Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 10. Apr. 2018 - 4 CE 17.2450

bei uns veröffentlicht am10.04.2018

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist Mitglied des Stadtrats der Stadt N. Sie wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung dagegen, dass sie von der Antragsgegnerin, einer Stadtratsfraktion, aus der Fraktion ausgeschlossen wurde.

Bei einer Zeugenbefragung im Zuge eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sagte die Antragstellerin aus, dass ihr Fraktionskollege Th. in Fraktionssitzungen die den Oberbürgermeister der Stadt N. betreffenden Gerüchte angesprochen habe; ihrer Vermutung nach sei er Urheber dieser Gerüchte. Daraufhin leitete die Antragsgegnerin gegen sie - nach einem gescheiterten Einigungsversuch - ein Ausschlussverfahren ein. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2017 wurde die Antragstellerin aus der Fraktion ausgeschlossen; dies wurde ihr mit Schreiben vom selben Tag mitgeteilt.

Die Antragstellerin ließ dagegen Feststellungsklage erheben und zugleich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, sie vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit allen Rechten und Pflichten eines Fraktionsmitglieds zur Fraktionsarbeit zuzulassen.

Beide Rechtsstreitigkeiten, die zunächst beim Landgericht anhängig gemacht worden waren, wurden von dort an das Verwaltungsgericht Bayreuth verwiesen.

Mit Beschluss vom 24. November 2017 gab das Verwaltungsgericht dem Eilantrag statt. Es liege ein kommunalverfassungsrechtlicher Organstreit vor, da es sich um eine Auseinandersetzung von sich gegenüberstehenden Organisationsteilen einer Stadt handle. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da es für sie einen wesentlichen Nachteil darstelle, bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache von der Mitwirkung bei der fraktionsinternen Willensbildung ausgeschlossen zu sein und als fraktionslose Gemeindevertreterin nur eingeschränkt Einflussmöglichkeiten in der Gemeindevertretung zu haben. Die Fraktionszugehörigkeit wirke sich auf die Sitzverteilung in den Ausschüssen aus, so dass ihr auch insoweit Möglichkeiten der Einflussnahme entzogen werden könnten. In einem solchen Organstreit sei zwar eine Vorwegnahme der Hauptsache nur in seltenen Ausnahmefällen gerechtfertigt, etwa wenn der Fraktionsausschluss dem Willkürverbot widerspreche oder das Ausschlussverfahren rechtsstaatlichen Minimalanforderungen nicht gerecht werde; dies sei hier aber überwiegend wahrscheinlich. Es sei sachgerecht, bei Fehlen besonderer Regelungen für einen Fraktionsausschluss auf den allgemein für die Beendigung von Dauerrechtsverhältnissen geltenden Maßstab zurückzugreifen. Danach erfordere ein solcher Ausschluss zwingend die Einhaltung bestimmter formeller Voraussetzungen. Da ein Fraktionsausschluss erheblich in die politischdemokratischen Handlungsmöglichkeiten eines gewählten Ratsmitglieds eingreifen könne, müsse er demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen; hierbei sei mangels Regelung in der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin auf die Regelungen der Gemeindeordnung zurückzugreifen. Nach Art. 49 Abs. 1 Satz 1 GO könne ein Gemeinderat an der Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, wenn der Beschluss ihm selbst oder einer von ihm kraft Vollmacht vertretenen natürlichen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erbringen könne. Beim Ausschluss der Antragstellerin hätten das Fraktionsmitglied Th., in dessen Ermittlungsverfahren die Antragstellerin befragt worden sei, und sein Prozessbevollmächtigter, das Fraktionsmitglied H., mitgestimmt, die jeweils im Sinne des Art. 49 Abs. 1 Satz 1 GO ein persönliches Interesse an der Entscheidung gehabt hätten. Ohne ihre Beteiligung wäre die für den Ausschluss erforderliche Mehrheit nicht zustande gekommen, da die Fraktion mit 6 Stimmen zu 4 Stimmen für den Ausschluss der Antragstellerin gestimmt habe. Auch seien die Gründe, die zu dem Ausschluss geführt hätten, der Antragstellerin nicht mitgeteilt worden; dies stelle einen zur Nichtigkeit des Fraktionsausschlusses führenden Verfahrensmangel dar. Das Fraktionsmitglied müsse allein durch die Lektüre der Mitteilung über seinen Fraktionsausschluss in die Lage versetzt werden zu entscheiden, ob es den Beschluss hinnehmen oder gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen wolle. Die im Schreiben vom 8. Oktober 2017 gegebenen Begründung, dass „mehrheitlich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint“, werde aufgrund ihrer leerformelhaften Fassung dem Begründungserfordernis nicht gerecht. Auf das Begründungserfordernis könne hier schon deshalb nicht verzichtet werden, weil die Antragstellerin die Fraktionssitzung vorzeitig verlassen habe und bei der Abstimmung nicht mehr anwesend gewesen sei. Die Begründung sei nicht nachholbar, denn es gebe keinen Grundsatz, dass Verstöße gegen Verfahrensvorschriften stets durch Nachholung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt heilbar seien. Der Ansicht, dass die Antragstellerin ihren Austritt schon in der vorangegangenen Sitzung am 14. September 2017 selbst erklärt habe, könne nicht gefolgt werden. Das vorzeitige Verlassen der Fraktionssitzung biete - auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände - keine ausreichende Grundlage, um auf einen Austritt aus der Fraktion zu schließen. Das Gericht halte es darüber hinaus für überwiegend wahrscheinlich und damit für glaubhaft gemacht, dass der Fraktionsausschluss auch materiell rechtswidrig sei. Ein solcher Ausschluss könne nur das letzte Mittel der Wahl sein. Die Antragstellerin habe ihre Äußerung nur im Ermittlungsverfahren gemacht und sei ihrerseits nicht an die Öffentlichkeit herangetreten. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass ihre Äußerungen im Ermittlungsverfahren nicht an die Öffentlichkeit - auch nicht an andere Fraktionsmitglieder - gelangten. Den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage zu prüfen, sei Aufgabe der ordentlichen Gerichte bzw. der Staatsanwaltschaft. Durch den sofortigen Fraktionsausschluss sei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens bereits - ohne den Ausgang abzuwarten - vorweggenommen worden. Im Übrigen seien die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht offenbar nicht von der Unschuld des Herrn Th. überzeugt gewesen, wie die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage zeige. Ein wichtiger Grund für den Fraktionsausschluss sei schon mangels Begründung des Ausschlusses nicht erkennbar. Die Weitergabe von Ergebnissen einer Fraktionsbesprechung im Ermittlungsverfahren sei kein wichtiger Grund, da diese Inhalte keinem Zeugnisverweigerungsrecht unterlägen, so dass sie von den Fraktionsmitgliedern in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht geheim gehalten werden müssten. Ein wichtiger Grund könne auch nicht darin gesehen werden, dass die Antragstellerin vertrauliche Inhalte einer Fraktionssitzung an die Presse weitergegeben habe. Zum betreffenden Zeitpunkt hätten der Presse offensichtlich die Informationen schon vorgelegen. Zudem sei eine Geheimhaltungspflicht nicht in einer Geschäftsordnung der Fraktion festgehalten worden.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht habe ihr zu Unrecht die Beteiligtenfähigkeit und damit die Passivlegitimation zugesprochen. Sie verfüge weder über eine eigene Geschäftsordnung oder eigenes Vermögen noch über ein vertretungsbefugtes Organ; ihr Vorsitzender sei nur koordinierend tätig. Antragsgegner könnten daher nur die einzelnen Fraktionsmitglieder sein. Für die einstweilige Anordnung fehle es an einem Anordnungsgrund, da die Antragstellerin durch den Fraktionsausschluss keine wesentlichen Nachteile erleide. Der Stadtrat verweigere sich einer Anpassung der Ausschussbesetzung, so dass ihr derzeit nicht der Verlust ihrer Ausschusssitze drohe. Zur Ausübung ihres Stadtratsmandats sei sie nicht auf die Information durch die Fraktion angewiesen. Die Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren lasse sich nicht auf Verstöße gegen rechtsstaatliche Minimalanforderungen stützen, da dies eine Vermischung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bedeuten würde; solche Rechtsverstöße lägen zudem nicht vor. Die Antragstellerin habe die Sitzung am 14. September 2017 vorzeitig verlassen und dabei sinngemäß geäußert: „Ich habe verstanden, mir reicht's“; dies sei nach dem Empfängerhorizont als Austrittserklärung zu verstehen gewesen. Das danach von der Antragsgegnerin vorsorglich betriebene Ausschlussverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Fraktionsmitglieder Th. und H. hätten nicht von der Abstimmung ausgeschlossen werden dürfen, da Art. 49 GO auf Fraktionsausschlüsse nicht anwendbar sei; innerorganisatorische Akte würden ohnehin gemäß Art. 49 Abs. 2 Nr. 2 GO von der Norm nicht erfasst. Das Fraktionsmitglied H. habe als anwaltlicher Vertreter des Th. durch die Abstimmung keinen unmittelbaren Sondervorteil erlangen können. Auch bei Th. selbst habe kein individuelles Sonderinteresse am Ausschluss der Antragstellerin bestanden, da die nur indirekte Möglichkeit, dass sich der Beschluss auf die Glaubwürdigkeit der Antragstellerin im Strafverfahren auswirke, keinen auf dem Beschluss oder seinem Vollzug beruhenden unmittelbaren Vorteil darstelle. Gegen das Gebot, die Gründe für den Ausschluss mitzuteilen, sei ebenfalls nicht verstoßen worden. Zum Zeitpunkt der Ladung zur Anhörung sei noch nicht klar gewesen, ob es tatsächlich zu einem Ausschluss kommen werde; eine Art „Klageschrift“ könne insoweit nicht gefordert werden. Die Antragstellerin sei zu dem Termin erschienen und habe sich rügelos eingelassen; sie habe sogar einen Anwalt und eine vorgefertigte schriftliche Erklärung mitgebracht. Das vorzeitige Verlassen der Sitzung liege in ihrer eigenen Verantwortung. Der Fraktionsausschluss sei mangels Alternativen das letzte verfügbare Mittel gewesen. Der zentrale Vorwurf sei gewesen, dass sich die Fraktionsmitglieder durch das Verhalten der Antragstellerin der Gefahr ausgesetzt gesehen hätten, für Äußerungen im geschützten Kreis der Fraktion bei der Polizei angeschwärzt zu werden. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht nicht die Unschuldsvermutung zugunsten von Herrn Th. zugrunde gelegt, sondern sei davon ausgegangen, dass an dem gegen ihn erhobenen Vorwurf „schon etwas dran“ gewesen sei. Unabhängig davon wäre die Aussage der Antragstellerin im Ermittlungsverfahren zur Begründung eines Ausschlusses selbst dann geeignet gewesen, wenn sie nur zutreffende Inhalte gehabt hätte. Da nach Art. 20 Abs. 3 GO schon im Gemeinderat ein Genehmigungsvorbehalt für gerichtliche und außergerichtliche Aussagen über der Verschwiegenheit unterliegende Angelegenheiten bestehe, müsse dies umso mehr für das vertrauliche Umfeld von Fraktionssitzungen gelten. Die Aussagen der Antragstellerin seien aber sogar objektiv falsch gewesen. Der von ihr geäußerte Verdacht sei geeignet gewesen, das Vertrauensverhältnis zu stören, da sie damit einen Fraktionskollegen in ein Strafverfahren hineingezogen habe. Durch ihre Aussage habe sich das Ermittlungsverfahren auf Herrn Th. konzentriert. Ein Ausschlussgrund liege auch darin, dass sie Informationen an die Presse weitergegeben habe, was entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht bloß eine Vermutung darstelle, sondern von ihr selbst zugegeben worden sei bzw. sich bei lebensnaher Auslegung der Abläufe ergebe; zumindest hätten die übrigen Fraktionsmitglieder begründeten Anlass zu dieser Annahme gehabt. Dass das in einer Fraktion notwendige Vertrauensverhältnis zerstört sei, ergebe sich schon aus der Abstimmung am 8. Oktober 2017.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 24. November 2017 abzuändern und den Antrag der Antragstellerin abzulehnen.

Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Eilrechtsschutzbegehren der Antragstellerin zu Recht stattgegeben.

a) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 VwGO) mit dem Ziel, die Antragstellerin vorläufig mit allen Rechten und Pflichten eines Fraktionsmitglieds zur Fraktionsarbeit zuzulassen, ist zulässig.

aa) Soweit die Antragsgegnerin ihre Beteiligungsfähigkeit für das vorliegende Gerichtsverfahren in Abrede stellt und dementsprechend auch ihre Passivlegitimation bestreitet, kann dem nicht gefolgt werden.

In Verwaltungsstreitsachen beteiligungsfähig sind neben natürlichen und juristischen Personen (§ 61 Nr. 1 VwGO) auch Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann (§ 61 Nr. 2 VwGO). Diese Voraussetzung ist bei Gemeinderatsfraktionen, denen nach Maßgabe der Geschäftsordnung (Art. 45 GO) bei der Besetzung von Ausschüssen (Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO) und auch sonst im ratsinternen Geschäftsgang eigene Rechte zustehen, jedenfalls in Organstreitigkeiten mit der Gemeinde unzweifelhaft gegeben (BayVGH, B.v. 20.3.2017 - 4 ZB 16.1815 - BayVBl 2018, 173; U.v. 8.5.2015 - 4 BV 15.201 - BayVBl 2015, 712; B.v. 28.9.2009 - 4 ZB 09.858 - BayVBl 2010, 248; ThürOVG, B.v. 30.9.1999 - 2 EO 790/98 - DVBl 2000, 935; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 61 Rn. 10; Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch u.a., VwGO, Stand Juni 2017, § 61 Rn. 7 m.w.N.).

Für die vorliegende interne Streitigkeit um die Mitgliedschaft in einer Fraktion kann nichts anderes gelten. Der im Wege einer Mehrheitsentscheidung herbeigeführte, vom Fraktionsvorsitzenden namens der gesamten Fraktion bekanntgegebene Beschluss über den Ausschluss der Antragstellerin beruht zwar ersichtlich nicht auf einer kommunalgesetzlichen oder ortsrechtlichen Handlungsermächtigung. Die Antragsgegnerin beruft sich dabei aber auf ein ihr als einer Gruppe von Ratsmitgliedern zustehendes (ungeschriebenes) Recht, über die Zugehörigkeit zur Fraktionsgemeinschaft bestimmen zu können. Im Hinblick auf diese gemeinschaftlich wahrgenommene Entscheidungsbefugnis kann nur die Fraktion als Personenvereinigung und nicht jedes einzelne Fraktionsmitglied verfahrensbeteiligt und passivlegitimiert sein. Dass die Antragsgegnerin - entgegen ihrer Darstellung im Beschwerdeverfahren - kein bloßes „Diskussionsforum“ ohne organisierte Willensbildung und ohne vertretungsbefugtes Organ ist, zeigt sich im Übrigen daran, dass sie im Stadtrat als Gruppe auftritt und bei der Ausschussbesetzung das fraktionsbezogene Vorschlagsrecht nach Art. 33 Abs. 1 Satz 4 GO für sich in Anspruch nimmt.

bb) Für den Eilantrag besteht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin muss sich nicht entgegenhalten lassen, dass sie eine weitere Mitarbeit in der Fraktion schon deshalb nicht verlangen könne, weil sie in der Sitzung am 14. Sep-ember 2017 freiwillig ihren Austritt erklärt habe. Selbst wenn sie sich unmittelbar vor dem vorzeitigen Verlassen der Sitzung in der von der Antragsgegnerin zitierten Weise geäußert haben sollte („Ich habe verstanden, mir reicht's“), ließe sich daraus nach dem objektiven Erklärungswert nicht der Schluss ziehen, dass sie sich nicht nur einer weiteren Diskussion der gegen sie erhobenen Vorwürfe entziehen, sondern ihre Mitgliedschaft in der Fraktion aufgeben wollte. Angesichts der Bedeutung eines solchen Schritts hätte ein entsprechender Entschluss unmissverständlich zum Ausdruck kommen müssen; der Austritt aus einer Vereinigung wird, auch wenn er zuvor angedroht bzw. angekündigt war, üblicherweise in schriftlicher Form gegenüber dem Vorsitzenden erklärt. Dass die damals anwesenden weiteren Fraktionsmitglieder in dem Verhalten der Antragstellerin dennoch eine konkludente Austrittserklärung gesehen und dies sogleich durch Mehrheitsbeschluss festgestellt haben, führt zu keiner anderen Beurteilung, da es bei der Ermittlung des Erklärungsgehalts einzelner Äußerungen und Gesten in einer kontroversen Gesprächssituation nicht auf das subjektive, meist interessengeleitete Verständnis der jeweiligen Gegenseite ankommen kann.

b) Die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes liegen auch im Übrigen vor.

aa) Entgegen dem Beschwerdevorbringen fehlt es nicht an der Eilbedürftigkeit der beantragten gerichtlichen Entscheidung und damit am erforderlichen Anordnungsgrund. Dieser folgt allerdings nicht schon daraus, dass die Antragstellerin durch den Ausschluss aus der Fraktion an einer angemessenen Wahrnehmung ihres Mandats gehindert wäre; fraktionslose Ratsmitglieder dürfen bei der Erteilung mandatsbezogener Informationen nicht anders behandelt werden als die Mitglieder von Fraktionen oder sonstigen Gruppen (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2017 - 4 ZB 17.1586 - juris Rn. 11). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, geht es der Antragstellerin aber erklärtermaßen auch um die Fraktionsarbeit und die daraus resultierenden Einflussmöglichkeiten in der Gemeinde. Diese ergeben sich nicht nur aus der - bisher nicht entzogenen - Mitgliedschaft in Ausschüssen des Stadtrats und in Aufsichtsräten städtischer Betriebe, sondern in erster Linie aus der Teilnahme an Fraktionssitzungen und der damit verbundenen fortlaufenden Mitwirkung an der fraktionsinternen Willensbildung. Das aus der Zugehörigkeit zur Fraktion folgende Anwesenheits-, Rede-, Antrags- und Stimmrecht hat die Antragstellerin durch die Ausschlussentscheidung vom 8. Oktober 2017 mit sofortiger Wirkung verloren; schon diese nicht unerhebliche Einschränkung ihrer kommunalpolitischen Wirkungsmöglichkeiten begründet die besondere Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung.

bb) Dem von der Antragstellerin verfolgten Begehren, bis zu einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung vorläufig in vollem Umfang in der Fraktion mitarbeiten zu können, steht nicht das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.

Ein Beschluss, der zur Erledigung der Hauptsache führt, darf im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO allerdings nur ausnahmsweise ergehen, wenn das Abwarten der rechtskräftigen Entscheidung im Klageverfahren für den Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile zur Folge hätte (BVerwG, B.v. 26.11.2013 - 6 VR 3.13 - NVwZ-RR 2014, 558 Rn. 5 m.w.N.). Der vorliegende Antrag zielt aber nicht auf eine so weitreichende, nicht mehr abänderbare Entscheidung. Die Fraktionsmitgliedschaft stellt ein auf die laufende Wahlperiode (1.5.2014 bis 30.4.2020, s. Art. 23 Abs. 1 GLKrWG) befristetes Dauerrechtsverhältnis dar. Daher wird durch eine antragsgemäß ergehende Verpflichtung, die Antragstellerin weiterhin an der Fraktionsarbeit teilhaben zu lassen, das Ergebnis des anhängigen Klageverfahrens auch im Hinblick auf die zu erwartende Verfahrensdauer nicht bereits faktisch vorweggenommen.

Dass ein auf einer stattgebenden Eilentscheidung beruhendes zeitweiliges Mitwirken der Antragstellerin sich im Falle einer späteren Klageabweisung nicht ungeschehen machen ließe, genügt für sich genommen nicht, um eine - prinzipiell unzulässige - Vorwegnahme der Hauptsache annehmen zu können. Davon ließe sich vielmehr erst dann sprechen, wenn sich aus der einstweiligen Anordnung auch noch nach Abschluss des Hauptverfahrens irreversible Folgen ergäben (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 123 Rn. 14 m.w.N.). Geht es bei einem Eilrechtsschutzbegehren nicht um die Gewährung einer Leistung, sondern wie hier lediglich um die vorläufige Aussetzung einer belastenden Maßnahme, die bei entsprechendem Ausgang des Hauptsacheverfahrens wieder volle Geltung erlangt, so macht die Tatsache, dass die zeitweilige Aussetzung als solche nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, die vorläufige Regelung noch nicht zu einer faktisch endgültigen (vgl. BVerfG, B.v. 31.3.2003 - 2 BvR 1779/02 - NVwZ 2003, 1112 m.w.N.).

cc) Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch in Gestalt einer subjektiven Rechtsposition der Antragstellerin liegt ebenfalls vor. Eine - im Eilverfahren nur mögliche - summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der von der Antragsgegnerin beschlossene Fraktionsausschluss zumindest in formeller Hinsicht rechtswidrig war; auf die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten weiteren Bedenken bezüglich der materiellen Rechtmäßigkeit kommt es somit nicht mehr an.

(1) Zu Recht wendet sich die Antragsgegnerin allerdings gegen die dem angegriffenen Beschluss zugrundeliegende Annahme, die Mitwirkung der Fraktionsmitglieder Th. und H. an der Ausschlussentscheidung führe zu dessen Unwirksamkeit.

Die dazu vom Verwaltungsgericht herangezogene Bestimmung des Art. 49 GO über den Ausschluss einzelner Mitglieder von der Beratung und Abstimmung wegen persönlicher Beteiligung findet auf die Beschlussfassung in den Ratsfraktionen keine Anwendung. Die Regelung gilt ausdrücklich nur für Sitzungen des Gemeinderats und seiner beschließenden Ausschüsse (Art. 55 Abs. 2 GO). Die auf rechtsverbindliche Beschlüsse der örtlichen Volksvertretung zugeschnittenen Ausschlussgründe des Art. 49 GO lassen sich auch nicht im Wege einer Analogie auf fraktionsinterne Entscheidungsvorgänge übertragen. Die Fraktionen als frei gebildete Personenvereinigungen sind keine Gemeindeorgane; sie werden im bayerischen Kommunalrecht auch nicht ausdrücklich als Teil oder Einrichtung des Gemeinderats bezeichnet (vgl. BayVGH, U.v. 9.3.1988 - 4 B 86.03226 - NJW 1988, 2754/2755). Die Gemeindeordnung erwähnt die im Rat vertretenen „Parteien und Wählergruppen“ nur im Zusammenhang mit der Ausschussbesetzung (Art. 33 Abs. 1 Satz 4 GO) und überlässt es im Übrigen der jeweiligen Geschäftsordnung (Art. 45 GO), die Rechte und Pflichten der Fraktionen näher zu bestimmen. Solche ortsrechtlichen Bestimmungen können sich aber nur auf das Außenverhältnis der Fraktionen zur Gemeinde und ihren Organen beziehen; die fraktionsinternen Abläufe gehören dagegen nicht mehr zum „Geschäftsgang des Gemeinderats“ (Art. 45 Abs. 2 GO) und lassen sich daher nur von den einzelnen Fraktionen durch interne Geschäftsordnungen regeln (vgl. BayVGH, a.a.O.). Fehlt es an einer Fraktionsgeschäftsordnung oder enthält diese keine mit Art. 49 GO vergleichbare Ausschlussregelung wegen persönlicher Beteiligung, dürfen die fraktionsangehörigen Mandatsträger demnach an Beratungen und Abstimmungen in der Fraktion selbst dann mitwirken, wenn die nachfolgende Beschlussfassung im Gemeinderat ihnen, einem Angehörigen oder einer von ihnen vertretenen Person oder Vereinigung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Für die fraktionsinterne Meinungsbildung gelten insoweit keine strengeren Maßstäbe als für die vorberatenden Ausschüsse des Gemeinderats, die nach Art. 55 Abs. 2 GO nicht an die gesetzlichen Regelungen zum Geschäftsgang (Art. 45 bis 54 GO) gebunden sind.

