Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 30. Apr. 2019 - 15 ZB 18.979
vorgehend
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
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Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft sie das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß.
(2) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundesverwaltungsgericht die Revision zurück.
(3) Ist die Revision begründet, so kann das Bundesverwaltungsgericht
- 1.
in der Sache selbst entscheiden, - 2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.
(5) Verweist das Bundesverwaltungsgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 49 Nr. 2 und nach § 134 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Oberverwaltungsgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht anhängig geworden wäre.
(6) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.
(7) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit das Bundesverwaltungsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend hält. Das gilt nicht für Rügen nach § 138 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene zu 1 trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
II.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.
(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
Gründe
I.
- 1
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke der Gemarkung Z., Flur A, Flurstücke 9/10 und 10, auf dem sich das Schloss (...) mit einer Parkanlage befindet. Sie sind ferner Eigentümer weiterer Grundstücke östlich des Schloss- und Parkgeländes, auf denen sich die Gebäude eines (ehemaligen) Wirtschaftshof befinden. Im Denkmalverzeichnis des Landes Sachsen-Anhalt ist der aus den Gebäuden und dem Park bestehende Gutshof als Kulturdenkmal eingetragen.
- 2
Die Eheleute (…) K. sind Eigentümer der Flurstücke 17/2, 17/3, 17/33, die sich im Bereich des (ehemaligen) Wirtschaftshofs befinden, des südlich angrenzenden, mit weiteren (Neben-)Gebäuden bebauten Flurstücks 12/2 sowie des daran südlich angrenzenden 4.283 m² großen Flurstücks 12/1. Am 27.07.2012 beantragten sie die Erteilung eines Vorbescheids, mit dem festgestellt werden sollte, dass das Flurstück 12/1 in vier gleichgroße Grundstücke zerlegt und anschließend mit vier Einfamilienhäusern bebaut werden kann. Mit Bescheid vom 20.11.2012 lehnte der Antragsgegner zunächst die Erteilung eines positiven Vorbescheides ab und gab zur Begründung an, das Vorhaben stehe den denkmalrechtlichen Belangen entgegen. Dem Widerspruch der Eheleute K. half der Antragsgegner mit Bescheid vom 06.03.2013 ab mit der Begründung, die Voranfrage habe sich auf die bauplanungsrechtliche Prüfung beschränkt. Am 07.03.2013 erteilte der Antragsgegner den Eheleuten K. dann einen positiven Vorbescheid mit dem festgestellt wurde, dass das Vorhaben, das Flurstück 12/1 in vier gleichgroße Grundstücke zu zerlegen und anschließend mit vier Einfamilienhäusern zu bebauen, planungsrechtlich zulässig sei. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass sich der Prüfungsumfang des Vorbescheides nicht auf Belange des Denkmalschutzes sowie Naturschutzes beziehe; dahingehend seien separate Anfragen zu führen. Ihren am 08.04.2013 hiergegen erhobenen Widerspruch nahmen die Eheleuten K. am 04.06.2013 zurück. Mit weiteren Bescheiden vom 06.06.2013 und 02.09.2013 erteilte der Antragsgegner den Eheleuten K. auf deren Anträge denkmalrechtlichen Genehmigungen für die Bebauung des Flurstücks 12/1 mit vier Einfamilienhäusern.
- 3
Am 15.08.2014 beantragten die Beigeladenen zu 1 die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf einem 989 m² großen Teilstück des Flurstücks 12/1. Nachdem die untere Denkmalschutzbehörde des Antragsgegners keine Bedenken (mehr) gegen das Vorhaben erhoben hatte, erteilte der Antragsgegner mit streitgegenständlichem Bescheid vom 16.09.2014 die begehrte Baugenehmigung, in der unter Nr. 3 der Auflagen zugleich die denkmalrechtliche Genehmigung zur Ausführung der beantragten Arbeiten erteilt wurde. Hiergegen sowie gegen den Vorbescheid vom 07.03.2013 und die denkmalrechtlichen Genehmigungen vom 06.06.2013 und 02.09.2013 erhob die Antragstellerin nach Akteneinsicht am 26.11.2014 Widerspruch; hierüber ist noch nicht entschieden.
- 4
Auf den Antrag der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 08.01.2015 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung angeordnet und zur Begründung ausgeführt:
- 5
Ein Grundstückseigentümer könne erhebliche Beeinträchtigungen für den Bestand, das Erscheinungsbild oder die städtebauliche Wirkung seines Anwesens abwehren. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Denkmalqualität eines Kulturdenkmals im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 DenkmSchG LSA durch eine Veränderung seiner Umgebung, die auch dem Denkmaleigentümer ein Abwehrrecht vermittele, liege zwar nicht schon dann vor, wenn neue Bauten der Umgebung eines Baudenkmals hinzukommen, die nicht völlig an das Baudenkmal angepasst sind. Hinzutretende bauliche Anlagen müssten sich aber an dem Maßstab messen lassen, den das Denkmal gesetzt habe, und dürften es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den Werten außer Acht lassen, welche dieses Denkmal verkörpere. Gemessen daran sei eine erhebliche Beeinträchtigung des Baudenkmals der Antragstellerin durch das Vorhaben der Beigeladenen zu 1 jedenfalls nicht auszuschließen. Der Antragsgegner habe im bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren mehrere Stellungnahmen des Beigeladenen zu 2 zum streitigen Vorhaben eingeholt. Danach sei eine Bebauung des Baugrundstücks aus bau- und kunstgeschichtlicher Sicht abzulehnen, weil das Schloss (...) inmitten seiner parkartigen Grünflächen markant am westlichen Rand der Ortschaft liege und nur von den alten, zum Schloss gehörenden Wirtschafts- und Verwaltungsgebäuden tangiert werde. Die nächste dörfliche Bebauung befinde sich an der südlichen Seite der den weitläufigen Park streifenden Straße in einem erheblichen Abstand von dem Anwesen. Das Baugrundstück, auf dem sich bis 1945 die Gärtnerei des Schlosses befunden habe, sei wichtiger Bestandteil des Baudenkmals. Der ausgedehnte Park und die landwirtschaftlichen Nutzflächen setzten den schlossartigen Baukörper mit seinen Wirtschafts- und Verwaltungsgebäuden in eine bewusste Solitärlage. Bis heute sei die Weitläufigkeit der Park- und Grünflächen, die unbedingt zum Charakter des Schlosses gehörten, respektiert.
- 6
Damit spreche bereits bei summarischer Prüfung einiges für den Erfolg des Widerspruchs der Antragstellerin. Entscheidend wirke sich zu Lasten der Beigeladenen zu 1 aus, dass mit der Fortsetzung der Bauarbeiten vollendete Tatsachen geschaffen würden. Das Interesse der Antragstellerin an einem vorübergehenden Baustopp zur Abwendung einer möglicherweise erheblichen Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit ihres Anwesens wiege im Hinblick auf den Rang, die Bedeutung und hohe Schutzwürdigkeit des Denkmals schwerer als das öffentliche Interesse an einer sofortigen Verwirklichung des Bauvorhabens.
II.
- 7
A. Die zulässigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 1 sind nicht begründet. Die von ihnen dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der von der Antragstellerin erhobene Widerspruch und eine sich ggf. anschließende Anfechtungsklage gegen die den Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung werden voraussichtlich Erfolg haben.
- 8
1. Zu Unrecht rügen die Beigeladenen zu 1, die Antragstellerin habe ihr Recht zum Widerspruch gegen die Baugenehmigung verwirkt, weil die den Eheleuten K. erteilten denkmalrechtlichen Genehmigungen bereits bestandskräftig seien und die Antragstellerin die insoweit geltende Jahresfrist versäumt habe.
- 9
Der Antragsgegner hat mit der am 16.09.2014 erteilten Baugenehmigung zugleich die denkmalrechtliche Genehmigung für das konkrete Vorhaben der Beigeladenen zu 1 erstmals erteilt. Nach § 14 Abs. 8 DenkmSchG LSA umfasst die Baugenehmigung die denkmalrechtliche Genehmigung nach § 14 Abs. 1 DenkmSchG LSA. Zudem hat der Antragsgegner in der Baugenehmigung, wie die Erklärungen in der Auflage Nr. 3 zeigen, die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den denkmalrechtlichen Vorschriften „auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen“ geprüft. Die beiden denkmalrechtlichen Genehmigungen vom 06.06.2013 und 02.09.2013 hatten nur die denkmalrechtliche Zulässigkeit der Teilung des Grundstücks in vier etwa gleich große Teilstücke und eine Bebauung des Flurstücks 12/1 mit vier Einfamilienhäusern zum Gegenstand. Mit ihnen dürfte zwar mit Bindungswirkung für den Antragsgegner auch darüber entschieden worden sein, dass die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem in Rede stehenden Teilstück denkmalrechtlich zulässig ist. Diese Bindungswirkung besteht aber nicht gegenüber der Antragstellerin.
- 10
Wird über einzelne Fragen des Bauvorhabens durch Vorbescheid (§ 74 BauO LSA) entschieden, besteht die Bindung des Vorbescheids gegenüber einem Dritten nur, soweit er ihm gegenüber bei der Erteilung der Baugenehmigung bestandskräftig war. War hingegen der Vorbescheid bei der Erteilung der Baugenehmigung dem Dritten gegenüber noch nicht bestandskräftig, so kann er die Baugenehmigung uneingeschränkt anfechten. Das weitere Schicksal des Vorbescheids ist dann wegen der Zweitregelung des Inhalts in der Baugenehmigung für die Rechtsstellung des Dritten ohne Bedeutung (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.03.1989 – BVerwG 4 C 14.85 –, NVwZ 1989, 863 [864], RdNr. 15 in juris; OVG BBg, Beschl. v. 11.03.2014 – OVG 10 S 13.12 –, LKV 2014, 227 [228], RdNr. 9 in juris). Gleiches gilt, wenn die Baugenehmigungsbehörde die denkmalrechtliche Zulässigkeit – was möglich wäre – nicht in einem Vorbescheid nach § 74 BauO LSA, sondern – wie hier – in vorausgegangenen denkmalrechtlichen Genehmigungen nach § 14 DenkmSchG LSA festgestellt hat.
- 11
Die den Eheleuten K. erteilten denkmalrechtlichen Genehmigungen waren im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung am 16.09.2014 gegenüber der Antragstellerin noch nicht bestandskräftig. Insbesondere war in diesem Zeitpunkt ihr Recht zur Erhebung eines Widerspruchs gegen die ihr nicht bekannt gegebenen denkmalrechtlichen Genehmigungen noch nicht verwirkt.
- 12
Ist dem Nachbarn eine Baugenehmigung, durch die er sich beschwert fühlt, nicht amtlich bekanntgegeben worden, so läuft für ihn weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsfrist; hat er jedoch gleichwohl sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt oder hätte er sie erlangen müssen, so kann ihm nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein, dass sie ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde. Dann läuft für ihn die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt geworden, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 25.01.1974 – BVerwG IV C 2.72 –, BVerwGE 44, 294; Beschl. v. 16.03.2010 – BVerwG 4 B 5.10 –, juris, RdNr. 8; Beschl. v. 28.08.1987 – BVerwG 4 N 3.86 –, BVerwGE 78, 85 [88], RdNr. 10 in juris). Entsprechendes gilt für denkmalrechtliche Genehmigungen.
- 13
Im konkreten Fall bestehen indes keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin bereits ein Jahr vor Erteilung der Baugenehmigung am 16.09.2014 sichere Kenntnis von den beiden denkmalrechtlichen Genehmigungen hatte. Dies lässt sich insbesondere nicht aus dem im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Schreiben herleiten, in welchem die Eheleute K. der Antragstellerin mitteilten, dass es ihnen nach einem zeitaufwendigen „Behördenkrieg“ gelungen sei, für das Flurstück 12/1 die Bau-, Naturschutz- und denkmalrechtliche Genehmigung zu erwirken; denn dieses Schreiben datiert vom 16.09.2013 und dürfte der Antragstellerin zudem frühestens am darauf folgenden Tag zugegangen sein. Das von den Beigeladenen zu 1 ins Feld geführte Verkaufsgespräch mit den Eigentümern und dem Vertreter der Eigentümer, in welchem die Antragstellerin nach dem Vortrag der Beigeladenen zu 1 über die Existenz der denkmalrechtlichen Genehmigungen in Kenntnis gesetzt worden sei, fand erst später, am 19.11.2013, statt. Es bedarf daher keiner Vertiefung, ob eine Verwirkung des Widerspruchsrechts die Kenntnis nicht nur von der Existenz einer Genehmigung, sondern auch über ihren genauen Inhalt voraussetzt (vgl. hierzu VGH BW, Urt. v. 14.05.2012 – 10 S 2693/09 –, DVBl 2012, 1181 [1182], RdNr. 37 ff. in juris, m.w.N).
- 14
2. Ohne Erfolg wenden die Beschwerdeführer ein, es sei nicht ersichtlich, worin die erhebliche Beeinträchtigung des Kulturdenkmals liegen solle, und die Stellungnahmen des Beigeladenen zu 2 seien insoweit nicht nachvollziehbar.
- 15
2.1. Der Einwand des Antragsgegners, der Beigeladene zu 2 verhalte sich widersprüchlich, weil es für ein Vorhaben der Antragstellerin (Schwimmhalle, Wellnessbereich) das Einvernehmen sowohl für den Teilabriss der denkmalgeschützten Remise samt Glockenturm als auch für den Umbau erteilt habe, überzeugt schon deshalb nicht, weil es sich um zwei völlig unterschiedliche Vorhaben handelt, deren Auswirkungen auf den Aussagewert des Schlosses nicht ohne weiteres vergleichbar sind.
- 16
2.2. Die Beschwerdeführer tragen weiter vor, das Flurstück 12/1 sei kein Denkmal, die Freifläche werde zur Begründung der Denkmaleigenschaft nur als „ehemalige der Landwirtschaft dienende Fläche“ benannt. Der Antragsgegner beanstandet ferner, der Beigeladene zu 2 beziehe sich in seinen zahlreichen Schreiben lediglich auf die – unbestrittene – Tatsache, dass das Schloss zu den herausragenden Bauten des Klassizismus in Sachsen-Anhalt gehöre und den Gutshof in eine „bewusste Solitärstellung“ bringe. Die Fachbehörde beziehe sich jedoch nicht auf die wesentliche Frage, warum durch die geplante Bebauung eine erhebliche Beeinträchtigung für die Schutzwürdigkeit und das Ansehen des Denkmals gegeben sei.
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Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer lässt sich auf der Grundlage der Ausführungen des Beigeladenen zu 2 zum Schloss und zu den umliegenden Gebäuden und Flächen durchaus nachvollziehen, weshalb die Bebauung der Freifläche auf dem Flurstück 12/1 eine erhebliche Beeinträchtigung des im Eigentum der Antragstellerin stehenden klassizistischen Schlosses im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 DenkmSchG LSA erwarten lässt.
- 18
Die von den Beigeladenen zu 1 geplante Bebauung stellt einen Eingriff in die unter Schutz stehenden Anlagen der Antragstellerin im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 DenkmSchG LSA dar.
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Nach dieser Regelung sind Eingriffe im Sinne dieses Gesetzes Veränderungen in der Substanz oder Nutzung von Kulturdenkmalen, die deren Denkmalqualität erheblich beeinträchtigen können oder zur Zerstörung eines Kulturdenkmals führen. Zwar ist in dieser Norm der Umgebungsschutz nicht (ausdrücklich) angesprochen. Der Gesetzgeber muss ein Kulturdenkmal aber auch vor Beeinträchtigungen durch Vorhaben in seiner Umgebung schützen; die Ziele des Denkmalschutzes lassen sich nur erreichen, wenn auch das Eigentum in der Umgebung eines denkmalgeschützten Gebäudes beschränkt wird (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 – BVerwG 4 C 3.08 –, BVerwGE 133, 347 [353], RdNr. 14, m.w.N.). Dem entsprechend hat der Landesgesetzgeber in § 1 Abs. 1 Satz 2 DenkmSchG LSA die Umgebung eines Kulturdenkmals ebenso wie dessen Substanz unter Schutz gestellt, so dass ein Eingriff in ein Kulturdenkmal im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 DenkmSchG LSA auch dann vorliegen kann, wenn die Umgebung eines Baudenkmals verändert wird (vgl. Beschl. d. Senats v. 05.03.2014 – 2 M 164/13 –, BauR 2015, 641 [642], RdNr. 14 in juris).
- 20
Eine erhebliche Beeinträchtigung der Denkmalqualität eines Kulturdenkmals im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 DenkmSchG LSA durch eine Veränderung seiner Umgebung, die auch dem Denkmaleigentümer ein Abwehrrecht vermittelt, liegt nach der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 05.03.2014, a.a.O., RdNr. 15 in juris, m.w.N.) zwar nicht schon dann vor, wenn neue Bauten in der Umgebung hinzukommen, die nicht völlig an das Denkmal angepasst sind. Hinzutretende bauliche Anlagen müssen sich aber an dem Maßstab messen lassen, den das Denkmal gesetzt hat und dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den Werten außer Acht lassen, welche dieses Denkmal verkörpert. Das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals ist neben seinem Bestand ein in § 14 Abs. 1 Nr. 3 DenkmSchG LSA genannter denkmalrechtlicher Belang. Als Erscheinungsbild eines Denkmals ist der von außen sichtbare Teil geschützt, an dem jedenfalls der sachkundige Betrachter den Denkmalwert, der dem Denkmal innewohnt, abzulesen vermag. Das Erscheinungsbild ist von Vorhaben in der engeren Umgebung betroffen, wenn die Beziehung des Denkmals zu seiner engeren Umgebung für den Denkmalwert von Bedeutung ist. Für die Bestimmung des Erscheinungsbildes des Denkmals kommt es auf die Gründe an, die zu einer Unterschutzstellung geführt haben. Die wertende Einschätzung, ob das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals empfindlich gestört wird, wird zum einen maßgeblich bestimmt vom Denkmalwert, so dass in Relation zur Wertigkeit des Kulturdenkmals die Hinnahme einer Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes in gewissem Umfang geboten sein kann; zum anderen hat die Entscheidung immer „kategorienadäquat“ zu erfolgen, d.h. sie muss sich – nicht zuletzt zur Wahrung der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentümerbefugnisse – an der für das Schutzobjekt maßgeblichen denkmalrechtlichen Bedeutungskategorie orientieren. Eine die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung berührende – und damit einen Abwehranspruch des Denkmaleigentümers auslösende – erhebliche Beeinträchtigung des Denkmals kommt u. a. dann in Betracht, wenn die Schutzwürdigkeit des Denkmals als besonders hoch zu bewerten ist.
- 21
Gemessen daran wird die von den Beigeladenen zu 1 geplante Bebauung der Teilfläche des Flurstücks 12/1 voraussichtlich zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Denkmalqualität des klassizistischen Schlosses führen.
- 22
Bereits in den Stellungnahmen vom 20.09.2012 und 04.10.2012 (Bl. 4 ff. der Beiakte A) hat der Beigeladene zu 2 ausgeführt, dass das Schloss in seiner architektonischen Ausprägung als klassizistischer Landsitz inmitten eines teilweise als englischer Garten angelegten umgebenden Grünraumes unbedingt auf die Distanz gegenüber der ländlich geprägten Architektur angewiesen sei. In der Stellungnahme vom 24.04.2013 (Bl. 56 der Beiakte A) hat er darauf verwiesen, dass der ausgedehnte Schlosspark und die landwirtschaftlichen Nutzflächen den schlossartigen Baukörper mit seinem östlich anschließenden, um einen großen Wirtschaftshof gruppierten Wirtschafts- und Verwaltungsgebäuden in eine bewusste Solitärlage setzten, die ihn von der dörflich schlichten, meist eingeschossigen Wohnbebauung mit kleinen Hofstellen unterscheide und trenne. Die optisch wahrnehmbare Distanz, die in diesem Bereich sowohl durch die ausschließliche Bebauung auf der südlichen Seite der Hauptstraße als auch durch die Einfriedung des Anwesens, die in großen Teilen bis heute Bestand habe, manifestiert werde, sei gleichzeitig Ausdruck für die gesellschaftliche Sonderstellung der Schlossbesitzer gegenüber den Dorfbewohnern. In einer weiteren Stellungnahme vom 16.08.2013 (Bl. 78 der Beiakte A) hat der Beigeladene zu 2 dies nochmals verdeutlicht und ausgeführt, die Freifläche des Flurstücks 12/1 befinde sich in einer städtebaulich außerordentlich wichtigen und markanten Ecklage an der größten Straßenkreuzung der Ortschaft. Die Park- und Grünflächen, die das Schlossgebäude umgeben, seien in ihrer Unversehrtheit ein unverzichtbarer Bestandteil des Denkmals, das ganz auf Repräsentanz und Ausdruck von Herrschaftlichkeit ausgerichtet sei. Das beinhalte eine spürbare Distanz, die sich vor allem räumlich im Verhältnis zu den architektonisch (und früher auch funktional) untergeordneten Gebäuden ausdrücke. Die bestehenden Gebäude, die sich an das Haupthaus heran schieben, seien von architektonisch und gestalterisch untergeordneter Bedeutung, gleichzeitig aber funktional mit ihm verbunden und drängten sich an ihrem Standort nicht auf. Mit der Platzierung des neueren Schlossgebäudes inmitten der ausgedehnten Parkanlage sei man bewusst von dem barocken, kleineren Gutshaus abgerückt, das in den Wirtschaftshof integriert worden sei. Die räumliche Entfernung des Schlossgebäudes zu allen anderen Wohnbauten in der Umgebung sei deshalb nicht nur aus städtebaulicher Sicht von großer Relevanz; auch aus architektonisch-künstlerischer Sicht sei es deshalb wichtig, die Grünflächen von jeglichen Zubauten freizuhalten. Eine Wohnfunktion sei mit der Errichtung des Schlossgebäudes zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur dort vorgesehen. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg seien die noch brauchbaren Räume der Wirtschaftsbauten zwar zu Wohnzwecken umgewandelt worden. Deshalb fänden sich in den z. T. architektonisch stark überformten Gebäudeteilen, die ihrer Funktion, Architektur und der räumlichen Anordnung nach zu den Wirtschaftsgebäuden der Schlossanlage zählten, heute Wohnungen. Ursprünglich sei das aber nicht intendiert gewesen.
- 23
Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass die Errichtung eines zweigeschossigen Wohnhauses auf dem Flurstück 12/1 die für das Erscheinungsbild des Schlosses wichtige Distanzwirkung und bis heute sichtbare bewusste Trennung der Gebäude der Gutsanlage von der übrigen und nicht in den ehemaligen Wirtschaftshof integrierten Wohnbebauung auflösen würde.
- 24
2.2.1. Der Umstand, dass sich bereits unmittelbar östlich der Dorfstraße (...) und den Gebäuden des Wirtschaftshofs sowie südlich der Schloßstraße Wohnbebauung befindet, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Im Bereich des Flurstücks 12/1 verdeutlichen die beiden Straßen neben der in großen Teilen noch vorhandenen Einfriedung gerade die Trennung zwischen der früheren Gutsanlage einerseits und der dörflichen Wohnbebauung andererseits. Dem entsprechend kommt es auch nicht – wie der Antragsgegner einwendet – darauf an, dass der Abstand zwischen dem klassizistischen Schloss und dem Baugrundstück nur wenig geringer ist als der Abstand vom Schloss zur übrigen dörflichen Bebauung. Die Wohngebäude östlich des Wirtschaftshofes tangieren die Solitärlage des klassizistischen Schlosses nicht.
- 25
2.2.2. Der Antragsgegner wendet ein, ein Verdrängen, Übertönen oder Erdrücken des denkmalgeschützten Schlosses oder des Gutshofs finde durch das streitige Vorhaben nicht statt, weil das Schloss aufgrund seiner Größe und eindrucksvollen Bauweise, umgeben von dem weitläufigen Schlosspark, die geforderte Solitärstellung auch ohne die in Rede stehende Freifläche inne habe. Eine freie Sicht auf das Schloss habe man ohnehin nur, wenn man aus Richtung Westen oder frontal aus Richtung Süden auf das Schloss blicke. Aus Richtung Osten, wo das Wohngebäude errichtet werden solle, habe man lediglich freien Blick auf eine dichte und hohe Baumreihe und nur teilweise auf das Schloss. Diese Baumreihe scheine das Baugrundstück vom Rest des Denkmalbereichs komplett abzutrennen. Auch das Erscheinungsbild des Denkmals Gutshof werde nicht erheblich beeinträchtigt. Auf diesen riesigen Gebäudekomplex habe man trotz Bebauung eine freie Sicht aus allen Richtungen. Auch künftig verbleibe genügend Freiraum für eine Würdigung des Denkmals. Auch diese Einwände verfangen nicht.
- 26
Es mag zutreffen, dass das von den Beigeladenen zu 1 geplante zweigeschossige Wohnhaus das Schloss vor allem bei Betrachtung aus südlicher oder westlicher Richtung weder erdrückt, verdrängt noch übertönt. Gleichwohl würde das Erscheinungsbild des Schlosses durch eine solche Bebauung deshalb in erheblicher Weise beeinträchtigt werden, weil das Denkmal in einer Beziehung auch zur übrigen Umgebung, insbesondere auch zu den umgebenden Freiflächen steht, die für den Denkmalwert von erheblicher Bedeutung ist. Wie oben bereits dargestellt, haben nach den fachkundigen Stellungnahmen des Beigeladenen zu 2 gerade auch die Distanz des klassizistischen Schlosses zur dörflichen Bebauung und die bis heute deutlich sichtbare Trennung des Schlosses von der dörflichen Wohnbebauung eine für die Denkmalaussage wichtige Bedeutung. Diese Distanz und sichtbare Trennung würde im Fall einer Bebauung der Freifläche auf dem Flurstück 12/1 aufgehoben. Im Übrigen hat sich der Berichterstatter bei der von ihm durchgeführten Ortsbesichtigung davon überzeugen können, dass das klassizistische Schloss von dem östlichen Teil der Schlossstraße und dem sich daran anschließenden Teil der Dorfstraße (...) aus mit Blick Richtung Nordwesten über das Baugrundstück hinweg gut sichtbar ist, jedenfalls solange die zwischen dem Flurstück 12/1 und dem Schlosspark vorhandenen Bäume kein oder wenig Laub tragen. Damit wäre bei Verwirklichung der von den Beigeladenen zu 1 geplanten Bebauung gerade an einer markanten Schnittstelle zwischen der vorhandenen dörflichen Wohnbebauung südlich der Schloßstraße und östlich der Dorfstraße (...) auf der einen Seite und den Flächen des früheren Gutshofes mit den in großen Teilen noch vorhandenen Einfriedung auf der anderen Seite die das Schloss prägende Solitärlage nicht mehr oder nur noch deutlich eingeschränkt wahrnehmbar.
- 27
2.2.3. Nicht zu überzeugen vermag der Antragsgegner mit dem Einwand, das Erscheinungsbild des Denkmals sei vorbelastet, weil die Gebäude des Wirtschaftshofes zum größten Teil so verfallen seien, dass eine Sanierung nicht wirtschaftlich wäre. Eine Sanierung der südlichen Gebäude des Wirtschaftshofes, insbesondere auch des Torhauses, erscheint nach dem Eindruck, den der Berichterstatter im Rahmen des Ortstermins gewonnen hat, möglich und ist nach den Angaben der Antragstellerin auch beabsichtigt. Unabhängig davon rechtfertigt eine Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Schlosses durch den (derzeit) schlechten baulichen Zustand der Gebäude des Wirtschaftshofes nicht die weitere, auf Dauer wirkende Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Schlosses, die dadurch erfolgt, dass die für den Denkmalwert wichtige Trennung von der nicht der Gutsanlage zuzuordnenden dörflichen Bebauung aufgelöst wird.
- 28
2.2.4. Nicht durchzudringen vermag der Antragsgegner mit dem Einwand, bereits Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts seien auf dem heutigen Flurstück 12/1 mehrere Wohngebäude vorhanden gewesen. Die vom Antragsgegner zum Beleg hierfür vorgelegte historische Karte (Beiakte D, Anlage 10 zum Schriftsatz vom 30.01.2015) stellt nach dem darauf angebrachten handschriftlichen Vermerk die Bebauung ca. Ende des 18. Jahrhunderts dar. Auch wenn die damals vorhandenen Gebäude auf dem heutigen Flurstück 12/1 Wohnzwecken gedient haben sollten, was die Karte nicht erkennen lässt, würde dies die Aussage des Beigeladenen zu 2, mit der Errichtung des klassizistischen Schlosses sei eine Wohnfunktion nur dort vorgesehen gewesen, schon deshalb nicht entkräften, weil das Schloss erst später, in den Jahren 1804 bis 1806, erbaut wurde. Für die Annahme, dass mit der Errichtung des klassizistischen Schlosses Veränderungen auf den umliegenden Flächen vorgenommen wurden, spricht im Übrigen der Umstand, dass nach der Darstellung in der vorgelegten Karte die zum Rittergut gehörenden Park- bzw. Grünflächen eine geringere Ausdehnung nach Süden hatten als der Schlosspark in seiner späteren Gestalt.
- 29
3. Ohne Erfolg bleibt schließlich der Einwand des Antragsgegners, die vom Beigeladenen zu 2 geforderte Freihaltung von jeglicher Wohnbebauung verstoße gegen Art. 14 GG.
- 30
Zwar ist gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 3 DenkmSchG LSA ein Eingriff in ein Kulturdenkmal zu genehmigen, wenn die unveränderte Erhaltung des Kulturdenkmals den Verpflichteten unzumutbar belastet. Von dieser Vorschrift dürften auch diejenigen Fälle erfasst sein, in denen einem Grundstückseigentümer auferlegt wird, eine bislang unbebaute Fläche in der Umgebung eines Baudenkmals in seiner Nutzung unverändert, insbesondere unbebaut zu lassen. Auf der anderen Seite bestimmt § 10 Abs. 3 DenkmSchG LSA, dass, sofern als Folge eines Eingriffs erhebliche Beeinträchtigungen eines Kulturdenkmals im Sinne des Absatzes 1 zu erwarten sind, der Eingriff unzulässig ist, wenn bei der Abwägung aller Anforderungen die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege vorgehen. Erforderlich ist hiernach eine Abwägung des Interesses des Grundstückseigentümers oder – wie hier – des Anwartschaftsberechtigten an einer erstmaligen Bebauung des (künftig) ihm gehörenden Grundstücks mit dem öffentlichen Interesse und dem Interesse des beeinträchtigten Denkmaleigentümers an einer Freihaltung der das Denkmal umgebenden Fläche von (Wohn-)Bebauung. Die vollständige Freihaltung von Flächen vor (Wohn-)Bebauung aus Gründen des Denkmalschutzes im beplanten oder unbeplanten Innenbereich ist auch mit Blick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nicht ausgeschlossen. So ist etwa die Festsetzung einer Fläche als nicht überbaubar nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB zulässig, wenn diese zum Schutz eines Kulturdenkmals erforderlich ist (Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 9 RdNr. 56; Gaentzsch, in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Auf., § 9 RdNr. 32) und die dafür sprechenden Gründe nachvollziehbar und hinreichend gewichtig sind, um sich im Rahmen der Abwägung gegenüber dem durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten privatnützigen Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers durchsetzen zu können (vgl. BayVGH, Urt. v. 17.03.2000 – 2 N 93.3028 –, juris, RdNr. 24).
- 31
Den vom Beigeladenen zu 2 für eine Freihaltung des Flurstücks 12/1 geltend gemachten Gründen kommt ein solches Gewicht voraussichtlich zu. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass es sich bei dem Schloss – unstreitig – um einen der bedeutendsten architektonischen Repräsentationsbauten des Klassizismus in Sachsen-Anhalt von besonderer Bedeutung handelt (vgl. die Begründung der Denkmaleigenschaft im Denkmalverzeichnis, Bl. 28 der Beiakte A) und daher besonders schutzwürdig ist. Aus den vom Beigeladenen zu 2 dargelegten Gründen ist die Freihaltung der Umgebung des Schlosses von Wohnbebauung für die Denkmalqualität des Schlosses unbedingt erforderlich, um die bewusst vorgenommene Trennung zwischen Schloss und dörflicher Wohnbebauung beizubehalten. Dieses denkmalpflegerische Interesse dürfte das Interesse der Beigeladenen zu 1 an der von ihnen beabsichtigten Bebauung überwiegen.
