Verfahrensrechte einräumt. Diese dienen der Durchsetzung und Sicherung des materiellen Rechts; sie sind aber nicht darauf gerichtet, das materielle Recht zu ändern. Daher kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer nicht dazu führen, dass den Verfahrensbeteiligten eine Rechtsstellung zuwächst, die ihnen nach dem innerstaatlichen materiellen Recht nicht zusteht. Vielmehr kann sie für die Sachentscheidung in dem zu lange dauernden Verfahren nur berücksichtigt werden, wenn das materielle Recht dies vorschreibt oder zulässt. Ob diese Möglichkeit besteht, ist durch die Auslegung der entscheidungserheblichen materiellrechtlichen Normen und Rechtsgrundsätze zu ermitteln. Bei dieser Auslegung ist das Gebot der konventionskonformen Auslegung im Rahmen des methodisch Vertretbaren zu berücksichtigen (Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 50; Beschluss vom 16. Mai 2012 - BVerwG 2 B 3.12 - NVwZ-RR 2012, 609 Rn. 12).

39

Daraus folgt für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme nach einem unangemessen lange dauernden Disziplinarverfahren:

40

Ergibt die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, so lässt sich der Verbleib im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Das von dem Beamten zerstörte Vertrauen kann nicht durch Zeitablauf und damit auch nicht durch eine verzögerte disziplinarrechtliche Sanktionierung schwerwiegender Pflichtenverstöße wiederhergestellt werden.

41

Ergibt die Gesamtwürdigung dagegen, dass eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme ausreichend ist, steht fest, dass der Beamte im öffentlichen Dienst verbleiben kann. Hier kann das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis gemindert sein, weil die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile positiv auf den Beamten eingewirkt haben. Unter dieser Voraussetzung kann eine unangemessen lange Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden (zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <28 f.>; Kammerbeschluss vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - DVBl 2006, 1372 <1373>; BVerwG, Urteile vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 D 30.03 - juris Rn. 80, vom 8. Juni 2005 - BVerwG 1 D 3.04 - juris Rn. 27 und vom 29. März 2012 - BVerwG 2 A 11.10 - juris Rn. 84 f.; Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - BVerwG 2 B 19.05 - Buchholz 235.1 § 15 BDG Nr. 2 Rn. 8, vom 26. August 2009 - BVerwG 2 B 66.09 - juris Rn. 11, vom 16. Mai 2012 a.a.O. Rn. 9 f. und vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 3.12 - a.a.O. Rn. 53 f.).

42

Da nach der Gesamtwürdigung der Beklagte im Dienst verbleibt, ist nach diesen Maßstäben die unangemessen lange Verfahrensdauer von mittlerweile über 11 1/2 Jahren zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Die Verfahrensverzögerungen beruhten nicht auf einem Verhalten des Beamten, sondern auf der Behandlung des Verfahrens durch die Gerichte und sind daher als unangemessen anzusehen. Es liegt auf der Hand, dass die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile bei einer dermaßen langen Verfahrensdauer zu einer erheblichen Belastung des Beklagten geführt und positiv auf ihn eingewirkt haben. Eine bloße Verkürzung des Beförderungsverbots nach § 9 Abs. 3 BDG genügt nicht, um diese Belastungen auszugleichen, sondern bei der Maßnahmebemessung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Zurückstufung um zwei Stufen auf eine solche um nur eine Stufe zurückzugehen.

43

Das Verschlechterungsverbot nach §§ 129, 141 Satz 1 VwGO, § 3 BDG hindert die Berücksichtigung einer unangemessenen langen Verfahrensdauer bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme zugunsten des Beamten nicht, wenn sie erst nach Ablauf einer Rechtsmittelfrist eintritt. Hier kann dem Beamten nicht zum Nachteil gereichen, dass er eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme akzeptiert hat. Er konnte bei seiner Entscheidung, kein Rechtsmittel einzulegen, nicht wissen, dass sich die verhängte Maßnahme wegen der Dauer des vom Dienstherrn betriebenen Rechtsmittelverfahrens als überzogen erweisen würde. In derartigen Fällen ist es nicht nur konventionsrechtlich, sondern auch verfassungsrechtlich geboten, eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot und der dadurch herbeigeführten Teilrechtskraft zuzulassen.

44

Der Schutz vor unangemessen langer Verfahrensdauer ist nicht nur im Konventionsrecht verankert, er folgt auch aus dem Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Daraus folgt, dass der Ablauf und insbesondere die Dauer des Disziplinarverfahrens wegen ihrer Auswirkungen auf den Beamten bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme in den Blick genommen werden müssen, wenn das materielle Disziplinarrecht dies zulässt (zur Berücksichtigung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen im Strafverfahren vgl. zuletzt BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. April 2013 - 2 BvR 2567/10 - juris Rn. 16; vgl. auch Kammerbeschluss vom 21. Januar 2004 - 2 BvR 1471/03 - BVerfGK 2, 239 Rn. 29, 31; stRspr).

45

Eine unangemessen lange Dauer des Disziplinarverfahrens vermindert das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis, weil anzunehmen ist, dass das Verfahren selbst den Betroffenen belastet. Die nachteiligen Wirkungen können der Sanktion gleichkommen (vgl. speziell zum Disziplinarverfahren BVerfG, Beschlüsse vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 <29>, vom 8. September 1993 - 2 BvR 1517/92 - NVwZ 1994, 574 und vom 9. August 2006 - 2 BvR 1003/05 - BVBl 06, 1372). In Folge des Zeitablaufs veränderte Lebensumstände können Wirkungen, die von einer staatlichen Sanktion für das künftige Leben des Betroffenen zu erwarten sind, verstärken.

46

Im vorliegenden Fall musste der Beklagte nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils nicht damit rechnen, dass es anschließend noch fast neun Jahre bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung dauern würde. Für ihn bestand auch kein Anlass, selbst ein Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung einzulegen, weil zum damaligen Zeitpunkt die auf eine Zurückstufung in das Eingangsamt lautende Bemessungsentscheidung nicht zu beanstanden war.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Der 19... geborene Beamte (Beklagte) trat zum 1. März 1978 als Postschaffneranwärter auf Widerruf in den Dienst der damaligen Deutschen Bundespost ein. Mit Wirkung vom 1. April 1979 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Postschaffner ernannt. Am 7. April 1997 wurde er zum Postbetriebsassistenten ernannt.

Der Beklagte ist verheiratet und hat ein erwachsenes Kind.

Mit Ablauf des Monats März 2012 wurde die Beklagte wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

Der Beklagte erhält Bezüge nach A 6, zunächst gekürzt um 50 v. H. nach der Ruhestandsversetzung gekürzt um 30 v. H..

II.

Der Beklagte war als Zusteller beim Zustellstützpunkt M. bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung am 23. Januar 2012 eingesetzt. Das Disziplinarverfahren wurde durch Verfügung der Leiterin der Niederlassung Brief B. vom 31. Januar 2012 wegen des Verdachts eingeleitet, dass der Beklagte seit Dezember 2011 Briefe geöffnet und daraus Geld entnommen habe.

Am 23. Januar 2012 wurde gegen den Beamten das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen und die sofortige Vollziehung angeordnet. Mit Verfügung der Leiterin der Niederlassung Brief B. vom 15. März 2012 wurde der Beklagte wegen der ihm zu Last gelegten Verfehlungen vorläufig des Dienstes enthoben und die Einbehaltung von 50 v. H. der Dienstbezüge angeordnet.

Die Ermittlungen im Disziplinarverfahren ergaben Folgendes:

Im Zeitraum vom 13. Dezember 2011 bis 18. Januar 2012 wurden im Briefzentrum B. bzw. im ZSP M. 27 Briefsendungen aufgefunden, die offensichtlich unberechtigt geöffnet worden waren. Als Tatort konnte der Zustellstützpunkt M. ermittelt werden. Mit einer Ausnahme handelt es sich bei den geöffneten Briefen um fehlgeleitete Sendungen, die nicht für die Auslieferung im Bereich des ZSP M. bestimmt waren. Die fehlgeleiteten Sendungen werden jeweils in einen gesonderten Briefbehälter eingelegt, dieser befindet sich in einem besonderen Gestell mit Briefsendungen, die für das Briefzentrum B. bestimmt sind. Ab 29. Dezember 2011 erfolgte eine Videoüberwachung dieses Bereichs. Am 11. Januar 2012 wurden zwei Fangsendungen ohne Geldinhalt in den Behälter für fehlgeleitete Sendungen eingelegt. Bei der Nachschau wurden drei geöffnete Briefe festgestellt.

Am 18. Januar 2012 wurden insgesamt vier Fangbriefsendungen mit präpariertem Geldinhalt in den Behälter für Fehlleitungen eingelegt. Bei der Nachschau noch am 18. Januar 2012 wurde nur ein Fangbrief noch gefunden, drei weitere Sendungen fehlten. Die verschwundenen Fangbriefe enthielten insgesamt 50 Euro.

Bei der Auswertung der Videoaufzeichnungen für den 11. Januar 2012 zeigte sich, dass der Beklagte mehrfach die Behälter für abgehende und für fehlgeleitete Sendungen ohne dienstliche Veranlassung durchsuchte. Er nahm Briefsendungen, betrachtete diese genau und legte sie teilweise wieder zurück, teilweise nahm er Sendungen an sich und entfernte sich mit diesen. Kurze Zeit später hat er dann Briefsendungen wieder in die verschiedenen Behälter des Ablagegestells eingelegt. Bei der Überprüfung der Behälter wurden insgesamt drei unberechtigt geöffnete Briefe gefunden. Bei der Auswertung der Videoaufzeichnung am 18. Januar 2012 zeigte sich das gleiche Verhalten. Bei der Befragung und Überprüfung der Hände am 19. Januar 2012 zeigten sich die bei Fangbriefen typischen punktförmigen Spuren.

Der Beamte hat eingeräumt, dass er am 18. Januar 2012 insgesamt drei Sendungen geöffnet, das darin enthaltene Geld an sich genommen und die Sendungen anschließend vernichtet habe. Außerdem räumte er ein, im Dezember 2011 einen Brief geöffnet und einen 5 Euro Schein entnommen zu haben. Für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 gab er an, einige wenige Briefe unberechtigt geöffnet, diese jedoch wieder in den Briefbehälter zurückgelegt zu haben. Der Beamte gab an, er könne sich sein Verhalten selbst nicht erklären. Er habe keinerlei Geldsorgen. Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 29. März 2012 gab er an, seit Oktober 2011 habe er wieder verstärkt Schmerzen im Bereich des Rückens und der Bandscheiben gehabt. Schlafmangel und starke Schmerzmittel hätten ihn teilweise wie betäubt sein lassen.

III.

Am 17. Dezember 2012 erhob die Klägerin gegen den Beklagten Disziplinarklage mit dem Antrag, dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

Das Verwaltungsgericht erkannte mit Urteil vom 24. Februar 2014 auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts. Die Kammer sehe aufgrund des vollumfänglichen Geständnisses des Beklagten, der Ergebnisse der Videoüberwachung sowie der vom Sachgebiet Sicherheit der Niederlassung Brief vorgelegten fotografischen Unterlagen den Sachverhalt für erwiesen an. Außerdem zeigten sich bei der Überprüfung der Hände des Beklagten am 19. Januar 2012 die bei den verwendeten Fangbriefen typischen Spuren. Durch dieses Verhalten habe der Beklagte seine Dienstpflichten in schwerwiegender Weise verletzt. Die Öffnung der Briefe, welche das Fernmeldegeheimnis verletze, und die Entnahme von Geld zerstörten nicht nur das Vertrauen des Dienstherrn in die gewissenhafte und uneigennützige Verwaltung seines Amtes, sondern auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Umgang der Klägerin mit den ihr anvertrauten Sendungen. Bei der gebotenen Gesamtabwägung komme dem Dienstvergehen des Beklagten - Verletzung des Postgeheimnisses und Zugriff auf dienstlich anvertrautes Gut - ein so hohes Gewicht zu, dass die Aberkennung des Ruhegehalts die angemessene Maßnahme sei. Hinsichtlich der Schwere des Dienstvergehens sei maßgeblich auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Ein Zugriffsdelikt der hier in Rede stehenden Art habe ein sehr hohes Eigengewicht und sei allein aufgrund der einem solchen Dienstvergehen von vornherein innewohnenden Schwere nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis endgültig zu zerstören. Das gelte insbesondere, wenn die entnommenen Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit übersteigen würden. Von einem deutlichen Überschreiten der Bagatellgrenze von 50 Euro könne im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens allein sei deshalb noch nicht auf die Aberkennung des Ruhegehalts zu erkennen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass die Bedeutung des dem Beklagen zur Last fallenden Dienstvergehens nicht allein im Zugriffsdelikt, sondern gleichwertig in der darin enthaltenen Verletzung des Postgeheimnisses liege. Die Verletzung des Postgeheimnisses stelle als solches bereits ein schweres Dienstvergehen dar, da von einem Postbeamten erwartet werden müsse, dass er dieses grundrechtlich geschützte Rechtsgut achte und respektiere. Die Würdigung aller o.g. Umstände und die Beachtung aller Entlastungsgründe seien nicht geeignet, das den Eingriffen zukommende Gewicht zu mindern. Der Beklagte habe nicht nur einmal, sondern wiederholt gehandelt. Seine Verfehlungen bewegten sich im Kernbereich seiner Pflichten. Er habe seine Verfehlungen nicht freiwillig offenbart und vor Tatentdeckung den Schaden wieder gutgemacht. Angesichts der mit Bedacht und planvoll erfolgten Brieföffnungen und Diebstähle könnten die geltend gemachten körperlichen und psychischen Beschwerden seine Taten weder erklären noch entschuldigen. Auch lebe der Beklagte in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, eine finanzielle Notlage habe nicht vorgelegen. Von einer unbedachten Gelegenheitstat oder einer vollkommen persönlichkeitsfremden Handlung könne ebenfalls nicht gesprochen werden. Zugunsten des Beklagten könne lediglich vermerkt werden, dass er seit 1978 über 30 Jahre seinem Dienstherrn wohl zuverlässig und ohne Beanstandungen gedient habe. Diese Tatsache allein vermöge die Schwere und Bedeutung des Dienstvergehens jedoch nicht in einer Weise zu mindern, dass von einer Abkerkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könne.

IV.

Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil und beantragt zuletzt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. Februar 2014 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise auf eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Höchstmaßnahme zu erkennen.

Das Verwaltungsgericht gehe in seiner Entscheidung zunächst zu Recht davon aus, dass die entnommenen Beträge den Bereich der Geringwertigkeit noch nicht übersteigen würden. Allerdings stelle es sodann auf die tateinheitlich begangene Verletzung des Postgeheimnisses ab. Werte man die Situation jedoch anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 10.1.2007 - 1 D 15/05), so falle auf, dass eine solche Doppelverfehlung, zumal die entnommenen Gelder entgegen dem hiesigen Fall über der Bagatellgrenze gelegen hätten, nicht zu einer Aberkennung der Ruhestandsbezüge geführt habe. Das Gericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass bereits die Bagatellgrenze für Zugriffsdelikte nicht überschritten worden sei. Ebenfalls nicht ausreichend sei das Geständnis der Beklagten berücksichtigt worden, der den zur Last gelegten Sachverhalt vollumfänglich zugestanden habe. Gar nicht gewürdigt habe das Gericht bislang verhängte Sanktionen gegen den Beklagten, wie das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte und die vorläufige Dienstenthebung unter Kürzung der Bezüge. Soweit das Gericht zu den geordneten finanziellen Verhältnissen ausführe, dass damit eine Brieföffnung noch unverständlicher sei, sei darauf hinzuweisen, dass psychische Störungen oftmals gerade bei wohlsituierten Personen zu beobachten seien. Es sei in diesem Zusammenhang eine vorherrschende Störung des Handlungsbewusstseins des Beklagten nicht ausreichend gewürdigt worden. Ausgehend von 30 Jahren beanstandungsloser Beschäftigungszeit liege ein abweichendes Persönlichkeitsbild durch die Tat vor. Es sei von einer zumindest zeitweiligen geistigen Abwesenheit des Beklagen, mithin einer psychischen Ausnahmesituation auszugehen. Jedenfalls habe der Beklagte mehrfach bestätigt, selbst keine hinreichende Erklärung für seine Tat angeben zu können. Der Beklagte habe zugestanden, in geringem Ausmaß Briefsendungen geöffnet zu haben. Dabei handle es sich jedoch nicht um eine Anzahl von 27 Briefsendungen im Dezember 2011. Der Beklagte habe am 11. Januar 2012 drei Briefsendungen geöffnet, ohne Geld zu entnehmen. Aus einer weiteren Briefsendung im Dezember 2011 habe er einen 5 Euro Schein entnommen. Der Brief habe keinen Absendervermerk gehabt und auch der Empfänger sei verzogen gewesen, so dass letztlich kein Kunde zu Schaden gekommen sei. Entgegen den Feststellungen des Ausgangsgerichts sei die Tat durchaus mit gesundheitlichen Belastungen des Beklagten zum Tatzeitraum zu erklären. Er habe seit Oktober 2011 verstärkt unter Schmerzen im Rücken und Bandscheibenbereich gelitten, die Arbeit als Postzusteller sei daher allein unter erschwerenden Umständen zu bewältigen gewesen. Durch ständiges Stehen und Bücken seien die schmerzhaften Belastungen so unerträglich geworden, dass es zu einer Kurzschlussreaktion des Beklagten gekommen sei. Die durchgeführte Dienstunfähigkeitsuntersuchung habe ergeben, dass der zur Dienstunfähigkeit führende Zustand bereits in den Zeitraum Dezember 2011, Januar 2012 hineinrage. Die Folgen für Dritte lägen im hiesigen Fall unter der Bagatellgrenze. Die Verletzung des Postgeheimnisses sei ein Dienstvergehen mit unbestritten einigem Gewicht. Weitere zusätzliche Belastungskriterien seien jedoch nicht erfüllt. Die geordneten finanziellen Verhältnisse dürften zumindest nicht belastend herangezogen werden. Des Weiteren seien auch die über das gesamte Beamtenverhältnis nicht zu beanstandende und jederzeit einwandfreie Führung sowie die erstklassigen Beurteilungen des Beamten angemessen zu berücksichtigen. Angesichts des geringen materiellen Schadens und des unmittelbaren Übertritts in den Ruhestand sei ein gewisser Vertrauensbonus zu berücksichtigen. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass von der Rechtsprechung ein Gesamtschaden von über 5.000 Euro für eine Dienstentfernung herangezogen werde.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei unstreitig, dass der Beklagte ein Zugriffsdelikt begangen und durch die Öffnung und Vernichtung von Briefsendungen das Post- und Fernmeldegeheimnis verletzt habe. Nach Prüfung aller bedeutsamen belastenden und entlastenden Umstände seien nach Auffassung der Klägerin keine so gewichtigen Umstände zu erkennen, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass der Beklagte, wäre er noch im aktiven Dienst, noch als Beamter tragbar wäre.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2015 erklärte die Bevollmächtigte des Beklagten nach einem Rückruf mit dem Beklagten: „Der Beamte hat mir gesagt, er habe folgende Medikamente genommen: Bromazepam, Neuralgin, Diclofenac und Paracetamol. Die Liste sei zusammen mit der Ehefrau erstellt worden. Die Liste sei nicht abschließend. Er könne nicht sagen, wie er die Medikamente eingenommen hat. Er habe sie alle durcheinander eingenommen. Es seien auch Beruhigungstabletten eingenommen worden, deren genauen Namen er nicht mehr wisse. Teilweise habe er die Medikamente illegal aus der Tschechischen Republik eingeführt.“

Aufgrund der mündlichen Verhandlung wurde dem Beklagten Schriftsatzfrist bis 31. August 2015 eingeräumt.

Mit Schriftsatz vom 26. August 2015 legte der Beklagte ein ärztliches Attest der Gemeinschaftspraxis H. und B. vor, aus der sich die Wirkungsweise von Ibuprofen und Bromazepam ergibt. In der persönlichen Erklärung vom 20. Oktober 2015 legte der Beklagte dar, wann er welche Schmerzmittel und wann er noch zusätzlich das Beruhigungsmittel Bromazepam eingenommen habe.

In der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2015 erließ der Senat einen Beweisbeschluss hinsichtlich der Einnahme von Schmerzmitteln und Beruhigungsmitteln durch den Beklagten durch Einvernahme der Ehefrau des Beklagten.

In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 äußerte sich der Beklagte zu den Vorwürfen und die Ehefrau des Beklagten wurde als Zeugin vernommen.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 verwiesen.

Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen. Dem Gericht haben die Personalakten und die Disziplinarakten vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12 BDG) erkannt.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf, solche sind vom Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht worden.

II.

Der Senat geht von dem Sachverhalt aus, dass der Beklagte am 18. Januar 2012 aus dem Behälter des Abgangsgestells im ZSP M. drei Fangbriefe unberechtigt an sich genommen hat, geöffnet und das enthaltene Bargeld in Gesamthöhe von 50 Euro entnommen hat. Bereits im Dezember 2011 hat er einen Brief geöffnet und fünf Euro entnommen. Daneben hat er einige wenige Briefe unberechtigt geöffnet, diese jedoch in den Briefbehälter zurückgelegt. Diesen Sachverhalt hat der Beklagte bereits bei seiner ersten Vernehmung am 19. Januar 2012 sowie durch Erklärung seiner Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 29. Juli 2015, außerdem selbst in der weiteren mündlichen Verhandlung des Senats vom 9. Dezember 2015 eingeräumt. Da der Beklagte den Sachverhalt eingeräumt hat, waren weitere Ermittlungen nicht veranlasst.

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beklagte im Dezember 2011 sowie am 18. Januar 2012 insgesamt vier Briefe geöffnet hat und aus diesen Briefen insgesamt Bargeld in Höhe von 55 Euro an sich genommen hat, um das Geld für sich zu behalten. Daneben hat er einige wenige Briefe unberechtigt geöffnet, diese jedoch in den Briefbehälter zurückgelegt.

III.

Das Dienstvergehen, das sich der Beklagte hat zuschulden kommen lassen, ist als schweres innerdienstliches Dienstvergehen einzustufen, weil der Beamte schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt hat (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG). Durch das festgestellte und von dem Beklagten eingeräumte Verhalten hat er vorsätzlich gegen die Dienstpflichten verstoßen, sein Amt uneigennützig zu verwalten und innerhalb des Dienstes dem Vertrauen gerecht zu werden, den sein Beruf erfordert (§ 61 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BBG).

IV.

Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i. S. v. § 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BDG. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhestandsbeamter nach § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG das Ruhegehalt abzuerkennen. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch angemessen und erforderlich.

1. Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach § 13 BDG. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (§ 13 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Aus § 13 Abs. 1 BDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (st. Rspr. BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 -; BayVGH, U. v. 12.3.2014 - 16a D 11.2657 jeweils juris).

Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße, sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris).

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es - etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation - davon abweicht (vgl. BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris).

Der Gesichtspunkt der „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (vgl. BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 15).

Bei der Anwendung des Bemessungskriteriums „Schwere des Dienstvergehens“ ist das festgestellte Dienstvergehen nach seinem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Hierbei können die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 20).

2. Durch den Diebstahl hat der Beklagte ein Zugriffsdelikt verwirklicht, das regelmäßig die disziplinare Höchstmaßnahme als Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung zur Folge hat. Das Schwergewicht des dem Beklagten zur Last fallenden Dienstvergehens ist aber nicht allein in der Briefberaubung (Zugriffsdelikt) zu sehen, sondern mindestens gleichwertig in der darin mitenthaltenen Verletzung des Postgeheimnisses (BVerwG, U. v. 24.5.2007 -2 C 25/06 - juris Rn. 34).

Ein Zugriffsdelikt wird dadurch charakterisiert, dass ein Beamter auf dienstlich seinem Gewahrsam unterliegendes Geld oder unterliegende Waren zugreift. Die disziplinare Einstufung als Zugriffsdelikt hängt dabei nicht von der strafrechtlichen Beurteilung ab. Es kommt auch nicht darauf an, ob ein Beamter dienstliche Gelder oder Güter z. B. durch Betrug, Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung erlangt hat. Für die Bewertung als Zugriffsdelikt ist vielmehr entscheidend, dass einem Beamten Güter des Dienstherrn dienstlich anvertraut und dienstlich zugänglich sind (BVerwG, U. v. 8.4.2003 - 1 D 27.02 - juris Rn. 16; B. v. 20.12.2011 - 2 B 64.11 - juris Rn. 11).

Ein Beamter, der ihm amtlich anvertraute oder dienstlich zugängliche Postsendungen öffnet und daraus Geld entwendet, die seinem Gewahrsam unterliegen, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten und zerstört in der Regel das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit (BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 - juris Rn. 12), denn die öffentliche Verwaltung ist auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten beim Umgang mit solchen Gütern in hohem Maße angewiesen. Eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich und muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Wer diese für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört, muss deshalb grundsätzlich mit der Auflösung des Beamtenverhältnisses rechnen (BVerwG, B. v. 20.12.2011 -2 B 64.11 - juris Rn. 11; U. v. 3.5.2007 - 2 C 9.06 - juris; U. v. 8.4.2003 - 1 D 27.02 -juris). Dies gilt auch für sog. Fang- und Prüfbriefe, die vom betrieblichen Sicherheitsdienst in den Postlauf eingeschleust worden sind (BVerwG U. v. 30.4.1981 -1 D 23/80 - juris).

Allerdings ist der Diebstahl trotz der Mitnahme des fremden Geldes zum Teil nicht vollendet, da es sich um eine Diebesfalle handelt. Wegnahme i. S. d. § 242 StGB setzt den Bruch fremden Gewahrsams, d. h. die gegen den Willen des Berechtigten erfolgende Aufhebung des Gewahrsams voraus. Bei einer Diebesfalle, d. h. dem Bereitstellen einer Sache in der Absicht, eine Person zur Wegnahme zu veranlassen, um sie zu überführen, liegt kein vollendeter, sondern nur ein versuchter Diebstahl vor, weil der Berechtigte in die Wegnahme einwilligt (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 242 Rn. 41). Auch die versuchte Straftat stellt eine vollendete Dienstpflichtverletzung dar. Denn die Pflicht zur Loyalität zur Rechtsordnung untersagt die Begehung von Straftaten jeder Art und nicht nur die Begehung von vollendeten Straftaten, so dass schon der Versuch einer Straftat sämtliche Merkmale der Dienstpflichtverletzung verwirklicht (BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 2 WD 29.11 - juris Rn. 49; BayVGH, U. v. 3.2.2009 - 16a D 07.1304 - juris). Die Diebesfalle betrifft die Wegnahme der Briefe am 18. Januar 2012, während es sich bei der Wegnahme des Briefes im Dezember 2011 nicht um eine Diebesfalle, sondern um einen normalen Brief gehandelt hat, so dass hier auch der strafrechtliche Tatbestand des Diebstahls vollendet ist.

Mit dem Öffnen der Briefe hat der Beklagte nicht nur einen versuchten bzw. vollendeten Diebstahl begangen, sondern zusätzlich auch das Postgeheimnis verletzt. Die Verletzung des Postgeheimnisses stellt als solches, d. h. auch ohne Briefberaubung, ein schweres Dienstvergehen dar, da von einem Postbeamten erwartet werden muss, dass er dieses grundrechtlich durch Art. 10 GG und einfachrechtlich durch § 39 PostG und § 206 StGB geschützte Rechtsgut achtet und mit besonderer Sorgfalt respektiert (vgl. BVerwG, U. v. 24.5.2007 - 2 C 25.06 - juris Rn. 34). In der schuldhaften Verletzung des Postgeheimnisses durch Postbeamte liegt deshalb ein Dienstvergehen, das für sich allein schon geeignet ist, die Grundlage des Beamtenverhältnisses zu zerstören. Dies gilt verstärkt dann, wenn das Postgeheimnis - wie hier - mit dem Ziel verletzt wird, Zugang zu aneignungsfähigen Inhalten, z. B. Bargeld, zu erlangen. Ausgangspunkt der Erwägungen für die Zumessung der Disziplinarmaßnahme ist damit die Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12 BDG).

3. Von der disziplinaren Höchstmaßnahme muss zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abgesehen werden, wenn ein in der Rechtsprechung anerkannter Milderungsgrund vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 38/10 - juris Rn. 13).

Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht der anerkannten Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Auch wenn keiner der anerkannten Milderungsgründe vorliegt, muss daher geprüft werden, ob Umstände vorliegen, die sich entweder von den anerkannten Milderungsgründen grundsätzlich unterscheiden oder ihnen zwar vergleichbar sind, aber ihr Gewicht nicht erreichen. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Dabei muss das Gewicht der Entlassungsgründe umso größer sein, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von Begleitdelikten und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt. Im umgekehrten Fall eines weniger schwerwiegenden Zugriffsdelikts kann ein geringeres Gewicht der Entlastungsgründe ausreichen. Danach kommt jedenfalls bei einem einmaligen Fehlverhalten ohne belastende Begleitumstände mit einem begrenzten Schaden ernsthaft in Betracht, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen. Zudem sind Entlastungsgründe nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ bereits einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 38/10 -juris Rn. 14 f.).

Die bei den Zugriffsdelikten vorrangig in den Blick zu nehmenden anerkannten Milderungsgründe führen zu keiner anderen Bewertung der durch den Beklagten verübten Dienstpflichtverletzung.

Dem Gesichtspunkt der Geringwertigkeit des entwendeten Betrags kommt im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Zwar enthielten die vom Beamten geöffneten Fangbriefe lediglich 50 Euro, wozu noch 5 Euro aus dem Brief vom Dezember 2011 hinzukommen, so dass insgesamt von einem entwendeten Betrag von 55 Euro auszugehen ist. Der Wert lag damit im Bereich der Geringwertigkeit, der in der Regel bei 50 Euro oder bei einem einmaligen Fehlverhalten mit 200 Euro auch höher anzusetzen ist. Voraussetzung für die Anwendung des Milderungsgrundes ist jedoch, dass der Beamte nicht durch sein sonstiges Verhalten oder die konkrete Tatausführung zusätzlich belastet ist und dass durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Schutzgüter verletzt werden (BVerwG U. v. 8.4.2003 -1 D 27.02 - juris Rn. 21; BayVGH, U. v. 4.6.2014 - 16a D 10.2005 - juris Rn. 69). Damit wird der Milderungsgrund der Geringwertigkeit des entwendeten Gutes entkräftet, weil gleichzeitig das Postgeheimnis verletzt wurde und der Beklagte sich nicht nur über fremde Eigentumsrechte, sondern auch über die Vertraulichkeit des Inhalts von Postsendungen hinwegsetzte (BVerwG, U. v. 24.5.2007 - 2 C 25/06 - juris Rn. 34; U. v. 8.4.2003 - 1 D 27.02 - juris Rn. 21). Soweit sich der Beklagte unter Berufung auf das Bundesverwaltungsgericht (B. v. 10.9.2010 - 2 B 97/09) auf eine Gesamtschadensgrenze von 5.000 Euro beruft, gilt diese für inner- bzw. außerdienstliche Betrugshandlungen, nicht jedoch für Zugriffsdelikte.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Berücksichtigung der Geringwertigkeit bei der Einschleusung eines Fangbriefes in den Postverlauf zur Folge hätte, dass die Behörde es bei der Planung eines solchen Diebesfalle, der zumindest ein bereits festgestellter Verlust von Postsendungen und ein vager Tatverdacht vorausgehen, in der Hand hätte, je nach Höhe des eingelegten Geldbetrages die Wertgrenze zur Geringwertigkeit zu über- oder zu unterschreiten (BVerwG, U. v. 8.4.2003 - 1 D 27/02 -juris Rn. 21). Soweit bei einem einmaligen Fehlverhalten bei einem Schaden von weniger als 200 Euro ernsthaft in Betracht kommt, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen (BVerwG B. v. 23.2.2012 - 2 B 143.11 - juris Rn. 11), scheidet dies beim Beklagten aus, da es sich nicht um ein einmaliges Fehlverhalten handelt, sondern er zumindest an zwei Tagen einmal im Dezember 2011 und des Weiteren am 18. Januar 2012 eine Briefberaubung begangen hat, wobei er am 18. Januar 2012 drei Briefe geöffnet und das Geld entnommen hat. Damit liegen die Voraussetzungen nicht vor, hier eine höhere Wertgrenze bis zu 200 Euro als Geringwertigkeit anzunehmen.

Auch der weitere bei Zugriffdelikten anerkannte Milderungsgrund der persönlichkeitsfremden und einmaligen Augenblickstat, der durch das Versagen des Beamten in einer spezifischen Versuchungssituation gekennzeichnet wird, kann nicht herangezogen werden. Dieser Milderungsgrund liegt vor, wenn ein Beamter im Zuge einer plötzlich entstandenen, besonderen Versuchungssituation einmalig und persönlichkeitsfremd gehandelt und dabei ein gewisses Maß an Kopflosigkeit, Unüberlegtheit und Spontanität gezeigt hat (BVerwG, U. v. 4.7.2000 - 1 D 33/99 - juris; U. v. 15.4.1994 - 1 D 19.93 - juris). Er kommt nur in Betracht, wenn der Beamte unter dem Einfluss eines von außen auf die Willensbildung einwirkenden Ereignisses in Versuchung geraten wäre, sich in der vorgeworfenen Weise eigennützig zu verhalten (BVerwG, U. v. 11.6.2002 - 1 D 31/01 - juris Rn. 19). Hiergegen spricht, dass der Umgang mit Briefen, die gelegentlich auch Bargeld enthalten, zu den täglichen dienstlichen Obliegenheiten des Beklagten gehören und gerade nicht geeignet war, für ihn eine plötzliche Versuchungssituation darzustellen. Darüber hinaus handelte es sich nicht um eine einmalige Versuchungssituation, sondern der Beklagte hat an zwei verschiedenen Tagen in zwei verschiedenen Monaten Briefe geöffnet und Geld weggenommen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit i. S. d. §§ 20, 21 StGB gehandelt hätte, liegen nicht vor. Der Beklagte beruft sich hierbei auf die Einnahme von Schmerzmitteln seit Sommer 2011 sowie der Einnahme von Beruhigungsmitteln ab Herbst 2011. Hinsichtlich der Einnahme der Schmerzmittel sowie der Beruhigungsmittel hat der Beklagte im Laufe des Disziplinarverfahrens und des Gerichtsverfahrens widersprüchliche Angaben gemacht. In seiner ersten Befragung durch die Konzernsicherheit am 19. Januar 2012 nach den Briefberaubungen am Vortag hat der Beklagte die Medikamenteneinnahme nicht erwähnt. Erstmals ist sie durch seine Bevollmächtigte im Schreiben vom 29. März 2012 dargelegt worden und zwar lediglich die Einnahme von Schmerzmitteln. Detaillierte Angaben erfolgten danach auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2015 sowie nach Aufforderung durch das Gericht durch die persönliche Erklärung des Beklagten vom 20. Oktober 2015. In der Erklärung vom 20. Oktober 2015 hat der Beklagte angegeben, dass er täglich zu den Schmerzmitteln wie Diclofenac 50 mg, Voltaren, Ibuprofen 600 mg gegriffen und zwei bis drei Tabletten davon genommen hat und abends noch zusätzlich ein Beruhigungsmittel, nämlich Bromazepam. In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015, an der der Beamte erstmals teilgenommen hat, hat er die Medikamenteneinnahme wiederum ganz anders geschildert, in dem er sie in der Häufigkeit und der zeitlichen Einnahme völlig anders als in der persönlichen Erklärung vom 20. Oktober 2015 angegeben hat. Die Darstellung des Beklagten über die Einnahme der Medikamente im fraglichen Zeitraum Dezember 2011 bis 18. Januar 2012 ist widersprüchlich und für das Gericht nicht glaubwürdig. Verschreibungen von Ärzten konnte er nicht vorlegen. Auch die Hausärzte haben in ihrer Stellungnahme vom 4. August 2015 nicht erwähnt, dass sie dem Beklagten Schmerz- oder Beruhigungsmittel verschrieben hätten. Sie haben nur die Wirkungsweise solcher Medikamente dargestellt. Auch die Ehefrau des Beamten, die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin gehört wurde, konnte eine Medikamenteneinnahme nur dadurch erkennen, dass sie leere Medikamentenschachteln im Abfall festgestellt hat, bzw. dass von den ihr verschriebenen Bromazepamtabletten einige gefehlt haben. Hinsichtlich der Menge und der Einnahme der Medikamente durch den Beklagten konnte sie keine Angaben machen. Ebenso hatte sie im Alltag keine Veränderungen am Verhalten des Beklagten festgestellt. Der Senat geht zwar davon aus, dass der Beklagte Schmerzmittel genommen hat, aber unterhalb einer Dosis, die zu psychischen Beschwerden führen kann.