Die Unanwendbarkeit der kommunalrechtlichen Ausschlussgründe bedeutet allerdings nicht, dass es bei Abstimmungen in Fraktionsangelegenheiten keinerlei Mitwirkungsverbote gäbe. Unabhängig von der in der Rechtsprechung des Senats nicht endgültig entschiedenen Frage, ob die innerfraktionellen Rechtsbeziehungen dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind (dazu einerseits BayVGH, U.v. 9.3.1988, a.a.O., 2755 f.; andererseits B.v. 13.2.2007 - 4 C 06.2676 - juris Rn. 4; U.v. 3.12.2014 - 4 N 14.2046 - BayVBl 2015, 343 Rn. 29; vgl. auch Lange, Kommunalrecht, 2013, 289 f.; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Stand Juni 2017, GO, Art. 33 Anm. 3.2 m.w.N.), kann für die Beschlussfassung in Gemeinderatsfraktionen mangels spezieller Normen jedenfalls auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze zurückgegriffen werden, die ein auf persönliches Zusammenwirken mehrerer Beteiligter angelegtes Dauerrechtsverhältnis kennzeichnen, insbesondere also auf die für rechtsfähige ebenso wie für nicht rechtsfähige Vereine geltenden Vorschriften der §§ 24 bis 54 BGB (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.1988 - 4 CE 88.2620 - BayVBl 1989, 433/435; OVG NW, B.v. 21.11.1988 - 15 B 2380/88 - NJW 1989, 1105/1106; SaarlOVG, B.v. 20.04.2012 - 2 B 105/12 - NVwZ-RR 2012, 613/615; Erdmann, DÖV 1988, 907/911). Dazu gehört das aus dem Rechtsgedanken des § 34 BGB folgende Verbot des „Richtens in eigener Sache“, aus dem sich bei Entscheidungen über einen Vereinsausschluss ein striktes Stimmverbot nicht nur für das davon unmittelbar betroffene Mitglied ergibt (Schöpflin in BeckOK BGB, Stand 1.11.2017, § 34 Rn. 8; Weick in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 34 Rn. 16; Arnold in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2015, § 34 Rn. 16), sondern ebenso für Mitglieder, die durch eben jene Äußerungen, welche zur Einleitung des Ausschlussverfahrens geführt haben, persönlich verletzt oder angegriffen worden sind (BGH, U.v. 27.10.1980 - II ZR 62/80 - NJW 1981, 744 f.; OLG Köln, B.v. 23.3.1993 - 19 W 59/92 - juris Rn. 18; OLG Karlsruhe, U.v. 15.12.1995 - 3 U 26/95 – NJW-RR 1996, 1503/1504; Reichert, Hdb. des Vereins- und Verbandsrechts, 7. Aufl. 1999, Rn. 1671 m.w.N.).

Überträgt man diese Grundsätze auf den Beschluss über den Fraktionsausschluss der Antragstellerin, so war außer ihr selbst auch ihr Fraktionskollege Th. an der Stimmabgabe rechtlich gehindert, da es in dem Verfahren u. a. darum ging, ob die Antragstellerin über ihn unrichtige Aussagen gemacht hatte, die für ihn die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung begründeten. Die daraus folgende persönliche Betroffenheit stand allerdings nicht schon seiner Beteiligung an der fraktionsinternen Aussprache entgegen; er musste vielmehr in gleicher Weise wie die Antragstellerin zu der Angelegenheit angehört werden. Bei der Abstimmung durfte er jedoch nicht mehr mitwirken, da mit diesem Beschluss implizit auch darüber entschieden wurde, ob und inwieweit die Fraktion die ihn betreffenden Vorwürfe bzw. Verdachtsmomente für begründet hielt. Für seinen Fraktionskollegen H., der ihn als Anwalt im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vertrat, stellte sich die Beteiligung an der Abstimmung dagegen nicht als ein „Richten in eigener Sache" dar, denn der zum Ausschlussverfahren führende Konflikt betraf ihn weder unmittelbar als Privatperson im Rahmen seiner Berufstätigkeit noch als Mitglied oder Funktionsträger der Fraktion.

Die unzulässige Teilnahme (allein) des Th. an der Abstimmung über den Fraktionsausschluss der Antragstellerin führte noch nicht zur Unwirksamkeit des Beschlusses, da sich dieser Verfahrensmangel nicht entscheidend ausgewirkt hat. Der für fehlerhafte Beschlüsse in Vereinsversammlungen anerkannte Grundsatz, dass nur solche Rechtsverstöße die Entscheidung ungültig machen, die für das Abstimmungsergebnis kausal waren (vgl. BGH, U.v. 18.12.1967 - II ZR 211/65 - NJW 1968, 543/544; Weick in Staudinger, a.a.O., § 32 Rn. 25), muss auch für Beschlüsse von Fraktionen gelten (vgl. BayVGH, B.v. 8.4.2005 - 4 ZB 04.1829 - juris Rn. 10). Geht man hier davon aus, dass Th. für den Ausschluss der Antragstellerin votierte, erhöhte sich dadurch die Zahl der Ja-Stimmen von fünf auf sechs, während die Zahl der Nein-Stimmen weiterhin vier betrug. Die einfache Mehrheit der anwesenden und stimmberechtigten Fraktionsmitglieder, die für den Ausschluss aus einer Fraktion ausreicht, wenn deren Geschäftsordnung keine qualifizierte Mehrheit verlangt (vgl. OVG NW, B.v. 21.11.1988, a.a.O.; VG Stade, B.v. 4.7.2017 - 1 B 976/17 - juris Rn. 34 m.w.N.; a.A. Erdmann, a.a.O., 910; Schmidt-Jortzig/Hansen, NVwZ 1994, 116/119), wäre demnach auch ohne die Beteiligung des Th. erreicht worden.

(2) Der Fraktionsausschluss war gleichwohl, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, rechtlich unwirksam, weil der Antragstellerin die Gründe für diese Entscheidung nicht in der gebotenen Weise erläutert wurden.

Die Ladung zu der maßgeblichen Sitzung am 8. Oktober 2017 enthielt lediglich die Mitteilung, dass die Antragstellerin zu den „Vorwürfen der Verletzung der Vertraulichkeit und der Verleumdung eines Fraktionsmitglieds" angehört werde und dass nach der Aussprache mit den Fraktionsmitgliedern in ihrer Abwesenheit über einen Ausschluss abgestimmt werden solle. In dem nachfolgenden Schreiben des Fraktionsvorsitzenden vom 8. Oktober 2017 wurde sie darüber unterrichtet, dass die Fraktion beschlossen habe, sich von ihr zu trennen; aufgrund ihrer Stellungnahmen müsse festgestellt werden, dass „mehrheitlich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint". Diese sehr allgemeinen Aussagen werden dem für Ausschlüsse aus einer Gemeinderatsfraktion geltenden Begründungserfordernis nicht gerecht.

Wie der Senat in einer früheren Entscheidung dargelegt hat, gehört zu den Voraussetzungen eines rechtswirksamen Fraktionsausschlusses die Mitteilung der Ausschlussgründe an den Betroffenen, wobei auch hier die für das Vereinsrecht geltenden Grundsätze entsprechend anzuwenden sind (BayVGH, B.v. 24.11.1988, a.a.O.; vgl. auch SaarlOVG, B.v. 20.4.2012, a.a.O., 614; VG Osnabrück, B.v. 17.10.2008 - 1 B 27/08 - juris Rn. 25; Erdmann, a.a.O., 910). Beschlüsse über den Ausschluss aus einem Verein unterliegen der gerichtlichen Überprüfung nur mit dem Inhalt, mit welchem sie tatsächlich gefasst worden sind, d. h. allein mit derjenigen Begründung, mit der die entsprechenden Anträge zur Abstimmung gestellt und angenommen worden sind. Die Vorwürfe, die dem auszuschließenden Mitglied gemacht werden, müssen daher im Ausschließungsverfahren so konkret bezeichnet werden, dass die zur Entscheidung berufenen Mitglieder sich über den Inhalt der Vorwürfe im Klaren sind und dass nach der Abstimmung eindeutig feststeht, aufgrund welcher als erwiesen angesehener Tatsachen der Ausschluss erfolgt ist (BGH, U.v. 10.7.1989 - II ZR 30/89 - NJW 1990, 40/41 f. m.w.N.). Denn nur dann kann der Betroffene sachgerecht über die Einlegung eines Rechtsmittels entscheiden und kann das ggf. angerufene Gericht darüber befinden, ob die der Ausschließungsentscheidung zugrunde gelegten Tatsachen zutreffend festgestellt worden sind (BGH, a.a.O.; OLG Karlsruhe, B.v. 23.9.1997 - 11 U 3/97 - NJW-RR 1998, 684/685; Reichert, Hdb. des Vereins- und Verbandsrechts, a.a.O., Rn. 1636, 1691; Schweyer, Der eingetragene Verein, 14. Aufl. 1990, Rn. 104; ebenso für den Ausschluss aus einer Fraktion Lange, a.a.O., S. 309).  

Da ein solcher Mangel nicht durch Nachholung im Gerichtsverfahren heilbar ist (BGH, U.v. 10.07.1989, a.a.O. 41 m.w.N.), müssen die für einen Vereinsbzw. Fraktionsausschluss maßgebenden Gründe dem betreffenden Mitglied mit Bekanntgabe der Entscheidung, jedenfalls aber noch vor einer Klageerhebung, persönlich erläutert oder schriftlich mitgeteilt werden. Auf eine solche nachträgliche Begründung kann nur verzichtet werden, wenn die Abstimmung über den Ausschluss unter ausdrücklicher Bezugnahme auf ein zuvor dem Betroffenen übermitteltes Anhörungsschreiben erfolgt ist, das die Sachverhalte, die der beabsichtigten Ordnungsmaßnahme zugrunde liegen, im Einzelnen erläutert (vgl. SaarlOVG, B.v. 20.04.2012, a.a.O., 614 f.; OLG Karlsruhe, B.v. 23.9.1997, a.a.O.). Ein solcher Ausnahmefall lag hier aber nicht vor. Weder ergab sich aus der Ladung zur Fraktionssitzung am 8. Oktober 2017 der genaue Inhalt der gegen die Antragstellerin erhobenen Vorwürfe, noch lässt sich - mangels einer Protokollierung des Sitzungsverlaufs und des zur Abstimmung gestellten Beschlussvorschlags - für einen Außenstehenden erkennen, welche tatsächlichen Feststellungen die Fraktionsmehrheit am Ende zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Unbeantwortet geblieben ist insbesondere - selbst noch im gerichtlichen Eilverfahren - die Frage, ob der Fraktionsausschluss auf die Annahme einer vorsätzlich oder fahrlässig wahrheitswidrigen Zeugenaussage, auf eine als erwiesen bzw. als möglich angesehene unbefugte Weitergabe vertraulicher Informationen an die Polizei und an die Presse oder aber auf eine Kombination dieser Vorwürfe gestützt wurde.

(3) Da schon wegen dieses Begründungsmangels die angegriffene Entscheidung der Antragsgegnerin unwirksam war, bedarf es hier keiner näheren Befassung mit den gegen die materielle Rechtmäßigkeit vorgebrachten Bedenken. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer künftigen (verfahrensfehlerfreien) Wiederholung der Abstimmung weist der Senat aber klarstellend darauf hin, dass der von der Antragsgegnerin geäußerten Rechtsansicht, Ratsmitglieder unterlägen bei Fraktionssitzungen ähnlich wie bei den vertraulichen Gemeindeangelegenheiten nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 GO einer Verschwiegenheitspflicht und dürften daher über den Inhalt der Sitzungen ohne entsprechende Genehmigung weder vor Gericht noch außergerichtlich als Zeugen aussagen, nicht gefolgt werden kann. Die in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GO normierte Verpflichtung, über die bei der ehrenamtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren, bezieht sich nur auf Vorgänge, die mit der Verwaltung der Gemeinde im Zusammenhang stehen. Diesbezügliche Informationen können die örtlichen Mandatsträger zwar nicht nur bei (nichtöffentlichen) Rats- oder Ausschusssitzungen oder durch Auskünfte von Gemeindebediensteten erlangen, sondern ebenso durch Bekanntgaben in Fraktionssitzungen (vgl. Wachsmuth in Schulz/Wachsmuth/Zwick, Kommunalverfassungsrecht Bayern, Stand Juli 2017, GO, Art. 20 Anm. 2.2.). Daraus folgt aber nicht, dass sämtliche Redebeiträge in einer Fraktion von Art. 20 Abs. 2 und 3 GO erfasst wären. Beziehen sich die Äußerungen nur auf fraktionsinterne Vorgänge ohne direkten Bezug zu den Gemeindeaufgaben oder - wie hier - auf rein private Verhältnisse eines Dritten, gilt dafür weder die kommunalrechtliche Verschwiegenheitspflicht noch der entsprechende Genehmigungsvorbehalt. Über den Inhalt derartiger Wortbeiträge müssen Fraktionsmitglieder daher im Rahmen einer förmlichen Zeugenbefragung auch dann Auskunft geben, wenn es sich um eine nichtöffentliche Sitzung gehandelt hat. Dass die Antragstellerin dieser allgemeinen staatsbürgerlichen Verpflichtung (vgl. BVerfG, B.v. 17.6.2009 - 2 BvE 3/07 - BVerfGE 124, 78 Rn. 114 m.w.N.) in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nachgekommen ist und über den Verlauf früherer Fraktionssitzungen aus ihrer Sicht und ohne vorherige Rücksprache mit der Fraktionsführung berichtet hat, kann ihr somit nicht als unbefugte Weitergabe inter-ner Informationen entgegengehalten werden.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltun

Strafprozeßordnung - StPO | § 153a Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen


(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen u

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 61


Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind 1. natürliche und juristische Personen,2. Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,3. Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 34 Ausschluss vom Stimmrecht


Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 24 Sitz


Als Sitz eines Vereins gilt, wenn nicht ein anderes bestimmt ist, der Ort, an welchem die Verwaltung geführt wird.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 08. Mai 2015 - 4 BV 15.201

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Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Beteiligte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstre

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 20. März 2017 - 4 ZB 16.1815

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Tenor I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 03. Dez. 2014 - 4 N 14.2046

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Tenor I. § 2 der Zweiten Satzung zur Änderung der Satzung über die Entschädigung für Aufwand und Zeitversäumnis der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder vom 24. Juli 2014 wird für unwirksam erklärt. Im Übrigen wird der Normenkontrollant

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 03. Juni 2014 - 2 B 105/12

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Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 18. Dez. 2017 - B 5 V 17.974

bei uns veröffentlicht am 18.12.2017

Tenor 1. Der Vollstreckungsschuldnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth vom 24. November 2017 (Az.: B 5 E 17.872), nämlich die Vollstreckungsgläubigerin vorläufig

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(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 10.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Zusammensetzung der Ausschüsse des Kreistags des Beklagten. Bei der Kreistagswahl 2014 ergab sich folgende Sitzverteilung für den insgesamt aus 60 Sitzen bestehenden Kreistag: CSU 28 Sitze, SPD 8 Sitze, Bündnis 90/Die Grünen 6 Sitze, UWG 10 Sitze, WGW 5 Sitze, FDP 1 Sitz und ÖDP 2 Sitze. In der Geschäftsordnung für den Kreistag, den Kreisausschuss und die weiteren Ausschüsse wurde festgelegt, dass die Mitglieder des Kreisausschusses vom Kreistag aufgrund der Vorschläge der Parteien und Wählergruppen nach dem Hare/Niemeyer-Verfahren mit Mehrheitsklausel ermittelt werden sollen. Bei gleicher Dezimalzahl von Fraktionen, Gruppen oder Ausschussgemeinschaften entscheide die größere Zahl der bei der Kreistagswahl auf die Wahlvorschläge der betroffenen Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen. Die Ausschussbesetzung müsse dem Erfordernis der Spiegelbildlichkeit des Kreistages Rechnung tragen. Gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 5 der Landkreisordnung (LKrO) könnten sich Einzelmitglieder und kleine Gruppen des Kreistages, die aufgrund des Stärkeverhältnisses im Kreisausschuss nicht vertreten wären, zur Entsendung gemeinsamer Vertreter in den Ausschuss zusammenschließen (Ausschussgemeinschaften). Die gleiche Regelung gelte für den Finanzausschuss, den Ausschuss für Bau, Wirtschaft und Infrastruktur sowie den Ausschuss für Umwelt, Nahverkehr, Natur und Tourismus, denen ebenfalls neben dem Landrat je 12 Kreisräte angehörten. Einen Antrag einzelner Fraktionen, die oben genannte Geschäftsordnung dahingehend zu ändern, dass für die Besetzung der Ausschüsse das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren gewählt werde, um das Spiegelbildgebot besser umzusetzen, lehnte der Kreistag am 9. Mai 2014 ab.

Bei der Ausschussbesetzung wurde bei Ermittlung der Proportionalzahl nach Hare/ Niemeyer jeweils ein Bruchteilsrest von 0,6 für die CSU, die SPD und die Klägerin errechnet, so dass für die Vergabe der letzten zwei Sitze im Kreisausschuss die größere Zahl der bei der Kreistagswahl auf die Wahlvorschläge der CSU und SPD abgegebenen Stimmen ausschlaggebend war.

Die Klägerin erhob hiergegen Klage und beantragte, den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin in sämtlichen Ausschüssen bis auf den Rechnungsprüfungsausschuss sowie den Ausschuss für Jugend, Familie und Soziale Netzwerke jeweils einen Sitz zuzubilligen, der CSU korrespondierend einen Sitz weniger zuzubilligen. Sie vertrat dabei die Auffassung, dass das verfügbare Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers dem verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatz der Spiegelbildlichkeit tatsächlich näher komme. Das Auswahlermessen des Beklagten sei vorliegend auf Null reduziert, weil die vorgenommene Berechnung dazu führe, dass die Klägerin als Ausschussgemeinschaft in keinem der Ausschüsse vertreten sei. Das Wählerverhalten habe gezeigt, dass auch kleinere Parteien Einfluss nehmen können sollten. Bei verbleibender Verteilung der Ausschusssitze könne die CSU sämtliche von ihr gewollten Anträge erfolgreich durchsetzen.

Mit Urteil vom 22. Juni 2016 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die angegriffene Verteilung der Ausschusssitze sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO habe der Kreistag bei der Besetzung des Kreisausschusses und der weiteren Ausschüsse dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen. Jeder Ausschuss einer Kreisvertretung müsse folglich ein verkleinertes Bild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln. Dem habe der Beklagte mit dem Berechnungsverfahren nach Hare/Niemeyer und der Anwendung der Pattauflösungsklausel des Rückgriffs auf die Zahl der bei der Wahl auf die Parteien und Wählergruppen abgegebenen Stimmen Rechnung getragen. Bei der Anwendung dieses Verfahrens hätten 10 der 12 Ausschusssitze über die errechneten ganzen Zahlen vergeben werden können. Für die verbleibenden zwei Sitze habe sich eine Pattsituation zwischen den Fraktionen der CSU, der SPD und der Klägerin ergeben, da diese den gegenüber anderen Bewerbern höheren gleichen Zahlenbruchteil von 0,6 gehabt hätten. Diese Pattsituation sei durch Rückgriff auf die bei der Wahl auf die Parteien jeweils abgegebenen Stimmen aufgelöst worden. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, bei der Besetzung der Ausschüsse das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers anzuwenden. Der Landesgesetzgeber habe den kommunalen Gremien kein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben, diese hätten bei der Besetzung der Ausschüsse grundsätzlich die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Berechnungsverfahren. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass das Restverteilungsverfahren nach Hare/Niemeyer dem Gebot der Wahlgleichheit entspreche und die Entscheidung des Kreistags für dieses Verfahren nicht zu beanstanden sei. Gewisse Abweichungen vom mathematisch genauen Proporz träten bei jedem Verteilungsverfahren auf. Kein Wahlsystem könne die Spiegelbildlichkeit bei der Ausschussbesetzung in letzter Konsequenz herstellen. Bei jedem Verfahren würden Fraktionen zwangsläufig teils über-, teils unterrepräsentiert. Zu einer nicht mehr hinnehmbaren Überaufrundung könne es bei der Anwendung des Hare/Niemeyer-Verfahrens systembedingt nicht kommen. Die Beteiligten seien sich im vorliegenden Fall einig darüber, dass diejenige Fraktion bzw. Ausschussgemeinschaft mit einem Zahlbruchteil von 0,6 aus dem mathematischen Idealanspruch bezogen auf die Stärkeverteilung im Plenum, die einen Sitz nicht erhalte, im Verhältnis zu den erreichten Sitzen im Kreistag jeweils mit dem gleichen Prozentsatz weniger erhalte, als dies dem exakt errechneten Ergebnis entspreche. Die Regelung, dass bei einer Pattauflösung anstelle eines Losentscheids auf die bei der Wahl des Kreistags für die einzelnen Parteien abgegebenen Stimmen zurückzugreifen sei, sei verfassungsgemäß. Soweit die Klägerin für den Rückgriff auf die Wählerstimmen eine eigene Berechnung anstelle und dabei den aufgrund der ganzen Zahlen errechneten Ausschusssitzen jeweils Wählerstimmen zurechne, sei eine solche Berechnung weder mit dem Wortlaut des Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO bzw. § 33 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Beklagten noch mit dem Sinn und Zweck der Regelung vereinbar. Es möge sein, dass das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers dem möglichst gleichen Erfolgswert der Wählerstimmen in bestmöglicher Weise näher komme. Die Verteilung der Ausschusssitze geschehe aber nicht mehr im Vollzug der Landkreiswahl. Die Wahl habe mit der Bildung des Kreistages ihren Abschluss gefunden. Die Bildung der Ausschüsse und die Verteilung der Ausschusssitze lägen nun auf der Ebene der Selbstorganisation des durch die Wahl bereits abschließend konstituierten Kreistages. Das Gericht habe nicht eine von der Klägerin gewünschte Rechtslage zu berücksichtigen, sondern vielmehr die aktuelle Rechtslage, die verfassungsgemäß sei. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit dürfe nämlich der Gesetz- oder Satzungsgeber dem Gesichtspunkt, dass sich eine große Mehrheit der Stimmen für einen Wahlvorschlag auch in der Sitzverteilung widerspiegeln müsse, den Vorzug geben gegenüber dem Bestreben, Wählerstimmen möglichst gleichmäßig zu berücksichtigen. Nicht jede kleine Gruppe des Kreistags habe Anspruch auf einen Sitz in den Ausschüssen. Der Kreistag müsse kein Berechnungsverfahren wählen, welches kleinere Gruppierungen begünstige. Kleineren Gruppen oder Minderheiten sei der Gesetzgeber durch die Vorschriften über die Berücksichtigung von Ausschussgemeinschaften bei der Vergabe von Ausschusssitzen bereits entgegengekommen. Voraussetzung dafür sei aber eine ausreichende zahlenmäßige Stärke der Ausschussgemeinschaft. Im vorliegenden Fall verfüge die Klägerin als Ausschussgemeinschaft aber auch nur über 5% der Sitze des Kreistages. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, dass ihre Mandatswahrnehmung erschwert werde, wenn sie in keinem Ausschuss vertreten sei, erforderten Billigkeitserwägungen keine Korrektur des erzielten Ergebnisses. Billigkeitserwägungen stellten nach der Rechtsprechung keinen brauchbaren Maßstab dar, der den Entscheidungen über die Sitzverteilung zugrunde gelegt werden könne.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen.