- 32
B. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
- 33
C. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31.05./01.06.2012 und am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache erfolglos.
- 2
Die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 VwGO liegen nicht vor.
- 3
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung eines Anbaus im Erdgeschoss sowie von Balkonen im rückwärtigen Bereich des Anwesens N…straße … in T. wendet, abgewiesen. Dabei hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass das Widerspruchsrecht des Klägers verwirkt und deshalb seine Anfechtungsklage unzulässig sei. Die Geltendmachung des Widerspruchsrechts stelle sich als Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Die eingetretene Verwirkung ergebe sich zum einen daraus, dass der Kläger seinen Widerspruch erst erhoben habe, nachdem mehr als ein Jahr seit dem Zeitpunkt verstrichen sei, in dem er von der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung Kenntnis erlangt hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Insoweit sei im Grundsatz auf die Frist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO zurückzugreifen. Spätestens mit Fertigstellung des Rohbaus im Juni 2013 hätte sich ihm das Vorhandensein einer dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung aufdrängen müssen. Hiermit habe er die Jahresfrist der §§ 70 Abs. 2 und 58 Abs. 2 VwGO mit Erhebung des Widerspruchs im November 2014 erheblich überschritten. Der Kläger könne insoweit auch nicht darauf abstellen, dass er selbst das Nachbaranwesen nicht bewohne, sondern dieses vermietet habe. Vielmehr sei er verpflichtet, sich von Zeit zu Zeit über mögliche Bauvorhaben in der Nachbarschaft zu vergewissern. Durch die Untätigkeit über einen Zeitraum von fast eineinhalb Jahren hinweg sei bei dem Beigeladenen ein Vertrauen darauf entstanden, dass er, der Kläger, sein Widerspruchsrecht nicht mehr geltend machen würde. Auf der Grundlage dieses Vertrauens habe der Beigeladene vermögenswirksame Dispositionen getroffen und damit dieses Vertrauen ausgeübt.
- 4
An der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
- 5
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Klage deshalb als unzulässig erweist, weil es an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens fehlt. Dabei ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aber bereits auf eine Unzulässigkeit des Widerspruchs allein wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO abzustellen, auf die auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung maßgeblich Bezug genommen hat. Hiernach bedarf es aber nicht der Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen der Verwirkung des Widerspruchsrechtes, also insbesondere das Entstehen eines Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen und das hierauf beruhende Eingehen vermögenswirksamer Dispositionen, vorliegen.
- 6
Das Bundesverwaltungsgericht leitet aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben ab, dass der Nachbar, dem eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung nicht bekannt gegeben worden ist, der aber auf andere Weise zuverlässig Kenntnis von der Existenz dieser Baugenehmigung erlangt hat, sich so behandeln lassen muss, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung amtlich bekannt gegeben worden. Der Kenntniserlangung von einer Baugenehmigung steht dabei wiederum nach den Grundsätzen von Treu und Glauben der Umstand gleich, dass der Nachbar das Vorliegen einer Baugenehmigung hätte kennen müssen, weil sich ihm deren Existenz aufdrängen musste und es ihm zumutbar war, sich etwa durch Nachfrage bei der Bauaufsichtsbehörde zu dieser Frage Gewissheit zu verschaffen (vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 – IV C 2.72 –, BVerwGE 44, 294 und juris, Rn. 25; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL Juni 2016, § 70 Rn. 21).
- 7
Die Unzulässigkeit des Widerspruchs allein wegen Fristablaufs tritt dabei als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben neben das Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4.89 –, NVwZ 1991, 1182 und juris, Rn. 18 [Verlust des Widerspruchsrechts außer durch bloßen Fristablauf auch durch Verwirkung]). Die Verwirkung kann sich einerseits auf das dem Nachbarn zustehende materielle Abwehrrecht, andererseits – so wie dies vom Verwaltungsgericht angenommen wurde – auf das Verfahrensrecht des Nachbarn, gegen eine Baugenehmigung als Drittbetroffener Widerspruch einlegen zu können, beziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O; Beschluss vom 17. Februar 1989 – 4 B 28.89 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87 und juris, Rn. 2, 6; VGH BW, Urteil vom 14. Mai 2012 – 10 S 2693/09 –, BRS 79 Nr. 183 und juris, Rn. 42). Nur im Falle der Verwirkung tritt neben das Zeitmoment ein Umstandsmoment, wonach das Verhalten des Nachbarn Grundlage für die Entstehung eines Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen sein muss. Zudem muss der Bauherr aufgrund dieses Vertrauens von der Baugenehmigung Gebrauch gemacht, insbesondere vermögenswirksame Dispositionen getroffen haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 – 6 B 75.98 –, juris, Rn. 4; OVG RP, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 A 10196/11.OVG –, DVBl. 2011, 1107 und juris, Rn. 63).
- 8
Im Falle des Klägers war die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO nach den Grundsätzen von Treu und Glauben abgelaufen. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass spätestens im Zeitpunkt der Rohbaufertigstellung im Juni 2013 für ihn erkennbar war, dass im Dachgeschoss des Nachbargrundstücks ein Balkon angebaut wird, von dem die von ihm befürchteten und im Klageverfahren dargelegten Beeinträchtigungen ausgehen können. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich ihm aufdrängen müssen, dass der Anbau auf der Grundlage einer Baugenehmigung erfolgt, und es bestand für ihn Anlass, zur Frage des Vorliegens einer Baugenehmigung Erkundigungen einzuholen.
- 9
Der Kläger kann sich insoweit nicht darauf berufen, dass ihm die Kenntnisnahme zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei, da er selbst sich nur gelegentlich auf dem Grundstück aufhalte und das Anwesen vermietet habe. Bei der Frage, ob der Nachbar das Vorhandensein einer Baugenehmigung hätte kennen müssen, ist nämlich nicht auf individuelle Besonderheiten abzustellen, vielmehr ist dieser Umstand anhand eines objektiven Maßstabes zu beurteilen. Es kommt nicht darauf an, ob der betroffene Nachbar aufgrund besonderer Umstände persönlich daran gehindert war, von den objektiv von seinem Grundstück aus feststellbaren Bauarbeiten auch tatsächlich Kenntnis zu erlangen. Bei Ortsabwesenheit ist er gehalten, Vorkehrungen zu treffen, um über die sein Anwesen betreffenden Angelegenheiten informiert zu sein.
- 10
Bei Einlegung des Widerspruchs am 12. November 2014 war hiernach die Jahresfrist bereits verstrichen.
- 11
Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen Abweichens der Entscheidung des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zuzulassen. Die - vom Verwaltungsgericht noch zusätzlich erörterte - Frage der kausalen Verknüpfung zwischen einer möglichen Untätigkeit des Klägers und vermögenswerten Dispositionen des Beigeladenen erweist sich nach dem zuvor Gesagten nicht als entscheidungserheblich, da allein auf den Ablauf der Jahresfrist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO abzustellen ist.
- 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da dies nicht der Billigkeit entspricht, nachdem der Beigeladene im Zulassungsverfahren keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch nicht dem Prozessrisiko des Verfahrens ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
- 13
Der Wert des Streitgegenstandes bestimmt nach den §§ 47 und 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - geändert. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Rastatt vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 werden aufgehoben.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn
- 1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung ..., ... Str. 4 a. Sie wenden sich mit ihrer am 25. September 2014 erhobenen Anfechtungsklage gegen eine von der Beklagten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 25. September 2013 für den Neubau eines Wohngebäudes mit Tiefgarage - Haus D - auf dem westlich gelegenen, nicht unmittelbar angrenzenden Grundstück FlNr. ... in der ... Straße.
Das Grundstück der Kläger ist mit einer zweigeschossigen Doppelhaushälfte sowie einer Garage an der westlichen Grundstücksgrenze bebaut. Das Wohnhaus der Kläger weist eine Traufhöhe von 5,45 m und eine Firsthöhe von 8,25 m, die Garage mit Flachdach eine Höhe von 2,30 m auf.
Mit Urteil vom 29. September 2014 hatte die erkennende Kammer ebenfalls auf Klage der Kläger die Baugenehmigung für das unmittelbar an das klägerische Grundstück westlich angrenzende Grundstück FlNr. ... für den Neubau eines Wohnhauses mit Tiefgarage - Haus E - aufgehoben (M 8 K 13.5031).
Mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung wurde die Errichtung eines viergeschossigen Gebäudes mit ausgebautem Dachgeschoss im Satteldach mit Tiefgarage genehmigt. Das Gebäude ist Teil einer Blockrandbebauung, die sich mit den Häusern A bis C von der ...-straße über die ... Straße bis in die ... Straße erstreckt. Die Häuser A bis C wurden mit Baugenehmigung vom 26. September 2013 genehmigt, die mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren M 8 K 14.4469 aufgehoben wurde.
Die Baugenehmigung vom 25. September 2013 wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren erlassen und hierbei Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen der Überschreitung der straßenseitigen Baulinie mit einer Terrasse, zwei Lüftungsschächten, dem Mülltonnenhaus und Fahrradabstellplätzen erteilt. Des Weiteren wurden gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO Abweichungen wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum westlichen Nachbargrundstück FlNr. ... im rückwärtigen Bereich und zum östlich benachbarten Grundstück FlNr. ... im straßenseitigen Bereich erteilt. Das Vorliegen einer atypischen Grundstückssituation wurde mit dem schrägen Grenzverlauf und dem schrägen Verlauf der Baulinie begründet.
Lageplan, 1:1000
Eine förmliche Bekanntmachung oder Zustellung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 25. September 2013 an die Kläger erfolgte nicht.
Mit Schriftsatz vom 25. September 2014, am selben Tag bei Gericht eingegangen, haben die Bevollmächtigten der Kläger Klage erhoben gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 (Haus D) sowie gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2013 (Häuser A bis C, M 8 K 14.4469).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beiden Bescheide seien den Klägern nicht zugestellt worden, so dass zur Fristwahrung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zugrunde zu legen sei. Die Errichtung der Häuser A bis C und D führe dazu, dass in dem Geviert, in dem das Grundstück der Kläger liege, eine geschlossene Bauweise zugelassen werde, obwohl dieser Bereich faktisch durch eine offene Bauweise geprägt sei. Die Umsetzung der Vorhaben aus den beiden Bescheiden würde in nachbarrechtsverletzender Art den Bebauungscharakter verändern. Als maßgeblich sei nur die Bebauung beiderseits der ... Straße heranzuziehen und nicht das gesamte Straßengeviert. Die Verwirklichung der Häuser A bis D führe somit zu einer rechtswidrigen Veränderung der im relevanten Gebietsumgriff vorherrschenden offenen Bauweise.
Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2014 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,
die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 ist die Beklagte der Klage entgegengetreten und beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es ergebe sich aufgrund der streitgegenständlichen Baugenehmigung keine Verletzung der Kläger in ihren Rechten aus der geschlossenen Bauweise. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Bauweise in die maßgebliche nähere Umgebung aus dem Quartier ...-straße, ... Straße, ... Straße und ...-straße sowie die gegenüberliegende Seite der ... Straße ein. Im Quartier befinde sich sowohl im östlichen Bereich (...-straße) bis über das Eck hinein in die ... Straße als auch im nördlichen Bereich (...-straße) und im Bereich ... Straße eine geschlossene Blockrandbebauung, wobei das hier streitgegenständliche Haus D diese lediglich fortsetze. Der kommune Anbau des streitgegenständlichen Hauses D sei somit hinsichtlich der Bauweise planungsrechtlich zulässig und füge sich in seine Umgebung ein. Zum anderen seien die Bestimmungen zur Bauweise nicht drittschützend, so dass bereits deswegen eine Nachbarrechtsverletzung der Kläger ausscheide (BVerwG, U. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - juris Rn. 19). Ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot liege ebenfalls nicht vor, da eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger durch die Baugenehmigung oder ihre Ausnutzung nicht ersichtlich sei. Eine „erdrückende Wirkung“ komme nur bei übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Entscheidend seien die Höhe und Länge des Bauvorhabens sowie deren Distanz in Relation zur Nachbarbebauung. Vorliegend sei das klägerische Grundstück zwar zweigeschossig mit einer Doppelhaushälfte bebaut, während das Vorhaben viergeschossig sei. Zwischen dem streitgegenständlichen Haus D und dem klägerischen Grundstück liege noch das Grundstück FlNr. ... mit einer Breite von ca. 7,60 m, was einem Abstand von ca. H/2 entspräche. Damit sei eine ausreichende Distanz zur westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Anwesens vorhanden, so dass eine erdrückende Wirkung vorliegend nicht mehr angenommen werden könne. Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aufgrund einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung sowie eine unzumutbare Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse scheide aus.
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 führten die Bevollmächtigten der Beigeladenen aus, die Kläger hätten ihre Klagerechte verwirkt. Ihnen sei der Vorbescheid vom 20. Juli 2010 zugestellt worden, mit dem auf dem damaligen Flurstück ... (entspricht den Gebäuden A bis D) eine geschlossene Bauweise genehmigt worden sei. Gegen diesen Vorbescheid hätten die Kläger keine Klage eingelegt, dieser sei bestandskräftig. Die Regelungen zur Bauweise seien in die angefochtenen Baugenehmigungen übernommen worden.
Den Klägern sei auch bekannt, dass im Nachgang zum Vorbescheid Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D erteilt worden seien. Sie hätten gegen das Gebäude E ein Eilverfahren und ein Klageverfahren geführt (M 8 SN 13.5483 und M 8 K 13.5031). Die Klage sei am 31. Oktober 2013, der Antrag am 2. Dezember 2013 eingelegt bzw. gestellt worden. Die Klagen gegen die Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D seien dennoch erst mit Schriftsatz vom 25. September 2014 erhoben worden.
Angesichts dieser Vorgeschichte hätten die Kläger ihre Klagerechte verwirkt. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass ein Nachbar aufgrund des nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnisses die Pflicht habe, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eine Verwirkung eintreten könne (BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 14). Vorliegend hätten die Kläger aufgrund des Eil- und Klageverfahrens gegen das Gebäude E und der Bautätigkeit bereits Anfang Dezember 2013 vom Vorliegen der Baugenehmigung auch für die Gebäude A bis D Kenntnis erlangt.
Aufgrund der Bindungswirkung des bestandskräftigen Vorbescheids vom 20. Juli 2010 sei durch die Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D die geschlossene Bauweise übernommen worden. Die Baugenehmigungen beinhalteten daher insofern keine neuen Regelungen, so dass die Kläger durch diese wiederholten Regelungen nicht in ihren Rechten verletzt sein könnten.
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 haben die Bevollmächtigten der Kläger beantragt:
Die Baugenehmigung vom 25. September 2013 (Az: ...) wird aufgehoben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das streitgegenständliche Vorhaben füge sich hinsichtlich des Kriteriums der Bauweise nicht in die maßgebliche Umgebungsbebauung ein. Daraus resultiere eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
Der südwestliche Bereich des Bebauungsgevierts habe im Wesentlichen die offene Einzelhausbebauung sowie die südlich der ... Straße gelegene offene Einzelhausbebauung übernommen. Dieser komme prägende Wirkung zu. Die zu bebauenden Freiflächen seien in ihrer Gebietsprägung den angrenzenden Bereichen der ... Straße und der ... Straße zuzuordnen. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Eilentscheidung im Verfahren 2 CS 14.27 richtig erkannt habe, verlaufe durch das Geviert ein Schnitt von der nordwestlichen zur südöstlichen Ecke. Die maßgebliche Prägung sei die Bebauung durch die angrenzende offene Bauweise.
Die Klagefrist sei gewahrt, da die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht zugestellt worden sei, so dass jedenfalls die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO greife. Eine Verwirkung des Klagerechts scheide aus. Ein Vertrauen auf Seiten der Beigeladenen, dass man einen diesbezüglichen Gebäudebestand akzeptieren werde, sei zu keinem Zeitpunkt entstanden. Die Jahresfrist des § 58 VwGO sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.
Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013 (Az: 4 C 5/12) deutlich gemacht, dass das Kriterium der Bauweise des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB über das Rücksichtnahmegebot drittschützende Wirkung auch im unbeplanten Innenbereich entfalten könne. Die Interessenlage sei hier derjenigen innerhalb eines Plangebiets gleichzusetzen, für das offene Bauweise festgesetzt sei. Das Rücksichtnahmegebot fordere nicht, dass der Betroffene unmittelbar an das Baugrundstück angrenze. Es sei zwar richtig, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht unmittelbar gegen Art. 6 BayBO verstoße. Beschränke man aber den Drittschutz auf unmittelbar angrenzende Grundstücksflächen, so könnte ein Bauträger im Zusammenwirken mit der Baugenehmigungsbehörde ein durch offene Bauweise geprägtes Geviert mit geschlossener Bebauung füllen. Die Festsetzung der offenen Bauweise in einem Bebauungsplan führe dazu, dass die Eigentümer sich darauf verlassen könnten, dass seitliche Grenzabstände eingehalten seien. Eine Prägung des unbeplanten Innenbereichs durch offene Bauweise sollte zum gleichen Ergebnis führen.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 hat die Beklagte ihre Klageerwiderung im Verfahren M 8 K 14.4469 zur Frage des Gebietserhaltungsanspruchs und die zulässige Art der baulichen Nutzung ergänzt.
Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 haben die Bevollmächtigten der Kläger auf die Klageerwiderungen der Beigeladenen und der Beklagten repliziert und ausgeführt, dass der angeführte Vorbescheid vom 20. Juli 2010 eine Blockrandbebauung ausdrücklich abgelehnt habe, weshalb ein Vorgehen der Kläger hiergegen nicht angezeigt gewesen sei. Die Kläger hätten schon vor der Genehmigungserteilung mit einem Schreiben an die Beklagte vom 9. August 2013 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Häuser A bis D nicht akzeptierten. Sowohl der Beklagten wie der Beigeladenen sei bekannt gewesen, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex nicht hinnehmen wollten. Ein Vertrauen darauf, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex akzeptierten, habe bei der Beigeladenen daher nicht entstehen können. Den Klägern sei nicht vorzuwerfen, dass sie sich zunächst klageweise auf das Haus E beschränkt hätten. Ein den Klägern vorwerfbares zögerliches Verhalten stehe nicht im Raum. Eine Verwirkung der Nachbarrechte der Kläger sei daher nicht eingetreten. Das von der Beigeladenen zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Eine Verwirkung könne sich auch nicht aus dem Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 ergeben, da dieser wegen Aufteilung des Gesamtvorhabens in die Einzelgenehmigungen für die Häuser A bis C, D und E keine Bindungswirkung entfalte. In den Baugenehmigungen sei keine Bezugnahme auf den Vorbescheid erfolgt und auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe eine Bindungswirkung im Verfahren 2 CS 14.27 abgelehnt.
Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2016 haben die Bevollmächtigten der Beigeladenen ihren Vortrag zur Verwirkung vertieft und insbesondere ausgeführt, die Kläger hätten auch nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Die Verwaltungsstreitsache wurde am 29. Februar 2016 mündlich verhandelt. Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten auch im Verfahren M 8 K 14.4469 sowie in den Verfahren M 8 SN 13.5483 und M 8 K 13.5031 verwiesen.
Gründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist in der Sache unbegründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. September 2013 die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Die Nachbarklage ist zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und die Kläger entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Beigeladenen ihr Klagerecht nicht verwirkt haben.
1. Die Kläger haben die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 58 Abs. 2 VwGO eingehalten.
Gemäß § 74 Abs. 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist - wie im vorliegenden Fall - nach § 68 VwGO ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn die Beteiligten über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden sind. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündigung zulässig, § 58 Abs. 2 VwGO.
Im vorliegenden Fall ist die streitgegenständliche Baugenehmigung den Klägern nicht zugestellt worden, so dass mangels Rechtsbehelfsbelehrung grundsätzlich die Jahresfrist für eine Klageerhebung läuft.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
Von einem Kennenmüssen ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss - sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, weil er in anderer Weise darüber informiert ist - und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
Im vorliegenden Fall datiert die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. September 2013, so dass - unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt die Kläger sichere Kenntnis von ihr erlangt haben - im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht München
2. Die Kläger haben ihr Klagerecht - entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Beigeladenen - auch nicht verwirkt.
Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Das ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen Nachbarn zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (vgl. BVerwG
Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass grundsätzlich bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71
Die tatsächlichen Voraussetzungen einer prozessualen Verwirkung der Klagebefugnis liegen nach diesen Maßgaben im vorliegenden Fall nicht vor. Es fehlt jedenfalls an einem auf der Untätigkeit der Kläger beruhenden Vertrauenstatbestand.
Gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind den Eigentümern der benachbarten Grundstücke vom Bauherrn oder seinem Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Dies hat der Bauherr im Rahmen des streitgegenständlichen Baugenehmigungsverfahrens unterlassen, so dass den Klägern der Genehmigungsbescheid auch nicht gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO im Rahmen der Nachbarbeteiligung zugestellt wurde. Ein Bauherr, der es versäumt die Eigentümer der benachbarten Grundstücke rechtzeitig im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen, kann sich später nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er darauf vertraut habe, dass der Nachbar von seinem Klagerecht keinen Gebrauch machen werde.
Eine Verwirkung zulasten der Kläger ist damit nicht eingetreten. Denn nur soweit auch die Beeinträchtigung der subjektiven Rechtsposition erkennbar ist, kann für den Nachbarn zur Wahrung seiner Rechte die Obliegenheit bestehen, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
II.
Die Kläger sind im vorliegenden Fall auch weder durch den ihnen gegenüber bestandskräftig gewordenen Vorbescheid vom 20. Juli 2010 noch durch den ihnen gegenüber ebenfalls bestandskräftigen Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 gebunden, Art. 71 BayBO.
1. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids ergibt sich aus den im Vorbescheidsantrag gestellten Fragen. Die im Vorbescheidsverfahren gestellten und entschiedenen Fragen können jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die dortige Prüfung bezieht sich auf ein bestimmtes Vorhaben und die dem Vorbescheidsantrag zugrunde liegenden Planzeichnungen (vgl. Decker: in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 117. Ergänzungslieferung Juli 2014, Art. 71 Rn. 103). Die Bindungswirkung eines Vorbescheids kann daher nicht mehr angenommen werden, wenn sich das im Baugenehmigungsverfahren behandelte Vorhaben aufgrund nachträglich eingereichter Unterlagen gar nicht mehr auf das ursprünglich mittels Vorbescheid bereits ausschnittsweise beurteilte Vorhaben bezieht, sondern von diesem abweicht. Die Bindung erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8). Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bauplanungsrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids (vgl. BayVGH, U. v. 4.11.1996 - 1 B 94.2923 - BayVBl. 1997, 341 f.; BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8).
Eine wesentliche Änderung liegt schon darin, dass im Gegensatz zum damaligen Gesamtvorhaben nunmehr drei Einzelvorhaben mit drei unterschiedlichen Baugenehmigungen - Häuser A bis C, Haus D und Haus E - umgesetzt werden sollen. Hinzu kommt, dass der Vorbescheid einer anderen Bauherrin erteilt wurde, die mit der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht identisch ist. Die Bauherrin für das Haus D ist auch nicht Rechtsnachfolgerin der damaligen Bauherrin, so dass auch eine Anwendung von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausscheidet.
2. Eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 24. Oktober 2011 scheidet ebenfalls aus. Bei dem darin behandelten Bauvorhaben war als Abschlussgebäude auf dem östlich angrenzenden Grundstück ein Gebäude vorgesehen, das einen Abstand zur westlichen Grenze des Grundstücks der Kläger einhält. In dieser Hinsicht stellt sich bereits die Änderung des Vorhabens von der Einhaltung von Abstandsflächen hin zu einem grenzständigen Vorhaben als wesentliche Änderung dar, die die Bindungswirkung des Vorbescheids entfallen lässt, da in nachbarrechtlicher Hinsicht grundlegend andere Fragen aufgeworfen werden. Wie bei dem Vorbescheid vom 20. Juli 2010 ist auch der Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 einer anderen Bauherrin erteilt worden, die mit der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht identisch ist. Die Bauherrin für das Haus D ist auch nicht Rechtsnachfolgerin der damaligen Bauherrin, so dass auch hier eine Anwendung von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausscheidet.
4. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens richtet sich vorliegend hinsichtlich des gemäß § 173 Bundesbaugesetz (BBauG) übergeleiteten Baulinienplans nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben.
4.1 Für das Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche, die vorliegend gemäß § 30 Abs. 3 BauGB teilweise durch einen nach § 173 Abs. 3 BBauG übergeleiteten Baulinienplan bestimmt wird, ist anerkannt, dass diesem per se keine drittschützende Wirkung zukommt. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche haben ebenso wie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nur dann drittschützende Wirkung, wenn sie nach dem Planungswillen der Gemeinde eine entsprechende drittschützende Funktion haben sollen (BayVGH, B. v. 29.9.2008 - 1 CS 08.2201 - juris Rn. 14; BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3). Anhaltspunkte dafür, dass die in dem übergeleiteten Baulinienplan enthaltenen Festsetzungen nach dem Planungswillen der Beklagten diese Funktion haben sollen, bestehen nicht, zumal die hier relevanten Festsetzungen auch nicht auf der den Klägern zugewandten Grundstücksseite liegen (vgl. VGH Mannheim, B. v. 23.7.1991 - 8 S 1606/91 - juris Rn. 2).
4.2 In einem unbeplanten Gebiet mit teils offener, teils geschlossener Bebauung sind regelmäßig beide Bauweisen planungsrechtlich zulässig (vgl. BVerwG, B. v. 11.3.1994 - 4 B 53/94, NVwZ 1994, 1008 - juris Rn. 4). Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber nicht, dass auch der einzelne Bauherr wählen kann, ob er sein konkretes Bauvorhaben an der Grundstücksgrenze oder mit dem erforderlichen Grenzabstand errichtet. Da das Bauplanungsrecht die Vorschriften des Bauordnungsrechts unberührt lässt (vgl. § 29 Abs. 2 BauGB), darf das Landesrecht an ein bauplanungsrechtlich zulässiges Vorhaben weitergehende Anforderungen stellen. Mit Bundesrecht wäre es nur dann nicht vereinbar, wenn das landesrechtliche Bauordnungsrecht bei einem Vorhaben, das nach dem Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB zwingend nur in geschlossener Bauweise ausgeführt werden darf, die Einhaltung von Abstandsflächen verlangen würde, was aber dann nicht der Fall ist, wenn in einem Baugebiet die geschlossene Bauweise lediglich überwiegt oder vorherrscht (BVerwG, B. v. 11.3.1994, a. a. O.). Für Fälle dieser Art steht es dem Landesgesetzgeber daher frei, die Einhaltung von Abstandsflächen vorzuschreiben, wovon der bayerische Gesetzgeber aber keinen Gebrauch gemacht hat, da nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO Abstandsflächen nicht nur dann entfallen können, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden muss, sondern auch, wenn an die Grenze gebaut werden darf (BayVGH, B. v. 10.12.2001 - 20 ZS 01.2775/20 CS 020 CS 01.2775 - juris Rn. 19).
Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Mischung von Grenzbebauung und offener Bauweise die Möglichkeit, nach § 34 Abs. 1 BauGB ein Gebäude an der Grenze zu errichten, ausscheidet, wenn wegen der auf dem Nachbargrundstück bestehenden Bebauung eine Grenzbebauung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und sich daher nicht einfügt (Dhom/Franz/Rauscher, in: Simon/Busse, BayBO, Stand: 113 EL 2013, Art. 6 Rdnr. 48). Entsprechend sieht auch § 22 Abs. 3 BauNVO für überplante Gebiete vor, dass in der geschlossenen Bauweise Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert. Die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens unter dem Gesichtspunkt der Bauweise steht damit unter dem Vorbehalt des Rücksichtnahmegebots, d. h. eine an sich zulässige geschlossene Bauweise fügt sich gleichwohl dann nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein, wenn die die gebotene Rücksichtnahme auf die Umgebungsbebauung vermissen lässt.
In ihrem
Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem
Letztendlich kann die Frage vorliegend jedoch offen bleiben, da selbst bei einem objektivrechtlichen Nichteinfügen des Vorhabens nach der Bauweise damit für die Kläger unmittelbar noch nichts gewonnen wäre, da nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
4.3 Im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist das Gebot der Rücksichtnahme ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das im Begriff des sich Einfügens eines Vorhabens in die nähere Umgebung enthalten ist (BVerwG, U. v. 11.1.1999 - 4 B 128/98, NVwZ 1999, 879, 880; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2326 - juris Rdnr. 10 m. w. N.). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, U. v. 25.2.1977 - 4 C 22.75, BVerwGE 52, 122 - juris Rn. 22). Bei der Interessengewichtung spielt eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.).
Das im Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB sowie in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17).
Im Hinblick auf die Beurteilung der Wahrung der gebotenen Rücksicht auf die Bebauung auf dem Nachbargrundstück unter dem Gesichtspunkt der Bauweise, kann im unbeplanten Innenbereich auch auf die Wertungen und Begriffsbestimmungen des § 22 BauNVO zurückgegriffen werden (allgemein vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 34 BauGB Rn. 46; speziell zum Rücksichtnahmegebot BayVGH, B. v. 19.10.2009 - 1 CS 09.1847 - juris Rn. 13). Nach § 22 Abs. 3 BauNVO wird vom Grundsatz, dass die Gebäude in der geschlossenen Bauweise ohne Grenzabstand errichtet werden, abgewichen, wenn die vorhandene Bebauung dies erfordert. Diese Einschränkung entspricht ihrer Funktion nach im Wesentlichen dem Gebot der Rücksichtnahme (vgl. König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 26).
Wann eine Abweichung von der geschlossenen Bauweise erforderlich ist, ist grundsätzlich eine Frage der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und entzieht sich damit allgemeingültiger Aussagen (König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 27; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 22 BauNVO Rn. 41). Insoweit ist aber durchweg anerkannt, dass trotz geschlossener Bauweise dann ein seitlicher Grenzabstand einzuhalten ist, wenn ein vorhandenes Gebäude auf dem Nachbargrundstück einen Grenzabstand einhält (vgl. König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 27; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 22 BauNVO Rn. 41; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 9.1).
Insoweit kann es bei einem unmittelbar an ein mit offener Bauweise bebautes Grundstück angrenzendes Vorhabengrundstück aus Gründen der Rücksichtnahme geboten sein, dieses nur in halboffener statt in geschlossener Bauweise zu bebauen. Daher hat die erkennende Kammer auch im Verfahren M 8 K 13.5031 mit Urteil vom 29. September 2014 die Baugenehmigung für das in geschlossener Bauweise geplante Haus E unmittelbar westlich des klägerischen Grundstücks aufgehoben.
Anders als die Bevollmächtigten der Kläger meinen, besteht aber über das Rücksichtnahmegebot hinsichtlich der Bauweise kein dem Gebietserhaltungsanspruch hinsichtlich der Art der Nutzung vergleichbarer Gebietserhaltungsanspruch. Hiergegen spricht schon, dass dem Zulässigkeitsmerkmal der Art der baulichen Nutzung sowohl im beplanten Bereich als auch im faktischen Baugebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB per se eine drittschützende Wirkung zukommt, dem Einfügensmerkmal der Bauweise dagegen nicht. Zudem kann der Gebietserhaltungsanspruch auch ohne den Nachweis einer eigenen Beeinträchtigung geltend gemacht werden, wohingegen das Rücksichtnahmegebot als situationsbezogenes Korrektiv zu den typisierenden Zulässigkeitsmaßstäben eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers im konkreten Einzelfall voraussetzt.