Hinsichtlich der Einnahme von Beruhigungsmitteln waren die Angaben des Beklagten sehr vage und widersprüchlich (einerseits Schreiben v. 20.10.2015 Einnahme von Bromazepam abends und in der mündlichen Verhandlung vier Tabletten verteilt über den ganzen Tag, teilweise Verschreibung sowie Einführung von Tabletten aus Tschechien). Für den Senat ist der Vortrag des Beamten unglaubwürdig, dass er die Beruhigungsmittel in der in der mündlichen Verhandlung angegebenen Menge genommen hat. Anhaltspunkte bestehen nur dafür, dass er gelegentlich von dem seiner Ehefrau verschriebenen Beruhigungsmittel Bromazepam Tabletten genommen hat. Damit bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beamten bei Begehung der Tat erheblich gemindert gewesen wäre, so dass der Senat dem nicht im Rahmen der Amtsermittlung nachgehen musste (BVerwG, B. v. 7.11.2014 - 2 B 45/14 - juris Rn. 16). Auch bleibt festzuhalten, dass im Disziplinarrecht die von den Verwaltungsgerichten vorzunehmende Beurteilung der Erheblichkeit i. S. v. § 21 StGB an der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten abhängt. Aufgrund dessen kann sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden (BVerwG, U. v. 3.5.2007 - 2 C 9.06 - juris; BayVGH, U. v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 55, U. v. 29.7.2015 16b D 14.1328 - juris Rn. 43).

Anhaltspunkte für die Annahme des Milderungsgrundes einer besonderen psychischen Ausnahmesituation, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten des Beamten nicht mehr erwartet werden kann, liegen nicht vor. Es besteht zwar unbestritten ein erhöhtes Sendungsaufkommen im Dezember, das beim Kläger zu einer starken Belastung geführt hat, die ihn gelegentlich zu Beruhigungsmitteln hat greifen lassen. Dafür, dass diese Situation derart außerordentlich belastend für den Beklagten gewesen wäre, dass von ihm ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden könnte, bestehen aber keine Anhaltspunkte.

Soweit sich der Beklagte auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Januar 2007 (1 D 15/05) beruft, sind die in dieser Entscheidung genannten Umstände nicht auf den Beklagten übertragbar. In dieser Entscheidung bestanden hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, dass sich der Ruhestandsbeamte zur Tatzeit in einer so außergewöhnlichen Situation befand, dass von ihm ein an normalen Maßstäben orientiertes dienstpflichtgemäßes Verhalten nach den Umständen des Einzelfalls nicht erwartet werden konnte. Diese waren bedingt durch die „nasse Phase“ der Alkoholkrankheit, wozu eine nicht unerhebliche Minderung der Eigenverantwortung zur Tatzeit aufgrund unzureichender Dienstaufsicht hinzukam. Solche Umstände liegen hier jedoch nicht vor.

Eine wirtschaftliche Notlage hat der Beklagte selbst ausgeschlossen.

Ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung liegen nicht vor (BVerwG, U. v. 12.6.2002 - 1 D 29/01 - juris Rn. 23). Das Geständnis des Beklagten ist nicht freiwillig vor drohender Entdeckung, sondern erst nach Aufdeckung der Diebstähle durch die Betriebssicherheit der Klägerin erfolgt. Dies gilt ebenso für die Wiedergutmachung des Schadens.

Es liegen auch keine sonstigen entlastenden Umstände vor, deren Gewicht in der Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar sind. Der Beamte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Zu seinen Gunsten spricht auch seine langjährige und beanstandungsfreie Dienstausübung als Postbeamter. Er war auch im Disziplinarverfahren geständig und hat sein Verhalten aufrichtig bedauert. Bei der Schwere des vom Beklagten begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen er sich als Briefzusteller untragbar gemacht hat, können weder die guten dienstlichen Leistungen noch die Tatsache, dass er straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Diese Umstände stellen das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte (BayVGH, U. v. 29.7.2015 -16b D 14.1328 - juris Rn. 40). Die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist - selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen - für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, derart gravierende Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, B. v. 5.4.2013 - 2 B 79/11 - juris Rn. 27).

Nicht berücksichtigt werden können in diesem Zusammenhang die nach Entdeckung der Tat verhängten Sanktionen gegen den Beklagten, wie das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte und seine vorläufige Dienstenthebung. Diese Maßnahmen sind Folge der Dienstpflichtverletzung des Beklagten und können bei der Maßnahmebemessung, soweit eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. eine Aberkennung der Ruhestandsbezüge in Betracht kommt, nicht entscheidend in Gewicht fallen.

In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist nach Überzeugung des Senats deshalb die Aberkennung des Ruhegehalts angemessen, aber auch geboten. Die Schwere des Dienstvergehens und das festgestellte Persönlichkeitsbild des Beamten führen zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit.

Die Aberkennung des Ruhegehalts ist unter Abwägung des Gewichts des Dienstvergehens sowie des dadurch eingetretenen Vertrauensschadens und der mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastung auch nicht unverhältnismäßig. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst sowie hier die Aberkennung des Ruhegehalts als disziplinarische Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde seine Dienstaufgaben künftig pflichtgemäß erfüllen, ist die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Aberkennung des Ruhegehalts beruht dann auf einer schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlichrechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG U. v. 14.10.2003 - 1 D 2.03 - juris Rn. 49).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 69 BDG, § 132 VwGO, § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG).

Tenor

I. Unter Abänderung von Ziff. I. des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Mai 2015 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts erkannt.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

1. Der 1949 geborene Beklagte schloss die Schule 1965 mit der mittleren Reife ab. Im September 1965 begann er eine Ausbildung als Regierungsassistentenanwärter im mittleren nichttechnischen Verwaltungsdienst am früheren Landratsamt G … Am 19. August 1966 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Regierungsassistentenanwärter und am 12. Dezember 1968 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsassistenten z.A. ernannt. Nach dem Studium zum Diplom-Verwaltungswirt (FH) von 1974-1977 wurde er mit Wirkung vom 13. Oktober 1976 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Regierungsobersekretär ernannt und am 16. Januar 1978 zum Regierungsinspektor befördert. Bis 31. Januar 1982 war er als Sachgebietsleiter für Öffentliche Sicherheit und Ordnung am Landratsamt F.-… beschäftigt. Zum 1. Februar 1982 wechselte er zur Gemeinde N. (Gemeinde) und wurde zum Verwaltungsoberinspektor ernannt. Am 1. Juli 1986 wurde er zum Verwaltungsamtmann sowie am 1. Juli 1989 zum Verwaltungsamtsrat befördert. Bis 31. Oktober 2007 war er in der Gemeinde als Kämmerer und bis 1. August 2011 auch als geschäftsleitender Beamter tätig. Am 31. Dezember 2012 trat er in den Ruhestand.

Der Beklagte ist schwerbehindert. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Er erhält ungekürzte Ruhegehaltsbezüge aus der BesGr A 12. Der Beklagte ist verschuldet und befindet sich in Privatinsolvenz. Straf- und disziplinarrechtlich ist der Beklagte nicht vorbelastet.

2. Mit Schreiben vom 1. Februar 2011 leitete die Gemeinde aufgrund der Vorwürfe, der Beklagte habe überörtliche Rechnungsprüfungsberichte trotz Anmahnung und Fristsetzung nicht aufgearbeitet, Kasseneinnahmereste nicht aufgelöst, Forderungen gegenüber Schuldnern der Gemeinde trotz mehrfacher Aufforderung nicht bearbeitet sowie Abrechnungen von Baugebieten und Erschließungsbeiträgen nicht zeitgerecht durchgeführt, nach Art. 19 BayDG ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein.

Das Disziplinarverfahren wurde durch Gemeinderatsbeschluss vom 23. November 2011 mit Schreiben vom 29. November 2011 gemäß Art. 21 Abs. 1 BayDG auf die Vorwürfe ausgedehnt, der Beklagte habe sich 2001/2002 Vorschüsse in Höhe von insgesamt 12.000.- € sowie erneut 2007 Gehaltsvorschüsse in Höhe von insgesamt 5.510,470 € eigenmächtig aus der Gemeindekasse bewilligt und nicht zurückgezahlt.

Mit Beschluss des Gemeinderats vom 12. April 2012 wurde das Disziplinarverfahren nach § 4 DVKommBayDG auf die Landesanwaltschaft Bayern – Disziplinarbehörde – übertragen und dies mit Schreiben vom 18. Mai 2012 dem Beklagten mitgeteilt.

Mit Verfügungen der Landesanwaltschaft Bayern vom 30. Januar und 20. März 2013 wurde das Disziplinarverfahren auf weitere Vorwürfe gemäß Art. 21 Abs. 1 BayDG ausgedehnt und die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe konkretisiert. Der Beklagte wurde jeweils gemäß Art. 22 BayDG unterrichtet, belehrt und angehört.

Von der Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Untreue (§ 266 StGB) aufgrund der Vorschusszahlungen 2001/2002 wurde laut Vermerk der Staatsanwaltschaft P. vom 16. November 2011 (Az.: …) nach § 152 Abs. 2 StPO abgesehen, weil ein etwaiges Vergehen spätestens mit Ablauf des Jahres 2006 verjährt sei.

Das gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Untreue (§ 266 StGB) aufgrund der Vorschusszahlungen 2007 geführte strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft P. vom 10. Oktober 2012 (Az.: …) nach § 153 Abs. 1 StPO wegen geringer Schuld eingestellt.

Mit Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern vom 11. November 2013 wurde dem Beklagten Gelegenheit zur abschließenden Äußerung gegeben.

3. Am 16. Dezember 2013 hat die Landesanwaltschaft Bayern Disziplinarklage mit dem Ziel der Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten erhoben. Darin legt sie dem Beklagten folgende Dienstpflichtverletzungen zur Last:

Anschuldigungspunkt 1: Vorschusszahlungen in den Jahren 2001/2002

a) Der Beklagte habe sich 2001/2002 mehrfach Vorschüsse in folgender Höhe durch die Gemeindekasse auszahlen lassen:

aa) Beihilfevorschuss am 5. März 2001 in Höhe von 1.000,- DM, zurückgezahlt

am 5. Dezember 2001;

bb) Beihilfevorschuss am 26. März 2001 in Höhe von 10.000,- DM;

cc) Vorschuss am 5. November 2001 in Höhe von 2.000,- DM, zurückgezahlt

am 6. Dezember 2001;

dd) Reisekostenvorschuss am 22. Oktober 2001 in Höhe von 1.000,- DM;

ee) Gehaltsvorschuss am 28. Dezember 2001 in Höhe von 2.500,- DM;

ff) Beihilfevorschuss am 3. Mai 2002 in Höhe von 1.597,56 €;

gg) Gehaltsvorschuss am 7. November 2002 in Höhe von 3.500,- €.

Der Beklagte sei dabei zwar für die Auszahlungen anordnungsbefugt gewesen. Die Zahlungen unter cc)-gg) seien aber ohne Bewilligung des Dienstherrn erfolgt, wobei der Beklagte beim auszahlenden Kassenbeamten den Anschein einer Absprache mit dem Dienstherrn erweckt oder einen bestehenden Anschein ausgenutzt habe; soweit der Beklagte behaupte, dass die Auszahlungen unter aa) und bb) mit dem früheren ersten Bürgermeister K … abgesprochen gewesen seien, sei dies zu seinen Gunsten als wahr unterstellt worden.

b) Der Beklagte habe nach Auszahlung der Vorschüsse - bis auf die Beträge aa) und cc) - weder Modalitäten für die Rückzahlung vereinbart noch diese in Höhe von 12.000,- € in den nächsten acht Jahren zurückbezahlt. Erst nach Entdeckung durch den neuen Kämmerer R … 2007/2008 habe der erste Bürgermeister W … mit dem Beklagten vereinbart, dass er den Gesamtbetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5% p.a. (insgesamt 5.337,57 €) zurückzahlen solle. Der Gesamtbetrag sei erst am 24. November 2010 zurückgezahlt worden. Zinsen in Höhe von 2.000,- € seien am 30. November 2010 mit dem Dezembergehalt des Beklagten verrechnet worden, weitere 3.337,57 € Zinsen seien von ihm bis Februar 2011 beglichen worden.

Anschuldigungspunkt 2: Gehaltsvorschüsse im Jahr 2007

Der Beklagte habe sich 2007 Vorschüsse in Höhe von insgesamt 5.510,74 € im Sinne einer Überzahlung ohne Kenntnis des Dienstherrn eigenmächtig bewilligt (6. Juni 2007: 2.200,- €; 4. Juli 2007: 200,- €/2.500,- € abzüglich Gehaltsanspruch für Juli 2007; 17. September 2007: 1.500,- €/2.300,- €). Der Rückforderungsbetrag sei im November 2007 vom Kämmerer R … mit dem Dezembergehalt des Beklagten verrechnet worden, Zinsen seien hierfür nicht gefordert worden.

Anschuldigungspunkt 3: Mangelhafte Aufarbeitung der Rechnungsprüfungsberichte

(…)

Anschuldigungspunkt 4: Liegengebliebene Vorgänge

(…)

Anschuldigungspunkt 5: Durchführung privater Arbeiten im Dienst

(…)

Anschuldigungspunkt 6: Fehlende Baugenehmigung/eigenmächtige Planänderung

(…)

Zu Einzelheiten wird auf die Disziplinarklageschrift vom 9. Dezember 2013 Bezug genommen.

Zugleich wurde der Beklagte von den unter Nr. 1 a) aa) und bb), Nr. 3 b) aa) (2), Nr. 3 b) cc), Nr. 3 j) und Nr. 5 a)-e) erhobenen Vorwürfen freigestellt sowie die unter Nr. 3 f), h), i) und Nr. 5 f) und g) gemachten Vorwürfe ausgeschieden.

Der Beklagte ließ hierzu am 18. August 2014 ausführen: Das Disziplinarverfahren sei zunächst lediglich wegen des Vorwurfs mangelnder Diensterfüllung geführt worden. Weitere Vorwürfe seien ihm erstmals mit Verfügung vom 30. Januar 2013 mitgeteilt worden. Die Gemeinde habe das nunmehr gerügte Verhalten jahrzehntelang nicht als Dienstpflichtverletzung angesehen. Es habe die Verwaltungspraxis bestanden, dass der Beklagte zwar immer wieder ermahnt worden sei, ohne dass dies jedoch zu Konsequenzen geführt habe. Aufgrund seiner Überlastung sei ihm die Aufarbeitung auch nicht möglich gewesen. Es werde bestritten, dass der Gemeinde dadurch ein Schaden entstanden sei. Die Vorschusszahlungen vom 5. und 26. März 2001 seien mit dem damaligen ersten Bürgermeister K … abgesprochen gewesen. Auch die übrigen Auszahlungen seien von der Gemeinde hingenommen worden. Der erste Bürgermeister W … habe in der Sache nichts gegen ihn unternommen. Er habe die Vorschüsse samt Zinsen vollständig zurückgezahlt. Die Vorfälle lägen Jahre zurück und seien strafrechtlich verjährt. Er habe zu keinem Zeitpunkt vorgehabt, das Geld nicht zurückzuzahlen, habe dies wegen seiner schlechten finanziellen Lage aber nicht gekonnt. Seit 1995 habe sich auch sein Gesundheitszustand verschlechtert. Ohne die Ruhestandsbezüge verfüge er über keine finanzielle Grundlage im Alter. Die Aberkennung des Ruhegehalts sei deshalb unverhältnismäßig, dessen Kürzung komme nach über drei Jahren nicht mehr in Betracht (Art. 16 Abs. 2 BayDG).

4. Mit Urteil vom 18. Mai 2015 hat das Verwaltungsgericht das Ruhegehalt des Beklagten auf fünf Jahre um monatlich 10% gekürzt. Der Beklagte habe ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Er habe sich 2001/2002 eigenmächtig Vorschüsse in Höhe von insgesamt 12.000.- € auszahlen lassen, ohne Modalitäten für eine Rückzahlung festzulegen. Er habe die Vorschüsse in den Folgejahren auch nicht zurückbezahlt, sondern sie erst nach Entdeckung 2010/2011 beglichen. Zudem habe er sich 2007 erneut eigenmächtig Gehaltsvorschüsse in Höhe von insgesamt 5.510,74 € bewilligt. Er habe vorsätzlich ohne Wissen und Willen des Dienstherrn gehandelt und gegen kassenrechtliche Bestimmungen (§§ 38-40 KommHV a.F.) bzw. gegen Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG verstoßen. Die von ihm hierfür geltend gemachten Gründe (Einnahmeverluste, Krankheitskosten, Zuzahlungen, Schulden der Tochter, Pflegebedürftigkeit der Mutter, Erkrankung der Ehefrau sowie eigene Erkrankungen) könnten sein Verhalten weder rechtfertigen noch entschuldigen. Er habe sich unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner Amtsstellung und dienstlichen Befugnisse zum Nachteil seines Dienstherrn über Jahre hinweg einen unredlichen Vermögensvorteil verschafft und gegen Dienstpflichten verstoßen. Das Verhalten sei strafrechtlich als Untreue i.S.d. § 266 StGB zu bewerten. Der Vermögensnachteil liege in den entgangenen Zinsen. Auch liege eine Vermögensgefährdung hinsichtlich der Vorschussbeträge vor, weil der Beklagte deren Rückzahlung nicht unmittelbar beabsichtigt habe. Er habe auch keine Anstalten gemacht, die Vorschüsse überhaupt zurückzuzahlen. Zu seinen Lasten falle zwar die erhebliche Höhe der veruntreuten Beträge ins Gewicht. Die innerdienstlich begangene Untreue sei jedoch nicht als Zugriffsdelikt einzustufen, da ihm die Gelder nicht anvertraut gewesen seien. Nach Rückzahlung der Vorschüsse liege der durch Zinsausfälle verursachte Vermögensschaden zudem deutlich unterhalb 5.000.- €. Auch sei das Vorgehen von vornherein nicht auf dauerhaften Entzug der Gelder, sondern nur auf deren zeitlich begrenzte Inanspruchnahme angelegt gewesen. Der Beklagte sei nicht verdeckt vorgegangen, sondern habe die Zahlungen gegenüber dem Kassenverwalter offengelegt sowie überprüfbare Spuren hinterlassen. Die Inanspruchnahme von Vorschüssen durch den Beklagten sei in der Gemeinde auch bekannt gewesen. Deshalb sei die Kürzung des Ruhegehalts für die maximal zulässige Dauer von fünf Jahren um 1/10 gerade noch ausreichend. Die Kürzung des Ruhegehalts sei auch nicht wegen Zeitablaufs unzulässig (Art. 16 Abs. 2 BayDG), da das einheitliche Dienstvergehen erst mit der 2010/2011 erfolgten Rückzahlung beendet gewesen sei. Auch die übrigen Vorwürfe würden - ihre Richtigkeit unterstellt - nicht zur Aberkennung des Ruhegehalts führen.

5. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der beantragt,

dem Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 18. Mai 2015 das Ruhegehalt abzuerkennen.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts würden bereits die eigenmächtigen Vorschusszahlungen so schwer wiegen, dass das Vertrauen des Dienstherrn in den Beklagten als endgültig zerstört anzusehen sei, so dass ihm nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen sei. Dieser habe durch die eigenmächtige Bewilligung von „Vorschüssen“ ein Zugriffsdelikt bzw. ein diesem gleichzustellendes Dienstvergehen verwirklicht. Er sei als Kämmerer und geschäftsleitender Beamter zumindest mitverantwortlich für die Verwaltung des Gemeindevermögens gewesen und habe auch über die Anordnungsbefugnis verfügt, so dass ihm dieses Vermögen anvertraut gewesen sei. Unerheblich sei, dass der Beklagte die Auszahlung nicht selbst, sondern durch den jeweiligen Kassenbeamten vorgenommen habe, da er diesen bewusst getäuscht habe, indem er ihm gegenüber wahrheitswidrig erklärt habe, die Zahlungen seien mit dem ersten Bürgermeister abgestimmt. Auch sei er gegenüber den Kassenbeamten weisungsbefugt gewesen. Milderungsgründe lägen nicht vor. Die Geringwertigkeitsgrenze bei Zugriffsdelikten liege grundsätzlich bei 50 €. Zudem sei nicht nur auf den Zinsschaden abzustellen, sondern der der Gemeinde entstandene Schaden liege bereits in der unzulässigen Vorenthaltung der Gelder. Auch die Absicht, den Schaden wiedergutzumachen, könne eine mildere Beurteilung nicht rechtfertigen. Zudem sei dem Beklagten auch sein Folgeverhalten vorzuwerfen. Er habe in den Folgejahren weder die Vorschüsse zurückgezahlt noch diese bzw. Rückzahlungsmodalitäten je zur Sprache gebracht. Erschwerend sei zu bewerten, dass der Beklagte sich 2007 weitere 5.510,74 € habe auszahlen lassen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt die Vorschüsse aus 2001/2002 in Höhe von 12.000 € noch nicht zurückgezahlt gehabt habe und wegen seiner finanziellen Probleme auch nicht hätte zurückzahlen können. Sein Verhalten sei daher nicht auf eine nur zeitlich begrenzte Inanspruchnahme der Gelder angelegt gewesen. Er sei nicht offen vorgegangen, weil er sich die Vorschüsse ohne Wissen und Wollen des Dienstherrn bewilligt und den Kassenbeamten dabei getäuscht habe. Die sonstigen ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen könnten für sich zwar die Aberkennung des Ruhegehalts nicht begründen. Sie seien aber in die Gesamtschau für die Beurteilung miteinzustellen, ob ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten sei. Dies sei vorliegend zu bejahen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten hat mit Schriftsatz vom 22. Juli 2015 erklärt, dass er das Mandat niedergelegt habe. Der Senat hat ihm hierauf mit Schreiben vom 27. Juli 2015 mitgeteilt, dass die gegenüber dem Gericht erklärte Mandatsniederlegung aufgrund des im Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehenden Anwaltszwangs erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts wirksam werde.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 30. Juli 2015 erklärt, dass sein Bevollmächtigter das Mandat niedergelegt habe und er sich keinen Anwalt leisten könne. Der Senat hat ihm hierauf mit Schreiben vom 3. August 2015 mitgeteilt, dass die gegenüber dem Gericht erklärte Mandatsniederlegung aufgrund des im Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehenden Anwaltszwangs erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts wirksam werde. Weiter wurde er auf die Möglichkeit hingewiesen, für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung eines Rechtsanwalts zu beantragen, und ihm die hierfür erforderlichen Formulare übersandt. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 29. Februar 2016 hat der Insolvenzverwalter angezeigt, dass mit Beschluss des Amtsgerichts P … vom 20. Januar 2016 (Az.: …) über das Vermögen des Beklagten das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet wurde.

Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2017 hat der Bevollmächtigte des Beklagten den Erhalt der Ladung vom 13. April 2017 bestätigt und erklärt, zum Termin am 28. Juni 2017 nicht zu erscheinen.

Der Senat hat am 28. Juni 2017 öffentlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift verwiesen.

Der Senat hat mit Beschluss gemäß Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Art. 54 Satz 1 BayDG die noch verbliebenen Anschuldigungspunkte unter Nr. 3 (mangelhafte Aufarbeitung der Rechnungsprüfungsberichte), Nr. 4 (liegengebliebene Vorgänge) und Nr. 6 (fehlende Baugenehmigung/eigenmächtige Planänderung) ausgeschieden, da sie für Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht fallen.

Zu den Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist wie beantragt abzuändern und gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) zu erkennen.

1. Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Bevollmächtigte des Beklagten noch der Beklagte selbst zur mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2017 erschienen sind. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wurde rechtzeitig am 13. April 2017 zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung wurde darauf hingewiesen, dass auch beim Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (Art. 3 BayDG i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO, vgl. SächsOVG, U.v. 31.3.2010 – D 6 A 268/09 – juris Rn. 32). Daran ändert auch die Mitteilung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, er habe das Mandat niedergelegt, nichts. Wenn – wie im Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 3 BayDG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO) – Anwaltszwang besteht, wird der Widerruf der Vollmacht sowie die Niederlegung des Mandats nach Art. 3 BayDG, § 173 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 Hs. 2 ZPO gegenüber dem Gericht erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten wirksam. Bis zur Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten können daher alle Prozesshandlungen wie Zustellungen gegenüber dem bisherigen Bevollmächtigten vorgenommen werden (SächsOVG, U.v. 31.3.2010 a.a.O. Rn. 33).

2. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder vom Beklagten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich, insbesondere hatte der Beklagte in jeder Lage des Verfahrens Gelegenheit zur Äußerung nach Art. 22 BayDG. Eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung gemäß Art. 95 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 SGB IX konnte unterbleiben, weil sich der Beklagte im Zeitpunkt der abschließenden Anhörung nach Art. 32 BayDG bereits im Ruhestand befand. Nach dem Gesetzeszweck des § 95 SGB IX, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb bzw. die Dienststelle zu fördern (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX), besteht keine Verpflichtung des Dienstherrn, die Schwerbehindertenvertretung in einem Disziplinarverfahren gegen einen schwerbehinderten Ruhestandsbeamten zu beteiligen, da dieser nicht mehr auf der Dienststelle beschäftigt ist (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3020 – juris Rn. 37).

3. Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der vom Kläger dem Beklagten in der Disziplinarklage vorgeworfenen Anschuldigungspunkte 1) und 2) steht auch zur Überzeugung des Senats fest.

3.1 Anschuldigungspunkt 1 (Vorschusszahlungen in den Jahren 2001/2002)

Der Beklagte hat sich 2001 und 2002 folgende Beträge in Höhe von insgesamt 13.533,87 € von der Gemeindekasse auszahlen lassen:

(1) Beihilfevorschuss am 5. März 2001 in Höhe von 1.000,- DM [511,29 €]

(2) Beihilfevorschuss am 26. März 2001 in Höhe von 10.000,- DM [5.112,92 €]

(3) Reisekostenvorschuss am 22. Oktober 2001 in Höhe von 1.000,- DM [511,29 €]

(4) Vorschuss am 5. November 2001 in Höhe von 2.000,- DM [1.022.58 €]

(5) Gehaltsvorschuss am 28. Dezember 2001 in Höhe von 2.500,- DM [1.278,23 €]

(6) Beihilfevorschuss am 3. Mai 2002 in Höhe von 1.597,56 €

(7) Gehaltsvorschuss am 7. November 2002 in Höhe von 3.500,- €.

Der Beklagte, der als geschäftsleitender Beamter nach Nr. 2.1 der Dienstanweisung für das Finanz- und Kassenwesen vom 29. Juni 1981 über die Befugnis zu kassenrechtlichen Anordnungen verfügte und der als Kämmerer für die Verwaltung des Gemeindevermögens verantwortlich war, hat sich die Beträge (3) bis (7) wissentlich und willentlich eigenmächtig ohne Kenntnis des damaligen ersten Bürgermeisters W … angeordnet und sich mittels Auszahlungsanordnung von der Gemeindekasse auszahlen lassen, indem er gegenüber dem damaligen Kassenverwalter K … bzw. dessen damaligen Stellvertreter R …, denen gegenüber er weisungsbefugt war, vortäuschte, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgestimmt, bzw. einen diesbezüglich bei diesen bestehenden Anschein ausnutzte, und so das Gemeindevermögen um diese Beträge vermindert. Hinsichtlich der Auszahlungen (1) und (2) ist nach der unwiderlegten Einlassung des Beklagten davon auszugehen, dass diese mit dem 2001 verstorbenen damaligen ersten Bürgermeister K … abgestimmt waren. Die Auszahlungsanordnungen waren dabei nicht vom anordnungsbefugten ersten Bürgermeister oder von einem anderen Anordnungsbefugten unterzeichnet und nicht mit einem Eingangsstempel der Kasse oder einem Prüfungsvermerk versehen. Die Auszahlungen wurden vom Kassenverwalter als sachlich und rechnerisch richtig abgezeichnet und angewiesen.

Ein Anspruch auf Auszahlung dieser Gelder bestand, wie der Beklagte wusste, nicht. Den Auszahlungen standen keine entsprechenden Ansprüche des Beklagten gegen die Gemeinde gegenüber. Die „Gehaltsvorschüsse“ (5 und 7) wurden unabhängig von dem ihm zustehenden Gehalt gezahlt, auf besonderen Haushaltsstellen für durchlaufende Gelder verbucht und nicht mit seinem Gehaltsanspruch verrechnet. Den „Beihilfevorschüssen“ (1, 2 und 6) lagen mangels entsprechenden Antrags keine Abschlagszahlungen (d.h. Vorschüsse im beihilferechtlichen Sinn) zugrunde, die auf Beihilfeansprüche des Beklagten angerechnet wurden. Bezüglich des „Reiskostenvorschusses“ (3) wurden keine Auslagen, die dem Beklagten im Zusammenhang mit einer Dienstreise entstanden, mit Reisekostenantrag geltend gemacht. Hinsichtlich des sonstigen „Vorschusses“ (4) fehlt es an der Angabe eines Rechtsgrundes dafür, weshalb dieser ausgezahlt wurde.

Der Beklagte hat nach Auszahlung der Gelder auch keine Bedingungen für deren Rückzahlung mit der Gemeinde vereinbart oder diese – mit Ausnahme der von ihm laut Sammel-Einzahlungsnachweis vom 5. Dezember 2001 am 5. bzw. 6. Dezember 2001 beglichenen Beträge in Höhe von 1.000,- DM und 2.000,- DM – nicht an die Gemeinde zurückgezahlt. Vielmehr hat er wissentlich und willentlich jeweils unter dem Betreff „Beihilfevorschuss“ nicht vorhandene Zahlungen vorgetäuscht und den 2001 verbliebenen Fehlbetrag in das Haushaltsjahr 2002 verschoben, indem er am 28. Dezember 2001 2.500,- DM (1.278,23 €) und am 18. April 2002 13.500,- DM (6.902,44 €) als Einsowie am 18. April 2002 8.500,- € (6.902,44 € sowie weiterer „Beihilfevorschuss“ in Höhe von 1.597,56 €) als Auszahlung verbucht hat, obwohl es sich dabei - mit Ausnahme der am 3. Mai 2002 erfolgten Auszahlung von 1.597,56 € - lediglich um fiktive Buchungen handelte. In der Folge hat er sich am 12. November 2002 weitere 3.500,- € als „Gehaltsvorschuss“ auszahlen lassen und den Fehlbetrag bis Ende 2002 auf 12.000,- € erhöht. Der Beklagte hat die ausstehenden Gelder auch in den nachfolgenden Jahren nicht zurückgezahlt. Erst nach Entdeckung der Buchungen durch den neuen Kämmerer R … 2007 hat er diesen darüber in Kenntnis gesetzt, dass noch ein Fehlbetrag in Höhe von 12.000,- € offen ist. 2008 hat der Beklagte mit dem ersten Bürgermeister W … vereinbart, den Fehlbetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5% (insgesamt 5.337,57 €) zurückzuzahlen. 12.000,- € hat der Beklagte sodann am 24. November 2010 zurückgezahlt. Zinsen in Höhe von 2.000,- € wurden am 30. November 2010 mit seinem Dezembergehalt verrechnet. Weitere 3.337,57 € Zinsen hat der Beklagte bis 28. Februar 2011 beglichen.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Aussagen der Zeugen W …, R … und S … vom 7. Mai 2013 im Disziplinarverfahren, der Stellungnahme des Zeugen K … vom 28. Juni 2013, der Akten der Staatsanwaltschaft P … im Verfahren Az.: …, der Aktenvermerke der Staatlichen Rechnungsprüfungsstelle am Landratsamt F.-… vom 16. November 2011 sowie vom 30. März 2012, der Auszahlungsanordnungen vom 5. März 2001, 26. März 2001, 22. Oktober 2001, 5. November 2001 und 7. November 2002, der Sammelzahlungsnachweise vom 5. Dezember 2001 und 18. April 2002, der Aktenvermerke R … vom 20. Juli 2010 sowie 17. und 19. August 2010 und S … vom 21. Oktober 2011 und der Einlassungen des Beklagten bei seiner Anhörung am 19. März 2013, im Schreiben vom 21. November 2011 und im Schriftsatz vom 18. August 2014.

Der Beklagte hat den Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt. Soweit er vorträgt, er habe vorgehabt, die Vorschüsse sobald wie möglich zurückzuzahlen, er habe dies wegen seiner schlechten finanziellen Lage aber nicht gekonnt, sieht der Senat dieses Vorbringen als unglaubwürdige Schutzbehauptung an. Dem steht schon entgegen, dass er den nach Rückzahlung von 3.000,- DM am 5./6. Dezember 2001 weiterhin verbleibenden Fehlbetrag nicht offengelegt, sondern im Gegenteil versucht hat, ihn durch Umbuchungen zu verschleiern. Er hat die Auszahlungen auch nicht durch Fehlzettel o.dgl. kenntlich gemacht, um damit nach außen eine Rückzahlungsabsicht zu bekunden, sondern den Fehlbetrag erst nach der Entdeckung 2007 eingeräumt. Auch hat er sich im gleichen Zeitraum, als er 3.000,- DM zurückgezahlt hat, erneut Vorschüsse in Höhe von 1.000,- DM bzw. 2.500,- DM bewilligt, so dass nicht von einer Rückzahlungsabsicht ausgegangen werden kann. Hiergegen spricht auch, dass er sich 2002 sowie 2007 weitere Vorschüsse über 5.097,56 € bzw. 5.510,74 € auszahlen ließ, obwohl er zu diesem Zeitpunkt die früheren Vorschüsse noch nicht zurückgezahlt hatte. Ebenfalls als unglaubhaft sieht der Senat das Vorbringen an, im März 2001 habe wegen eines Kuraufenthaltes eine Zahlung in Höhe von 10.000,- DM angestanden, für deren Ausgleich Beihilfe und Krankenkasse sechs bis acht Wochen gebraucht hätten, so dass er bei der Gemeinde einen Vorschuss beantragt habe. Der Beklagte hat hierzu lediglich eine handschriftliche Aufstellung vorgelegt. Nach Angaben des Zeugen R … hat er ihm zwar Aufstellungen zu angeblichen Abrechnungen mit der Beihilfe gezeigt und versichert, ihm stünden entsprechende Vorleistungen zu. Abschlagszahlungen hätte der Beklagte – wie er selbst einräumt – aber bei der Beihilfeversicherung, nicht bei der Gemeinde geltend machen müssen.