Die Landesanwaltschaft Bayern beteiligte sich als Vertreterin des öffentlichen Interesses am Verfahren. Sie stellte keinen eigenen Antrag, hält aber die Ablehnung des Antrags für rechtens.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22. Juni 2016 bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 VwGO).

1. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht ist mit zutreffenden Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kreistag des Beklagten aufgrund seiner Geschäftsordnung in rechtmäßiger Weise eine Besetzung seiner Ausschüsse vorgenommen hat. Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung wird weder ein einzelner tragender Rechtssatz noch eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (siehe dazu BVerfG, B.v. 21.1.2009 - 1 BvR 2524/06 - JZ 2009, 850/ 851; B.v. 10.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/547 m.w.N.). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die einzelnen Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel.

In den Nr. 1 bis 6 des Begründungsschriftsatzes vom 30. September 2016 für den Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend. Sie rügt, dass das verfügbare Verfahren Sainte-Laguë/Schepers dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Spiegelbildlichkeit tatsächlich näher komme. Das Auswahlermessen des Beklagten sei im vorliegenden Fall auf Null reduziert, weil sonst die Gemeinschaft der Klägerin in keinem Ausschuss vertreten sei. Dies vertrage sich nicht mit dem Wählerverhalten. Das Verfahren Sainte-Laguë/Schepers sei das bessere und exaktere Verfahren. Soweit das Verwaltungsgericht auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 13. Dezember 1974 (BayVBl 1975, 166; VerfGH 27,10) Bezug nehme, wonach für den Rückgriff auf die größere Zahl von Wählerstimmen von Parteien wegen der Berücksichtigung des sich daraus ergebenden jeweils größeren politischen Gewichts ein sachlicher Grund bestehe, liege darin eine Falschinterpretation des Wortes „Rückgriff“. Dieser Rückgriff könne sich nur auf die Stimmenzahlen beziehen, die bei der Sitzverteilung für die Ausschüsse noch nicht durch ganze Mandate verbraucht seien. Eine solche Betrachtungsweise sei mathematisch gerechter.

Aus diesem Vortrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Frage, ob mit der vorliegenden Fassung der Geschäftsordnung des Kreistags des Beklagten eine rechtmäßige Besetzung der Ausschüsse erfolgt ist, zutreffend auseinander gesetzt. Das Verwaltungsgericht hat dabei darauf hingewiesen, dass mit der Konstituierung des Kreistages selbst der Wahlvorgang abgeschlossen ist und es nunmehr lediglich noch darauf ankommt, Ausschüsse zu bilden, die nach Möglichkeit ein Spiegelbild des Kreistags abbilden sollen. Es soll also ein Abbild der jeweiligen Stärkeverhältnisse im Kreistag erreicht werden. Das Verwaltungsgericht hat ebenso zutreffend darauf hingewiesen, dass sich bei einer maßstabsgetreuen Verkleinerung des Kreistages von 60 Sitzen zu einem Kreisausschuss mit 12 Sitzen ein rechnerischer Idealanspruch für die CSU von 5,6 Sitzen, für die SPD von 1,6 Sitzen und für die Fraktionsgemeinschaft der Klägerin von 0,6 Sitzen ergeben habe. Somit standen nach Vergabe der Ausschusssitze nach den Vorkommastellen noch zwei Ausschusssitze zur Vergabe an, während es drei Anwärter auf diese Sitze mit jeweils einer Nachkommastelle von 0,6 gibt. Nachdem weder Sitze noch Mandatsträger teilbar sind, wird zwangsläufig jeder der drei Anwärter, der tatsächlich keinen Sitz im Kreisausschuss (und in den anderen von der Klägerin angeführten Ausschüssen) erhält, 0,6 von 12 Anteilen des Kreisausschusses weniger erhalten, als ihm rechnerisch nach seinem Idealanspruch bezogen auf seinen Stärkeanteil im Plenum zusteht. Diese Pattsituation löst die Geschäftsordnung des Beklagten so, wie es Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Landkreisordnung gestattet, nämlich statt eines Rückgriffs auf das Losverfahren mit einem Rückgriff auf die Zahl der jeweiligen auf die Parteien bei der Wahl abgegebenen Stimmen.

Die von der Klägerin mit ihrer Klage erstrebte Zuteilung eines Sitzes im jeweiligen Ausschuss zu Lasten der CSU wäre im vorliegenden Fall nur geboten, wenn die Klägerin einen Anspruch darauf hätte, dass bei der Ausschussbesetzung zwingend das Verfahren Sainte-Laguë/Schepers zur Anwendung gelangte. Einen Anspruch auf Anwendung dieses aus Sicht der Klägerin mathematisch vorzugswürdigeren Verfahrens gibt es jedoch nicht (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.1997 - 8 B 19/97 - juris Rn. 2; BVerwG, U.v. 10.12.2003 - 8 C 18/03 - juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.1159 - juris Rn. 16; BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.117 - juris Leitsatz 2 und Rn. 46, 63: Ungeeignetheit eines Berechnungsverfahrens nur bei sog. Überaufrundung, Überprüfung nur ergebnisbezogen, nicht verfahrensbezogen; ebenso BayVGH, U.v. 8.5.2015 - 4 BV 15.201 - juris 29/30; VG Regensburg, U.v. 14.1.2015 - RN 3 K 14.1045 - juris Rn. 61; für die Bildung von Landtagsausschüssen vgl. BayVerfGH, E.v. 26.11.2009 - Vf.32-IVa-09 - juris Rn. 36 und 56: autonome Gestaltungsfreiheit; zur Sitzverteilung bei den Gemeinde- und Landkreiswahlen vgl. BayVerfGH, E.v. 26.10.2009 - Vf. 16-VII-08 - juris Rn. 33, 37, 39 und 43 m.w.N.). Es kommt im vorliegenden Fall auch der Spiegelbildlichkeit nicht tatsächlich näher, weil nach dem mathematischen Idealanspruch in Bezug auf die Verteilung der Sitze im Plenum eben für drei Anwärter auf noch zwei zu vergebende Sitze jeweils eine Nachkommastelle von 0,6 zu berücksichtigen ist. Es würde also zwangsläufig auch nach dem von der Klägerin favorisierten Berechnungsverfahren eine Partei oder Ausschussgemeinschaft gegenüber ihrer tatsächlichen Bedeutung im Plenum des Kreistags benachteiligt bzw. bevorteilt. Erhielte die Klägerin zu Lasten der CSU in den Ausschüssen einen Sitz mehr, so fiele die CSU von erreichten 46% im Kreistag auf nur noch 41,66% im Ausschuss. Demgegenüber stiege die Klägerin von 5% im Kreistag auf 8,33% in den Ausschüssen.

Der von der Klägerin hervorgehobene Zusammenhang mit dem Wählerverhalten greift als Argument im vorliegenden Fall nicht durch. Zum einen ist in der Rechtsprechung seit jeher anerkannt, dass bei der Verkleinerung eines Gremiums nicht zwangsläufig jede kleine Gruppe auch einen Sitz in dem jeweiligen Ausschuss erhalten kann und muss (BVerwG, U.v. 9.12.2009 - 8 C 17/08 - juris Rn. 29). Sofern mit dem Hinweis auf das Wählerverhalten auf die Erfolgswertgleichheit der abgegebenen Stimmen und eine diesbezügliche etwaige Optimierung angespielt werden soll, geht auch dieses Argument im vorliegenden Fall fehl. Denn zum einen soll die Ausschussbesetzung nicht das Verhältnis der bei der Wahl zum Kreistag abgegebenen Wählerstimmen widerspiegeln (VG Regensburg, U.v. 14.1.2015 - RN 3 K 14.1045 - juris Rn. 43 und 53 m.w.N.), sondern die Ausschussbesetzung soll ein verkleinertes Bild der durch die Wahl von den Parteien und Fraktionen erreichten Sitzverteilung im Plenum des Kreistags wiedergeben (für Landtagsausschüsse vgl. BayVerfGH, E.v. 26.11.2009 - Vf. 32-IVa-09 - juris Leitsatz 2 und Rn. 43). Die Wahl hat mit der Bildung des Kreistags ihren Abschluss gefunden (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.1992 - 4 B 91.2372 - juris Rn. 12). Zudem dürfte bei einer Betrachtung der Wählerstimmen nicht der Umstand nicht der Umstand übersehen werden, dass die Klägerin eine bloße Ausschussgemeinschaft nach der Landkreisordnung ist, die beiden hinter ihr stehenden Parteien jedoch getrennt zur Wahl angetreten sind und auch nur getrennt und in Konkurrenz zueinander Wählerstimmen erhalten haben.

Dass die beiden Parteien, die hinter der Klägerin als Ausschussgemeinschaft stehen, bei dem Vorgehen des Beklagten über keinen Sitz in den genannten Ausschüssen verfügen, rechtfertigt für sich nicht den Schluss, dass deshalb das Auswahlermessen des Beklagten bezüglich der Auswahl des Zählverfahrens auf Null reduziert sei. Es gibt keinen Billigkeitsgrundsatz dahingehend, dass Parteien oder Ausschussgemeinschaften durch die Wahl eines passenden Auswahlverfahrens so (über) repräsentiert werden müssten, dass auch sie einen Ausschusssitz erhalten können (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.1992 - 4 B 91.2372 - juris Rn. 16 bis 18 für die Bestimmung der Ausschussgröße).

Das Argument der Klägerin, dass bei dem Pattauflösungsverfahren des Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO beim Rückgriff auf die Stimmenzahlen für die Parteien nur auf solche Stimmenzahlen Bezug genommen werden könne, die noch nicht durch ganze Mandate „verbraucht“ seien, wirft ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auf. Auch insofern wird letztlich wieder nur mit Stimmenzahlen operiert, die jedoch nicht den Ausgangspunkt für das Verkleinerungsproblem eines Plenums hin zum Ausschuss darstellen. Der Wortlaut des Gesetzes ist insoweit eindeutig. Dass nur noch der Rückgriff auf bestimmte, noch nicht durch Mandatsverteilung verbrauchte Stimmenzahlen erlaubt sei, ist dem Gesetzestext nicht ansatzweise zu entnehmen. Im Übrigen wäre auch insoweit zu berücksichtigen, dass die Wähler bei der Wahl des Kreistages gerade nicht den beiden hinter der Ausschussgemeinschaft der Klägerin stehenden Parteien als Verbund ihre Stimme gegeben haben.

2. Der Rechtssache fehlt auch die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 - 6 B 58.10 - juris Rn. 3).

Der Zulassungsgrund ist bereits nicht ordnungsgemäß dargelegt. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72).

In Nr. 6 des Begründungsschriftsatzes vom 30. September 2016 verweist die Klägerin auf § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Beklagten und die darin enthaltene Anforderung an die Ausschussbesetzung, nämlich dass die Ausschussbesetzung dem Erfordernis der Spiegelbildlichkeit des Kreistages Rechnung tragen müsse. Das Verwaltungsgericht habe demgegenüber argumentiert, dass auf Ausschussebene der Spiegelbildlichkeit nicht mehr Rechnung getragen werden müsse bzw. nicht in dem Maß, wie es mit dem anzuwendenden Verfahren Sainte-Laguë/Schepers am gerechtesten sei. Es fehlt bei diesem Sachvortrag, der sich letztlich in Begründungselementen des Verwaltungsgerichts verliert, an der Darlegung und klaren Formulierung einer konkreten Rechts- oder Tatsachenfrage. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht, wie vor allem den Ausführungen auf S. 9 des Urteilsabdrucks zu entnehmen ist, in keiner Weise darauf abgestellt, dass das Spiegelbildlichkeitsgebot bei der Ausschussbesetzung keine Bedeutung haben solle.

Sollten die Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache dahingehend zu verstehen sein, dass es um die Rechtsfrage des Anspruchs auf ein bestimmtes mathematisches Zählverfahren gehe, so ist diese Rechtsfrage nicht mehr klärungsbedürftig, weil es, wie oben bereits dargelegt, einen Rechtsanspruch auf Verwendung nur eines bestimmten Zählverfahrens nicht gibt. Die Landesanwaltschaft Bayern weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass in der Rechtsprechung bereits geklärt ist, dass kein Zählsystem die Spiegelbildlichkeit in letzter Konsequenz herstellen kann, weil immer einzelne Parteien oder Fraktionen zwangsläufig über- oder unterrepräsentiert werden.

Soweit die Klägerin mit weiterem Schriftsatz vom 21. November 2016 ihren Vortrag erweitert und nun darauf abstellt, dass die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits sich daraus ergebe, dass bei der Auflösung der Pattsituation nur Rückgriff auf die Wählerstimmen genommen werden dürfe, die noch nicht für die Vergabe von vollen Sitzen im Ausschuss verbraucht seien, ist dies eine neue, bislang von der Klägerseite nicht im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Bedeutung vorgetragene Argumentation. Diese ist, weil außerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO für den Antrag auf Zulassung der Berufung vorgetragen, nicht zu berücksichtigen. Soweit weiter ausgeführt wird, dass das Verfahren Sainte-Laguë/Schepers das bessere Verfahren im Sinne eines aus Wählerstimmenverhältnissen abgeleiteten Gütemaßes sei, wird erneut übersehen, dass es bei der Ausschussbesetzung um eine Verkleinerung der Proportionen der von den einzelnen Parteien im Kreistag erreichten Stärkeverhältnisse geht und nicht um eine Optimierung der bei der Kreistagswahl selbst abgegebenen Stimmengewichte, wobei dabei auch noch zu berücksichtigen wäre, dass die beiden Parteien, die im vorliegenden Fall eine bloße Ausschussgemeinschaft bilden, bei der Wahl getrennt in Konkurrenz zueinander angetreten sind und es gerade keinen einheitlichen Wählerwillen der auf sie zusammen abgegebenen Stimmen gibt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Beteiligte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin oder der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Fraktion der Freien Wähler (FW) im Kreistag des Beklagten begehrt im Kreisausschuss, der (neben dem Landrat) mit zwölf Mitgliedern besetzt ist, zulasten der bei geladenen CSU-Kreistagsfraktion einen zweiten Sitz. Sie ist der Ansicht, dass die Ausschussbesetzung dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit widerspricht.

Der Landkreiswahlausschuss des Beklagten stellte in seiner Sitzung am 28. März 2014 das Ergebnis der Wahl zum Kreistag vom 16. März 2014 und die Sitzverteilung im Kreistag wie folgt fest:

WV-Nr.

Wahlvorschlag

Stimmen

Prozent

Sitze im Kreistag

01

Christlich-Soziale Union (CSU)

1.236.522

46,88%

28

02

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

324.256

12,29%

7

04

Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

203.743

7,72%

5

05

Unabhängige Wähler (UWG)

218.595

8,29%

5

06

Freie Wähler (FW)

342.485

12,98%

8

07

Ökologisch Demokratische Partei/Parteifreie Bürger (ÖDP/Parteifreie Bürger)

312.150

11,83%

7

Der Kreistag beschloss in seiner konstituierenden Sitzung am 12. Mai 2014 unter TOP 4 die Geschäftsordnung für den Kreistag, Kreisausschuss und die weiteren Ausschüsse (rückwirkend zum 1. Mai 2014). Sie trifft für den Kreisausschuss u. a. folgende Regelungen:

㤠33 Bestellung des Kreisausschusses

(1) Dem Kreisausschuss gehören der Landrat und 12 Kreisräte an (Art. 27 LKrO).

(2) Die Mitglieder des Kreisausschusses werden vom Kreistag aufgrund der Vorschläge der Parteien und Wählergruppen nach dem d’Hondtschen Verfahren ermittelt. Ergibt die Ermittlung nach dem d’Hondtschen Verfahren eine Überpräsentation [gemeint: Überrepräsentation] einer Partei oder Wählergruppe zulasten einer anderen und kann eine solche Überpräsentation [gemeint: Überrepräsentation] durch alternative Verfahren vermieden werden, ohne dass dies zu einer Unterpräsentation [gemeint: Unterrepräsentation] einer anderen Partei oder Wählergruppe führt, sind die Sitze nach dem

Verfahren Saint[e] Lague/Schepers zu verteilen. Bei gleicher Teilungszahl entscheidet die größere Zahl der bei der Wahl auf die betreffenden Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen. (...)“

Ferner beschloss der Kreistag in dieser Sitzung in TOP 9, dass dem Kreisausschuss sieben Mitglieder der CSU und jeweils ein Mitglied der SPD, der Grünen, der UWG, der FW und der ÖDP angehören.

Die Fraktionen der FW, der Grünen und der ÖDP reichten eine Aufsichtsbeschwerde bei der Regierung von Niederbayern ein. Diese verneinte das Vorliegen einer unzulässigen Überaufrundung bei der Besetzung des Kreisausschusses. Es komme bei der Berechnung nach dem d’Hondt’schen Höchstzahlverfahren bezüglich des letzten Sitzes zu einer Pattsituation. Eine unzulässige Überaufrundung liege aber nicht vor, wenn sich eine solche erst im Wege der Auflösung einer Pattsituation durch einen Losentscheid oder einen Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl abgegebenen Stimmen ergebe. Bei der Frage, ob eine Überaufrundung vorliege, sei allein auf das Resultat des der Berechnung zugrunde gelegten mathematischen Berechnungsverfahrens abzustellen. Der in Art. 27 Abs. 2 Satz 3 der Landkreisordnung (LKrO) zugelassene Rückgriff auf die Wählerstimmen erfolge nicht im Rahmen des d’Hondt’schen Verfahrens, sondern in einem von diesem losgelösten, gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren zur Auflösung einer Pattsituation, die im Übrigen auch bei einem anderen Berechnungsverfahren auftreten könne.

Die Klägerin erhob am 11. August 2014 Klage, der das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Dezember 2014 stattgab. Die Besetzung des Kreisausschusses und der dieser zugrundeliegende Kreistagsbeschluss vom 12. Mai 2014 (TOP 9) seien rechtswidrig. Die Ausschussbesetzung widerspreche dem aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der repräsentativen Demokratie und der Wahlrechtsgleichheit folgenden Prinzip der Spiegelbildlichkeit, das in Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO einfachgesetzlich verankert sei. Die Anwendung des d’Hondt’schen Höchstzahlverfahrens führe in Kombination mit dem Rückgriff auf die Zahl der bei der Kreistagswahl für die Wahlvorschläge abgegebenen Stimmen zu einer unzulässigen Überrepräsentation der Beigeladenen, da diese im wichtigsten Ausschuss des Kreistags mit einer absoluten Mehrheit von sieben von insgesamt zwölf Sitzen vertreten sei, obwohl sie im Kreistagsplenum nur 28 von 60 Sitzen habe.

Zwar erlaube Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO statt eines Losentscheids auch diesen Rückgriff auf die Zahl der bei der Kreistagswahl für die Wahlvorschläge abgegebenen Stimmen. § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Kreistags genüge dem Spiegelbildlichkeitsgebot aber im konkreten Fall nicht, da der Rückgriff auf die Zahl der für die Wahlvorschläge abgegebenen Stimmen bei der Beigeladenen zu einer unzulässigen Überaufrundung führe, die durch die Wahl eines anderen zulässigen Verteilungsverfahrens vermieden werden könne. Eine solche Überaufrundung liege auch dann vor, wenn sie sich - wie hier - aus der Kombination des Verteilungsverfahrens mit dem Rückgriff auf die Zahl der für die jeweilige Partei oder Wählergruppe abgegebenen Stimmen ergebe.

Maßgeblich für die Zusammensetzung der Ausschüsse sei das Zahlenverhältnis der auf die verschiedenen Wahlvorschläge hin gewählten Kreisräte, also die Zahl ihrer Sitze im Plenum und nicht die von den Parteien und Wählergruppen erreichte Stimmenzahl. Geschäftsordnungen, die dem Spiegelbildlichkeitsprinzip widersprächen, seien insoweit nichtig und für die Verwaltungsgerichte unbeachtlich. Die Autonomie des Kreistags bei der Bestimmung der Mitgliederzahl von Ausschüssen sowie der Wahl des Besetzungsverfahrens sei insoweit gebunden, als dem Stärkeverhältnis der im Kreistag vertretenen Fraktionen und Gruppen Rechnung zu tragen sei. Da der Kreisausschuss gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 LKrO ein verpflichtender ständiger Ausschuss mit einer gesetzlich strikt vorgegebenen Anzahl von Mitgliedern sei (Art. 27 Abs. 1 S. 1 LKrO), könne dem Stärkeverhältnis nur mit der Wahl eines rechtmäßigen Berechnungsverfahrens Rechnung getragen werden. Der Landesgesetzgeber habe den kommunalen Gremien die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Berechnungsverfahren eingeräumt, weil allen Berechnungsverfahren spezifische Fehler immanent seien. Den Fall einer Überrepräsentierung aufgrund der Kombination von d’Hondt und dem Rückgriff auf die Zahl der abgegebenen Stimmen habe der Beklagte in der Geschäftsordnung nicht geregelt. Die beschlossene Sitzverteilung entspreche mithin zwar den Vorgaben der Geschäftsordnung; sie sei aber mit dem Gebot der Spiegelbildlichkeit nicht mehr vereinbar, da die Beigeladene infolge der Kombination beider Verfahren eine Überaufrundung erreiche. Dies sei nach der Rechtsüberzeugung des Gerichts nicht anders zu behandeln als eine Überrepräsentation, die nur auf dem gewählten Berechnungsverfahren beruhe. Der Kreistag sei verpflichtet, ein Verfahren zu wählen, das die Mehrheitsverhältnisse so abbilde, dass eine Überrepräsentation auch bei einer Kombination mit dem Rückgriff auf die Zahl der für die Wahlvorschläge abgegebenen Stimmen vermieden werde.

Mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Berufung trägt die Beteiligte vor, das Urteil des Verwaltungsgerichts verstoße gegen Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO und gegen die Organisationsautonomie des Kreistags, weil die Grundsätze der unzulässigen Überrepräsentation auf die Auflösung von Pattsituationen zur Ausschusssitzverteilung nicht anzuwenden seien. Die vom Beklagten beschlossene Verteilung der Sitze im Kreisausschuss entspreche vielmehr den Vorgaben des Art. 27 Abs. 2 LKrO und des § 33 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Kreistags des Beklagten.