4.4 In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot ist anerkannt, dass seine Verletzung auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus;
Eine erdrückende Wirkung ist vorliegend aber aufgrund des Abstandes des Vorhabens zum klägerischen Gebäude von ca. 11,30 m (ca. 7,60 m Breite des Grundstücks FlNr. ..., ca. 3,70 m Abstand des klägerischen Gebäudes zur westlichen Grundstücksgrenze) bei einer Wand- und Firsthöhe des Vorhabens von 12,28 m und 16,35 m gegenüber einer Wand- und Firsthöhe des klägerischen Gebäudes von 5,60 m und 8,40 m nicht gegeben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, den Klägern auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Tenor
I.
Die Baugenehmigung vom
II.
Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Anwesens ... Straße 4a in ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Sie wenden sich mit ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung von drei Wohngebäuden mit Tiefgarage - Haus A - C - in der ... Straße/... Straße/... Straße in ..., Fl.Nrn. ..., ...
Am
Nach der Betriebsbeschreibung, die dem Bauantrag als Anlage beigefügt ist, sind für das Haus A insgesamt 15 und für Haus B insgesamt 16 Wohneinheiten geplant. Davon sollen im Haus A 13 und in Haus B sämtliche 16 Wohnungen fest an einen Hauptmieter zum Zweck der Untervermietung vermietet werden. Die Wohnungen würden sich von herkömmlichen Wohnungen nicht unterscheiden. Der Hauptmieter werde die Wohnungen jedoch nur mit zeitlich befristeten Mietverträgen, die maximal ein halbes Jahr betragen, zur Vermietung anbieten. Durch die zeitliche Befristung der Mietverträge würde die Vermietung der Umsatzsteuer unterliegen. Somit werde dem Bedarf von kurzfristigem Wohnraum in ... Rechnung getragen. Haus C soll nach den Bauvorlagen 15 Wohnungen umfassen.
Am
Eine Zustellung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom
Mit Schriftsatz vom
gegen den Bescheid der ...
Sowie
gegen den Bescheid vom
Hierbei fand insoweit eine Datumsverwechselung statt, indem der streitgegenständliche Bescheid zu Pl.Nr. ... tatsächlich vom
Die beiden Bescheide seien den Klägern nicht zugestellt worden, so dass zur Fristwahrung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zugrunde zu legen sei. Die Errichtung der Häuser A - C und D führe dazu, dass in dem Geviert, in dem das Grundstück der Kläger liege, geschlossene Bauweise zugelassen werde, obwohl dieser Bereich faktisch durch offene Bauweise geprägt sei. Die Umsetzung der Vorhaben aus den beiden Bescheiden würde in nachbarrechtsverletzender Art den Bebauungscharakter verändern. Als maßgeblich sei nur die Bebauung beiderseits der ... Straße heranzuziehen und nicht das gesamte Straßengeviert. Die Verwirklichung der Häuser A bis D führe somit zu einer rechtswidrigen Veränderung der im relevanten Gebietsumgriff vorherrschenden offenen Bauweise.
Mit Schreiben vom
die Klage wird abgewiesen.
Das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Bauweise in die maßgebliche nähere Umgebung ein, welche durch die ... Straße, die ... Straße, die ... Straße und die ...-straße sowie die gegenüber liegende Seite der ... Straße gebildet werde. Zum anderen seien Bestimmungen über die Bauweise nicht drittschützend, so dass bereits deswegen eine Nachbarrechtsverletzung ausscheide. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger sei nicht ersichtlich. Die Kläger seien schon räumlich durch die Häuser A bis C nicht unmittelbar als Nachbarn betroffen, es lägen zwei weitere Grundstücke (Fl.Nrn. ... und ...) zwischen dem Vorhaben und dem klägerischen Grundstück. Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aufgrund einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung sowie eine unzumutbare Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse scheide aus.
Mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Die Kläger hätten ihre Nachbarrechte verwirkt. Den Klägern sei der Vorbescheid vom
Angesichts dieser Vorgeschichte hätten die Kläger ihre Klagerechte verwirkt. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass ein Nachbar aufgrund des nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnisses die Pflicht habe, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass Verwirkung bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eintreten könne (BayVGH, B. v. 21.03.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12 ff.). Vorliegend hätten die Kläger aufgrund des Eil- und Klageverfahrens gegen das Gebäude E und der Bautätigkeit bereits Anfang Dezember 2013 vom Vorliegen der Baugenehmigung auch für die Gebäude A bis D Kenntnis erlangt.
Gegenüber den Klägern sei der Vorbescheid vom
Mit Schriftsatz vom
Die Baugenehmigung vom
Im Verfahren M 8 K 14.4400 stellten sie einen entsprechenden Antrag hinsichtlich der Baugenehmigung vom
Die in beiden Verfahren streitgegenständlichen Vorhaben fügten sich hinsichtlich des Kriteriums der Bauweise nicht in die maßgebliche Umgebungsbebauung ein. Daraus resultiere eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Weiter seien Wohngebäude genehmigt, der Komplex A bis C werde aber einer gewerblichen Nutzung zugeführt. Damit sei der Gebietserhaltungsanspruch in Hinblick auf das Kriterium der baulichen Nutzung verletzt. Die Gebäude A bis C würden überwiegend als Beherbergungsbetrieb beworben und sollten so genutzt werden.
Der südwestliche Bereich des streitgegenständlichen Bebauungsgevierts habe im Wesentlichen die offene Einzelhausbebauung sowie die südlich der ... Straße gelegene offene Einzelhausbebauung übernommen. Dieser komme prägende Wirkung zu. Die zu bebauenden Freiflächenbereiche seien in ihrer Gebietsprägung den angrenzenden Bereichen der ... und der ... Straße zuzuordnen. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Eilentscheidung im Verfahren Az. 2 CS 14.27 richtig erkannt habe, verlaufe durch das Geviert ein Schnitt von der nordwestlichen zur südöstlichen Ecke. Die maßgebliche Prägung sei die Bebauung durch die angrenzende offene Bauweise.
Weiter solle der Gebäudekomplex A - C in wesentlichen Teilen gewerblich genutzt werden. Es würden hotelähnliche Leistungen bzw. Leistungen eines Beherbergungsbetriebes angeboten. Dies zeige der Internetauftritt unter www.maxlodging.de. Die Mietdauer von nur zwei Wochen mache deutlich, dass es sich hier nicht um ein dauerhaftes Wohnen handele. Es werde für die Kunden und Reisenden auch Personal zur persönlichen Betreuung vorgehalten. Das seien Kriterien, die einem Beherbergungsbetrieb zuzuordnen seien. Letztlich handele es sich um eine gewerbliche Bereitstellung von Räumen zum Zweck der Gästebeherbergung. Die Voraussetzung des Wohnens sei die eigenständige Haushaltsführung auf Dauer. Vorliegend seien die kurzfristigen Mietverhältnisse so gestaltet, dass eine auf Dauer angelegte eigene Häuslichkeit nicht entstehen solle. Es sei auch kein Boardinghouse, denn dieses sei für Personen gedacht, die sich auf längere Zeit an einem Ort aufhalten und ihren Aufenthalt unabhängig von hoteltypischen Dienstleistungen gestalten wollten. Vorliegend sei der Rahmen der Nutzung jedoch auf ständige Fluktuation ausgerichtet. Die streitgegenständlichen Gebäude befänden sich in einem reinen Wohngebiet. Nach § 34 Abs. 2 BauGB in Zusammenhang mit § 3 BauNVO sei ausschließlich Wohnen allgemein zulässig, ausnahmsweise nur kleinere Beherbergungsbetriebe. Das Angebot von 29 Appartements sei mit diesem Begriff nicht mehr in Einklang zu bringen. Folglich füge sich der Gebäudekomplex hinsichtlich der baulichen Nutzung nicht in die Umgebungsbebauung ein. Demnach sei der Gebietserhaltungsanspruch verletzt.
Die Klagefrist sei gewahrt. Die streitgegenständliche Baugenehmigung sei nicht zugestellt worden, so dass jedenfalls die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO greife. Eine Verwirkung des Klagerechts scheide aus. Ein Vertrauen auf Seiten der Beigeladenen, dass man einen diesbezüglichen Gebäudebestand akzeptieren werde, sei zu keinem Zeitpunkt entstanden. Die Jahresfrist des § 58 VwGO sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.
Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013 (Az. 5 C 6/12) deutlich gemacht, dass das Kriterium der Bauweise des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB über das Rücksichtnahmnegebot drittschützende Wirkung auch im unbeplanten Innenbereich entfalten könne. Die Interessenlage sei hier derjenigen innerhalb eines Plangebietes gleichzusetzen, für das offene Bauweise festgesetzt sei. Das Rücksichtnahmegebot fordere nicht, dass der Betroffene unmittelbar an das Baugrundstück angrenze. Es sei zwar richtig, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht unmittelbar gegen Art. 6 BayBO verstoße. Beschränkte man aber den Drittschutz auf unmittelbar angrenzende Grundstücksflächen, so könnte ein Bauträger in Zusammenwirken mit der Baugenehmigungsbehörde ein durch offene Bauweise geprägtes Geviert mit geschlossener Bebauung füllen. Die Festsetzung der offenen Bauweise in einem Bebauungsplan führe dazu, dass die Eigentümer sich darauf verlassen könnten, dass seitliche Grenzabstände eingehalten seien. Eine Prägung des unbeplanten Innenbereichs durch offene Bauweise sollte zum gleichen Ergebnis führen.
Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 verwiesen die Bevollmächtigten der Kläger darauf, dass in dem von den Bevollmächtigten der Beigeladenen angeführten Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2010 eine Blockrandbebauung ausdrücklich abgelehnt werde. Die Kläger hätten schon vor Genehmigungserteilung mit einem Schreiben an die Beklagte vom 9. August 2013 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Häuser A bis D nicht akzeptieren würden. Sowohl der Beklagten wie der Beigeladenen sei bekannt gewesen, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex nicht hinnehmen wollten. Ein Vertrauen darauf, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex akzeptieren würden, habe bei der Beigeladenen daher nicht entstehen können. Den Kläger sei nicht vorzuwerfen, dass sie sich zunächst klageweise auf das Haus E beschränkt hätten. Ein den Klägern vorwerfbares zögerliches Verhalten stehe nicht im Raum. Eine Verwirkung der Nachbarrechte der Kläger sei nicht eingetreten. Das von der Beigeladenen zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 2012 sei vorliegend nicht anwendbar. In dem dortigen Fall hätten die Kläger über vier Jahre ein laufendes Bebauungsplanverfahren unkommentiert ohne jede Einwendung hingenommen. Dazu komme vorliegend, dass infolge des Umstands, dass die Baugenehmigungsbescheide den Klägern überhaupt nicht bekannt gemacht worden seien, selbst die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO kein Ausschlusskriterium für die Klageerhebung sein könne. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
Eine Verwirkung könne sich auch nicht aus dem Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 ergeben. Die Bindungswirkung eines Vorbescheids könne sich nur auf Vorhaben erstrecken, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprächen oder allenfalls geringfügig abwichen. Vorliegend weiche die Genehmigungsplanung, die dem Vorbescheid zugrunde liege, inhaltlich deutlich von den streitgegenständlichen Baugenehmigungen ab.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 ergänzte die Beklagte, die streitgegenständlichen Baugenehmigungen verletzten die Kläger nicht in ihrem Recht auf Gebietserhaltung, da sich das Vorhaben auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Umgebungsbebauung einfüge. Es sei Wohnnutzung zulässig. Mit den streitgegenständlichen Baugenehmigungen vom 26. November 2013 (Haus A bis C) und vom 25. November 2013 (Haus D) sei jeweils der Neubau von Wohngebäuden genehmigt worden. Entgegen dem Vortrag des Klägers sei weder ein Beherbergungsbetrieb noch eine Ferienwohnungsnutzung genehmigt. Auch bei einem „Wohnen auf Zeit“, wie in der Betriebsbeschreibung der Beigeladenen für die Häuser A und B beschrieben, handele es sich um Wohnen. Wohnen im planungsrechtlichen Sinn sei eine auf Dauer angelegte eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens. Dies liege nicht nur bei einem Wohnen ab einem Zeitraum von 6 Monaten oder länger vor, sondern könne heute auch bereits ab einem kürzeren Zeitraum von beispielsweise 2 bis 3 Monaten erfüllt sein. Die Beklagte habe neben dem Wohnen ohne zeitliche Begrenzung nur eine Wohnnutzung auf Zeit zugelassen. Die Internetwerbung der Beigeladenen sei insoweit ohne Relevanz. Die Beklagte könne einer unzulässigen Nutzung nicht mit Werbeverboten vorbeugen. Die Nutzung sei auch nicht aufgenommen, so dass die Beklagte davon ausgehen müsse, eine Nutzung werde nur entsprechend der Genehmigung erfolgen. Jedenfalls nicht abgedeckt sei die Nutzung der Appartements als Ferienwohnungen für auswärtige Gäste, die sich nur für wenige Tage bzw. 1 bis 2 Wochen in ... aufhielten.
Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung am 29. Februar 2016, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie auf das ausführliche schriftsätzliche Vorbringen der Parteien im Klageverfahren verwiesen.
Gründe
Die Anfechtungsklage der Nachbarn ist zulässig und begründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2013 rechtswidrig ist und die Kläger hierdurch in ihren Rechten verletzt werden, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Die Nachbarklage ist zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und die Kläger entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Beigeladenen ihr Klagerecht nicht verwirkt haben.
1. Die Kläger haben die Klagefrist gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m § 58 Abs. 2 VwGO eingehalten.
Gem. § 74 Abs. 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist - wie im vorliegenden Fall - nach § 68 VwGO ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn die Beteiligten über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden sind. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündigung zulässig, § 58 Abs. 2 VwGO.
Im vorliegenden Fall ist die streitgegenständliche Baugenehmigung den Klägern nicht zugestellt worden, so dass mangels Rechtsbehelfsbelehrung grundsätzlich die Jahresfrist für eine Klageerhebung läuft.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
Von einem Kennenmüssen ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss - sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, weil er in anderer Weise darüber informiert ist - und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
Im vorliegenden Fall datiert die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2013, so dass - unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt die Kläger sichere Kenntnis von ihr erlangt haben - im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht München
2. Die Kläger haben ihr Klagerecht - entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Beigeladenen - auch nicht verwirkt.
Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Das ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen Nachbarn zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (vgl. BVerwG
Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass grundsätzlich bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71
Die tatsächlichen Voraussetzungen einer prozessualen Verwirkung der Klagebefugnis liegen nach diesen Maßgaben im vorliegenden Fall nicht vor. Es fehlt jedenfalls an einem auf der Untätigkeit der Kläger beruhenden Vertrauenstatbestand.
Gem. Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind den Eigentümern der benachbarten Grundstücke vom Bauherrn oder seinem Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Dies hat der Bauherr im Rahmen des streitgegenständlichen Baugenehmigungsverfahrens unterlassen, so dass den Klägern der Genehmigungsbescheid auch nicht gem. Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO im Rahmen der Nachbarbeteiligung zugestellt wurde. Ein Bauherr, der es versäumt die Eigentümer der benachbarten Grundstücke rechtzeitig im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen, kann sich später nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er darauf vertraut habe, dass der Nachbar von seinem Klagerecht keinen bzw. noch vor Ablauf der Jahresfrist Gebrauch machen werde. Hinzu kommt, dass allein aus der dem Bauantrag beigefügten Betriebsbeschreibung überhaupt erst ersichtlich wird, dass entgegen der Betreffzeile in der streitgegenständlichen Baugenehmigung und entgegen den zeichnerischen Darstellung in den Bauvorlagen nicht lediglich Wohnhäuser bzw. Wohnungen und Appartements genehmigt werden, sondern darüber hinaus wegen der Unbestimmtheit der Betriebsbeschreibung der Betrieb von Ferienwohnungen, eines Beherbergungsbetriebs, eines Stundenhotels, etc. zumindest nicht ausgeschlossen sind. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Art der baulichen Nutzung einem Rohbau grundsätzlich nicht anzusehen ist, insbesondere wenn - wie im vorliegenden Fall - Wohnungen auch als Ferienwohnungen oder als Beherbergungsbetrieb genutzt werden sollen. Auch wenn den Klägern der Baugenehmigungsbescheid vom 26. September 2013 als solcher also bereits Anfang Dezember 2013 bekannt gewesen sein sollte, so ergibt sich aus diesem Bescheid nur, dass der Neubau von drei Wohnhäusern beabsichtigt ist. Anders als im Vorbescheid vom 20. Juli 2010, in dem in Frage 6 noch von einem Boardinghaus/Beherbergungsbetrieb die Rede war, genehmigte die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. September 2013 nach dem Wortlaut des Bescheides nur den Neubau dreier Wohnhäuser mit Tiefgarage. Allein aus der als Anlage zum Bauantrag mit der Plan-Nr. ... vom 27. Juni 2013 eingereichten Betriebsbeschreibung ergibt sich die Möglichkeit einer abweichenden Nutzung von insgesamt 29 Appartements in den Häusern A und B. Damit kann selbst aus der positiven Kenntnis der Kläger von der Baugenehmigung vom 26. September 2013 nicht der Schluss gezogen werden, sie hätten Kenntnis von den konkreten Nutzungsabsichten der Beigeladenen gehabt, die Häuser A und B für kurzfristige Vermietung in Untermietverhältnissen zu nutzen.
Eine Verwirkung zulasten der Kläger ist damit nicht eingetreten. Denn nur soweit auch die Beeinträchtigung der subjektiven Rechtsposition erkennbar ist, kann für den Nachbarn zur Wahrung seiner Rechte die Obliegenheit bestehen, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72
II.
Die Kläger sind im vorliegenden Fall auch weder durch den ihnen gegenüber bestandskräftig gewordenen Vorbescheid vom 20. Juli 2010 noch durch den ihnen gegenüber ebenfalls bestandskräftigen Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 gebunden, Art. 71 BayBO.
1. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids ergibt sich aus den im Vorbescheidsantrag gestellten Fragen. Die im Vorbescheidsverfahren gestellten und entschiedenen Fragen können jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die dortige Prüfung bezieht sich auf ein bestimmtes Vorhaben und die dem Vorbescheidsantrag zugrunde liegenden Planzeichnungen (vgl. Decker: in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 117. Ergänzungslieferung Juli 2014, Art. 71 Rn. 103). Die Bindungswirkung eines Vorbescheids kann daher nicht mehr angenommen werden, wenn sich das im Baugenehmigungsverfahren behandelte Vorhaben aufgrund nachträglich eingereichter Unterlagen gar nicht mehr auf das ursprünglich mittels Vorbescheid bereits ausschnittsweise beurteilte Vorhaben bezieht, sondern von diesem abweicht. Die Bindung erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8). Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bauplanungsrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids (vgl. BayVGH, U. v. 4.11.1996 - 1 B 94.2923 -BayVBl. 1997, 341 f.; BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8).
2. Im Vorbescheid vom 20. Juli 2010 wurde die Frage 6 hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Boardinghauses/Beherbergungsbetriebs gemäß der Betriebsbeschreibung vom 30. April 2010 auf Fl.Nr. 8850 positiv beantwortet. In dieser Betriebsbeschreibung wird ein Boardinghaus mit ca. 18 Nutzungseinheiten auf dem Grundstück Fl.Nr. ... abgefragt. In der streitgegenständlichen Betriebsbeschreibung wird hingegen ein Betrieb mit insgesamt 29 Wohneinheiten (13 in Haus A und 16 in Haus B) genehmigt, der sich hinsichtlich Haus B zum Teil auch auf das Grundstück mit der Fl.Nr. ... erstreckt. Da sich das mit Vorbescheid vom 20. Juli 2010 abgefragte Boardinghaus lediglich auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. ... befinden soll und der Umfang der Nutzungseinheiten von 18 auf 29 Appartement erweitert wurde, entspricht der streitgegenständliche Betrieb weder hinsichtlich seiner örtlichen Situierung noch nach seinem Umfang dem seinerzeit abgefragten Boardinghaus. Schon allein deshalb wirft das streitgegenständliche Vorhaben - unabhängig von der genehmigten Art der baulichen Nutzung und unabhängig von der Dauer der Bindungswirkung des Vorbescheids - in bauplanungsrechtlicher Hinsicht die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu auf, so dass eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 20. Juli 2010 zu verneinen ist.
3. Eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 24. Oktober 2011 scheidet ebenfalls aus. Bei dem darin behandelten Bauvorhaben war als Abschlussgebäude auf dem jetzigen Vorhabengrundstück ein Gebäude vorgesehen, das einen Abstand zur westlichen Grenze des Grundstücks der Kläger einhält. In dieser Hinsicht stellt sich die Änderung des Vorhabens von der Einhaltung von Abstandsflächen hin zu einem grenzständigen Vorhaben als wesentliche Änderung dar, die die Bindungswirkung des Vorbescheids entfallen lässt, da nunmehr in nachbarrechtlicher Hinsicht grundlegend andere Fragen aufgeworfen werden.
III.
Die zulässige Klage ist auch begründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2013 rechtswidrig ist und die Kläger hierdurch in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Dritte können sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U. v. 13.6.1969 - IV C 234.65
2. Die Baugenehmigung vom 26. September 2013 ist unbestimmt und damit inhaltlich nicht hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann daher nicht eindeutig ausgeschlossen werden, da wesentliche nachbarrechtsrelevante Merkmale des Vorhabens in der Baugenehmigung nicht hinreichend klar festgelegt werden (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Nachbar zwar keinen materiellen Anspruch darauf hat, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht, die Baugenehmigung aber dann aufzuheben ist, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B. v. 5.12.2001 - 26 ZB 01.1175 - juris Rn. 11 m. w. N.; BayVGH, B. v. 20.6.2008 - 15 CS 08.1088 - juris Rn. 10 und 12; BayVGH, B. v. 16.04.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.). Betrifft die Unbestimmtheit oder Unrichtigkeit der Bauvorlagen solche Vorschriften, deren Verletzung im konkreten Fall subjektivöffentliche Abwehrrechte des Nachbarn begründen können, ist eine mögliche Rechtsverletzung des Nachbarn hierdurch zu bejahen (vgl. BayVGH, U. v. 28.6.1999 - 1 B 97.3174 - juris Rn. 16;
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d. h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen sein (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. Lechner, in: Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 68 Rn. 472). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit einer Baugenehmigung getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf eine Baugenehmigung gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Nebenbestimmungen im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG Genüge zu tun.
2.1 Der Inhalt der Baugenehmigung vom 26. September 2013 bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen, insbesondere durch das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. unter 2.2), § 9 Satz 1 BauVorlV (vgl. BayVGH, B. v. 2.3.2015 - 9 ZB 12.1377 - juris Rn. 7; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34). Danach ist die vorliegende Baugenehmigung in einer für die Kläger nachteiligen Weise unbestimmt, weil die genehmigte Art der Nutzung (vgl. unter 2.3) sowie der Nutzungsumfang der genehmigten Anlage (vgl. unter 2.4) nicht abschließend erkennbar sind und die von der genehmigte Anlage ausgehenden Immissionen (vgl. unter 2.5) somit nicht eindeutig absehbar sind (vgl. BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 18), was zu einem eigenständigen Abwehrrecht der Kläger führt. Weder der angefochtenen Baugenehmigung noch den zugehörigen Bauvorlagen lassen sich die maßgeblichen nachbarrechtsrelevanten betrieblichen Rahmenbedingungen zuverlässig und mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen.
2.2 Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist insbesondere die Betriebsbeschreibung, da sie als Bestandteil (Anlage) des Bauantrags bezeichnet ist und zudem den Planstempel des Bauantrags trägt. Die Baugenehmigung nimmt auf den Bauantrag im Ganzen Bezug und genehmigt das von diesem Antrag umfasste Vorhaben. Nach der streitgegenständlichen Betriebsbeschreibung sollen in Haus A 13 Appartements und in Haus B alle 16 Appartements an einen Hauptmieter zum Zwecke der Untervermietung vermietet werden. Die Wohnungen würden sich von herkömmlichen Wohnungen nicht unterscheiden. Der Hauptmieter werde die Wohnungen jedoch nur mit zeitlich befristeten Mietverträgen, die max. ein halbes Jahr betragen, zur Vermietung anbieten. Durch die zeitliche Befristung der Mietverträge würde die Vermietung der Umsatzsteuer unterliegen. Somit werde dem Bedarf von kurzfristigem Wohnraum in ... Rechnung getragen.
2.3 Der Genehmigungsumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist im Hinblick auf diese Betriebsbeschreibung bereits in sich widersprüchlich und damit nachbarrechtsverletzend.
Die Überschrift im Bescheid vom 26. September 2013 lautet „... Str., Fl.Nr. ..., Gemarkung ... - Neubau dreier Wohngebäude mit Tiefgarage - Haus A - C (... Str./... Str./... Str.)“. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die in den Behördenakten befindliche und mit dem Bauantrag eingereichte und abgestempelte Betriebsbeschreibung findet sich jedoch nicht. In den Planzeichnungen wird zwischen „Wohnungen“ in Haus C und „Appartements“ in den Häusern A und B differenziert. In Haus A ist zudem im Erdgeschoss auch noch ein „Empfang“ sowie ein Büro zeichnerisch dargestellt. Nach Betriebsbeschreibung sind dagegen in den beiden Wohngebäuden A und B 13 und 16 Appartements geplant, die fest an eine Hauptmieter zum Zwecke der Untervermietung (mit zeitlich befristeten Mietverträgen mit einer maximalen Dauer von einem halben Jahr) vermietet werden sollen. Eine Mindestdauer der Vermietung ist dagegen nicht angegeben, so dass nach dieser Betriebsbeschreibung auch eine kurzfristige Vermietung an Feriengäste u.ä. nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich ist. Selbst eine Vermietung für nur einen oder wenige Tage und sogar stundenweise ist danach nicht ausgeschlossen. Die Betriebsbeschreibung schließt jedenfalls die Nutzung als Ferienwohnung und/oder Beherbergungsbetrieb nicht aus, letztendlich werden von dieser unbestimmten Betriebsbeschreibung nicht nur Wohnen im Sinne des Bauplanungsrechts, sondern auch andersartige Nutzungen wie Ferienwohnungen sowie ein Beherbergungsbetrieb und theoretisch sogar ein Stundenhotel umfasst.
Entlang der ...-straße werden daher - entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung der Baugenehmigung - nicht ausschließlich Wohngebäude, sondern vielmehr zwei Häuser mit insgesamt 29 Appartements zur kurzfristigen Untervermietung bis maximal einem halben Jahr und nur ein Wohnhaus mit 15 Wohnungen im engeren Sinne genehmigt. Insofern kann aufgrund dieser Unbestimmtheit auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Kläger in ihrem Gebietserhaltungsanspruch oder im nachbarschützenden Rücksichtnahmegebot verletzt sind.
Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Maßgeblich ist die Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen. Das Bauplanungsrecht unterscheidet begrifflich gerade zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern sowie Beherbergungsbetrieben andererseits. Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 BauNVO „Wohngebäude“ in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf „Wochenendhäuser“ und § 10 Abs. 4 BauNVO auf „Ferienhäuser“. Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG, U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 - NJW 1982, 2512 - juris Rn. 23). Die Baunutzungsverordnung führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (vgl. BVerwG, B. v. 11.07.2013 - 4 CN 7.12 - NVwZ 2014, 72 - juris Rn. 11; BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 - juris Rn. 3;
Die Art der genehmigten Nutzung ist vorliegend daher zu unbestimmt, da mangels hinreichend bestimmter Betriebsbeschreibung der Umfang der Genehmigung nicht eindeutig auf Wohnungen im bauplanungsrechtlichen Sinn beschränkt ist, sondern danach vielmehr auch ein Beherbergungsbetrieb sowie die Vermietung als Ferienwohnungen umfasst sind. Für den Rechtsschutz der Kläger ist es jedoch maßgeblich, dass sie feststellen können, ob und mit welchem Umfang sie von der Baugenehmigung betroffen sind (vgl. BayVGH, B. v. 29.4.2015 - 2 ZB 14.1164 - juris Rn. 6; BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 22). Einer Baugenehmigung sowie den genehmigten Bauvorlagen muss sich grundsätzlich mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen, dass nur solche Nutzungen genehmigt wurden, die nicht zu einer Beeinträchtigung der Nachbarrechte führen können. Es muss sich aus der Baugenehmigung selbst positiv und umfassend ergeben, welche betrieblichen Tätigkeiten und Nutzungen zugelassen sind. Da die Art des Betriebs vorliegend nicht hinreichend bestimmt ist, können die Kläger den Umfang ihrer Beeinträchtigungen nicht abschließend absehen.
Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Definition ist aus der Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen (Beherbergung, Heimunterbringung, Formen der sozialen Betreuung und Pflege) entwickelt worden. Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens „in den eigenen vier Wänden“, die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient (vgl. BVerwG B. v. 25.03.2004 - 4 B 15.04 - BRS 67 Nr. 70 - juris Rn. 4 m. w. N.;
Im vorliegenden Fall enthält die Baugenehmigung bzw. die ihr zugrundeliegende Betriebsbeschreibung daher keine ausreichenden Angaben, die eine eindeutige Differenzierung der genehmigten Art der Nutzung zulässt, so dass im Ergebnis danach sowohl (Dauer)Wohnen im engeren Sinn, ein Beherbergungsbetrieb sowie Ferienwohnungen umfasst sind. Derart gravierende Mängel in den Bauvorlagen, können sich zulasten der Nachbarn auswirken, so dass eine Nachbarrechtsverletzung nicht ausgeschlossen werden kann.
2.3 Ferner lässt die streitgegenständliche Baugenehmigung Merkmale des Vorhabens unreglementiert, obwohl es einer entsprechenden Regelung bedurft hätte, um das genehmigte Vorhaben im Verhältnis zum Nachbarn nachbarrechtskonform auszugestalten, so dass die Voraussetzungen des Bestimmtheitsgebots auch insoweit nicht erfüllt sind, was ebenfalls zu einem Abwehrrecht der Kläger führt.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung lässt neben der unbestimmten Art der baulichen Nutzung auch die Zahl der Personen nicht erkennen, die die genehmigte Anlage nutzen, insoweit sind auch die, die Kläger betreffenden Immissionen nicht abschließend feststellbar (vgl. BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 23).
Nachvollziehbare oder festgesetzte Angaben zu der zu erwartenden oder zugelassenen Benutzerzahl der Anlage fehlen gänzlich, so dass die entstehende Belastung in ihrer Gesamtheit nicht absehbar ist. Insoweit fehlt es jedenfalls an festgesetzten und überprüfbaren Angaben. Da die Betriebsbeschreibung die Anzahl der Gäste, des Personals, der angebotenen Serviceleistungen nicht näher konkretisiert, erlaubt sie nicht nur hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, sondern auch hinsichtlich der Gästeanzahl, einen Betrieb rund um die Uhr, der gegenüber den Nachbarn möglicherweise rücksichtslos ist.
2.4 Durch die in verschiedener Hinsicht nicht oder nicht hinreichend festgelegten betrieblichen Rahmenbedingungen, die für die Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme zentral sind, können schließlich auch unzumutbare Immissionen für die Kläger nicht hinreichend sicher und verlässlich ausgeschlossen werden.
Da nach der vorliegenden Betriebsbeschreibung nicht nur (Dauer-)Wohnen, sondern auch die Überlassung als Ferienwohnung sowie ein Beherbergungsbetrieb rund um die Uhr mitgenehmigt sind, drängt sich die Notwendigkeit geeigneter immissionsschutzrechtlicher Auflagen zum Schutz der Nachbarn auf. Angesichts der Größe des Vorhabens und der teilweisen Ausrichtung zum gemeinsamen Innenhof erscheint es bei dem vorliegend unbeschränkt genehmigten Betrieb nicht unwahrscheinlich, dass es durch das geplante Vorhaben ohne eine entsprechende beschränkende und bestimmte Betriebsbeschreibung und ohne gegebenenfalls darüber hinaus erforderliche immissionsschutzrechtliche Auflagen zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarn kommt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich Sache des Bauherrn ist, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die zur Genehmigung gestellte Anlage die einschlägigen Zumutbarkeitskriterien einhält.