3.2 Anschuldigungspunkt 2 (Vorschusszahlungen im Jahr 2007)

Der Beklagte hat sich 2007 folgende Beträge in Höhe von insgesamt 5.510,74 € als Gehaltsvorschüsse von der Gemeindekasse auszahlen bzw. überweisen lassen:

(1) 6. Juni 2007: 2.200,-€ 65

(2) 4. Juli 2007: 200,- €

(3) 4. Juli 2007: 2.500,- € (abzüglich Gehaltsanspruch für Juli 2007)

(4) 17. September 2007: 1.500,- €

(5) 17. September 2007: 2.300,- €

Der Beklagte, der als geschäftsleitender Beamter nach Nr. 2.1 der Dienstanweisung für das Finanz- und Kassenwesen vom 29. Juni 1981 über die Befugnis zu kassenrechtlichen Anordnungen verfügte und der als Kämmerer für die Verwaltung des Gemeindevermögens verantwortlich war, hat sich die Beträge (1) bis (5) wissentlich und willentlich eigenmächtig ohne Kenntnis des damaligen ersten Bürgermeisters W … mittels des am 12. Januar 2007 erstellten Sammelauszahlungsnachweises für seine Bezüge bewilligt und sich von der Gemeindekasse auszahlen bzw. überweisen lassen, indem er gegenüber dem damaligen Kassenverwalter R …, dem gegenüber er weisungsbefugt war, vortäuschte, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgestimmt, bzw. einen diesbezüglich bestehenden Anschein bei diesem ausnutzte, und so das Gemeindevermögen um diese Beträge vermindert. Ein Anspruch auf Vorleistung von Bezügen als „Beihilfevorschuss“ bestand, wie der Beklagte wusste, nicht; auch wurde nur die Zahlung (3) vom Juligehalt abgezogen. Die verbliebene Überzahlung in Höhe von 5.510,74 € wurde im November 2007 durch den neuen Kämmerer ohne Zutun des Beklagten mit dem Dezembergehalt verrechnet.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Aussagen der Zeugen W … und R … vom 7. Mai 2013 im Disziplinarverfahren, der Akten der Staatsanwaltschaft P … im Verfahren Az.: …, der Aktenvermerke der Staatlichen Rechnungsprüfungsstelle am Landratsamt F.-… vom 16. November 2011 sowie vom 30. März 2012, des Sammelauszahlungsnachweises vom 12. Januar 2007, des Aktenvermerks K … vom 16. Juli 2007 sowie der Einlassungen des Beklagten bei seiner Anhörung am 19. März 2013, im Schreiben vom 21. November 2011 und im Schriftsatz vom 18. August 2014. Der Beklagte hat den Sachverhalt eingeräumt.

4. Der durch den Senat festgestellte Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu bewerten:

4.1 Der Beklagte hat aufgrund der eigenmächtigen Anordnung bzw. Bewilligung der Auszahlung von Vorschüssen aus der Gemeindekasse an sich eine Untreue in zwölf Fällen gemäß §§ 266, 53 StGB zu Lasten der Gemeinde begangen. Untreue i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Gemessen daran erfüllen die im Anschuldigungspunkt 1) und 2) aufgeführten Vorschusszahlungen an den Beklagten den Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (SächsOVG, U.v. 7.3.2014 – D 6 A 555/10 – juris Rn. 74).

Als Kämmerer der Gemeinde und Leiter der Finanzverwaltung oblag dem Beklagten die Pflicht zur Betreuung des Gemeindevermögens (BGH, B.v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10 – juris Rn. 8). Die Aufgaben eines Gemeindekämmerers umfassen neben den Haushaltsangelegenheiten die Vermögens- und Schuldenverwaltung und die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel (BGH, B.v. 4.7.1961 – 1 StR 181/61 – juris Rn. 10). Der Beklagte hat die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt, als er 2001/2002 in sieben Fällen den Kassenverwalter angewiesen hat, aus der Gemeindekasse Vorschüsse an ihn zu zahlen, sowie sich 2007 in fünf Fällen selbst Vorschüsse aus der Gemeindekasse bewilligt hat, um sie für private Zwecke zu verwenden, obwohl ihm diese nicht bzw. jedenfalls noch nicht zustanden (BVerwG, U.v. 15.8.1989 – 1 D 61.88 – juris Rn. 16). Insoweit ist unerheblich, ob den Vorschüssen entsprechende Zahlungsansprüche gegen die Gemeinde gegenüber standen, mit denen sie verrechnet werden hätten können, da der Beklagte jedenfalls im Zeitpunkt der Auszahlung keinen Anspruch auf die Vorschüsse hatte und er sich einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil in Gestalt eines vorübergehenden Kredits verschaffte, der ihm so nicht zustand (BVerwG, U.v. 15.8.1989 a.a.O. Rn. 17). Eine Untreue wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beklagte ggf. Ansprüche auf Beihilfeleistungen oder Reisekostenerstattung bzw. auf entsprechende Vorschüsse (Abschlagszahlungen) geltend machen hätte können (BVerwG, U.v. 15.8.1989 a.a.O. Rn. 12; siehe auch BGH, U.v. 7.5.1997 – 1 StR 638/96 – juris Rn. 9).

Durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht trat ein Vermögensnachteil bei der Gemeinde ein, deren Vermögen unmittelbar durch die Auszahlung in Höhe der veruntreuten Gelder vermindert wurde, ohne dass dem zugleich ein unmittelbarer Vermögensvorteil in entsprechender Höhe gegenüber gestanden wäre. Ein Schaden ist bei der - hier vorliegenden - unberechtigten Nutzung öffentlichen Vermögens für private Zwecke unproblematisch zu bejahen (Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 266 Rn. 122). Der Vermögensnachteil liegt nicht allein in dem durch die unberechtigte - vorübergehende - Nutzung der Gelder entstandenen Zinsschaden, sondern auch in der - wenn auch nur vorübergehenden - unberechtigten Vorenthaltung gemeindlicher Gelder (schadensgleiche Vermögensgefährdung, vgl. BGH, U.v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02 – juris Rn. 17). Die bloße Absicht, die Gelder zurückzuzahlen, steht dem nicht entgegen, da der eingetretene Vermögensnachteil dadurch nicht beseitigt wird.

Der Beklagte handelte bei Anordnung bzw. Bewilligung der Auszahlung der Gelder vorsätzlich im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit sowie im Bewusstsein der Erlangung eines unredlichen Vermögensvorteils zu Lasten der Gemeinde, da er wusste, dass er jedenfalls im Zeitpunkt der Auszahlung keinen Anspruch gegenüber der Gemeinde auf Auszahlung der Gelder hatte; daran ändert auch nichts, dass die Auszahlungen vom 5. und 26. März 2001 nach Angaben des Beklagten mit dem damaligen ersten Bürgermeister abgestimmt waren. Selbst wenn der Beklagte jedoch von Anfang an beabsichtigt haben sollte, die Vorschüsse zurückzuzahlen, wäre insoweit bedingter Vorsatz zu bejahen, da der Beklagte einen entsprechenden Nachteil zu Lasten der Gemeinde zumindest billigend in Kauf genommen hat (BayVGH, U.v. 4.6.2014 – 16a D 10.2005 – juris Rn. 38).

Es kann offen bleiben, ob der Beklagte durch sein Verhalten auch eine Untreue in einem besonders schweren Fall (§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB) begangen hat, weil er seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 a) StGB) missbraucht hat, obwohl die Amtsträgereigenschaft erst die Täterqualifikation des § 266 StGB begründet (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 190). Ebenfalls dahingestellt bleiben kann, ob der Beklagte durch die Buchungsmanipulationen 2001/2002 eine erneute Veruntreuung begangen hat (vgl. BGH, B.v. 20.5.1994 – 2 StR 202/94 – juris Rn. 3). Ebenso kann dahinstehen, ob der Beklagte durch sein Verhalten gegenüber dem Kassenverwalter zugleich einen Betrug i.S.d. § 263 StGB verübt hat (vgl. SächsOVG, U.v. 7.3.2014 a.a.O. Rn. 89).

4.2 Daneben hat der Beklagte durch eigenmächtige Anordnung bzw. Bewilligung der Auszahlung von Vorschüssen aus der Gemeindekasse auch gegen kassen- und verwaltungsrechtliche Vorschriften verstoßen (SächsOVG, U.v. 7.3.2014 a.a.O. Rn. 79). Durch Anweisung des Kassenverwalters bzw. seines Stellvertreters, ihm Vorschüsse auszuzahlen, hat der Beklagte gegen Art. 100 Abs. 2 Satz 3 BayGO verstoßen, wonach die Anordnungsbefugten nicht gleichzeitig die Aufgaben eines Kassenverwalters oder seines Stellvertreters wahrnehmen können. Die sachliche und rechnerische Feststellung der Richtigkeit wäre vor Erteilung der Anordnung auch von einer anderen Person zu treffen gewesen (§ 37 Abs. 2 Satz 3, § 40 Abs. 2 KommHV a.F.). Die Auszahlungsanordnungen waren entgegen § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KommHV a.F. nicht vom Anordnungsbefugten unterzeichnet und entgegen § 49 KommHV a.F. nicht mit dem Eingangsstempel der Kasse und einem Prüfvermerk versehen. Hinzu kommt ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 BayVwVfG, wonach ein Beteiligter in eigenen Angelegenheiten nicht tätig werden darf, wenn die Entscheidung ihm selbst einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Dazu gehört ersichtlich die Bewilligung eines Vorschusses aus der Gemeindekasse an den anordnungsbefugten Kämmerer. Diese Entscheidung hätte vielmehr nur der gleichfalls anordnungsbefugte erste Bürgermeister treffen können.

5. Durch sein Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen die ihm gegenüber der Gemeinde obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Er hat gegen die Pflichten verstoßen, die Gesetze zu beachten (§§ 266 Abs. 1, 53 StGB, Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), allgemeine Richtlinien zu befolgen (Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBG a.F., § 35 Satz 2 BeamtStG), den Dienst ordnungsgemäß zu erfüllen (Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 34 Satz 1 BeamtStG), das ihm übertragene Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen auszuüben (Art. 64 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 34 Satz 2 BeamtStG) sowie sich im Dienst achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a.F., § 34 Satz 3 BeamtStG). Das Vorgehen des Beklagten war in sein Amt als Kämmerer bzw. geschäftsleitender Beamter der Gemeinde und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden, weil er in dieser Eigenschaft gegenüber dem Kassenverwalter bzw. dessen Stellvertreter die Anweisung erteilte, Vorschüsse auszuzahlen, bzw. sich Vorschüsse bewilligte (BayVGH, U.v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160 – juris Rn. 23).

6. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 BayDG auf die Höchstmaßnahme zu erkennen. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhestandsbeamten gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen.

6.1 Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss daher unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen und gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12).

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aufgrund eines solchen Verhaltens aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG). Nur so können die Integrität des Beamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 13).

6.2 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der jeweiligen Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).

Dabei kann offen bleiben, ob das Verhalten des Beklagten ein Zugriffsdelikt darstellt. Allerdings dürfte das Vorliegen eines Zugriffsdelikts hier wohl zu verneinen sein, weil der Beklagte – anders als in dem mit Urteil des Senats vom 4. Juni 2014 (a.a.O.) entschiedenen Fall eines Beamten, der allein über ein Dienstkonto verfügungsbefugt war – nicht durch Missbrauch seiner Anordnungsbefugnis unmittelbar auf Gelder der Gemeinde zugegriffen hat, sondern die Auszahlung erst durch den Kassenverwalter vorgenommen wurde (SächsOVG, U.v. 7.3.2014 a.a.O. Rn. 89), auch wenn dem Beklagten als Kämmerer das Gemeindevermögen anvertraut war. Auf die Einstufung des Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt kommt es indes nicht an. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzlich begangene Straftat des Beamten hervorgerufen worden ist, ist auch bei innerdienstlich verübten Straftaten nunmehr auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen abzustellen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 19). Vorliegend stellen die Untreuehandlungen zu Lasten der Gemeinde die schwersten Dienstpflichtverletzungen dar. Dies folgt schon daraus, dass für eine Straftat der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren besteht. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht - hier sind es sogar bis zu fünf Jahre -, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 20) bzw. bei Ruhestandsbeamten bis zur Aberkennung des Ruhegehalts.

6.3 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung führt zur Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG). Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen i.d.R. anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. Erschwernisgründe können sich z.B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben (BVerwG, B.v. 6.5.2015 – 2 B 19.14 – juris Rn. 11).

Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Aufgrund der Anzahl der Taten (12 Fälle) sowie der Höhe der veruntreuten Gelder von 19.044,34 € (13.533,87 € 2001/2002 sowie 5.510,74 € 2007), des dadurch für die Gemeinde entstandenen Zinsschadens in Höhe von (mindestens) 5.337,57 € sowie der früheren Stellung des Beklagten als Kämmerer und geschäftsleitender Beamter ist die Aberkennung des Ruhegehalts angemessen und erforderlich (BayVGH, U.v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160 – juris Rn. 28). Die Veruntreuung hat zu einem eklatanten Vertrauensbruch und zu einem erheblichen Schaden geführt. Der Beklagte hat zudem im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt. Als geschäftsleitender Beamter repräsentierte er die Gemeinde nach innen und außen, als Kämmerer war ihm zudem die Verwaltung des Gemeindevermögens anvertraut. Dennoch hat er unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner Amtsstellung und seiner Dienstbefugnisse über Jahre hinweg gemeindliche Gelder veruntreut, um sich aus rein eigennützigen Motiven einen ungerechtfertigten finanziellen Vorteil in erheblicher Höhe zu verschaffen. Erschwerend kommt hinzu, dass er zu diesem Zweck Mitarbeitern, denen gegenüber er weisungsbefugt war, vortäuschte, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgesprochen, gegen kassen- und verwaltungsrechtliche Vorschriften verstieß sowie versuchte, die Taten durch fiktive Kassenbuchungen zu verschleiern. Ein weiterer Verbleib im Dienst der Gemeinde wäre deshalb weder dieser noch der Allgemeinheit zuzumuten gewesen, so dass ihm nach Eintritt in den Ruhestand das Ruhegehalt abzuerkennen ist.

6.4 Demgegenüber erreichen die zu Gunsten des Beklagten in die Bemessung der Disziplinarmaßnahme einzustellenden mildernden Umstände weder für sich allein genommen noch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein solches Gewicht, dass von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte.

6.4.1 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass es sich bei dem vom Beklagten verübten Dienstvergehen nicht um ein Zugriffsdelikt gehandelt habe. Hierauf kommt es nach dem unter 6.2 Ausgeführten nämlich nicht an.

6.4.2 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann auch nicht zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass dieser von Anfang an beabsichtigt habe, die Vorschüsse wieder zurückzuzahlen, sobald er über die hierfür erforderlichen Mittel verfügen sollte. Von einer solchen Rückzahlungsabsicht kann nach dem unter 3.1 sowie 3.2 Ausgeführten nicht ausgegangen werden. Im Übrigen kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagte die Gelder tatsächlich nur vorübergehend in Anspruch nehmen und baldmöglichst zurückzahlen wollte. Ein Beamter ist nicht befugt, Geld des Dienstherrn diesem auch nur vorübergehend vorzuenthalten, um es zunächst für eigene Zwecke einzusetzen. Die bloße Wiedergutmachungsabsicht vermag eine mildere Beurteilung deshalb nicht zu rechtfertigen, da Gelder des Dienstherrn nicht dazu bestimmt sind, dem Kreditbedürfnis der mit der Verwaltung betrauten Beamten zu dienen (BayVGH, U.v. 4.6.2014 a.a.O. Rn. 67 m.w.N.). Diesbezüglich kann dem Beklagte auch nicht zugutekommen, dass er die Vorschüsse inzwischen vollständig (samt Zinsen) zurückgezahlt hat und dass der nach Rückzahlung der Vorschüsse verbleibende Zinsschaden deutlich unter 5.000,- € liegt. Unabhängig davon, dass die Höhe des dem Dienstherrn entstandenen Schadens nicht allein ausschlaggebend für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist, ergibt sich der Vertrauensverlust nicht aus dem materiellen Schaden, den der Dienstherr durch die Untreuehandlung erleidet, sondern bereits aus der unzulässigen Verwendung dienstlich anvertrauter Gelder aus eigennützigen Gründen selbst (BVerwG, U.v. 15.8.1989 a.a.O. Rn. 26). Ein Absehen von der Höchstmaßnahme würde allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Beklagte - jeweils vor drohender Entdeckung - entweder freiwillig den Schaden wiedergutgemacht oder sein Fehlverhalten offenbart hätte (BayVGH, U.v. 4.6.2014 a.a.O. Rn. 68). Hiervon kann aber nicht die Rede sein, da der Beklagte erst nach Entdeckung der Taten diese eingeräumt und die Gelder zurückgezahlt hat.

6.4.3 Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts führt es auch nicht zu einer milderen Beurteilung, dass der Beklagte nicht verdeckt vorgegangen sei, sondern die Zahlungen gegenüber dem Kassenverwalter offengelegt und überprüfbare Spuren hinterlassen habe. Zwar hat der Beklagte die Gelder nicht heimlich aus der Kasse entnommen, sondern sich durch den jeweiligen Kassenverwalter auszahlen lassen. Doch kann dies nicht als offenes Vorgehen bezeichnet werden, weil der Beklagte bei der Auszahlung der Gelder gegenüber seinen Untergebenen vortäuschte, dass die Auszahlungen mit dem Bürgermeister abgesprochen seien, und somit betrügerisch vorging. Er hat zudem auch keine nachprüfbaren Spuren hinterlassen, indem er die Auszahlungen ohne die erforderliche Unterschrift eines Anordnungsberechtigten veranlasste, sondern vielmehr versucht, die Auszahlungen durch fiktive Buchungen zu verschleiern. Er hat nach Auszahlung der Gelder auch keine Bedingungen für deren Rückzahlung mit der Gemeinde vereinbart oder diese an den ausstehenden Fehlbetrag erinnert. Darüber hinaus würde auch eine offensichtliche Veruntreuung von Geldern der Gemeinde nicht zu einer milderen Beurteilung führen, da auch dann von einem endgültigen Vertrauensverlust auszugehen wäre.

6.4.4 Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts kann schließlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Auszahlung von Vorschüssen an den Beklagten in der Gemeinde bekannt gewesen und hingenommen worden sei. Zwar wussten der jeweilige Kassenverwalter bzw. dessen Stellvertreter um die Auszahlungen, doch hat der Beklagte diesen wahrheitswidrig vorgespiegelt, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgesprochen, so dass diese auch keine Veranlassung sahen, den Bürgermeister zu informieren oder bei diesem nachzufragen. Als Untergebene des Beklagten hatten sie auch keinen Anlass, an dessen Angaben zu zweifeln. Sonstige Mitarbeiter der Gemeinde waren an den Auszahlungen nicht beteiligt. Nach der glaubhaften Aussage des ersten Bürgermeisters W … hat dieser erst durch Mitteilung des neuen Kämmerers R … von den Auszahlungen erfahren. Es erscheint zwar bedenklich, dass der Bürgermeister auch nach der Entdeckung der Veruntreuungen und Rückzahlung der Vorschüsse die Sache auf sich beruhen lassen und zunächst nichts gegen den Beklagten unternehmen wollte. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der Bürgermeister den Beklagten bei der Bewilligung der Vorschüsse nicht genügend überwacht hätte. Ein Organisationsverschulden der Gemeinde ist deshalb auszuschließen. Im Übrigen würde auch eine mangelhafte Kontrolle durch die Gemeinde die Verantwortung des Beklagten nicht beseitigen.

6.4.5 Sonstige Milderungsgründe, die zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dem Beklagten ist zwar zu Gute zu halten, dass er sich bemüht hat, den Schaden wiedergutzumachen; die nachträgliche, zudem erst mehr als acht Jahre nach Auszahlung der Gelder erfolgte Rückzahlung führt jedoch nicht zu einer milderen Beurteilung des Dienstvergehens. Die Leistungen des Beklagten, der zuletzt 1978 mit „übertrifft die Anforderungen“ dienstlich beurteilt worden ist, waren nach den ihm gegenüber erhobenen weiteren Vorwürfen ungenügend; im Übrigen wäre eine überdurchschnittliche Diensterfüllung nicht geeignet, schwerwiegenden Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Anhaltspunkte für eine fehlende oder eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beklagten i.S.d. §§ 20, 21 StGB bzw. für eine psychische Ausnahmesituation zum Zeitpunkt der Taten liegen nicht vor. Zwar hat er behauptet, dass er schon ab 2001 psychisch krank gewesen sei, doch gibt es keinen Beleg für diese Behauptung. Auch für eine überwundene negative Lebensphase fehlt es an Anhaltspunkten. Die vom Beklagten vorgetragenen schwierigen Lebensumstände (Einnahmeverluste, Krankheitskosten, eigene und Schulden der Tochter, Pflege der Mutter, Erkrankung der Ehefrau und eigene Erkrankungen) sind nicht von einem Gewicht, dass sie die schweren Verfehlungen in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten. Solche familiären und finanziellen Schwierigkeiten können grundsätzlich jeden treffen und sind nicht geeignet, eine ausweglose Ausnahmesituation zu begründen. Auch kann nicht von einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage ausgegangen werden, in der der Beklagte keinen anderen Aus Weg gesehen hat, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern, da er sich mit der Finanzierung des Hausbaus u.a. übernommen hat; im Übrigen ist diese Phase auch nicht überwunden, da sich der Beklagte seit Anfang 2016 in Privatinsolvenz befindet. Angesichts der mehrfachen, über Jahre hinweg begangenen Veruntreuungen ist darüber hinaus eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat zu verneinen. Die Tatsache, dass der Beklagte an diversen Erkrankungen leidet und schwerbehindert ist, führt ebenfalls nicht dazu, von der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 101). Auch die Dauer des 2011 eingeleiteten Disziplinarverfahrens führt nicht zu einer Milderung, da es hinsichtlich der Höchstmaßnahme kein Disziplinarmaßnahmeverbot gibt (BayVGH, U.v. 9.4.2014 – 16a D 12.1439 – juris Rn. 79). Auch auf Verwirkung kann sich der Beklagte insoweit nicht berufen, da diese dem Disziplinarrecht fremd ist (BayVGH, U.v. 9.4.2014 a.a.O. Rn. 95).

7. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis - wie hier - endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen. Für Ruhestandsbeamte gilt nichts anderes. Ihnen ist bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen das Ruhegehalt abzuerkennen (BayVGH, U.v. 15.3.2017 a.a.O. Rn. 31).

Der Senat verkennt nicht, dass der Beklagte und seine Familie dadurch existentiell betroffen werden und dass der Beklagte aufgrund seines Alters und Gesundheitszustands auch keine Arbeit mehr finden und ausüben können wird. Ihm steht deshalb für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 BayDG zu. Auch ist er durch die Gemeinde in der Rentenversicherung nachzuversichern, so dass er ggf. eine Altersrente beantragen kann. Im Übrigen ist er auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu verweisen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 a.a.O. Rn. 105).

8. Nach alldem war der Berufung des Klägers stattzugeben und dem Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts das Ruhegehalt abzuerkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG. Das Urteil ist mit Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

I. Die 19... in M. geborene Beklagte beendete ihre Schullaufbahn 1977 mit dem qualifizierten Hauptschulabschluss. Danach absolvierte sie eine Lehre als Buchbinderin, die sie mit der Gesellenprüfung abschloss. Von 1979 bis 1990 war die Beklagte in der Verlags-Sortiments-Buchbinderei L. tätig. Zum 1. Juli 1990 wurde sie als Justizangestellte beim Oberlandesgericht M. eingestellt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1992 wurde die Beklagte zur Justizoberwachtmeisterin z. A. und mit Wirkung zum 1. Januar 1993 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Justizoberwachtmeisterin ernannt. Zum 1. Januar 1997 folgte die Ernennung zur Justizhauptwachtmeisterin, am 1. Mai 2003 die Ernennung zur Ersten Justizhauptwachtmeisterin und am 1. Januar 2011 zur Justizsicherheitssekretärin.

Die Beklagte ist ledig und bezieht um 50 Prozent gekürzte Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 6.

In der letzten periodischen Beurteilung von 2008 erhielt die Beklagte das Gesamturteil 10 Punkte.

II. Die Beklagte ist strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:

Mit Urteil des Amtsgerichts M. vom 11. Januar 2012 (Az.: 821 Cs 125 Js 12277/10) wurde die Beklagte wegen Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit Verletzung des Briefgeheimnisses in Tateinheit mit Diebstahl in Tatmehrheit mit Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt.

Im Urteil wurden folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

1. Am 16.2.2010 war die Angeklagte als Beamtin in der Posteinlaufstelle des AG M. in der I.-straße ... in M. eingesetzt. Im Posteinlauf dieses Tages befand sich ein Brief der Rechtsanwälte G. und Kollegen an die Gerichtsvollzieher Verteilerstelle des AG M., dem ein Schreiben vom 12.2.2010 und 30,- € Bargeld beilagen. Zu jeweils nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkten am 16.2.2010 öffnete die Angeklagte zunächst diesen Brief und stempelte das Schreiben - anstatt mit dem ihr selbst zugewiesenen Einlaufstempel - unberechtigt unter Ausnutzung der ihr aus ihrem Amt erwachsenen Möglichkeiten mit dem ihres Kollegen D. über die entsprechende Kennziffer 6 zugewiesenen Stempel, um über die Person des den Brief öffnenden Beamten zu täuschen. Außerdem entnahm die Angeklagte den Bargeldbetrag von 30,- € und entwendete diesen, um ihn für sich zu behalten.

2. Zu einem weiteren nicht mehr genauer feststellbaren Zeitpunkt Ende Mai 2010 entwendete die Angeklagte ebenfalls in der Einlaufstelle des AG M. in der I.-straße in M. einen an ihren Kollegen W. persönlich andressierten, per Post eingegangenen Brief, der einen Handyakku Motorola BT 50 im Wert von 6,65 € enthielt, um ihn und seinen Inhalt zunächst für sich zu behalten und den Akku schließlich unter Vorspiegelung ihrer Eigentümerstellung bei ebay zu versteigern.

3. Am 15.6.2010 entwendete die Angeklagte erneut in der Einlaufstelle des Amtsgerichts M. in der I.-straße ... in M. ein an ihren Kollegen W. persönlich adressiertes, als Warensendung präpariertes Päckchen ohne Inhalt, um es für sich zu behalten.

Auf die Berufung der Beklagten hielt das Landgericht M. I mit seit 17. Juli 2012 rechtskräftigem Urteil vom 9. Juli 2012, das Urteil des Amtsgerichts M. vom 11. Januar 2012 mit der Maßgabe aufrecht, dass die Beklagte wegen Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit Verletzung des Briefgeheimnisses in Tateinheit mit Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde. Das Urteil beruhte auf einer Verfahrensabsprache gemäß § 257 c StPO. Dem Urteil liegen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:

Infolge der Berufungsbeschränkung stehen der Sachverhalt hinsichtlich der Fälle 1 und 2 sowie der Schuldspruch rechtskräftig fest. Insoweit wird auf die Ausführungen des Urteils des Amtsgerichts M. verwiesen.

Die Angeklagte gab ergänzend an, dass sie sich damals überfordert gefühlt habe. Seit Anfang 2010 gehe es der Mutter so schlecht, dass sie sich täglich um sie kümmern müsse. Darüber hinaus habe es in der Arbeit immer wieder Probleme gegeben, insbesondere Unstimmigkeiten mit Herrn W. Die 30,- € bzw. den Akku habe sie nicht benötigt. Sie habe sich aber, nachdem es kurz zuvor wieder eine Auseinandersetzung gegeben habe, zu der Kurzschlussreaktion hinreißen lassen.“

Von der Verfolgung des Falles 3 war gemäß § 154 Abs. 2 StPO durch Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom9. Juli 2012 abgesehen worden.

III.Mit Verfügung der Generalstaatsanwaltschaft M. vom 12. August 2010 wurde gegen die Beklagte ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das mit Verfügungen vom 12. November 2010 und 25. Mai 2011 ausgedehnt wurde. Nach Abschluss des Strafverfahrens wurde das mittlerweile aufgrund der strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzte Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 25. Juli 2012 fortgesetzt.

Mit Verfügung vom 10. August 2012 wurde die Beklagte mit sofortiger Wirkung des Dienstes enthoben. Mit Verfügung vom 5. Dezember 2012 wurden zunächst die monatlichen Dienstbezüge in Höhe von 20 Prozent, mit Verfügung vom 7. März 2013 dann in Höhe von 50 Prozent einbehalten.

Mit Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft M. vom 14. Januar 2013 wurde der Beklagten gemäß Art. 32 BayDG die Gelegenheit zur abschließenden Anhörung gegeben, von der die Beklagte mit Schreiben vom 23. Januar 2013 Gebrauch machte.

IV. Am 22. Februar 2013 erhob die Generalstaatsanwaltschaft Klage beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag, die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Grundlage hierfür waren neben den dem Urteil des Amtsgerichts unter den Ziffern 1 -3 zugrundeliegende „Sachverhalte“, auch folgende innerdienstliche Vorwürfe:

1. - 3. (s. oben unter Abschnitt 2, Ziff. 1 - 3).

4. Die Beklagte habe entgegen des § 6 Abs. 1 der Dienstanweisung für die gemeinsamen Zugangsstellen der Justizbehörden vom30. Juni 2006 die Abdrucke der Schriftsätze nicht abgestempelt, und zwar vom 2. Juni bis 8. Juni 2010 in 90% der Eingänge.

5. Die Beklagte habe wiederholt gegen § 8 Abs. 3 der Dienstanweisung für die gemeinsamen Eingangsstellen der Justizbehörden verstoßen, wonach der Eingang von Zahlungsmitteln dauerhaft mit Unterschrift zu bescheinigen ist.

6. Der frühere Leiter der Eingangsstelle V habe der Beklagten untersagt, privat zu kopieren. Dennoch habe die Beklagte täglich private Kopien, insbesondere aus der Süddeutschen Zeitung sowie den Speiseplänen gefertigt, ohne diese zu bezahlen. Erst ab März 2010 habe sie damit aufgehört.

7. Der Vorgesetzte W. habe der Beklagten untersagt, sich in erheblichem Umfang private Post an ihre Dienstanschrift zusenden zu lassen. Die Beklagte habe dennoch in der Zeit vom 19. April 2010 bis 28. Mai 2010 27 private Sendungen erhalten.

8. Die Beklagte habe während der Dienstzeit viele private Telefonate mit ihrem Handy geführt. Obwohl ihr Vorgesetzter (Herr P.) sie angewiesen habe, die privaten Telefonate deutlich zu reduzieren oder zu unterlassen, habe die Beklage am 9. Juni 2010 27 eingehende und 22 abgehende private Telefonate mit ihrem Handy geführt.

9. Im Dezember 2009 habe die Beklagte auf ihrem privaten Handy einen als verfassungsfeindlich einzustufenden Handyrufton (Hitlergruß) verwendet. Auf Hinweis habe sie diesen geändert.

10. Die Beklagte habe zumindest im April 2010 gegen die Zielvereinbarung vom 20. Dezember 2004, wonach sie täglich eine frisch gewaschene Dienstbluse anzuziehen habe und die Diensthose spätestens nach drei Tagen zu wechseln, zu lüften und zu reinigen habe, verstoßen. Sie sei mit verschmutzter Dienstkleidung zum Dienst erschienen und habe einen unangenehmen Geruch verbreitet. Sie habe auch verschmutzte Dienstkleidung in ihrem Dienstschrank aufbewahrt.

11. Am 13. August 2010 habe die Beklagte Herrn Justizangestellten A. gefragt, wie er seinen Geburtstag verbracht habe. Auf seine Frage, woher sie diese Informationen habe, habe die Beklagte mitgeteilt: „ich sitze gerade über deinen Scheidungsakten von 1988“.

12. Am 14. Februar 2011 sei die Beklagte dienstunfähig erkrankt gewesen und habe für diesen Tag ein ärztliches Attest vorgelegt. Vom 15. Februar 2011 bis 21. Februar 2011 sei sie nicht zum Dienst erschienen und habe ihre Dienstunfähigkeit nicht angezeigt sowie keine ärztliche Bescheinigung vorgelegt. Am 22. Februar 2011 sei die Beklagte nicht zum Dienst erschienen, habe jedoch telefonisch Urlaub beantragt, der ihr genehmigt worden sei. Für den 23. Februar 2011 habe sie sich erneut krank gemeldet. Am 24. Februar 2011 sei sie wiederum nicht zum Dienst erschienen. Sie habe dem Vorzimmer der Abteilung 3 mitgeteilt, dass sie bis 1. März 2011 krankgeschrieben sei. Am 25. Februar 2011 sei beim Amtsgericht M. ein Attest des Dr. med. O. vom 24. Februar 2011 eingegangen, das ihre Arbeitsunfähigkeit vom 14. Februar 2011 bis 1. März 2011 bescheinigt habe.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. Mai 2013 wurde die Beklagte wegen eines Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Die der Beklagten zur Last gelegten Dienstvergehen hielt das Gericht für erwiesen. Hinsichtlich des Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung in Tatmehrheit mit Verletzung des Briefgeheimnisses in Tateinheit mit Diebstahl bestehe die Bindungswirkung des Urteils des Landgerichts M. I vom 9. Juli 2012 (Ziff. 1 und 2 der Disziplinarklage). Die Entwendung der an den Kollegen W. adressierten Warensendung (Ziff. 3 der Disziplinarklage) habe die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ebenso eingeräumt wie die weiteren innerdienstlichen Dienstvergehen (Ziff. 4 -12 der Disziplinarklage), für die keine Bindungswirkung durch das Strafurteil bestehe. Der Umstand, dass sie auf den Kollegen W. sauer gewesen sei, weil er sie angeschrien und bei der Gruppenleiterin hingehängt habe, rechtfertige die Kollegendiebstähle in keiner Weise. Auch der Hinweis der Beklagten, keiner ihrer Kollegen habe nach § 6 Abs. 1 und § 8 Abs. 3 der Dienstanweisung gearbeitet, könne sie nicht entlasten. Ebenso wenig der nunmehr angeführte Stress in der Arbeit und zu Hause. Hätten die behaupteten Umstände wirklich vorgelegen, hätte die Beklagte sich zum damaligen Zeitpunkt sicher darauf berufen. Insgesamt habe die Beklagte ein äußerst schweres innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Das Schwergewicht der innerdienstlichen Verfehlungen liege dabei auf den strafbaren Handlungen, nämlich dem Diebstahl, der Urkundenfälschung, der Verletzung des Briefgeheimnisses und den beiden Kollegendiebstählen. Aber auch den Weisungsverstößen komme aufgrund ihrer Häufigkeit und Intensität erhebliche Bedeutung zu. Bei einer Gesamtabwägung aller be- und entlastenden Umstände könne von der disziplinaren Höchstmaßnahme nicht abgesehen werden. Die Beklagte habe ihr dienstlich anvertrautes Geld entwendet und um ihre Täterschaft nach außen zu verschleiern den Verdacht auf einen Kollegen gelenkt. Hierdurch habe sie eine Urkundenfälschung in einem besonders schwerem Fall begangen. Die Diebstähle der an den Kollegen W. gerichteten zwei Postsendungen stellten sich als Kollegendiebstähle, in einem Fall mit Verletzung des Briefgeheimnisses dar. Die Beklagte sei gezielt und mit erheblicher krimineller Energie vorgegangen, indem sie den Diebstahl des Geldes durch die Verwendung des Stempels des Kollegen zu kaschieren suchte. Bei den Kollegendiebstählen sei sie ihrem Plan gefolgt, dem Kollegen zu schaden und ihn zu ärgern, weil sie sich ungerecht behandelt gefühlt habe. Die der Beklagten durch ärztliches Attest ihrer behandelnden Ärztin vom 7. März 2013 bescheinigte außerordentliche Belastung durch die Demenzkrankheit ihrer Mutter begründe weder eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit noch eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit. Sowohl dem Diebstahl dienstlich anvertrauten Geldes als auch dem Kollegendiebstahl komme disziplinarisch ein besonders erhebliches Gewicht zu, das in der Regel zur Entfernung aus dem Dienst führe. Hinzu komme, dass die Beklagte bei der Wegnahme der für den Kollegen W. eingegangenen Briefsendung eine typische Alltagssituation ausgenutzt habe. Der Zugriff auf Vermögenswerte des Kollegen wiege nicht weniger schwer, weil es sich bei der einen Postsendung lediglich um einen Handyakku im Wert von 6,65 Euro und bei der anderen um ein präpariertes Fangpäckchen gehandelt habe. Dies sei für die Beklagte bei der Tatbegehung nicht zu erkennen gewesen. Selbst wenn man zu ihren Gunsten den geringen Wert der entwendeten Gegenstände mildernd berücksichtige, könne von der Höchstmaßnahme nicht abgesehen werden, da die konkrete Tatausführung und ihr sonstiges dienstliches Verhalten sie zusätzlich belasteten. Sie sei leicht einsehbaren Weisungen ihrer Dienstvorgesetzten inklusive einer Zielvereinbarung nicht nachgekommen. Auch die Versetzung in die Hauptregistratur habe zu keiner Verhaltensänderung geführt. Sie habe dort unbefugt Einblick in die Scheidungsakte eines Kollegen genommen und weisungswidrig ein erforderliches Attest nicht bzw. erst verspätet vorgelegt. Zwar spreche die bisherige disziplinarrechtliche und strafrechtliche Unbescholtenheit zugunsten der Beklagten, dies führe aber nicht dazu, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könne. Das Vertrauen in die Beklagte sei endgültig erloschen.