Art. 27 Abs. 2 LKrO sehe für die Ausschussbesetzung zwei Schritte vor. Im ersten Schritt sei das auf der Grundlage des Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO gewählte Berechnungsverfahren (hier d’Hondt) anzuwenden, das im vorliegenden Fall am Ende nicht zu einer Überaufrundung im Sinn der Rechtsprechung des Senats (Urteilevom 17.3.2004 - 4 BV 03.117 - VGH n. F. 57, 56 und - 4 BV 03.1159 - VGH n. F. 57, 49), sondern zu einer Pattsituation zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bezüglich der Besetzung des letzten der insgesamt zwölf Sitze im Kreisausschuss der Beklagten führe. Zu deren Auflösung habe der Gesetzgeber in Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO ein gegenüber dem ersten Schritt eigenständiges Verfahren in einem zweiten Schritt vorgesehen. Hätten danach mehrere Parteien oder Wählergruppen gleichen Anspruch auf einen Sitz, sei dieser durch Losentscheid oder durch Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl auf diese Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen zu verteilen. Diese Regelung zur Verteilung des letzten Sitzes sei abschließend. Eine Überprüfung des so gefundenen Ergebnisses anhand des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit in einem weiteren - dritten - Schritt sei vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Bei der Frage, ob eine Überaufrundung vorliege, sei daher allein auf das Resultat des für die Sitzverteilung im Ausschuss zugrunde gelegten mathematischen Besetzungsberechnungsverfahrens abzustellen. Führe bei einer sich nach dem gewählten Besetzungsberechnungsverfahren ergebenden Pattsituation hingegen erst die Zuteilung des letzten Ausschusssitzes nach Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO zu einer Überaufrundung, sei dies nicht dem Berechnungsverfahren, sondern der gesetzlichen Vorgabe zuzurechnen. Damit bestehe keine Verpflichtung für den Beklagten, ein anderes Besetzungsberechnungsverfahren als das nach seiner Geschäftsordnung zugrunde zu legende Verfahren nach d’Hondt zur Verteilung der Sitze des Kreisausschusses zu wählen. Dies habe das Staatsministerium des Innern in drei Schreiben vom 24.6.2014, 9.7.2008 und 13.7.2004 (Az. jeweils IB1 -1413.128) vertreten; dem seien auch Literaturstimmen gefolgt (Gaß KommP BY 2009, 42/45; Prandl/Zimmermann/Büchner/Pahlke, Kommunalrecht in Bayern, Art. 27 LKrO Erl. 5 i. V. m. Art. 33 GO Erl. 4.2; Wittmann/Grasser/Glaser, BayGO, Art. 33 Rn. 10c).

Anders als in den beiden genannten Urteilen des Senats gehe es hier zudem nicht um die Frage, ob eine Partei überhaupt im Kreisausschuss vertreten sei, sondern nur um die Zahl der Sitze. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche dem Willen des Gesetzgebers und seiner Einschätzungsprärogative, welche der drei grundsätzlich als verfassungskonform erachteten Berechnungsverfahren für die Besetzung der Mitglieder des Kreisausschusses zulässig seien, sowie der sich aus der verfahrensoffenen gesetzgeberischen Grundentscheidung ergebenden Organisationsautonomie des Kreistags des Beklagten. Es könne davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber die Rechtsprechung des Senats zur Überaufrundung bekannt gewesen sei, als er zum 1. Januar 2011 Art. 35 Abs. 2 GLKrWG dahingehend geändert habe, dass die Sitzzuteilung für den Gemeinde- und Kreistag nunmehr nach dem Verfahren Hare/Niemeyer erfolge. Gleichwohl habe er diese Gesetzesänderung nicht zum Anlass genommen, auch die Regelungen zur Besetzung kommunaler Ausschüsse zu verändern, obwohl ihm ausweislich der LT-Drs. 16/3557 bewusst gewesen sei, dass das Verfahren nach d’Hondt tendenziell eher größere Parteien und Wählergruppen begünstigt, und ihm außerdem habe klar sein müssen, dass sich in der Pattsituation der nach Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO zulässige Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl auf die sitzkonkurrierenden Parteien abgegebenen Stimmen tendenziell auch zugunsten der größeren Partei auswirke. Dies belege, dass es sich nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Sitzzuteilung nach Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO und der Auflösung einer Pattsituation nach Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO um zwei selbstständige und voneinander unabhängige Schritte des Ausschussbesetzungsverfahrens handele, die nicht nachträglich miteinander vermengt werden dürften. Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO stelle eine Regelung dar, mit der der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Modifizierung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit ausdrücklich zugelassen habe. Die zulässigen Abweichungen vom Spiegelbildlichkeitsprinzip gehörten zu den Abbildungsungenauigkeiten, die jeder Gremiumsverkleinerung immanent und damit hinzunehmen seien.

Die Ausdehnung der Rechtsprechung des Senats zur Überaufrundung durch das Verwaltungsgericht bedeute faktisch eine noch weitere Zurückdrängung des Verfahrens nach d’Hondt. Es obliege aber der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, ob ein bestimmtes Besetzungsverfahren verbindlich vorgeschrieben werde oder den kommunalen Gremien die Freiheit zur Wahl unter den drei verfassungsrechtlich anerkannten Verfahren im Rahmen ihrer Organisationshoheit eingeräumt werde bzw. ob die Kombination des Pattauflösungsverfahrens nach Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO mit einem bestimmten Besetzungsberechnungsverfahren untersagt werde oder nicht. Jedenfalls dürfe eine Rechtsprechung, die sich absehbar zulasten des d’Hondt’schen Verfahrens auswirken würde, im Ergebnis nicht zu einem Zweiklassensystem von Besetzungsberechnungsverfahren führen. Es stelle sich daher auch die Frage, ob das vom Verwaltungsgericht vertretene Kombinationsverbot nicht letztlich die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreite, weil es zu sehr in einen Bereich übergreife, der der Einschätzungsprärogative des parlamentarischen Gesetzgebers unterliege.

Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich, wie die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts mit der ebenfalls von Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO zugelassenen Pattauflösungsalternative des Losentscheids in Einklang zu bringen sei. Die bloße Möglichkeit (Chance), einen Ausschusssitz mit der Folge der Überaufrundung zu erhalten, könne noch keinen Verstoß gegen das Gebot der Spiegelbildlichkeit begründen. Für eine unterschiedliche Bewertung der beiden Pattauflösungsvarianten sei kein sachlicher Differenzierungsgrund zu erkennen.

Eine Verpflichtung des Beklagten, ein anderes Besetzungsberechnungsverfahren anzuwenden, ergebe sich - entgegen dem Verwaltungsgericht - auch nicht aus dem Argument der Veränderung der „Gestaltungsmehrheit“. Bezugspunkt des Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO sei nicht die im Kreistag für einen Beschluss erforderliche Mehrheit, welche sich nicht nur auf die im Kreistag vertretenen Parteien und Wählergruppen, sondern auch auf den Landrat beziehe und sich gegebenenfalls erst durch ein Zusammenwirken der Kreisräte verschiedener Parteien und Wählergruppen ergebe und - je nach Sachlage - auch wechseln könne. Vielmehr sei auf das Stärkeverhältnis der Parteien und Wählergruppen selbst abzustellen, ohne dieses in Bezug zu einer - gegebenenfalls durch eine Koalition gebildeten - Mehrheit im Kreistag zu setzen. Die im angefochtenen Urteil angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Auf kommunaler Ebene, die gänzlich der Exekutive zuzurechnen sei, diene das Spiegelbildlichkeitsgebot nicht dem Schutz der Wirkungsmöglichkeiten einer etwaigen „Opposition“. Ein über die Berücksichtigung von Ausschussgemeinschaften hinausgehender Minderheitenschutz sei gesetzlich nicht vorgeschrieben und vom Demokratiegebot nicht verlangt. Da der Landrat sowohl im Kreistag wie im Kreisausschuss Sitz und Stimme habe, wirke sich dies im Kreisausschuss wegen der Reduzierung der Sitzzahl stärker aus. Die Mehrheitsverhältnisse würden deshalb unabhängig von der Wahl des Besetzungsberechnungsverfahrens ohnehin verzerrt.

Die Beteiligte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Organisationsautonomie des Landkreises sei bei der Wahl des Besetzungsverfahrens durch das Spiegelbildlichkeitsgebot gebunden. Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO stehe „im Schatten“ des vorhergehenden Satzes 2, der aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben die Beachtung des Stärkeverhältnisses vorschreibe. Die Fortführung der Berechnung bis zur Sitzzuteilung sei ebenso wenig wie das jeweils angewandte Berechnungsverfahren Selbstzweck und führe deshalb auch nicht automatisch zu rechtmäßigen Ergebnissen. Voraussetzung für die Wahlmöglichkeit, einen bei einem Patt offenen Ausschusssitz über einen Rückgriff auf die Wählerstimmen oder einen Losentscheid zu vergeben, sei stets, dass vorher das Stärkeverhältnis möglichst proporzgenau ermittelt worden sei, was hier unter Anwendung des d’Hondt’schen Verfahrens nicht möglich sei.

Die Berufung verkenne mit der - abzulehnenden - schrittweisen Ausschussbesetzung, dass es nicht im Belieben des Landesgesetzgebers stünde, die vom Bundes- und Landesverfassungsrecht geforderte Spiegelbildlichkeit für bestimmte Fallkonstellationen nicht umzusetzen. Dies habe der Gesetzgeber auch nicht getan, sondern werde erst durch die Gesetzesinterpretation der Exekutive herbeigeführt. Die Ausschussbesetzung sei ein einheitlicher Vorgang. Dass der Gesetzgeber es in Kenntnis der Überaufrundungsrechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Gegensatz zum Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz unterlassen habe, ein bestimmtes Berechnungsverfahren auch für die Ausschussbesetzung vorzuschreiben, lasse jedenfalls nicht den Schluss zu, er habe mit dieser Unterlassung bewusst den Grundsatz der Spiegelbildlichkeit modifizieren wollen. Ein Sprung von 46,67% im Plenum auf 58,33% im Ausschuss sei verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Die jedem Berechnungsverfahren immanenten Abbildungsunschärfen hätten nach der Rechtsprechung dort ihre Grenze, wo eine relative in eine absolute Mehrheit umschlage und damit die Gestaltungsmöglichkeiten einer Fraktion qualitativ verändert würden. Dies lasse sich hier durch die Wahl eines anderen als des d’Hondt’schen Verfahrens vermeiden. Dessen generelle Geeignetheit werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass es in wenigen Fällen ausgeschieden werden müsse. Der Kreistag des Beklagten sei einer der ganz wenigen Kreistage in Bayern, die den Kreisausschuss und auch die anderen Ausschüsse noch über das d’Hondtsche Verfahren besetzten. Mit der verfassungskonformen Auslegung des Art. 27 LKrO überschreite das Verwaltungsgericht keinesfalls die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Das Urteil äußere sich nicht zur nicht entscheidungserheblichen Variante Losentscheid. Die von der Berufung gezogenen Schlussfolgerungen träfen nicht zu, weil ein Verfahren, das die Gefahr einer Überaufrundung mit sich bringe, unabhängig davon, ob sich diese Gefahr letztlich verwirkliche oder nicht, ungeeignet sei. Dass der Landrat bei der Ermittlung des Spiegelbilds außer Betracht zu bleiben habe, treffe zwar zu. Keinesfalls könne aber gesagt werden, dass die auf dem Demokratieprinzip fußenden und auf einer Volkswahl beruhenden Grundsätze nur für Parlamente unbeschränkt gelten könnten. Die vom Verfassungsgerichtshof zur Ausschussbesetzung im Landtag entwickelten Rechtsgrundsätze (Vf. 32-IVa-09) müssten für alle nach bayerischem Landesrecht vorgenommenen Ausschussbesetzungen gelten. Dabei sei es ohne Bedeutung, dass bei der Landtagsentscheidung nicht das Berechnungsverfahren, sondern die Ausschussgröße im Streit gewesen sei. Denn das aufgrund des Spiegelbildlichkeitsgebots herzustellende Stärkeverhältnis werde immer über die zwei „Stellschrauben“ Berechnungsverfahren und Ausschussgröße erreicht. Beide Parameter seien voneinander abhängig und führten nur zusammen zum möglichst genauen Proporz. Wenn wie hier die Ausschussgröße gesetzlich festgelegt sei, müsse dieser zwangsläufig über das „bestmögliche“ bzw. geeignetste Berechnungsverfahren gefunden werden. Dieses Verfahren sei dasjenige, welches zu einem verkleinerten Abbild führe und nicht zu einer absoluten Mehrheit im Ausschuss, die im Plenum nicht gegeben sei.

Die Beteiligte hat mit Schriftsatz vom 27. April 2015 zur Gesetzgebungsgeschichte des 1973 eingefügten Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO Stellung genommen und die zugehörigen Gesetzesmaterialien vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die Sitze im Kreisausschuss so zu verteilen, dass die Klägerin zwei Sitze und die Beigeladene sechs Sitze erhält, und den Beschluss des Kreistags der Beklagten vom 12. Mai 2014 aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

1. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG muss das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Diese Bestimmung überträgt die in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG getroffene Grundentscheidung der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie auf die Ebene der Kreise. Daraus folgt, dass die Kreisvertretung, auch wenn sie kein Parlament, sondern Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft ist, die Kreisbürger repräsentiert. Diese Repräsentation vollzieht sich nicht nur im Plenum, sondern auch in den Ausschüssen der Kreisvertretung. Jeder Ausschuss einer Kreisvertretung muss folglich ein verkleinertes Bild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln. Dieses Prinzip der demokratischen Repräsentation bringt Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO zum Ausdruck, wenn dort geregelt wird, dass der Kreistag dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen bei der Bestellung der Mitglieder des Kreisausschusses Rechnung zu tragen hat (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2009 - 8 C 17/08 - NVwZ 2010, 834/835; BVerwG, U.v. 10.12.2003 - 8 C 18/03 - BVerwGE 119, 305/307; BVerwG, U.v. 27.3.1992 - 7 C 20.91 - BVerwGE 90, 104/109). Auch landesverfassungsrechtlich wird der für das Parlamentsrecht bei der Ausschussbesetzung anerkannte Grundsatz der Spiegelbildlichkeit (VerfGH, E.v. 26.11.2009 - Vf. 32-IVa-09 - VerfGHE 62, 208 LS 2) durch Art. 12 Abs. 1 BV auf die Ebene der Gemeinden übertragen (Wollenschläger in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 12 Rn. 36).

Folgt der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat - aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der repräsentativen Demokratie und der Wahlrechtsgleichheit, begrenzt er auch die Organisationshoheit des Kreistags bei seiner Entscheidung über die Kreisausschussbesetzung. Daran hält der Senat fest (U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.117 - VGH n. F. 57, 56/61). Die zur Verfügung stehenden Berechnungsverfahren, die grundsätzlich den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen, sind ebenso wie die zur Wahl stehenden Pattauflösungsverfahren (zur Verfassungsmäßigkeit des Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO vgl. VerfGH, E.v. 13.12.1974 - Vf. 27-VII-73 - VerfGHE 27, 182) kein Selbstzweck und führen nicht aus sich heraus stets zu rechtmäßigen Ergebnissen. Dies lässt sich auch nicht mit dem Argument der Beteiligten widerlegen, der Gesetzgeber habe in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats zum Verbot der Überaufrundung anlässlich der Änderung des Art. 35 Abs. 2 GLKrWG im Rahmen des Art. 27 Abs. 2 LKrO die Anwendung des d’Hondt’schen Verfahrens in Kombination mit der in Satz 3 Alternative 2 genannten Pattauflösungsregel „Rückgriff auf die Zahl der auf die Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen“ nicht verboten. Aus dem Umstand, dass mit der Neuregelung des Art. 35 Abs. 2 GLKrWG keine Änderung des Art. 27 Abs. 2 LKrO verbunden worden ist, ergibt sich kein Rückschluss auf einen Willen des Gesetzgebers. Es bleibt vielmehr dabei, dass der Gesetzgeber sowohl auf der Ebene des Berechnungsverfahrens als auch derjenigen einer eventuell erforderlichen Pattauflösung Wahlmöglichkeiten eröffnet hat, so dass eine Überaufrundung niemals dem Gesetzgeber zugerechnet werden kann, gleichgültig ob sie sich allein aus dem mathematischen Besetzungsberechnungsverfahren oder aus dessen Kombination mit einer Pattauflösungsregel ergibt. Die konkrete Sitzvergabe ist stets vom Kreistag, der allein darüber entscheidet, zu vertreten.

Der strikte Normbefehl („hat ... dem Stärkeverhältnis ... Rechnung zu tragen“) und mit ihm die richterliche Kontrolle stoßen in einer Situation wechselseitig begünstigender und belastender Rundungsfehler indes an Grenzen. Lassen sich die gesetzlich eingeräumten Wahlmöglichkeiten gerade damit begründen, dass allen Berechnungsverfahren spezifische Fehler immanent sind (vgl. zum aktuellen Stand Rauber, NVwZ 2014, 626), kommt einerseits eine Einengung des Auswahlspielraums im Sinne einer irgendwie gearteten Optimierung der Ausschussbesetzung (vgl. dazu Schreiber BayVBl. 1996, 134 ff./170 ff.; Schreiber, Das Gebot der optimierten Proportionalität bei der Bildung und Besetzung gemeindlicher Ausschüsse in Bayern, 2004, S. 174 ff.) nicht in Betracht. Andererseits kann eine durch Wahl eines alternativen Verfahrens vermeidbare Überaufrundung von Mandaten in einer Situation, in der Probeberechnungen im Vorfeld der Sitzverteilung möglich sind und zumeist auch tatsächlich durchgeführt werden (Bl. 66 ff. der Behördenakte, zum Kreisausschuss vgl. Bl. 74-77), nicht hingenommen werden. Dort findet die Organisationshoheit des Kreistags ihre Grenze und zwar unabhängig davon, ob die Überaufrundung, d. h. der Sprung auf die übernächste statt auf die nächsthöhere ganze Zahl, allein auf dem angewendeten Berechnungsverfahren oder auf der Kombination des Berechnungsverfahrens mit einer Pattauflösungsregel beruht. Eine derart massive Verzerrung der Größenverhältnisse lässt sich vor dem verfassungsrechtlich fundierten Grundsatz der Spiegelbildlichkeit nicht rechtfertigen. Denn der Kreistag entscheidet hier im (möglichen) Wissen um die Folgen der Verfahrenswahl im Einzelfall und im Nachhinein; sein Spielraum ist daher nicht annähernd so weit, wie der des parlamentarischen Gesetzgebers, der im Vorhinein für die Gemeinde- und Landkreiswahlen eines der grundsätzlich verfassungskonformen mathematischen Verteilungsverfahren für die Sitzverteilung im Plenum mit genereller Wirkung festschreiben muss. Dementsprechend ist die Problematik der Überaufrundungen im Gemeinde- und Landkreiswahlrecht (vgl. dazu VerfGH, E.v. 26.10.2009 - Vf. 16-VII-08 - VerfGHE 62, 198/207) mit der bei der späteren Ausschusssitzvergabe nicht notwendig gleich zu bewerten.

Die Berücksichtigung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit brauchte der Gesetzgeber auch nicht in einem weiteren - dritten - Schritt nochmals vorzuschreiben. Die von der Beteiligten hervorgehobenen zwei Stufen des Ausschussbesetzungsverfahrens - Berechnungsverfahren und Pattauflösungsregeln - stellen sich als Komponenten eines einheitlichen Sitzvergabeverfahrens dar, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn das gewählte Berechnungsverfahren für sich noch keine abschließende Sitzverteilung ermöglicht. Das ergibt sich schon aus der Verpflichtung des Kreistags, das Berechnungsverfahren, für das er sich entschieden hat, konsequent bis zur Verteilung aller Sitze im jeweiligen Ausschuss anzuwenden und nicht aus Billigkeitserwägungen im Sinne einer Minimierung des bei der jeweiligen Methode auftretenden Gesamtfehlers auf ein anders aufgebautes Verfahren überzuwechseln (VGH n. F. 57, 56/61 m. w. N.). Ob es zu einer Überaufrundung kommt, beantwortet sich mit Blick auf die mathematische Proportionalberechnung (Anzahl der Kreisräte der jeweiligen Fraktion multipliziert mit der Anzahl der zu vergebenden Ausschusssitze geteilt durch die Anzahl aller Kreistagssitze). Mit der (gedanklichen) Zerlegung des Sitzverteilungsverfahrens in Teilschritte lassen sich Fälle einer durch alternative Verfahrenswahl vermeidbaren Überaufrundung nicht für hinnehmbar erklären. Da die Wahl des Verteilungsverfahrens sich am Grundsatz der Spiegelbildlichkeit zu orientieren hat, kann das Verbot einer Überaufrundung auch nicht durch den Verweis auf die Pattauflösungsvariante des Losentscheids in Zweifel gezogen werden. Denn ebenso wie der Rückgriff auf die Zahl der jeweils abgegebenen Stimmen ist ein solcher Losentscheid vom Kreistag immer dann zu vermeiden, wenn sich aus dem Losentscheid die Möglichkeit einer Überaufrundung ergeben kann, die durch die Anwendung anderweitiger Berechnungsverfahren sicher ausgeschlossen werden kann.

Mit dem Einwand, es gehe hier nur um die Zahl der Sitze und nicht darum, ob die Klägerin im Kreisausschuss überhaupt vertreten sei, kann die Beteiligte ebenfalls nicht durchdringen. Hat eine Fraktion Anspruch auf mehrere Sitze in einem Ausschuss, kann sie diese auch beanspruchen. Entgegen der Auffassung der Beteiligten genügt es nicht, dass die klägerische Fraktion überhaupt - d. h. mit einem Sitz - im Kreisausschuss vertreten ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2003 - 8 C 18/03 - BVerwGE 119, 305/308). Beizupflichten ist der Beteiligten nur insoweit, als dem Argument der Veränderung der „Gestaltungsmehrheit“ mit Vorsicht zu begegnen ist. Dies bedarf indes keiner Vertiefung, weil es hierauf nicht entscheidungserheblich ankommt. Die Pflicht des Kreistags, bei der Zusammensetzung der Ausschüsse dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien, Wählergruppen und etwaigen Ausschussgemeinschaften Rechnung zu tragen, schließt eine zu einer Überaufrundung führende Sitzverteilung, die durch alternative Verfahren vermieden werden kann, unabhängig davon aus, ob die Überaufrundung allein auf das Berechnungsverfahren nach d’Hondt oder auf dieses Verfahren in Kombination mit einer Pattauflösungsregel des Art. 27 Abs. 2 Satz 3 LKrO zurückzuführen ist.