Aus den aufgeführten Gründen folgt die Unbestimmtheit und die Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom
3. Aufgrund ihrer Unbestimmtheit verstößt die Baugenehmigung deswegen zugleich zum Nachteil der Kläger gegen das in § 34 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot.
4. Die Baugenehmigung vom
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt und sich somit auch einem Kostenrisiko gem. § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt.
6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.
(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
Tenor
Der Antrag der Beigeladenen auf Beiladung des Landes Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Bezirksregierung L. , A.-------straße 2 - 10, 50667 L. , wird abgelehnt.
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte mit Ausnahme ihrer außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.
Der Streitwert wird für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beider Rechtszüge auf 25.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Der Antrag auf Beiladung hat keinen Erfolg. Ein Fall notwendiger Beiladung im Sinne von § 65 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor. Das Gericht lehnt den Antrag in Ausübung des ihm durch § 65 Abs. 1 VwGO eingeräumten Ermessens ab, wobei offen bleiben kann, ob die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt sind. Es ist nicht zu erkennen, dass eine Beiladung der Bezirksregierung in der die Einräumung einer Beteiligtenstellung rechtfertigenden Weise prozessförderlich wäre, zumal es - wie die nachstehenden Ausführungen zeigen - für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren auf die Frage eines angemessenen Abstandes im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 96/82/EG (Seveso II-Richtlinie) und die in diesem Zusammenhang möglicherweise relevanten betrieblichen Verhältnisse der Antragstellerin nicht ankommt.
3Die zulässigen Beschwerden haben keinen Erfolg.
4Die in den Beschwerdebegründungen dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses. Gründe für eine Änderung sind im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich.
5Der Antragstellerin fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Eilantrag, weil nach dem Beschwerdevorbringen der Beigeladenen die Bezirksregierung L. als zuständige Immissionsschutzbehörde nicht beabsichtige, gegen die Antragstellerin nachträgliche Anordnungen i. S. d. § 17 Abs. 1 BImSchG zu erlassen. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur dann, wenn der bei Gericht um Rechtsschutz Nachsuchende seine Rechtsstellung mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung in keiner Hinsicht verbessern kann und die Inanspruchnahme des Gerichts deshalb als für ihn nutzlos erscheinen muss.
6Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Oktober 2000
7- 10 B 1053/00 -, BRS 63 Nr. 198.
8Danach reicht es für die Verneinung eines Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin nicht aus, dass die Immissionsschutzbehörde nach den Erkundigungen der Prozessbevollmächtigen der Beigeladenen derzeit Anordnungen nach § 17 Abs. 1 BImSchG nicht beabsichtigt. Mit Blick auf das von der Antragstellerin verfolgte Rechtsschutzziel wäre es vielmehr erforderlich, dass die Immissionsschutzbehörde eine entsprechende uneingeschränkte und unbefristete (schriftliche) Zusicherung,
9§ 38 VwVfG NRW, abgibt. Die Beigeladene hat indes schon nicht dargelegt und es ist auch ansonsten nicht ersichtlich, dass ein solcher Sachverhalt vorliegt.
10Das Verwaltungsgericht hat zu Recht das Vorliegen einer prozessualen Verwirkung verneint. Hat der Nachbar trotz fehlender amtlicher Bekanntgabe sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt oder hätte er sie erlangen müssen, so kann ihm nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein, dass sie ihm nicht amtlich bekanntgegeben wurde. Dann läuft für ihn die Klagefrist nach § 58 Abs. 2 VwGO so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben geworden, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (prozessuale Verwirkung).
11Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 16. April 2012
12- 7 A 1984/10 -, juris, m. w. N., und vom 22. Juni 2010 - 7 B 479/10 -, juris.
13Auch bei Kenntniserlangung der Beigeladenen von der Teilbaugenehmigung bzw. einem „Kennenmüssen“ bereits im September 2013 wäre mithin die Jahresfrist i. S. d. § 58 Abs. 2 VwGO zum Zeitpunkt der Klage- und Antragserhebung am 26. Februar 2014 noch nicht verstrichen gewesen.
14Die nach §§ 80 Abs. 5, 80a VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus, denn nach der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Beurteilung der Erfolgsaussichten hat die Abwehrklage der Antragstellerin gegen die Genehmigung für die jugendpsychiatrische Einrichtung der Beigeladenen voraussichtlich Erfolg.
15Der Einwand der Beigeladenen, die Antragstellerin habe zum Zeitpunkt der Klage- und Antragserhebung etwaige (materiellen) Abwehrrechte verwirkt, greift nicht durch.
16Nach den Grundsätzen zur Geltung von Treu und Glauben im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis können auch materielle Abwehrrechte eines Nachbarn verwirkt werden. Nach Treu und Glauben ist vom Nachbarn zu verlangen, durch zumutbares aktives Handeln dazu beizutragen, wirtschaftlichen Schaden vom Bauherrn abzuwenden oder möglichst gering zu halten. Grundsätzlich gehört dazu, dass der Nachbar nach Erkennen einer Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen seine nachbarlichen Einwendungen "ungesäumt" geltend macht. Die Verwirkung eines Rechts setzt außer der Untätigkeit des Nachbarn während eines längeren Zeitraums ferner voraus, dass der Bauherr infolge der Untätigkeit darauf vertrauen durfte, dass der Nachbar das ihm eigentlich zustehende Abwehrrecht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Bauherr hierauf auch tatsächlich vertraut hat (Vertrauenstatbestand) und er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
17Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2012
18- 7 A 1984/10 -, juris, m. w. N.
19Ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, muss sich dabei so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden.
20Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974
21- IV C 2.72 -, BRS 28 Nr. 285.
22Dies gilt nicht nur für die Fälle unmittelbarer Grenznachbarschaft, sondern auch dann, wenn die betroffenen Grundstücke räumlich durch weitere Flächen getrennt sind. Jedoch kann die jeweilige örtliche Situation wesentlich dafür sein, ob im Einzelfall davon ausgegangen werden darf, dass der Nachbar von der Baugenehmigung zuverlässig Kenntnis hätte haben müssen.
23Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. August 1987
24- 4 N 3.86 -, BRS 47 Nr. 185.
25Die Kenntnis bzw. Möglichkeit der Kenntnisnahme muss sich dabei nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung beziehen, sondern es kommt auf die Erkennbarkeit bzw. das „Kennenmüssen“ der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn an.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974
27- IV C 2.72 -, BRS 28 Nr. 285; VGH Bad.-Württ.,
28Urteil vom 14. Mai 2012 - 10 S 2693/09 -, BRS 79 Nr. 183, m. w. N.
29Unabhängig von der Frage, ob die Zeit ab Beginn der Erdarbeiten Ende September 2013 bis zur Klage- und Antragserhebung für die Annahme eines längeren Zeitraums schon ausreichend wäre, kann hier von einem den Beginn der Verwirkungsfrist auslösenden „Kennenmüssen“ der Antragstellerin frühestens ab Januar 2014 ausgegangen werden.
30Entgegen der Auffassung der Beigeladenen waren die von ihr in der Zeit von September 2013 bis Dezember 2013 durchgeführten Vorbereitungsarbeiten (Baustraße herstellen; Bäume fällen; Mutterboden abschieben; vorhandenen Zaun entfernen und Metallgitterzaun erstellen; Strauchwerk entfernen; Bodenflächen ebnen; Pflaster aufnehmen; Garage abreißen; Ausschachtung eines Entwässerungsgrabens) nicht geeignet, der Antragstellerin in hinreichender Weise Kenntnis bzw. die Möglichkeit der Kenntnisnahme von einer ggf. in ihre Rechte eingreifenden Baugenehmigung zu verschaffen. Jedenfalls aufgrund der Entfernung des Vorhabengrundstücks von dem Betriebsgelände der Antragstellerin und dessen Außenbereichslage hatten diese Arbeiten keinen genügenden „Vorwarneffekt“ für die Antragstellerin und musste sie die durchgeführten Vorbereitungsarbeiten noch nicht zum Anlass für Nachfragen bei der Antragsgegnerin nehmen. Es war für sie nicht mit der erforderlichen Klarheit ersichtlich, welchem konkreten Zweck diese Arbeiten dienten. So hätten diese Vorbereitungsarbeiten etwa auch der Errichtung einer landwirtschaftlich genutzten Lagerhalle mit den entsprechenden Zuwegungen dienen können. Mit der Errichtung einer Klinik im Außenbereich brauchte die Antragstellerin aufgrund der Vorbereitungsarbeiten jedenfalls nicht zu rechnen. Frühestens mit dem Beginn der umfangreichen Arbeiten ab Januar 2014 bestand für sie Veranlassung, sich nach dem konkreten Vorhaben zu erkundigen. Für die Annahme einer Verwirkung fehlt es mithin schon am Zeitmoment.
31Die angefochtene Baugenehmigung vom 27. November 2013 verstößt voraussichtlich zu Lasten der Antragstellerin gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme.
32Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass dem Eigentümer eines emittierenden Betriebsgrundstücks gegenüber heranrückenden Bauvorhaben wegen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltenen speziellen Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme ein Abwehranspruch zusteht, wenn das heranrückende Vorhaben erheblichen Immissionen durch den emittierenden Betrieb ausgesetzt wäre und für diesen deshalb die Gefahr von Betriebseinschränkungen begründet.
33Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 2 A 2645/08 -, BRS 78 Nr. 181, m. w. N.
34Ein derartiger Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liegt summarischer Prüfung zufolge zu Lasten der Antragstellerin wegen des nachts vom Betrieb der Antragstellerin auf das Vorhaben einwirkenden Lärms vor.
35Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestimmen sich die Immissionsrichtwerte für das Vorhaben der Beigeladenen nach Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm. Nach Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm betragen die Immissionsrichtwerte für den Beurteilungspegel für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in Kurgebieten, für Krankenhäuser und Pflegeanstalten tags 45 dB(A) und nachts 35 dB(A). Ausweislich der jeweils durch Grünstempel zum Gegenstand der Baugenehmigung gewordenen Bau- und Betriebsbeschreibung und des medizinischen Konzepts handelt es sich bei dem Vorhaben um ein psychiatrisches Krankenhaus mit vollstationärer und tagesklinischer Behandlung. Für die Anwendbarkeit von Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm auf ein streitgegenständliches Vorhaben bedarf es keiner an ein „Gebiet“ heranreichenden Größe oder einer besonderen prägenden Wirkung, so dass es den betroffenen Bereich dominiert und ihm „den Stempel aufdrückt“.
36So aber Nds. OVG, Urteil vom 31. Mai 2007
37- 1 KN 265/05 -, BRS 71 Nr. 40.
38Denn der Schutzanspruch aus Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm wird - unabhängig von dem umgebenden Gebiet - einrichtungsbezogen gewährt.
39Vgl. Feldhaus/Tegeder, in: Feldhaus/Hansel, BImSchG, Nr. 6 TA Lärm, Rn. 22.
40Er knüpft an die besondere Schutzbedürftigkeit der Einrichtung an und nicht an eine
41- wie auch immer geartete - städtebaulich dominierende Wirkung der Einrichtung.
42Ausweislich des von der Beigeladenen vorgelegten Berichts des TÜV Nord Systems GmbH & Co.KG zu den Geräuschimmissionen im Plangebiet „Zum L1. 5“ in I. -G. vom 8. Mai 2014 liegen die nach Osten ausgerichteten Fassaden des Vorhabens im Lärmpegelbereich von 35 dB(A) bis 42 dB(A) und damit über dem zulässigen Immissionsrichtwert von nachts 35 dB(A).
43Soweit die Beigeladene geltend macht, maßgeblich sei wegen einer anzunehmenden Gemengelage i. S. d. Nr. 6.7 TA Lärm ein nach dieser Regelung zu bildender und hier eingehaltener Zwischenwert, rechtfertigt dies keine andere Bewertung.
44Gemäß Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm liegt eine Gemengelage nur vor, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete - als vorhandenes Nebeneinander konfliktträchtiger Nutzungen - aneinandergrenzen, wobei das Aneinandergrenzen nicht unmittelbar sein muss.
45Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2013
46- 2 B 1336/12 - BauR 2013, 1078, m. w. N.
47Dies ist hier gleichfalls deshalb nicht der Fall, weil ein Klinikvorhaben erstmalig an den Betrieb der Antragstellerin heranrückt.
48Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm findet - unabhängig von der hier offen gelassenen Frage der Anwendbarkeit dieser Regelung auf Krankenhäuser i. S. d. Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm - jedenfalls bei der erstmaligen Entstehung einer Gemengelage zwischen dem schutzbedürftigen Vorhaben und dem emittierenden Betrieb keine Anwendung. Dies entspricht der vor Inkrafttreten der TA-Lärm in der hier maßgeblichen Fassung gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts,
49vgl. etwa zu § 34 BauGB: BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 1985 - 4 B 189.85 -, juris,
50an die Nr. 6.7 TA Lärm anknüpft.
51Vgl. Landmann/Rohmer/Hansmann,
52Umweltrecht Band IV, Stand: 1. Januar 2014,
53TA Lärm Nr. 6, Rn. 25.
54Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist es der Antragstellerin auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben wegen von ihrem Betrieb auf den Gebäudekomplex S. Straße 27 - 31 (L2. Hof) ausgehender Lärmimmissionen verwehrt, sich im Verhältnis zum Vorhaben der Beigeladenen auf die Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme zu berufen.
55Unabhängig von dem Ausmaß der Lärmbelastung des L2. Hofes durch den Betrieb der Antragstellerin und der Frage, ob der Gebäudekomplex gewerblich oder zumindest auch zu Wohnzwecken genutzt wird, ist die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens der Antragstellerin schon deshalb ausgeschlossen, weil der westlich ihres Betriebsgrundstücks und nördlich der S. Straße liegende Gebäudekomplex nicht die Umgebung des Vorhabengrundstücks prägt bzw. beeinflusst. Es fehlt somit an einer entsprechenden „Vorbelastung“ des Vorhabengrundstücks.
56Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. März 1984 - 4 B 171.83 -, BRS 42 Nr. 66.
57Der Bereich des Vorhabengrundstücks ist nach den vorliegenden Akten im Wesentlichen von landwirtschaftlich genutzten unbebauten Flächen umgeben. Auch die von der Antragsgegnerin eingeforderte Berücksichtigung der Vorgängernutzung auf dem Baugrundstück führt zu keinem für die Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis. Mit der Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens würde die Antragstellerin vielmehr gezwungen, erstmalig auf die besonderen für diese Nutzung geltenden Immissionsrichtwerte Rücksicht zu nehmen.
58Nach alledem kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob das angefochtene Vorhaben den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 96/82/EG (Seveso II-Richtlinie) unterfällt und daran gemessen unzulässig ist.
59Vgl. zur Anwendung der Richtlinie auf Krankenhäuser: Uechtritz, BauR 2014, 1098 sowie zu den maßgeblichen Anforderungen BVerwG, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 4 C 11.11 -, BRS 79 Nr. 97.
60Aus obigen Gründen ist auch die auf § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz VwGO gestützte Anordnung, dass die Antragsgegnerin die Fortführung der Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen mit für sofort vollziehbar erklärter Ordnungsverfügung zu untersagen hat, nicht zu beanstanden.
61Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 3 GKG.
62Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - geändert. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Rastatt vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 werden aufgehoben.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
Der Antrag vom 26. Juni 2015 wird abgelehnt.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 7.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Antragstellerinnen begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung.
- 2
Der Vater der Antragstellerinnen war Eigentümer des Flurstücks … der Gemarkung … mit den beiden Gebäuden x und y. In dem Gebäude x wird ein Restaurant betrieben, das Gebäude y wird ebenfalls gewerblich, u.a. von einem Optiker genutzt.
- 3
Mit Bescheid vom 10. Mai 2013 wurde der Beigeladenen, einer Baugenossenschaft, der Neubau von 224 Wohneinheiten mit Tiefgarage und einer Kita auf den östlich angrenzenden Nachbargrundstücken … genehmigt. Diese Baugenehmigung wurde weder dem Vater der Antragstellerinnen noch den Antragstellerinnen selbst bekanntgegeben.
- 4
Bereits im Februar 2012 hatte die Beigeladene den Beginn der Abbrucharbeiten auf dem Vorhabengrundstück der Antragsgegnerin angezeigt und anschließend mit dem Abbruch der vormals auf dem Gelände befindlichen Produktionshallen eines Gewerbebetriebs begonnen. Im Juni 2013 begann sie dann mit dem Bau des genehmigten Vorhabens. Am 12. Mai 2014 fand eine Besprechung der Antragstellerin zu 1) und ihres Ehemannes mit Vertretern der Beigeladenen vor Ort auf der Baustelle statt. Zu diesem Zeitpunkt war der Wohnkomplex bereits ein- bis zweigeschossig im Rohbau errichtet.
- 5
Am 20. September 2014 starb der Vater der Antragstellerinnen kurz vor seinem 100. Geburtstag. Nach seinem Testament vom 16. Dezember 2010 sind die beiden Antragstellerinnen je zur Hälfte als Erben eingesetzt. Dieses Testament wurde am 17. Oktober 2014 durch das Amtsgericht Hamburg eröffnet. Ein Erbschein liegt bisher nicht vor. Mit Schreiben vom 15. Juni 2015 wies der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen den Ehemann der Antragstellerin zu 1) darauf hin, dass von dem nicht genehmigten Flachdachbau x an der Grenze des Vorhabengrundstücks Beeinträchtigungen ausgehen würden und dieses Gebäude die Abstandsflächen nicht einhalte.
- 6
Daraufhin legte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen am 26. Juni 2015 Widerspruch gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ein. Am selben Tag hat er den vorliegenden Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung tragen die Antragstellerinnen u.a. vor, dass das Recht gegen die Baugenehmigung vorzugehen nicht verwirkt sei. Die Verwirkung von Nachbarrechten sei in § 71 Abs. 3 Satz 4 der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) speziell geregelt. Weder die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm noch die einer Verwirkung nach allgemeinen Grundsätzen lägen vor. Dies gelte zum einen für das Zeitmoment. Der fast 100jährige Vater der Antragstellerinnen und bisherige Eigentümer habe bis zuletzt das „Heft in der Hand“ gehabt. Erst nach dem Tod ihres Vaters hätten die Antragstellerinnen sich nach und nach um die Angelegenheiten kümmern können. Dies habe sich bis Ende des Jahres 2014 hingezogen. Eine Auseinandersetzung mit der Beigeladenen habe vermieden werden sollen. Erst das Schreiben vom 15. Juni 2015 habe das „Fass zum Überlaufen gebracht“. Jedenfalls habe keine zuverlässige Kenntnis von der Baugenehmigung vorgelegen. Bei der Besprechung am 12. Mai 2014 seien die geplante Höhe des Gebäudes und damit auch die Nichteinhaltung der Abstandsflächen nicht ersichtlich gewesen. Die Höhe und Wirkung des Gebäudes der Beigeladenen sei erst nach der vollständigen Errichtung erkennbar gewesen.
- 7
Auch ein Vertrauenstatbestand der Beigeladenen liege nicht vor. Diese habe nicht darauf vertrauen können, dass die Antragstellerinnen ihre Nachbarrechtsbehelfe nicht mehr einlegen werden.
- 8
Weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene könnten sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, da sich beide ihrerseits treuwidrig verhalten hätten. Die Antragsgegnerin habe die Baugenehmigung den Antragstellerinnen und dem Ehemann der Antragstellerin zu 1) bis zum Einlegen des Widerspruchs nicht bekanntgegeben, obwohl sie andere Nachbarn am Verfahren beteiligt und ihnen die Baugenehmigung bekanntgegeben habe. Die Beigeladene habe sich nicht an das Abstandsflächengebot der Hamburgischen Bauordnung gehalten und den Antragstellerinnen die wahre Dimension des Vorhabens nicht mitgeteilt. Besonders treuwidrig sei vor diesem Hintergrund die Berufung der Beigeladenen auf die Grenzabstandsverletzung durch das Gebäude x. Hätte es diese Treuwidrigkeit nicht gegeben, hätte das anhängige Verfahren vermieden werden können. Angesichts des Umfangs des Bauprojektes erscheine die Nichtbeteiligung der Antragstellerinnen und ihres Vaters als „kollusives Zusammenwirken“ der Antragsgegnerin und der Beigeladenen. Darüber hinaus komme eine Verwirkung im Bereich des Bauordnungsrechts nicht in Betracht.
- 9
Materiell-rechtlich verstoße die Baugenehmigung gegen das Abstandsflächengebot des § 6 HBauO und gegen den Brandschutz. Die Befreiung von der Baulinie sei rechtswidrig. Darüber hinaus sei das Vorhaben der Beigeladenen rücksichtslos. Insbesondere liege eine erdrückende Wirkung vor. Davon unabhängig habe die Beigeladene bei der Bauausführung die in der Baugenehmigung vorgesehenen Baugrenzen nicht eingehalten.
- 10
Die Antragsgegnerin trägt vor, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen der eingetretenen Verwirkung bereits unzulässig sei.
- 11
Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen führt u.a. aus, dass die Voraussetzungen der Verwirkung gegeben seien. Eine Verwirkung liege nach Ablauf eines Jahres ab dem Zeitpunkt, in dem der Nachbar Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt habe oder hätte erlangen können, vor. Die Möglichkeit einer Kenntniserlangung sei jedenfalls mit Baubeginn gegeben. Die Antragstellerinnen müssten sich die Möglichkeit der Kenntniserlangung ihres Vaters als Rechtsvorgänger zurechnen lassen.
- 12
Ein Mitarbeiter der Beigeladenen hat eidesstattlich versichert, dass an der Besprechung am 12. Mai 2014 auch die Antragstellerin zu 1) teilgenommen habe. Die Baustelleneinrichtung habe zu diesem Zeitpunkt unmittelbar an das Gebäude x gegrenzt.
- 13
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2015 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerinnen gegen die Baugenehmigung der Beigeladenen zurückgewiesen. Der Widerspruch sei unzulässig. Das Recht, Widerspruch einzulegen, sei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwirkt. Spätestens nach Beginn der Bauarbeiten im Juni 2013 habe sich der Rechtsvorgänger der Antragstellerinnen nicht mehr der Kenntnisnahme entziehen können. Ab diesem Zeitpunkt habe er sich bei der Antragsgegnerin erkundigen müssen, ob und welche Baugenehmigung der Beigeladenen erteilt worden sei.
II.
- 14
Der Antrag hat keinen Erfolg, weil er unzulässig ist. Zwar ist der Antrag – entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen – nicht deshalb unzulässig, weil die Antragstellerinnen neben dem vorliegenden Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO auch einen behördlichen Aussetzungsantrag gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 4 VwGO gestellt haben. Denn das allgemeine Rechtsschutzinteresse entfällt in dieser Konstellation nur, wenn die Behörde die Aussetzung der Vollziehung bereits verfügt hat (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: 2015, § 80, Rn. 498). Dies ist hier nicht der Fall.
- 15
Jedoch folgt die Unzulässigkeit des Antrags aus der entgegenstehenden Bestandskraft der Baugenehmigung soweit diese seit dem Erlass am 10. Mai 2013 inhaltlich unverändert ist (1.). In Bezug auf die durch die beiden Änderungsbescheide vom 11. November 2014 und vom 26. Februar 2015 herbeigeführten Änderungen der Baugenehmigung fehlt es den Antragstellerinnen an der Antragsbefugnis (2.).
- 16
1. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerinnen gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in der ursprünglichen Fassung vom 10. Mai 2013 kommt nicht mehr in Betracht, weil diese den Antragstellerinnen gegenüber bestandskräftig geworden ist (vgl. zur Unzulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in diesen Fällen: OVG Münster, Beschl. v. 24.5.2011, 14 B 391/11, juris Rn. 4 f.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., 2014, Rn. 129).
- 17
Die Bestandskraft folgt allerdings nicht aus dem Versäumen der Frist des § 70 VwGO, da die Baugenehmigung weder den Antragstellerinnen noch ihrem Vater gegenüber bekanntgegeben wurde.
- 18
Jedoch führt der den Bestimmungen der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO zu entnehmende Rechtsgedanke in Verbindung mit dem Grundsatz aus Treu und Glauben zur Bestandskraft der Baugenehmigung vom 10. Mai 2013 gegenüber den Antragstellerinnen.
- 19
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekanntgegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Widerspruchsfrist regelmäßig nach den Vorschriften der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO (hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urt. v. 25.1.1974, IV C 2.72, juris, Rn. 23 ff.; Beschl. v. 28.8.1987, 4 N 3/86, juris, Rn. 12 ff.). Dies folgt aus dem zwischen Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist. Das Gemeinschaftsverhältnis verpflichtet den Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen möglichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat. Für den Verlust des Widerspruchsrechts nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles entscheidend, wobei es auf die Gegebenheiten auf beiden Seiten dieses Verhältnisses ankommt (BVerwG, Beschl. v. 28.8.1987, a.a.O., Rn. 17).
- 20
Für den Beginn der Jahresfrist ist nicht lediglich auf die Kenntnis bzw. die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste Risiken und Beeinträchtigungen abzustellen. Dies folgt aus der Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus dem vom Grundsatz von Treu und Glauben geprägten nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis (hierzu und zum Folgenden: VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, 10 S 2693/09, juris, Rn. 38 f.). Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht erforderlich, dass der Nachbar die Beeinträchtigung durch ein Vorhaben tatsächlich erkannt hat; es genügt ebenfalls die Erkennbarkeit. Davon ist zum einen auszugehen, wenn sich das Vorliegen der Genehmigung (einschließlich der subjektiven Beeinträchtigung) aufdrängt. Ferner ist es ausreichend, wenn es dem Nachbarn möglich und zumutbar war, sich über diese Umstände Gewissheit zu verschaffen, etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder der Behörde. Eine Ermittlungspflicht des Nachbarn hinsichtlich des Vorliegens einer Baugenehmigung, deren Inhalts und möglicher Beeinträchtigungen besteht etwa, wenn ein deutlich wahrnehmbares Baugeschehen vorliegt (VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, a.a.O., Rn. 40; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.4.2010, OVG 10 S 5.10, juris, Rn. 16). Die aus dem Rechtsgedanken des § 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist kann frühestens mit der Erteilung der Baugenehmigung zu laufen beginnen (VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, a.a.O., Rn. 44).
- 21
Gemessen an diesem Maßstab konnten die Antragstellerinnen mit ihrem Widerspruch vom 26. Juni 2015 unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Widerspruchsfrist wahren.
- 22
a) Die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Jahresfrist ist vorliegend anwendbar. Das Gericht unterstellt in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugunsten der Antragstellerinnen, dass sie aufgrund des Testaments vom 16. Dezember 2010 (Bl. 64 ff. d.A.) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Eigentümerinnen des Flurstücks … mit den beiden Gebäuden x und y geworden sind. Der Eigentümer des Flurstücks … (der Vater der Antragstellerinnen bis zu seinem Tod, danach die Antragstellerinnen selbst) steht mit der Beigeladenen als Eigentümerin des unmittelbar angrenzenden Flurstücks … in einem nachbarschaftlichen besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist.
- 23
Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen ist die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Jahresfrist nicht deshalb unanwendbar, weil sich die Antragsgegnerin und die Beigeladene selbst treuwidrig verhalten hätten, indem sie die Baugenehmigung den Antragstellerinnen bzw. ihrem Vater nicht bekanntgegeben hätten. Dass die Baugenehmigung den Antragstellern bzw. ihrem Vater nicht bekanntgegeben wurde, hindert nicht die Anwendung dieser Fallgruppe, sondern ist gerade die Voraussetzung für das Eingreifen der Jahresfrist. Bei einer Bekanntgabe der Baugenehmigung kommt es hingegen zum Lauf der Monatsfrist des § 70 VwGO.
- 24
Etwas anderes folgt nicht aus dem von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen zitierten Beschluss des OVG Greifswald (Beschl. v. 14.7.2004, 3 M 152/04, juris, Rn. 7) und der Tatsache, dass die Baugenehmigung anderen Nachbarn bekanntgegeben wurde. Das OVG Greifswald äußert sich nicht zu der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist, sondern zu der Frage, wie ein Nachbarschaftsstreit zu behandeln ist, in dem beide Seiten das Grenzabstandsgebot verletzen. Diese Wertung ist nicht auf den vorliegenden Fall der fehlenden Bekanntmachung der Baugenehmigung zu übertragen. Zum einen ist schon fraglich, ob eine Rechtspflicht der Antragsgegnerin bestand, den Vater der Antragstellerinnen im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen. Denn es ist zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin erwarten musste, dass durch die Befreiungs- und Abweichungsentscheidungen im Baugenehmigungsverfahren seine öffentlich-rechtlich geschützten Rechte berührt werden (vgl. § 71 Abs. 3 Satz 1 HBauO). Dagegen spricht, dass der Vater der Antragstellerinnen im Bebauungsplanverfahren … keine Einwendungen geltend gemacht hat. Selbst wenn die Antragsgegnerin gegen die Beteiligungspflicht verstoßen haben sollte, führt dies lediglich dazu, dass die Präklusion des Nachbarn gemäß § 71 Abs. 3 Satz 4 HBauO nicht zur Anwendung kommt. Weitergehende Auswirkungen auf das von Treu und Glauben geprägte Nachbarrechtsverhältnis hat ein Verstoß gegen die Beteiligungspflicht nicht.
- 25
Zum anderen wäre ein möglicher Verstoß gegen die Bekanntmachungspflicht nicht der Beigeladenen, sondern der Behörde zuzurechnen. Der Grundsatz von Treu und Glauben besteht aber nur zwischen den jeweiligen Grundstücksnachbarn. Dem Bauherrn sind Rechtsverstöße der Baubehörde im Verwaltungsverfahren grundsätzlich nicht zuzurechnen.
- 26
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen, dass ein „kollusives Zusammenwirken“ zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen im Rahmen der Nichtbeteiligung der Antragstellerinnen bzw. ihres Vaters vorliege (Bl. 452 f. d.A.). Dieser Vortrag bleibt unsubstantiiert. Es fehlen jegliche Details zu einem möglichen Zusammenwirken der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu Lasten der Antragstellerinnen bzw. ihres Vaters. Unabhängig davon stellt die bloße Nichtbeteiligung eines Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren auch keinen der Beigeladenen als Bauherrn zurechenbaren Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Der Bauherr ist weder nach dem geltenden Recht noch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, den Nachbarn über die Erteilung einer Baugenehmigung zu informieren. Ob etwas anderes gelten würde, wenn die Antragstellerinnen die Beigeladene nach dem Vorliegen einer Baugenehmigung gefragt hätten und diese das Vorhandensein verschwiegen hätte, kann dahinstehen, denn einen solchen Sachverhalt haben die Antragstellerinnen nicht vorgetragen und er ist auch sonst nicht ersichtlich.
- 27
Schließlich ist die Anwendbarkeit der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beigeladene von den Antragstellerinnen mit Schreiben vom 15. Juni 2015 die Beseitigung der von der Beigeladenen geltend gemachten Nachbarrechtsbeeinträchtigungen verlangt hat. Unabhängig davon, ob es sich dabei um ein treuwidriges Verhalten handelt, kann es an der Bestandskraft der Baugenehmigung nichts mehr ändern, da dieses Schreiben nach Ablauf der Jahresfrist und damit nach Eintritt der Bestandskraft erfolgte. Allerdings weist das Gericht in diesem Zusammenhang daraufhin, dass der Ablauf der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist nicht zwingend auch zu einer materiellen Verwirkung der Baunachbarrechte der Antragstellerinnen im Verhältnis zu der Beigeladenen führt, da beide Fallgruppen andere Voraussetzungen haben.