Ein in der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2013 gestellter Antrag, Beweis zu erheben dafür, dass bei der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum von Mitte 2009 bis Anfang 2011 eine erhebliche persönliche Überlastungs- und Ausnahmesituation durch die Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter und die Mobbingsituation am Arbeitsplatz bestanden habe, die für das Verhalten der Beklagten zumindest wesentlich mitursächlich gewesen sei, durch Einvernahme der behandelnden Ärztinnen Dr. S. und Dr. H. und Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens, wurde durch Beschluss des Verwaltungsgerichts als verspätet zurückgewiesen.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. Mai 2013 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen.

Im Rahmen der Berufungsbegründung wurde vorgetragen, dass das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt habe, dass lediglich die Dienstvergehen gemäß Ziffer 1 und 2 (der Disziplinarklage) in Rechtskraft des Berufungsurteils des Landgerichts M. I vom 9. Juli 2016 erwachsen seien, nicht jedoch Ziffer 3. Hier sei vom Landgericht M. I gemäß § 154 Abs. 2 StPO von der Strafverfolgung abgesehen worden. Auch im Hinblick auf die rechtskräftig abgeurteilten Sachverhalte (Ziff. 1 und 2) sei keine Bindungswirkung gemäß Art. 25 und 55 BayDG eingetreten, da es zu einer strafrechtlichen Verurteilung der Beklagten wegen dieser Vorfälle nur aufgrund einer Verfahrensabsprache gemäß § 257c StPO gekommen sei. Ein eigentliches Geständnis im klassischen Sinn habe im strafgerichtlichen Verfahren nicht vorgelegen. Das Verwaltungsgericht habe auch unberücksichtigt gelassen, dass die Eingangstempel in der Posteinlaufstelle nicht dauerhaft zugeordnet gewesen, sondern jeden Morgen neu verteilt worden seien. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass es bei den Eintragungen der Stempelnummern in Bezug auf die Bediensteten zu Verwechslungen gekommen sei. Der Verletzung des Briefgeheimnisses müsse die unzulässige Handhabung des Kollegen gegenübergestellt werden, sich private Warensendungen an den Arbeitsplatz liefern zu lassen. Vor der angeblichen Entwendung einer präparierten Warensendung ohne Inhalt sei es zu einer erheblichen Provokation der Beklagten durch den betroffenen Kollegen gekommen, zudem habe sie keinesfalls in Zueignungsabsicht gehandelt. Die Überlegung des Verwaltungsgerichts, den Milderungsgrund des Unterschreitens der Geringwertigkeitsschwelle wegen der Begleitdelikte (Urkundenfälschung, Verletzung des Briefgeheimnisses) auszuschließen, greife daher zu kurz. Die die Beklagte entlastenden Gesichtspunkte wie die bisherige Unbescholtenheit und die letzte dienstliche Beurteilung mit 10 Punkten hätten in der Prognoseentscheidung keine ausreichende Berücksichtigung gefunden. Diese genüge deshalb insgesamt nicht den durch das Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Anforderungen. So könne es bei einem einmaligen Fehlverhalten (Zugriffsdelikt) ohne belastende Begleitumstände mit einem begrenzten Schaden ernsthaft in Betracht kommen, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen. Das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung in fehlerhafter Weise auch nicht berücksichtigt, dass die der Beklagten vorgeworfenen Zugriffsdelikte durch eine gravierende Mobbingsituation gegen die Beklagte mit einem ihr gegenüber verbundenen Aggressionsverhalten sowie durch ihre persönliche Überlastung zumindest mitverursacht sein könnten. Für die prognostische Gesamtwürdigung hätte die Motivlage der Beklagten miteinbezogen werden müssen. Die Beklagte sei auch wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter in einer persönlichen Überlastungs- und Ausnahmesituation gewesen, die ihre Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt der vorgehaltenen Vorfälle eingeschränkt habe. Zum Beweis seien ärztliche Atteste vorgelegt worden. Zudem werde auf die Stellungnahme der die Beklagten nunmehr behandelnden Therapeutin vom 3. September 2013 verwiesen. Ohne Begründung habe das Verwaltungsgericht eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit bzw. eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit der Beklagten verneint. Ein entsprechender Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sei ebenfalls ohne Begründung als verspätet zurückgewiesen worden.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend von der Bindungswirkung der Feststellungen im Strafurteil des Landgerichts M. I ausgegangen, zumal Zweifel an der Richtigkeit nicht bestünden. Die strafrechtlich rechtskräftig abgeurteilten Sachverhalte habe die Beklagte auch eingeräumt. Auch im Hinblick auf die weiteren Sachverhalte sei die Beklagte im Wesentlichen geständig gewesen, die Verfahrensabsprache wirke sich nicht auf die Bindungswirkung der Feststellungen aus. Das Verwaltungsgericht habe eine sorgsame Abwägung vorgenommen und das sonstige Verhalten der Beklagten bei der Tatausführung einfließen lassen. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit eine Mobbingsituation, die im Übrigen auch nicht näher dargelegt worden sei, eine Einschränkung der Steuerungsfähigkeit zur Folge gehabt haben soll. Die von der Beklagten vorgebrachte außergewöhnliche Belastung durch die Demenzkrankheit ihrer Mutter könne weder eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit noch eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit begründen. Hiervon sei auch das Landgericht M. I in seinem rechtskräftigen Urteil ausgegangen. Das Verwaltungsgericht sei dem Beweisantrag deshalb zu Recht nicht nachgekommen. Im Übrigen sei nicht ansatzweise dargetan, worauf die angeblich verminderte Schuldfähigkeit der Beklagten - gemessen an den vier Eingangskriterien der Vorschrift des § 20 StGB - beruhen sollte. Hierzu treffe die Stellungnahme der behandelnden Psychotherapeutin vom 3. September 2013 ebenso wenig eine Aussage, wie zum Grad einer solchen Erkrankung bzw. Störung.

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2014 hat der Senat die Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet zu den Fragen,

- ob bei der Beklagten im Zeitraum von Mitte 2009 bis Anfang 2011 mindestens eines der in § 20 StGB genannten Krankheitsbilder vorgelegen hat und deswegen ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen oder erheblich vermindert war (§§ 20, 21 StGB).

- Falls ja: Ob dieses erfolgreich behandelt wurde und ähnliche Pflichtverstöße nicht mehr eintreten werden.

- Falls nein: Kam der Zustand der Beklagten in diesem Zeitraum der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nahe und hat sie diese schwierige Lebensphase nunmehr vollständig überwunden, so dass ähnliche Pflichtverstöße nicht mehr eintreten werden.

Laut Gutachten von Prof. Dr. W. vom 1. September 2015 wurde festgestellt, dass bei der Beklagten eine mittelgradige depressive Episode bestehe, sich aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Aufhebung oder Minderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Beklagten im Zeitraum der Tathandlungen ergäben. Die psychosoziale Situation der Beklagten habe sich im Jahr 2010 aufgrund der Doppelbelastung durch die Veränderungen am Arbeitsplatz und die Versorgung der demenzkranken Mutter zwar als sehr schwierig dargestellt, ob dieser Zustand jedoch einer Minderung der Steuerungsfähigkeit gleichgekommen sei, müsse aus psychiatrischer Sicht mangels objektivierbarer Angaben und fehlender ärztlicher Unterlagen offenbleiben. Dagegen spreche das von der Beklagten in der Untersuchung eingeräumte normalpsychologisch erklärbare Motiv der Unzufriedenheit und Missachtung am Arbeitsplatz.

Mit Schriftsatz vom 6. November 2015 ließ die Klägerin sowohl formale als auch materielle Mängel des Gutachtens geltend machen. Das Gutachten sei nicht ordnungsgemäß erstellt worden, die in Bezug genommenen Zusatzgutachten würden nicht in unterschriebener Form vorliegen, sondern lediglich zitiert. Es könne deshalb nicht beurteilt werden, ob diese vollständig und sinngemäß wiedergegeben seien. Die Ausführungen zur Motivlage der Beklagten würden eine unhaltbare Vermutung darstellen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts S. vom 15. September 2015 (2 Ds 47 Js 40515/14) wurde die Beklagte wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen à 20,-- Euro verurteilt.

Folgender Sachverhalt lag zugrunde:

1. Am 20.7.2014 gegen 20:00 Uhr nahm die Angeklagte in der S-Bahn Linie S 8 (Zug-Nr. 6894) in Fahrtrichtung H., zwischen den Haltepunkten S. und S.-H. den vom Geschädigten N... auf der Gepäckanlage vergessenen Rucksack der Marke Deuter an sich. Im Rucksack befand sich eine Digitalkamera der Marke Nikon P520 und weiße Kopfhörer der Marke WESC. Außerdem befand sich ein Anaphylaxie Notfallset mit einer Bestätigung des Hausarztes und Name und Adresse des Geschädigten im Rucksack. Die Angeklagte verließ die S-Bahn an der Haltestelle S.-H. und stieg in den zweiten Wagenteil, um den Rucksack samt Inhalt im Gesamtwert von ca. 400 Euro für sich zu behalten.

2. Am 28.9.2014 gegen 17:45 Uhr nahm die Angeklagte in der S-Bahn Linie S 8 in Fahrtrichtung H. zwischen den Haltepunkten S. und S.-H. die schwarze Tasche der Geschädigten S. an sich und verließ die Bahn an der Haltestelle S.-H., um die Tasche samt Inhalt für sich zu behalten. Die Geschädigte hatte zuvor den Sitzplatz gewechselt und die Tasche am ursprünglichen Platz vergessen. In der Tasche befand sich ein rosa Dirndl, zwei Paar Schuhe, eine Strickjacke, ein Lebkuchenherz, sowie eine Getränkeflasche im Gesamtwert von ca. 200 Euro.

Aufgrund dieser Sachverhalte wurde mit Verfügung vom 27. Januar 2015 durch den Präsidenten des Amtsgerichts M. ein weiteres Disziplinarverfahren gegen die Beklagte eingeleitet.

Der Senat hat am 11. Mai 2016 mündlich zur Sache verhandelt. Hierzu wird auf die Niederschrift verwiesen.

V. Ergänzend wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen. Dem Senat haben diesbezüglich die Strafakten der Staatsanwaltschaft M. I sowie die Disziplinarakten und Personalakten vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) verhängt.

I. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht - wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - keine Mängel auf. Solche sind auch vom Beklagten im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

II.Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts erwiesen.

1. Der der Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte Sachverhalt (Ziffer 1 und 2 der Disziplinarklage), wie er dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts vom 9. Juli 2012 zugrunde liegt, steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 HS. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im Berufungsverfahren bindend.

Der Bindung unterliegen die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts, die den objektiven und subjektiven Tatbestand der verletzten Strafnorm, die Rechtswidrigkeit der Tat, das Unrechtsbewusstsein (§ 17 StGB) sowie die Frage der Schuldfähigkeit gemäß § 20 StGB betreffen. Hierzu gehören nicht nur die äußeren Aspekte des Tathergangs, sondern auch die Elemente des inneren Tatbestands wie etwa Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie Zueignungs- oder Bereicherungsabsicht (BayVGH, U. v. 12.3.2013 - 16a D 11.624 - juris Rn. 36).

Aufgrund des Urteils des Landgerichts M. vom 9. Juli 2012 steht fest, dass die Beklagte die Diebstähle unter Ziff. 1 und 2 - einmal in Tateinheit mit Urkundenfälschung, einmal in Tateinheit mit einer Verletzung des Briefgeheimnisses - begangen hat (§§ 202 Abs. 1 Nr. 1, 205, 242 Abs. 1, 248 a, 267 Abs. 1 und 3 Satz 2 Ziff. 4, 52, 53 StGB). Sie entwendete dienstlich anvertrautes Geld in Höhe von 30,- Euro unter Verwendung eines dem Kollegen zugewiesenen Stempels, um über die Person des den Brief öffnenden Beamten zu täuschen, und nahm unter Verletzung des Briefgeheimnisses eines Kollegen dessen Warensendung in Form eines Handyakkus an sich. Diese tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts M. vom 11. Januar 2012 sind aufgrund der Beschränkung der Berufung auf die Rechtsfolgen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht M. I am 9. Juli 2012 rechtskräftig geworden. Hierauf wurde im Berufungsurteil ausdrücklich Bezug genommen (... Infolge der Berufungsbeschränkung stehen der Sachverhalt hinsichtlich der Fälle 1 und 2 sowie der Schuldspruch rechtskräftig fest. Insoweit wird auf die Ausführungen des Urteils des Amtsgerichts M. verwiesen ...). Die Ausführungen der Beklagten zu einer möglichen Verwechslung bei der Verwendung der Stempel bzw. zur Verletzung des Briefgeheimnisses gehen deshalb ins Leere.

Der Senat hat keinen Anlass, sich aufgrund des Vorbringens der Beklagten von den Feststellungen des Strafgerichts zu lösen (Art. 55 HS. 2 i. V. m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Die Disziplinargerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils i. S. d. Art. 25 Abs. 1 BayDG zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn diese offenkundig unrichtig sind und sie daher „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtsstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen in Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Hierunter fällt auch, wenn dem Strafurteil eine Urteilsabsprache zugrunde liegt, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügt (BayVGH, B. v 21.1.2015 - 16a D 13.1904 - juris Rn. 60 m. w. N.). Eine Bindungswirkung ist jedoch nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil das Berufungsurteil im Hinblick auf die Rechtsfolgen auf einer Verfahrensabsprache gemäß § 257 c StPO beruht. Substantiierte rechtliche Beanstandungen hat die Beklagte diesbezüglich nicht vorgetragen (BVerwG v. 26.8.2010 - 2 B 43/10 - juris Rn. 6). Eine Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen ergibt sich aufgrund der Rechtsfolgenbeschränkung bereits aus dem erstinstanzlichen Urteil.

2. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Beklagte auch den unter Ziff. 3 der Disziplinarklage vorgeworfenen Diebstahl begangen hat.

Aus den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts M. im Urteil vom 11. Januar 2012 ergibt sich, dass die Beklagte am 15. Juni 2010 ein an ihren Kollegen W. persönlich adressiertes Päckchen ohne Inhalt entwendet hat, um es für sich zu behalten. Zwar erlangten diese tatsächlichen Feststellungen mangels ausdrücklicher Berufungsbeschränkung auf die Rechtsfolgen und anschließender Einstellung vor dem Landgericht M. I in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2012 gemäß § 154 Abs. 2 StPO keine Bindungswirkung gem. Art. 25 Abs. 1 BayDG. Diese Feststellungen können aber gemäß Art. 25 Abs. 2, 55, 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG zugrunde gelegt werden (Zängl, Kommentar zum BayDG, Stand: Februar 2011, Art. 25 Rn. 20) und entfalten eine indizielle Wirkung.

Der Sachverhalt wurde im Rahmen des erstinstanzlichen Strafverfahrens und der Gutachtenserstellung durch die Beklagte auch eingeräumt. Ihren Vortrag, sie habe lediglich einen Scherz mit ihrem Kollegen W. machen wollen, hält der Senat angesichts der Zeugenaussagen vor dem Amtsgericht M. und dem eigenen Vorbringen der Beklagten für nicht glaubwürdig. Nach den Aussagen der drei Zeugen W., R. und D. trug die Beklagte ersichtlich ein Päckchen in Ihrer Hosentasche. Auf den Inhalt ihrer Hosentasche angesprochen, entleerte sie diese nur zögerlich und zog erst auf Nachfrage das fragliche Päckchen hervor. Bereits zuvor war die Beklagte vom Zeugen W. auf den Verlust des Päckchens angesprochen worden, ohne sich als dessen Besitzerin zu erkennen zu geben. Ein solches Verhalten spricht - auch angesichts des von der Beklagten geschilderten angespannten Verhältnisses mit dem Kollegen W. - ersichtlich nicht für einen Scherz. Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 7. Mai 2013 und der Begutachtung durch Prof. Dr. W. selbst zugegeben, dass sie am fraglichen Tag auf den Kollegen W. sauer gewesen sei. Er habe sie aus ihrer Sicht zu Unrecht angeschrien und bei der Gruppenleiterin hingehängt. Sie habe dann den Entschluss gefasst, ihm eine reinzuwürgen. Sie wollte ihn ärgern. Als Reaktion habe sie die Warensendung an sich genommen (Sitzungsprotokoll des VG M. vom 13. Mai 2013, S. 4).

Die sonstigen unter Ziff. 4 - 12 (der Disziplinarklage) aufgeführten Sachverhalte wurden von der Beklagten nicht substantiiert bestritten bzw. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im Wesentlichen eingeräumt. Insbesondere mit dem unter Ziffer 4, 5, 6, 7, 8 und 10 (in Verbindung mit einer Zielvereinbarung vom 20.12.2004) dargestellten Verhalten hat die Beklagte erhebliche Weisungsverstöße begangen. Mehrfach wurde sie darauf hingewiesen, dass sie gemäß § 6 Abs. 1 der Dienstanweisung für die gemeinsamen Eingangsstellen der Justizbehörden in M. vom 30. Juni 2006 grundsätzlich alle dienstlichen Eingänge - auch Abdrucke -mit dem Eingangsstempel zu versehen hat. Dies wurde auch in den monatlichen Besprechungen immer wieder thematisiert. Gleichwohl kam sie in ca. 90 Prozent der Fälle dieser Anordnung nicht nach, obwohl sie im Juni 2010 nochmals auf die Dienstanweisung hingewiesen wurde. Die Anweisung nach § 8 Abs. 3 der Dienstanweisung für die gemeinsamen Eingangsstellen der Justizbehörden in M., wonach der Eingang von Zahlungsmitteln, die den Eingängen beiliegen, neben dem Eingangsstempel mit Unterschrift zu bescheinigen ist, wurde von der Beklagten ebenfalls dauerhaft missachtet. An das Verbot, private Kopien zu fertigen, private Telefonate zu reduzieren bzw. sich private Postsendungen an die Dienstadresse zustellen zu lassen, hielt sie sich eben so wenig wie an die Zielvereinbarung vom 20. Dezember 2004, wonach sie täglich eine frischgewaschene Dienstbluse anzuziehen und die Diensthose spätestens nach 3 Tagen zu wechseln, ausreichend zu lüften und regelmäßig zu reinigen habe. Vom 15. Februar bis 22. Februar 2011 erschien die Beamtin weder zum Dienst noch zeigte sie ihre Dienstunfähigkeit an (Ziff. 12 der Disziplinarklage). Auch ein Attest wurde nicht vorgelegt. Zudem verwandte sie auf ihrem privaten Handy einen als verfassungsfeindlich einzustufenden Handyrufton (Hitlergruß; Ziff. 9 der Disziplinarklage) und teilte einem Kollegen mit, sie säße (angesichts ihrer Tätigkeit in der Registratur) gerade über dessen Scheidungsakten (Ziff.11 der Disziplinarklage).

III. Die Beklagte hat durch ihr Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen i. S. d. § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen, weil sie schuldhaft ihr obliegende Dienstpflichten verletzt hat. Sie hat dadurch gegen ihre Grundpflicht zur Achtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, §§ 202 Abs. 1 Nr. 1, 205, 242 Abs. 1, 248 a, 267 Abs. 1 und 3 Satz 2 Ziff. 4, 52, 53 StGB) sowie gegen ihre Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf (§ 34 Satz 1 BeamtStG), ihre Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung (§ 34 Satz 2 BeamtStG), ihre Pflicht, dienstlichen Anweisungen ihrer Vorgesetzen Folge zu leisten (§ 35 S. 2 BeamtStG i. V. m. der Dienstanweisung für die gemeinsamen Eingangsstellen der Justizbehörden in M. vom 30. Juni 2006 und § 21 UrlVO), ihre Pflicht, sich ihrem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (§ 37 Abs. 1 BeamtStG), verstoßen.

IV. Das Fehlverhalten der Beklagten wiegt schwer i. S. v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat - auch unter Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds der Beklagten und ihr bisherigen dienstlichen Verhaltens - darüber hinaus die Folge, dass die Beklagte das Vertrauen sowohl des Dienstherrn als auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Unter diesen Voraussetzungen ist aber nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen.

Der Senat folgt hinsichtlich der Zumessungskriterien des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris) zu § 13 BDG (BayVGH U. v. 23.9.2009 - 16a D 07.2355 - juris; U. v. 15.2.2012 - 16a D 10.1974; U. v. 21.1.2015 - 16a D 13.1904, Rn. 82, 83 - jeweils in juris).

1. Welche Disziplinarmaßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung, wobei Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG regelmäßig aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen sind. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung haben die Gerichte zunächst im Einzelfall bemessungsrelevante Tatsachen zu ermitteln und sie mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot). Die gegen die Beamtin ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller belastender und entlastender Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden der Beamtin stehen (vgl. BVerwG, B. v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 - juris Rn. 18).

Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen der Beamtin für ihr pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, B. v. 10.12.2015 - 2 C 6/14 - juris Rn. 16; B. v. 11.2.2014 - 2 B 37/12 - juris Rn. 20; B. v. 25.5.2012 - 2 B 133.11 - juris Rn. 9 mit weiteren Nachweisen), insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris).

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es - etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder gar einer psychischen Ausnahmesituation - davon abweicht (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 14).

Der Gesichtspunkt der „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens der Beamtin im Hinblick auf ihren allgemeinen Status, ihren Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und ihre konkret ausgeübte Funktion (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 15).

Bei der Anwendung des Bemessungskriteriums „Schwere des Dienstvergehens“ ist das festgestellte Dienstvergehen nach seinem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Hierbei können die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeitete Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 20).

2. Fallen einem Beamten - wie hier - mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U. v. 13.7.2011 - 16a D 09.3127 - juris), also vorliegend nach den innerdienstlichen Diebstählen, die sogenannte „Zugriffsdelikte“ darstellen.

Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (grundlegend BVerwG, U. v. 20.10.2005 - 2 C 12.04, U. v. 24.5.2007 - 2 C 28.06 - jeweils in juris.)

Für einen Beamten, der auf dienstlich anvertrautes oder zugängliches Gut zugreift - also unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung (z. B. Betrug, Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung) ein sog. „Zugriffsdelikt“ begeht, galt aufgrund der Rechtsprechung des erkennenden Senats und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der Schwere dieser Dienstvergehen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich als Richtschnur für die Maßnahmebestimmung (BVerwG, U. v. 10.1.2007 - 1 D 15.05; U. v. 11.6.2002 - 1 D 31.01 - jeweils in juris). Hat sich der Beamte bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergriffen, die als dienstlich anvertraut seinem Gewahrsam unterliegen, ist ein solches Dienstvergehen regelmäßig geeignet, das Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit zu zerstören (BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 - juris). Da die Verwaltung im Umgang mit öffentlichem und amtlich anvertrautem Gut auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten in hohem Maße angewiesen ist und eine lückenlose Kontrolle eines jeden Beamten nicht möglich ist, muss derjenige, der diese Vertrauensgrundlage zerstört, mit einer Auflösung seines Beamtenverhältnisses rechnen (BVerwG, B. v. 20.12.2011 - 2 B 64.11 - juris Rn. 11; BayVGH, U. v. 9.12.2015 - 16b D 14.642 - juris Rn. 40).

Ein solches Fehlverhalten im Kernbereich der dienstlichen Aufgaben liegt hier in der Entwendung der dienstlichen Gelder in Höhe von 30,- Euro aus der an die Gerichtsvollzieher-Verteilerstelle des Amtsgerichts M. gerichteten Postsendung am 16. Februar 2010. Gleiches gilt für die zwei Kollegendiebstähle, welche nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Schwere im Grundsatz der Veruntreuung amtlich anvertrauter Gelder vergleichbar sind, da ein solcher Diebstahl gegenüber Kollegen das Betriebsklima vergiftet und den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise stört (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris Rn. 21). In diesen Fällen der sog. „Zugriffsdelikte“, war bisher die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme. So auch im vorliegenden Fall der Beklagten.

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (2 C 6.14 - juris) klargestellt, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgebe; bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen sei vielmehr ebenfalls die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der gesetzlich vorgesehenen Disziplinarmaßnahmen am gesetzlich bestimmten Strafrahmen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleiste die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Hiervon ausgehend ergibt sich im Fall der Beklagten keine abweichende Beurteilung:

Im Hinblick auf die von der Beklagten verwirklichten Delikte ist vorliegend grundsätzlich die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten.

Die Strafgerichte haben die Beklagte vorliegend wegen eines Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung und wegen Diebstahls in Tateinheit mit der Verletzung des Briefgeheimnisses gem. §§ 202 Abs. 1 Nr. 1, 205, 242 Abs. 1, 248 a, 267 Abs. 1 und 3 Satz 2 Ziff. 4, 52, 53 StGB bestraft. Zudem wurde ein weiterer Diebstahl tatbestandlich festgestellt, aber im Berufungsverfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Sowohl nach § 242 Abs. 1 StGB (Diebstahl) als auch nach § 267 StGB (Urkundenfälschung) reicht der Strafrahmen bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu fünf Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U. v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20).

Vorliegend hat die Beklagte den Kernbereich ihrer dienstlichen Pflichten verletzt, indem sie in einem Fall dienstlich anvertrautes Geld entwendete, wobei sie durch die Verwendung eines ihr nicht zugewiesenen Stempels zumindest in Kauf nahm, den Verdacht auf einen jungen Kollegen zu lenken, und damit zusätzlich noch den Tatbestand einer Urkundenfälschung verwirklichte. Im anderen Fall brachte sie unter Verletzung des Briefgeheimnisses eine an den Kollegen W. gerichtete Warensendung an sich. Ein weiteres an denselben Kollegen gerichtetes Päckchen steckte sie in ihre Hosentasche. Der Senat geht davon aus, dass ein solches Verhalten grundsätzlich geeignet ist, das Vertrauensverhältnis in unheilbarer Weise zu zerstören. Dienstherr und Allgemeinheit müssen sich im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auf die Ehrlichkeit der mit dienstlichen Geldern oder Gütern betrauten Beamten verlassen können.

Bei der Einordnung des Dienstvergehens der Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene erhebliche Freiheitsstrafe von acht Monaten - zur Bewährung ausgesetzt - zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (nunmehr BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O. Rn. 24; U. v. 18.6.2015 - 2 C 9.14 - juris Rn. 38f.).

3. Von der Höchstmaßnahme ist zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abzusehen, wenn ein - ursprünglich vom Bundesverwaltungsgericht zu den Zugriffsdelikten entwickelter - sog. „anerkannter“ Milderungsgrund vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen und psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 38/10 - juris Rn. 13).

Diese Milderungsgründe stellen jedoch keinen abschließenden Kanon der bei Dienstvergehen berücksichtigungsfähigen Entlastungsgründe dar. Bei der prognostischen Frage, ob gegenüber einem Beamten aufgrund eines schweren Dienstvergehens ein endgültiger Vertrauensverlust eingetreten ist, gehören zur Prognosebasis außerdem alle für diese Einschätzung bedeutsamen belastenden und entlastenden Ermessensgesichtspunkte, die in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen sind. Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht anerkannter Milderungsgründe vergleichbar ist. Entlastungsmomente können sich dabei aus allen denkbaren Umständen ergeben. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Schadenshöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Sie sind bereits dann mit einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände (BVerwG, U. v. 6.6.2007 - 1 D 2.06 - juris). Bei schweren Dienstvergehen stellt sich dann vorrangig die Frage, ob der Beamte nach seiner gesamten Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist.

Die Beklagte kann sich vorliegend nicht mit Erfolg auf einen der „anerkannten“ Milderungsgründe berufen.

3.1 Der in der Rechtsprechung entwickelte „anerkannte“ Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt bei der Beklagten nicht zum Tragen. Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248 a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit bei etwa 50,- Euro anzusetzen (BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O. Rn. 26; U. v. 25.7.2013 - 2 C 63.11 - Rn. 16), wobei bei einmaligem Fehlverhalten auch 200,- Euro als Grenze in Betracht kommen kann (BVerwG, B. v. 23.2.2012 - 2 B 143.11 - juris). Diese Grenzen sind vorliegend zwar nicht überschritten, jedoch greift ein solcher Milderungsgrund nur unter der Voraussetzung, dass der Beamte nicht durch sein sonstiges Verhalten oder die konkrete Tatausführung zusätzlich belastet ist und, dass durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Schutzgüter verletzt worden sind (BVerwG, U. v. 8.4.2003 - 1 D 27/02 - juris Rn. 21). Im vorliegenden Fall wird das Unrechtsbewusstsein der Beklagten nämlich nicht durch den Wert der entwendeten Sache - der vorliegend dem Zufall überlassen blieb - bestimmt, sondern durch äußere Umstände der Tatbegehung (BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O. Rn. 29). Vorliegend hat die Beklagte drei Diebstähle, einmal einhergehend mit der Verletzung des Briefgeheimnisses und einmal einhergehend mit einer Urkundenfälschung, begangen. Damit wird der Milderungsgrund der Geringwertigkeit des entwendeten Geldes entkräftet, weil über die Zugriffsdelikte hinaus weitere Schutzgüter verletzt worden sind. Im Rahmen der konkreten Tatausführung ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit der Verwendung eines fremden Stempels zumindest in Kauf genommen hat, den Verdacht auf einen Kollegen zu lenken. Als erschwerende Umstände, die die weitere Vertrauenswürdigkeit ausschließen, gelten auch wiederholte Diebstähle über einen Zeitraum von mehreren Monaten (Zängl, Kommentar zum BayDG, Stand: Oktober 2013, MatR II, Rn. 324 e).

Der Umstand, dass es sich bei der dritten Diebstahlshandlung, die letztendlich im Berufungsverfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, um ein präpariertes Päckchen ohne Inhalt handelte, kann im Hinblick auf die Geringwertigkeit keine Rolle spielen. Hiervon hatte die Beklagte im Zeitpunkt der Tathandlung keine Kenntnis. Darüber hinaus hätte die Berücksichtigung der Geringwertigkeit bei der Einschleusung eines präparierten Päckchens in den Postverlauf bei bereits bestehendem Verdacht zur Folge, dass je nach Wert der Einlage die Grenze zur Geringwertigkeit und damit die Disziplinarmaßnahme steuerbar wäre (vgl. BayVGH, U. v. 9.12.2015 a. a. O. Rn. 47).

3.2 Die Voraussetzungen einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB als weiterer „anerkannter“ Milderungsgrund liegen ebenfalls nicht vor. Ist - wie hier - die Frage der Schuldunfähigkeit mit bindender Wirkung im Strafurteil verneint worden, bleibt es Sache des erkennenden Gerichts, für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme festzustellen, ob ein Fall verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gegeben ist und welchen Grad die Minderung gegebenenfalls erreicht. Auf Feststellungen, die für diese Frage Bedeutung haben, erstreckt sich die Bindungswirkung eines Strafurteils nicht (vgl. BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris).

Eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass die Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung „erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur der Betroffenen, ihres Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris m. w. N.). Angesichts dessen wird eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit bei Zugriffsdelikten und diesen gleichgestellten Delikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden (BVerwG, U. v. 3.5.2007 - 2 C 30.05 - juris Rn. 36; BayVGH, U. v. 20.4.2016 - 16a D 14.938 - juris Rn. 66). Gerade bei der Verletzung einer leicht einsehbaren innerdienstlichen Kernpflicht muss nämlich von dem Beamten im Hinblick auf die Bedeutung dieser Pflicht für das öffentlichrechtliche Dienst- und Treueverhältnis erwartet werden, dass er trotz der verminderten Schuldfähigkeit noch genügend Widerstandskraft gegen eine Verletzung dieser Pflicht im Dienst aufbringt. Die Erheblichkeitsschwelle liegt in solchen Fällen also höher als bei anderen Pflichtverletzungen (OVG Lüneburg, U. v. 22.3.2016 - 3 LD 1/14 - juris Rn. 100).

Bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Fähigkeit des Beamten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB erheblich gemindert war, so muss das Verwaltungsgericht die Frage einer Minderung der Schuldfähigkeit des Beamten aufklären (BVerwG, B. v. 28.1.2015 - 2 B 15.14 - juris Rn. 18). Gegebenenfalls muss also geklärt werden, ob der Beamte im Tatzeitraum an einer seelischen Störung im Sinne von § 20 StGB gelitten hat, die seine Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, vermindert hat. Hierfür bedarf es in der Regel besonderer medizinischer Sachkunde. Erst wenn die seelische Störung und ihr Schweregrad feststehen oder entsprechende Beeinträchtigungen nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" nicht ausgeschlossen werden können, kann beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit vorliegen. Denn von den Auswirkungen der krankhaften seelischen Störung auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Bezug auf das Verhalten der Beamtin hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit einer verminderten Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 StGB ab.

Der Senat geht vorliegend davon aus, dass eine psychische Erkrankung (depressive Störung) der Beklagten - wenn sie überhaupt bereits zum Zeitpunkt der vorgehaltenen Taten vorgelegen hat - nicht im Sinne des § 21 StGB geeignet war, die Steuerungsfähigkeit der Beklagten einzuschränken. Er folgt insofern dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Prof. Dr. W. vom 1. September 2015, der sich mit dieser Frage dezidiert befasst und sie nachvollziehbar verneint hat.

Aufgrund des Vorbringens der Beklagten bestand hinreichender Anlass, der entscheidungserheblichen Frage der Verminderung der Schuldfähigkeit der Beklagten zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlungen nachzugehen. Im Gutachten wird jedoch ausgeführt, dass sich ausreichende Anhaltspunkte für eine Aufhebung oder Minderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit der Beklagten im Zeitraum der Tathandlungen nicht ergeben hätten. Zwar sei bei der Beklagten zum Untersuchungszeitpunkt im Jahr 2015 eine mittelgradige depressive Symptomatik festzustellen, die sich wahrscheinlich bereits in den letzten Jahren entwickelt habe, insbesondere in der Zeit der Doppelbelastung mit Veränderung des Arbeitsplatzes sowie Versorgung der erkrankten Mutter. Somit lasse sich zumindest ab dem 2. Halbjahr 2013 sicher das Vollbild einer depressiven Störung erkennen, was auch durch die Angaben der die Beklagte ambulant betreuenden psychologischen Psychotherapeutin G. vom 3. September 2013 bestätigt werde. Für die Jahre davor, insbesondere für den Zeitpunkt der Straftaten (Februar bis Juni 2010), ließen sich mangels Unterlagen bzw. Angaben der Beklagten jedoch keine gesicherte Aussagen über das Vorliegen einer depressiven Störung treffen. Aus psychiatrischneurologischer Sicht bestünden allerdings keine Anhaltspunkte für eine zugrunde liegende psychische Erkrankung, welche die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit der Beklagten bei Begehung der Tathandlungen im Jahr 2010 hätte beeinflussen können. Zudem sei das Verhalten der Beklagten im Zeitpunkt der Tathandlungen von Aktivität dominiert gewesen, eine schwere depressive Störung würde jedoch eher Passivität erwarten lassen. Auch im Hinblick auf die im Jahr 2014 neu bekannt gewordenen Straftaten sei trotz der zu diesem Zeitpunkt gesicherten mittelgradigen Ausprägung einer depressiven Erkrankung eine Auswirkung auf die Einsicht- und Steuerungsfähigkeit der Beklagten unwahrscheinlich. Aus dem Gutachten ergibt sich weiter, dass die Beklagte zwar über eine passivaggressive sowie paranoide Persönlichkeitsstrukturierung verfüge, diese jedoch keinesfalls den Schweregrad einer klinisch manifesten und relevanten Persönlichkeitsstörung erreiche. Bei der Beklagten zeige sich aus dem Gefühl der Unzufriedenheit und persönlichen Missachtung am Arbeitsplatz ein aus Gutachtersicht normalpsychologisch erklärbares Verhalten, welches definitions- und erfahrungsgemäß nicht von einer Person mit einem schweren depressiven Syndrom gezeigt werde.