2. Im vorliegenden Fall verfehlt das d’Hondt’sche Berechnungsverfahren in Kombination mit der Pattauflösungsregel des Rückgriffs auf die Zahl der bei der Wahl auf die Parteien und Wählergruppen abgegebenen Stimmen die Anforderungen des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit. Die mathematische Proportionalberechnung (Anzahl der Kreisräte der jeweiligen Fraktion multipliziert mit der Anzahl der zu vergebenden Ausschusssitze geteilt durch die Anzahl aller Kreistagssitze) zeigt die folgende Tabelle:

Fraktionen

Sitze im Kreistag

Proportionalberechnung bei 60 Kreisräten und 12 Ausschussmitgliedern

CSU

28

5,60

SPD

7

1,4

Grüne

5

1

UWG

5

1

FW

8

1,6

ÖDP

7

1,4

Danach stellt eine Zuteilung von sieben Sitzen im Kreisausschuss an die Beigeladene eine Überaufrundung dar, die sich durch die Verteilung der Ausschusssitze nach dem d’Hondt’schen Verfahren

Teiler

CSU

SPD

Grüne

UWG

FW

ÖDP

1

28

7

5

5

8

7

2

14

4

3

9,33

4

7

5

5,66

6

4,66

7

4

in Kombination mit der genannten Pattauflösungsregel ergibt.

in Kombination mit der genannten Pattauflösungsregel ergibt.

Demgegenüber ergäbe eine Verteilung der Ausschusssitze nach dem Verfahren Sainte-Lague/Schepers folgende Sitzverteilung:

Teiler

CSU

SPD

Grüne

UWG

FW

ÖDP

1

28

7

5

5

8

7

3

9,33

2,33

1,67

1,67

2,67

2,33

5

5,6

7

4

9

3,11

11

2,55

Prozentual:

50%

8,33%

8,33%

8,33%

16,67%

8,33%

Das Verfahren Hare/Niemeyer führte zu folgender Verteilung der Ausschusssitze:

Fraktionen

Sitze im Kreis-

Zahl der Sitze der Fraktion im Kreistag X

tag

Ausschusssitze /Gesamtzahl der Kreistagsmitglieder

CSU

28

5,6 = 5 + 1

SPD

7

1,4 = 1

Grüne

5

1= 1

UWG

5

1 = 1

FW

8

1,6 = 1 + 1

ÖDP

7

1,4 = 1

Damit steht fest, dass beide anderen mathematischen Berechnungsverfahren die hier zu beanstandende Überaufrundung vermieden hätten. Der Klägerin stehen zwei, der Beigeladenen sechs Sitze im Kreisausschuss zu.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beteiligte ist auch mit den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu belasten, auch wenn dieser, ohne einen Antrag zu stellen, auf der Seite des Vertreters des öffentlichen Interesses stand. Die Vorschriften der VwGO räumen letzterem in kostenrechtlicher Hinsicht keine Sonderstellung ein (BVerwG, U.v. 11.11.1993 - 3 C 45/91 - NJW 1994, 3024/3027). Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil sie keine Anträge gestellt hat und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen ist.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tenor

I.

§ 2 der Zweiten Satzung zur Änderung der Satzung über die Entschädigung für Aufwand und Zeitversäumnis der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder vom 24. Juli 2014 wird für unwirksam erklärt. Im Übrigen wird der Normenkontrollantrag abgelehnt.

II.

Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner neun Zehntel, die Antragsgegnerin ein Zehntel der Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vorläufig vollstreckbar. Die Streitparteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Streitpartei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Antragsteller sind Vorsitzende bzw. stellvertretende Vorsitzende von drei im Augsburger Stadtrat vertretenen kleineren Fraktionen mit jeweils drei bzw. vier Stadtratsmitgliedern. Sie wenden sich im Wege der Normenkontrolle gegen Änderungen der städtischen Aufwandsentschädigungssatzung (AES), wonach die Zulagen für Fraktionsvorsitzende und deren Stellvertreter nicht mehr wie bisher für alle Fraktionen in gleicher Höhe, sondern gestaffelt nach Fraktionsgröße gewährt werden sollen.

Nach § 1 Abs. 1 der auf Art. 20a GO gestützten Satzung über die Entschädigung für Aufwand und Zeitversäumnis der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder in der Fassung vom 5. Mai 2009 (ABl. S. 99) steht den ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern zur Deckung der ihnen entstehenden Ausgaben eine monatliche Entschädigung von 1.272,00 Euro zu (Satz 1), die sich jeweils um den gleichen linearen Vom-Hundert-Satz und zeitgleich wie die Grundgehälter der Beamten der Besoldungsgruppe A 16 erhöht (Satz 2 und 3). Nach der ursprünglichen Regelung erhielten die Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen für ihre erhöhten Aufwendungen den doppelten Betrag der den Stadtratsmitgliedern gewährten Entschädigung (Satz 4 a. F.), die ersten Stellvertreter einen um 50 v. H. und die zweiten Stellvertreter einen um 25 v. H. erhöhten Betrag (Satz 5 a. F.), wobei im Falle von zwei bzw. drei gleichberechtigten Stellvertretern jedem ein um 37,5 v. H. bzw. 25 v. H. erhöhter Betrag zustand (Satz 6 a. F.).

Nach § 1 der vom Stadtrat der Antragsgegnerin am 24. Juli 2014 beschlossenen Zweiten Änderungssatzung lautet § 1 AES in den Sätzen 4 bis 6 nunmehr wie folgt:

[4] Die Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen erhalten für ihre erhöhten Aufwendungen neben dem Grundbetrag aus Satz 1 zusätzlich eine erhöhte Entschädigungsleistung bei bis zu einschließlich 5 Fraktionsmitgliedern in Höhe von 75 v. H., bei bis zu 10 Fraktionsmitgliedern 100 v. H., bei bis zu 15 Fraktionsmitgliedern 125 v. H., bei bis zu 20 Fraktionsmitgliedern 131,5 v. H. und ab 20 Fraktionsmitgliedern 137,5 v. H. des Betrags der den ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern gewährten Entschädigung. 5 Die Zahl der für eine erhöhte Entschädigungsleistung zu berücksichtigenden Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden richtet sich nach der Stärke ihrer Fraktion, wobei je angefangenen fünf Mitgliedern einer Fraktion ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender bis maximal vier stellvertretende Vorsitzende zusteht; diese erhalten bei einer Fraktionsgröße von bis zu einschließlich 5 Personen zusätzlich 25 v. H. der den ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern gewährten Entschädigung und ab 6 Fraktionsmitgliedern jeweils 37,5 v. H. der den ehrenamtlichen Stadtratsmitgliedern gewährten Entschädigung pro Person und Monat. 6 Die erhöhte Entschädigung kann unter mehreren Personen aufgeteilt werden.

Die geänderten Vorschriften sind nach § 2 der Änderungssatzung vom 24. Juli 2014 mit Wirkung zum 1. Mai 2014 in Kraft getreten.

Gegen die im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 29. August 2014, S. 208, bekanntgemachte Neuregelung erhoben die Antragsteller am 18. September 2014 eine Normenkontrollklage. Sie beantragen,

§ 1 Satz 4 und 5 der Satzung über die Entschädigung für Aufwand und Zeitversäumnis der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder in der Fassung der Zweiten Änderungssatzung vom 24. Juli 2014 für unwirksam zu erklären,

hilfsweise: § 2 der Zweiten Änderungssatzung vom 24. Juli 2014 für unwirksam zu erklären.

Bisher habe jede Fraktion größenunabhängig eine Gesamtzulage von 175 v. H. erhalten (Vorsitzender: 100 v. H., Stellvertreter: 50 + 25 v. H.). Die von den großen Fraktionen CSU (23 Mitglieder) und SPD (13 Mitglieder) initiierte Änderung führe dazu, dass nunmehr die CSU-Fraktion insgesamt 287,5 v. H. (+113), die SPD-Fraktion 237,5 v. H. (+63), die Fraktion der Grünen 175 v. H. (+/-0) und die drei Fraktionen der Antragsteller jeweils 100 v. H. (-75) erhielten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nach einer vom Stadtrat beschlossenen Regelung den in den Ausschüssen vertretenen Fraktionen, Ausschussgemeinschaften und Wählergruppen eine personelle Ausstattung bzw. ein Personalkostenersatz ebenfalls nur gestuft nach ihrer Größe zustehe, nämlich bei 3 Mitgliedern eine 0,5 Teilzeitstelle, bei 4 bis 6 Mitgliedern eine Vollzeitstelle, bei 7 bis 9 Mitgliedern 1,25 Vollzeitstellen, bei 10 bis 20 Mitgliedern 2,5 Vollzeitstellen und ab 20 Mitgliedern 3 Vollzeitstellen, wobei sich die Vergütung bei Fraktionen mit bis zu 10 Mitgliedern - entsprechend den Gehaltsstufen für Beamte - für den Geschäftsführer nach A 14 und für die weiteren Mitarbeiter nach A 8 bestimme, während die Einstufung bei größeren Fraktionen nach A 15 bzw. A 9 erfolge.

Die Antragsteller seien antragsbefugt, da die Neuregelung unmittelbar und rückwirkend zu einer Verringerung ihrer Aufwandsentschädigung als Vorsitzende bzw. stellvertretende Vorsitzende ihrer Fraktionen führe, so dass sie möglicherweise in ihrem Recht auf angemessene Entschädigung und in ihrem Anspruch auf formelle Gleichbehandlung verletzt seien. Der Normenkontrollantrag sei begründet, da die angegriffenen Bestimmungen gegen höherrangiges Recht verstießen. Die Antragsgegnerin habe den bei der Entschädigungshöhe nach Art. 20a GO bestehenden Beurteilungsspielraum schon deshalb überschritten, weil sie gegen den aus Art. 38 Abs. 1 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BV abzuleitenden und auf Stadtratsmitglieder zu übertragenden Grundsatz der strengen und formellen Gleichheit verstoßen habe. In früheren Entscheidungen zur Überlassung von Sachmitteln und zur Aufwandsentschädigung für Gemeinderatsmitglieder habe auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf den Grundsatz der formellen Gleichheit der Abgeordneten abgestellt, der eine grundsätzlich gleich hoch bemessene Entschädigung für die Abgeordnetentätigkeit unabhängig von der individuellen Höhe des finanziellen Aufwands gebiete. Ein zwingender Grund für eine Durchbrechung dieses Grundsatzes bestehe zwar, soweit den Fraktionsvorsitzenden und ihren Stellvertretern für finanzielle Mehraufwendungen und eigene Mühewaltung eine Zulage gewährt werde. Für eine Ungleichbehandlung der Fraktionsvorsitzenden untereinander sei ein solcher zwingender Grund aber nicht erkennbar.

Unabhängig von der Anwendbarkeit des strengen und formalen Gleichbehandlungsgrundsatzes im kommunalen Bereich verstoße die angegriffene Neuregelung jedenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. Art. 118 Abs. 1 BV. Mit der Aufwandsentschädigung solle der mit der ehrenamtlichen Tätigkeit als Gemeinderatsmitglied verbundene materielle und zeitliche Aufwand ausgeglichen werden. Die Entschädigung müsse als Pauschalentschädigung für alle gleich sein, soweit sie dasselbe Amt ausübten. Die Antragsgegnerin dürfe nicht ohne sachliche Rechtfertigung einem Teil der Mandatsträger bessere Arbeitsbedingungen oder eine bessere finanzielle Ausstattung zukommen lassen als einem anderen Teil. Eine Erhöhung sei grundsätzlich nur für Personen gerechtfertigt, die über das Ehrenamt hinausgehende zusätzliche Aufgaben wahrnähmen. Danach sei eine Abstufung der Zuschläge nach der Fraktionsgröße nicht zu rechtfertigen. Die Aufgaben eines Fraktionsvorsitzenden seien ungeachtet der Fraktionsgröße überwiegend deckungsgleich, nämlich Bearbeitung von Fraktionspost, Bürgeranfragen und Verwaltungsvorlagen, Auswertung sämtlicher Anträge und Ausschussunterlagen, Vorbereitung eigener Fraktionsanträge, Vorbereitung und Leitung der Fraktionssitzungen, Auswertung der Rückläufe aus der Stadtverwaltung auf Anfragen und Anträge, Repräsentation der Fraktion bei Einladungen und paritätische Beteiligung im Ältestenrat. Die Antragsgegnerin habe diesen Sachverhalt bei dem Satzungsbeschluss unvollständig ermittelt und damit ihren Einschätzungsspielraum fehlerhaft ausgefüllt. Dem möglichen Einwand, dass in größeren Fraktionen ein höherer Abstimmungsbedarf bestehe, sei deren bessere Personalausstattung und die höhere Zahl der Stellvertreter entgegenzuhalten. Die Vorsitzenden der kleineren Fraktionen hätten zudem Sonderlasten zu tragen; sie müssten sich z. B. in die Sitzungsvorlagen und Beschlüsse jener Ausschüsse einarbeiten, in denen ihre Fraktion nicht vertreten sei. Auch repräsentative Aufgaben träfen die Vorsitzenden der kleinen Fraktionen härter als die Vorsitzenden der „Regierungsfraktionen“, die sich durch eine Mehrzahl von Stellvertretern vertreten lassen könnten.

Selbst wenn eine Differenzierung dem Grunde nach gerechtfertigt werden könnte, hätte die Antragsgegnerin jedenfalls bei der konkreten Ausgestaltung ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Wenn das Argument zutreffe, dass mit zunehmender Fraktionsgröße auch der Arbeitsaufwand des Vorsitzenden erheblich ansteige, lasse sich ein Anstieg von nur 12,5 Prozentpunkten zwischen dem Vorsitzenden einer Fraktion von mehr als 10 Mitgliedern (125 v. H.) und einer Fraktion von mehr als 20 Mitgliedern (137,5 v. H.) nicht erklären, wenn man zugleich im Blick habe, dass der Vorsitzende einer Fraktion mit 5 Mitgliedern (75 v. H.) im Vergleich zum Vorsitzenden einer etwas mehr als doppelt so großen Fraktion von 11 Mitgliedern (125 v. H.) nur die Hälfte bekomme. Aus den gleichen Erwägungen verstoße auch die Abstufung der Entschädigungen für die Stellvertreter der Fraktionsvorsitzenden gegen den strengen und formalen Gleichheitssatz, jedenfalls aber gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Einführung eines „Stellvertreters 1. Klasse“ bei Fraktionen ab 6 Mitgliedern (Zulage 37,5 v. H.) und eines „Stellvertreters 2. Klasse“ bei kleineren Fraktionen (Zulage 25 v. H.) sei nicht zu rechtfertigen. Dass die Anzahl der Stellvertreter von der Fraktionsgröße abhänge, werde nicht beanstandet; die Norm des § 1 Satz 5 AES sei allerdings nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB nicht teilbar.

Im Ergebnis benachteilige die Antragsgegnerin die kleinen Fraktionen in fünffacher Weise, nämlich durch die Staffelung der Zulage für die Fraktionsvorsitzenden, die geringere Zahl von Stellvertretern, deren geringere Zulagen, die schlechtere Personalausstattung nach Köpfen und die Eingruppierung der Mitarbeiter in eine geringere Entgeltgruppe. Diese unterschiedliche Behandlung sei vor dem Grundsatz der (auch monetären) Gleichbehandlung der Mandatsträger und der Chancengleichheit der Fraktionen im politischen Wettkampf nicht zu rechtfertigen. Gerade im Falle einer sog. Großen Koalition komme den kleinen Fraktionen eine besondere Verantwortung bei der Kontrolle der Arbeit von Stadtregierung und Stadtverwaltung zu; dem könnten sie nur gerecht werden, wenn sie die notwendigen Mittel erhielten.

Hilfsweise werde ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot geltend gemacht, da die am 24. Juli 2014 ausgefertigte und am 29. August 2014 bekanntgemachte Neuregelung nach § 2 der Änderungssatzung rückwirkend zum 1. Mai 2014 in Kraft gesetzt worden sei. Im Zeitraum vom 1. Mai 2014 bis zum 29. August 2014 sei der Tatbestand für die Aufwandsentschädigung nach der früheren Fassung der Vorschrift bereits erfüllt gewesen, so dass in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen werde. Darin liege eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung und damit ein Verstoß gegen das im Rechtsstaatsgebot verankerte Rückwirkungsverbot.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der bei der Bemessung der Abgeordnetenentschädigung zu beachtende strenge und formelle Gleichheitssatz (Art. 38 Abs. 1 i. V. m. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) sei auf Entschädigungen von Gemeindevertretern nicht übertragbar. Es handle sich im Gegensatz zu einer Abgeordnetenentschädigung um keine Entschädigung mit Einkommenscharakter; der Gemeinderat sei auch kein Parlament, sondern ein kollegiales Exekutivorgan. Die Aufwandsentschädigung nach Art. 20a Abs. 1 Satz 1 GO solle den durch das Ehrenamt entstehenden Zusatzaufwand an Zeit und Mühe sowie die Mehrkosten der Lebensführung abgelten, nicht jedoch einer verdeckten Vergütung für die Gemeinderatstätigkeit gleichkommen. Jedenfalls auf die Entschädigung der Fraktionsvorsitzenden sei das Gebot formaler Gleichbehandlung nicht übertragbar. Der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit, der Differenzierungen nur aus zwingenden Gründen zulasse, setze sich nach der Wahl zwar im Grundsatz der strengen Gleichbehandlung der Abgeordneten und Mandatsträger fort, deren Rechtsstellung und Mitwirkungsbefugnisse deshalb ebenfalls im streng formalen Sinne gleich sein müssten. Dies sei aber nicht auf Fraktionen übertragbar, da sich deren Rechtsstellung nicht unmittelbar auf die Wahl zurückführen lasse. Zwar handle es sich bei der Entschädigung für Fraktionsvorsitzende nicht um eine Zuwendung an die Fraktion selbst; die zusätzliche Entschädigung habe aber ihre Grundlage nicht unmittelbar im Stadtratsmandat, sondern in einem daneben bestehenden Amt, das auf eine eigene Wahl bzw. einen internen Bestellungsakt zurückzuführen sei.

Bei der Bemessung der Entschädigung sei zwar der allgemeine Gleichheitsgrundsatz zu beachten; der Normgeber müsse für Differenzierungen einen vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sonst wie einleuchtenden Grund angeben. Mit der Zulage für Fraktionsvorsitzende werde deren erhöhter Aufwand im Vorfeld von Gemeinderats- oder Ausschusssitzungen und bei der ratsinternen Abstimmung abgegolten. Der Mehraufwand eines Fraktionsvorsitzenden bei einer konkret aus 23 Mitgliedern bestehenden Fraktion sei ungleich höher als für einen Vorsitzenden mit nur zwei weiteren Fraktionsmitgliedern. So erübrigten sich dort etwa die Fraktionsvorstandssitzungen. Schwerpunkt der Arbeit der Fraktionsvorsitzenden sei die Koordination des Austauschs von Sachinformationen und Meinungen und das Finden von Problemlösungen. Selbst wenn größere Fraktionen mehrere stellvertretende Fraktionsvorsitzende hätten, resultiere aus einer zunehmenden Fraktionsgröße generell ein Mehr an Koordinations- und Motivationsaufwand. Dass die Fraktionsvorsitzenden der kleineren Fraktionen wegen der notwendigen Einarbeitung in Sitzungsvorlagen und Ausschussbeschlüsse Sonderlasten zu tragen hätten, sei nicht zutreffend, da diese Aufgaben jeden Fraktionsvorsitzenden beträfen. Es werde nicht verkannt, dass den Fraktionen ein Aufwand unabhängig von ihrer Größe entstehe, so dass eine proportionale Verteilung nach der Fraktionsstärke nicht gleichheitsgemäß wäre. Bei den Berechnungen der Entschädigungen für Fraktionsvorsitzende sei man deshalb von einem Sockelbetrag von 500,00 Euro ausgegangen. Zusätzlich habe man den Fraktionsvorsitzenden einen Steigerungsbetrag proportional zur Fraktionsgröße gewährt, wobei den ersten 15 Fraktionsmitgliedern innerhalb der Staffelung eine stärkere Gewichtung zukomme als den nachfolgenden Mitgliedern (degressivproportionale Abstufung). So erhielten die Fraktionsvorsitzenden bis jeweils 5 Fraktionsmitglieder 75 v. H. der Grundentschädigung mit einer anschließenden Steigerung um 25 v. H. pro weitere 5 Mitglieder, ab 16 Fraktionsmitglieder mit einer Steigerungsrate von 6,5 v. H. pro weitere 5 Mitglieder und ab 21 Fraktionsmitglieder mit einer Steigerung von 6 v. H. Insgesamt betrage der Differenzierungskorridor 62,5 v. H., so dass selbst bei einem Mehrfachen der Fraktionsgröße der Unterschied zwischen der ab 3 Mitgliedern zu leistenden Entschädigung von derzeit 1.057,50 Euro und der bei über 21 Mitgliedern zu leistenden Entschädigung von derzeit 1.938,75 Euro weniger als 100 Prozent betrage. Dieser Unterschied sei vertretbar und gerechtfertigt; eine Benachteiligung könne darin schon dem Grunde nach nicht gesehen werden.

Geschütztes Vertrauen werde durch die Neuregelung nicht verletzt, da zu Beginn einer Wahlperiode auch mit einschneidenden Änderungen gerechnet werden müsse. Bei der Bemessung der Aufwandsentschädigung für Fraktionsvorsitzende müsse der verfassungsrechtlich gewährleistete Minderheitenschutz nicht berücksichtigt werden, da die Entschädigung nicht den Fraktionen oder Parteien zugute kommen, sondern die Übernahme eines öffentlichen Amts erleichtern solle. Bei den Entschädigungen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende sei unter Berücksichtigung eines geringeren Zeitaufwands ein Sockelbetrag von 250,00 Euro festgelegt worden, wobei nur eine Steigerung des Erhöhungsbetrags ab einer Größe von 5 Fraktionsmitgliedern stattfinde. Damit erhielten die stellvertretenden Vorsitzenden einer Fraktion mit bis zu 5 Mitgliedern einen Zuschlag in Höhe von 25 v. H., ab 6 Mitgliedern in Höhe von 37,5 v. H. der Grundentschädigung. Dies sei im Rahmen des Ermessensspielraums der Kommune zulässig. Der geringere Zuschlag für die stellvertretenden Vorsitzenden der kleinen Fraktionen rechtfertige sich daraus, dass die Delegation von Aufgaben auf die Stellvertreter hier nur minimal sein könne und eine „Selbstverwaltung der Stellvertreter“ vermieden werden solle.

Zu dem Hilfsantrag sei festzustellen, dass schon mit einem Antrag vom 7. Mai 2014 vorgeschlagen worden sei, die Entschädigung nach der Fraktionsgröße zu bemessen Deshalb sei zweifelhaft, ob die Fraktionsvorstände auf den Fortbestand der bisherigen Entschädigungsregelungen hätten vertrauen können. Spätestens mit dem gemeinsamen Antrag der CSU und der SPD habe sich eine systemändernde Neuregelung abgezeichnet, so dass von einem gesicherten und schutzwürdigen Vertrauen nicht mehr habe ausgegangen werden können. Insoweit fehle es bei Stadtratsmitgliedern auch an einer dem Bürger vergleichbaren Schutzbedürftigkeit. Während ein außenstehender Dritter grundsätzlich erst ab Bekanntmachung der Norm mit einer belastenden Regelung zu rechnen habe, fehle es den Fraktionsvorständen bzw. Stadtratsmitgliedern, die an der Entstehung einer neuen Satzung mitwirkten, an einem entsprechenden Vertrauensschutz.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und auf die Akten zum Normaufstellungsverfahren verwiesen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat nur zum geringeren Teil Erfolg.