- 28
b) Die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs lief in jedem Fall vor dem 26. Juni 2015 ab. Zwar haben nach dem von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen nicht widersprochenem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen, an dem auch sonst kein Zweifel besteht, weder die Antragstellerinnen noch ihr Vater vor dem 26. Juni 2015 ein Exemplar der Baugenehmigung erhalten und damit Kenntnis von dem Inhalt der Baugenehmigung erlangt.
- 29
Jedoch ist in jeder denkbaren Fallgestaltung vor dem 26. Juni 2015 die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs ab dem Zeitpunkt, an dem der Vater der Antragstellerinnen als Eigentümer des Flurstücks … Kenntnis von der Baugenehmigung vom 10. Mai 2013 hätte erlangen müssen, abgelaufen.
- 30
aa) Die Jahresfrist begann spätestens im Juni 2013 zu laufen, wenn es bei der Frage, wann ein Nachbar Kenntnis von dem Inhalt einer Baugenehmigung für ein Vorhaben auf dem Nachbargrundstück hätte haben müssen, auf die Person eines „gewöhnlichen Nachbarn“, unabhängig von den konkreten Fähigkeiten, dem Alter und dem Gesundheitszustand des Nachbarn, ankommt (so wohl: OVG Berlin, Urt. v. 20.12.2005, OVG 10 B 10/05, juris, Rn. 11, 23 f.; das OVG Berlin geht nicht auf den Vortrag ein, dass die Nachbarin, die hätte Kenntnis erlangen müssen, bettlägerig und schwer krank gewesen sei).
- 31
Zwar wäre auch in diesem Fall nicht auf den Zeitpunkt des Beginns der umfangreichen Abrissarbeiten im Februar 2012 abzustellen, da die Frist aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO frühestens mit der Erteilung der Baugenehmigung zu laufen beginnt. Jedoch drängte sich in diesem Fall einem „gewöhnlichen Nachbarn“ das Vorliegen einer Baugenehmigung mit dem Beginn der umfangreichen Bauarbeiten im Juni 2013 auf und ein „gewöhnlicher Nachbar“ wäre verpflichtet gewesen, sich aufgrund des Beginns der Bauarbeiten bei der Antragsgegnerin oder bei der Beigeladenen über das Vorliegen und den Inhalt der Baugenehmigung zu informieren. Aufgrund der Größe des Vorhabens der Beigeladenen und der Nähe zum Flurstück …, war es für einen „gewöhnlichen Nachbarn“ auch ab dem Beginn der Bauarbeiten erkennbar, dass mit dem Vorhaben Beeinträchtigungen für sein eigenes Grundstück verbunden sein könnten.
- 32
In diesem Fall lief die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs im Juni 2014 ab und die Baugenehmigung wurde schon dem Vater der Antragstellerinnen gegenüber bestandskräftig. Diese Bestandskraft gilt auch gegenüber den Antragstellerinnen als Gesamtrechtsnachfolgerinnen ihres Vaters (vgl. zur dinglichen Rechtsnatur der Abwehrrechte des Nachbarn: OVG Magdeburg, Beschl. v. 4.6.2012, 2 L 56/11, juris, Rn. 7 m.w.N.).
- 33
bb) Dasselbe gilt für den Fall, dass es bei der Frage, wann ein Nachbar Kenntnis von dem Inhalt einer Baugenehmigung für ein Vorhaben auf dem Nachbargrundstück hätte haben müssen auf die jeweilige Person des Nachbarn, abhängig von seinen konkreten Fähigkeiten, seinem Alter und seinem Gesundheitszustand ankommt und der Vater der Antragstellerinnen – wie von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen vorgetragen (Bl. 9 d.A.) – bis zuletzt das „Heft in der Hand hatte“ und die Entscheidungen in Bezug auf sein Grundstück selbst gefällt hat. Wenn der Vater der Antragstellerinnen trotz seines hohen Alters die Verantwortung für sein Grundstück und diesbezügliche Entscheidungen nicht aus der Hand gegeben hat, dann muss er sich von der Rechtsordnung – schon zum Schutz der übrigen Teilnehmer des Rechtsverkehrs – so behandeln lassen, als wenn er auch körperlich und geistig in der Lage wäre, die Vorgänge auf seinem Grundstück und in der Nachbarschaft zu erfassen. Insoweit hätte er die Baugenehmigung, ihren Inhalt und die sich für sein Grundstück daraus ergebenden Risiken spätestens ab Beginn der umfangreichen Bauarbeiten im Juni 2013 erkennen müssen.
- 34
cc) Wenn es bei der Frage, wann ein Nachbar Kenntnis von dem Inhalt einer Baugenehmigung für ein Vorhaben auf dem Nachbargrundstück hätte haben müssen, auf die jeweilige Person des Nachbarn, abhängig von seinen konkreten Fähigkeiten, seinem Alter und seinem Gesundheitszustand ankommt und der Vater der Antragstellerinnen – wie von dem Beigeladenen-Vertreter mit seinen Zweifeln an der Testierfähigkeit des Vaters der Antragstellerinnen angedeutet (Bl. 211 d.A.) – geistig und körperlich nicht mehr in der Lage war, Entscheidungen in Bezug auf sein Grundstück zu treffen, dann hätte der Vater der Antragstellerinnen spätestens am 12. Mai 2014 Kenntnis von der Baugenehmigung und ihrem Inhalt erlangen müssen.
- 35
In diesem Fall wäre zwar nicht auf den Beginn der Bauarbeiten auf dem Vorhabengrundstück abzustellen, da aufgrund der geistigen und körperlichen Lage des Vaters der Antragstellerinnen in diesem Szenario nicht hinreichend sicher feststeht, dass er selbst noch Kenntnis von den Aktivitäten auf dem Nachbargrundstück hätte nehmen können.
- 36
Jedoch musste sich der Vater der Antragstellerinnen in diesem Fall die Kenntnis bzw. das „Kennenmüssen“ der Antragstellerin zu 1) und ihres Ehemannes seit dem 12. Mai 2014 zurechnen lassen. Am 12. Mai 2014 fand nach Angaben der Beigeladenen, denen die Antragstellerinnen nicht widersprochen haben und an denen auch sonst kein Zweifel besteht, ein Treffen zwischen dem Ehemann der Antragstellerin zu 1) als Bevollmächtigtem des Vaters der Antragstellerinnen, der Antragstellerin zu 1) und Vertretern der Beigeladenen auf der Baustelle auf dem Vorhabengrundstück statt. Dabei wurde über beide Nachbargrundstücke betreffende Angelegenheiten – u.a. einen an der Grenze zwischen dem Flurstück … und dem Vorhabengrundstück stehenden Baum und über das Lüftungskonzept des in dem Gebäude x betriebenen Restaurants – gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt war der Wohnkomplex auf dem Vorhabengrundstück bereits ein- bis zweigeschossig im Rohbau errichtet, so dass die Ausmaße des Vorhabens und die mit ihnen möglicherweise verbundenen Risiken für alle Teilnehmer des Treffens erkennbar waren. Diese Kenntnis bzw. das „Kennenmüssen“ des Ehemanns der Antragstellerin zu 1), der bei dem Treffen am 12. Mai 2014 als Bevollmächtigter aufgetreten ist, musste sich der Vater der Antragstellerin gemäß des allgemeinen Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen (vgl. Schilken in: Staudinger, BGB, 2014, § 166, Rn. 3 f.). Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn der Ehemann der Antragstellerin zu 1) eigenmächtig und ohne Kenntnis des Vaters der Antragstellerinnen für diesen tätig geworden wäre. Für ein solches eigenmächtiges Vorgehen des Ehemanns der Antragstellerin zu 1), das die Antragstellerinnen nicht vorgetragen haben, bestehen keine Anhaltspunkte.
- 37
In Bezug auf das Kennenmüssen des Ehemanns der Antragstellerin zu 1) am 12. Mai 2014 ist unerheblich, dass nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen zu diesem Zeitpunkt Art und Umfang des Bauvorhabens hinsichtlich der Höhe und der Grenzabstände noch nicht erkennbar gewesen seien. Denn eine Ermittlungspflicht des Nachbarn hinsichtlich des Vorliegens einer Baugenehmigung, deren Inhalts und möglicher Beeinträchtigungen besteht nach der Rechtsprechung des VGH Mannheims und des OVG Berlin-Brandenburgs, der sich die Kammer anschließt, bereits dann, wenn ein deutlich wahrnehmbares Baugeschehen vorliegt. Dies war am 12. Mai 2014 der Fall (vgl. Bl. 222 d.A.).
- 38
Auch der Tod des Vaters der Antragstellerinnen am 20. September 2014 ändert nichts daran, dass die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs auch in dieser Fallgestaltung unter jedem denkbaren Gesichtspunkt vor dem 26. Juni 2015 abgelaufen ist. Die Auswirkungen des Todes eines Nachbarn auf den Lauf der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs ist – soweit ersichtlich – in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft noch nicht geklärt.
- 39
(1) Nach Auffassung der Kammer führt der Tod des Vaters der Antragstellerinnen nicht zu einer Unterbrechung des Fristablaufs analog § 239 ZPO, denn eine solche analoge Anwendung scheidet aus. Zwar wird die analoge Anwendung des § 239 ZPO auf laufende Verwaltungsverfahren grundsätzlich befürwortet (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 13, Rn. 63). Jedoch besteht zwischen dem Nachbarn und der Baubehörde in den Fällen, in denen dem Nachbarn die Baugenehmigung nicht bekanntgegeben wurde und er noch keinen Widerspruch eingelegt hat, kein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 9 VwVfG. Da sich der Nachbar nicht mit einem Antrag an die Behörde gewandt hat und diese nicht von Amts wegen gegenüber dem Nachbarn tätig geworden ist, wurde noch kein Verwaltungsverfahren eingeleitet (vgl. § 22 VwVfG). Wenn aber kein laufendes Verwaltungsverfahren gegeben ist, kann § 239 ZPO, der bei einer analogen Anwendung ein laufendes Verwaltungsverfahren voraussetzt, nicht eingreifen.
- 40
Unabhängig davon scheidet eine analoge Anwendung des § 239 ZPO auf die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs nach Sinn und Zweck dieser Ausschlussfrist aus. Diese Frist soll verhindern, dass der Nachbar ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zuwartet und damit verhindern, dass die Bestandskraft einer Baugenehmigung auf unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.1.1974, IV C 2.72, juris, Rn. 23 ff.; Beschl. v. 28.8.1987, 4 N 3/86, juris, Rn. 12 ff.; zum Charakter des § 58 Abs. 2 VwGO als Ausschlussfrist: Meissner/Schenk in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 2015, § 58, Rn. 65 m.w.N.). Würde § 239 ZPO analog zur Anwendung kommen, würde die Jahresfrist die ihr zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen können. Denn jeder Rechtsnachfolger eines Nachbarn könnte – ohne Konsequenzen befürchten zu müssen – mit der Aufnahme des Verfahrens so lange warten, bis er nach § 239 Abs. 2 ZPO von der Baubehörde oder dem Bauherrn zu einem Termin zur Aufnahme des Verfahrens geladen würde. Da der Baubehörde und dem Bauherrn der Tod eines Nachbarn in der Regel nicht mitgeteilt wird und es regelmäßig auch keine für die Baubehörde oder den Bauherrn wahrnehmbaren Anhaltspunkte für den Tod eines Nachbarn gibt, würde die Bestandskraft einer Baugenehmigung in diesen Fällen auf unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben.
- 41
(2) Es kann dahinstehen, ob § 211 BGB analog auf die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs anzuwenden ist. Denn unabhängig davon, ob § 211 BGB analog anzuwenden ist oder nicht, ist die Jahresfrist vor dem 26. Juni 2015 abgelaufen.
- 42
Wenn der Lauf der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgenden Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs von dem Tod des Nachbarn nicht berührt wird und § 211 BGB nicht analog anzuwenden ist, dann ist die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs am 12. Mai 2015 abgelaufen.
- 43
Wenn § 211 BGB analog anzuwenden ist – dafür spricht aus der Sicht der Kammer, dass der Rechtsnachfolger im Erbfall einen angemessenen Zeitraum zur Verfügung haben sollte, um sich noch fristwahrend um die Nachlassangelegenheiten kümmern zu können –, endete die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs am 28. Mai 2015. Gemäß § 211 BGB tritt die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen wird. Nach § 1943 BGB gilt die Erbschaft mit Ablauf der Ausschlagungsfrist als angenommen. Gemäß § 1944 BGB läuft die Ausschlagungsfrist sechs Wochen nach Testamentseröffnung ab. Vorliegend wurde das Testament am 17. Oktober 2014 durch das Amtsgericht Hamburg eröffnet (Bl. 22 d.A.). Damit lief die Ausschlagungsfrist am 28. November 2014 ab. Bei einer analogen Anwendung des § 211 BGB lief die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach der Annahme der Erbschaft mit Ablauf des 28. November 2014 und damit am 28. Mai 2015 ab.
- 44
c) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen ist für den Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, außer der Untätigkeit des Nachbarn kein zusätzliches Verhalten des Nachbarn, das auf einen Verzicht auf die Rechtsausübung hindeutet und auch kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich (vgl. hierzu und zum Folgenden: VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, 10 S 2693/09, juris, Rn. 41 f.). Unerheblich ist mithin, ob der Bauherr ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und dieses schutzwürdig ist. Denn die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterscheidet streng zwischen dem Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen auf der einen Seite und der Verwirkung des Widerspruchsrechts oder gar des materiellen Abwehranspruchs auf der andern Seite. Der Verlust des verfahrensmäßigen Rechts aufgrund von Zeitablauf und die Verwirkung des Widerspruchsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit des Widerspruchs). Auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen. So kommt eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nach den Umständen des Einzelfalles auch bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Betracht. Eine Verwirkung hat jedoch zusätzlich zur Voraussetzung, dass der Genehmigungsempfänger aus aktivem Tun des Nachbarn oder einer ihm gleichzusetzenden Duldung auf dessen Einverständnis schließen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.2.1989, 4 B 28/89, juris, Rn. 6).
- 45
Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen können diese vom Bundesverwaltungsgericht für die Verwirkung aufgestellten zusätzlichen Anforderungen an die Vertrauensbetätigung des Bauherrn nicht auf die hier in Rede stehende Fallgruppe der entsprechenden Anwendung von §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO übertragen werden (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, a.a.O., Rn. 42). Gegenteiliges kann auch den von dem Prozessbevollmächtigten zitierten Entscheidungen (BVerwG, Urt. v. 16.5.1991, 4 C 4/89; Urt. v. 10.8.2000, 4 A 11/99; OVG Münster, Urt. v. 9.4.1992, 7 A 1521/90; Beschl. v. 7.8.1998, 11 B 1555/98, juris; OVG Koblenz, Urt. v. 1.6.2011, 8 A 10196/11, alle in juris) nicht entnommen werden. Diese Entscheidungen setzen sich mit den (anders gelagerten) Voraussetzungen der formellen (BVerwG, Urt. v. 16.5.1991, a.a.O., Rn. 27 f.; Urt. v. 10.8.2000, a.a.O., Rn. 15 ff.) bzw. materiellen (BVerwG, Urt. v. 16.5.1991, a.a.O., Rn. 19-25; OVG Münster, Urt. v. 9.4.1992, a.a.O., Rn. 15 ff.; Beschl. v. 7.8.1998, a.a.O., Rn. 11 ff.; OVG Koblenz, Urt. v. 1.6.2011, a.a.O., Rn. 63 ff.) Verwirkung eines Baunachbarrechts auseinander und nicht mit den Voraussetzungen der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO und dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs.
- 46
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen herangezogenen Beschluss des erkennenden Gerichts vom 6. Januar 2014 (9 E 2814/13, juris, Rn. 32 f.). Auch dieser Beschluss betrifft eine andere Fallgruppe. In dem damaligen Verfahren ging es um die Frage, ob das Recht einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu stellen, verwirkt sein konnte, obwohl in der Hauptsache bereits ein zulässiger Rechtsbehelf (Klage) fristgerecht eingelegt worden war. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, weil es hier um die Frage geht, ob der Rechtsbehelf in der Hauptsache (Widerspruch) nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Baunachbarverhältnis unzulässig ist.
- 47
d) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen ist die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Jahresfrist zur Einlegung eines Widerspruchs auf alle Baunachbarrechtsstreitigkeiten unabhängig davon anzuwenden, ob der Nachbar die Verletzung bauplanungsrechtlicher oder bauordnungsrechtlicher Regelungen geltend macht. Die von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen geltend gemachte fehlende Verwirkung im Bereich des Bauordnungsrechts (unter Verweis auf: OVG Lüneburg, Urt. v. 22.3.2001, 1 L 4487/99, juris) bezieht sich auf die Verwirkung der Befugnisse der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten wegen baurechtswidriger Zustände. Zur Frage der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist trifft diese Entscheidung keine Aussage. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum hinsichtlich dieser Jahresfrist zwischen der Verletzung bauplanungsrechtlicher oder bauordnungsrechtlicher Regelungen unterschieden werden sollte. Insbesondere wird durch die Jahresfrist die baurechtliche Gefahrenabwehr nicht beeinträchtigt, denn diese ist nicht Aufgabe der Nachbarn sondern der Bauaufsichtsbehörde.
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e) Der Bestandskraft der Baugenehmigung, soweit diese seit dem Erlass am 10. Mai 2013 inhaltlich unverändert ist, steht auch nicht der Erlass der beiden Änderungsbescheide vom 11. November 2014 und vom 26. Februar 2015 entgegen. Zwar ist die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Jahresfrist zur Einlegung eines Widerspruchs hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 11. November 2014 und vom 26. Februar 2015 noch nicht abgelaufen. Dies bezieht sich allerdings nur auf die Bestandteile der Baugenehmigung, die durch die Änderungsbescheide geändert wurden. Denn nur soweit die Baugenehmigung durch die Änderungsbescheide geändert wurde, steht die Bestandskraft der Baugenehmigung Nachbarrechtsbehelfen nicht weiter entgegen (vgl. zu der in Bezug auf die Bestandskraft vergleichbaren Anfechtung einer atomrechtlichen Genehmigung durch einen Dritten: BVerwG, Urt. v. 21.8.1996, 11 C 9/95, juris, Rn. 34). In Bezug auf die unveränderten Bestandteile der Baugenehmigung wirkt die Bestandskraft fort.
- 49
2. In Bezug auf die durch die beiden Änderungsbescheide vom 11. November 2014 und vom 26. Februar 2015 herbeigeführten Änderungen der Baugenehmigung fehlt es den Antragstellerinnen an der Antragsbefugnis.
- 50
Zwar unterstellt das Gericht in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugunsten der Antragstellerinnen, dass sie im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Eigentümerinnen des Flurstücks … mit den beiden Gebäuden x und y geworden sind [s.o. 1. a)]. Jedoch hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen nicht vorgetragen und erscheint es auch sonst ausgeschlossen, dass die Antragstellerinnen durch die Änderungen der Baugenehmigung, die durch die Änderungsbescheide erfolgten, in ihren Rechten verletzt werden. Der erste (negative) Änderungsbescheid vom 11. November 2014 (Schriftstück S-211 der Bauakte) kann sich nicht auf die Rechte der Antragstellerinnen auswirken, da eine Änderung der Baugenehmigung abgelehnt wurde. Der zweite Änderungsbescheid vom 26. Februar 2015 (Schriftstück S-217 der Bauakte) beinhaltet ausnahmslos Änderungen, die die Rechte der Antragstellerinnen nicht betreffen und nicht beeinträchtigen. Dies gilt für die Erweiterung der Dachbegrünung auf alle Gebäude, für die Änderung der Feuerwehraufstellflächen, für die Änderung der Gestaltung der von dem Flurstück … nicht einsehbaren Fassaden im Blockinnenbereich und für die Umnutzung der ursprünglich als Abstellraum geplanten Fläche im Dachgeschoss des Hauses H 1 als zusätzliche Wohneinheit. Durch die Umnutzung der Räume ändert sich die Gebäudeform und -höhe nicht. Außerdem ist der betreffende Teil des Hauses H 1, dessen Nutzung geändert wird, etwa dreißig Meter von der Grenze des Grundstücks der Antragstellerinnen entfernt.
- 51
3. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen darauf hinweist, dass die Vorgaben der Baugenehmigung – etwa in Bezug auf die Baugrenzen (Bl. 369 d.A.) – bei der Bauausführung nicht eingehalten werden, ist darauf hinzuweisen, dass der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist. Ob die Vorgaben der Baugenehmigung bei der Bauausführung tatsächlich eingehalten werden, hat auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung keine Auswirkungen.
III.
- 52
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat einen erfolgreichen Antrag gestellt, so dass es der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten den Antragstellerinnen aufzuerlegen.
- 53
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei folgt die Kammer der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, wonach der Streitwert für eine baurechtliche Nachbarklage in einem Hauptsacheverfahren einem Rahmen zwischen 7.500,-- und 30.000,-- Euro zu entnehmen ist (OVG, Beschl. v. 29.11.2006, 2 Bs 148/06, juris). Hier hält die Kammer einen Streitwert von 15.000,-- Euro für angemessen. Da es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, ist dieser Wert zu halbieren.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache erfolglos.
- 2
Die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 VwGO liegen nicht vor.
- 3
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung eines Anbaus im Erdgeschoss sowie von Balkonen im rückwärtigen Bereich des Anwesens N…straße … in T. wendet, abgewiesen. Dabei hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass das Widerspruchsrecht des Klägers verwirkt und deshalb seine Anfechtungsklage unzulässig sei. Die Geltendmachung des Widerspruchsrechts stelle sich als Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Die eingetretene Verwirkung ergebe sich zum einen daraus, dass der Kläger seinen Widerspruch erst erhoben habe, nachdem mehr als ein Jahr seit dem Zeitpunkt verstrichen sei, in dem er von der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung Kenntnis erlangt hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Insoweit sei im Grundsatz auf die Frist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO zurückzugreifen. Spätestens mit Fertigstellung des Rohbaus im Juni 2013 hätte sich ihm das Vorhandensein einer dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung aufdrängen müssen. Hiermit habe er die Jahresfrist der §§ 70 Abs. 2 und 58 Abs. 2 VwGO mit Erhebung des Widerspruchs im November 2014 erheblich überschritten. Der Kläger könne insoweit auch nicht darauf abstellen, dass er selbst das Nachbaranwesen nicht bewohne, sondern dieses vermietet habe. Vielmehr sei er verpflichtet, sich von Zeit zu Zeit über mögliche Bauvorhaben in der Nachbarschaft zu vergewissern. Durch die Untätigkeit über einen Zeitraum von fast eineinhalb Jahren hinweg sei bei dem Beigeladenen ein Vertrauen darauf entstanden, dass er, der Kläger, sein Widerspruchsrecht nicht mehr geltend machen würde. Auf der Grundlage dieses Vertrauens habe der Beigeladene vermögenswirksame Dispositionen getroffen und damit dieses Vertrauen ausgeübt.
- 4
An der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
- 5
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Klage deshalb als unzulässig erweist, weil es an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens fehlt. Dabei ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aber bereits auf eine Unzulässigkeit des Widerspruchs allein wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO abzustellen, auf die auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung maßgeblich Bezug genommen hat. Hiernach bedarf es aber nicht der Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen der Verwirkung des Widerspruchsrechtes, also insbesondere das Entstehen eines Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen und das hierauf beruhende Eingehen vermögenswirksamer Dispositionen, vorliegen.
- 6
Das Bundesverwaltungsgericht leitet aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben ab, dass der Nachbar, dem eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung nicht bekannt gegeben worden ist, der aber auf andere Weise zuverlässig Kenntnis von der Existenz dieser Baugenehmigung erlangt hat, sich so behandeln lassen muss, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung amtlich bekannt gegeben worden. Der Kenntniserlangung von einer Baugenehmigung steht dabei wiederum nach den Grundsätzen von Treu und Glauben der Umstand gleich, dass der Nachbar das Vorliegen einer Baugenehmigung hätte kennen müssen, weil sich ihm deren Existenz aufdrängen musste und es ihm zumutbar war, sich etwa durch Nachfrage bei der Bauaufsichtsbehörde zu dieser Frage Gewissheit zu verschaffen (vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 – IV C 2.72 –, BVerwGE 44, 294 und juris, Rn. 25; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL Juni 2016, § 70 Rn. 21).
- 7
Die Unzulässigkeit des Widerspruchs allein wegen Fristablaufs tritt dabei als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben neben das Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4.89 –, NVwZ 1991, 1182 und juris, Rn. 18 [Verlust des Widerspruchsrechts außer durch bloßen Fristablauf auch durch Verwirkung]). Die Verwirkung kann sich einerseits auf das dem Nachbarn zustehende materielle Abwehrrecht, andererseits – so wie dies vom Verwaltungsgericht angenommen wurde – auf das Verfahrensrecht des Nachbarn, gegen eine Baugenehmigung als Drittbetroffener Widerspruch einlegen zu können, beziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O; Beschluss vom 17. Februar 1989 – 4 B 28.89 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87 und juris, Rn. 2, 6; VGH BW, Urteil vom 14. Mai 2012 – 10 S 2693/09 –, BRS 79 Nr. 183 und juris, Rn. 42). Nur im Falle der Verwirkung tritt neben das Zeitmoment ein Umstandsmoment, wonach das Verhalten des Nachbarn Grundlage für die Entstehung eines Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen sein muss. Zudem muss der Bauherr aufgrund dieses Vertrauens von der Baugenehmigung Gebrauch gemacht, insbesondere vermögenswirksame Dispositionen getroffen haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 – 6 B 75.98 –, juris, Rn. 4; OVG RP, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 A 10196/11.OVG –, DVBl. 2011, 1107 und juris, Rn. 63).
- 8
Im Falle des Klägers war die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO nach den Grundsätzen von Treu und Glauben abgelaufen. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass spätestens im Zeitpunkt der Rohbaufertigstellung im Juni 2013 für ihn erkennbar war, dass im Dachgeschoss des Nachbargrundstücks ein Balkon angebaut wird, von dem die von ihm befürchteten und im Klageverfahren dargelegten Beeinträchtigungen ausgehen können. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich ihm aufdrängen müssen, dass der Anbau auf der Grundlage einer Baugenehmigung erfolgt, und es bestand für ihn Anlass, zur Frage des Vorliegens einer Baugenehmigung Erkundigungen einzuholen.
- 9
Der Kläger kann sich insoweit nicht darauf berufen, dass ihm die Kenntnisnahme zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei, da er selbst sich nur gelegentlich auf dem Grundstück aufhalte und das Anwesen vermietet habe. Bei der Frage, ob der Nachbar das Vorhandensein einer Baugenehmigung hätte kennen müssen, ist nämlich nicht auf individuelle Besonderheiten abzustellen, vielmehr ist dieser Umstand anhand eines objektiven Maßstabes zu beurteilen. Es kommt nicht darauf an, ob der betroffene Nachbar aufgrund besonderer Umstände persönlich daran gehindert war, von den objektiv von seinem Grundstück aus feststellbaren Bauarbeiten auch tatsächlich Kenntnis zu erlangen. Bei Ortsabwesenheit ist er gehalten, Vorkehrungen zu treffen, um über die sein Anwesen betreffenden Angelegenheiten informiert zu sein.
- 10
Bei Einlegung des Widerspruchs am 12. November 2014 war hiernach die Jahresfrist bereits verstrichen.
- 11
Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen Abweichens der Entscheidung des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zuzulassen. Die - vom Verwaltungsgericht noch zusätzlich erörterte - Frage der kausalen Verknüpfung zwischen einer möglichen Untätigkeit des Klägers und vermögenswerten Dispositionen des Beigeladenen erweist sich nach dem zuvor Gesagten nicht als entscheidungserheblich, da allein auf den Ablauf der Jahresfrist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO abzustellen ist.
- 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da dies nicht der Billigkeit entspricht, nachdem der Beigeladene im Zulassungsverfahren keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch nicht dem Prozessrisiko des Verfahrens ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
- 13
Der Wert des Streitgegenstandes bestimmt nach den §§ 47 und 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. ... der Gemarkung ..., ... Str. 4 a. Sie wenden sich mit ihrer am 25. September 2014 erhobenen Anfechtungsklage gegen eine von der Beklagten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 25. September 2013 für den Neubau eines Wohngebäudes mit Tiefgarage - Haus D - auf dem westlich gelegenen, nicht unmittelbar angrenzenden Grundstück FlNr. ... in der ... Straße.
Das Grundstück der Kläger ist mit einer zweigeschossigen Doppelhaushälfte sowie einer Garage an der westlichen Grundstücksgrenze bebaut. Das Wohnhaus der Kläger weist eine Traufhöhe von 5,45 m und eine Firsthöhe von 8,25 m, die Garage mit Flachdach eine Höhe von 2,30 m auf.
Mit Urteil vom 29. September 2014 hatte die erkennende Kammer ebenfalls auf Klage der Kläger die Baugenehmigung für das unmittelbar an das klägerische Grundstück westlich angrenzende Grundstück FlNr. ... für den Neubau eines Wohnhauses mit Tiefgarage - Haus E - aufgehoben (M 8 K 13.5031).
Mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung wurde die Errichtung eines viergeschossigen Gebäudes mit ausgebautem Dachgeschoss im Satteldach mit Tiefgarage genehmigt. Das Gebäude ist Teil einer Blockrandbebauung, die sich mit den Häusern A bis C von der ...-straße über die ... Straße bis in die ... Straße erstreckt. Die Häuser A bis C wurden mit Baugenehmigung vom 26. September 2013 genehmigt, die mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren M 8 K 14.4469 aufgehoben wurde.
Die Baugenehmigung vom 25. September 2013 wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren erlassen und hierbei Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen der Überschreitung der straßenseitigen Baulinie mit einer Terrasse, zwei Lüftungsschächten, dem Mülltonnenhaus und Fahrradabstellplätzen erteilt. Des Weiteren wurden gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO Abweichungen wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum westlichen Nachbargrundstück FlNr. ... im rückwärtigen Bereich und zum östlich benachbarten Grundstück FlNr. ... im straßenseitigen Bereich erteilt. Das Vorliegen einer atypischen Grundstückssituation wurde mit dem schrägen Grenzverlauf und dem schrägen Verlauf der Baulinie begründet.
Lageplan, 1:1000
Eine förmliche Bekanntmachung oder Zustellung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 25. September 2013 an die Kläger erfolgte nicht.
Mit Schriftsatz vom 25. September 2014, am selben Tag bei Gericht eingegangen, haben die Bevollmächtigten der Kläger Klage erhoben gegen den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2013 (Haus D) sowie gegen den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2013 (Häuser A bis C, M 8 K 14.4469).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beiden Bescheide seien den Klägern nicht zugestellt worden, so dass zur Fristwahrung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zugrunde zu legen sei. Die Errichtung der Häuser A bis C und D führe dazu, dass in dem Geviert, in dem das Grundstück der Kläger liege, eine geschlossene Bauweise zugelassen werde, obwohl dieser Bereich faktisch durch eine offene Bauweise geprägt sei. Die Umsetzung der Vorhaben aus den beiden Bescheiden würde in nachbarrechtsverletzender Art den Bebauungscharakter verändern. Als maßgeblich sei nur die Bebauung beiderseits der ... Straße heranzuziehen und nicht das gesamte Straßengeviert. Die Verwirklichung der Häuser A bis D führe somit zu einer rechtswidrigen Veränderung der im relevanten Gebietsumgriff vorherrschenden offenen Bauweise.
Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2014 beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen,
die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 ist die Beklagte der Klage entgegengetreten und beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es ergebe sich aufgrund der streitgegenständlichen Baugenehmigung keine Verletzung der Kläger in ihren Rechten aus der geschlossenen Bauweise. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Bauweise in die maßgebliche nähere Umgebung aus dem Quartier ...-straße, ... Straße, ... Straße und ...-straße sowie die gegenüberliegende Seite der ... Straße ein. Im Quartier befinde sich sowohl im östlichen Bereich (...-straße) bis über das Eck hinein in die ... Straße als auch im nördlichen Bereich (...-straße) und im Bereich ... Straße eine geschlossene Blockrandbebauung, wobei das hier streitgegenständliche Haus D diese lediglich fortsetze. Der kommune Anbau des streitgegenständlichen Hauses D sei somit hinsichtlich der Bauweise planungsrechtlich zulässig und füge sich in seine Umgebung ein. Zum anderen seien die Bestimmungen zur Bauweise nicht drittschützend, so dass bereits deswegen eine Nachbarrechtsverletzung der Kläger ausscheide (BVerwG, U. v. 5.12.2013 - 4 C 5.12 - juris Rn. 19). Ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot liege ebenfalls nicht vor, da eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger durch die Baugenehmigung oder ihre Ausnutzung nicht ersichtlich sei. Eine „erdrückende Wirkung“ komme nur bei übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht. Entscheidend seien die Höhe und Länge des Bauvorhabens sowie deren Distanz in Relation zur Nachbarbebauung. Vorliegend sei das klägerische Grundstück zwar zweigeschossig mit einer Doppelhaushälfte bebaut, während das Vorhaben viergeschossig sei. Zwischen dem streitgegenständlichen Haus D und dem klägerischen Grundstück liege noch das Grundstück FlNr. ... mit einer Breite von ca. 7,60 m, was einem Abstand von ca. H/2 entspräche. Damit sei eine ausreichende Distanz zur westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Anwesens vorhanden, so dass eine erdrückende Wirkung vorliegend nicht mehr angenommen werden könne. Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aufgrund einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung sowie eine unzumutbare Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse scheide aus.
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 führten die Bevollmächtigten der Beigeladenen aus, die Kläger hätten ihre Klagerechte verwirkt. Ihnen sei der Vorbescheid vom 20. Juli 2010 zugestellt worden, mit dem auf dem damaligen Flurstück ... (entspricht den Gebäuden A bis D) eine geschlossene Bauweise genehmigt worden sei. Gegen diesen Vorbescheid hätten die Kläger keine Klage eingelegt, dieser sei bestandskräftig. Die Regelungen zur Bauweise seien in die angefochtenen Baugenehmigungen übernommen worden.
Den Klägern sei auch bekannt, dass im Nachgang zum Vorbescheid Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D erteilt worden seien. Sie hätten gegen das Gebäude E ein Eilverfahren und ein Klageverfahren geführt (M 8 SN 13.5483 und M 8 K 13.5031). Die Klage sei am 31. Oktober 2013, der Antrag am 2. Dezember 2013 eingelegt bzw. gestellt worden. Die Klagen gegen die Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D seien dennoch erst mit Schriftsatz vom 25. September 2014 erhoben worden.
Angesichts dieser Vorgeschichte hätten die Kläger ihre Klagerechte verwirkt. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass ein Nachbar aufgrund des nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnisses die Pflicht habe, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eine Verwirkung eintreten könne (BayVGH, B. v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 14). Vorliegend hätten die Kläger aufgrund des Eil- und Klageverfahrens gegen das Gebäude E und der Bautätigkeit bereits Anfang Dezember 2013 vom Vorliegen der Baugenehmigung auch für die Gebäude A bis D Kenntnis erlangt.
Aufgrund der Bindungswirkung des bestandskräftigen Vorbescheids vom 20. Juli 2010 sei durch die Baugenehmigungen für die Gebäude A bis D die geschlossene Bauweise übernommen worden. Die Baugenehmigungen beinhalteten daher insofern keine neuen Regelungen, so dass die Kläger durch diese wiederholten Regelungen nicht in ihren Rechten verletzt sein könnten.
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2016 haben die Bevollmächtigten der Kläger beantragt:
Die Baugenehmigung vom 25. September 2013 (Az: ...) wird aufgehoben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das streitgegenständliche Vorhaben füge sich hinsichtlich des Kriteriums der Bauweise nicht in die maßgebliche Umgebungsbebauung ein. Daraus resultiere eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots.
Der südwestliche Bereich des Bebauungsgevierts habe im Wesentlichen die offene Einzelhausbebauung sowie die südlich der ... Straße gelegene offene Einzelhausbebauung übernommen. Dieser komme prägende Wirkung zu. Die zu bebauenden Freiflächen seien in ihrer Gebietsprägung den angrenzenden Bereichen der ... Straße und der ... Straße zuzuordnen. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Eilentscheidung im Verfahren 2 CS 14.27 richtig erkannt habe, verlaufe durch das Geviert ein Schnitt von der nordwestlichen zur südöstlichen Ecke. Die maßgebliche Prägung sei die Bebauung durch die angrenzende offene Bauweise.
Die Klagefrist sei gewahrt, da die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht zugestellt worden sei, so dass jedenfalls die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO greife. Eine Verwirkung des Klagerechts scheide aus. Ein Vertrauen auf Seiten der Beigeladenen, dass man einen diesbezüglichen Gebäudebestand akzeptieren werde, sei zu keinem Zeitpunkt entstanden. Die Jahresfrist des § 58 VwGO sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.
Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013 (Az: 4 C 5/12) deutlich gemacht, dass das Kriterium der Bauweise des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB über das Rücksichtnahmegebot drittschützende Wirkung auch im unbeplanten Innenbereich entfalten könne. Die Interessenlage sei hier derjenigen innerhalb eines Plangebiets gleichzusetzen, für das offene Bauweise festgesetzt sei. Das Rücksichtnahmegebot fordere nicht, dass der Betroffene unmittelbar an das Baugrundstück angrenze. Es sei zwar richtig, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht unmittelbar gegen Art. 6 BayBO verstoße. Beschränke man aber den Drittschutz auf unmittelbar angrenzende Grundstücksflächen, so könnte ein Bauträger im Zusammenwirken mit der Baugenehmigungsbehörde ein durch offene Bauweise geprägtes Geviert mit geschlossener Bebauung füllen. Die Festsetzung der offenen Bauweise in einem Bebauungsplan führe dazu, dass die Eigentümer sich darauf verlassen könnten, dass seitliche Grenzabstände eingehalten seien. Eine Prägung des unbeplanten Innenbereichs durch offene Bauweise sollte zum gleichen Ergebnis führen.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 hat die Beklagte ihre Klageerwiderung im Verfahren M 8 K 14.4469 zur Frage des Gebietserhaltungsanspruchs und die zulässige Art der baulichen Nutzung ergänzt.
Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 haben die Bevollmächtigten der Kläger auf die Klageerwiderungen der Beigeladenen und der Beklagten repliziert und ausgeführt, dass der angeführte Vorbescheid vom 20. Juli 2010 eine Blockrandbebauung ausdrücklich abgelehnt habe, weshalb ein Vorgehen der Kläger hiergegen nicht angezeigt gewesen sei. Die Kläger hätten schon vor der Genehmigungserteilung mit einem Schreiben an die Beklagte vom 9. August 2013 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Häuser A bis D nicht akzeptierten. Sowohl der Beklagten wie der Beigeladenen sei bekannt gewesen, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex nicht hinnehmen wollten. Ein Vertrauen darauf, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex akzeptierten, habe bei der Beigeladenen daher nicht entstehen können. Den Klägern sei nicht vorzuwerfen, dass sie sich zunächst klageweise auf das Haus E beschränkt hätten. Ein den Klägern vorwerfbares zögerliches Verhalten stehe nicht im Raum. Eine Verwirkung der Nachbarrechte der Kläger sei daher nicht eingetreten. Das von der Beigeladenen zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Eine Verwirkung könne sich auch nicht aus dem Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 ergeben, da dieser wegen Aufteilung des Gesamtvorhabens in die Einzelgenehmigungen für die Häuser A bis C, D und E keine Bindungswirkung entfalte. In den Baugenehmigungen sei keine Bezugnahme auf den Vorbescheid erfolgt und auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe eine Bindungswirkung im Verfahren 2 CS 14.27 abgelehnt.
Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2016 haben die Bevollmächtigten der Beigeladenen ihren Vortrag zur Verwirkung vertieft und insbesondere ausgeführt, die Kläger hätten auch nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Die Verwaltungsstreitsache wurde am 29. Februar 2016 mündlich verhandelt. Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten auch im Verfahren M 8 K 14.4469 sowie in den Verfahren M 8 SN 13.5483 und M 8 K 13.5031 verwiesen.
Gründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist in der Sache unbegründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. September 2013 die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Die Nachbarklage ist zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und die Kläger entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Beigeladenen ihr Klagerecht nicht verwirkt haben.
1. Die Kläger haben die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 58 Abs. 2 VwGO eingehalten.
Gemäß § 74 Abs. 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist - wie im vorliegenden Fall - nach § 68 VwGO ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn die Beteiligten über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden sind. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündigung zulässig, § 58 Abs. 2 VwGO.
Im vorliegenden Fall ist die streitgegenständliche Baugenehmigung den Klägern nicht zugestellt worden, so dass mangels Rechtsbehelfsbelehrung grundsätzlich die Jahresfrist für eine Klageerhebung läuft.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
Von einem Kennenmüssen ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss - sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, weil er in anderer Weise darüber informiert ist - und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
Im vorliegenden Fall datiert die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. September 2013, so dass - unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt die Kläger sichere Kenntnis von ihr erlangt haben - im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht München
2. Die Kläger haben ihr Klagerecht - entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Beigeladenen - auch nicht verwirkt.
Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Das ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen Nachbarn zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (vgl. BVerwG
Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass grundsätzlich bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71
Die tatsächlichen Voraussetzungen einer prozessualen Verwirkung der Klagebefugnis liegen nach diesen Maßgaben im vorliegenden Fall nicht vor. Es fehlt jedenfalls an einem auf der Untätigkeit der Kläger beruhenden Vertrauenstatbestand.
Gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind den Eigentümern der benachbarten Grundstücke vom Bauherrn oder seinem Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Dies hat der Bauherr im Rahmen des streitgegenständlichen Baugenehmigungsverfahrens unterlassen, so dass den Klägern der Genehmigungsbescheid auch nicht gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO im Rahmen der Nachbarbeteiligung zugestellt wurde. Ein Bauherr, der es versäumt die Eigentümer der benachbarten Grundstücke rechtzeitig im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen, kann sich später nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er darauf vertraut habe, dass der Nachbar von seinem Klagerecht keinen Gebrauch machen werde.
Eine Verwirkung zulasten der Kläger ist damit nicht eingetreten. Denn nur soweit auch die Beeinträchtigung der subjektiven Rechtsposition erkennbar ist, kann für den Nachbarn zur Wahrung seiner Rechte die Obliegenheit bestehen, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
II.
Die Kläger sind im vorliegenden Fall auch weder durch den ihnen gegenüber bestandskräftig gewordenen Vorbescheid vom 20. Juli 2010 noch durch den ihnen gegenüber ebenfalls bestandskräftigen Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 gebunden, Art. 71 BayBO.
1. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids ergibt sich aus den im Vorbescheidsantrag gestellten Fragen. Die im Vorbescheidsverfahren gestellten und entschiedenen Fragen können jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die dortige Prüfung bezieht sich auf ein bestimmtes Vorhaben und die dem Vorbescheidsantrag zugrunde liegenden Planzeichnungen (vgl. Decker: in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 117. Ergänzungslieferung Juli 2014, Art. 71 Rn. 103). Die Bindungswirkung eines Vorbescheids kann daher nicht mehr angenommen werden, wenn sich das im Baugenehmigungsverfahren behandelte Vorhaben aufgrund nachträglich eingereichter Unterlagen gar nicht mehr auf das ursprünglich mittels Vorbescheid bereits ausschnittsweise beurteilte Vorhaben bezieht, sondern von diesem abweicht. Die Bindung erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8). Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bauplanungsrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids (vgl. BayVGH, U. v. 4.11.1996 - 1 B 94.2923 - BayVBl. 1997, 341 f.; BayVGH, B. v. 4.8.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8).
Eine wesentliche Änderung liegt schon darin, dass im Gegensatz zum damaligen Gesamtvorhaben nunmehr drei Einzelvorhaben mit drei unterschiedlichen Baugenehmigungen - Häuser A bis C, Haus D und Haus E - umgesetzt werden sollen. Hinzu kommt, dass der Vorbescheid einer anderen Bauherrin erteilt wurde, die mit der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht identisch ist. Die Bauherrin für das Haus D ist auch nicht Rechtsnachfolgerin der damaligen Bauherrin, so dass auch eine Anwendung von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausscheidet.
2. Eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 24. Oktober 2011 scheidet ebenfalls aus. Bei dem darin behandelten Bauvorhaben war als Abschlussgebäude auf dem östlich angrenzenden Grundstück ein Gebäude vorgesehen, das einen Abstand zur westlichen Grenze des Grundstücks der Kläger einhält. In dieser Hinsicht stellt sich bereits die Änderung des Vorhabens von der Einhaltung von Abstandsflächen hin zu einem grenzständigen Vorhaben als wesentliche Änderung dar, die die Bindungswirkung des Vorbescheids entfallen lässt, da in nachbarrechtlicher Hinsicht grundlegend andere Fragen aufgeworfen werden. Wie bei dem Vorbescheid vom 20. Juli 2010 ist auch der Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 einer anderen Bauherrin erteilt worden, die mit der Beigeladenen in diesem Verfahren nicht identisch ist. Die Bauherrin für das Haus D ist auch nicht Rechtsnachfolgerin der damaligen Bauherrin, so dass auch hier eine Anwendung von Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausscheidet.
4. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens richtet sich vorliegend hinsichtlich des gemäß § 173 Bundesbaugesetz (BBauG) übergeleiteten Baulinienplans nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben.
4.1 Für das Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche, die vorliegend gemäß § 30 Abs. 3 BauGB teilweise durch einen nach § 173 Abs. 3 BBauG übergeleiteten Baulinienplan bestimmt wird, ist anerkannt, dass diesem per se keine drittschützende Wirkung zukommt. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche haben ebenso wie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nur dann drittschützende Wirkung, wenn sie nach dem Planungswillen der Gemeinde eine entsprechende drittschützende Funktion haben sollen (BayVGH, B. v. 29.9.2008 - 1 CS 08.2201 - juris Rn. 14; BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - juris Rn. 3). Anhaltspunkte dafür, dass die in dem übergeleiteten Baulinienplan enthaltenen Festsetzungen nach dem Planungswillen der Beklagten diese Funktion haben sollen, bestehen nicht, zumal die hier relevanten Festsetzungen auch nicht auf der den Klägern zugewandten Grundstücksseite liegen (vgl. VGH Mannheim, B. v. 23.7.1991 - 8 S 1606/91 - juris Rn. 2).
4.2 In einem unbeplanten Gebiet mit teils offener, teils geschlossener Bebauung sind regelmäßig beide Bauweisen planungsrechtlich zulässig (vgl. BVerwG, B. v. 11.3.1994 - 4 B 53/94, NVwZ 1994, 1008 - juris Rn. 4). Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber nicht, dass auch der einzelne Bauherr wählen kann, ob er sein konkretes Bauvorhaben an der Grundstücksgrenze oder mit dem erforderlichen Grenzabstand errichtet. Da das Bauplanungsrecht die Vorschriften des Bauordnungsrechts unberührt lässt (vgl. § 29 Abs. 2 BauGB), darf das Landesrecht an ein bauplanungsrechtlich zulässiges Vorhaben weitergehende Anforderungen stellen. Mit Bundesrecht wäre es nur dann nicht vereinbar, wenn das landesrechtliche Bauordnungsrecht bei einem Vorhaben, das nach dem Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB zwingend nur in geschlossener Bauweise ausgeführt werden darf, die Einhaltung von Abstandsflächen verlangen würde, was aber dann nicht der Fall ist, wenn in einem Baugebiet die geschlossene Bauweise lediglich überwiegt oder vorherrscht (BVerwG, B. v. 11.3.1994, a. a. O.). Für Fälle dieser Art steht es dem Landesgesetzgeber daher frei, die Einhaltung von Abstandsflächen vorzuschreiben, wovon der bayerische Gesetzgeber aber keinen Gebrauch gemacht hat, da nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO Abstandsflächen nicht nur dann entfallen können, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden muss, sondern auch, wenn an die Grenze gebaut werden darf (BayVGH, B. v. 10.12.2001 - 20 ZS 01.2775/20 CS 020 CS 01.2775 - juris Rn. 19).
Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Mischung von Grenzbebauung und offener Bauweise die Möglichkeit, nach § 34 Abs. 1 BauGB ein Gebäude an der Grenze zu errichten, ausscheidet, wenn wegen der auf dem Nachbargrundstück bestehenden Bebauung eine Grenzbebauung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und sich daher nicht einfügt (Dhom/Franz/Rauscher, in: Simon/Busse, BayBO, Stand: 113 EL 2013, Art. 6 Rdnr. 48). Entsprechend sieht auch § 22 Abs. 3 BauNVO für überplante Gebiete vor, dass in der geschlossenen Bauweise Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet werden, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert. Die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens unter dem Gesichtspunkt der Bauweise steht damit unter dem Vorbehalt des Rücksichtnahmegebots, d. h. eine an sich zulässige geschlossene Bauweise fügt sich gleichwohl dann nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein, wenn die die gebotene Rücksichtnahme auf die Umgebungsbebauung vermissen lässt.
In ihrem
Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem
Letztendlich kann die Frage vorliegend jedoch offen bleiben, da selbst bei einem objektivrechtlichen Nichteinfügen des Vorhabens nach der Bauweise damit für die Kläger unmittelbar noch nichts gewonnen wäre, da nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
4.3 Im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist das Gebot der Rücksichtnahme ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, das im Begriff des sich Einfügens eines Vorhabens in die nähere Umgebung enthalten ist (BVerwG, U. v. 11.1.1999 - 4 B 128/98, NVwZ 1999, 879, 880; BayVGH, B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2326 - juris Rdnr. 10 m. w. N.). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, U. v. 25.2.1977 - 4 C 22.75, BVerwGE 52, 122 - juris Rn. 22). Bei der Interessengewichtung spielt eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.).
Das im Begriff des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB sowie in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist vielmehr unter dem Gesichtspunkt des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17).
Im Hinblick auf die Beurteilung der Wahrung der gebotenen Rücksicht auf die Bebauung auf dem Nachbargrundstück unter dem Gesichtspunkt der Bauweise, kann im unbeplanten Innenbereich auch auf die Wertungen und Begriffsbestimmungen des § 22 BauNVO zurückgegriffen werden (allgemein vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 34 BauGB Rn. 46; speziell zum Rücksichtnahmegebot BayVGH, B. v. 19.10.2009 - 1 CS 09.1847 - juris Rn. 13). Nach § 22 Abs. 3 BauNVO wird vom Grundsatz, dass die Gebäude in der geschlossenen Bauweise ohne Grenzabstand errichtet werden, abgewichen, wenn die vorhandene Bebauung dies erfordert. Diese Einschränkung entspricht ihrer Funktion nach im Wesentlichen dem Gebot der Rücksichtnahme (vgl. König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 26).
Wann eine Abweichung von der geschlossenen Bauweise erforderlich ist, ist grundsätzlich eine Frage der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und entzieht sich damit allgemeingültiger Aussagen (König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 27; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 22 BauNVO Rn. 41). Insoweit ist aber durchweg anerkannt, dass trotz geschlossener Bauweise dann ein seitlicher Grenzabstand einzuhalten ist, wenn ein vorhandenes Gebäude auf dem Nachbargrundstück einen Grenzabstand einhält (vgl. König, in: König/Roesner/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 22 BauNVO Rn. 27; Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 114. EL 2014, § 22 BauNVO Rn. 41; Fickert/Fieseler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 22 Rn. 9.1).
Insoweit kann es bei einem unmittelbar an ein mit offener Bauweise bebautes Grundstück angrenzendes Vorhabengrundstück aus Gründen der Rücksichtnahme geboten sein, dieses nur in halboffener statt in geschlossener Bauweise zu bebauen. Daher hat die erkennende Kammer auch im Verfahren M 8 K 13.5031 mit Urteil vom 29. September 2014 die Baugenehmigung für das in geschlossener Bauweise geplante Haus E unmittelbar westlich des klägerischen Grundstücks aufgehoben.
Anders als die Bevollmächtigten der Kläger meinen, besteht aber über das Rücksichtnahmegebot hinsichtlich der Bauweise kein dem Gebietserhaltungsanspruch hinsichtlich der Art der Nutzung vergleichbarer Gebietserhaltungsanspruch. Hiergegen spricht schon, dass dem Zulässigkeitsmerkmal der Art der baulichen Nutzung sowohl im beplanten Bereich als auch im faktischen Baugebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB per se eine drittschützende Wirkung zukommt, dem Einfügensmerkmal der Bauweise dagegen nicht. Zudem kann der Gebietserhaltungsanspruch auch ohne den Nachweis einer eigenen Beeinträchtigung geltend gemacht werden, wohingegen das Rücksichtnahmegebot als situationsbezogenes Korrektiv zu den typisierenden Zulässigkeitsmaßstäben eine unzumutbare Beeinträchtigung des Klägers im konkreten Einzelfall voraussetzt.
4.4 In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot ist anerkannt, dass seine Verletzung auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus;
Eine erdrückende Wirkung ist vorliegend aber aufgrund des Abstandes des Vorhabens zum klägerischen Gebäude von ca. 11,30 m (ca. 7,60 m Breite des Grundstücks FlNr. ..., ca. 3,70 m Abstand des klägerischen Gebäudes zur westlichen Grundstücksgrenze) bei einer Wand- und Firsthöhe des Vorhabens von 12,28 m und 16,35 m gegenüber einer Wand- und Firsthöhe des klägerischen Gebäudes von 5,60 m und 8,40 m nicht gegeben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, den Klägern auch ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, § 154 Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO i. V. m. § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Tenor
I.
Die Baugenehmigung vom
II.
Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Anwesens ... Straße 4a in ..., Fl.Nr. ... der Gemarkung ... Sie wenden sich mit ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung von drei Wohngebäuden mit Tiefgarage - Haus A - C - in der ... Straße/... Straße/... Straße in ..., Fl.Nrn. ..., ...
Am
Nach der Betriebsbeschreibung, die dem Bauantrag als Anlage beigefügt ist, sind für das Haus A insgesamt 15 und für Haus B insgesamt 16 Wohneinheiten geplant. Davon sollen im Haus A 13 und in Haus B sämtliche 16 Wohnungen fest an einen Hauptmieter zum Zweck der Untervermietung vermietet werden. Die Wohnungen würden sich von herkömmlichen Wohnungen nicht unterscheiden. Der Hauptmieter werde die Wohnungen jedoch nur mit zeitlich befristeten Mietverträgen, die maximal ein halbes Jahr betragen, zur Vermietung anbieten. Durch die zeitliche Befristung der Mietverträge würde die Vermietung der Umsatzsteuer unterliegen. Somit werde dem Bedarf von kurzfristigem Wohnraum in ... Rechnung getragen. Haus C soll nach den Bauvorlagen 15 Wohnungen umfassen.
Am
Eine Zustellung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom
Mit Schriftsatz vom
gegen den Bescheid der ...
Sowie
gegen den Bescheid vom
Hierbei fand insoweit eine Datumsverwechselung statt, indem der streitgegenständliche Bescheid zu Pl.Nr. ... tatsächlich vom
Die beiden Bescheide seien den Klägern nicht zugestellt worden, so dass zur Fristwahrung die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zugrunde zu legen sei. Die Errichtung der Häuser A - C und D führe dazu, dass in dem Geviert, in dem das Grundstück der Kläger liege, geschlossene Bauweise zugelassen werde, obwohl dieser Bereich faktisch durch offene Bauweise geprägt sei. Die Umsetzung der Vorhaben aus den beiden Bescheiden würde in nachbarrechtsverletzender Art den Bebauungscharakter verändern. Als maßgeblich sei nur die Bebauung beiderseits der ... Straße heranzuziehen und nicht das gesamte Straßengeviert. Die Verwirklichung der Häuser A bis D führe somit zu einer rechtswidrigen Veränderung der im relevanten Gebietsumgriff vorherrschenden offenen Bauweise.
Mit Schreiben vom
die Klage wird abgewiesen.
Das Vorhaben füge sich hinsichtlich der Bauweise in die maßgebliche nähere Umgebung ein, welche durch die ... Straße, die ... Straße, die ... Straße und die ...-straße sowie die gegenüber liegende Seite der ... Straße gebildet werde. Zum anderen seien Bestimmungen über die Bauweise nicht drittschützend, so dass bereits deswegen eine Nachbarrechtsverletzung ausscheide. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger sei nicht ersichtlich. Die Kläger seien schon räumlich durch die Häuser A bis C nicht unmittelbar als Nachbarn betroffen, es lägen zwei weitere Grundstücke (Fl.Nrn. ... und ...) zwischen dem Vorhaben und dem klägerischen Grundstück. Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aufgrund einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung sowie eine unzumutbare Beeinträchtigung der Lichtverhältnisse scheide aus.
Mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Die Kläger hätten ihre Nachbarrechte verwirkt. Den Klägern sei der Vorbescheid vom
Angesichts dieser Vorgeschichte hätten die Kläger ihre Klagerechte verwirkt. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgeführt, dass ein Nachbar aufgrund des nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnisses die Pflicht habe, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst ungesäumt vorzutragen. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass Verwirkung bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO eintreten könne (BayVGH, B. v. 21.03.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12 ff.). Vorliegend hätten die Kläger aufgrund des Eil- und Klageverfahrens gegen das Gebäude E und der Bautätigkeit bereits Anfang Dezember 2013 vom Vorliegen der Baugenehmigung auch für die Gebäude A bis D Kenntnis erlangt.
Gegenüber den Klägern sei der Vorbescheid vom
Mit Schriftsatz vom
Die Baugenehmigung vom
Im Verfahren M 8 K 14.4400 stellten sie einen entsprechenden Antrag hinsichtlich der Baugenehmigung vom
Die in beiden Verfahren streitgegenständlichen Vorhaben fügten sich hinsichtlich des Kriteriums der Bauweise nicht in die maßgebliche Umgebungsbebauung ein. Daraus resultiere eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Weiter seien Wohngebäude genehmigt, der Komplex A bis C werde aber einer gewerblichen Nutzung zugeführt. Damit sei der Gebietserhaltungsanspruch in Hinblick auf das Kriterium der baulichen Nutzung verletzt. Die Gebäude A bis C würden überwiegend als Beherbergungsbetrieb beworben und sollten so genutzt werden.
Der südwestliche Bereich des streitgegenständlichen Bebauungsgevierts habe im Wesentlichen die offene Einzelhausbebauung sowie die südlich der ... Straße gelegene offene Einzelhausbebauung übernommen. Dieser komme prägende Wirkung zu. Die zu bebauenden Freiflächenbereiche seien in ihrer Gebietsprägung den angrenzenden Bereichen der ... und der ... Straße zuzuordnen. Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Eilentscheidung im Verfahren Az. 2 CS 14.27 richtig erkannt habe, verlaufe durch das Geviert ein Schnitt von der nordwestlichen zur südöstlichen Ecke. Die maßgebliche Prägung sei die Bebauung durch die angrenzende offene Bauweise.
Weiter solle der Gebäudekomplex A - C in wesentlichen Teilen gewerblich genutzt werden. Es würden hotelähnliche Leistungen bzw. Leistungen eines Beherbergungsbetriebes angeboten. Dies zeige der Internetauftritt unter www.maxlodging.de. Die Mietdauer von nur zwei Wochen mache deutlich, dass es sich hier nicht um ein dauerhaftes Wohnen handele. Es werde für die Kunden und Reisenden auch Personal zur persönlichen Betreuung vorgehalten. Das seien Kriterien, die einem Beherbergungsbetrieb zuzuordnen seien. Letztlich handele es sich um eine gewerbliche Bereitstellung von Räumen zum Zweck der Gästebeherbergung. Die Voraussetzung des Wohnens sei die eigenständige Haushaltsführung auf Dauer. Vorliegend seien die kurzfristigen Mietverhältnisse so gestaltet, dass eine auf Dauer angelegte eigene Häuslichkeit nicht entstehen solle. Es sei auch kein Boardinghouse, denn dieses sei für Personen gedacht, die sich auf längere Zeit an einem Ort aufhalten und ihren Aufenthalt unabhängig von hoteltypischen Dienstleistungen gestalten wollten. Vorliegend sei der Rahmen der Nutzung jedoch auf ständige Fluktuation ausgerichtet. Die streitgegenständlichen Gebäude befänden sich in einem reinen Wohngebiet. Nach § 34 Abs. 2 BauGB in Zusammenhang mit § 3 BauNVO sei ausschließlich Wohnen allgemein zulässig, ausnahmsweise nur kleinere Beherbergungsbetriebe. Das Angebot von 29 Appartements sei mit diesem Begriff nicht mehr in Einklang zu bringen. Folglich füge sich der Gebäudekomplex hinsichtlich der baulichen Nutzung nicht in die Umgebungsbebauung ein. Demnach sei der Gebietserhaltungsanspruch verletzt.
Die Klagefrist sei gewahrt. Die streitgegenständliche Baugenehmigung sei nicht zugestellt worden, so dass jedenfalls die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO greife. Eine Verwirkung des Klagerechts scheide aus. Ein Vertrauen auf Seiten der Beigeladenen, dass man einen diesbezüglichen Gebäudebestand akzeptieren werde, sei zu keinem Zeitpunkt entstanden. Die Jahresfrist des § 58 VwGO sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.
Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2013 (Az. 5 C 6/12) deutlich gemacht, dass das Kriterium der Bauweise des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB über das Rücksichtnahmnegebot drittschützende Wirkung auch im unbeplanten Innenbereich entfalten könne. Die Interessenlage sei hier derjenigen innerhalb eines Plangebietes gleichzusetzen, für das offene Bauweise festgesetzt sei. Das Rücksichtnahmegebot fordere nicht, dass der Betroffene unmittelbar an das Baugrundstück angrenze. Es sei zwar richtig, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht unmittelbar gegen Art. 6 BayBO verstoße. Beschränkte man aber den Drittschutz auf unmittelbar angrenzende Grundstücksflächen, so könnte ein Bauträger in Zusammenwirken mit der Baugenehmigungsbehörde ein durch offene Bauweise geprägtes Geviert mit geschlossener Bebauung füllen. Die Festsetzung der offenen Bauweise in einem Bebauungsplan führe dazu, dass die Eigentümer sich darauf verlassen könnten, dass seitliche Grenzabstände eingehalten seien. Eine Prägung des unbeplanten Innenbereichs durch offene Bauweise sollte zum gleichen Ergebnis führen.
Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2016 verwiesen die Bevollmächtigten der Kläger darauf, dass in dem von den Bevollmächtigten der Beigeladenen angeführten Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2010 eine Blockrandbebauung ausdrücklich abgelehnt werde. Die Kläger hätten schon vor Genehmigungserteilung mit einem Schreiben an die Beklagte vom 9. August 2013 zum Ausdruck gebracht, dass sie die Häuser A bis D nicht akzeptieren würden. Sowohl der Beklagten wie der Beigeladenen sei bekannt gewesen, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex nicht hinnehmen wollten. Ein Vertrauen darauf, dass die Kläger den Gesamtgebäudekomplex akzeptieren würden, habe bei der Beigeladenen daher nicht entstehen können. Den Kläger sei nicht vorzuwerfen, dass sie sich zunächst klageweise auf das Haus E beschränkt hätten. Ein den Klägern vorwerfbares zögerliches Verhalten stehe nicht im Raum. Eine Verwirkung der Nachbarrechte der Kläger sei nicht eingetreten. Das von der Beigeladenen zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 2012 sei vorliegend nicht anwendbar. In dem dortigen Fall hätten die Kläger über vier Jahre ein laufendes Bebauungsplanverfahren unkommentiert ohne jede Einwendung hingenommen. Dazu komme vorliegend, dass infolge des Umstands, dass die Baugenehmigungsbescheide den Klägern überhaupt nicht bekannt gemacht worden seien, selbst die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO kein Ausschlusskriterium für die Klageerhebung sein könne. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
Eine Verwirkung könne sich auch nicht aus dem Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 ergeben. Die Bindungswirkung eines Vorbescheids könne sich nur auf Vorhaben erstrecken, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprächen oder allenfalls geringfügig abwichen. Vorliegend weiche die Genehmigungsplanung, die dem Vorbescheid zugrunde liege, inhaltlich deutlich von den streitgegenständlichen Baugenehmigungen ab.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2016 ergänzte die Beklagte, die streitgegenständlichen Baugenehmigungen verletzten die Kläger nicht in ihrem Recht auf Gebietserhaltung, da sich das Vorhaben auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Umgebungsbebauung einfüge. Es sei Wohnnutzung zulässig. Mit den streitgegenständlichen Baugenehmigungen vom 26. November 2013 (Haus A bis C) und vom 25. November 2013 (Haus D) sei jeweils der Neubau von Wohngebäuden genehmigt worden. Entgegen dem Vortrag des Klägers sei weder ein Beherbergungsbetrieb noch eine Ferienwohnungsnutzung genehmigt. Auch bei einem „Wohnen auf Zeit“, wie in der Betriebsbeschreibung der Beigeladenen für die Häuser A und B beschrieben, handele es sich um Wohnen. Wohnen im planungsrechtlichen Sinn sei eine auf Dauer angelegte eigenständige Gestaltung des häuslichen Lebens. Dies liege nicht nur bei einem Wohnen ab einem Zeitraum von 6 Monaten oder länger vor, sondern könne heute auch bereits ab einem kürzeren Zeitraum von beispielsweise 2 bis 3 Monaten erfüllt sein. Die Beklagte habe neben dem Wohnen ohne zeitliche Begrenzung nur eine Wohnnutzung auf Zeit zugelassen. Die Internetwerbung der Beigeladenen sei insoweit ohne Relevanz. Die Beklagte könne einer unzulässigen Nutzung nicht mit Werbeverboten vorbeugen. Die Nutzung sei auch nicht aufgenommen, so dass die Beklagte davon ausgehen müsse, eine Nutzung werde nur entsprechend der Genehmigung erfolgen. Jedenfalls nicht abgedeckt sei die Nutzung der Appartements als Ferienwohnungen für auswärtige Gäste, die sich nur für wenige Tage bzw. 1 bis 2 Wochen in ... aufhielten.
Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung am 29. Februar 2016, in der die Beteiligten ihre schriftsätzlich angekündigten Anträge stellten, wird auf das Protokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie auf das ausführliche schriftsätzliche Vorbringen der Parteien im Klageverfahren verwiesen.
Gründe
Die Anfechtungsklage der Nachbarn ist zulässig und begründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2013 rechtswidrig ist und die Kläger hierdurch in ihren Rechten verletzt werden, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I.
Die Nachbarklage ist zulässig, da sie fristgerecht erhoben wurde und die Kläger entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Beigeladenen ihr Klagerecht nicht verwirkt haben.
1. Die Kläger haben die Klagefrist gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m § 58 Abs. 2 VwGO eingehalten.
Gem. § 74 Abs. 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist - wie im vorliegenden Fall - nach § 68 VwGO ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben werden, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 VwGO beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn die Beteiligten über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden sind. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündigung zulässig, § 58 Abs. 2 VwGO.
Im vorliegenden Fall ist die streitgegenständliche Baugenehmigung den Klägern nicht zugestellt worden, so dass mangels Rechtsbehelfsbelehrung grundsätzlich die Jahresfrist für eine Klageerhebung läuft.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
Von einem Kennenmüssen ist regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss - sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, weil er in anderer Weise darüber informiert ist - und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. Maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BVerwG, U. v. 25.1.1974 - IV C 2.72
Im vorliegenden Fall datiert die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2013, so dass - unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt die Kläger sichere Kenntnis von ihr erlangt haben - im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht München
2. Die Kläger haben ihr Klagerecht - entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Beigeladenen - auch nicht verwirkt.
Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Das ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stehen Nachbarn zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (vgl. BVerwG
Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.1991 a. a. O.). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass grundsätzlich bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (vgl. BVerwG, U. v. 7.2.1974 - III C 115.71
Die tatsächlichen Voraussetzungen einer prozessualen Verwirkung der Klagebefugnis liegen nach diesen Maßgaben im vorliegenden Fall nicht vor. Es fehlt jedenfalls an einem auf der Untätigkeit der Kläger beruhenden Vertrauenstatbestand.
Gem. Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind den Eigentümern der benachbarten Grundstücke vom Bauherrn oder seinem Beauftragten der Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen. Dies hat der Bauherr im Rahmen des streitgegenständlichen Baugenehmigungsverfahrens unterlassen, so dass den Klägern der Genehmigungsbescheid auch nicht gem. Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO im Rahmen der Nachbarbeteiligung zugestellt wurde. Ein Bauherr, der es versäumt die Eigentümer der benachbarten Grundstücke rechtzeitig im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen, kann sich später nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er darauf vertraut habe, dass der Nachbar von seinem Klagerecht keinen bzw. noch vor Ablauf der Jahresfrist Gebrauch machen werde. Hinzu kommt, dass allein aus der dem Bauantrag beigefügten Betriebsbeschreibung überhaupt erst ersichtlich wird, dass entgegen der Betreffzeile in der streitgegenständlichen Baugenehmigung und entgegen den zeichnerischen Darstellung in den Bauvorlagen nicht lediglich Wohnhäuser bzw. Wohnungen und Appartements genehmigt werden, sondern darüber hinaus wegen der Unbestimmtheit der Betriebsbeschreibung der Betrieb von Ferienwohnungen, eines Beherbergungsbetriebs, eines Stundenhotels, etc. zumindest nicht ausgeschlossen sind. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Art der baulichen Nutzung einem Rohbau grundsätzlich nicht anzusehen ist, insbesondere wenn - wie im vorliegenden Fall - Wohnungen auch als Ferienwohnungen oder als Beherbergungsbetrieb genutzt werden sollen. Auch wenn den Klägern der Baugenehmigungsbescheid vom 26. September 2013 als solcher also bereits Anfang Dezember 2013 bekannt gewesen sein sollte, so ergibt sich aus diesem Bescheid nur, dass der Neubau von drei Wohnhäusern beabsichtigt ist. Anders als im Vorbescheid vom 20. Juli 2010, in dem in Frage 6 noch von einem Boardinghaus/Beherbergungsbetrieb die Rede war, genehmigte die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. September 2013 nach dem Wortlaut des Bescheides nur den Neubau dreier Wohnhäuser mit Tiefgarage. Allein aus der als Anlage zum Bauantrag mit der Plan-Nr. ... vom 27. Juni 2013 eingereichten Betriebsbeschreibung ergibt sich die Möglichkeit einer abweichenden Nutzung von insgesamt 29 Appartements in den Häusern A und B. Damit kann selbst aus der positiven Kenntnis der Kläger von der Baugenehmigung vom 26. September 2013 nicht der Schluss gezogen werden, sie hätten Kenntnis von den konkreten Nutzungsabsichten der Beigeladenen gehabt, die Häuser A und B für kurzfristige Vermietung in Untermietverhältnissen zu nutzen.
Eine Verwirkung zulasten der Kläger ist damit nicht eingetreten. Denn nur soweit auch die Beeinträchtigung der subjektiven Rechtsposition erkennbar ist, kann für den Nachbarn zur Wahrung seiner Rechte die Obliegenheit bestehen, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Vorliegen einer Genehmigung zu erkundigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 - IV C 2.72
II.
Die Kläger sind im vorliegenden Fall auch weder durch den ihnen gegenüber bestandskräftig gewordenen Vorbescheid vom 20. Juli 2010 noch durch den ihnen gegenüber ebenfalls bestandskräftigen Vorbescheid vom 24. Oktober 2011 gebunden, Art. 71 BayBO.
1. Der sachliche Umfang der Bindungswirkung eines Vorbescheids ergibt sich aus den im Vorbescheidsantrag gestellten Fragen. Die im Vorbescheidsverfahren gestellten und entschiedenen Fragen können jedoch nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die dortige Prüfung bezieht sich auf ein bestimmtes Vorhaben und die dem Vorbescheidsantrag zugrunde liegenden Planzeichnungen (vgl. Decker: in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 117. Ergänzungslieferung Juli 2014, Art. 71 Rn. 103). Die Bindungswirkung eines Vorbescheids kann daher nicht mehr angenommen werden, wenn sich das im Baugenehmigungsverfahren behandelte Vorhaben aufgrund nachträglich eingereichter Unterlagen gar nicht mehr auf das ursprünglich mittels Vorbescheid bereits ausschnittsweise beurteilte Vorhaben bezieht, sondern von diesem abweicht. Die Bindung erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen (vgl. BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8). Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bauplanungsrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids (vgl. BayVGH, U. v. 4.11.1996 - 1 B 94.2923 -BayVBl. 1997, 341 f.; BayVGH, B. v. 04.08.2011 - 2 CS 11.997 - juris Rn. 8).
2. Im Vorbescheid vom 20. Juli 2010 wurde die Frage 6 hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Boardinghauses/Beherbergungsbetriebs gemäß der Betriebsbeschreibung vom 30. April 2010 auf Fl.Nr. 8850 positiv beantwortet. In dieser Betriebsbeschreibung wird ein Boardinghaus mit ca. 18 Nutzungseinheiten auf dem Grundstück Fl.Nr. ... abgefragt. In der streitgegenständlichen Betriebsbeschreibung wird hingegen ein Betrieb mit insgesamt 29 Wohneinheiten (13 in Haus A und 16 in Haus B) genehmigt, der sich hinsichtlich Haus B zum Teil auch auf das Grundstück mit der Fl.Nr. ... erstreckt. Da sich das mit Vorbescheid vom 20. Juli 2010 abgefragte Boardinghaus lediglich auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. ... befinden soll und der Umfang der Nutzungseinheiten von 18 auf 29 Appartement erweitert wurde, entspricht der streitgegenständliche Betrieb weder hinsichtlich seiner örtlichen Situierung noch nach seinem Umfang dem seinerzeit abgefragten Boardinghaus. Schon allein deshalb wirft das streitgegenständliche Vorhaben - unabhängig von der genehmigten Art der baulichen Nutzung und unabhängig von der Dauer der Bindungswirkung des Vorbescheids - in bauplanungsrechtlicher Hinsicht die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu auf, so dass eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 20. Juli 2010 zu verneinen ist.
3. Eine Bindungswirkung des Vorbescheids vom 24. Oktober 2011 scheidet ebenfalls aus. Bei dem darin behandelten Bauvorhaben war als Abschlussgebäude auf dem jetzigen Vorhabengrundstück ein Gebäude vorgesehen, das einen Abstand zur westlichen Grenze des Grundstücks der Kläger einhält. In dieser Hinsicht stellt sich die Änderung des Vorhabens von der Einhaltung von Abstandsflächen hin zu einem grenzständigen Vorhaben als wesentliche Änderung dar, die die Bindungswirkung des Vorbescheids entfallen lässt, da nunmehr in nachbarrechtlicher Hinsicht grundlegend andere Fragen aufgeworfen werden.
III.
Die zulässige Klage ist auch begründet, da die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 26. September 2013 rechtswidrig ist und die Kläger hierdurch in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Dritte können sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U. v. 13.6.1969 - IV C 234.65
2. Die Baugenehmigung vom 26. September 2013 ist unbestimmt und damit inhaltlich nicht hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann daher nicht eindeutig ausgeschlossen werden, da wesentliche nachbarrechtsrelevante Merkmale des Vorhabens in der Baugenehmigung nicht hinreichend klar festgelegt werden (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.).
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Nachbar zwar keinen materiellen Anspruch darauf hat, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht, die Baugenehmigung aber dann aufzuheben ist, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B. v. 5.12.2001 - 26 ZB 01.1175 - juris Rn. 11 m. w. N.; BayVGH, B. v. 20.6.2008 - 15 CS 08.1088 - juris Rn. 10 und 12; BayVGH, B. v. 16.04.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7 m. w. N.). Betrifft die Unbestimmtheit oder Unrichtigkeit der Bauvorlagen solche Vorschriften, deren Verletzung im konkreten Fall subjektivöffentliche Abwehrrechte des Nachbarn begründen können, ist eine mögliche Rechtsverletzung des Nachbarn hierdurch zu bejahen (vgl. BayVGH, U. v. 28.6.1999 - 1 B 97.3174 - juris Rn. 16;
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d. h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten - gegebenenfalls nach Auslegung - eindeutig zu erkennen sein (vgl. BayVGH, B. v. 16.4.2015 - 9 ZB 12.205 - juris Rn. 7). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind (vgl. Lechner, in: Simon/Busse, BayBO, Stand Mai 2015, Art. 68 Rn. 472). Inhalt, Reichweite und Umfang der mit einer Baugenehmigung getroffenen Regelungen und Feststellungen müssen so eindeutig bestimmt sein, dass der Bauherr die Bandbreite der für ihn legalen Nutzungen und drittbetroffene Nachbarn das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. In Fällen von Nutzungskonflikten mit Nachbarn bedarf eine Baugenehmigung gegebenenfalls einer weitergehenden Konkretisierung durch Aufnahme von Nebenbestimmungen im Hinblick auf nachbarrechtsrelevante Merkmale, um dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG Genüge zu tun.
2.1 Der Inhalt der Baugenehmigung vom 26. September 2013 bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen, insbesondere durch das mitgenehmigte Betriebskonzept (vgl. unter 2.2), § 9 Satz 1 BauVorlV (vgl. BayVGH, B. v. 2.3.2015 - 9 ZB 12.1377 - juris Rn. 7; Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34). Danach ist die vorliegende Baugenehmigung in einer für die Kläger nachteiligen Weise unbestimmt, weil die genehmigte Art der Nutzung (vgl. unter 2.3) sowie der Nutzungsumfang der genehmigten Anlage (vgl. unter 2.4) nicht abschließend erkennbar sind und die von der genehmigte Anlage ausgehenden Immissionen (vgl. unter 2.5) somit nicht eindeutig absehbar sind (vgl. BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 18), was zu einem eigenständigen Abwehrrecht der Kläger führt. Weder der angefochtenen Baugenehmigung noch den zugehörigen Bauvorlagen lassen sich die maßgeblichen nachbarrechtsrelevanten betrieblichen Rahmenbedingungen zuverlässig und mit der gebotenen Eindeutigkeit entnehmen.
2.2 Grundlage des vorliegenden Verfahrens ist insbesondere die Betriebsbeschreibung, da sie als Bestandteil (Anlage) des Bauantrags bezeichnet ist und zudem den Planstempel des Bauantrags trägt. Die Baugenehmigung nimmt auf den Bauantrag im Ganzen Bezug und genehmigt das von diesem Antrag umfasste Vorhaben. Nach der streitgegenständlichen Betriebsbeschreibung sollen in Haus A 13 Appartements und in Haus B alle 16 Appartements an einen Hauptmieter zum Zwecke der Untervermietung vermietet werden. Die Wohnungen würden sich von herkömmlichen Wohnungen nicht unterscheiden. Der Hauptmieter werde die Wohnungen jedoch nur mit zeitlich befristeten Mietverträgen, die max. ein halbes Jahr betragen, zur Vermietung anbieten. Durch die zeitliche Befristung der Mietverträge würde die Vermietung der Umsatzsteuer unterliegen. Somit werde dem Bedarf von kurzfristigem Wohnraum in ... Rechnung getragen.
2.3 Der Genehmigungsumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist im Hinblick auf diese Betriebsbeschreibung bereits in sich widersprüchlich und damit nachbarrechtsverletzend.
Die Überschrift im Bescheid vom 26. September 2013 lautet „... Str., Fl.Nr. ..., Gemarkung ... - Neubau dreier Wohngebäude mit Tiefgarage - Haus A - C (... Str./... Str./... Str.)“. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die in den Behördenakten befindliche und mit dem Bauantrag eingereichte und abgestempelte Betriebsbeschreibung findet sich jedoch nicht. In den Planzeichnungen wird zwischen „Wohnungen“ in Haus C und „Appartements“ in den Häusern A und B differenziert. In Haus A ist zudem im Erdgeschoss auch noch ein „Empfang“ sowie ein Büro zeichnerisch dargestellt. Nach Betriebsbeschreibung sind dagegen in den beiden Wohngebäuden A und B 13 und 16 Appartements geplant, die fest an eine Hauptmieter zum Zwecke der Untervermietung (mit zeitlich befristeten Mietverträgen mit einer maximalen Dauer von einem halben Jahr) vermietet werden sollen. Eine Mindestdauer der Vermietung ist dagegen nicht angegeben, so dass nach dieser Betriebsbeschreibung auch eine kurzfristige Vermietung an Feriengäste u.ä. nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich ist. Selbst eine Vermietung für nur einen oder wenige Tage und sogar stundenweise ist danach nicht ausgeschlossen. Die Betriebsbeschreibung schließt jedenfalls die Nutzung als Ferienwohnung und/oder Beherbergungsbetrieb nicht aus, letztendlich werden von dieser unbestimmten Betriebsbeschreibung nicht nur Wohnen im Sinne des Bauplanungsrechts, sondern auch andersartige Nutzungen wie Ferienwohnungen sowie ein Beherbergungsbetrieb und theoretisch sogar ein Stundenhotel umfasst.
Entlang der ...-straße werden daher - entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung der Baugenehmigung - nicht ausschließlich Wohngebäude, sondern vielmehr zwei Häuser mit insgesamt 29 Appartements zur kurzfristigen Untervermietung bis maximal einem halben Jahr und nur ein Wohnhaus mit 15 Wohnungen im engeren Sinne genehmigt. Insofern kann aufgrund dieser Unbestimmtheit auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Kläger in ihrem Gebietserhaltungsanspruch oder im nachbarschützenden Rücksichtnahmegebot verletzt sind.
Um den Wohnbegriff in Abgrenzung zu anderen Nutzungsarten unter Zugrundelegung der typisierenden bauplanungsrechtlichen Betrachtungsweise sachgerecht zu erfassen, bedarf es einer wertenden Betrachtung aller Umstände. Maßgeblich ist die Zweckbestimmung des Aufenthalts in den Räumen. Das Bauplanungsrecht unterscheidet begrifflich gerade zwischen Wohngebäuden einerseits und Ferien- und Wochenendhäusern sowie Beherbergungsbetrieben andererseits. Während nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 BauNVO „Wohngebäude“ in den entsprechenden Baugebieten zulässig sind, bezieht sich § 10 Abs. 3 BauNVO auf „Wochenendhäuser“ und § 10 Abs. 4 BauNVO auf „Ferienhäuser“. Diese begriffliche Unterscheidung ist im Bauplanungsrecht angelegt (vgl. BVerwG, U. v. 12.03.1982 - 4 C 59.78 - NJW 1982, 2512 - juris Rn. 23). Die Baunutzungsverordnung führt die allgemeine Wohnnutzung einerseits und die Ferienwohnnutzung andererseits als eigenständige Nutzungsarten auf (vgl. BVerwG, B. v. 11.07.2013 - 4 CN 7.12 - NVwZ 2014, 72 - juris Rn. 11; BVerwG, B. v. 08.05.1989 - 4 B 78.89 - NVwZ 1989, 1060 - juris Rn. 3;
Die Art der genehmigten Nutzung ist vorliegend daher zu unbestimmt, da mangels hinreichend bestimmter Betriebsbeschreibung der Umfang der Genehmigung nicht eindeutig auf Wohnungen im bauplanungsrechtlichen Sinn beschränkt ist, sondern danach vielmehr auch ein Beherbergungsbetrieb sowie die Vermietung als Ferienwohnungen umfasst sind. Für den Rechtsschutz der Kläger ist es jedoch maßgeblich, dass sie feststellen können, ob und mit welchem Umfang sie von der Baugenehmigung betroffen sind (vgl. BayVGH, B. v. 29.4.2015 - 2 ZB 14.1164 - juris Rn. 6; BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 22). Einer Baugenehmigung sowie den genehmigten Bauvorlagen muss sich grundsätzlich mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen lassen, dass nur solche Nutzungen genehmigt wurden, die nicht zu einer Beeinträchtigung der Nachbarrechte führen können. Es muss sich aus der Baugenehmigung selbst positiv und umfassend ergeben, welche betrieblichen Tätigkeiten und Nutzungen zugelassen sind. Da die Art des Betriebs vorliegend nicht hinreichend bestimmt ist, können die Kläger den Umfang ihrer Beeinträchtigungen nicht abschließend absehen.
Zum Begriff des Wohnens gehört eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts. Diese Definition ist aus der Abgrenzung zu anderen planungsrechtlichen Nutzungsformen (Beherbergung, Heimunterbringung, Formen der sozialen Betreuung und Pflege) entwickelt worden. Sie soll den Bereich des Wohnens als Bestandteil der privaten Lebensgestaltung kennzeichnen. Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens „in den eigenen vier Wänden“, die auf eine gewisse Dauer angelegt ist und keinem anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem Erwerbszweck dient (vgl. BVerwG B. v. 25.03.2004 - 4 B 15.04 - BRS 67 Nr. 70 - juris Rn. 4 m. w. N.;
Im vorliegenden Fall enthält die Baugenehmigung bzw. die ihr zugrundeliegende Betriebsbeschreibung daher keine ausreichenden Angaben, die eine eindeutige Differenzierung der genehmigten Art der Nutzung zulässt, so dass im Ergebnis danach sowohl (Dauer)Wohnen im engeren Sinn, ein Beherbergungsbetrieb sowie Ferienwohnungen umfasst sind. Derart gravierende Mängel in den Bauvorlagen, können sich zulasten der Nachbarn auswirken, so dass eine Nachbarrechtsverletzung nicht ausgeschlossen werden kann.
2.3 Ferner lässt die streitgegenständliche Baugenehmigung Merkmale des Vorhabens unreglementiert, obwohl es einer entsprechenden Regelung bedurft hätte, um das genehmigte Vorhaben im Verhältnis zum Nachbarn nachbarrechtskonform auszugestalten, so dass die Voraussetzungen des Bestimmtheitsgebots auch insoweit nicht erfüllt sind, was ebenfalls zu einem Abwehrrecht der Kläger führt.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung lässt neben der unbestimmten Art der baulichen Nutzung auch die Zahl der Personen nicht erkennen, die die genehmigte Anlage nutzen, insoweit sind auch die, die Kläger betreffenden Immissionen nicht abschließend feststellbar (vgl. BayVGH, B. v. 28.10.2015 - 9 CS 15.1633 - juris Rn. 23).
Nachvollziehbare oder festgesetzte Angaben zu der zu erwartenden oder zugelassenen Benutzerzahl der Anlage fehlen gänzlich, so dass die entstehende Belastung in ihrer Gesamtheit nicht absehbar ist. Insoweit fehlt es jedenfalls an festgesetzten und überprüfbaren Angaben. Da die Betriebsbeschreibung die Anzahl der Gäste, des Personals, der angebotenen Serviceleistungen nicht näher konkretisiert, erlaubt sie nicht nur hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung, sondern auch hinsichtlich der Gästeanzahl, einen Betrieb rund um die Uhr, der gegenüber den Nachbarn möglicherweise rücksichtslos ist.
2.4 Durch die in verschiedener Hinsicht nicht oder nicht hinreichend festgelegten betrieblichen Rahmenbedingungen, die für die Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme zentral sind, können schließlich auch unzumutbare Immissionen für die Kläger nicht hinreichend sicher und verlässlich ausgeschlossen werden.
Da nach der vorliegenden Betriebsbeschreibung nicht nur (Dauer-)Wohnen, sondern auch die Überlassung als Ferienwohnung sowie ein Beherbergungsbetrieb rund um die Uhr mitgenehmigt sind, drängt sich die Notwendigkeit geeigneter immissionsschutzrechtlicher Auflagen zum Schutz der Nachbarn auf. Angesichts der Größe des Vorhabens und der teilweisen Ausrichtung zum gemeinsamen Innenhof erscheint es bei dem vorliegend unbeschränkt genehmigten Betrieb nicht unwahrscheinlich, dass es durch das geplante Vorhaben ohne eine entsprechende beschränkende und bestimmte Betriebsbeschreibung und ohne gegebenenfalls darüber hinaus erforderliche immissionsschutzrechtliche Auflagen zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarn kommt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich Sache des Bauherrn ist, im Genehmigungsverfahren den Nachweis zu erbringen, dass die zur Genehmigung gestellte Anlage die einschlägigen Zumutbarkeitskriterien einhält.
Aus den aufgeführten Gründen folgt die Unbestimmtheit und die Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom
3. Aufgrund ihrer Unbestimmtheit verstößt die Baugenehmigung deswegen zugleich zum Nachteil der Kläger gegen das in § 34 BauGB verankerte Rücksichtnahmegebot.
4. Die Baugenehmigung vom
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Beigeladene hat einen Sachantrag gestellt und sich somit auch einem Kostenrisiko gem. § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt.
6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Der zulässige Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache erfolglos.
- 2
Die von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 4 VwGO liegen nicht vor.
- 3
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung eines Anbaus im Erdgeschoss sowie von Balkonen im rückwärtigen Bereich des Anwesens N…straße … in T. wendet, abgewiesen. Dabei hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass das Widerspruchsrecht des Klägers verwirkt und deshalb seine Anfechtungsklage unzulässig sei. Die Geltendmachung des Widerspruchsrechts stelle sich als Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Die eingetretene Verwirkung ergebe sich zum einen daraus, dass der Kläger seinen Widerspruch erst erhoben habe, nachdem mehr als ein Jahr seit dem Zeitpunkt verstrichen sei, in dem er von der dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung Kenntnis erlangt hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Insoweit sei im Grundsatz auf die Frist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO zurückzugreifen. Spätestens mit Fertigstellung des Rohbaus im Juni 2013 hätte sich ihm das Vorhandensein einer dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigung aufdrängen müssen. Hiermit habe er die Jahresfrist der §§ 70 Abs. 2 und 58 Abs. 2 VwGO mit Erhebung des Widerspruchs im November 2014 erheblich überschritten. Der Kläger könne insoweit auch nicht darauf abstellen, dass er selbst das Nachbaranwesen nicht bewohne, sondern dieses vermietet habe. Vielmehr sei er verpflichtet, sich von Zeit zu Zeit über mögliche Bauvorhaben in der Nachbarschaft zu vergewissern. Durch die Untätigkeit über einen Zeitraum von fast eineinhalb Jahren hinweg sei bei dem Beigeladenen ein Vertrauen darauf entstanden, dass er, der Kläger, sein Widerspruchsrecht nicht mehr geltend machen würde. Auf der Grundlage dieses Vertrauens habe der Beigeladene vermögenswirksame Dispositionen getroffen und damit dieses Vertrauen ausgeübt.
- 4
An der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
- 5
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Klage deshalb als unzulässig erweist, weil es an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Widerspruchsverfahrens fehlt. Dabei ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aber bereits auf eine Unzulässigkeit des Widerspruchs allein wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO abzustellen, auf die auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung maßgeblich Bezug genommen hat. Hiernach bedarf es aber nicht der Klärung der Frage, ob die Voraussetzungen der Verwirkung des Widerspruchsrechtes, also insbesondere das Entstehen eines Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen und das hierauf beruhende Eingehen vermögenswirksamer Dispositionen, vorliegen.
- 6
Das Bundesverwaltungsgericht leitet aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben ab, dass der Nachbar, dem eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung nicht bekannt gegeben worden ist, der aber auf andere Weise zuverlässig Kenntnis von der Existenz dieser Baugenehmigung erlangt hat, sich so behandeln lassen muss, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung amtlich bekannt gegeben worden. Der Kenntniserlangung von einer Baugenehmigung steht dabei wiederum nach den Grundsätzen von Treu und Glauben der Umstand gleich, dass der Nachbar das Vorliegen einer Baugenehmigung hätte kennen müssen, weil sich ihm deren Existenz aufdrängen musste und es ihm zumutbar war, sich etwa durch Nachfrage bei der Bauaufsichtsbehörde zu dieser Frage Gewissheit zu verschaffen (vgl. grundlegend: BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 – IV C 2.72 –, BVerwGE 44, 294 und juris, Rn. 25; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 31. EL Juni 2016, § 70 Rn. 21).
- 7
Die Unzulässigkeit des Widerspruchs allein wegen Fristablaufs tritt dabei als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben neben das Rechtsinstitut der Verwirkung (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4.89 –, NVwZ 1991, 1182 und juris, Rn. 18 [Verlust des Widerspruchsrechts außer durch bloßen Fristablauf auch durch Verwirkung]). Die Verwirkung kann sich einerseits auf das dem Nachbarn zustehende materielle Abwehrrecht, andererseits – so wie dies vom Verwaltungsgericht angenommen wurde – auf das Verfahrensrecht des Nachbarn, gegen eine Baugenehmigung als Drittbetroffener Widerspruch einlegen zu können, beziehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991, a.a.O; Beschluss vom 17. Februar 1989 – 4 B 28.89 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 87 und juris, Rn. 2, 6; VGH BW, Urteil vom 14. Mai 2012 – 10 S 2693/09 –, BRS 79 Nr. 183 und juris, Rn. 42). Nur im Falle der Verwirkung tritt neben das Zeitmoment ein Umstandsmoment, wonach das Verhalten des Nachbarn Grundlage für die Entstehung eines Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen sein muss. Zudem muss der Bauherr aufgrund dieses Vertrauens von der Baugenehmigung Gebrauch gemacht, insbesondere vermögenswirksame Dispositionen getroffen haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 – 6 B 75.98 –, juris, Rn. 4; OVG RP, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 A 10196/11.OVG –, DVBl. 2011, 1107 und juris, Rn. 63).
- 8
Im Falle des Klägers war die Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO nach den Grundsätzen von Treu und Glauben abgelaufen. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass spätestens im Zeitpunkt der Rohbaufertigstellung im Juni 2013 für ihn erkennbar war, dass im Dachgeschoss des Nachbargrundstücks ein Balkon angebaut wird, von dem die von ihm befürchteten und im Klageverfahren dargelegten Beeinträchtigungen ausgehen können. Zu diesem Zeitpunkt hätte sich ihm aufdrängen müssen, dass der Anbau auf der Grundlage einer Baugenehmigung erfolgt, und es bestand für ihn Anlass, zur Frage des Vorliegens einer Baugenehmigung Erkundigungen einzuholen.
- 9
Der Kläger kann sich insoweit nicht darauf berufen, dass ihm die Kenntnisnahme zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei, da er selbst sich nur gelegentlich auf dem Grundstück aufhalte und das Anwesen vermietet habe. Bei der Frage, ob der Nachbar das Vorhandensein einer Baugenehmigung hätte kennen müssen, ist nämlich nicht auf individuelle Besonderheiten abzustellen, vielmehr ist dieser Umstand anhand eines objektiven Maßstabes zu beurteilen. Es kommt nicht darauf an, ob der betroffene Nachbar aufgrund besonderer Umstände persönlich daran gehindert war, von den objektiv von seinem Grundstück aus feststellbaren Bauarbeiten auch tatsächlich Kenntnis zu erlangen. Bei Ortsabwesenheit ist er gehalten, Vorkehrungen zu treffen, um über die sein Anwesen betreffenden Angelegenheiten informiert zu sein.
- 10
Bei Einlegung des Widerspruchs am 12. November 2014 war hiernach die Jahresfrist bereits verstrichen.
- 11
Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen Abweichens der Entscheidung des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zuzulassen. Die - vom Verwaltungsgericht noch zusätzlich erörterte - Frage der kausalen Verknüpfung zwischen einer möglichen Untätigkeit des Klägers und vermögenswerten Dispositionen des Beigeladenen erweist sich nach dem zuvor Gesagten nicht als entscheidungserheblich, da allein auf den Ablauf der Jahresfrist des § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO abzustellen ist.