Soweit die Beklagte hierin unhaltbare Vermutungen zu ihrer Motivlage sieht und insoweit Mängel am Gutachten vom 1. September 2015 aufzeigen will, kann sie nicht durchdringen. Die diesbezüglichen Ausführungen von Prof. Dr. W. dienen im Rahmen des Gutachtensauftrags gerade dazu, das Verhalten der Beklagten als Ausdruck einer eher passivaggressiven sowie paranoiden Persönlichkeitsakzentuierung von einer ebensolchen Persönlichkeitsstörung abzugrenzen. Diese Einschätzungen stellen den Kernbereich des psychiatrischen Gutachtens dar.

Das Gutachten vom 1. September 2015 ist auch ordnungsgemäß erstellt worden. Der gerichtliche Sachverständige ist nicht verpflichtet, sämtliche für die Begutachtung notwendige Tätigkeiten persönlich vorzunehmen, sondern darf bei der Vorbereitung und Abfassung des schriftlichen Gutachtens geschulte und zuverlässige Hilfskräfte sowie wissenschaftliche Mitarbeiter - insbesondere zu einzelnen Untersuchungen - heranziehen. Die Mitwirkung geeigneter Hilfspersonen muss jedoch die volle persönliche Verantwortung des gerichtlich ernannten Sachverständigen wahren (BVerwG, U. v. 9.3.1984 - 8 C 97/83 - juris 23 ff.) Die Erstellung des vom erkennenden Senat eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens hält sich ersichtlich in diesem Rahmen. Prof. Dr. W. hat die volle Verantwortung für das erstattete Gutachten übernommen, indem er die in Bezug genommenen Zusatzgutachten ins Gutachten übernommen und seiner Unterschrift die Worte „Einverstanden aufgrund eigener Urteilsbildung“ vorangesetzt hat. Dies entspricht der gängigen Praxis. Die Vorlage der einzelnen Zusatzgutachten in unterschriebener Form bedurfte es deshalb nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die Zusatzgutachten nicht ordnungsgemäß im Gutachten von Prof. Dr. W. wiedergegeben wurden, sind nicht ersichtlich und wurden von der Beklagten auch nicht vorgetragen.

3.3 Schließlich kommt auch der „anerkannte“ Milderungsgrund der „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ der Beklagten nicht zugute. Dieser setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Taten ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind (BVerwG, U. v. 3.5.2007 - 2 C 9.06; U. v. 10.12.2015 a.a.O - jeweils in juris). Die Überwindung einer im Zeitpunkt der Pflichtverletzung bestehenden negativen Lebensphase kann sich mildernd bei der Maßnahmebemessung auswirken, wenn davon ausgegangen werden kann, dass sich die Lebenssituation der Beamtin inzwischen gefestigt hat und sie sich künftig - ggf. in einem anderen Amt - pflichtgemäß verhalten wird. Erforderlich dabei ist, dass außergewöhnliche Verhältnisse vorlagen, die die Beklagte zeitweilig aus der Bahn geworfen haben. Hinzukommen muss, dass sie die negative Lebensphase in der Folgezeit überwunden hat (BVerwG, B. v. 9.10.2014 - 2 B 60.14; B. v. 20.12.2013 - 2 B 35/13 - jeweils in juris).

Davon ausgehend, dass die negativen Lebensumstände eine gravierende Ausnahmesituation begründen müssen, die über das hinausgeht, was an familiären und finanziellen Schwierigkeiten grundsätzlich jeden treffen kann (BayVGH, U. v. 30.1.2013 - 16b D 12.71 - juris; U. v. 20.4.2016 a. a. O. Rn. 72), hat der Senat bereits erhebliche Zweifel, dass sich die Beklagte auf das Vorliegen einer solchen Phase berufen kann. Selbst wenn vor dem Hintergrund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den sog. Zugriffsdelikten (BVerwG, U. v. 10.12.2015 a. a. O.) nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass ein Zugriffsdelikt in der Regel die Entfernung aus dem Dienst nach sich zieht, ist vorliegend - zumindest aufgrund der Verletzung im Kernbereich der dienstlichen Pflichten - davon auszugehen, dass nur individuelle Extremsituationen disziplinarisch relevant sein können (BayVGH, U. v. 29.7.2015 - 16b D 13.778 - juris Rn. 65; U. v. 20.4.2016 a. a. O. Rn. 72). Ob eine solche bei der Beklagten, die sich zweifellos wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Mutter in einer persönlichen Überlastungs- und Ausnahmesituation befunden hat, tatsächlich vorlag, kann nach Auffassung des Senats aber dahingestellt bleiben. Aufgrund der weiteren von der Beklagten am 20. Juli 2014 und 28. September 2014 begangenen Diebstähle geht der Senat davon aus, dass die negative Lebensphase der Beklagten zumindest noch nicht überwunden ist. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte zwischenzeitlich die begleitende psychotherapeutische Behandlung abgebrochen hat. Ein insgesamt positive Prognose kommt deshalb vorliegend nicht in Betracht.

3.4 Anhaltspunkte für das Vorliegen weiterer sog. anerkannter Milderungsgründe wie „Handeln in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage“, „Vorliegen einer schockartigen psychischen Ausnahmesituation“ oder „einer einmaligen persönlichkeitsfremden Augenblickstat“ bestehen nicht.

3.5 Sonstige Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen, welche grundsätzlich geeignet sind, bei einem Beamten, welcher durch die Verwirklichung von Diebstahlsdelikten im Kernbereich versagt hat, noch einen Rest an Vertrauen anzunehmen, liegen ebenfalls nicht vor. In Betracht käme insoweit, dass ein Beamter vor Aufdeckung der Tat diese umfassend offenbart und/oder den Schaden wieder gutmacht (BayVGH, U. v. 27.10.2010 - 16a D 09.2470; BVerwG, B. v. 28.8.2007 - 2 B 26.07 - jeweils in juris). Dies ist hier jeweils nicht der Fall.

4. Bei der gebotenen gesamtprognostischen Betrachtung sind sonstige durchgreifende Entlastungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen könnten, ebenfalls nicht zu erkennen. Weitere Milderungsgründe, die zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen wären und die über den Kreis der so genannten „anerkannten Milderungsgründe“ hinausgehen (vgl. BVerwG, U. v. 23.2.2012 - 2 C 6/14 - juris Rn. 36), sind nicht ersichtlich. Zwar sieht der Senat durchaus, dass sich die Beklagte aufgrund der Belastung mit der Pflege der Mutter im Zeitpunkt der Begehung der Straftaten in einer persönlichen Überlastungssituation befunden hat, zu der sicherlich auch die durch vorangegangenen Vorgesetzen- und Kollegenwechsel angespannte Situation am Arbeitsplatz beigetragen hat. Für eine angebliche Mobbingsituation bestehen allerdings keine Anhaltspunkte. Hierzu wurde von der Beklagten substantiiert nichts vorgetragen. Prof. Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 1. September 2015 ebenfalls auf die schwierige psychosoziale Situation der Beklagten infolge der Doppelbelastung hingewiesen, aber zugleich auch festgestellt, dass aus seiner Sicht eher das normalpsychologisch erklärbare Motiv der Unzufriedenheit und Missachtung am Arbeitsplatz als Ursache für das Verhalten der Klägerin bestehe.

Die Beklagte ist weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich vorbelastet. Die gute Beurteilung mit 10 Punkten für den Zeitraum 2004 bis 2007 spricht zwar ebenso für die Beklagte wie die Tatsache, dass sie weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet ist. Allerdings sind diese Umstände allein nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einer Beamtin, die das in sie gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden kann (BayVGH, U. v. 29.7.2015 - 16b D 14.1328 - juris Rn. 40). Zulasten der Beklagten sind die zahlreichen weiteren Dienstpflichtverletzungen (Ziff. 4 - 12 der Disziplinarklage), insbesondere die erheblichen Weisungsverstöße - zu berücksichtigen. Sie zeigen, dass die Beklagte im Grundsatz nicht geneigt ist, Anordnungen von Vorgesetzten, die ihren eigenen Ansichten zuwider laufen, umzusetzen. Aus den Akten (Akten des Generalstaatsanwalts Band I, Bl. 114) ergibt sich, dass sich dieses Verhalten auch an der neuen Dienststelle (Registratur) fortsetzte. Dort kam es auch zu weiteren Dienstpflichtverletzungen (Ziff. 11 und 12 der Disziplinarklage). Im Rahmen der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist deshalb nach Überzeugung des Senats die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis angemessen, aber auch geboten. Die Schwere des Dienstvergehens und das festgestellte Persönlichkeitsbild der Beamtin führen zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit.

Die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatgebot folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von den Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen.

Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, die Beamtin werde dem Gebot, ihre Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und des dadurch eingetretenen Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis wie hier gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch die Beamtin und ist dieser daher als für alle öffentlichrechtlichen und privaten Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U. v. 14.10.2003 - 1 D 2.03 - juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i. V. m. 154 Abs. 2 VwGO.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG, Art. 3 BayDG i. V. m. § 116 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

I.

Der am ... in W. geborene Beklagte erwarb 1980 die mittlere Reife. Ein Musikstudium brach er nach vier Semestern ab. Nach Beschäftigungen im Pflegedienst und einem Autohaus sowie der Absolvierung des Grundwehrdienstes begann er 1985 eine Ausbildung am Landratsamt ... Nach Bestehen der Einstellungsprüfung für den mittleren Dienst wurde er am 1. Dezember 1990 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsassistenten z.A. und am 1. Dezember 1992 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Seit 1. Oktober 2003 bekleidet er das Amt eines Regierungshauptsekretärs (BesGr. A 8). Vom 1. Juni 1992 bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung am 20. Mai 2008 war er an der Hochschule für Musik W. im Referat Haushaltsangelegenheiten beschäftigt und bis zum 28. Februar 2008 für die Verwaltung der Handvorschusskasse, der Zahlstelle und des zugehörigen dienstlichen Kontos zuständig; seit 15. Februar 2006 war er zusätzlich Datenschutzbeauftragter der Hochschule. Bis 31. Dezember 2006 war er auch für die Bearbeitung der Arbeitsverträge mit studentischen Hilfskräften zuständig, ohne hierfür zeichnungsberechtigt zu sein. In seiner letzten periodischen dienstlichen Beurteilung 2005 erhielt der Beklagte 8,4 Punkte im Gesamturteil.

Der Beklagte erhält ungekürzte Bezüge aus der BesGr. A 8. Er ist verheiratet und hat aus der Ehe eine 2003 geborene Tochter; aus einer früheren Beziehung stammt eine 1987 geborene Tochter. Nebenbei ist der Beklagte als Kirchenmusiker tätig.

II.

Der disziplinarrechtlich nicht vorbelastete Beklagte wurde mit seit 20. August 2009 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts W. vom 12. August 2009 (Az. 311 Ls 801 Js 10572/08) wegen Urkundenfälschung in sieben tatmehrheitlichen Fällen gemäß §§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4, 53 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dabei wurde das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB auf der Grundlage des psychiatrischen Gutachtens Dres. B. und G. vom 11. Februar 2009, ergänzt am 8. April 2009, unter Bejahung einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeit verneint. Dem Urteil liegen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:

„Der Angeklagte ist seit dem 01.06.1992 als Regierungshauptsekretär an der Hochschule für Musik - Referat für Haushaltsangelegenheiten - in ... W., H-str. ... - ..., tätig. Bis zum 28.02.2008 war der Angeklagte für die Verwaltung des sog. Handvorschusses, der Zahlstelle und des dazu gehörenden dienstlichen Bankkontos zuständig. Die Einstellung und Weiterbeschäftigung von studentischen Hilfskräften gehörte dagegen nicht zum Aufgabenbereich des Angeklagten.

[5] 1. Am 11.12.2007 fertigte der Angeklagte eigenmächtig in den Diensträumen der Hochschule für Musik W. im Namen der Hochschule mit der studentischen Hilfskraft S. M. einen Arbeitsvertrag zur Weiterbeschäftigung in der Forschung und Lehre bei Prof. Dr. A. L. im Sommersemester 2007 für den Zeitraum vom 16.04.2007 bis 31.12.2007 sowie ein Mitteilungsschreiben der Hochschule für Musik W. an das Landesamt für Finanzen über Leistungen zur Berechnung von Bezügen der Mitarbeiterin M. Auf dem Arbeitsvertrag und dem Mitteilungsschreiben fügte der Angeklagte jeweils unbefugt die Unterschrift der Kanzlerin Dr. S.-... ein, indem er die Unterschrift der Kanzlerin von einem anderen Vertrag in den Arbeitsvertrag und das Mitteilungsschreiben hineinkopierte.

2. Am 28.04.2006 fertigte der Angeklagte eigenmächtig in den Diensträumen der Hochschule für Musik W. im Namen der Hochschule mit der studentischen Hilfskraft S. S. einen Arbeitsvertrag zur Weiterbeschäftigung in der Prüfungskanzlei im Sommersemester 2006 für den Zeitraum vom 24.06.2006 bis zum 15.07.2006 an und fügte die Unterschriften der Kanzlerin Dr. S.-...und der studentischen Hilfskraft S. S. in den Arbeitsvertrag ein, indem er die Unterschriften aus einem früheren Vertrag vom 13.03.2006 in den neuen Arbeitsvertrag hineinkopierte.

3. Am 06.07.2006 fertigte der Angeklagte eigenmächtig in den Diensträumen der Hochschule für Musik ... im Namen der Hochschule mit der studentischen Hilfskraft S. K. einen Arbeitsvertrag zur Weiterbeschäftigung in der Hochschulbibliothek an und fügte in diesen Arbeitsvertrag unbefugt die Unterschriften der Kanzlerin Dr. S.-... und der studentischen Hilfskraft S. K. ein, indem er die Unterschriften aus einem früheren Vertrag vom 06.03.2006 in den neuen Arbeitsvertrag hineinkopierte.

4. Zu einem nicht genau festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2007 fertigte der Angeklagte in den Diensträumen der Hochschule für Musik W. im Namen der Hochschule mit der studentischen Hilfskraft J. S. einen Arbeitsvertrag zur Weiterbildung in dem hochschuleigenen Computerstudio im Sommersemester 2007 für den Zeitraum vom 16.04.2007 bis zum 14.07.2007 an und fügte unbefugt die Unterschriften der Kanzlerin Dr. S.-... und der studentischen Hilfskraft J. S. in den Arbeitsvertrag ein, indem er die Unterschriften aus einem früheren Vertrag vom 01.12.2006 in den neuen Arbeitsvertrag hineinkopierte.

[9] 5. Zu einem nicht genau festgestellten Zeitpunkt im Jahr 2007 fertigte der Angeklagte in den Diensträumen der Hochschule für Musik W. im Namen der Hochschule mit der studentischen Hilfskraft S. S. einen weiteren Arbeitsvertrag zur Weiterbeschäftigung in der Hochschulbibliothek im Zeitraum vom 01.10.207 bis zum 31.10.2007 an und fügte die Unterschriften der Kanzlerin Dr. S.-... und der studentischen Hilfskraft S. S. unbefugt ein, indem er die Unterschriften aus einem früheren Vertrag vom 15.06.2006 in den neuen Arbeitsvertrag hineinkopierte.

6. Am 10.12.2007 fertigte der Angeklagte eigenmächtig in den Diensträumen der Hochschule im Namen der Hochschule für Musik W.mit der studentischen Hilfskraft M. G. einen Arbeitsvertrag zur Weiterbeschäftigung im Tutorium Popmusik im Sommersemester 2007 für den Zeitraum vom 16.04.207 bis zum 14.07.2007 an und fügte unbefugt die Unterschrift der Kanzlerin Dr. S.-... in den Arbeitsvertrag ein, indem er die Unterschrift aus einem anderen Vertrag in den neuen Vertrag hineinkopierte.

7. Am 10.12.2007 schloss der Angeklagte eigenmächtig in den Diensträumen der Hochschule für Musik W. im Namen der Hochschule mit der studentischen Hilfskraft F. M. einen Arbeitsvertrag zur Weiterbeschäftigung im Tutorium Popmusik im Sommersemester 2007 für den Zeitraum vom ein 6.04.2007 bis zum 14.07.2007 und fügte unbefugt die Unterschriften der Kanzlerin Dr. S. -... und der studentischen Hilfskraft F. M. in den Arbeitsvertrag ein, indem er die Unterschrift aus einem anderen Vertrag in den neuen Arbeitsvertrag hineinkopierte.

Sämtliche manipulierten Verträge übergab der Angeklagte an die Buchhaltung der Hochschule für Musik W. zur Einbuchung.“

Soweit dem Beklagten darüber hinaus zwei tatmehrheitliche Vergehen der Untreue in besonders schwerem Fall gemäß §§ 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 4, 53 StGB zur Last gelegt wurden, weil er am 12. Januar und 19. Februar 2007 Auszahlungen in Höhe von 250,-- € und 150,-- € vom Handvorschusskonto Nr. 44296929 bei der Sparkasse M. veranlasst und das Geld für private Zwecke verwendet hatte, stellte das Amtsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 12. August 2009 nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig ein, nachdem der Beklagte am 22. Februar 2007 150,-- € und am 10. Juli 2007 320,65 € auf das Konto eingezahlt hatte. Hinsichtlich einer Abbuchung vom Handvorschusskonto am 11. März 2008 in Höhe von 884,23 € sah die Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig von einer Verfolgung ab.

III.

Mit Verfügung der Kanzlerin der Hochschule für Musik W. vom 19. Februar 2008 wurde gegen den Beklagten wegen des Verdachts der Urkundenfälschung bei der Beschäftigung studentischer Hilfskräfte ein Disziplinarverfahren eingeleitet und die Zuständigkeit auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen. Mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 19. März 2008 sowie vom 7. Juli 2008 wurde das Disziplinarverfahren wegen des Verdachts der Untreue durch Auszahlungen vom Handvorschusskonto am 12. Januar 2007 und 19. Februar 2007 in Höhe von 250,-- € bzw. 150,-- € sowie in Höhe von 884,23 € am 11. März 2008 ausgedehnt.

Der Beklagte wurde jeweils über seine Rechte sowie die Möglichkeit der Beteiligung des Personalrats belehrt. Der Personalrat wurde zunächst antragsgemäß beteiligt, nach Mitteilung, dass die Beteiligung des Personalrats nicht gewünscht werde, wurde von einer Beteiligung des Personalrats abgesehen.

Mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 20. Mai 2008 wurde der Beklagte nach vorheriger Anhörung mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes enthoben. Laut Vermerk der Landesanwaltschaft Bayern vom 5. Juni 2008 unterblieb aufgrund der angespannten finanziellen Lage des Beklagten eine Einbehaltung von Bezügen.

Mit Verfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 11. August 2008 wurde das Disziplinarverfahren wegen des Strafverfahrens ausgesetzt und mit Verfügung vom 9. September 2009 nach dessen rechtskräftigem Abschluss fortgesetzt.

Mit Schreiben der Landesanwaltschaft Bayern vom 11. November 2009 erhielt der Beklagte Gelegenheit zur abschließenden Äußerung. Er äußerte sich mit Schreiben vom 2. Dezember 2009.

Am 16. Dezember 2009 erhob die Landesanwaltschaft Bayern wegen des Vorwurfs der Untreue und der Urkundenfälschung beim Verwaltungsgericht Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Soweit dem Beklagten vorgeworfen worden war, am 11. März 2008 weitere 884,23 € abgehoben zu haben, woraus ein Fehlbetrag in Höhe von 259,40 € verblieben sei, wurde das Disziplinarverfahren nach Art. 21 Abs. 2 Satz 1 BayDG beschränkt.

Mit Urteil vom 5. Mai 2010, zugestellt am 19. Juli 2010, hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Der Beklagte habe dadurch ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen begangen, als er durch Fälschung von Arbeitsverträgen und Veruntreuung von Geldern des Dienstherrn schuldhaft gegen Dienstpflichten verstoßen und dadurch eine Urkundenfälschung sowie eine Untreue begangen habe. Er habe die Vorwürfe eingeräumt; die Urkundenfälschung stehe auch aufgrund des Urteils des Amtsgerichts W. vom 12. August 2009 fest. Sein Verhalten wiege äußerst schwer. Kassenverfehlungen stellten ein schweres Dienstvergehen dar, durch das regelmäßig das Vertrauen des Dienstherrn zerstört werde. Zwar spreche insoweit für den Beklagten, dass er die entnommenen, eher geringen Beträge nach kurzer Zeit wieder zurückgelegt habe. Sein Fehlverhalten sei jedoch nur im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren bekannt geworden, ohne dass er etwa durch Einlage von Fehlzetteln auf die vorübergehende Entnahme hingewiesen habe. Von einer persönlichen oder wirtschaftlichen Notlage könne nicht ausgegangen werden, da er das Geld für einen ärztlich nur empfohlenen Erholungsaufenthalt der Ehefrau verwendet habe. Die entnommene Summe von 400,-- € sei auch nicht geringwertig. Im Übrigen kämen Milderungsgründe nur zum Tragen, wenn der Beklagte nicht zusätzlich belastet wäre. Er habe aber auch Urkundenfälschungen begangen und dadurch das Vertrauensverhältnis unheilbar zerstört. Die behauptete Unterstützung der studentischen Hilfskräfte durch Abschluss der Arbeitsverträge sei weder erforderlich noch sinnvoll gewesen, da Abschlagszahlungen geleistet worden seien. Ein entlastendes Motiv sei tatsächlich nicht gegeben. Vielmehr dürfte diese Handlungsweise von der Motivation getragen worden sein, sich den Anweisungen des Vizekanzlers zu widersetzen, der ihm die Zuständigkeit für die Bearbeitung der Arbeitsverträge der studentischen Hilfskräfte entzogen habe. Auch könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beklagte bereits früher einmal die Unterschrift des damaligen Kanzlers in einem ähnlichen Zusammenhang gefälscht habe, ohne aus der Ermahnung Konsequenzen zu ziehen. Weiter sprächen die Verurteilung zu zehn Monaten Freiheitsstrafe sowie generalpräventive Erwägungen für die Verhängung der Höchstmaßnahme. Dem Beklagten stünden keine Milderungsgründe zur Seite, die eine andere Maßnahme als die Entfernung aus dem Dienst geboten erscheinen ließen. Die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens werde durch das erhebliche Fehlverhalten aufgewogen. Anhaltspunkte für einen Milderungsgrund entsprechend § 21 StGB lägen nicht vor. Auch insoweit bestehe eine Bindung an die Feststellungen im Strafurteil, im Übrigen sei nicht von verminderter Schuldfähigkeit auszugehen.

Der Beklagte hat hiergegen am 6. August 2010 Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Mai 2010 aufzuheben und auf eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Höchstmaßnahme zu erkennen.

Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 18. Juli 2011 im Wesentlichen damit begründet, dass eine Entfernung aus dem Dienst unverhältnismäßig sei. Hinsichtlich der Entnahme von Kassengeldern sei der Milderungsgrund der freiwilligen Wiedergutmachung des Schadens vor Entdeckung gegeben, so dass dem Beklagten ein Restvertrauen, das den Fortbestand des Beamtenverhältnisses ermögliche, zugebilligt werden könne. Auch handle es sich um einen atypischen Sachverhalt, da es dem Beklagten am Vorsatz hinsichtlich der unredlichen Vermögensmehrung zulasten des Dienstherrn gefehlt habe. Auch die Urkundenfälschungen führten nicht zu einem endgültigen Vertrauensverlust. Das diesbezügliche Verhalten des Beklagten sei nicht Ausdruck einer allgemeinen „Widersetzlichkeit“. Eine solche Motivation sei angesichts dessen, dass die vorgeworfenen Handlungen ihrer Natur nach darauf ausgerichtet seien, heimlich zu bleiben, fernliegend. Die Arbeitsverträge seien durch die Manipulationen auch nicht inhaltlich unrichtig geworden. Bei einem ordnungsgemäßen Verlauf wäre letztendlich dasselbe Ergebnis erreicht worden. Beim Beklagten handle es sich um eine Persönlichkeitsstruktur mit stark ängstlich-vermeidender Ausrichtung, der sich bei Konflikten nicht widersetze. Er sei subjektiv der Auffassung gewesen, durch sein Handeln die studentischen Hilfskräfte zu unterstützen, auch wenn es objektiv nicht zu einer Verbesserung von deren Situation geführt habe, und daher aus einer positiven Motivation heraus tätig geworden. Da er durch sein Handeln weder die Gefahr noch den Eintritt von Nachteilen für den Dienstherrn verursacht habe, sei die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht gerechtfertigt. Er habe sich durch sein Handeln auch keinen mittelbaren Vorteil wie eine Arbeitsersparnis verschafft, sondern sogar zusätzliche Tätigkeiten übernommen. Zukünftige Kompetenzüberschreitungen könnten erfolgreich durch eine erzieherische Maßnahme unterbunden werden. Er sei persönlichkeits- und krankheitsbedingt nicht fähig gewesen, seine Fehler zutreffend einzuschätzen. Er habe die Situation vielmehr so wahrgenommen, dass der „gute Zweck“ seine Kompetenzüberschreitungen überwiege. Er habe umfassende Schuldeinsicht und Reue gezeigt und sich erfolgreich in Therapie begeben. Unabhängig hiervon würde die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags für lediglich sechs Monate eine unbillige Härte für den Beklagten und seine Familie darstellen, da er der alleinige Einkommensbezieher sei.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Mit Beschluss vom 17. April 2013 hat der Senat Beweis erhoben über die Fragen,

ob beim Beklagten im Tatzeitraum Herbst 2006 bis Dezember 2007 mindestens eines der in § 20 StGB genannten Krankheitsbilder vorlagen und deswegen seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen oder erheblich vermindert war (§ 21 StGB).

Falls ja: Ob dieses erfolgreich behandelt wurde und ähnliche Pflichtverstöße nicht mehr eintreten werden.

Falls nein: Kam der Zustand des Beklagten der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nahe und hat er diese schwierige Lebensphase nunmehr vollständig überwunden, so dass ähnliche Pflichtverstöße nicht mehr eintreten werden,

durch Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens bei Prof. Dr. N.

Unter dem 18. Februar 2014 hat der Sachverständige sein Gutachten vorgelegt, auf das Bezug genommen wird. Nach Ansicht des Gutachters bestehe beim Beklagten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-vermeidenden sowie abhängig-asthenischen (dependenten) Zügen (ICD-10: F 61), durch die grundsätzlich weder die Einsichts- noch die Steuerungsfähigkeit tangiert werde. Es sei aber denkbar, dass der Beklagte sich aufgrund dessen beim Einkopieren von Unterschriften - nicht jedoch beim Zugriff auf die Kasse - in einem Zustand befunden haben, der dem einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nahegekommen sei. Solche Pflichtverstöße seien nicht mehr zu erwarten, wenn der Beklagte in ein wohlwollendes und nicht zu forderndes Umfeld eingebunden werde. Auch eine Psychotherapie werde aber nicht zur völligen Behebung der Probleme führen, da die Pflichtverstöße im Zusammenhang mit der schwierigen Persönlichkeit des Beklagten stünden.

Der Senat hat am 17. April 2013 und 4. Juni 2014 mündlich zur Sache verhandelt. Auf die Niederschriften hierzu wird verwiesen.

Zu Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Dem Senat haben die Strafakten sowie die Disziplinar- und Personalakten des Beklagten vorgelegen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf, solche sind vom Beklagten im Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht worden.

II.

Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt ist auch zur Überzeugung des Senats erwiesen.

1. Hinsichtlich der Anfertigung von gefälschten Arbeitsverträgen mit studentischen Hilfskräften steht aufgrund der Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts W. vom 12. August 2009 (Az. 311 Ls 801 Js 10572/08) nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Hs. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG fest, dass der Beklagte wissentlich und willentlich in sieben Fällen zwischen dem 28. April 2006 und dem 11. Dezember 2007 die Unterschrift der Kanzlerin der Hochschule für Musik W. sowie die Unterschriften der Studenten aus anderen Verträgen in Arbeitsverträge hineinkopiert und die von ihm derart manipulierten Verträge an die Buchhaltung der Hochschule für Musik W. weitergegeben hat, um so Zahlungen durch das Landesamt für Finanzen an die Studenten zu veranlassen. Darüber hinaus hat der Beklagte den diesbezüglichen Sachverhalt auch in vollem Umfang eingeräumt.

2. Hinsichtlich der Auszahlungen vom Handvorschusskonto Nr. 44296929 bei der Sparkasse M. über insgesamt 400,-- € steht aufgrund der Einlassungen des Beklagten zur Überzeugung des Senats fest, dass er wissentlich und willentlich am 12. Januar 2007 250,-- € sowie am 19. Februar 2007 150,-- € von diesem für dienstliche Zwecke eingerichteten Konto abgehoben und - wie von vornherein von ihm beabsichtigt - anschließend für private Zwecke verbraucht hat. Auch diesen Sachverhalt hat der Beklagte vollumfänglich eingeräumt.

Die Abhebung der Gelder vom Handvorschusskonto geschah danach auch in dem Bewusstsein der Erlangung eines unredlichen Vermögensvorteils zulasten des Dienstherrn, auch wenn der Beklagte nach seiner unwiderlegten Einlassung bereits bei der Abhebung geplant hatte, das Geld - wie dann geschehen - zurückzuzahlen. Denn trotz eines solchen, nach außen hin nicht zum Ausdruck gekommenen inneren Vorbehalts hat der Beklagte sich durch die unrechtmäßige Nutzung öffentlichen Vermögens für private Zwecke selbst bereichert und einen entsprechenden Nachteil zulasten des Vermögens des Dienstherrn für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, da die Abhebungen das Vermögen des Klägers unmittelbar vermindert haben und der Vermögensnachteil nicht gleichzeitig ausgeglichen wurde. Mit der Abhebung der Gelder durch den Beklagten gelangten diese in dessen dienstlichen Gewahrsam. Eine logische Sekunde später trat aufgrund des Untreuevorsatzes des Beklagten unmittelbar der Vermögensnachteil beim Kläger ein. Insoweit ist jedenfalls bedingter Vorsatz hinsichtlich des Vermögensnachteils zu bejahen. Die Absicht, die Abhebungen auszugleichen, sobald der Beklagte über entsprechende Mittel verfügen würde, steht dem nicht entgegen, da der eingetretene Vermögensschaden dadurch nicht beseitigt wurde. Ein atypischer Sachverhalt liegt insoweit nicht vor.

III.

Durch die Manipulation der Arbeitsverträge hat der Beklagte eine Urkundenfälschung in sieben tatmehrheitlichen Fällen (§§ 267 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4, 53 StGB) begangen. Die vom Beklagten unter Missbrauch der ihm eingeräumten dienstlichen Befugnisse getätigten Abhebungen vom Handvorschusskonto in Höhe von 250,-- € und 150,-- € sind als zwei tatmehrheitliche Vergehen der Untreue in besonders schwerem Fall (§§ 266 Abs. 1, Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 4, 53 StGB) zu werten.

Dadurch hat er gegen seine beamtenrechtlichen Pflicht, die Gesetze zu beachten (Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBG a. F., § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) und sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a. F., § 34 Satz 3 BeamtStG), verstoßen. Darüber hinaus hat er damit gegen die Verpflichtung, dienstliche Anordnungen seiner Vorgesetzten zu befolgen (Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBG a. F., § 35 Satz 2 BeamtStG), verstoßen, da er für den Abschluss der Arbeitsverträge mit studentischen Hilfskräften nicht unterschriftsberechtigt war und Abhebungen vom Handvorschusskonto nur für dienstliche Zwecke vornehmen und verwenden durfte.

Diese Pflichtverstöße stellen ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen i. S. d. Art. 84 Abs. 1 Satz 1 a. F., § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG dar. Die Manipulation der Arbeitsverträge steht in einem inneren Zusammenhang mit den (früheren) Aufgaben des Beklagten, der bis 31. Dezember 2006 für die Bearbeitung der Arbeitsverträge mit studentischen Hilfskräften zuständig war. Da die Fälschungen im dienstlichen Rahmen stattfanden und der Beklagte hierbei dienstliche Kenntnisse nutzte, handelt es sich um innerdienstliche Pflichtverletzungen. Gleiches gilt für die Abhebungen vom für dienstliche Zwecke eingerichteten Handvorschusskonto. Auf dieses Konto durfte der Beklagte nur zur Erfüllung dienstlicher Aufgaben zugreifen. Indem er durch Abhebungen für private Zwecke die ihm dienstlich eingeräumte Befugnis, über das Dienstkonto zu verfügen, missbraucht hat, ist ein Dienstbezug zu bejahen.

IV.

Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i. S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch angemessen und erforderlich.

Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach Art. 14 BayDG. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Aus Art. 14 Abs. 1 BayDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (st. Rspr., vgl. BVerwG U.v. 23.2.2012 - 2 C 38.10; BayVGH U.v. 12.3.2014 - 16a D 11.2657 - jeweils juris).

1. Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Fallen einem Beamten - wie vorliegend - mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung.

Die gravierendste Pflichtverletzung stellen insoweit die am 12. Januar 2007 und am 19. Februar 2007 verübten Untreuehandlungen dar. Dadurch hat der Beklagte ein Zugriffsdelikt bzw. ein diesem gleichzustellendes Dienstvergehen verwirklicht, das regelmäßig die disziplinare Höchstmaßnahme zur Folge hat.

1.1 Ein Zugriffsdelikt wird dadurch charakterisiert, dass ein Beamter auf dienstlich seinem Gewahrsam unterliegendes Geld bzw. auf gleichgestellte Werte zugreift und dadurch den einschlägigen wertmäßigen Bestand seines Dienstherrn unmittelbar vermindert (BVerwG U.v. 27.11.1997 - 1 D 39.97 - juris Rn. 12; U.v. 11.6.2002 - 1 D 31.01 - juris Rn. 16). Die disziplinare Einstufung als Zugriffsdelikt hängt dabei nicht von der strafrechtlichen Beurteilung ab. Es kommt nicht darauf an, ob ein Beamter dienstliche Gelder oder Güter z. B. durch Betrug, Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung erlangt hat. Für die Bewertung als Zugriffsdelikt ist vielmehr entscheidend, dass einem Beamten Gelder oder diesen gleichgestellte Werte des Dienstherrn dienstlich anvertraut oder dienstlich zugänglich sind (BVerwG U.v. 8.4.2003 - 1 D 27.02 - juris Rn. 16; B.v. 20.12.2011 - 2 B 64.11 - juris Rn. 11).

Ein Beamter, der sich bei Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten seines Dienstherrn vergreift, die seinem Gewahrsam unterliegen, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten und zerstört in der Regel das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit (BVerwG U.v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 - juris Rn. 12). Denn die öffentliche Verwaltung ist auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten beim Umgang mit solchen Geldern und Gütern in hohem Maße angewiesen. Eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich und muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Wer diese für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört, muss deshalb grundsätzlich mit der Auflösung des Beamtenverhältnisses rechnen (BVerwG B.v. 20.12.2011 - 2 B 64.11 - juris Rn. 11).