1. Der Antrag, verschiedene Regelungen der Zweiten Änderungssatzung vom 24. Juli 2014 zur Satzung über die Entschädigung für Aufwand und Zeitversäumnis der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder (Aufwandsentschädigungssatzung - AES) für unwirksam zu erklären, ist zulässig. Bei den angegriffenen Bestimmungen handelt es sich im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. Art. 5 Abs. 1 AGVwGO um im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften. Die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO wurde mit dem am 18. September 2014 eingegangenen Normenkontrollantrag gewahrt.

Die Antragsteller sind von der Satzungsänderung unmittelbar rechtlich betroffen und daher gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Sie können geltend machen, durch die angegriffene Rechtsänderung, wonach ihnen als Vorsitzende bzw. stellvertretende Vorsitzende kleinerer Stadtratsfraktionen mit Wirkung ab 1. Mai 2014 nur noch eine geringere Zulage als den Vorsitzenden größerer Fraktionen zusteht, in ihrem verfassungsmäßigen Recht auf Gleichbehandlung sowie in dem rechtsstaatlich verankerten Anspruch auf Vertrauensschutz verletzt zu sein.

2. Der Normenkontrollantrag ist bezüglich des Hauptantrags auf Unwirksamerklärung des § 1 Satz 4 und 5 AES unbegründet. Dass die Entschädigungszulagen für die Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen abhängig von der jeweiligen Fraktionsgröße gewährt werden, ist mit höherrangigem Recht grundsätzlich vereinbar. Die von der Antragsgegnerin getroffene Regelung geht auch in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht über das zulässige Maß hinaus.

a) Die als Teil der Zweiten Änderungssatzung vom Stadtrat der Antragsgegnerin als dem zuständigen Organ (Art. 29, Art. 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GO) beschlossenen und im Amtsblatt vom 29. August 2014 ordnungsgemäß bekannt gemachten (Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO) Vorschriften über die Entschädigung der Fraktionsvorsitzenden und ihrer Stellvertreter beruhen auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung. Diese ergibt sich allerdings - entgegen der Rechtsauffassung der Beteiligten - nicht aus der speziellen Bestimmung des Art. 20a GO über die Entschädigung ehrenamtlich tätiger Personen, sondern aus der allgemeinen Regelungskompetenz des Art. 56 Abs. 2 GO.

Die Vorschrift des Art. 20a Abs. 1 GO, die für ehrenamtlich Tätige einen gesetzesunmittelbaren Anspruch auf angemessene Entschädigung begründet (Satz 1), über dessen genaue Höhe die Gemeinde durch Satzung zu bestimmen hat (Satz 2), ist auf das „Amt“ des Vorsitzenden oder stellvertretenden Vorsitzenden einer Stadt- oder Gemeinderatsfraktion nicht anwendbar, da es sich dabei nicht um eine ehrenamtliche Tätigkeit im Sinne der Vorschrift handelt. Art. 20a GO steht in engem Zusammenhang mit den vorangehenden Bestimmungen über die Verpflichtung zur Übernahme gemeindlicher Ehrenämter (Art. 19 GO) und über die Sorgfalts- und Verschwiegenheitspflicht ehrenamtlich tätiger Personen (Art. 20 GO). Die Entschädigungsregelung des Art. 20a GO kommt daher, auch wenn dies aus dem Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich hervorgeht, nur bei „gemeindlichen Ehrenämtern“ gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GO zur Anwendung (Prandl/Zimmermann/Büchner, Kommunalrecht in Bayern, Art. 20a GO Anm. 2). Die Bestimmungen gelten somit nicht für jeden, der sich in der Gemeinde in irgendeiner Form ehrenamtlich engagiert (z. B. für eine politische Vereinigung oder einen Sportverein), sondern nur für Personen, die von einem Gemeindeorgan beauftragt worden sind, eine gemeindliche Verwaltungstätigkeit unentgeltlich auszuüben (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, GO, Art. 19 Rn. 5; Hölzl/Hien/Huber, GO, Art. 19 Anm. 1.1.; Prandl/Zimmermann/Büchner, a. a. O., Art. 19 Anm. 2). Den Fraktionsvorsitzenden und ihren Stellvertretern steht, da ihr Amt nicht auf einem gemeindlichen Auftrag beruht, keine Entschädigung nach Art. 20a GO zu (ebenso Hölzl/Hien/Huber, a. a. O., Art. 20a Anm. 2.3.1; Prandl/Zimmermann/Büchner, a. a. O., Art. 20a Anm. 2, Art. 33 Anm. 3.5; vgl. auch BayVGH, B. v. 18.10.1989 - 4 N 88.2271 - BayVBl 1990, 372; a. A. Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, GO, Art. 20a Rn. 7; unklar Wachsmuth in Schulz/Wachsmuth/Zwick u. a., Kommunalverfassungsrecht Bayern, GO, Art. 33 Anm. 3.1). Auf die Besetzung von Fraktionsämtern haben die Gemeindeorgane keinen Einfluss; die Fraktionsvorsitzenden sind auch nicht (unmittelbar) für die Gemeinde tätig, sondern handeln (zunächst) nur für ihre jeweilige Partei oder Wählergruppe. Da dementsprechend weder eine Verpflichtung zur Amtsübernahme nach Art. 19 GO noch eine Bindung an den Pflichtenkatalog des Art. 20 GO besteht, müssen die betreffenden Funktionsträger auch nicht zwingend aus gemeindlichen Haushaltsmitteln für ihren Mehraufwand entschädigt werden. Für eine planwidrige Regelungslücke ist insoweit nichts ersichtlich, so dass eine analoge Anwendung des Art. 20a GO ebenfalls ausscheidet.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Gemeinden kraft Gesetzes gehindert wären, den durch die Tätigkeit der Fraktionsvorsitzenden und ihrer Stellvertreter zusätzlich entstehenden Aufwand zu ersetzen. Die Bestimmung des Art. 20a GO regelt zwar abschließend, für welche Art ehrenamtlicher Tätigkeit ein gesetzlicher Anspruch auf Aufwandsentschädigung gegenüber der Gemeinde besteht. Sie lässt aber das Recht der Gemeinden unberührt, auch sonstige ehrenamtliche Tätigkeiten, an deren Ausübung ein öffentliches Interesse besteht, unter Einhaltung der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zu fördern. Eine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür bietet die in Art. 56 Abs. 2 GO festgelegte Verpflichtung der Gemeinden, „für den ordnungsgemäßen Gang der Geschäfte zu sorgen“. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nicht nur die generelle Befugnis, Störungen der kommunalen Verwaltungstätigkeit abzuwehren (z. B. durch die Ausübung des Hausrechts), sondern ebenso das Recht, die gemeindeinternen Verfahrensabläufe durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen und zu beschleunigen.

Die Gemeinden dürfen danach auch die Arbeit ihrer Stadt- bzw. Gemeinderatsfraktionen durch Sach- oder Finanzzuwendungen in angemessenem Umfang fördern (Prandl/Zimmermann/Büchner, a. a. O., Art. 33 Anm. 3.5; Bauer/Böhle/Ecker, a. a. O., Art. 20a Rn. 3; Wachsmuth, a. a. O., Art. 33 Anm. 3.1; Wegmann, KommPr BY 1995, 12). Denn die Fraktionen sind nicht lediglich private Zusammenschlüsse gleichgesinnter Mandatsträger, sondern der „organisierten Staatlichkeit“ zuzurechnende Teile der Vertretungskörperschaft, die durch die jeweilige Geschäftsordnung anerkannt und mit eigenen Rechten ausgestattet sind (vgl. BVerfG, U. v. 19.7.1966 - 2 BvF 1/65 - BVerfGE 20, 56/104; U. v. 10.12.1974 - 2 BvK 1/73, 2 BvR 902/73 - BVerfGE 38, 258/273f.). Sie steuern und erleichtern in gewissem Grade den Meinungsbildungsprozess im jeweiligen Stadt- bzw. Gemeinderat, indem sie eine Arbeitsteilung unter ihren Mitgliedern organisieren, gemeinsame Initiativen vorbereiten und koordinieren sowie eine umfassende Information der Fraktionsmitglieder unterstützen; auf diese Weise fassen sie unterschiedliche politische Positionen zu handlungs- und verständigungsfähigen Einheiten zusammen (vgl. BVerfG, U. v. 13.6.1989, - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80, 188/231; BVerwG, U. v. 5.7.2012 - 8 C 22/11 - BVerwGE 143, 240 Rn. 19 m. w. N.). Zur Förderung dieser wichtigen Vorbereitungsfunktion dürfen die Gemeinden den Fraktionen grundsätzlich sowohl die benötigten Sachmittel wie z. B. Sitzungsräume, Fachliteratur und Bürobedarf unmittelbar zur Verfügung stellen (BayVGH, B. v. 12.10.2010 - 4 ZB 10.1246 - BayVBl 2011, 269) bzw. die dafür anfallenden Kosten pauschal erstatten (BayVGH, U. v. 16.2.2000 - 4 N 98.1341 - BayVBl 2000, 467) als auch den einzelnen Fraktionsmitgliedern Sitzungsgelder und Fahrtkostenentschädigungen für die Teilnahme an Fraktionsbesprechungen zahlen (vgl. BayVGH, B. v. 18.10.1989 - 4 N 88.2271 - BayVBl 1990, 372; Prandl/Zimmermann/Büchner, a. a. O., Art. 20a Anm. 2; Hölzl/Hien/Huber, a. a. O., Art. 20a Anm. 2.3; Nr. 5 der StMI-Bek. v. 21.12.2000, IB2-0041-28, AllMBl 2001, S. 3, geändert durch Bek. v. 14.5.2013, AllMBl S. 215).

Auf der gleichen Rechtsgrundlage können auch den Vorsitzenden der Ratsfraktionen und ihren Stellvertretern Entschädigungen für den mit ihrer Tätigkeit verbundenen materiellen und insbesondere zeitlichen Aufwand gewährt werden (Prandl/Zimmermann/Büchner, a. a. O.; Hölzl/Hien/Huber, a. a. O.). Derartige Zuwendungen dürfen allerdings - ebenso wie alle sonstigen Fraktionsfördermaßnahmen - weder den fraktionsbedingten Mehraufwand übersteigen, worin ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO) und vor allem eine unzulässige (verdeckte) Finanzierung der „hinter“ den Fraktionen stehenden Parteien und Vereinigungen läge (vgl. BVerfG, U. v. 19.7.1966 - 2 BvF 1/65 - BVerfGE 20, 56/105; BVerwG, B. v. 20.2.1976 - VII B 34.75 - juris Rn. 3; Wegmann, KommP BY 1995, 12), noch dürfen dadurch einzelne Mandatsträger - über Art. 20a GO hinaus - aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse zusätzlich alimentiert werden (s. BVerwG, U. v. 5.7.2012, a. a. O.). Im Übrigen steht aber den Gemeinden bei der Festlegung der Höhe und des Verteilungsmaßstabs der Zuwendungen ein weiter Bewertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 29 f.; BayVGH, B. v. 12.10.2010 - 4 ZB 10.1246 - BayVBl 2011, 269 Rn. 4).

b) Die Antragsgegnerin hat mit den angegriffenen Bestimmungen, die eine nach der Fraktionsgröße gestaffelte Entschädigung der Fraktionsvorsitzenden und ihrer Stellvertreter vorsehen, von ihrer Regelungsbefugnis nach Art. 56 Abs. 2 GO rechtmäßig Gebrauch gemacht.

aa) Es ist nicht ersichtlich, dass die Entschädigungen den mit den Leitungs- und Koordinierungsaufgaben des Fraktionsvorstands verbundenen Zusatzaufwand übersteigen würden, so dass ein Teil der Zuwendungen für reine Parteiarbeit unabhängig von der Mandatstätigkeit übrig bliebe.

Zwar können sich die Zahlungen bei Fraktionen mit über 20 Mitgliedern im Maximalfall (ein Vorsitzender, vier Stellvertreter) auf das annähernd Dreifache (287,5 v. H.) des jedem einzelnen Ratsmitglied zustehenden Entschädigungsbetrags summieren. Um innerhalb eines so großen Kreises von Mandatsträgern möglichst einheitliche Positionen zu allen vom Stadtrat und seinen Ausschüssen zu behandelnden Beratungsgegenständen zu erarbeiten, muss die Fraktionsführung aber einen ganz beträchtlichen Aufwand an internen Planungen, Besprechungen und Abstimmungen betreiben. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin die zeitliche Beanspruchung aller Vorstandsmitglieder bei Fraktionen dieser Größe insgesamt mit dem beinahe Dreifachen des für die einfache Mandatsausübung Erforderlichen veranschlagt. Dies gilt zumindest dann, wenn es wie hier um die Fraktionsarbeit innerhalb einer kreisfreien Stadt geht, da in diesem Falle neben den spezifisch gemeindlichen Aufgaben (Art. 7, Art. 8 GO) auch die den Landkreisen obliegenden Aufgaben des eigenen und des übertragenen Wirkungskreises sowie die den Kreisverwaltungsbehörden zugewiesenen ursprünglich staatlichen Aufgaben (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 GO) zu erfüllen sind. In Anbetracht dieses weiten Zuständigkeitsbereichs und der daraus resultierenden Fülle möglicher Sachthemen sind insbesondere bei Städten mit hoher Einwohnerzahl und einer entsprechend großen Vertretungskörperschaft (im Falle der Antragsgegnerin bei ca. 278.000 Einwohnern 60 Ratsmitglieder, Art. 30 Abs. 2 Satz 2 GO) intensive Vorberatungen gerade innerhalb der größeren Fraktionen praktisch unverzichtbar, um den Willensbildungsprozess in den nachfolgenden Rats- oder Ausschusssitzungen innerhalb eines angemessenen Zeitraums zum Abschluss bringen zu können.

Für den (ersten) Vorsitzenden einer Fraktion kann die inhaltliche Vorbereitung und organisatorische Leitung der internen Diskussions- und Abstimmungsprozesse - je nach Zahl der Fraktionsmitglieder - sogar einen höheren Zeitaufwand erfordern als die eigentliche Ausübung des Mandats als einfaches Ratsmitglied. Es begegnet daher in Bezug auf eine mögliche Überförderung keinen rechtlichen Bedenken, dass die Antragsgegnerin in den angegriffenen Bestimmungen die Zusatzentschädigung für Vorsitzende einer mehr als 20-köpfigen Fraktion auf das 1,375-fache der Grundentschädigung (bei bis zu 20 Mitgliedern auf das 1,315-fache, bei bis zu 15 Mitgliedern auf das 1,25-fache, bei bis zu 10 Mitgliedern auf das 1,00-fache und bei bis zu 5 Mitgliedern auf das 0,75-fache) festgesetzt hat. Auch der Entschädigungszuschlag für die maximal vier stellvertretenden Vorsitzenden jeweils in Höhe des 0,375-fachen (bzw. des 0,25-fachen bei nicht mehr als fünf Mitgliedern) übersteigt nicht die zeitliche Zusatzbelastung, die durch ihr Mitwirken in der Fraktionsführung entstehen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der einzelnen Gemeinde hinsichtlich der Frage, inwieweit die Entscheidungsabläufe im Rat durch Förderung der vorbereitenden Fraktionstätigkeiten verbessert und beschleunigt werden können und sollen, eine aus ihrem Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) abzuleitende Einschätzungsprärogative zusteht. Ob die gewährten Zuwendungen nach Art und Umfang notwendig und angemessen sind, bestimmt sich nicht allein nach rechtlichen Kriterien und unterliegt daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die bayerischen Gemeinden sind auch nicht gehindert, die Fraktionsvorsitzenden durch pauschale Zuwendungen zu entschädigen; sie müssen also zur Ermittlung des anfallenden zeitlichen Mehraufwands weder zunächst eine Bedarfsanalyse erstellen (vgl. BVerwG, U. v. 05.7.2012 - 8 C 22/11 - BVerwGE 143, 240 Rn. 29) noch eine nachträgliche Kontrolle anhand von Verwendungsnachweisen vornehmen (so aber § 56 Abs. 3 Satz 3 GemO NRW, § 57 Abs. 3 Satz 2 NKomVG, § 36a Abs. 4 Satz 3 HGO, § 35a Abs. 3 Satz 3 SächsGemO; dazu Brockmann, NWVwBl 2004, 449/455).

Die von der Antragsgegnerin festgelegten Entschädigungen für Fraktionsvorsitzende und ihre Stellvertreter sind ihrem (absoluten) Betrag nach nicht so hoch bemessen, dass sie zu der geförderten Tätigkeit außer Verhältnis stünden und damit als eine verdeckte Parteienfinanzierung angesehen werden müssten. Sie sind nach Art einer prozentual bemessenen Funktionszulage gekoppelt an die jedem einfachen Stadtratsmitglied zustehende Grundentschädigung (§ 1 Satz 1 bis 3 AES), die der Gehaltsentwicklung der Besoldungsgruppe A 16 folgt und derzeit 1.410 Euro beträgt. Danach stehen z. B. bei einer großen Fraktion (mehr als 20 Mitglieder) dem Vorsitzenden gegenwärtig 1.938,75 Euro und jedem seiner maximal vier Stellvertreter 528,75 Euro zu, so dass die fünfköpfige Fraktionsführung monatlich über einen Betrag von insgesamt 4.053,75 Euro verfügen kann, um ihren zusätzlichen Aufwand abzudecken. Diese Summe erscheint angesichts des Schwierigkeitsgrads und der zeitlichen Belastung, die mit den Leitungs- und Koordinierungsaufgaben in einer Stadtratsfraktion dieser Größe typischerweise verbunden sind, nicht als unangemessen und jedenfalls als zu gering, um einen objektiven Anreiz dafür zu bieten, Teile der Entschädigungsleistung an die „hinter“ der Fraktion stehende Partei oder politische Gruppierung abzuführen.

bb) Die Antragsgegnerin hat mit den angegriffenen Vorschriften nicht gegen ein zwingendes Gleichheitsgebot verstoßen.

(1) Der von den Antragstellern vorrangig geltend gemachte, aus der verfassungsrechtlich garantierten Wahlrechtsgleichheit (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG; Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) abzuleitende Grundsatz der streng formalen Gleichbehandlung, der Differenzierungen nur aus zwingenden Gründen zulässt (BVerfG, U. v. 5.11.1975 - 2 BvR 193/74 - BVerfGE 40, 296/317 f.), ist hier nicht unmittelbar einschlägig. Zwar gilt dieses Verfassungsgebot nicht allein für den Wahlvorgang, sondern erstreckt sich auch auf die gewählten Mandatsträger, so dass deren Rechtsstellung und Mitwirkungsbefugnisse innerhalb der Vertretungskörperschaft sowie die ihnen gewährte Entschädigung ebenfalls in einem streng formalen Sinne gleich sein müssen (vgl. BVerfG, U. v. 21.7.2000 - 2 BvH 3/91 - BVerfGE 102, 224/238 f.; VerfGH, E. v. 15.12.1982 - Vf. 22-VII-80 - VerfGH 35, 148/163). Daraus lässt sich jedoch, wie das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich klargestellt hat, für die Rechte von Ratsfraktionen nichts gewinnen. Denn diese leiten ihre Stellung im Unterschied zu den gewählten Ratsmitgliedern nicht unmittelbar aus der vorangegangenen Wahl ab, sondern aus dem Selbstorganisationsrecht der gewählten Vertretung (BVerwG, a. a. O., Rn. 19; vgl. auch OVG NRW, U. v. 14.6.1994 - 15 A 2449/91 - NVwZ-RR 1995, 105). Da aus der formalen Gleichheit der Mandatsträger keine ebenso formale Gleichheit der von ihnen gebildeten Fraktionen folgt, gilt der strenge Gleichbehandlungsgrundsatz auch nicht für deren finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand; ebenso wenig lässt sich daraus folgern, dass sich die Finanzierung der Fraktionen allein an der Zahl ihrer Mitglieder auszurichten hätte (BVerwG, a. a. O.). Die von der Antragsgegnerin an die Fraktionsvorsitzenden und deren Stellvertreter gezahlten zusätzlichen Entschädigungen, die kein gemeindliches Ehrenamt im Sinne von Art. 20a GO betreffen, sondern zur allgemeinen Fraktionsförderung nach Art. 56 Abs. 2 GO gehören, sind demnach nicht an dem für das einzelne Ratsmitglied geltenden streng formalen Gleichheitssatz zu messen.

Der Grundsatz der Wahlgleichheit kann allerdings durch mittelbare Auswirkungen der Fraktionsfinanzierung auf andere - fraktionslose oder fraktionsangehörige - Mandatsträger berührt werden, wenn die Gewährung von Finanzmitteln an Ratsfraktionen dazu führt, dass die darin zusammengeschlossenen Mandatsträger bei der Wahrnehmung ihres Mandats gegenüber fraktionslosen Mandatsträgern ungleich bevorzugt werden oder wenn durch die Zuwendungen bei einem Vergleich von Mitgliedern großer mit Mitgliedern kleiner Fraktionen die grundsätzliche Gleichheit der Mandatswahrnehmung beeinträchtigt wird (BVerwG, a. a. O., Rn. 20; vgl. BVerfG, U. v. 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 - BVerfGE 80, 188/231 f.). Im vorliegenden Fall sind solche mittelbaren Folgen aber nicht ersichtlich. Die Gewährung der mit der Fraktionsgröße ansteigenden Entschädigungen für die Vorsitzenden und ihre Stellvertreter führt nicht dazu, dass die Angehörigen der kleineren Fraktionen oder (etwaige) fraktionslose Ratsmitglieder nicht mehr in gleicher Weise im Stadtrat und seinen Ausschüssen mitwirken können wie ihre Kollegen aus den größeren Fraktionen. Dass durch die gestaffelte Förderung der Fraktionsvorstände gerade die Ratsfraktionen mit vielen Mitgliedern in besonderer Weise unterstützt werden bei den Bemühungen, ihre inhaltlichen Positionen schon vorab intern festzulegen und damit in den kommunalen Vertretungsorganen möglichst „mit einer Stimme zu sprechen“, schmälert nicht die Teilhabemöglichkeiten der kleineren Gruppierungen oder der zu keiner Fraktion gehörenden Mandatsträger.

(2) Die von der Antragsgegnerin getroffene Entschädigungsregelung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), der als Bestandteil des allgemeinen Rechtsstaatsgebots auch Geltung für die Rechtsbeziehungen zwischen einer Gemeinde und den Ratsfraktionen beansprucht (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 15).

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches nach seiner Eigenart verschieden zu behandeln. Der Normgeber muss für seine Unterscheidungen und Nichtunterscheidungen einen vernünftigen, sich aus der Natur der Sache ergebenden oder sonstwie einleuchtenden Grund angeben können (BVerwG, a. a. O., Rn. 16 m. w. N.). Verboten ist auch ein durch Sachgründe nicht gerechtfertigter und daher gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss (BVerfG, U. v. vom 17.4. 2008 - 2 BvL 4/05 -- BVerfGE 121, 108/119 m. w. N.). Mit der Gewährung monatlicher Entschädigungsleistungen an die Fraktionsvorsitzenden und ihre Stellvertreter will die Antragsgegnerin den durch die Wahrnehmung dieser Funktionen entstehenden zusätzlichen Aufwand insbesondere zeitlicher Art ausgleichen. Die hierfür vorgesehenen Finanzmittel müssen daher nach einem Maßstab verteilt werden, der sich an dem für die Führung einer Fraktion erforderlichen tatsächlichen oder zu erwartenden Bedarf orientiert (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 17). Differenzierungen nach der Anzahl der Fraktionsmitglieder sind also nur zulässig (und ggf. geboten), soweit sich aus der unterschiedlichen Fraktionsgröße ein verschieden hoher (Zeit-) Aufwand für die jeweilige Vorstandstätigkeit ableiten lässt.