Einem Zugriffsdelikt gleichzustellen sind Handlungen, mit denen der Beamte mittelbar auf Geld des Dienstherrn durch Missbrauch einer ihm dienstlich eingeräumten Verfügungsbefugnis zugreift. Denn es macht für das berufserforderliche Vertrauen und dessen Beeinträchtigung letztlich keinen Unterschied, ob sich der Beamte, etwa im Schalter- und Kassendienst, durch unmittelbaren Zugriff auf dienstliche Gelder unrechtmäßig bereichert oder ob er sich unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung und der sich hieraus ergebenden Möglichkeiten unter Missbrauch ihm dienstlich zugänglicher Zahlungsanweisungen oder -belege buchmäßig Geld seines Dienstherrn verschafft, über das er nach Gutschrift auf sein Konto dann frei verfügen kann. (BVerwG U.v. 23.9.1987 - 1 D 46.87 - juris Rn. 12; U.v. 8.10.1996 - 1 D 102.95 - juris Rn. 13; U.v. 27.11.1997 - 1 D 39.97 - juris Rn. 12).

Ein Beamter, der - wie hier der Beklagte - dienstlich anvertrautes oder zugängliches Geld seinem Dienstherrn dadurch vorenthält, er sich dieses durch missbräuchliche Ausnutzung der ihm eingeräumten Befugnis, über ein Dienstkonto zu verfügen, auszahlen lässt und es dann wie geplant für private Zwecke verwendet, begeht deshalb ein schweres Dienstvergehen i. S. d. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Er missbraucht das erforderliche Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit so nachhaltig, dass dem Dienstherrn die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses grundsätzlich nicht mehr zugemutet werden kann und er mit der Auflösung des Beamtenverhältnisses rechnen muss (BVerwG U.v. 15.8.1989 - 1 D 61.88 - juris Rn. 25).

Durch den Zugriff auf die dienstlich anvertrauten Gelder seines Dienstherrn hat der Beklagte nicht lediglich beamtenrechtliche Nebenpflichten verletzt, sondern vielmehr im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt. Zu den Kernpflichten eines mit der Einnahme und Auszahlung sowie der Verwahrung von Geldern des Dienstherrn betrauten Beamten gehört, dass er die ihm anvertrauten dienstlichen Gelder ordnungsgemäß verwaltet und nicht für private Zwecke missbraucht. Der Dienstherr ist auf die unbedingte Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit des Beamten beim Umgang mit dienstlich anvertrauten Geldern angewiesen. Dies gilt hier umso mehr, als eine ständige und lückenlose Kontrolle des Kassenbestandes schon der Natur der Sache nach nicht möglich ist, sondern - abgesehen von Kassenprüfungen - weitgehend durch Vertrauen in die Redlichkeit des Beamten ersetzt werden muss. Das in ihn gesetzte Vertrauen hat der Beklagte durch sein Verhalten deshalb so gravierend verletzt, dass grundsätzlich von einer Entfernung aus dem Dienst auszugehen ist.

1.2 Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung eines Zugriffsdelikts entfällt, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, dieser habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren (BVerwG U.v. 6.6.2007 - 1 D 2.06 - juris Rn. 25).

Von der Höchstmaßnahme muss zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abgesehen werden, wenn ein in der Rechtsprechung anerkannter Milderungsgrund vorliegt. Diese erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (BVerwG U.v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 - juris Rn. 13).

Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht der anerkannten Milderungsgründe vergleichbar ist. Dabei muss das Gewicht der Entlastungsgründe um so größer sein, je schwerer das Zugriffsdelikt aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von Begleitdelikten und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt. Im umgekehrten Fall eines weniger schwer wiegenden - etwa die Geringfügigkeitsgrenze nur unwesentlich überschreitenden - Zugriffsdelikts kann ein geringeres Gewicht der Entlastungsgründe ausreichen. Danach kommt jedenfalls bei einem einmaligen Fehlverhalten ohne belastende Begleitumstände mit einem begrenzten Schaden ernsthaft in Betracht, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen. Zudem sind Entlastungsgründe nach dem Grundsatz „in dubio pro reo" bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (BVerwG U.v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 - juris Rn. 15).

Die bei Zugriffsdelikten vorrangig in den Blick zu nehmende Milderungsgründe führen vorliegend jedoch zu keiner anderen Bewertung der durch den Beklagten verübten Dienstpflichtverletzung.

(1) Ein Zugriff auf dienstliche Gelder in geringer Höhe, die zu einer Milderung führen kann, ist bei Auszahlungen in Höhe von insgesamt 400,-- € zu verneinen. Die Grenze der Geringwertigkeit ist grundsätzlich bei 50,-- € anzusetzen (BVerwG U.v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 - juris Rn. 16; U.v. 13.12.2012 - 2 WD 29.11 - juris Rn. 81; BayVGH U.v. 22.9.2010 - 16b D 08.314 - juris Rn. 68; U.v. 28.11.2012 - 16a D 11.958 - juris Rn. 48) und damit hier eindeutig überschritten.

Zwar kann auch für ein Zugriffsdelikt bei einem lediglich einmaligen Fehlverhalten mit einem Schaden von weniger als 200,-- € ernsthaft in Betracht zu ziehen sein, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen (BVerwG B.v. 23.2.2012 - 2 B 143.11 - juris Rn. 13; B.v. 26.3.2014 - 2 B 100.13 - juris Rn. 7; BayVGH U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 48), jedoch ist auch diese Grenze vorliegend um das Doppelte überschritten, da der Beklagte insgesamt 400,-- € vom Handvorschusskonto veruntreut hat. Hinzu kommt, dass es sich auch nicht um ein lediglich einmaliges Fehlverhalten handelt. Der Beklagte hat sich vielmehr, nachdem er zunächst am 12. Januar 2007 250,-- € abgehoben hatte, am 19. Februar 2007 weitere 150,-- € auszahlen lassen und somit das in ihn gesetzte Vertrauen des Dienstherrn erneut erheblich enttäuscht. Daran ändert auch nichts, dass er am 22. Februar 2007 150,-- € wieder zurückgezahlt hat, da schon die erste vorgenommene Abhebung in Höhe von 250,-- € auch für sich genommen die Geringfügigkeitsgrenze von 200,-- € überschreitet.

(2) Der Beklagte befand sich bei der Verübung der Taten im Januar/Februar 2007 auch nicht in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage. Der Milderungsgrund des Handelns in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage setzt hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür voraus, dass der Beamte in einer unverschuldeten ausweglosen finanziellen Notlage zur Abwendung der für ihn existentiell spürbaren Folgen zeitlich sowie zahlenmäßig begrenzt ein Zugriffsdelikt begangen hat, in der er keinen anderen Ausweg als den Zugriff auf ihm dienstlich anvertraute Gelder gesehen hat, um den notwendigen Lebensbedarf für sich und seine Familie zu sichern (BayVGH U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 50).

Ein solcher Fall ist hier zu verneinen. Der Beklagte befand sich seinen Angaben nach zwar bereits Anfang 2007 in einer finanziell angespannten Lage, aber ersichtlich nicht in einer existenziellen wirtschaftlichen Notlage, nachdem er für den Besuch einer Privatschule durch seine Tochter monatlich 263,-- € Schulgeld aufbringen konnte. Der von ihm seinen Angaben nach durch die beiden Abhebungen finanzierte gemeinsame Skiurlaub mit Frau und Tochter diente darüber hinaus auch nicht der Deckung des notwendigen Lebensbedarfs der Familie, sondern stellte angesichts der finanziellen Lage eine unnötige, zumindest aber aufschiebbare Ausgabe dar. Daran ändert nichts, dass nach Angaben des Beklagten seiner Ehefrau aufgrund der bei ihr bestehenden MSC-Allergieerkrankung (Chemikalienunverträglichkeit) ärztlicherseits angeraten worden war, in die Berge zu fahren. Denn dann ist nicht nachvollziehbar, weshalb die ganze Familie gemeinsam fahren musste. Außerdem handelt es sich dabei nicht um ein lebensbedrohliches Krankheitsbild, das ein sofortiges Handeln erforderlich gemacht hätte, sondern nur um eine chronische Reaktionsdisposition. Darüber hinaus hätte der Beklagte im Fall der unmittelbaren Behandlungsbedürftigkeit Beihilfeleistungen beantragen können. Und selbst wenn diese abgelehnt worden wären und der Beklagte den Kuraufenthalt seiner Ehefrau selbst hätte finanzieren müssen, befand er sich nicht in einer existenziellen finanziellen Notlage, da er in der Lage war, bereits am 22. Februar 2007 150,-- € sowie am 10. Juli 2007 320,65 € - d. h. mehr als von ihm abgehoben - aus seinem Nebenverdienst als Kirchenorganist zurückzuzahlen.

(3) Auch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Milderungsgrund der überwundenen negativen Lebensphase eingreifen könnte, liegen nicht vor. Dieser Milderungsgrund betrifft Dienstvergehen, die nicht der Persönlichkeit des Beamten entspringen, sondern in Umständen zu suchen sind, die nur vorübergehend auf ihn eingewirkt haben. Zu prüfen ist, ob das Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild übereinstimmt oder aber als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder in einer Ausnahmesituation davon abweicht. Auch müssen die negativen Lebensumstände eine gravierende Ausnahmesituation begründen, die über das hinausgeht, was an familiären und finanziellen Schwierigkeiten jeden treffen kann. Vor dem Hintergrund, dass ein Zugriffsdelikt in der Regel die Entfernung aus dem Dienst nach sich zieht, sind im Übrigen die Voraussetzungen für das Vorliegen einer disziplinarrechtlich erheblichen negativen Lebensphase nur in individuellen Extremsituationen erfüllt (BayVGH U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 64).

Der Beklagte befand sich bei der Verübung der Taten im Januar/Februar 2007 nicht in einer nur vorübergehenden, inzwischen überwundenen negativen Lebensphase, in der er sich in einer persönlichkeitsfremden Ausnahmesituation nicht anders zu helfen wusste, als zur Überbrückung einer Notlage auf Gelder des Dienstherrn zuzugreifen. Der Beklagte hatte nämlich nicht nur kurzzeitig finanzielle Probleme, sondern auch in der Folge (vgl. seine Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen vom 11. Mai 2008, Disziplinarakte LAB Bl. 51 ff.; 11. November 2009, Disziplinarakte LAB Bl. 226; 29. März 2009, Verwaltungsgerichtsakte Bl. 46 ff.). Er hat offenbar auch keinerlei Anstrengungen unternommen, die finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen, da er auch im Berufungsverfahren vorgetragen hat, in angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben. Er bietet deshalb keine Gewähr dafür, dass er finanzielle Engpässe nicht erneut durch Zugriff auf Gelder des Dienstherrn ausgleichen wird.

(4) Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Taten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit i. S. d. § 21 StGB begangen hat, bestehen ebenfalls nicht. Es ist Sache der erkennenden Verwaltungsgerichte, für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme festzustellen, ob bei Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen des § 20 StGB ein Fall verminderter Schuldfähigkeit i. S. d. § 21 StGB gegeben ist und welchen Grad die Minderung ggf. erreicht. Erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setzt voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung i. S.v. § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung erheblich war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit i. S. v. § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab. Aufgrund dessen wird sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden (BVerwG U.v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 30).

Der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. N. kommt diesbezüglich - ebenso wie die Sachverständigen im Strafverfahren (vgl. Gutachten Dres. B. und G. vom 11. Februar 2009 mit Nachtrag vom 8. April 2009, Bl. 248 bzw. 271 Strafakte) - in seinem Gutachten vom 18. Februar 2014 zu dem Ergebnis, dass der Beklagte trotz der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung mit ängstlich-vermeidenden sowie abhängig-asthenischen Zügen (ICD-10: F 61) bereits die Eingangskriterien der §§ 20, 21 StGB nicht erfüllt und verneint eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit i. S. d. § 21 StGB (vgl. Gutachten N. S. 62, Bl. 166 Senatsakte). Nach Auffassung des Sachverständigen wird durch die diagnostizierte Persönlichkeitsstörung weder die Einsichts- noch die Steuerungsfähigkeit des Beklagten tangiert. Hinsichtlich der Untreuehandlungen schließt der Sachverständige zudem auch das Vorliegen eines Zustands, der dem der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nahekommt, ausdrücklich aus, da dem Beklagten andere Möglichkeiten, sich Geld zu beschaffen, bewusst gewesen seien (vgl. Gutachten N. S. 60, Bl. 164 Senatsakte).

Auch den vom Beklagten vorgelegten und vom Sachverständigen ausgewerteten ärztlichen Unterlagen (vgl. Arztbericht Dr. B. vom 20. Juli 2008; Arztbericht Dr. R. vom 18. August 2008; Arztbrief der Klinik S.-Haus vom 18. August 2008; Arztbericht der Psychiatrischen Universitätsklinik W. vom 25. März 2010; Arztbrief der Psychiatrischen Universitätsklinik W. vom 14. Mai 2010 sowie 10. August 2010; Bestätigung der Psychiatrischen Universitätsklinik W. vom 13. Juli 2011) lässt sich nichts dafür entnehmen, dass der Beklagte die Taten im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen hat.

Der Beklagte hat angegeben, wissentlich und willentlich am 12. Januar 2007 250,-- € sowie am 19. Februar 2007 150,-- € vom Handvorschusskonto abgehoben und - wie von vornherein von ihm beabsichtigt - für private Zwecke verbraucht zu haben, wobei er das abgehobene Geld sobald als möglich wieder zurückzahlen wollte, da es - wie er wusste - seinem Dienstherrn gehörte. Aus diesem planmäßigen und gezielten Vorgehen wird deutlich, dass der Beklagte die Taten auch im Bewusstsein ihrer Pflichtwidrigkeit begangen hat, da er selbst davon ausging, dass er das Geld nicht würde behalten dürfen. Aufgrund dessen kannte er auch die Unredlichkeit seines Handelns und hätte dieses auch noch im jeweiligen Zeitpunkt der Abhebungen überdenken können, so dass seine Fähigkeit, das Unrecht seiner Taten einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, nicht erheblich eingeschränkt war.

(5) Auch eine psychische Ausnahmesituation ist diesbezüglich zu verneinen. Dieser anerkannte Milderungsgrund setzt eine seelische Zwangslage voraus, die durch ein unvorhergesehenes Ereignis ausgelöst worden ist, das schockartig auf den Beamten eingewirkt und zu einer für einen derartigen Zustand typischen Fehlhandlung geführt hat. Hierfür reicht eine allgemein angespannte psychische Situation bzw. subjektiv als ausweglos empfundene Lage nicht aus (BayVGH U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 56). Im Übrigen geht der Senat im Rahmen der Gesamtwürdigung davon aus, dass der Beklagte aufgrund seiner schwierigen finanziellen und familiären sowie seiner angespannten dienstlichen Situation im Tatzeitpunkt unter psychischem Druck stand. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine extreme existenzielle Belastungssituation. Auch war der Beklagte den damit zusammenhängenden beruflichen und persönlichen Belastungen nicht zwangsläufig ausgesetzt. Wie oben dargelegt, hätte er andere Möglichkeiten gehabt, um den Aufenthalt seiner Ehefrau in den Bergen zu finanzieren, als sich am Handvorschusskonto zu vergreifen. Auch die subjektiv von ihm als belastend empfundenen dienstlichen Veränderungen (Entziehung von und Betrauung mit anderen Aufgaben) stellen sich objektiv als grundsätzlich zulässige Maßnahmen des Dienstherrn dar, die von einem Beamten regelmäßig hinzunehmen sind, ohne dass er sich deshalb am Geld des Dienstherrn bedienen dürfte. Insoweit ist nach dem unter (4) Ausgeführten nicht davon auszugehen, dass der Beklagte sich aufgrund des psychischen Drucks, dem er ausgesetzt war, in einer Lage befunden hat, in der er keine andere Möglichkeit zum Spannungsabbau gefunden hat.

(6) Auch der bei Zugriffsdelikten anerkannte Milderungsgrund der persönlichkeitsfremden einmaligen Augenblickstat, der durch das Versagen des Beamten in einer spezifischen Versuchungssituation gekennzeichnet wird, kann nicht herangezogen werden. Die mildere Bewertung knüpft hier daran, dass der Beamte der Situation nicht gewachsen war und ihr im Sinne einer Kurzschlusshandlung spontan erlegen ist (BayVGH U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 58). In einer solchen Lage befand sich der Beklagte nicht. Ihm hatte sich nicht nur aufgrund besonderer Umstände die einmalige Gelegenheit geboten, auf das ihm dienstlich anvertraute Handvorschusskonto zuzugreifen. Vielmehr gehörte es zu den selbstverständlichen und ausnahmslos zu beachtenden Pflichten des Beklagten, dieses nur für dienstliche Zwecke zu verwenden und nicht zur Befriedigung seiner privaten Bedürfnisse zu missbrauchen. Eine spezifische, noch dazu einmalige Versuchungssituation bestand mithin für den Beklagten nicht.

(7) Auch die lediglich innere, nach außen hin nicht durch Einlage von Fehlzetteln o.dgl. dokumentierte Absicht, sich das Geld des Dienstherrn nur vorübergehend nutzbar zu machen, den Dienstherrn aber nicht endgültig zu schädigen, sondern das Geld zurückzuzahlen - wie dies hier vom Beklagten nach dessen Einlassung von Anfang an beabsichtigt war und von ihm dann auch so praktiziert worden ist - führt nicht per se zu einer milderen Beurteilung (BVerwG U.v. 21.9.1993 - 1 D 39.92 - juris Rn. 13). Ein Beamter ist nicht befugt, dienstlich anvertrautes Geld des Dienstherrn diesem auch nur vorübergehend vorzuenthalten, um es zunächst für eigene Zwecke einzusetzen (BVerwG U.v. 14.10.1997 - 1 D 60.96 - juris Rn. 26). Die bloße Wiedergutmachungsabsicht vermag eine mildere Beurteilung deshalb nicht zu rechtfertigen, da Gelder des Dienstherrn nicht dazu bestimmt sind, dem Kreditbedürfnis der mit ihrer Verwaltung betrauten Beamten zu dienen (BVerwG U.v. 8.6.1983 - 1 D 112.82 - juris Rn. 13). Auch ergibt sich der Vertrauensverlust dabei nicht aus dem materiellen Schaden, den der Dienstherr durch die Untreuehandlung erleidet, sondern bereits aus der unzulässigen Verwendung dienstlich anvertrauter Gelder aus eigennützigen Gründen selbst (BVerwG U.v. 15.8.1989 - 1 D 61.88 - juris Rn. 26).

Ein Absehen von der Höchstmaßnahme kommt allenfalls dann in Betracht, wenn der Beamte durch ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung, ein Verhalten zeigt, das Anlass zur Prüfung gibt, ob ein endgültiger Vertrauensverlust zu verneinen ist (BVerwG B.v. 28.8.2007 - 2 B 26.07 - juris Rn. 13; U.v. 25.7.2013 - 2 C 63.11 - juris Rn. 26). Vorliegend hat der Beklagte die Abhebungen aber erst offenbart bzw. die Beträge ausgeglichen, nachdem diese im Zuge einer Kassenprüfung aufgedeckt worden waren bzw. entdeckt zu werden drohten und damit bereits Gegenstand interner Überprüfungen waren. So hat er erst, nachdem ungeklärte Auszahlungen festgestellt worden waren, eingeräumt, zur Überbrückung eines privaten finanziellen Engpasses 250,-- € bzw. 150,-- € vom Handvorschusskonto abgehoben zu haben (vgl. Aktenvermerk „Unklare Zahlungen“ vom 14. März 2008, Disziplinarakte Hochschule). Gegenüber dem Gutachter hat er erklärt, das Geld lediglich deshalb zurückgezahlt zu haben, weil eine Kassenprüfung gekommen sei (vgl. Gutachten N. S. 37, Bl. 141 Senatsakte). Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er angegeben, dass Grund für die Rückzahlung „wahrscheinlich“ eine Kassenprüfung gewesen sei. Insoweit kann von Freiwilligkeit der Offenbarung bzw. der Wiedergutmachung aber keine Rede sein.

1.3 Dies kann im Ergebnis jedoch offen bleiben. Denn selbst wenn man aufgrund des fehlenden konkreten Nachweises, wann eine Kassenprüfung angesetzt war bzw. stattgefunden hat, nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zugunsten des Beklagten davon ausgeht, dass er die von ihm vom Handvorschusskonto abgehobenen Beträge noch vor Entdeckung freiwillig und wie von Anfang an von ihm beabsichtigt am 22. Februar 2007 in Höhe von 150,-- € und am 10. Juli 2007 in Höhe von 320,65 € zurückgezahlt hat, nachdem er aus seinem Orgelspiel Einnahmen erzielt hatte, wäre Voraussetzung für die Anwendung von Milderungsgründen, dass der Beamte nicht durch sein sonstiges Verhalten oder die konkrete Tatausführung zusätzlich belastet ist und dass durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Schutzgüter verletzt werden (BVerwG U.v. 8.4.2003 - 1 D 27.02 - juris Rn. 21; BayVGH U.v. 28.11.2012 - 16a D 11.958 - juris Rn. 49).

Dies ist hier nicht der Fall, da der Beklagte zusätzlich zu den Untreuehandlungen sieben Urkundenfälschungen begangen hat, aufgrund derer er rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt worden ist. Dabei handelt es sich nicht um bloße Begleitdelikte bzw. um Taten, die keine erhebliche kriminelle Energie erkennen lassen. Die Urkundenfälschungen sind bereits für sich gesehen disziplinarisch von hohem Gewicht (BayVGH U.v. 5.3.2008 - 16a D 06.2662 - juris Rn. 80; VGH BW U.v. 30.9.2013 - DL 13 S 724/13 - juris Rn. 91). Die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Urkundenverkehrs ist für die öffentliche Verwaltung - gerade im Bereich der Personalverwaltung - von besonderer Bedeutung, da sie sich bei ihren Entscheidungen weitgehend auf Urkunden stützen muss und daher auf deren Echtheit angewiesen ist. Ein Beamter, der sich über diese Erkenntnis hinwegsetzt und seiner Dienststelle wissentlich eine gefälschte Urkunde vorlegt, erleidet deshalb ein hohes Maß an Vertrauenseinbuße, das ebenfalls die Entfernung aus dem Dienst indiziert (BVerwG U.v. 29.9.1992 - 1 D 36.91 - juris Rn. 23).

Der Beklagte hat durch die Manipulation der Arbeitsverträge auch nicht nur gegen dienstliche Anordnungen verstoßen, nachdem er für Arbeitsverträge mit Studenten nicht zeichnungsbefugt und seit Anfang 2007 auch nicht mehr für die Vorbereitung der Verträge zuständig war, nachdem ihm diese Zuständigkeit entzogen und Frau J. übertragen worden war. Er hat sich durch sein Verhalten darüber hinaus bedenkenlos über Strafvorschriften hinweggesetzt, was eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag legt, ohne dass dem durchgreifende Milderungsgründe gegenüber stünden.

(1) Dabei ist zwar zugunsten des Beklagten zu berücksichtigen, dass der Beklagte - anders als im Regelfall, bei dem sich der Täter durch die Urkundenfälschung selbst oder einen Dritten bereichert - unstreitig nicht materiell eigennützig gehandelt hat und dass dem Dienstherrn durch sein Verhalten kein materieller Schaden entstanden ist, da die studentischen Hilfskräfte von den Dozenten jeweils angefordert wurden, für sie Haushaltsmittel zur Verfügung standen und sie Arbeitsleistungen erbrachten, so dass ein Gehaltszahlungsanspruch bestand. Dies kann aber nicht zu einer milderen Bewertung führen, da der gravierende Vertrauensverlust, der vorliegend durch die Urkundenfälschungen entstanden ist, nicht aus einem wirtschaftlichen Schaden des Dienstherrn bzw. Dritter resultiert, sondern sich bereits aus der Täuschung des Dienstherrn durch die Anfertigung und Vorlage der gefälschten Verträge gegenüber der Buchhaltung der Hochschule bzw. dem Landesamt für Finanzen selbst ergibt, wodurch ein erheblicher Ansehensverlust entstanden ist.

(2) Auch die unstreitige Tatsache, dass die Arbeitsverträge durch die Manipulationen des Beklagten inhaltlich nicht unrichtig geworden sind und dass auch bei ordnungsgemäßer Ausfertigung der Verträge letztlich dasselbe Ergebnis erreicht worden wäre, ändert nichts daran, dass der Beklagte für die Ausfertigung der Arbeitsverträge nicht zeichnungsberechtigt sowie seit Anfang 2007 auch für deren Vorbereitung nicht mehr zuständig war und er sich durch sein Verhalten in der Hochschule eine Position angemaßt hat, die ihm zu keiner Zeit zustand. Demgemäß kommt es auch für die Verwirklichung des Straftatbestands des § 267 StGB nicht darauf an, ob durch eine Urkunde etwas materiell Unwahres bekundet wird („Schriftliche Lüge“), sondern allein darauf, ob darin über den Aussteller getäuscht wird.

(3) Auch die vom Beklagten angegebenen altruistischen Motive für sein Handeln führen zu keiner anderen Beurteilung. Er hat zwar erklärt, dass er subjektiv der Auffassung war, durch sein Handeln die studentischen Hilfskräfte zu unterstützen, damit diese (früher) an ihr Geld kommen konnten, auch wenn sein Tun objektiv nicht zu einer Verbesserung von deren Situation führte, da das Landesamt für Finanzen auch ohne die Manipulationen Abschlagszahlungen an diese angewiesen hätte. Es wäre von ihm angesichts der behaupteten Motive auch zu erwarten gewesen, dass er die Studenten darauf aufmerksam gemacht hätte, dass er für die Verträge nicht mehr zuständig war, bzw. dass er sich um die zeitnahe Unterzeichnung der Verträge durch die Kanzlerin gekümmert hätte, anstatt die Unterschriften zu fälschen.

Dass er dies über fast zwei Jahre hinweg nicht getan hat, spricht in den Augen des Senats vielmehr dafür, dass der Beklagte sich mit der Entziehung der Zuständigkeit für die Verträge durch Herrn U. nicht abfinden und sich „wichtig machen“ wollte (vgl. dazu Schreiben Herr U. vom 18. Februar 2008, Disziplinarakte Hochschule). Obwohl er somit ein Handeln aus altruistischen Motiven vorgibt, indem er sogar zusätzlich Tätigkeiten übernommen hat, für die er allerdings nicht (mehr) zuständig war, hat er in Wirklichkeit aus egoistischen Motiven gehandelt. So hat der Sachverständige ausgeführt, dass der Beklagte für die durch den Vorgesetzten erlittene narzisstische Kränkung altruistische Motive nur eingenommen habe, um sein Vorgehen vor sich zu rechtfertigen und Schuldgefühle zu beschwichtigen, weil er damit ja „Gutes“ tue (vgl. Gutachten N. S. 55, 59, Bl. 159, 163 Senatsakte). Eine objektive Eilbedürftigkeit hat der Beklagte zudem selbst verneint; der Vorwurf, die Verträge wären andernfalls im Vorzimmer liegengeblieben, trifft danach ebenfalls nicht zu (siehe S. 6 und 9 der Niederschrift vor dem Verwaltungsgericht, Bl. 100 Verwaltungsgerichtsakte).

(4) Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Urkundenfälschungen im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit i. S. d. § 21 StGB begangen hat, gibt es nicht. Ebenso wie die Sachverständigen im Strafverfahren (vgl. Gutachten Dres. B. und G. vom 11. Februar 2009 mit Nachtrag vom 8. April 2009, Bl. 248 bzw. 271 Strafakte) hat auch der vom Senat beauftragte Gutachter festgestellt, dass der Beklagte auch insoweit die Eingangskriterien der §§ 20, 21 StGB nicht erfüllt (Gutachten N. S. 62, Bl. 166 Senatsakte).

(5) Der Sachverständige hat hinsichtlich der Urkundenfälschungen - anders als bei den Untreuehandlungen - vor dem Hintergrund der beim Beklagten festgestellten Persönlichkeitsstörung zwar einen Zustand, der dem der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nahekommt, nicht völlig ausgeschlossen und es deshalb für denkbar gehalten, dass der Beklagte aufgrund des psychischen Drucks, dem er ausgesetzt war, sich bei einzelnen Tathandlungen in einer Lage befunden haben kann, die zur völligen Vernachlässigung des Gedankens an mögliche Konsequenzen geführt hat und in dem er keine andere Möglichkeit zum Spannungsabbau gefunden hat (vgl. Gutachten N. S. 57-60, 62, Bl. 161-164, 166 Senatsakte). Dadurch wird jedoch - auch wenn damit eine Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit einhergegangen sein mag - zur Überzeugung des Senats die erforderliche Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht (BayVGH U.v. 12.3.2014 - 16a D 11.2657 - juris Rn. 58).

Denn auch insoweit war dem Beklagten - trotz einer etwaigen Vernachlässigung des Gedankens an mögliche Konsequenzen - die Dienstpflichtwidrigkeit seines Handelns bewusst. Der Beklagte hat nach eigenen Angaben schon 2003 die Unterschrift eines Dozenten auf der Abrechnung gefälscht, die dieser angeblich vergessen hatte, und war deshalb bereits vom früheren Kanzler L. ermahnt worden (vgl. Aktenvermerk „Ermahnung“ vom 13. März 2008 sowie Aktenvermerk vom 19. Februar 2008, Disziplinarakte Hochschule), ohne hieraus Konsequenzen zu ziehen. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte die Unterschrift gefälscht hat, um eine rechtzeitige Auszahlung an den Dozenten zu gewährleisten, oder deshalb, weil der Dozent sich beschwert hatte, dass die Abrechnung durch ihn erst so spät erfolgt war. Denn jedenfalls wurde ihm dadurch klargemacht, dass er keine Unterschriften fälschen darf, um Versäumnisse zu korrigieren. Auch hat der Beklagte, nachdem ihm die Entziehung der Zuständigkeit für die Verträge seinen Angaben nach 2006 mitgeteilt worden war (vgl. S. 5 der Niederschrift vor dem Verwaltungsgericht, Bl. 98 Verwaltungsgerichtsakte), noch 2007 mehrfach Verträge gefälscht, obwohl er erklärt hat, dass ihm bewusst gewesen ist, dass er hierfür nicht zuständig war (Aktenvermerk vom 19. Februar 2008, Disziplinarakte Hochschule). Selbst nachdem er von Herrn U. aufgrund eines Vorfalls im August 2007 nochmals darauf aufmerksam gemacht worden war, dass er hierfür nicht (mehr) zuständig war, hat er im Dezember 2007 drei weitere Verträge gefälscht (siehe Aktenvermerk „Dienstanweisung“, Disziplinarakte Hochschule).

Hinzu kommt, dass sich die sieben Tathandlungen über einen längeren Zeitraum (April 2006 bis Dezember 2007) erstreckten und damit - obwohl es sich jeweils um unterschiedliche Vorgänge handelte - eine gewisse Parallelität und Kontinuität bei der Fälschung der Verträge und der Verschleierung der Urheberschaft aufweisen (Gutachten N. S. 60, Senatsakte Bl. 164), was ebenfalls gegen ein unkontrollierbares Handeln im Affekt, sondern für ein bewusstes Vorgehen i. S.e. rational steuerbaren Verhaltens spricht. Aufgrund dieses planmäßigen und gezielten Vorgehens zeigt sich, dass der Beklagte die Taten im Bewusstsein ihrer Pflichtwidrigkeit begangen hat, da er davon ausging, dass er hierfür nicht (mehr) zuständig war und an seinen Vorgesetzten vorbei handelte. Deshalb kannte er die Unredlichkeit seines Handelns und hätte diese noch bei der Fälschung bzw. bei der Weitergabe der Verträge überdenken können, so dass seine Fähigkeit, das Unrecht seiner Taten einzusehen und auch nach dieser Einsicht zu handeln, zur Überzeugung des Senats jedenfalls nicht erheblich eingeschränkt war.

(6) Es liegen auch keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklagte die Urkundenfälschungen im Rahmen einer inzwischen überwundenen negativen Lebensphase begangen hat. Der Gutachter hat die Pflichtverstöße auch weniger im Zusammenhang mit einer schwierigen Lebensphase gesehen, sondern als in der problematischen Persönlichkeit des Beklagten selbst begründet (Gutachten N. S. 62, Bl. 166 Senatsakte). So hat der Sachverständige zwar festgestellt, dass aus psychiatrischer Sicht zukünftig vergleichbare Pflichtverstöße eher nicht mehr zu erwarten sind, wenn der Beklagte an seinem Arbeitsplatz in ein passendes, wohlwollendes und nicht zu forderndes „Setting“ eingebunden würde und lediglich wenige, nicht sehr komplexe Arbeitsfelder ohne Zeitdruck bearbeiten müsste, was bedeuten würde, dass er seine bisherigen Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann. Selbst dann konnte der Gutachter aber nicht ausschließen, dass der Beklagte bei einer Rückkehr in den Dienst keine weiteren Pflichtverstöße begehen wird. Auch für den Fall, dass der Beklagte sich einer - dringend anzuratenden - Psychotherapie unterziehen sollte, ist aufgrund der bei ihm diagnostizierten Persönlichkeitsstörung nie von der völligen Behebung seiner Probleme auszugehen (vgl. Gutachten N. S. 60-62, Bl. 164-166 Senatsakte), so dass auch künftige Pflichtverstöße nicht ausgeschlossen werden können. Die bisher durchgeführten Therapien, die nicht der Behandlung der Persönlichkeitsstörung, sondern der infolge des Straf- und Disziplinarverfahrens aufgetretenen depressiven Krise dienten und die v.a. in Medikamentengaben bestanden (vgl. Arztbrief der Psychiatrischen Universitätsklinik W. vom 25. März 2010, Verwaltungsgerichtsakte Bl. 80 ff.), haben nach Angaben des Gutachters zwar zu einer Stimmungsstabilisierung geführt, vermochten jedoch nichts an der grundlegenden Persönlichkeitsstörung zu ändern (vgl. Gutachten N. S. 57, Bl. 161 Senatsakte).

Ob sich daraus bereits die prognostische Gesamtwürdigung ergibt, der Beklagte werde in Zukunft in erheblicher Weise gegen seine Dienstpflicht verstoßen, kann zwar nicht mit Sicherheit festgestellt werden, kann aber letztlich dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist die durch sein gravierendes Fehlverhalten herbeigeführte Zerstörung des Vertrauens des Dienstherrn bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen. Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion.

Hier hat der Beamte das Vertrauen, das der Dienstherr in ihn gesetzt hatte und aufgrund der konkreten Funktion setzen musste, gravierend missbraucht und dadurch das Vertrauen in die ehrliche und zuverlässige Diensterfüllung so enttäuscht, dass die Verletzung des Vertrauensverhältnisses bei einer Fortsetzung des Beamtenverhältnisses nicht wieder gutzumachen ist.

2. Angesichts der gravierenden Dienstpflichtverletzungen fällt auch die langjährige, allerdings lediglich durchschnittliche Dienstleistung des disziplinarrechtlich zwar nicht vorbelasteten, aber bereits 2003 wegen Unterschriftsfälschung auffällig gewordenen Beklagten neben der Schwere des Dienstvergehens nicht erheblich mildernd ins Gewicht. Weder die langjährige Erfüllung und Beachtung der Dienstpflichten noch überdurchschnittliche Leistungen sind geeignet, schwere Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG B.v. 23.1.2013 - 2 B 63.12 - juris).

Auch die vom Beklagten gezeigte Schuldeinsicht und Reue führen nicht zu einer milderen Betrachtung. Ein Geständnis ist zudem erst erfolgt, nachdem der Beklagte mit den jeweiligen Vorwürfen konfrontiert worden war. So hat er erst auf Vorhalt eingeräumt, zur Überbrückung eines privaten finanziellen Engpasses 400,-- € vom Handvorschusskonto abgehoben zu haben. Auch die Urkundenfälschungen hat er nicht von sich aus zugegeben, sondern, nachdem aufgrund einer Beschwerde des Landesamtes für Finanzen Anfang 2008 der Vorgang M. ans Licht gekommen war, zunächst behauptet, dass die Kanzlerin diesen Vertrag unterschrieben hat, und erst auf Vorhalt eingeräumt, dass er deren Unterschrift einkopiert hat. Letzteres stellt auch kein zulässiges Verteidigungsverhalten dar, sondern ist als Diffamierung Dritter zu seinen Lasten zu werten (BVerwG U.v. 28.2.1013 - 2 C 62.11 - juris Rn. 53).

Auch die relativ geringe vom Beklagten veruntreute Summe und die Tatsache, dass dem Dienstherrn weder durch die Untreue noch durch die Urkundenfälschungen ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, führen angesichts der Schwere des Dienstvergehens nicht zu einer milderen Beurteilung. Auch in einer Gesamtschau erreichen die insoweit für den Beklagten sprechenden entlastenden Gesichtspunkte angesichts des gravierenden Vertrauensbruchs kein solches Gewicht, das dies zu einer durchgreifenden Milderung führen könnte. Zulasten des Beklagten ist es zu werten, dass er wiederholt auf das Handvorschusskonto zugegriffen und sieben Verträge gefälscht hat, die er im Dienstverkehr vorgelegt hat, um Zahlungen zu veranlassen.

In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist nach Überzeugung des Senats deshalb die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis angemessen, aber auch geboten. Die Schwere des Dienstvergehens und das festgestellte Persönlichkeitsbild des Beamten führen zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit. Der Beamte hat das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren und ist daher aus dem Dienst zu entfernen.

3. Die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst ist unter Abwägung des Gewichts des Dienstvergehens sowie des dadurch eingetretenen Vertrauensschadens und der mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastung auch nicht unverhältnismäßig. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde seine Dienstaufgaben künftig pflichtgemäß erfüllen, ist die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG v. 14.10.2003 - 1 D 2.03 - juris Rn. 49).

4. Mit dem sich nach Art. 11 Abs. 3 Satz 1 BayDG ergebenden Unterhaltsbeitrag für sechs Monate hat es sein Bewenden. Der Unterhaltsbeitrag dient dazu, dem Beamten den durch den Wegfall der Dienstbezüge notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung zu erleichtern. Diesem Zweck liegt die Erwartung zugrunde, dass sich der Beamte in ausreichendem Maße um die Wiederaufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit oder um eine andere Art der Sicherung seiner finanziellen Grundlagen bemüht. Zwar kann nach Art. 11 Abs. 3 Satz 3 BayDG der Unterhaltsbeitrag über sechs Monate hinaus verlängert werden, soweit dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Der Beamte hat die Umstände dafür glaubhaft zu machen. Insoweit ist eine wertende Entscheidung zu treffen (BayVGH U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 69).

Soweit der Beklagte erklärt hat, dass mit Wegfall seiner Bezüge als Alleinverdiener die Sicherstellung des Lebensunterhalts seiner Familie nicht mehr gewährleistet sei, muss diese ggf. - zumindest zeitweilig - Sozialleistungen in Anspruch nehmen, falls der Beklagte innerhalb von sechs Monaten keine Arbeit finden sollte und auch seine Ehefrau aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen nicht berufstätig sein könnte; dies ist aber die Folge des zur Entfernung aus dem Dienst führenden Verhaltens und kann deshalb keine unbillige Härte begründen. Das Vorbringen, die Bezüge würden die alleinige Einnahmequelle darstellen, steht zudem im Widerspruch dazu, dass der Beklagte angegeben hat, aus der Tätigkeit als Kirchenorganist Einnahmen zu haben. Darüber hinaus hat der Beklagte nicht glaubhaft gemacht, dass er innerhalb von sechs Monaten keine Arbeit finden könnte; vielmehr hat er erklärt, dass er aufgrund seiner guten Beziehungen zur Diözese W. dort ggf. Arbeit finden könne. Selbst für diesen Fall könnte er die Betreuung der Tochter sowie die Pflege der Schwiegereltern übernehmen, um die er sich jetzt zusammen mit seiner Ehefrau kümmert, und die Ehefrau, die gelernte Erzieherin ist, ggf. eine Arbeit aufnehmen. Dass der Beklagte gesundheitlich nicht dazu in der Lage wäre zu arbeiten, ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Hinsichtlich der Übernahme von Krankheitskosten ist darauf hinzuweisen, dass nach § 12 Abs. 1a, b VAG private Krankenversicherungen grundsätzlich verpflichtet sind, im Basistarif alle Personen aufzunehmen, die nicht die Möglichkeit haben, Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung zu werden. Der Tochter des Beklagten kann zugemutet werden, die Privatschule zum unmittelbar bevorstehenden Schuljahresende zu verlassen und auf eine öffentliche Schule zu wechseln, um künftig die Kosten in Höhe von 263,-- € monatlich hierfür einzusparen.

Nach alldem war die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.

Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

Tatbestand

1

Der 1962 geborene Beklagte ist seit 1989 Beamter auf Lebenszeit und war zuletzt als Kriminalkommissar beim Polizeipräsidium ... eingesetzt. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts ... wurde er am 1. Dezember 2005 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Ihm wurde zur Last gelegt, am 10. Juni 2005 anlässlich der Aufnahme eines Einbruchsdiebstahls 500 €, die in der Wohnung des Einbruchsopfers in einer Vitrine deponiert waren, an sich genommen zu haben. Er habe die Geldscheine jedoch, nachdem die Tat von der Geschädigten entdeckt worden sei, wieder zurückgelegt.

2

Im Disziplinarverfahren äußerte der Beklagte sich nicht; im sachgleichen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren bestritt er die Tat. Das Verwaltungsgericht hat ihn auf die Disziplinarklage aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Seine Berufung hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 12. Februar 2009 im Wesentlichen aus folgenden Gründen zurückgewiesen:

3

Es stehe fest, dass der Beklagte anlässlich der Aufnahme eines Diebstahlsdelikts Geldscheine im Wert von 500 € entwendet, sie nach Entdeckung der Tat aber wieder zurückgelegt habe. Außerdem habe er der Geschädigten mit nachteiligen Konsequenzen für den Fall gedroht, dass sie das Vorkommnis nicht auf sich beruhen lasse. Der Kläger habe sich nicht durch die tatsächlichen Feststellungen aus dem Strafbefehlsverfahren gebunden gefühlt, sondern diese Feststellungen lediglich ohne nochmalige Prüfung zu Grunde gelegt; dies sei nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass weder im behördlichen noch im erstinstanzlichen Disziplinarverfahren Zeugen vernommen worden seien, sei gleichfalls unschädlich; im Übrigen habe das Oberverwaltungsgericht die Zeugenvernehmungen nachgeholt.

4

Als Disziplinarmaßnahme sei allein die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis angemessen. Es handle sich um ein die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigendes Zugriffsdelikt, das als besonders schweres Dienstvergehen einzustufen sei, weil der Beklagte einen Einsatz zur Aufklärung einer Straftat zur Begehung des Diebstahls "schamlos" ausgenutzt habe. Milderungsgründe seien nicht ersichtlich. Weder liege ein Handeln aus einer unverschuldeten unausweichlichen wirtschaftlichen Notlage vor noch eine unbedachte Gelegenheitstat in einer besonderen Versuchungssituation oder eine Tat als Folge einer psychischen Zwangssituation. Auch habe der Beklagte den Schaden nicht vor Entdeckung wieder gutgemacht oder sich dem Dienstherrn freiwillig offenbart. Auch für sonstige den Beklagten entlastende Umstände sei nichts ersichtlich; vielmehr spreche gegen den Beklagten, dass ein gegen ihn geführtes Disziplinarverfahren erst wenige Wochen vor dem hier betroffenen Vorfall eingestellt worden sei, in dem es um den Verdacht von Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Dienstkleidung gegangen sei. Die Entfernung aus dem Dienst sei auch nicht unverhältnismäßig, da die Schwere des Dienstvergehens dazu geführt habe, dass die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört sei.

5

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung von Verfahrens- und von materiellem Recht. Er beantragt schriftsätzlich,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 2009 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 2009 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. Juni 2007 aufzuheben und auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

6

Der Kläger tritt der Revision entgegen und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich nicht am Verfahren.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision, über die im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO, § 67 und § 3 Abs. 1 LDG NRW ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist mit der Maßgabe begründet, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

9

Das Oberverwaltungsgericht war an einer Sachentscheidung nicht gehindert. Die Disziplinarklage ist zwar entgegen § 3 Abs. 1 LDG NRW, § 85 Satz 1 i.V.m. § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO nicht dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt worden, obwohl er wirksam bevollmächtigt und bereits zu der beabsichtigten Klageerhebung förmlich angehört worden war. Der Zustellungsmangel ist jedoch dadurch geheilt, dass der Prozessbevollmächtigte die Klageschrift tatsächlich erhalten hat (§ 3 LDG NRW, § 56 Abs. 2 VwGO, § 189 ZPO). Er kann unabhängig davon auch deshalb nicht mehr gerügt werden, weil der Beklagte ihn in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nicht geltend gemacht hat (§ 295 ZPO). Gründe dafür, dass der Beklagte auf die Einhaltung des § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO nicht hätte verzichten können, sind auch unter Berücksichtigung der besonderen Förmlichkeit des Disziplinarverfahrens nicht ersichtlich.

10

Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO, § 67 Satz 1 LDG NRW bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nahm der Beklagte 500 € an sich, als er in der Wohnung der Geschädigten einen von ihr angezeigten Einbruchsdiebstahl aufnahm, legte das Geld allerdings zurück, nachdem die Geschädigte den Diebstahl bemerkt hatte. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Verhalten als schweres innerdienstliches Dienstvergehen in der Form des Zugriffsdelikts bewertet. Als allein angemessene Disziplinarmaßnahme hat es die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis angesehen. Dies beruht auf einem Verstoß gegen die Bemessungsgrundsätze des § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW.

11

Ist das Vorliegen eines Dienstvergehens im Einzelfall festgestellt, richtet sich die Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens; dabei sind das Persönlichkeitsbild des Beamten und das Ausmaß der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Aus diesen gesetzlichen Vorgaben folgt die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme auf Grund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall be- und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Dies entspricht dem Zweck der Disziplinarbefugnis als einem Mittel der Funktionssicherung des öffentlichen Dienstes. Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten (Urteile vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 30.05 - Rn. 25 insofern nicht abgedruckt in Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 und - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 16).

12

Den Bedeutungsgehalt der drei gesetzlichen Bemessungskriterien hat der Senat in seiner Rechtsprechung konkretisiert. Dabei geht er davon aus, dass die Schwere des Dienstvergehens als maßgebendes Kriterium der Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist (vgl. Urteile vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 ff.>, vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 13, vom 29. Mai 2008 - BVerwG 2 C 59.07 - Buchholz 235.1 § 70 BDG Nr. 3 und vom 28. Juli 2011 - BVerwG 2 C 16.10 - ZBR 2011, 414 Rn. 29 stRspr). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, nach Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und allen Umständen der Tatbegehung sowie nach den subjektiven Verhaltensmerkmalen - Form und Gewicht des Verschuldens und Beweggründe des Beamten für sein Verhalten - und den Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und Dritte. Hiervon ausgehend lassen sich, anknüpfend an die Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts, Fallgruppen von Dienstvergehen bestimmen, denen auf Grund ihrer Schwere jeweils eine der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahmen im Sinne einer Regeleinstufung zuzuordnen ist. Eine dieser Fallgruppen stellen so genannte Zugriffsdelikte dar, die im Regelfall zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen.

13

Von der Höchstmaßnahme muss jedoch zugunsten einer weniger strengen Disziplinarmaßnahme abgesehen werden, wenn ein in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats oder des erkennenden Senats anerkannter Milderungsgrund vorliegt. Diese Milderungsgründe erfassen typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des Beamten, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben. Zum einen tragen sie existenziellen wirtschaftlichen Notlagen sowie körperlichen oder psychischen Ausnahmesituationen - auch einer etwa verminderten Schuldfähigkeit (vgl. Beschluss vom 15. April 2010 - BVerwG 2 B 82.09 - juris; Urteil vom 29. Mai 2008 - a.a.O.) - Rechnung, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden kann. Zum anderen erfassen sie ein tätiges Abrücken von der Tat, insbesondere durch die freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens jeweils vor drohender Entdeckung (Urteil vom 24. Mai 2007 - BVerwG 2 C 25.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 4). Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit kann dazu führen, dass im Hinblick darauf, dass durch das Dienstvergehen nur ein geringer Schaden entstanden ist, von der Höchstmaßnahme abgesehen werden muss (Urteile vom 24. November 1992 - BVerwG 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 und vom 11. November 2003 - BVerwG 1 D 5.03 - juris; stRspr).

14

Selbst wenn keiner der vorrangig zu prüfenden anerkannten Milderungsgründe vorliegt, können entlastende Umstände gegeben sein, deren Gewicht in ihrer Gesamtheit dem Gewicht der anerkannten Milderungsgründe vergleichbar ist (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O. S. 260 f., vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - a.a.O. Rn. 20 f. und vom 24. Mai 2007 a.a.O. Rn. 22). Denn eine Zumessungsentscheidung, die vor dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bestand haben soll, setzt voraus, dass die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten steht (Urteile vom 20. Oktober 2005 a.a.O., vom 3. Mai 2007 a.a.O. und vom 24. Mai 2007 a.a.O. Rn. 22; vgl. auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - NJW 2005, 1344 <1346> m.w.N.). Dies ist nur der Fall, wenn alle bemessungsrelevanten be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und in die Bemessungsentscheidung eingestellt worden sind.

15

Unter der Geltung dieser Bemessungsmaßstäbe können sich Entlastungsmomente aus allen denkbaren Umständen ergeben. Auch wenn keiner der anerkannten Milderungsgründe vorliegt, muss daher ernsthaft geprüft und ggf. durch Beweiserhebung aufgeklärt werden, ob Umstände vorliegen, die sich entweder von den anerkannten Milderungsgründen grundsätzlich unterscheiden oder ihnen zwar vergleichbar sind, aber ihr Gewicht nicht erreichen. Solche Umstände können das Absehen von der disziplinarischen Höchstmaßnahme rechtfertigen, wenn sie in ihrer Gesamtheit das Gewicht eines anerkannten Milderungsgrundes aufweisen. Die anerkannten Milderungsgründe bieten Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Dabei muss das Gewicht der Entlastungsgründe um so größer sein, je schwerer das Zugriffsdelikt auf Grund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Zugriffshandlungen, der Begehung von "Begleitdelikten" und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt. Im umgekehrten Fall eines weniger schwer wiegenden - etwa die Geringfügigkeitsgrenze nur unwesentlich überschreitenden - Zugriffsdelikts kann ein geringeres Gewicht der Entlastungsgründe ausreichen (Urteile vom 24. Mai 2007 a.a.O und vom 29. Mai 2008 a.a.O.). Danach kommt jedenfalls bei einem einmaligen Fehlverhalten ohne belastende Begleitumstände mit einem begrenzten Schaden ernsthaft in Betracht, von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen. Zudem sind Entlastungsgründe nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" (vgl. BTDrucks 14/4659 S. 35 - zu § 3 BDG) bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen (Urteile des Disziplinarsenats vom 6. Juni 2007 - BVerwG 1 D 2.06 - juris und vom 30. September 1992 - BVerwG 1 D 32.91 - BVerwGE 93, 294 <297>).

16

Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte ein schweres Dienstvergehen im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW begangen. Insoweit ist der Würdigung durch das Berufungsgericht im Ergebnis zuzustimmen. Allerdings ist das dem Beklagten vorgeworfene Dienstvergehen kein Zugriffsdelikt im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung, da dem Beklagten das von ihm entwendete Geld nicht dienstlich anvertraut war und er durch seine Tat den Vermögensbestand zu Lasten des Dienstherrn nicht unmittelbar vermindert hat (Urteile vom 21. Juli 1998 - BVerwG 1 D 51.97 - juris Rn. 18 und vom 6. Februar 2001 - BVerwG 1 D 67.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 24 S. 10). Der Umstand, dass der Beklagte seine dienstliche Anwesenheit in der Wohnung der Geschädigten anlässlich der Aufnahme eines Einbruchsdiebstahls zur Begehung eines Diebstahls ausgenutzt hat, rechtfertigt es jedoch, sein Verhalten hinsichtlich der Schwere des Delikts einem Zugriffsdelikt gleichzustellen. Ihm ist der Vorwurf eines schweren Versagens im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten zu machen. Dienstherr, Geschädigte und Öffentlichkeit müssen sich auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue von Polizeibeamten im Einsatz, deren Aufgabe die Wahrung der Rechtsordnung und Verfolgung von Rechtsverstößen ist, unbedingt verlassen können (vgl. Urteil vom 23. August 1988 - BVerwG 1 D 136.87 - NJW 1989, 851; vgl. zum gleich gestellten Fall des "Kollegendiebstahls" Urteile vom 29. Mai 2008 a.a.O. und vom 29. September 1998 - BVerwG 1 D 82.97 - juris). Auch überschreitet die vom Beklagten entwendete Summe von 500 € die Schwelle der Geringwertigkeit (50 €) deutlich.

17

Das Oberverwaltungsgericht verletzt jedoch insoweit revisibles Recht, als es bei seiner Entscheidung gemäß § 13 Abs. 2 LDG NRW einen endgültigen Vertrauensverlust angenommen hat, ohne zuvor eine umfassende Prognoseentscheidung unter ernsthafter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu treffen. Es hat sich im Anschluss an die Prüfung der anerkannten Milderungsgründe auf die Feststellung beschränkt, die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfalle nicht auf Grund einer Berücksichtigung "aller sonst den Beklagten entlastenden Umstände"; Ursache und Motiv für das Dienstvergehen lägen im Dunkeln. Diese Darlegungen lassen nicht erkennen, dass das Oberverwaltungsgericht die erforderliche Prognoseentscheidung zum Umfang der vom Beklagten verursachten Vertrauensbeeinträchtigung auf einer hinreichenden Prognosegrundlage - die zudem im Urteil offen zu legen ist - getroffen hat.

18

In die Gesamtabwägung waren danach auf der Seite der den Beklagten belastenden Umstände zunächst diejenigen einzustellen, die der dienstlichen Verfehlung das Gewicht eines schweren Dienstvergehens gegeben haben. Zu Lasten des Beklagten war ferner ggf. zu berücksichtigen, ob die - bisher nicht hinreichend aufgeklärte - Bemerkung des Beklagten zu sozialhilferechtlichen Folgen des Vorhandenseins einer Summe von 500 € einen Versuch darstellte, die Geschädigte durch Drohung von Maßnahmen gegen ihn abzuhalten. Auf der Seite der den Beklagten entlastenden Umstände durfte das Oberverwaltungsgericht nicht offen lassen, wie die sofortige Rückgabe des Geldes zu bewerten ist, auch wenn dies den Tatbestand der Wiedergutmachung vor Entdeckung als eines anerkannten Milderungsgrundes nicht erfüllt. Anlass zur näheren Aufklärung der Motivlage des Beklagten in diesem Zusammenhang bietet bereits der Umstand, dass der Beklagte mit der Rückgabe des Geldes den gegenüber einer bloßen Passivität nach der Diebstahlshandlung risikoreicheren Weg einer Rückgabe des Geldes trotz Entdeckung der Tat gewählt hat, da er damit rechnen musste, bei dem Versuch, das Geld zurückzulegen, beobachtet zu werden. Auch hat das Oberverwaltungsgericht nicht aufgeklärt, was den Beklagten zur Tat veranlasst hat, obwohl sich dies angesichts der konkreten Tatumstände aufgedrängt hätte. Die erforderliche Aufklärung der Tatumstände und etwaiger mildernder Umstände kann freilich dort ihre Grenze finden, wo der Beklagte auf seiner Weigerung beharrt, dem Gericht gegenüber nähere Angaben zu machen, wenn ihm hinreichend deutlich ist, dass die Aufklärungsbemühungen des Gerichts umfassend auch auf denkbare entlastende Umstände zielen.

19

Zugunsten des Beklagten war ferner zu berücksichtigen, dass er disziplinarisch nicht vorbelastet ist. Das Oberverwaltungsgericht hat dies zwar erwähnt, gleichwohl aber zu Lasten des Beklagten berücksichtigt, dass erst wenige Wochen vor dem angeschuldigten Dienstvergehen ein gegen ihn geführtes Disziplinarverfahren eingestellt worden war. Auch die angeschlossene Bemerkung, der Beklagte habe wissen müssen, dass er unter Beobachtung stand, lässt nicht deutlich erkennen, ob das Oberverwaltungsgericht das folgenlose Disziplinarverfahren als belastenden Umstand eingestuft hat oder nicht.

20

Mangels ausreichender Feststellungen ist der Senat nicht in der Lage, selbst über die angemessene Maßnahme zu entscheiden. Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Der Diebstahl und die Unterschlagung geringwertiger Sachen werden in den Fällen der §§ 242 und 246 nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

Tatbestand

1

Das Verfahren betrifft die disziplinarrechtliche Ahndung eines von einem Feuerwehrbeamten innerdienstlich begangenen Diebstahls.

2

Der 1962 geborene Beklagte steht als Brandmeister im Dienst der Klägerin und wurde von der Klägerin wegen seiner Ausbildung zum Rettungsassistenten auch im Rettungsdienst eingesetzt. Der Beklagte ist 2003 wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug sowie 2005 wegen Entziehung elektrischer Energie zu Geldstrafen verurteilt worden.

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Wegen des Vorfalls, der den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet, wurde der Beklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte hatte im Jahr 2006 einem stark alkoholisierten und bewusstlosen Patienten während der Fahrt im Rettungswagen einen 50 €-Schein entwendet, um diesen für sich zu behalten. Vom Fahrer des Rettungswagens, der ihn bei der Tat be-obachtet hatte, zur Rede gestellt, schlug der Beklagte zunächst vor, den Geldschein als Trinkgeld in die Gemeinschaftskasse zu geben. Der Fahrer bestand jedoch auf der Rückgabe des Geldes an den Patienten. Bei der Aushändigung des Geldscheins an einen Pfleger des Krankenhauses gab der Beklagte an, der Patient habe das Geld im Rettungswagen verloren. Noch während der Bewährungszeit dieser strafgerichtlichen Verurteilung und des laufenden Disziplinarverfahrens wurde der Beklagte wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer weiteren Freiheitsstrafe verurteilt, die auch vollstreckt wurde.

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Im Disziplinarverfahren hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

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Bei Gesamtwürdigung aller für und gegen den Beklagten sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes sei der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit unwiederbringlich verloren habe. Mit dem Diebstahl im Rettungswagen habe der Beklagte ein einem Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn gleichzustellendes Dienstvergehen begangen. Das dem Patienten entwendete Geld sei dem Beklagten im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich gewesen. Auf den Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sache könne sich der Beklagte nicht berufen, weil durch das Dienstvergehen weitere wichtige Interessen verletzt seien und die konkreten Umstände der Tatbegehung ihn zusätzlich belasteten. Andere anerkannte Milderungsgründe kämen ebenfalls nicht in Betracht. Es habe sich nicht um eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation gehandelt. Die sonstigen Verurteilungen des Beklagten zeigten, dass ihm der Zugriff auf fremdes Vermögen und Eigentum keineswegs persönlichkeitsfremd sei.

6

Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten, mit der er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2013 und des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 2. September 2009 aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen,

hilfsweise auf eine unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis liegende Disziplinarmaßnahme zu erkennen.

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Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt weder Bundes- (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) noch revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, §§ 13, 59, 65 und 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 127 Nr. 2 BRRG und § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Die Wertung, der Beklagte sei bei Gesamtwürdigung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände und seines Persönlichkeitsbildes aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, weil er durch den innerdienstlich begangenen Diebstahl das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit im Sinne von § 13 Abs. 3 des Disziplinargesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2004 (- LDG NW -, GV. NRW S. 624), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW S. 622), endgültig verloren habe, ist nicht zu beanstanden. Die Revision ist daher zurückzuweisen (§ 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 144 Abs. 2 VwGO).

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Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer der Disziplinarmaßnahmen nach § 5 Abs. 1 LDG NW richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.a). Da der Beklagte die ausweglose Lage des Patienten ausgenutzt hat, ist hier die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.b). Die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht zugute (2.c und d). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlusts des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist (2.e).

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1. Nach den gemäß § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat sich der Beklagte eines Diebstahls schuldig gemacht. Der Beklagte hat dadurch schuldhaft seine Pflichten verletzt und damit ein Dienstvergehen begangen (§ 83 Abs. 1 Satz 1 LBG NW in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981, GV. NRW S. 234 - LBG NW a.F. -). Er hat gegen die ihm obliegende Dienstpflicht verstoßen, sein Amt uneigennützig nach bestem Wissen zu verwalten (§ 57 Satz 2 LBG NW a.F.). Zugleich hat er die ihm obliegende Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten vorsätzlich und schuldhaft verletzt (§ 57 Satz 3 LBG NW a.F.).

11

Dieses Dienstvergehen hat der Beklagte innerdienstlich begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 10).

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2. Nach § 13 Abs. 2 LDG NW und den dieser Vorschrift inhaltlich entsprechenden Bemessungsregelungen der Disziplinargesetze des Bundes und der anderen Länder ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2013 - 1 D 1.12 - BVerwGE 148, 192 Rn. 39 f.). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257>). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.>).

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Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Das Beamtenverhältnis wird auf Lebenszeit begründet und kann vom Dienstherrn nicht einseitig aufgelöst werden. Pflichtverletzungen des Beamten machen daher Reaktions- und Einwirkungsmöglichkeiten des Dienstherrn erforderlich. Das Disziplinarrecht stellt hierfür Maßnahmen zur Verfügung, um den Beamten im Falle des Dienstvergehens zur Pflichterfüllung anzuhalten oder ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, wenn das notwendige Vertrauen endgültig verloren ist. Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden (BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1973 - 1 D 25.72 - BVerwGE 46, 64 <66 f.>, vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 21 und vom 27. Februar 2014 - 2 C 1.13 - BVerwGE 149, 117 Rn. 16 f.). Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden.

14

Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt.

15

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG hat die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zwingend den Verlust der Beamtenrechte zur Folge. Aus der Intensität der verhängten Strafe hat der Gesetzgeber unwiderleglich auf das Ausmaß der Vertrauensbeeinträchtigung geschlossen (vgl. zur Berücksichtigung der Höhe der gegen den Beamten verhängten Strafe auch BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 37). Umgekehrt vermag ein außerdienstliches Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, die Höchstmaßnahme regelmäßig nicht zu rechtfertigen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14. Juni 2000 - 2 BvR 993/94 - ZBR 2001, 208 <209 f.> und vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 <257 f.>).

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a) Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NW maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG NW aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs "Schwere des Dienstvergehens" ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <259>).

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aa) Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, hat der Senat zunächst bei außerdienstlichen Dienstvergehen auf den Strafrahmen zurückgegriffen. Mit der Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 22, - 2 C 13.10 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 12 Rn. 25 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 31). Nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts, sondern die Einschätzung des Parlaments bestimmt, welche Straftaten als besonders verwerflich anzusehen sind.

18

Hiervon ausgehend hat der Senat für die disziplinarrechtliche Ahndung des außerdienstlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften aus dem von April 2004 bis Januar 2015 geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 4 StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe geschlossen, dass für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung abzustellen ist. Weist ein Dienstvergehen indes, wie bei einem Lehrer oder einem Polizeibeamten, hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme auch für mittelschwere Straftaten, für die eine Strafandrohung von Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 2 C 5.10 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 24 und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 33; Beschlüsse vom 25. Mai 2012 - 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 9 ff. und vom 23. Januar 2014 - 2 B 52.13 - juris Rn. 8).

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bb) Die Ausrichtung der grundsätzlichen Zuordnung eines Dienstvergehens zu einer der Disziplinarmaßnahmen im Sinne von § 5 Abs. 1 LDG NW am gesetzlich bestimmten Strafrahmen ist auch bei innerdienstlich begangenen Dienstvergehen geboten. Auch bei diesen Dienstvergehen gewährleistet die Orientierung des Umfangs des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung der Dienstvergehen. Auf die bisher in der Praxis des Senats maßgebliche Einstufung eines Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt, für das die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung sein soll, wenn die veruntreuten Beträge oder Werte insgesamt die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen, kommt es nicht an. Diese Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <260 ff.>, vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 20 f., vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 12 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63. 11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15) gibt der Senat auf.

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Die Strafgerichte haben den Beklagten wegen des zum Nachteil des bewusstlosen Patienten begangenen besonders schweren Falls des Diebstahls nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB bestraft, weil der Beklagte beim Diebstahl die Hilflosigkeit des Patienten ausgenutzt hat. Nach § 243 Abs. 1 Satz 1 StGB reicht der Strafrahmen von drei Monaten Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Begeht ein Beamter innerdienstlich unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren - hier sind es bis zu zehn Jahre - vorsieht, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

21

b) Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des § 13 LDG NW führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW). Die vom Oberverwaltungsgericht getroffene Entscheidung ist deshalb nicht zu beanstanden.

22

Gemäß § 13 Abs. 1 und 2 LDG NW ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, des Persönlichkeitsbildes des Beamten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit. Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass diese Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt und in die Entscheidung eingestellt werden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <258 f.> sowie zuletzt vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 35). Bei der Ausübung des den Gerichten nach § 13 Abs. 1 LDG NW eröffneten Ermessens, bei dem sie nicht an die Wertungen des Dienstherrn gebunden sind (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NW), ist jede Schematisierung zu vermeiden (BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261> und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 36).

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Die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Der Beklagte hat die schutzlose Lage des verletzten und bewusstlosen Opfers, das ihm im Inneren des Rettungswagens ausgeliefert und dessen Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war, zum Diebstahl ausgenutzt. Da eine vollständige Kontrolle der Bediensteten aufgrund der Einsatzumstände ausgeschlossen ist, verlangt die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, deren Schutz Aufgabe der Disziplinarbefugnis ist, gerade im Bereich des Feuerwehr- und Rettungsdienstes, dass sich der Dienstherr und die Öffentlichkeit auf die Ehrlichkeit und Gesetzestreue der dort eingesetzten Beamten unbedingt verlassen können. Die Allgemeinheit muss darauf vertrauen können, dass Beamte im Feuerwehr- und Rettungsdienst das Eigentum sowie die sonstigen Rechte der Opfer achten und schützen und nicht deren Hilflosigkeit und die eigene Zugriffsmöglichkeit zu Eigentumsdelikten ausnutzen.

24

Bei der Einordnung des Dienstvergehens des Beklagten in den bis hin zur Dienstentfernung eröffneten Orientierungsrahmen ist auch die von den Strafgerichten ausgesprochene, erhebliche Freiheitsstrafe von neun Monaten zu berücksichtigen. Ungeachtet der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarrecht kann bei der disziplinarrechtlichen Ahndung eines Dienstvergehens indiziell auch an die von den Strafgerichten ausgesprochenen Sanktionen angeknüpft werden (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 38 f. m.w.N.).

25

c) Der in der Rechtsprechung entwickelte, "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache kommt dem Beklagten nicht zugute.

26

Ausgehend von der Rechtsprechung der Strafgerichte zu § 248a StGB ist die Grenze zur Geringwertigkeit bei etwa 50 € anzusetzen (BVerwG, Urteile vom 13. Dezember 2012 - 2 WD 29.11 - BVerwGE 145, 269 Rn. 82 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 16).

27

Der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache ist hier aber ausgeschlossen, weil der Beklagte durch die konkrete Tatausführung und sein sonstiges Verhalten zusätzlich belastet wird (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

28

Tragend für diesen Milderungsgrund ist die Erwägung, bei einem Zugriff auf geringere Werte bestünden noch Persönlichkeitselemente, die den betroffenen Beamten noch tragbar und die Fortführung des Beamtenverhältnisses noch möglich erscheinen lassen. Dies ist insbesondere die Annahme, beim Beamten bestehe beim Zugriff auf höhere Werte noch eine Hemmschwelle und beim Zugriff auf lediglich geringwertige Sachen sei sein Unrechtsbewusstsein vermindert (BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318>).

29

Im Streitfall wird das Unrechtsbewusstsein des Beklagten jedoch nicht durch den Wert der entwendeten Sache bestimmt, sondern durch die äußeren Umstände der Tatbegehung. Der Beklagte hat eine Person bestohlen, deren Schutz ihm als dienstliche Verpflichtung auferlegt war. Er hat den Umstand, dass der geschädigte Patient ihm wegen seiner Verletzung und seiner Bewusstlosigkeit ausgeliefert war, zum Diebstahl ausgenutzt.

30

Zudem liegt hier ein erschwerender Umstand vor, der die weitere Vertrauenswürdigkeit des Beklagten trotz der objektiven Geringwertigkeit der entwendeten Sache ausschließt (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>). Der Beklagte ist im Vorfeld des Dienstvergehens bereits zweimal wegen Eigentums- und Vermögensdelikten nachteilig in Erscheinung getreten und hat sich diese Verurteilungen nicht zur Warnung dienen lassen. Im November 2010 ist der Beklagte zudem noch wegen eines während seiner Bewährungszeit begangenen Diebstahls einer geringwertigen Sache zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die auch vollstreckt wurde.

31

d) Auch andere in der Rechtsprechung "anerkannte" (klassische) Milderungsgründe, die typisierend Beweggründe oder Verhaltensweisen des betroffenen Beamten erfassen, die regelmäßig Anlass für eine noch positive Persönlichkeitsprognose geben, greifen nicht zu Gunsten des Beklagten ein.

32

Die Annahme, das Verhalten des Beklagten stelle sich als unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation dar (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1999 - 1 D 31.98 - juris Rn. 19 m.w.N.), ist hier ausgeschlossen. Das Verhalten des Beklagten kann nicht als spontan, kopflos oder unüberlegt bewertet werden. Die Kontrolle der Wertgegenstände eines durch Rettungskräfte versorgten Patienten gehört zu deren Routine. Das Rettungspersonal muss regelmäßig die zu versorgende Person durchsuchen, etwa um die Krankenversicherungskarte zu finden. Auch bei der Rückgabe des Geldes hat der Beklagte durch die Behauptung, das Opfer habe den Geldschein im Rettungswagen verloren, seine Straftat zu verschleiern versucht.

33

Der Milderungsgrund der freiwilligen Offenbarung des Fehlverhaltens oder der Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (BVerwG, Urteil vom 7. Februar 2001 - 1 D 69.99 - Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 25 S. 14 m.w.N.) scheidet ebenfalls aus. Zum einen ist der Beklagte wegen seiner vorangegangenen Eigentums- und Vermögensdelikte nicht unbescholten. Zum anderen erweist sich die Übergabe des gestohlenen 50 €-Scheins an den Pfleger im Krankenhaus allein als Folge der hartnäckigen Vorhaltungen und Ermahnungen des Fahrers des Rettungswagens.

34

Der Milderungsgrund der unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage kommt nicht zur Anwendung, weil der Beklagte den Diebstahl nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht aus Armutsgründen begangen hat. Dieser "anerkannte" Milderungsgrund setzt aber voraus, dass der Beamte Gelder oder Güter zur Minderung oder Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage verwendet hat (BVerwG, Urteil vom 25. August 2009 - 1 D 1.08 - Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 74).

35

Die Annahme der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ist aufgrund der das Revisionsgericht nach § 67 Satz 1 LDG NW i.V.m. § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ausgeschlossen.