Diesen gleichheitsrechtlichen Anforderungen wird die angegriffene Regelung gerecht. Die Antragsgegnerin hat überzeugend dargelegt, dass sich mit zunehmender Größe einer Ratsfraktion der Leitungs- und Koordinierungsbedarf tendenziell erhöht, so dass die zeitliche Inanspruchnahme des jeweiligen Fraktionsvorsitzenden und seiner Stellvertreter entsprechend ansteigt. Es gehört zu den zentralen Aufgaben eines Fraktionsvorstands, den internen Meinungsbildungsprozess zu allen im Stadtrat und seinen Ausschüssen zu behandelnden Angelegenheiten voranzutreiben und dabei auf ein geschlossenes Auftreten der Fraktion hinzuwirken, was sich nur durch einen fortlaufenden Meinungs- und Informationsaustausch mit allen übrigen Fraktionsmitgliedern erreichen lässt. Dass dieser leitungsspezifische Kommunikationsbedarf, der vor allem in Gruppensitzungen und Einzelgesprächen zum Ausdruck kommt, im Regelfall umso mehr zunimmt, je mehr Personen der jeweiligen Fraktion angehören, lässt sich nicht bestreiten. Zwar dürfte insoweit kein lineares Verhältnis bestehen, da z. B. die Dauer von Fraktionssitzungen nicht proportional zur Teilnehmerzahl ansteigt. Es liegt aber auf der Hand, dass aus einer größeren Gruppe von Mandatsträgern typischerweise mehr Diskussionsbeiträge und Beschlussvorschläge kommen als aus einer kleineren Gruppe; dementsprechend höher ist dort der zur Sitzungsvorbereitung erforderliche sachliche Abstimmungsbedarf. Mit einer größeren Zahl von Fraktionsmitgliedern geht meist auch eine fachliche Spezialisierung durch Bildung fraktionsinterner Arbeitskreise einher, so dass sich die Vorsitzenden der großen Fraktionen besonders intensiv auch in Detailfragen einarbeiten müssen, wenn sie ihrer Leitungsfunktion gerecht werden wollen. Die notwendige Verständigung innerhalb der Fraktionsführung, z. B. im Rahmen regelmäßiger Vorstandssitzungen, wird bei größeren Zusammenschlüssen ebenfalls zeitaufwändiger sein als bei kleineren, die auf eine solche organisatorische Zwischenebene leichter ganz verzichten können, etwa wenn der Fraktion wie im Fall der Antragsteller lediglich drei oder vier Mandatsträger angehören.

Neben ihrer Inanspruchnahme durch die spezifischen Leitungsaufgaben, die mit zunehmender Gruppengröße typischerweise einen steigenden Zeitaufwand erfordern, obliegen den Fraktionsvorsitzenden und ihren Stellvertretern allerdings auch verschiedene fraktionsstärkeunabhängige Aufgaben, für deren Erledigung nur ein für alle Fraktionen gleicher Zeitanteil angesetzt werden kann. Dazu gehören etwa die Bearbeitung der an die Fraktion oder deren Führung gerichteten Anfragen, die Stellungnahme zu Themenvorschlägen und Anträgen der anderen Fraktionen oder Gruppierungen, die Repräsentation der Fraktion bei offiziellen Terminen sowie die paritätische Beteiligung im Ältestenrat. Der hierfür entstehende „fixe“ Zeitaufwand muss als so beträchtlich angesehen werden, dass eine rein proportionale Verteilung der Fördermittel nach der jeweiligen Fraktionsgröße einen Gleichheitsverstoß darstellen würde (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 21 ff.). Andererseits kommt aber diesem zeitlichen Sockelbedarf, der für jede Fraktionsführung in vergleichbarem Umfang anfällt, kein so maßgebendes Gewicht zu, dass jede Differenzierung der Entschädigungsleistungen gemäß der Fraktionsgröße unzulässig wäre. Die zeitliche Beanspruchung eines Fraktionsvorsitzenden, der eine mehr als 20-köpfige Gruppe von Mandatsträgern zu leiten und zu koordinieren hat, muss, wie oben dargelegt, im Normalfall als erheblich höher angesehen werden als die des Vorsitzenden einer Gruppierung, die mit drei oder vier Mitgliedern soeben den Fraktionsstatus erreicht. Dass nach außen hin beide Funktionsträger als ebenbürtig wahrgenommen und in protokollarischer Hinsicht gleichbehandelt werden, steht dem nicht entgegen.

Die Antragsteller können ihr Begehren auf eine gleich hohe Förderung auch nicht damit begründen, gerade sie als Vertreter kleiner Fraktionen hätten „Sonderlasten“ zu tragen, weil sie sich auch in Unterlagen jener Ausschüsse einarbeiten müssten, in denen ihre Fraktion nicht vertreten sei, und weil sie sich bei Repräsentationsaufgaben nicht so leicht vertreten lassen könnten wie die Vorsitzenden größerer Fraktionen. Diese Argumentation verkennt, dass die Zuwendungen an die Fraktionsvorstände weder zum Ziel noch zur Folge haben dürfen, dass die auf dem Wählervotum beruhenden Größenunterschiede der Parteien und Wählergruppen, die sich in der Sitzverteilung im Rat und in den Ausschüssen widerspiegeln (vgl. Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO), faktisch beseitigt werden und sich damit kleineren Fraktionen Wirkungsmöglichkeiten eröffnen, die sie ohne die finanzielle Unterstützung nicht hätten. Dass nach der derzeitigen kommunalpolitischen Konstellation im Stadtrat der Antragsgegnerin ein Dreierbündnis der großen Fraktionen mit 43 von 60 Sitzen eine klare Mehrheit besitzt und den von den Antragstellern vertretenen Fraktionen damit die Rolle der Opposition zugewachsen ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Einen speziellen „Oppositionszuschlag“, wie er für die Fraktionsförderung im parlamentarischen Bereich häufig vorgeschrieben ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayFraktG; § 50 Abs. 2 AbgG; StGH Bremen, U. v. 5.1.2004 - St 3/03 - NVwZ 2005, 929), sieht das Gesetz für die kommunalen Volksvertretungen nicht vor.

Der Antragsgegnerin durfte demnach - ebenso wie bei ihren sonstigen Sach- und Geldleistungen an die Ratsfraktionen (dazu BayVGH, U. v. 16.2.2000 - 4 N 98.1341 - NVwZ-RR 2000, 811/813; OVG NRW, U. v. 8.10.2002 - 15 A 4734/01 - NVwZ-RR 2003, 376/377; NdsOVG, U. v. 9.6.2009 - 10 ME 17/09 - DVBl 2009, 917; OVG SH, B. v. 20.12.2007 - 2 LA 85/07 - juris Rn. 5 ff.; Lange, Kommunalrecht, 2013, 303 Rn. 57) - auch bei der Bemessung der Funktionszulagen für die Fraktionsvorsitzenden und deren Stellvertreter eine Staffelung nach der Fraktionsgröße vornehmen. Sie konnte dabei im Rahmen ihres weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums von einer degressiv proportionalen Zunahme des für die Fraktionsführung erforderlichen Zeitaufwands bei steigender Fraktionsmitgliederzahl ausgehen und den Verteilungsmaßstab für die gewährten Fördermittel hieran ausrichten. Das in den angegriffenen Bestimmungen verwirklichte 5-Stufen-Modell, wonach der Gesamtbetrag der Zulagen für Fraktionen bis 5 Mitglieder das 1,00-fache, bis 10 Mitglieder das 1,75-fache, bis 15 Mitglieder das 2,375-fache, bis 20 Mitglieder das 2,815-fache und ab 20 Mitglieder das 2,875-fache der Grundentschädigung beträgt, ist trotz der damit unvermeidbar verbundenen Sprünge beim Übergang von der einen zur nächsten Stufe noch von der Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis des Satzungsgebers gedeckt.

Dass der Degressionseffekt, der den Anstieg der Entschädigungen bei zunehmender Fraktionsgröße begrenzt, vergleichsweise gering ausfällt, ist auch nicht deshalb zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin den Fraktionen - ohne spezielle satzungsrechtliche Grundlage - noch eine Reihe sonstiger Leistungen gewährt (Sachmittelpauschale, Zuwendungen für das Fraktionspersonal etc.), die sich ebenfalls nach der Fraktionsstärke bemessen und damit wiederum den größeren Fraktionen in höherem Maße zugute kommen als den kleineren. Eine Zusammenschau dieser weiteren Förderungen mit den streitgegenständlichen Entschädigungen für die Fraktionsvorstände könnte zwar zu der Bewertung führen, dass die größeren Fraktionen im Verhältnis zu den kleineren Gruppierungen insgesamt unverhältnismäßig begünstigt werden. Dies gilt insbesondere bei Berücksichtigung des bislang praktizierten Systems der Personalkostenzuschüsse, wonach Fraktionen ab 10 Mitgliedern den Aufwand für zweieinhalb (ab 20 Mitglieder: drei) Vollzeitstellen mit einer Vergütung entsprechend den Besoldungsstufen A 15 (eine Stelle) und A 9 (zwei Stellen) von der Antragsgegnerin erstattet erhalten, während Fraktionen mit vier bis sechs Mitgliedern lediglich eine (bei drei Mitgliedern sogar nur eine halbe) Vollzeitstelle entsprechend der Besoldungsstufe A 14 zugestanden wird. Unabhängig von der bisher nicht abschließend geklärten Frage, inwieweit derartige Zuwendungen für hauptamtliches Fraktionspersonal überhaupt zulässig, also insbesondere mit dem Grundgedanken eines ehrenamtlichen Kommunalmandats und dem Verbot einer verdeckten Parteienfinanzierung vereinbar sind (krit. Meyer, DÖV 1991, 56; ders., VBlBW 1994, 337; Rothe, DVBl. 1993, 1042; allg. Brockmann, NWVBl 2004, 449/453 f.; vgl. auch BT-Drs. 17/2397 zu dem derzeit vor dem BVerfG anhängigen Organklageverfahren Az. 2 BvE 4/12), drängt sich hier der Schluss auf, dass so hoch bezahlte und entsprechend qualifizierte Mitarbeiter nicht bloß technische Hilfsleistungen für die Fraktion erbringen, sondern als deren Geschäftsführer oder in ähnlicher Funktion auch inhaltliche Koordinierungsarbeiten leisten und damit den Fraktionsvorstand ganz wesentlich entlasten. Die daraus abzuleitende Folgerung, dass gerade die Vorsitzenden der größeren Fraktionen und ihre Stellvertreter für ihre Leitungsaufgaben in der Praxis deutlich weniger Zeit aufwenden dürften als oben angenommen, führt aber nicht dazu, dass die angegriffenen Entschädigungsvorschriften rechtlich zu beanstanden wären. Denn die Rechtmäßigkeit solcher Satzungsregelungen bestimmt sich allein nach ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht und hängt nicht davon ab, ob das damit verfolgte Regelungsziel zusätzlich durch andere, auf keiner satzungsrechtlichen Grundlage beruhenden Maßnahmen erreicht wird. Ergibt sich ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz erst durch die Kumulation einer gesetzlich vorgesehenen mit einer freiwillig gewährten Förderung, so kann daher nur letztere als rechtswidrig beanstandet werden.

3. Hinsichtlich des Hilfsantrags hat der Normenkontrollantrag Erfolg. Die Vorschrift des § 2 der Änderungssatzung vom 24. Juli 2014, wonach die in § 1 der Satzung enthaltenen Änderungen mit Wirkung zum 1. Mai 2014 in Kraft treten, verstößt gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Rückwirkungsverbot.

Da aufgrund der genannten Inkrafttretensregelung die bisherigen Bestimmungen über die monatlich zu zahlenden Aufwandsentschädigungen nachträglich für einen Zeitraum vor der Bekanntmachung der Satzung geändert und - für die Vorsitzenden kleinerer Fraktionen - gekürzt wurden, handelt es sich um eine echte Rückwirkung im Sinne einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. BVerfG, B. v. 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - NVwZ 2014, 577 Rn. 41 m. w. N.). Den betroffenen Fraktionsvertretern werden damit als Ausgleich für ihren zusätzlichen Zeitaufwand im Nachhinein geringere Beträge gewährt als ihnen nach den zum Zeitpunkt ihrer Tätigkeit geltenden Vorschriften zustanden. Wenn der Normgeber in dieser Weise die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und die betroffenen Grundrechte einer besonderen Rechtfertigung (vgl. BVerfG, B. v. 7.7.2010 - 2 BvL 14/02 u. a. - BVerfGE 127, 1 Rn. 55 m. w. N.). Dies muss auch für die an Mandatsträger gezahlten Entschädigungen gelten, wenn diese wie hier in das Privatvermögen der Empfänger übergehen.

Besondere Gründe, die eine rückwirkende Kürzung des Entschädigungsanspruchs rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich und von der Antragsgegnerin auch nicht vorgetragen worden. Der bloße Umstand, dass über eine mögliche Neugestaltung des Entschädigungssystems schon seit Beginn der Amtszeit des derzeitigen Stadtrats öffentlich diskutiert wurde, ließ den Vertrauensschutz der betroffenen Fraktionsvorsitzenden und ihrer Stellvertreter nicht entfallen, solange noch kein entsprechender Satzungsbeschluss vorlag (vgl. BVerwG, U. v. 26.2.2003 - 9 CN 2/02 - NVwZ-RR 2003, 522/523). Denn für sie war weder hinreichend sicher absehbar, dass es zu einer solchen rückwirkenden Neuregelung kommen würde, noch ließ sich der Umfang der Kürzung aus damaliger Sicht abschätzen. Sie konnten sich daher nicht schon im Vorhinein auf die nunmehr getroffene Regelung einstellen. Da die Antragsteller als (einzig) nachteilig Betroffene der Neuregelung stets widersprochen und der Satzungsänderung nicht zugestimmt haben, kann ihnen auch nicht entgegengehalten werden, sie hätten an der rückwirkenden Verschlechterung ihrer Rechtsposition als Mitglieder des Stadtrats selbst mitgewirkt und könnten sich daher nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen.

Der festgestellte Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot hat zur Folge, dass § 2 der Änderungssatzung unwirksam ist (§ 47 Abs. 5 Satz 2 HalbsVwGOVwGO). Für die in § 1 der Satzung enthaltenen Bestimmungen gilt demzufolge der in Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GO genannte Zeitpunkt als Termin des Inkrafttretens (vgl. BayVGH, B. v. 6.6.1988 - 4 N 88.0032 - FSt 1988 Nr. 263; Hölzl/Hien/Huber, a. a. O., Art. 26 Anm. 1; Wachsmuth, a. a. O., Art. 26 Anm. 3.).

Die Antragsgegnerin hat die Entscheidungsformel hinsichtlich der für unwirksam erklärten Rechtsvorschrift in derselben Weise zu veröffentlichen wie die Vorschrift bekannt zu machen wäre (§ 47 Abs. 5 Satz 2 HalbsVwGOVwGO).

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. August 2012 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 56 505 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers hat mit der Maßgabe Erfolg, dass der Rechtsstreit gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist. Die Beschwerdebegründung rechtfertigt zwar nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO; jedoch liegt ein Verfahrensmangel vor, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

Der 1946 geborene Kläger war Gymnasiallehrer (Besoldungsgruppe A 14) im Dienst des Beklagten. Nach verschiedenen Vorkommnissen, aus denen sich Zweifel an seiner Dienstfähigkeit ergaben, wurde der Kläger 2002 fachärztlich untersucht. 2003 leitete die Beklagte ein Zwangspensionierungsverfahren ein und im Februar 2006 versetzte sie ihn wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Die dagegen gerichtete Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Während des Berufungsverfahrens erreichte der Kläger die gesetzliche Altersgrenze für die Versetzung in den Ruhestand.

3

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Wesentlichen auf Folgendes abgestellt: Der Senat habe über die Berufung des Klägers entscheiden können, ohne über den zuvor schriftsätzlich gestellten Antrag, alle drei Mitglieder des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, entscheiden zu müssen. Denn dieser Schriftsatz sei nicht von einem Rechtsanwalt erarbeitet worden und genüge deshalb nicht dem Erfordernis des § 67 Abs. 4 VwGO. Das Klagebegehren habe sich nicht mit dem Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand erledigt. Weder gebe es übereinstimmende Erledigungserklärungen der Hauptbeteiligten noch eine Erledigung in der Sache, denn der angefochtene Bescheid habe finanzielle Auswirkungen für den Kläger hinsichtlich seiner Dienst- und Ruhestandsbezüge. Es stehe zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des psychiatrischen Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen fest, dass der Kläger im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand im Februar 2006 dienstunfähig war. Dabei sei es unerheblich, dass der Sachverständige den Kläger nicht persönlich untersucht habe. Der Sachverständige habe in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, warum er hierauf verzichtet habe: Der Kläger habe seiner Bitte, die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, zweimal nicht entsprochen; zudem sei es um die Beurteilung des Zeitraums bis 2006 und die sich hieraus ergebenden Befunde gegangen. Für diesen Zeitraum habe es ärztliche Stellungnahmen und Befunde gegeben, die sich auf die Ergebnisse persönlicher Untersuchungen des Klägers stützten.

4

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

5

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 3.10 - NVwZ 2011, 507; stRspr).

6

Die von der Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Frage,

ob ein Verwaltungsgericht über die Anfechtungsklage eines Beamten gegen dessen Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit entscheiden darf, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts zwischenzeitlich aus Altersgründen in den Ruhestand getreten ist,

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die damit angesprochene Frage der Erledigung einer Zurruhesetzungsverfügung wegen Dienstunfähigkeit infolge Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze ist in der Rechtsprechung im Sinne des Berufungsurteils geklärt.

7

Erledigt ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn von ihm keinerlei Rechtswirkungen mehr ausgehen; ein Verwaltungsakt verliert seine Rechtswirkungen u.a. dann, wenn er aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage seinen Regelungszweck nicht mehr erreichen kann (stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 27. Februar 2014 - BVerwG 2 C 1.13 - ZBR 2014, 195 Rn. 14 ). Eine Zurruhesetzungsverfügung erledigt sich nicht, wenn der betreffende Beamte während des gerichtlichen Verfahrens mit Erreichen der für ihn geltenden gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand tritt. Denn sie entfaltet weiterhin Rechtswirkungen. So bleibt der Zeitraum bis zum Erreichen der Altersgrenze für die Bemessung des Ruhegehalts außer Betracht. Auch ist die Zurruhesetzungsverfügung Grundlage für die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge (Urteil vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 10). Das von der Beschwerde herangezogene Urteil des VGH Kassel vom 22. Mai 1996 (1 UE 2558/93 - IÖD 1996, 245) betrifft einen anderen Fall, nämlich einen Beamten, der die gesetzliche Altersgrenze erreicht, ohne dass zuvor eine Zurruhesetzungsverfügung ergangen ist.

8

2. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

9

Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes bestehen. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn das Berufungsgericht den Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts, ohne ihm inhaltlich zu widersprechen, in dem zu entscheidenden Fall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die Folgerungen gezogen hat, die für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. Mai 2012 - BVerwG 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5).

10

Der Kläger sieht eine Abweichung des Berufungsurteils von dem abstrakten Rechtssatz im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 1997 (BVerwG 2 C 7.97 - BVerwGE 53, 267 <269>), wonach es bei der Beurteilung der Dienstunfähigkeit nicht allein auf Art und Ausmaß der einzelnen Gebrechen des Beamten, den objektiven ärztlichen Befund und dessen medizinische Qualifikation als solche ankommt, sondern auch auf die Auswirkungen dieser Einschränkungen auf die Fähigkeit des Beamten, die ihm in seinem konkreten Amt obliegenden Dienstpflichten zu erfüllen, und damit auch auf die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Von diesem Rechtssatz weiche der Verwaltungsgerichtshof zwar nicht ausdrücklich, wohl aber konkludent ab, wenn er ausführe, dass die Dienstunfähigkeit nach seiner Überzeugung aufgrund des psychiatrischen Gutachtens von Prof. D. feststehe.

11

Hierin liegt jedoch keine - versteckte - Divergenz. Der Verwaltungsgerichtshof hat nicht unausgesprochen den Rechtssatz aufgestellt, dass die Dienstunfähigkeit eines Beamten losgelöst von den Anforderungen seines - abstrakt-funktionellen - Amtes zu beurteilen ist. Er hat zwar die gesundheitlichen Anforderungen an das Amt eines als Gymnasiallehrers tätigen Oberstudienrats nicht definiert, wohl aber in Bezug genommen („...dass der Kläger dauerhaft gehindert ist, die Anforderungen, die an einen Lehrer am Gymnasium gestellt werden, zu erfüllen", Rn. 36 a.E. des Berufungsurteils). Der Verwaltungsgerichtshof ist davon ausgegangen, dass die vom Sachverständigen angenommene schwere psychische Störung einer Tätigkeit als Gymnasiallehrer entgegenstand. Damit hat er gerade nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass die Dienst(un)fähigkeit eines Beamten ohne Bezug auf sein abstrakt-funktionelles Amt zu beurteilen ist.

12

3. Auch die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen mit einer Ausnahme (dazu unter 4.) nicht vor.

13

a) Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG).

14

aa) Soweit der Kläger einen solchen Gehörsverstoß in der Nichtberücksichtigung des Schriftsatzes vom 30. April 2012 wegen des vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen Verstoßes gegen den Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO sieht, kann er damit nicht durchdringen.

15

Der Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO soll die Sachlichkeit des Verfahrens und die sachkundige Erörterung des Streitfalls, insbesondere der entscheidungserheblichen Rechtsfragen, gewährleisten. Das setzt voraus, dass der Prozessbevollmächtigte bei Zuarbeiten Dritter auch selbst den Streitstoff durchdringt und die Verantwortung für die Ausführungen gegenüber dem Gericht übernimmt (Beschluss vom 13. Juli 1989 - BVerwG 4 B 140.88 - Buchholz 406.11 § 236 BauGB Nr. 1).