36

Schließlich kommt auch der "anerkannte" Milderungsgrund der "Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase" dem Beklagten nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zugute. Dieser setzt außergewöhnlich belastende Umstände voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind (BVerwG, Urteile vom 18. April 1979 - 1 D 39.78 - BVerwGE 63, 219 <220> und vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 230.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 36). Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht "vorübergehend aus der Bahn geworfen". Seine Arbeitsleistung war nicht eingeschränkt, er nahm keine Medikamente ein und konnte seine dienstlichen Pflichten im Rettungsdienst uneingeschränkt erfüllen. Nach der eigenen Einschätzung des Beklagten handelte es sich bei dem konkreten Einsatz um einen Routinefall. Auch die Debatte des Beklagten mit dem Fahrer des Rettungswagens, wie mit dem gestohlenen Geld zu verfahren sei, belegt, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat mit Bedacht handeln konnte. Auch litt der Beklagte zum Zeitpunkt der Tat nicht unter einem akuten finanziellen Engpass, den er durch den Diebstahl hätte überwinden können. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte nicht alkoholabhängig und hatte den Dienst auch nicht alkoholisiert angetreten.

37

e) § 13 Abs. 2 LDG NW sowie das im Disziplinarverfahren geltende Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangen, dass - über die in der Rechtsprechung entwickelten "anerkannten" Milderungsgründe hinaus - bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sämtliche be- und entlastenden Gesichtspunkte ermittelt und vom Gericht bei seiner Entscheidung berücksichtigt werden (stRspr, BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - 2 C 12.04 - BVerwGE 124, 252 <261 ff.>, vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 14 ff. und vom 18. Juni 2015 - 2 C 9.14 - NVwZ 2015, 1680 Rn. 25).

38

Die Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist, weil er durch das Dienstvergehen das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NW).

39

Die Strafgerichte haben die Tat mit einer Freiheitsstrafe geahndet, die sich der Beendigung des Beamtenverhältnisses allein wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung annähert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG). Feuerwehrbeamte, die zur Brandbekämpfung oder im Rettungsdienst eingesetzt werden, genießen wegen der von ihnen bekämpften Gefahren und Schäden sowie der häufigen Selbstlosigkeit ihres Einsatzes eine besondere Vertrauensstellung. Diese wird durch einen Diebstahl zerstört, bei dem der Beamte die Eigenarten des Einsatzes, hier die alleinige Betreuung des Patienten während der Fahrt zum Krankenhaus, sowie dessen Hilflosigkeit ausnutzt. Die Rückgabe des Geldes beruhte nicht auf der eigenen Einsicht des Beklagten, Unrecht begangen zu haben, sondern auf dem Druck des Kollegen, der den Beklagten beim Diebstahl beobachtet und zur Rückgabe des Geldes gedrängt hatte. Bei der Rückgabe des Geldscheins versuchte der Beklagte noch seine Straftat zu verschleiern. Zum Zeitpunkt der Tat war der Beklagte für seinen verantwortlichen Dienst als Rettungsassistent voll einsatzfähig. Er war auch in der Lage, seinen Alkoholkonsum zu steuern. Die vorhergehenden strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten hat sich der Beklagte nicht zur Warnung gereichen lassen. Die Disziplinarklage mit dem Ziel, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, hat die Klägerin bereits im März 2007 erhoben. Ungeachtet dieser drohenden Folge des Disziplinarverfahrens hat der Beklagte im Juli 2010 einen weiteren Diebstahl begangen. Damit hat er dokumentiert, dass er fremdes Eigentum nicht zu respektieren bereit ist. Als Feuerwehrmann wäre der Beklagte beim Einsatz im Bereich der Brandbekämpfung oder des Rettungsdienstes aber immer wieder mit dem Eigentum Dritter befasst, die sich regelmäßig in einer hilflosen Lage befinden und deshalb den Rettungskräften faktisch ausgeliefert sind.

40

3. Der Senat weist darauf hin, dass der Beklagte durch die Aufgabe der Regeleinstufung bei einem innerdienstlich begangenen Dienstvergehen (oben Rn. 19) nicht benachteiligt wird. Denn auch auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung wäre die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Richtschnur für die Bemessungsentscheidung gewesen und wäre der "anerkannte" Milderungsgrund der Geringwertigkeit der Sache nicht zur Anwendung gekommen:

41

Der Beklagte hat nicht auf finanzielle Mittel des Dienstherrn, sondern auf Vermögenswerte eines Dritten zugegriffen, die ihm aufgrund seiner dienstlichen Tätigkeit zugänglich waren. Dieses Dienstvergehen wäre nach der bisherigen gerichtlichen Praxis einem Zugriffsdelikt zum Nachteil des Dienstherrn gleichzustellen gewesen, weil der Beklagte im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten versagt hat (BVerwG, Urteile vom 23. Februar 2012 - 2 C 38.10 - NVwZ-RR 2012, 479 Rn. 16 und vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 - BVerwGE 147, 229 Rn. 15 m.w.N.).

42

Der Umstand, dass der Beklagte durch den Diebstahl auf das Eigentum einer hilflosen Person zugegriffen hat, die zu schützen ihm dienstlich oblag, wäre nach Maßgabe des § 13 LDG NW auch bei der Prüfung des anerkannte Milderungsgrundes der Geringwertigkeit der Sache zu berücksichtigen gewesen. Der Beklagte hat die hilflose Lage einer ihm anvertrauten Person ausgenutzt. Durch diese konkrete Tatausführung wird der Beklagte zusätzlich belastet, so dass der Umstand, dass er nur eine geringwertige Sache gestohlen hat, zurücktritt. Zudem ist der Beklagte mehrfach wegen Eigentums- und Vermögensdelikten verurteilt worden und hat sich diese nicht zur Warnung gereichen lassen (BVerwG, Urteile vom 24. November 1992 - 1 D 66.91 - BVerwGE 93, 314 <318> und vom 11. Juni 2002 - 1 D 31.01 - BVerwGE 116, 308 <311>).

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4. Anlass, die gesetzliche Laufzeit des Unterhaltsbeitrages (§ 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NW) abzuändern, besteht nicht.

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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

I.

In Abänderung der Ziff. I des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. Mai 2014 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

I.

Der 1956 geborene Beklagte wurde 1971 als Postjungbote bei der damaligen Deutschen Bundespost eingestellt. Zum 1. März 1974 wurde er zum Postschaffner zur Anstellung ernannt, am 14. Dezember 1995 zum Postbetriebsassistenten (BesGr. A 5) befördert und zum 1. Juli 2008 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 6 vz eingewiesen. Zuletzt war der Beklagte als Paketzusteller in der Zustellbasis L. eingesetzt.

Der Beamte ist verheiratet und hat zwei Kinder, geb. 1980 und 1984. Zuletzt verfügte er über Nettodienstbezüge in Höhe von ca. 2.300 €. Der Beamte ist - mit Ausnahme des vorliegend vorgeworfenen Sachverhalts - weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Bei der letzten Leistungsbeurteilung im Jahr 2010 erhielt der Beklagte 9 Punkte (übertrifft die Anforderungen). Im Jahr 2009 erhielt er eine Gütezulage und seit Einführung der Leistungszulagen in den Jahren 2010, 2011 und 2012 jeweils eine Leistungszulage.

II.

Mit seit 12. Februar 2013 rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts L. vom 24. Januar 2013 (Az. 2 Cs 4 Js 35719/12) wurde gegen den Beklagten wegen des Vorwurfs, er habe als Paketzusteller bei der Zustellbasis L. am 23. November 2012 widerrechtlich ein Postpäckchen geöffnet, den darin enthaltenen Briefumschlag entwendet und eine Glückwunschkarte sowie Bargeld in Höhe von 50 € an sich genommen, wegen versuchten Diebstahls gemäß §§ 242 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu 50 € verhängt.

Grundlage des Strafbefehls sowie des streitgegenständlichen Disziplinarverfahrens ist folgender Sachverhalt:

Aufgrund einer Reklamation eines Kunden wegen Inhaltsschmälerung eines Päckchens wurden von der Konzernsicherheit der Klägerin Ermittlungen aufgenommen. Um den Täter zu überführen, wurde ein Fangpäckchen gefertigt und in den Sendungsstrom eingeschleust. Am 22. November 2012 präparierte die Security einen Geldschein zu 20 € und drei Geldscheine zu 10 € mit einem Fangstoffmittel und protokollierte die Seriennummern der Geldscheine. Diese wurden in eine Glückwunschkarte und diese in einem pinkfarbenen Briefumschlag eingelegt. Anschließend wurde der Briefumschlag zusammen mit einem in Geschenkpapier eingewickelten Buch in ein Päckchen gelegt. Am Tag vor dem Dienstantritt des Beklagten am 23. November 2012 wurde das Fangpäckchen gegen 5.15 Uhr in einen Rollbehälter eingelegt, in dem sich die Sendungen für einen den Beklagten zustehenden Zustellbezirk befanden. Aus diesem Rollbehälter entnehmen die Zusteller die jeweils für ihren Bereich bestimmten Sendungen. Die Fangbriefsendung wurde um 6.40 Uhr aus dem Zustellfahrzeug des Beklagten entnommen und anschließend vom Securitymitarbeiter überprüft. Hierbei wurde festgestellt, dass das Päckchen auf der rechten Seite geöffnet war und der Briefumschlag mit der Glückwunschkarte und den innenliegenden Gelscheinen fehlte. Bei der Vernehmung durch Polizeibeamte gab der Beklagte die Inhaltsschmälerung des Päckchens sofort zu und entnahm aus seinem privaten Rucksack den aufgerissenen Briefumschlag sowie vier Geldscheine im Wert von 50 €. Auch zeigten sich bei der Überprüfung der Hände des Beklagten die für den verwendeten Fangstoff typischen Spuren an dessen Daumen und Finger. Gegenüber der Konzernsicherheit sowie auch in den strafrechtlichen Ermittlungen bestritt der Beklagte, dass er in weiteren Fällen Bargeld aus von ihm geöffneten Sendungen entwendet habe.

III.

Am 5. Dezember 2012 wurde gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Der Beamte wurde mit Bescheid vom 23. Januar 2013 vorläufig des Dienstes enthoben. Von seinen Dienstbezügen werden 20% einbehalten.

Der Beklagte ließ sich im Rahmen des Disziplinarverfahrens dahingehend ein, dass er sich sein Verhalten selbst nicht erklären könne. Er habe sich während seiner Dienstzeit von 41 Jahren bisher nichts zu Schulden kommen lassen. In den vergangenen Jahren habe er jeweils eine Leistungszulage der zweitbesten Stufe erhalten. Außerdem sei gegen ihn nur wegen versuchten Diebstahls eine Geldstrafe verhängt worden. Dabei habe es sich um eine einmalige, kurzschlussartige und persönlichkeitsfremde Tat gehandelt. Es seien lediglich 50 € entzogen worden. Der Beklagte habe seine alleinerziehende Tochter finanziell, psychisch und physisch unterstützt, auch sei er durch das erhöhte Sendungsaufkommen vor Weihnachten stark belastet gewesen. Am Morgen des Tattages habe er vergessen, seine sämtlichen Medikamente einzunehmen. Er habe sich schwindlig gefühlt.

Am 19. Dezember 2013 erhob die Niederlassung Brief F... Klage beim Verwaltungsgericht, mit dem Antrag, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2014 wurde der Beklagte in ein Amt der Besoldungsgruppe A 5 zurückgestuft. Das Gericht halte die dem Beklagten zur Last gelegten Vorfälle für erwiesen. Diese würden die verhängte Disziplinarmaßnahme im tenorierten Umfang rechtfertigen. Grundsätzlich sei bei den Zugriffsdelikten aufgrund der Schwere dieser Dienstvergehen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis die Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, Ausnahmen könnten nur in engen Grenzen zugelassen werden. Der entwendete Betrag in Höhe von 50 € bewege sich im Bereich der „Bagatellgrenze“ und übersteige die Grenze der Geringwertigkeit nicht. Bei der Auslegung und Überführung eines Täters durch einen Fangbrief sei die Bestimmung einer Bagatellgrenze schwierig, weil die Höhe des entwendeten Betrags letztlich vom Inhalt des Fangbriefs abhänge und somit vom Dienstherrn bzw. des von ihm beauftragten Sicherheitsdienstes vorgegeben werde. Andererseits spiele bei der Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens auch der angerichtete Schaden eine maßgebliche Rolle. Maßgeblich sei das Ergebnis einer Gesamtwürdigung. Gegen den Beklagten sprächen die Umstände der Tat. Der Beklagte sei planvoll vorgegangen und habe mit der Öffnung des Päckchens und des Briefs das Postgeheimnis verletzt. Von einer unverschuldeten, ausweglosen Notlage könne nicht ausgegangen werden. Auch eine unbedachte einmalige Gelegenheitstat in einer besonderen Versuchungssituation könne nicht bejaht werden. Der Beklagte habe bewusst auf eine Sendung zugegriffen, bei der durch die Adressierung „an das Geburtstagskind“ die Wahrscheinlichkeit von Bargeld als Inhalt hoch gewesen sei. Der Beklagte habe erst nach der Überführung ein Geständnis abgelegt und das entwendete Bargeld zurückgegeben. Dass die Schuldfähigkeit des Beamten ausgeschlossen oder eingeschränkt gewesen sei, sei nicht ersichtlich. Gleichwohl sprächen überwiegende Milderungsgründe zugunsten des Beklagten: Er habe sich in den 41 Jahren seines Dienstverhältnisses weder inner- noch außerdienstlich irgendetwas zu Schulden kommen lassen. Für ihn spreche seine gute Führung und Dienstauffassung, welche ihm im Dienstzeugnis der Niederlassung F... vom 26. Februar 2013 bescheinigt worden sei. Danach habe der Beklagte seine Aufgaben zur vollen Zufriedenheit seines Dienstherrn erledigt. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen sei vorbildlich gewesen. Gegenüber den Kunden sei er stets zuvorkommend aufgetreten. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Beklagten habe er sich auch gezielt für die wirtschaftlichen Interessen seines Dienstherrn eingesetzt und bei größeren Firmen dafür geworben, dass diese ihre Pakete nicht mehr über die Konkurrenz, sondern bei der Deutschen Post AG anlieferten. Die besonderen Leistungen des Beklagten hätten sich auch darin niedergeschlagen, dass er im Jahr 2009 eine Gütezulage und seit Einführung der Leistungszulagen in den Jahren 2010, 2011 und 2012 für das Vorjahr jeweils die Leistungszulage der zweitbesten Stufe erhalten habe. Diese Umstände wiesen den Beklagten als einen über die Jahre engagierten Postbeamten aus, der seinen Beruf mit großem Pflichtgefühl und Einsatz ausgeübt habe. Angesichts der geringen Höhe des Schadens und des lediglich einmaligen Zugriffs auf fremdes Geld halte die Kammer die Maßnahme der Zurückstufung des Beklagten in ein Amt der BesGr. A 5 für erforderlich, aber auch ausreichend.

Die Klägerin hat hiergegen am 10. Juni 2014 Berufung eingelegt und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2014 aufzuheben und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens komme nur die mit der Disziplinarklage beantragte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als Disziplinarmaß in Betracht. Der Beklagte habe ein vorsätzliches Dienstvergehen in Form des Zugriffsdelikts begangen. Wer als Zusteller ihm anvertraute oder dienstlich zugängliche Sendungen unberechtigt öffne und aus eigennützigen Gründen das darin enthaltene Bargeld entwende, störe das ihn mit dem Dienstherrn verbindende Vertrauensverhältnis nachhaltig. Die Klägerin sei auf die Zuverlässigkeit ihrer Mitarbeiter im Umgang mit anvertrauten Postsendungen in vollem Maße angewiesen, weil eine lückenlose Kontrolle eines jeden Bediensteten nicht möglich sei. Wer sich als Postzusteller über die leicht verständliche Pflicht der gewissenhaften Behandlung und Weiterleitung der Postsendungen hinwegsetze, versage im Kernbereich seiner Tätigkeit. Durch das Öffnen der Frachtsendung habe der Beklagte zusätzlich das Postgeheimnis verletzt, was auch für sich alleine gesehen eine Kernpflichtverletzung darstelle und eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertige. Die Beachtung des Postgeheimnisses zähle zu den unabdingbaren Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Betriebs. Mit seiner Handlungsweise habe er einen vorsätzlichen Treuebruch im Kernbereich seiner Dienstpflichten begangen. Dies erfordere im Interesse der Reinhaltung des Berufsbeamtentums grundsätzlich die Verhängung der Höchstmaßnahme. Bei Zugriff auf die dienstlich anvertrauten Gelder sei auch nach der neueren Rechtsprechung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessen Disziplinarmaßnahme. Diese von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung könne allerdings entfallen, wenn gewichtige und im Einzelfall durchgreifende Entlastungsgründe vorlägen. Die Voraussetzungen für die in der Rechtsprechung entwickelten „klassischen Milderungsgründe“ lägen hier nicht vor. Das Verwaltungsgericht meine, die Tat des Beklagten bewege sich jedenfalls im weiteren Bereich der Bagatellgrenze und führe nicht zwangsläufig zur Entfernung aus dem Dienst. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne sich der Beklagte nicht auf den geringen Wert des entwendeten Bargelds als rechtfertigenden Grund für das Absehen von der Höchstmaßnahme berufen. Zwar überschreite der aus der Postsendung entwendete Betrag den von der Rechtsprechung als Bagatellgrenze angesehen Betrag von 50 € nicht. Gerade wenn die Überführung eines Täters Probleme bereite und nur mit einer Videoüberwachung oder der Einschleusung von Fangbriefen möglich sei, hätte es sonst auch die Betriebssicherung in der Hand, durch Einschleusen großer oder kleiner Geldscheine die Wertgrenze zu über- oder unterschreiten. Die Höhe des veruntreuten Geldes könne in derartigen Fällen nicht entscheidend sein. Weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Milderungsgrundes sei jedoch, dass der Beklagte durch sein Dienstvergehen nicht weitere wichtige öffentliche oder private Schutzgüter verletze. Hier habe der Beklagte durch das Öffnen und die Beraubung einer Postsendung das grundrechtlich geschützte Rechtsgut des Post- und Fernmeldegeheimnisses verletzt und sich damit zusätzlich erheblich belastet. Unter diesen Umständen könne nicht davon ausgegangen werden, dass er in unmittelbarer Nähe eines anerkannten Milderungsgrundes gehandelt hätte. Es seien keine so gewichtigen Umstände zu erkennen, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass der Beklagte noch als Postbeamter tragbar sei. Dass der Beklagte bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei, werde von einem Beamten erwartet. Auch eine gute Beurteilung seiner dienstlichen Leistungen sei für sich genommen kein Milderungsgrund. Die vom Verwaltungsgericht genannten überwiegenden Milderungsgründe hätten nicht das Gewicht, dass eine positive Prognoseentscheidung zugunsten des Beklagten getroffen werden müsste oder könnte. Das Dienstvergehen habe zu einer völligen Zerstörung des Vertrauens des Klägerin und der Allgemeinheit in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit des Beklagten geführt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Zu den Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verfahrensakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg und führt dazu, dass unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2014 gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gemäß § 10 BDG erkannt wird.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Solche sind auch vom Beklagten im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

II.

Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt ist zur Überzeugung des Berufungsgerichts erwiesen. Die tatsächlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts L. vom 24. Januar 2013 (Az.: 2 Cs 4 Js 35719/12) sind zwar nicht bindend, der Senat kann sie dennoch gemäß § 65 Abs. 1, § 57 Abs. 2 BDG seinem Urteil ohne nochmalige Prüfung zugrunde legen. Der Beklagte hat den Sachverhalt, wie nachfolgend dargestellt, eingeräumt, so dass weitere Ermittlungen nicht veranlasst waren.

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Beklagte am 22. November 2012 widerrechtlich ein Postpäckchen geöffnet hat, den darin enthaltenen Briefumschlag entwendet und eine Glückwunschkarte sowie Bargeld in Höhe von 50 € an sich genommen hat, um das Geld für sich zu behalten.

III.

Das Dienstvergehen, das sich der Beklagte hat zuschulden kommen lassen, ist als schweres innerdienstliches Dienstvergehen einzustufen, weil der Beamte schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt hat (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG). Durch das festgestellte und von dem Beklagten eingeräumte Verhalten hat er vorsätzlich gegen die Dienstpflichten verstoßen, sein Amt uneigennützig zu verwalten und innerhalb des Dienstes dem Vertrauen gerecht zu werden, den sein Beruf erfordert, § 61 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BBG.

IV.

Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ist auch angemessen und erforderlich.

1. Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach § 13 BDG. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (§ 13 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Aus § 13 Abs. 1 BDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (st. Rspr. BVerwG, U.v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 -; BayVGH, U.v. 12.3.2014 - 16a D 11.2657 jeweils juris).

Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße, sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach der Höhe des entstandenen Schadens (BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris).

Das Bemessungskriterium „Persönlichkeitsbild des Beamten“ erfasst dessen persönliche Verhältnisse und sein sonstiges dienstliches Verhalten vor, bei und nach der Tatbegehung. Dies erfordert eine Prüfung, ob das festgestellte Dienstvergehen mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild des Beamten übereinstimmt oder es - etwa als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder in einer psychischen Ausnahmesituation - davon abweicht (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris).

Der Gesichtspunkt der „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ verlangt eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 15).

Bei der Anwendung des Bemessungskriteriums „Schwere des Dienstvergehens“ ist das festgestellte Dienstvergehen nach seinem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Hierbei können die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris Rn. 20).

2. Durch den Diebstahl hat der Beklagte ein Zugriffsdelikt verwirklicht, das regelmäßig die disziplinare Höchstmaßnahme als Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung zur Folge hat. Das Schwergewicht des dem Beklagten zur Last fallenden Dienstvergehens ist aber nicht allein in der Briefberaubung (Zugriffsdelikt) zu sehen, sondern mindestens gleichgewichtig in der darin mitenthaltenen Verletzung des Postgeheimnisses (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2007 - 2 C 25/06 - juris Rn. 34).

a. Ein Zugriffsdelikt wird dadurch charakterisiert, dass ein Beamter auf dienstlich seinem Gewahrsam unterliegendes Geld oder unterliegenden Waren (hier Pakete) zugreift. Die disziplinare Einstufung als Zugriffsdelikt hängt dabei nicht von der strafrechtlichen Beurteilung ab. Es kommt auch nicht darauf an, ob ein Beamter dienstliche Gelder oder Güter z. B. durch Betrug, Diebstahl, Untreue oder Unterschlagung erlangt hat. Für die Bewertung als Zugriffsdelikt ist vielmehr entscheidend, dass einem Beamten Güter des Dienstherrn dienstlich anvertraut oder dienstlich zugänglich sind (vgl. BVerwG, U.v. 8.4.2003 - 1 D 27.02 - juris Rn. 16; B.v. 20.12.2011 - 2 B 64.11 - juris Rn. 11).

Ein Beamter, der ihm amtlich anvertraute oder dienstlich zugängliche Postsendungen öffnet und daraus Geld entwendet, die seinem Gewahrsam unterliegen, versagt im Kernbereich seiner Dienstpflichten und zerstört in der Regel das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit (BVerwG, U.v. 23.2.2012 - 2 C 38.10 - juris Rn. 12), denn die öffentliche Verwaltung ist auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten beim Umgang mit solchen Gütern in hohem Maße angewiesen. Eine ständige und lückenlose Kontrolle eines jeden Mitarbeiters ist unmöglich und muss deshalb weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Wer diese für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört, muss deshalb grundsätzlich mit der Auflösung des Beamtenverhältnisses rechnen (BVerwG, B.v. 20.12.2011 - 2 B 64.11 - juris Rn. 11; U.v. 3.5.2007 - 2 C 9.06 - juris; U.v. 8.4.2003 - 1 D 27.02 - juris).

Dies gilt auch für sog. Fang- und Prüfbriefe, die vom betrieblichen Sicherheitsdienst in den Postverlauf eingeschleust worden sind (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.1981 - 1 D 23/80 - juris).

Allerdings ist der Diebstahl trotz der Mitnahme des fremden Geldes nicht vollendet, da es sich um eine Diebsfalle handelte. Wegnahme im Sinn des § 242 StGB setzt den Bruch fremden Gewahrsams, d. h. die gegen den Willen des Berechtigten erfolgende Aufhebung des Gewahrsams voraus. Bei einer Diebesfalle, d. h. dem Bereitstellen einer Sache in der Absicht, eine Person zur Wegnahme zu veranlassen, um sie zu überführen, liegt kein vollendeter, sondern nur ein versuchter Diebstahl vor, weil der Berechtigte in die Wegnahme einwilligt (vgl. Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 242 Rn. 41). Auch die versuchte Straftat stellt eine vollendete Dienstpflichtverletzung dar. Denn die Pflicht zur Loyalität zur Rechtsordnung untersagt die Begehung von Straftaten jeder Art und nicht nur die Begehung von vollendeten Straftaten, so dass schon der Versuch einer Straftat sämtliche Merkmale der Dienstpflichtverletzung verwirklicht (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2013 - 2 WD 29.11 - juris Rn. 49; BayVGH, U.v. 3.2.2009 - 16a D 07.1304 - juris).

b. Mit dem Öffnen des Postpäckchens und der Ansichnahme des Briefumschlags mit dem Geld hat der Beklagte jedoch nicht nur einen versuchten Diebstahl, sondern zusätzlich auch das Postgeheimnis verletzt. Die Verletzung des Postgeheimnisses stellt als solches, d. h. auch ohne Brief- bzw. Paketberaubung, ein schweres Dienstvergehen dar, da von einem Postbeamten erwartet werden muss, dass er dieses grundrechtlich durch Art. 10 GG und einfachrechtlich durch § 39 PostG und § 206 StGB geschützte Rechtsgut achtet und mit besonderer Sorgfalt respektiert (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2007 - 2 C 25.06 - juris Rn. 34). In der schuldhaften Verletzung des Postgeheimnisses durch Postbedienstete liegt deshalb ein Dienstvergehen, das für sich allein schon geeignet ist, die Grundlage des Beamtenverhältnisses zu zerstören. Dies gilt verstärkt dann, wenn das Postgeheimnis - wie hier - mit dem Ziel verletzt wird, Zugang zu aneignungsfähigen Inhalten, z. B. Bargeld, zu erlangen.

Ausgangspunkt der Erwägungen für die Zumessung der Disziplinarmaßnahme ist damit die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 BDG).

3. Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt, wenn zugunsten des Beklagten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beklagte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Dabei sind auch die von der Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten entwickelten sog. anerkannten Milderungsgründe, die besondere Konfliktsituationen (Handeln in einer wirtschaftlichen Notlage, in einer psychischen Ausnahmesituation oder in einer besonderen Versuchungssituation) und Verhaltensweisen mit noch günstigen Persönlichkeitsprognosen (freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung) in den Blick zu nehmen. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben. Sie müssen in ihrer Gesamtheit aber geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen.

Generell gilt, dass das Gewicht der Entlastungsgründe umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen aufgrund der Schadenshöhe, der Anzahl und Häufigkeit der Tathandlungen, der Begehung von „Begleitdelikten“ und anderen belastenden Gesichtspunkten im Einzelfall wiegt. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände (BayVGH, U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 41; U.v. 24.9.2014 - 16a D 13.118 - juris Rn. 90).

Die bei Zugriffsdelikten vorrangig in den Blick zu nehmenden anerkannten Milderungsgründe führen zu keiner anderen Bewertung der durch den Beklagten verübten Dienstpflichtverletzung.

a. Dem Gesichtspunkt der Geringwertigkeit des entwendeten Betrags kommt im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Zwar enthielt der vom Beamten geöffnete Fangbrief lediglich 50 €. Auch kann davon ausgegangen werden, dass der Beklagte in dem Postpäckchen, gerichtet „an das Geburtstagskind“, nur einen Betrag in allenfalls dieser Größenordnung erwartete. Der Wert lag damit unter der Grenze der Geringwertigkeit, die in der Regel bei 50 € oder bei einem einmaligen Fehlverhalten mit 200 € auch höher anzusetzen ist. Voraussetzung für die Anwendung des Milderungsgrundes ist jedoch, dass der Beamte nicht durch sein sonstiges Verhalten oder die konkrete Tatausführung zusätzlich belastet ist und dass durch das Dienstvergehen keine weiteren wichtigen öffentlichen oder privaten Schutzgüter verletzt werden (BVerwG U.v. 8.4.2003 - 1 D 27.02 - juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 4.6.2014 - 16a D 10.2005 - juris Rn. 69). Damit wird der Milderungsgrund der Geringwertigkeit des entwendeten Gutes entkräftet, weil gleichzeitig das Postgeheimnis verletzt wurde und der Beklagte sich nicht nur über fremde Eigentumsrechte, sondern auch über die Vertraulichkeit des Inhalts von Postsendungen hinwegsetzte (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2007 - 2 C 25/06 - juris Rn. 34; U.v. 8.4.2003 - 1 D 27.02 - juris 21).

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Berücksichtigung der Geringwertigkeit bei der Einschleusung eines „Fangbriefes oder -paktes“ in den Postverlauf zur Folge hätte, dass die Behörde es bei der Planung eines solchen „Diebesfalle“, der zumeist bereits festgestellte Verluste von Postsendungen und ein vager Tatverdacht vorausgehen, in der Hand hätte, je nach Höhe des eingelegten Geldbetrags die Wertgrenze zur Geringwertigkeit zu über- oder unterschreiten (vgl. BVerwG, U.v. 8.4.2003 - 1 D 27/02 - juris Rn. 21). Soweit das Bundesverwaltungsgericht bei der Entnahme von Geld aus Briefen die Höhe des entwendeten Geldes in den Blick nahm, stand das im Zusammenhang mit der vom damaligen Beklagten als rechtsgrundsätzlich bedeutsam angesehenen Frage, ob eine schwere depressive Erkrankung unterhalb der Schwelle einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit nicht zumindest bei Zugriffsdelikten unterhalb eines Schadensbetrags von 200 € einen einem anerkannten Milderungsgrund vergleichbaren Umstand bilden kann (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2013 - 2 B 50/12 - ZBR 2013, 351 - juris Rn. 4), was jedoch verneint wurde.

b. Auch die Würdigung des Persönlichkeitsbilds und die dienstlichen Leistungen des Beklagten ändern nichts daran, von der Höchstmaßnahme abzusehen. Der Beamte ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Zu seinen Gunsten spricht seine langjährige und beanstandungsfreie Dienstausübung als Postbeamter, sowie der Umstand, dass er in der Vergangenheit Leistungszulagen erhalten hatte und seinen dienstlichen Pflichten beanstandungsfrei nachgekommen ist. Besondere Milderungsgründe können daraus angesichts der Schwere des Dienstvergehens nicht entnommen werden. Angesichts der Schwere des von ihm begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen sich der Beklagte als Paketzusteller untragbar gemacht hat, können weder die guten dienstlichen Leistungen des Beklagten noch sein überdurchschnittliches berufliches Engagement und die Tatsache, dass der Beklagte straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist, zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Diese Umstände stellen das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte (BayVGH, U.v. 12.7.2006 - 16a D 05.981 - juris Rn. 25). Die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist - selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen - für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, derart gravierende Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, B.v. 5.4.2013 - 2 B 79/11 - juris Rn. 27).

c. Auch der weitere bei Zugriffsdelikten anerkannte Milderungsgrund der persönlichkeitsfremden und einmaligen Augenblickstat, der durch das Versagen des Beamten in einer spezifischen Versuchungssituation gekennzeichnet wird, kann nicht herangezogen werden. Dieser Milderungsgrund liegt vor, wenn ein Beamter im Zuge einer plötzlich entstandenen, besonderen Versuchungssituation einmalig und persönlichkeitsfremd gehandelt und dabei ein gewisses Maß an Kopflosigkeit, Unüberlegtheit und Spontanität gezeigt hat (z. B. BVerwG, U.v. 4.7.2000 - 1 D 33/99 - juris.; U.v. 15.3.1994 - 1 D 19.93 - juris). Er kommt nur in Betracht, wenn der Beamte unter dem Einfluss eines von außen auf die Willensbildung einwirkenden Ereignisses in Versuchung geraten wäre, sich in der vorgeworfenen Weise eigennützig zu verhalten (BVerwG, U.v. 11.6.2002 - 1 D 31/01 - juris Rn. 19). Hiergegen spricht, dass der Umgang mit Paketen, die gelegentlich auch Bargeld enthalten, zu den täglichen dienstlichen Obliegenheiten des Beklagten gehörte und gerade nicht geeignet war, für ihn eine plötzliche Versuchssituation darzustellen. Darüber hinaus musste der Beklagte das Paket zunächst öffnen, um dann nach Geld zu suchen (BayVGH, U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 58).

d. Aber auch die Voraussetzungen für die Annahme des Milderungsgrundes einer besonderen psychischen Ausnahmesituation, in denen ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten des Beamten nicht mehr erwartet werden kann, liegen hier nicht vor. Die starke Belastung durch das erhöhte Sendungsaufkommen vor Weihnachten bzw. durch die Unterstützung seiner Tochter kann als richtig unterstellt werden. Diese vom Beklagten vorgetragenen Beschwernisse sind auch von der Klägerin nicht bestritten worden. Dafür, dass diese Situation derart außerordentlich belastend für den Beklagten gewesen wäre, dass von ihm ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten nicht mehr erwartet werden könnte, ist jedoch nicht Konkretes vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

e. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB gehandelt hätte, liegen nicht vor. Der bloße Hinweis, der Beklagte habe vergessen, seine Medikamente einzunehmen und ihm sei schwindlig gewesen, bietet keine Anhaltspunkte, dass der Beklagte bei der Tatbegehung schuldunfähig wegen seelischer Störungen im Sinne des § 20 StGB gewesen wäre bzw. für die Annahme einer verminderten Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB. Der Beklagte hat auch nicht ausdrücklich behauptet, er habe die Zugriffshandlung im Zustand der Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderten Schuldfähigkeit begangen. Ärztliche Stellungnahmen, die dazu verwertbare Aussagen enthalten, wurden nicht beigebracht. Damit bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Schuldfähigkeit des Beamten bei Begehung der Tat erheblich gemindert gewesen wäre, so dass der Senat dem nicht im Rahmen der Amtsermittlung nachgehen musste (vgl. BVerwG, B.v. 7.11.2014 - 2 B 45/14 - BayVBl 2015, 423 - juris Rn. 16). Auch bleibt festzuhalten, dass im Disziplinarrecht die von den Verwaltungsgerichten vorzunehmende Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten abhängt. Aufgrund dessen kann sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden (BVerwG, U.v. 3.5.2007 - 2 C 9.06 - NVwZ-RR 2007, 695 ff. - juris; BayVGH, U.v. 25.9.2013 - 16a D 12.1369 - juris Rn. 55). Dafür spricht hier nichts.

f. Das Geständnis des Beklagten führt nicht zu einer milderen Beurteilung, da es nicht freiwillig vor drohender Entdeckung, sondern erst nach Aufdeckung der Paketberaubung durch die Betriebssicherheit der Klägerin und im anschließenden Strafverfahren erfolgte.

In der Gesamtschau aller be- und entlastenden Umstände ist nach Überzeugung des Senats deshalb die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis angemessen, aber auch geboten. Die Schwere des Dienstvergehens und das festgestellte Persönlichkeitsbild des Beamten führen zu einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit.

4. Die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst ist unter Abwägung des Gewichts des Dienstvergehens sowie des dadurch eingetretenen Vertrauensschadens und der mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastung auch nicht unverhältnismäßig. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst als disziplinarische Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde seinen Dienstaufgaben künftig pflichtgemäß erfüllen, ist die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann auf der schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (BVerwG, U.v. 14.10.2003 - 1 D 2.03 - ZBR 2004, 256 - juris Rn. 49).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 69 BDG, § 132 VwGO, § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG).

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Das Urteil wird, wenn eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der Regel in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, in besonderen Fällen in einem sofort anzuberaumenden Termin, der nicht über zwei Wochen hinaus angesetzt werden soll. Das Urteil ist den Beteiligten zuzustellen.

(2) Statt der Verkündung ist die Zustellung des Urteils zulässig; dann ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(3) Entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung, so wird die Verkündung durch Zustellung an die Beteiligten ersetzt.