16

Zwar ist fraglich, ob der Verwaltungsgerichtshof diesen Schriftsatz als nicht vom damaligen Bevollmächtigten des Klägers verfasst und damit wegen Verstoßes gegen § 67 Abs. 4 VwGO als unbeachtlich ansehen durfte. Das kann aber letztlich dahinstehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich mit Verfügung vom 31. Mai 2012 dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers unter Schilderung der aus seiner Sicht hierfür maßgeblichen Gründe mitgeteilt, dass er den Schriftsatz vom 30. April 2012 als nicht von einem Rechtsanwalt erarbeitet ansehe und dass deshalb dem Vertretungserfordernis des § 67 Abs. 4 VwGO nicht genügt sei. Dem ist der damalige Bevollmächtigte des Klägers in der Folgezeit nicht entgegengetreten und er hat auch in der mündlichen Verhandlung dreieinhalb Monate später den Inhalt dieses Schriftsatzes nur teilweise aufgenommen. Damit hat der Kläger das Rügerecht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 556 und 295 Abs. 1 ZPO verloren. Gemäß § 556 ZPO kann ein Beteiligter die Verletzung einer das Verfahren der Berufungsinstanz betreffenden Vorschrift in der Revisionsinstanz nicht mehr rügen, wenn er das Rügerecht bereits in der Berufungsinstanz nach der Vorschrift des § 295 ZPO verloren hat. Nach § 295 Abs. 1 ZPO verliert ein Beteiligter das Rügerecht, wenn er auf die Befolgung der Verfahrensvorschrift verzichtet oder den Verfahrensmangel in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat, obgleich er zu dieser Verhandlung erschienen war und ihm der Mangel bekannt war oder bekannt sein musste (Beschluss vom 24. Juli 2007 - BVerwG 2 B 65.07 - Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 4 Rn. 4 f. m.w.N.).

17

bb) Auch die Gehörsrüge im Hinblick auf eine aus Sicht des Klägers zu kurz bemessene Äußerungsfrist zum Sachverständigengutachten greift nicht durch. Nach dem Beschwerdevortrag hatte der damalige Bevollmächtigte des Klägers unter Berücksichtigung der ihm vom Verwaltungsgerichtshof gewährten Fristverlängerungen fünf Monate Zeit zur Äußerung, hinzu kamen noch weitere dreieinhalb Monate bis zur mündlichen Verhandlung. Bei einer Äußerungsmöglichkeit über einen Zeitraum von achteinhalb Monaten ist ein Gehörsverstoß wegen zu kurz bemessener Äußerungsmöglichkeit ersichtlich nicht gegeben. Dass der Sachverständige für die Erstellung des Gutachtens noch mehr Zeit benötigte, ist hierbei ohne Belang.

18

cc) Auch in der Ablehnung der Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung lag kein Gehörsverstoß.

19

Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat der damalige Bevollmächtigte des Klägers den ersten Vertagungsantrag damit begründet, dass er davon ausgegangen sei, in der mündlichen Verhandlung an diesem Tag werde nur der Sachverständige befragt; das Ergebnis der Beweisaufnahme sei zu bedenken und zu kommentieren. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Vertagungsantrag unter Hinweis auf § 227 Abs. 1 Nr. 2 ZPO abgelehnt; es seien keine grundlegend neuen Gesichtspunkte aufgetaucht, die eine Vertagung rechtfertigten könnten.

20

In der Ablehnung dieses Vertagungsantrags lag kein Gehörsverstoß. Der damalige Bevollmächtigte des Klägers war in der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden, dass auch der Sachverständige zur Erläuterung seines Gutachtens geladen worden war. Er musste davon ausgehen, dass die Äußerungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung und nicht erst in einem etwaigen weiteren, späteren Verhandlungstermin erörtert werden.

21

Der zweite Vertagungsantrag ist vom damaligen Bevollmächtigten des Klägers nach der per Fax erfolgten Kündigung seines Mandats durch den in der mündlichen Verhandlung nicht anwesenden Kläger gestellt und damit begründet worden, ein neuer Anwalt müsse sich erst einarbeiten. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Vertagungsantrag abgelehnt, weil der Kläger keine Gründe für den Mandatsentzug und das Vertagungsbegehren angegeben habe und der Vertagungsantrag rechtsmissbräuchlich sei.

22

Auch hiergegen ist unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nichts zu erinnern. Insbesondere durfte der Verwaltungsgerichtshof den auf den während der mündlichen Verhandlung erfolgten Mandatsentzug gestützten Vertagungsantrag im Kontext mit zahlreichen weiteren Vertagungsanträgen im vorherigen Verlauf des gerichtlichen Verfahrens als rechtsmissbräuchlich, weil auf die Verzögerung des Verfahrens zielend, ansehen. Der Beschwerdevortrag, wonach der Mandatsentzug ein „Akt der Verzweiflung" des Klägers gewesen sei, nachdem sich abgezeichnet habe, dass der Verwaltungsgerichtshof ohne weitere Anhörung des Klägers sein Urteil verkünden wollte, belegt, dass der Mandatsentzug nicht wegen eines erschütterten Vertrauens zu dem früheren Verfahrensbevollmächtigten, sondern zu dem verfahrensfremden Zweck erfolgt ist, nach der Ablehnung des ersten Vertagungsantrages einen Grund für einen weiteren Vertagungsantrag zu schaffen.

23

dd) Schließlich lag auch in der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung trotz Kündigung des Mandatsverhältnisses des Klägers zu seinem früheren Bevollmächtigten während der mündlichen Verhandlung kein Gehörsverstoß. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausweislich des Sitzungsprotokolls auf § 87 Abs. 1 ZPO hingewiesen, wonach in Anwaltsprozessen die Kündigung des Vollmachtsvertrags erst durch die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit erlangt. Die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts ist hier erst nach Beendigung der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen (Eingang per Fax um 14:36 Uhr, Schluss der mündlichen Verhandlung um 12:30 Uhr). Der Verwaltungsgerichtshof durfte mithin in der mündlichen Verhandlung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO von der Fortdauer der Bevollmächtigung des früheren Prozessbevollmächtigten ausgehen.

24

b) Der Verwaltungsgerichtshof hat auch seine Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht verletzt (mit Ausnahme der Rüge unter 4.).

25

aa) Ohne Erfolg rügt die Beschwerde insoweit zunächst, dass der Verwaltungsgerichtshof ein Sachverständigengutachten beauftragt und nicht stattdessen vorrangig Personen befragt hat, die den Kläger bereits ärztlich untersucht hatten oder die sich in sonstiger Weise über die Dienstunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt seiner Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand im Jahre 2006 hätten äußern können. Das betrifft die Vernehmung sämtlicher in der Beschwerdeschrift genannten Personen.

26

Nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO muss ein Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan werden (vgl. Beschlüsse vom 10. November 1992 - BVerwG 3 B 52.92 - Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5 S. 2 und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Bei einem behaupteten Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss dementsprechend nicht nur substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, sondern auch, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 13. Oktober 2008 - BVerwG 2 B 119.07 - Buchholz 235.1 § 69 BDG Nr. 5 Rn. 4 m.w.N.). An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.

27

Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln. In diesem Rahmen entscheidet das Gericht über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme nach Ermessen. Fehlt dem Gericht die für die Sachverhaltsermittlung erforderliche Sachkunde, muss es sachverständige Hilfe in Anspruch nehmen. Kommt es maßgeblich auf den Gesundheitszustand eines Menschen an, ist daher regelmäßig die Inanspruchnahme ärztlicher Fachkunde erforderlich (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 118.05 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 16 Rn. 3 = NVwZ 2007, 345 m.w.N. und vom 20. März 2014 - BVerwG 2 B 59.12 - juris Rn. 9).

28

Die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist eine schwerwiegende, tief in die Rechtsstellung des Beamten eingreifende Maßnahme. Die Beurteilung der Dienstunfähigkeit setzt in der Regel medizinische Kenntnisse voraus, die das Gericht nicht hat. Deshalb ist im Regelfall ein ärztliches Gutachten erforderlich, dessen Erstellung auch nicht die Befragung von Personen vorgeschaltet werden muss, die ärztliche Diagnosen gestellt haben oder sich in sonstiger Weise über die Dienstunfähigkeit des Beamten zum Zeitpunkt der Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand äußern können, wie hier Personalverantwortliche, Ärzte, Personalratsmitglieder und Nachbarn, deren Befragung der Kläger vermisst. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Senat im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO eine sachverständige medizinische Bewertung der vorliegenden ärztlichen Befunde für erforderlich gehalten hat.

29

bb) Nicht zu beanstanden ist auch, dass der Verwaltungsgerichtshof den Sachverständigen beauftragt hat, das Gutachten auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu erstatten, nachdem der Kläger die erbetene Schweigepflichtentbindung nicht abgegeben hatte.

30

Mit Schreiben vom 1. März 2011 an den damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers hat der Sachverständige ausgeführt, er halte es vor einem noch anzuberaumenden persönlichen Untersuchungstermin mit dem Kläger für geboten, die vollständigen Aufzeichnungen und Unterlagen von mehreren, im Einzelnen aufgeführten Ärzten und Therapeuten einzusehen. Da der Kläger eine frühere, ca. acht Jahren zuvor erteilte Schweigepflichtentbindungserklärung zwei Jahre später widerrufen hatte, bat er um die erneute Erklärung über die Entbindung von der Schweigepflicht. Nachdem der Kläger dieser Bitte in der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nicht nachgekommen war, beauftragte der Verwaltungsgerichtshof den Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens auf der Grundlage der sonstigen ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel.

31

Wenn - wie hier - ein gerichtlich bestellter ärztlicher Sachverständiger zur Erfüllung seines Gutachtensauftrags die Einsichtnahme in bestimmte, früher erstellte und im Einzelnen benannte ärztliche Unterlagen für erforderlich hält, dann ist eine Aufforderung an den Beamten, insoweit eine Schweigepflichtentbindungserklärung abzugeben, regelmäßig nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Gibt der Beamte die erbetene Erklärung nicht ab, dann kann und muss der Sachverständige sein Gutachten auf der Basis der sonstigen - ihm zugänglichen - Informationen erstatten. Hiervon zu unterscheiden ist, ob es für eine im Verfahren zur Überprüfung einer Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit ergehende gerichtliche Anordnung an den Beamten, seine bisher behandelnden und begutachtenden Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden, einer speziellen gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. Beschluss vom 21. Februar 2014 - BVerwG 2 B 24.12 - IÖD 2014, 100 Rn. 7), ob und inwieweit bei einer unberechtigten Nichtbefolgung einer angeordneten ärztlichen Untersuchung oder einer zu Unrecht verweigerten Schweigepflichtentbindung nach den Grundsätzen zur Beweisvereitelung von einer Dienstunfähigkeit ausgegangen werden kann (vgl. Urteile vom 26. April 2012 - BVerwG 2 C 17.10 - Buchholz 237.6 § 226 NdsLBG Nr. 1 Rn. 12 und vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 14 sowie Beschlüsse vom 5. November 2013 - BVerwG 2 B 60.13 -NVwZ 2014, 530 Rn. 5 und vom 26. Mai 2014 - BVerwG 2 B 69.12 - Rn. 14 und ob der Sachverständige vor der Erstellung des Gutachtens den betreffenden Beamten befragen und untersuchen muss (dazu sogleich unter 4.).

32

cc) Auch soweit die Beschwerde in der vom Verwaltungsgerichtshof veranlassten Übersendung der Personalakten trotz Widerspruchs gegen die Übersendung einzelner Bestandteile (Vorgänge aus der Zeit vor Erlass der Zurruhesetzungsverfügung vom 22. Juni 2006) eine Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sieht, weil der Gutachter damit Kenntnis von den Kläger stark belastenden Aussagen und Sachverhalten erhalten hätte, sodass er das Gutachten nicht mehr unvoreingenommen habe anfertigen können, kann sie damit nicht durchdringen.

33

Nach Art. 100e Abs. 1 Satz 3 Bayerisches Beamtengesetz in der im Zeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung im Februar 2006 geltenden Fassung vom 27. August 1998 (GVBl S. 702; vgl. auch § 111 Abs. 1 Satz 3 BBG) konnte schon im behördlichen Verfahren einem begutachtenden Arzt die Personalakte ohne Einwilligung des Beamten vorgelegt werden, soweit dies für die Erstellung eines medizinischen Gutachtens erforderlich war. Dies gilt erst recht in einem gerichtlichen Verfahren. Die Beschwerde legt in keiner Weise dar, woraus sich die Unzulässigkeit der Übermittlung der beanstandeten Unterlagen ergeben soll.

34

dd) Die Ablehnung der Befangenheitsanträge gegen den Sachverständigen begründet ebenfalls keinen Verfahrensmangel.

35

Ein Sachverständiger kann nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO aus denselben Gründen wie ein Richter abgelehnt werden. Die Besorgnis der Befangenheit (§ 54 Abs. 1 VwGO und § 42 Abs. 2 ZPO) ist bereits gegeben, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu zweifeln. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt schon der „böse Schein", d.h. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität. Entscheidend ist, ob der beanstandete Umstand für einen verständigen Verfahrensbeteiligten Anlass sein kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit zu zweifeln (stRspr; vgl. zuletzt Beschluss vom 11. Februar 2013 - BVerwG 2 B 58.12 - Rn. 16 unter Hinweis auf BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 25. Juli 2012 - 2 BvR 615/11 - NJW 2012, 3228 Rn. 12 f. und vom 12. Dezember 2012 - 2 BvR 1750/12 - MDR 2013, 294 Rn. 14 m.w.N.).

36

Soweit der damalige Bevollmächtigte des Klägers ausweislich der Sitzungsniederschrift den Ablehnungsantrag darauf gestützt hat, dass die auf die Feststellung der Dienstfähigkeit statt auf gesundheitsbezogene Leistungseinschränkungen und dienstliche Anforderungen gerichtete Zielstellung des Gutachtenauftrags die Besorgnis der Befangenheit rechtfertige, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht darauf hingewiesen, dass ein aus der Sicht eines Beteiligten fehlerhafter Beweisbeschluss nicht die Annahme der Befangenheit des solchermaßen beauftragten Sachverständigen begründen kann; ob der Ablehnungsantrag rechtzeitig im Sinne des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 406 Abs. 2 ZPO gestellt war, bedarf deshalb keiner Entscheidung. Soweit der damalige Bevollmächtigte des Klägers auf seinen Schriftsatz vom 30. April 2012 Bezug genommen hat, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass dieser Schriftsatz nicht dem Vertretungserfordernis des § 67 Abs. 4 VwGO genüge und der damalige Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung diesen Gesichtspunkt auch nicht als eigenen Antrag formuliert habe. Dieser in der Niederschrift protokollierten Begründung des Gerichts ist der damalige Bevollmächtigte des Klägers nicht entgegengetreten, insbesondere hat er keinen neuen, auf andere Gesichtspunkte gestützten Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen gestellt. Im Übrigen sind sämtliche Gesichtspunkte, die in der Beschwerdeschrift als Belege für die Voreingenommenheit des Sachverständigen angeführt werden, Ausdruck dessen, dass der Kläger die Bewertungen und Schlussfolgerungen des Sachverständigen für falsch hält, zeigen aber keine Voreingenommenheit des Sachverständigen auf, die sein Gutachten und seine Erläuterungen des Gutachtens unverwertbar machen würden. Dies gilt insbesondere für die Einschätzung des Sachverständigen zu Einwendungen des Klägers als Ausdruck von Querulantentum und zu seiner Annahme, der Kläger habe seine psychische Störung bewusst „dissimuliert" und somit einen Teil seiner Ärzte und Therapeuten getäuscht.

37

ee) Dass der Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Einholung eines weiteren, von einem anderen Sachverständigen zu erstattendes Gutachtens abgelehnt hat, ist verfahrensrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

38

Über die Einholung eines weiteren Gutachtens entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Die unterlassene Einholung zusätzlicher Gutachten kann deshalb nur dann verfahrensfehlerhaft sein, wenn die vorliegenden Gutachten ihren Zweck nicht zu erfüllen vermögen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Ein weiteres Gutachten ist hiernach einzuholen, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste, weil bereits vorliegende Gutachten nicht den ihnen obliegenden Zweck erfüllen konnten. In diesem Sinne kann ein Sachverständigengutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht. Einwendungen eines Verfahrensbeteiligten, der das bereits vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält, verpflichten das Tatsachengericht für sich genommen nicht, einen anderen Sachverständigen zu beauftragen (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 14. April 2011 - BVerwG 2 B 80.10 - juris Rn. 7, vom 31. Oktober 2012 - BVerwG 2 B 33.12 - juris Rn. 34 m.w.N. und vom 25. Februar 2013 - BVerwG 2 B 57.12 - juris Rn. 5 m.w.N.).

39

Der Verwaltungsgerichtshof musste kein weiteres Gutachten einholen. Da die Gesichtspunkte, mit denen der Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens in der mündlichen Verhandlung begründet wurde, im Kern dieselben waren wie diejenigen, aus denen die Befangenheit des Sachverständigen hergeleitet wurde - die Notwendigkeit der Erstattung eines Gutachtens durch einen anderen Sachverständigen wurde gerade in der vermeintlichen Befangenheit des bisherigen Sachverständigen gesehen -, kann auf die obigen Ausführungen hierzu (Rn. 36) Bezug genommen werden.

40

c) Dass der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick darauf, dass der Kläger während des Berufungsverfahrens die für ihn geltende Altersgrenze erreicht hatte, die angegriffene Zurruhesetzungsverfügung nicht als erledigt angesehen hat, stellt keinen Verfahrensfehler dar. Zum einen hat sich die Zurruhesetzungsverfügung nicht dadurch erledigt, dass der Kläger die Altersgrenze erreichte (vgl. oben unter 1.). Zum anderen hat der Kläger selbst seinen Klageantrag nicht umgestellt, sei es, dass er das Verfahren für erledigt oder - im Falle der Nichtzustimmung des Beklagten - die Feststellung der Erledigung beantragt hat.

41

4. Begründet ist dagegen die Rüge, die Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sei dadurch verletzt, dass der Sachverständige den Kläger nicht persönlich befragt und untersucht hat, ggfs. nach erneuter Aufforderung.

42

Ein Sachverständigengutachten kann seine Aufgabe, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln, nicht erfüllen, wenn es - wie bereits ausgeführt (vgl. Rn. 40) - grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (stRspr; vgl. Urteil vom 30. Oktober 2013 - BVerwG 2 C 16.12 - NVwZ 2014, 372 Rn. 35 und Beschluss vom 31. Oktober 2012 - BVerwG 2 B 33.12 - NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 34). Gleiches gilt, wenn das Gutachten auf einer erkennbar unzureichenden tatsächlichen Grundlage beruht (Urteil vom 30. Oktober 2013 a.a.O. Rn. 36).

43

Welche Untersuchungen erforderlich sind, um eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Erstattung eines ärztlichen Gutachtens zu schaffen, ist eine vom Sachverständigen zu beurteilende medizinische Frage. Im Regelfall dürfte eine persönliche Befragung und Untersuchung des Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens wegen Dienstunfähigkeit insbesondere dann unabdingbar sein, wenn - wie hier - psychische Krankheiten im Raum stehen. Ob auch für die Beurteilung eines Krankheitsbildes zu einem länger zurückliegenden Zeitraum eine persönliche Untersuchung des Beamten angezeigt ist, ist ebenfalls eine vom Sachverständigen zu beurteilende medizinische Frage. Vielfach wird nicht von vornherein auszuschließen sein, dass die persönliche Befragung Rückschlüsse auch für den ärztlichen Befund zu einem früheren Zeitpunkt ermöglicht. Der Sachverständige muss deshalb plausibel begründen, warum er gleichwohl von einer persönlichen Befragung und Untersuchung des Betroffenen absieht.

44

Im vorliegenden Fall ist das Absehen von der persönlichen Befragung des Klägers nicht plausibel begründet. Der vom Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung hierzu befragte Sachverständige hat ausweislich der Sitzungsniederschrift ausgeführt, er habe den Kläger zum Inhalt der Unterlagen befragen wollen, deren Zugänglichmachung er mittels der Schweigepflichtentbindungserklärung erbeten hatte. Nach deren Verweigerung habe er auf die persönliche Untersuchung insbesondere deshalb verzichtet, weil es für den maßgeblichen Zeitraum von 2002 bis 2006 Befunde gegeben habe, die er ohne persönliche Einvernahme habe bewerten und begutachten können. Eine Untersuchung im Jahre 2011 hätte nicht „automatisch" Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand im Jahre 2006 zugelassen.

45

Diese Begründung verkennt zum einen den Maßstab für das Absehen von einer grundsätzlich angezeigten persönlichen Untersuchung. Es genügt nicht, dass eine Untersuchung nicht „automatisch" Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand zu dem maßgeblichen früheren Zeitpunkt zulässt; vielmehr muss von vornherein ausgeschlossen oder höchst unwahrscheinlich sein, dass solche Rückschlüsse gezogen werden können.

46

Unabhängig davon ist diese Begründung auch deshalb nicht plausibel, weil der Sachverständige mit dieser Begründung von vornherein von einer persönlichen Befragung und Untersuchung des Klägers hätte absehen können. Seine vorstehend wiedergegebene Begründung steht im Widerspruch dazu, dass der Sachverständige mit Schreiben vom 1. März 2011 den damaligen Bevollmächtigten des Klägers um die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu einzelnen medizinischen Unterlagen gebeten hat mit Blick auf einen „noch anzuberaumenden persönlichen Untersuchungstermin" mit dem Kläger. Demnach hielt der Sachverständige also zu diesem Zeitpunkt eine persönliche Untersuchung des Klägers noch für erforderlich. Dass der Kläger die erbetene Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zwecks Einsichtnahme in die früheren ärztlichen Unterlagen nicht abgegeben hat, war kein plausibler Grund für das spätere Absehen von einer persönlichen Untersuchung des Klägers.

47

In seinem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Schreiben vom 27. Juni 2011 hat der Gutachter zudem selbst ausgeführt, ohne Entbindung von der Schweigepflicht - und damit Kenntnis der Unterlagen dieser Ärzte - werde es sehr schwierig sein, das geforderte Gutachten zu erstatten. Zu diesem Zeitpunkt ging der Gutachter noch davon aus, dass er den Kläger auf der Grundlage dieser ärztlichen Unterlagen untersuchen und befragen werde. Dann ist es ohne nähere - bislang nicht vorliegende - Begründung nicht plausibel, weshalb der Gutachter später angenommen hat, er könne das vom Gericht erbetene Gutachten mit einem geringeren Stand von Informationen erstatten, nämlich ohne die ihm nicht zugänglichen ärztlichen Berichte und zudem ohne persönliche Untersuchung und Befragung des Klägers.

48

Auch die spätere Bitte des Verwaltungsgerichtshofs an den Sachverständigen, nachdem der Kläger die erbetene Schweigepflichtentbindung verweigert hatte, das Gutachten nunmehr auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel zu erstatten, war nur so zu verstehen, dass der Sachverständige sich durch die Nichtverfügbarkeit der früheren Unterlagen nicht an der Erstattung des Gutachtens gehindert sehen solle. Es besagte nicht - und hätte auch nicht besagen dürfen -, dass der Sachverständige auch auf die ihm mögliche, wenn auch wegen ihm nicht zugänglicher Unterlagen möglicherweise weniger ertragreiche persönliche Untersuchung des Klägers verzichten durfte.

49

Das vorhandene Gutachten ist also nach Durchführung einer ärztlichen Untersuchung des Klägers zu ergänzen und ggfs. zu überarbeiten. Sollte sich der Kläger einer solchen Untersuchung verweigern, könnten hieraus ggfs. Rückschlüsse für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit gezogen werden (Urteil vom 30. Mai 2013 - BVerwG 2 C 68.11 - BVerwGE 146, 347 Rn. 14).

50

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 40 und § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG a.F.

Ein Mitglied ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.