- 12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, da dies nicht der Billigkeit entspricht, nachdem der Beigeladene im Zulassungsverfahren keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch nicht dem Prozessrisiko des Verfahrens ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
- 13
Der Wert des Streitgegenstandes bestimmt nach den §§ 47 und 52 Abs. 1 GKG.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 7. Juli 2009 - 6 K 2167/06 - geändert. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts Rastatt vom 10.08.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 02.08.2006 werden aufgehoben.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge jeweils zur Hälfte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
Der Antrag vom 26. Juni 2015 wird abgelehnt.
Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 7.500,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Antragstellerinnen begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung.
- 2
Der Vater der Antragstellerinnen war Eigentümer des Flurstücks … der Gemarkung … mit den beiden Gebäuden x und y. In dem Gebäude x wird ein Restaurant betrieben, das Gebäude y wird ebenfalls gewerblich, u.a. von einem Optiker genutzt.
- 3
Mit Bescheid vom 10. Mai 2013 wurde der Beigeladenen, einer Baugenossenschaft, der Neubau von 224 Wohneinheiten mit Tiefgarage und einer Kita auf den östlich angrenzenden Nachbargrundstücken … genehmigt. Diese Baugenehmigung wurde weder dem Vater der Antragstellerinnen noch den Antragstellerinnen selbst bekanntgegeben.
- 4
Bereits im Februar 2012 hatte die Beigeladene den Beginn der Abbrucharbeiten auf dem Vorhabengrundstück der Antragsgegnerin angezeigt und anschließend mit dem Abbruch der vormals auf dem Gelände befindlichen Produktionshallen eines Gewerbebetriebs begonnen. Im Juni 2013 begann sie dann mit dem Bau des genehmigten Vorhabens. Am 12. Mai 2014 fand eine Besprechung der Antragstellerin zu 1) und ihres Ehemannes mit Vertretern der Beigeladenen vor Ort auf der Baustelle statt. Zu diesem Zeitpunkt war der Wohnkomplex bereits ein- bis zweigeschossig im Rohbau errichtet.
- 5
Am 20. September 2014 starb der Vater der Antragstellerinnen kurz vor seinem 100. Geburtstag. Nach seinem Testament vom 16. Dezember 2010 sind die beiden Antragstellerinnen je zur Hälfte als Erben eingesetzt. Dieses Testament wurde am 17. Oktober 2014 durch das Amtsgericht Hamburg eröffnet. Ein Erbschein liegt bisher nicht vor. Mit Schreiben vom 15. Juni 2015 wies der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen den Ehemann der Antragstellerin zu 1) darauf hin, dass von dem nicht genehmigten Flachdachbau x an der Grenze des Vorhabengrundstücks Beeinträchtigungen ausgehen würden und dieses Gebäude die Abstandsflächen nicht einhalte.
- 6
Daraufhin legte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen am 26. Juni 2015 Widerspruch gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ein. Am selben Tag hat er den vorliegenden Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begründung tragen die Antragstellerinnen u.a. vor, dass das Recht gegen die Baugenehmigung vorzugehen nicht verwirkt sei. Die Verwirkung von Nachbarrechten sei in § 71 Abs. 3 Satz 4 der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) speziell geregelt. Weder die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm noch die einer Verwirkung nach allgemeinen Grundsätzen lägen vor. Dies gelte zum einen für das Zeitmoment. Der fast 100jährige Vater der Antragstellerinnen und bisherige Eigentümer habe bis zuletzt das „Heft in der Hand“ gehabt. Erst nach dem Tod ihres Vaters hätten die Antragstellerinnen sich nach und nach um die Angelegenheiten kümmern können. Dies habe sich bis Ende des Jahres 2014 hingezogen. Eine Auseinandersetzung mit der Beigeladenen habe vermieden werden sollen. Erst das Schreiben vom 15. Juni 2015 habe das „Fass zum Überlaufen gebracht“. Jedenfalls habe keine zuverlässige Kenntnis von der Baugenehmigung vorgelegen. Bei der Besprechung am 12. Mai 2014 seien die geplante Höhe des Gebäudes und damit auch die Nichteinhaltung der Abstandsflächen nicht ersichtlich gewesen. Die Höhe und Wirkung des Gebäudes der Beigeladenen sei erst nach der vollständigen Errichtung erkennbar gewesen.
- 7
Auch ein Vertrauenstatbestand der Beigeladenen liege nicht vor. Diese habe nicht darauf vertrauen können, dass die Antragstellerinnen ihre Nachbarrechtsbehelfe nicht mehr einlegen werden.
- 8
Weder die Antragsgegnerin noch die Beigeladene könnten sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen, da sich beide ihrerseits treuwidrig verhalten hätten. Die Antragsgegnerin habe die Baugenehmigung den Antragstellerinnen und dem Ehemann der Antragstellerin zu 1) bis zum Einlegen des Widerspruchs nicht bekanntgegeben, obwohl sie andere Nachbarn am Verfahren beteiligt und ihnen die Baugenehmigung bekanntgegeben habe. Die Beigeladene habe sich nicht an das Abstandsflächengebot der Hamburgischen Bauordnung gehalten und den Antragstellerinnen die wahre Dimension des Vorhabens nicht mitgeteilt. Besonders treuwidrig sei vor diesem Hintergrund die Berufung der Beigeladenen auf die Grenzabstandsverletzung durch das Gebäude x. Hätte es diese Treuwidrigkeit nicht gegeben, hätte das anhängige Verfahren vermieden werden können. Angesichts des Umfangs des Bauprojektes erscheine die Nichtbeteiligung der Antragstellerinnen und ihres Vaters als „kollusives Zusammenwirken“ der Antragsgegnerin und der Beigeladenen. Darüber hinaus komme eine Verwirkung im Bereich des Bauordnungsrechts nicht in Betracht.
- 9
Materiell-rechtlich verstoße die Baugenehmigung gegen das Abstandsflächengebot des § 6 HBauO und gegen den Brandschutz. Die Befreiung von der Baulinie sei rechtswidrig. Darüber hinaus sei das Vorhaben der Beigeladenen rücksichtslos. Insbesondere liege eine erdrückende Wirkung vor. Davon unabhängig habe die Beigeladene bei der Bauausführung die in der Baugenehmigung vorgesehenen Baugrenzen nicht eingehalten.
- 10
Die Antragsgegnerin trägt vor, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen der eingetretenen Verwirkung bereits unzulässig sei.
- 11
Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen führt u.a. aus, dass die Voraussetzungen der Verwirkung gegeben seien. Eine Verwirkung liege nach Ablauf eines Jahres ab dem Zeitpunkt, in dem der Nachbar Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt habe oder hätte erlangen können, vor. Die Möglichkeit einer Kenntniserlangung sei jedenfalls mit Baubeginn gegeben. Die Antragstellerinnen müssten sich die Möglichkeit der Kenntniserlangung ihres Vaters als Rechtsvorgänger zurechnen lassen.
- 12
Ein Mitarbeiter der Beigeladenen hat eidesstattlich versichert, dass an der Besprechung am 12. Mai 2014 auch die Antragstellerin zu 1) teilgenommen habe. Die Baustelleneinrichtung habe zu diesem Zeitpunkt unmittelbar an das Gebäude x gegrenzt.
- 13
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2015 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerinnen gegen die Baugenehmigung der Beigeladenen zurückgewiesen. Der Widerspruch sei unzulässig. Das Recht, Widerspruch einzulegen, sei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwirkt. Spätestens nach Beginn der Bauarbeiten im Juni 2013 habe sich der Rechtsvorgänger der Antragstellerinnen nicht mehr der Kenntnisnahme entziehen können. Ab diesem Zeitpunkt habe er sich bei der Antragsgegnerin erkundigen müssen, ob und welche Baugenehmigung der Beigeladenen erteilt worden sei.
II.
- 14
Der Antrag hat keinen Erfolg, weil er unzulässig ist. Zwar ist der Antrag – entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen – nicht deshalb unzulässig, weil die Antragstellerinnen neben dem vorliegenden Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO auch einen behördlichen Aussetzungsantrag gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 4 VwGO gestellt haben. Denn das allgemeine Rechtsschutzinteresse entfällt in dieser Konstellation nur, wenn die Behörde die Aussetzung der Vollziehung bereits verfügt hat (vgl. Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: 2015, § 80, Rn. 498). Dies ist hier nicht der Fall.
- 15
Jedoch folgt die Unzulässigkeit des Antrags aus der entgegenstehenden Bestandskraft der Baugenehmigung soweit diese seit dem Erlass am 10. Mai 2013 inhaltlich unverändert ist (1.). In Bezug auf die durch die beiden Änderungsbescheide vom 11. November 2014 und vom 26. Februar 2015 herbeigeführten Änderungen der Baugenehmigung fehlt es den Antragstellerinnen an der Antragsbefugnis (2.).
- 16
1. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerinnen gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in der ursprünglichen Fassung vom 10. Mai 2013 kommt nicht mehr in Betracht, weil diese den Antragstellerinnen gegenüber bestandskräftig geworden ist (vgl. zur Unzulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in diesen Fällen: OVG Münster, Beschl. v. 24.5.2011, 14 B 391/11, juris Rn. 4 f.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., 2014, Rn. 129).
- 17
Die Bestandskraft folgt allerdings nicht aus dem Versäumen der Frist des § 70 VwGO, da die Baugenehmigung weder den Antragstellerinnen noch ihrem Vater gegenüber bekanntgegeben wurde.
- 18
Jedoch führt der den Bestimmungen der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO zu entnehmende Rechtsgedanke in Verbindung mit dem Grundsatz aus Treu und Glauben zur Bestandskraft der Baugenehmigung vom 10. Mai 2013 gegenüber den Antragstellerinnen.
- 19
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekanntgegeben worden. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Widerspruchsfrist regelmäßig nach den Vorschriften der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO (hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urt. v. 25.1.1974, IV C 2.72, juris, Rn. 23 ff.; Beschl. v. 28.8.1987, 4 N 3/86, juris, Rn. 12 ff.). Dies folgt aus dem zwischen Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist. Das Gemeinschaftsverhältnis verpflichtet den Nachbarn, durch zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen möglichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten. Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zugewartet hat. Für den Verlust des Widerspruchsrechts nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles entscheidend, wobei es auf die Gegebenheiten auf beiden Seiten dieses Verhältnisses ankommt (BVerwG, Beschl. v. 28.8.1987, a.a.O., Rn. 17).
- 20
Für den Beginn der Jahresfrist ist nicht lediglich auf die Kenntnis bzw. die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auf für den Nachbarn erkennbare hierdurch ausgelöste Risiken und Beeinträchtigungen abzustellen. Dies folgt aus der Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus dem vom Grundsatz von Treu und Glauben geprägten nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis (hierzu und zum Folgenden: VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, 10 S 2693/09, juris, Rn. 38 f.). Auch in diesem Zusammenhang ist jedoch nicht erforderlich, dass der Nachbar die Beeinträchtigung durch ein Vorhaben tatsächlich erkannt hat; es genügt ebenfalls die Erkennbarkeit. Davon ist zum einen auszugehen, wenn sich das Vorliegen der Genehmigung (einschließlich der subjektiven Beeinträchtigung) aufdrängt. Ferner ist es ausreichend, wenn es dem Nachbarn möglich und zumutbar war, sich über diese Umstände Gewissheit zu verschaffen, etwa durch Anfrage beim Bauherrn oder der Behörde. Eine Ermittlungspflicht des Nachbarn hinsichtlich des Vorliegens einer Baugenehmigung, deren Inhalts und möglicher Beeinträchtigungen besteht etwa, wenn ein deutlich wahrnehmbares Baugeschehen vorliegt (VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, a.a.O., Rn. 40; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.4.2010, OVG 10 S 5.10, juris, Rn. 16). Die aus dem Rechtsgedanken des § 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist kann frühestens mit der Erteilung der Baugenehmigung zu laufen beginnen (VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, a.a.O., Rn. 44).
- 21
Gemessen an diesem Maßstab konnten die Antragstellerinnen mit ihrem Widerspruch vom 26. Juni 2015 unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Widerspruchsfrist wahren.
- 22
a) Die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Jahresfrist ist vorliegend anwendbar. Das Gericht unterstellt in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugunsten der Antragstellerinnen, dass sie aufgrund des Testaments vom 16. Dezember 2010 (Bl. 64 ff. d.A.) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Eigentümerinnen des Flurstücks … mit den beiden Gebäuden x und y geworden sind. Der Eigentümer des Flurstücks … (der Vater der Antragstellerinnen bis zu seinem Tod, danach die Antragstellerinnen selbst) steht mit der Beigeladenen als Eigentümerin des unmittelbar angrenzenden Flurstücks … in einem nachbarschaftlichen besonderen Gemeinschaftsverhältnis, das durch eine von Treu und Glauben geprägte Verbundenheit gekennzeichnet ist.
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Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen ist die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Jahresfrist nicht deshalb unanwendbar, weil sich die Antragsgegnerin und die Beigeladene selbst treuwidrig verhalten hätten, indem sie die Baugenehmigung den Antragstellerinnen bzw. ihrem Vater nicht bekanntgegeben hätten. Dass die Baugenehmigung den Antragstellern bzw. ihrem Vater nicht bekanntgegeben wurde, hindert nicht die Anwendung dieser Fallgruppe, sondern ist gerade die Voraussetzung für das Eingreifen der Jahresfrist. Bei einer Bekanntgabe der Baugenehmigung kommt es hingegen zum Lauf der Monatsfrist des § 70 VwGO.
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Etwas anderes folgt nicht aus dem von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen zitierten Beschluss des OVG Greifswald (Beschl. v. 14.7.2004, 3 M 152/04, juris, Rn. 7) und der Tatsache, dass die Baugenehmigung anderen Nachbarn bekanntgegeben wurde. Das OVG Greifswald äußert sich nicht zu der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist, sondern zu der Frage, wie ein Nachbarschaftsstreit zu behandeln ist, in dem beide Seiten das Grenzabstandsgebot verletzen. Diese Wertung ist nicht auf den vorliegenden Fall der fehlenden Bekanntmachung der Baugenehmigung zu übertragen. Zum einen ist schon fraglich, ob eine Rechtspflicht der Antragsgegnerin bestand, den Vater der Antragstellerinnen im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligen. Denn es ist zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin erwarten musste, dass durch die Befreiungs- und Abweichungsentscheidungen im Baugenehmigungsverfahren seine öffentlich-rechtlich geschützten Rechte berührt werden (vgl. § 71 Abs. 3 Satz 1 HBauO). Dagegen spricht, dass der Vater der Antragstellerinnen im Bebauungsplanverfahren … keine Einwendungen geltend gemacht hat. Selbst wenn die Antragsgegnerin gegen die Beteiligungspflicht verstoßen haben sollte, führt dies lediglich dazu, dass die Präklusion des Nachbarn gemäß § 71 Abs. 3 Satz 4 HBauO nicht zur Anwendung kommt. Weitergehende Auswirkungen auf das von Treu und Glauben geprägte Nachbarrechtsverhältnis hat ein Verstoß gegen die Beteiligungspflicht nicht.
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Zum anderen wäre ein möglicher Verstoß gegen die Bekanntmachungspflicht nicht der Beigeladenen, sondern der Behörde zuzurechnen. Der Grundsatz von Treu und Glauben besteht aber nur zwischen den jeweiligen Grundstücksnachbarn. Dem Bauherrn sind Rechtsverstöße der Baubehörde im Verwaltungsverfahren grundsätzlich nicht zuzurechnen.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen, dass ein „kollusives Zusammenwirken“ zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen im Rahmen der Nichtbeteiligung der Antragstellerinnen bzw. ihres Vaters vorliege (Bl. 452 f. d.A.). Dieser Vortrag bleibt unsubstantiiert. Es fehlen jegliche Details zu einem möglichen Zusammenwirken der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu Lasten der Antragstellerinnen bzw. ihres Vaters. Unabhängig davon stellt die bloße Nichtbeteiligung eines Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren auch keinen der Beigeladenen als Bauherrn zurechenbaren Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Der Bauherr ist weder nach dem geltenden Recht noch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichtet, den Nachbarn über die Erteilung einer Baugenehmigung zu informieren. Ob etwas anderes gelten würde, wenn die Antragstellerinnen die Beigeladene nach dem Vorliegen einer Baugenehmigung gefragt hätten und diese das Vorhandensein verschwiegen hätte, kann dahinstehen, denn einen solchen Sachverhalt haben die Antragstellerinnen nicht vorgetragen und er ist auch sonst nicht ersichtlich.
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Schließlich ist die Anwendbarkeit der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beigeladene von den Antragstellerinnen mit Schreiben vom 15. Juni 2015 die Beseitigung der von der Beigeladenen geltend gemachten Nachbarrechtsbeeinträchtigungen verlangt hat. Unabhängig davon, ob es sich dabei um ein treuwidriges Verhalten handelt, kann es an der Bestandskraft der Baugenehmigung nichts mehr ändern, da dieses Schreiben nach Ablauf der Jahresfrist und damit nach Eintritt der Bestandskraft erfolgte. Allerdings weist das Gericht in diesem Zusammenhang daraufhin, dass der Ablauf der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist nicht zwingend auch zu einer materiellen Verwirkung der Baunachbarrechte der Antragstellerinnen im Verhältnis zu der Beigeladenen führt, da beide Fallgruppen andere Voraussetzungen haben.
- 28
b) Die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs lief in jedem Fall vor dem 26. Juni 2015 ab. Zwar haben nach dem von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen nicht widersprochenem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen, an dem auch sonst kein Zweifel besteht, weder die Antragstellerinnen noch ihr Vater vor dem 26. Juni 2015 ein Exemplar der Baugenehmigung erhalten und damit Kenntnis von dem Inhalt der Baugenehmigung erlangt.
- 29
Jedoch ist in jeder denkbaren Fallgestaltung vor dem 26. Juni 2015 die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs ab dem Zeitpunkt, an dem der Vater der Antragstellerinnen als Eigentümer des Flurstücks … Kenntnis von der Baugenehmigung vom 10. Mai 2013 hätte erlangen müssen, abgelaufen.
- 30
aa) Die Jahresfrist begann spätestens im Juni 2013 zu laufen, wenn es bei der Frage, wann ein Nachbar Kenntnis von dem Inhalt einer Baugenehmigung für ein Vorhaben auf dem Nachbargrundstück hätte haben müssen, auf die Person eines „gewöhnlichen Nachbarn“, unabhängig von den konkreten Fähigkeiten, dem Alter und dem Gesundheitszustand des Nachbarn, ankommt (so wohl: OVG Berlin, Urt. v. 20.12.2005, OVG 10 B 10/05, juris, Rn. 11, 23 f.; das OVG Berlin geht nicht auf den Vortrag ein, dass die Nachbarin, die hätte Kenntnis erlangen müssen, bettlägerig und schwer krank gewesen sei).
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Zwar wäre auch in diesem Fall nicht auf den Zeitpunkt des Beginns der umfangreichen Abrissarbeiten im Februar 2012 abzustellen, da die Frist aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO frühestens mit der Erteilung der Baugenehmigung zu laufen beginnt. Jedoch drängte sich in diesem Fall einem „gewöhnlichen Nachbarn“ das Vorliegen einer Baugenehmigung mit dem Beginn der umfangreichen Bauarbeiten im Juni 2013 auf und ein „gewöhnlicher Nachbar“ wäre verpflichtet gewesen, sich aufgrund des Beginns der Bauarbeiten bei der Antragsgegnerin oder bei der Beigeladenen über das Vorliegen und den Inhalt der Baugenehmigung zu informieren. Aufgrund der Größe des Vorhabens der Beigeladenen und der Nähe zum Flurstück …, war es für einen „gewöhnlichen Nachbarn“ auch ab dem Beginn der Bauarbeiten erkennbar, dass mit dem Vorhaben Beeinträchtigungen für sein eigenes Grundstück verbunden sein könnten.
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In diesem Fall lief die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs im Juni 2014 ab und die Baugenehmigung wurde schon dem Vater der Antragstellerinnen gegenüber bestandskräftig. Diese Bestandskraft gilt auch gegenüber den Antragstellerinnen als Gesamtrechtsnachfolgerinnen ihres Vaters (vgl. zur dinglichen Rechtsnatur der Abwehrrechte des Nachbarn: OVG Magdeburg, Beschl. v. 4.6.2012, 2 L 56/11, juris, Rn. 7 m.w.N.).
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bb) Dasselbe gilt für den Fall, dass es bei der Frage, wann ein Nachbar Kenntnis von dem Inhalt einer Baugenehmigung für ein Vorhaben auf dem Nachbargrundstück hätte haben müssen auf die jeweilige Person des Nachbarn, abhängig von seinen konkreten Fähigkeiten, seinem Alter und seinem Gesundheitszustand ankommt und der Vater der Antragstellerinnen – wie von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen vorgetragen (Bl. 9 d.A.) – bis zuletzt das „Heft in der Hand hatte“ und die Entscheidungen in Bezug auf sein Grundstück selbst gefällt hat. Wenn der Vater der Antragstellerinnen trotz seines hohen Alters die Verantwortung für sein Grundstück und diesbezügliche Entscheidungen nicht aus der Hand gegeben hat, dann muss er sich von der Rechtsordnung – schon zum Schutz der übrigen Teilnehmer des Rechtsverkehrs – so behandeln lassen, als wenn er auch körperlich und geistig in der Lage wäre, die Vorgänge auf seinem Grundstück und in der Nachbarschaft zu erfassen. Insoweit hätte er die Baugenehmigung, ihren Inhalt und die sich für sein Grundstück daraus ergebenden Risiken spätestens ab Beginn der umfangreichen Bauarbeiten im Juni 2013 erkennen müssen.
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cc) Wenn es bei der Frage, wann ein Nachbar Kenntnis von dem Inhalt einer Baugenehmigung für ein Vorhaben auf dem Nachbargrundstück hätte haben müssen, auf die jeweilige Person des Nachbarn, abhängig von seinen konkreten Fähigkeiten, seinem Alter und seinem Gesundheitszustand ankommt und der Vater der Antragstellerinnen – wie von dem Beigeladenen-Vertreter mit seinen Zweifeln an der Testierfähigkeit des Vaters der Antragstellerinnen angedeutet (Bl. 211 d.A.) – geistig und körperlich nicht mehr in der Lage war, Entscheidungen in Bezug auf sein Grundstück zu treffen, dann hätte der Vater der Antragstellerinnen spätestens am 12. Mai 2014 Kenntnis von der Baugenehmigung und ihrem Inhalt erlangen müssen.
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In diesem Fall wäre zwar nicht auf den Beginn der Bauarbeiten auf dem Vorhabengrundstück abzustellen, da aufgrund der geistigen und körperlichen Lage des Vaters der Antragstellerinnen in diesem Szenario nicht hinreichend sicher feststeht, dass er selbst noch Kenntnis von den Aktivitäten auf dem Nachbargrundstück hätte nehmen können.
- 36
Jedoch musste sich der Vater der Antragstellerinnen in diesem Fall die Kenntnis bzw. das „Kennenmüssen“ der Antragstellerin zu 1) und ihres Ehemannes seit dem 12. Mai 2014 zurechnen lassen. Am 12. Mai 2014 fand nach Angaben der Beigeladenen, denen die Antragstellerinnen nicht widersprochen haben und an denen auch sonst kein Zweifel besteht, ein Treffen zwischen dem Ehemann der Antragstellerin zu 1) als Bevollmächtigtem des Vaters der Antragstellerinnen, der Antragstellerin zu 1) und Vertretern der Beigeladenen auf der Baustelle auf dem Vorhabengrundstück statt. Dabei wurde über beide Nachbargrundstücke betreffende Angelegenheiten – u.a. einen an der Grenze zwischen dem Flurstück … und dem Vorhabengrundstück stehenden Baum und über das Lüftungskonzept des in dem Gebäude x betriebenen Restaurants – gesprochen. Zu diesem Zeitpunkt war der Wohnkomplex auf dem Vorhabengrundstück bereits ein- bis zweigeschossig im Rohbau errichtet, so dass die Ausmaße des Vorhabens und die mit ihnen möglicherweise verbundenen Risiken für alle Teilnehmer des Treffens erkennbar waren. Diese Kenntnis bzw. das „Kennenmüssen“ des Ehemanns der Antragstellerin zu 1), der bei dem Treffen am 12. Mai 2014 als Bevollmächtigter aufgetreten ist, musste sich der Vater der Antragstellerin gemäß des allgemeinen Rechtsgedanken des § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen (vgl. Schilken in: Staudinger, BGB, 2014, § 166, Rn. 3 f.). Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn der Ehemann der Antragstellerin zu 1) eigenmächtig und ohne Kenntnis des Vaters der Antragstellerinnen für diesen tätig geworden wäre. Für ein solches eigenmächtiges Vorgehen des Ehemanns der Antragstellerin zu 1), das die Antragstellerinnen nicht vorgetragen haben, bestehen keine Anhaltspunkte.
- 37
In Bezug auf das Kennenmüssen des Ehemanns der Antragstellerin zu 1) am 12. Mai 2014 ist unerheblich, dass nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen zu diesem Zeitpunkt Art und Umfang des Bauvorhabens hinsichtlich der Höhe und der Grenzabstände noch nicht erkennbar gewesen seien. Denn eine Ermittlungspflicht des Nachbarn hinsichtlich des Vorliegens einer Baugenehmigung, deren Inhalts und möglicher Beeinträchtigungen besteht nach der Rechtsprechung des VGH Mannheims und des OVG Berlin-Brandenburgs, der sich die Kammer anschließt, bereits dann, wenn ein deutlich wahrnehmbares Baugeschehen vorliegt. Dies war am 12. Mai 2014 der Fall (vgl. Bl. 222 d.A.).
- 38
Auch der Tod des Vaters der Antragstellerinnen am 20. September 2014 ändert nichts daran, dass die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs auch in dieser Fallgestaltung unter jedem denkbaren Gesichtspunkt vor dem 26. Juni 2015 abgelaufen ist. Die Auswirkungen des Todes eines Nachbarn auf den Lauf der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs ist – soweit ersichtlich – in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft noch nicht geklärt.
- 39
(1) Nach Auffassung der Kammer führt der Tod des Vaters der Antragstellerinnen nicht zu einer Unterbrechung des Fristablaufs analog § 239 ZPO, denn eine solche analoge Anwendung scheidet aus. Zwar wird die analoge Anwendung des § 239 ZPO auf laufende Verwaltungsverfahren grundsätzlich befürwortet (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 13, Rn. 63). Jedoch besteht zwischen dem Nachbarn und der Baubehörde in den Fällen, in denen dem Nachbarn die Baugenehmigung nicht bekanntgegeben wurde und er noch keinen Widerspruch eingelegt hat, kein Verwaltungsverfahren i.S.d. § 9 VwVfG. Da sich der Nachbar nicht mit einem Antrag an die Behörde gewandt hat und diese nicht von Amts wegen gegenüber dem Nachbarn tätig geworden ist, wurde noch kein Verwaltungsverfahren eingeleitet (vgl. § 22 VwVfG). Wenn aber kein laufendes Verwaltungsverfahren gegeben ist, kann § 239 ZPO, der bei einer analogen Anwendung ein laufendes Verwaltungsverfahren voraussetzt, nicht eingreifen.
- 40
Unabhängig davon scheidet eine analoge Anwendung des § 239 ZPO auf die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs nach Sinn und Zweck dieser Ausschlussfrist aus. Diese Frist soll verhindern, dass der Nachbar ohne zureichenden Grund mit seinen Einwendungen länger als notwendig zuwartet und damit verhindern, dass die Bestandskraft einer Baugenehmigung auf unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.1.1974, IV C 2.72, juris, Rn. 23 ff.; Beschl. v. 28.8.1987, 4 N 3/86, juris, Rn. 12 ff.; zum Charakter des § 58 Abs. 2 VwGO als Ausschlussfrist: Meissner/Schenk in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 2015, § 58, Rn. 65 m.w.N.). Würde § 239 ZPO analog zur Anwendung kommen, würde die Jahresfrist die ihr zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen können. Denn jeder Rechtsnachfolger eines Nachbarn könnte – ohne Konsequenzen befürchten zu müssen – mit der Aufnahme des Verfahrens so lange warten, bis er nach § 239 Abs. 2 ZPO von der Baubehörde oder dem Bauherrn zu einem Termin zur Aufnahme des Verfahrens geladen würde. Da der Baubehörde und dem Bauherrn der Tod eines Nachbarn in der Regel nicht mitgeteilt wird und es regelmäßig auch keine für die Baubehörde oder den Bauherrn wahrnehmbaren Anhaltspunkte für den Tod eines Nachbarn gibt, würde die Bestandskraft einer Baugenehmigung in diesen Fällen auf unbegrenzte Zeit in der Schwebe bleiben.
- 41
(2) Es kann dahinstehen, ob § 211 BGB analog auf die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgende Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs anzuwenden ist. Denn unabhängig davon, ob § 211 BGB analog anzuwenden ist oder nicht, ist die Jahresfrist vor dem 26. Juni 2015 abgelaufen.
- 42
Wenn der Lauf der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO folgenden Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs von dem Tod des Nachbarn nicht berührt wird und § 211 BGB nicht analog anzuwenden ist, dann ist die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs am 12. Mai 2015 abgelaufen.
- 43
Wenn § 211 BGB analog anzuwenden ist – dafür spricht aus der Sicht der Kammer, dass der Rechtsnachfolger im Erbfall einen angemessenen Zeitraum zur Verfügung haben sollte, um sich noch fristwahrend um die Nachlassangelegenheiten kümmern zu können –, endete die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs am 28. Mai 2015. Gemäß § 211 BGB tritt die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen wird. Nach § 1943 BGB gilt die Erbschaft mit Ablauf der Ausschlagungsfrist als angenommen. Gemäß § 1944 BGB läuft die Ausschlagungsfrist sechs Wochen nach Testamentseröffnung ab. Vorliegend wurde das Testament am 17. Oktober 2014 durch das Amtsgericht Hamburg eröffnet (Bl. 22 d.A.). Damit lief die Ausschlagungsfrist am 28. November 2014 ab. Bei einer analogen Anwendung des § 211 BGB lief die Jahresfrist zur Einlegung des Widerspruchs nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach der Annahme der Erbschaft mit Ablauf des 28. November 2014 und damit am 28. Mai 2015 ab.
- 44
c) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen ist für den Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, außer der Untätigkeit des Nachbarn kein zusätzliches Verhalten des Nachbarn, das auf einen Verzicht auf die Rechtsausübung hindeutet und auch kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich (vgl. hierzu und zum Folgenden: VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, 10 S 2693/09, juris, Rn. 41 f.). Unerheblich ist mithin, ob der Bauherr ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und dieses schutzwürdig ist. Denn die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterscheidet streng zwischen dem Verlust des verfahrensmäßigen Rechts, Widerspruch einzulegen, durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen auf der einen Seite und der Verwirkung des Widerspruchsrechts oder gar des materiellen Abwehranspruchs auf der andern Seite. Der Verlust des verfahrensmäßigen Rechts aufgrund von Zeitablauf und die Verwirkung des Widerspruchsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit des Widerspruchs). Auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen. So kommt eine Verwirkung des Widerspruchsrechts nach den Umständen des Einzelfalles auch bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Betracht. Eine Verwirkung hat jedoch zusätzlich zur Voraussetzung, dass der Genehmigungsempfänger aus aktivem Tun des Nachbarn oder einer ihm gleichzusetzenden Duldung auf dessen Einverständnis schließen kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.2.1989, 4 B 28/89, juris, Rn. 6).
- 45
Entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen können diese vom Bundesverwaltungsgericht für die Verwirkung aufgestellten zusätzlichen Anforderungen an die Vertrauensbetätigung des Bauherrn nicht auf die hier in Rede stehende Fallgruppe der entsprechenden Anwendung von §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO übertragen werden (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 14.5.2012, a.a.O., Rn. 42). Gegenteiliges kann auch den von dem Prozessbevollmächtigten zitierten Entscheidungen (BVerwG, Urt. v. 16.5.1991, 4 C 4/89; Urt. v. 10.8.2000, 4 A 11/99; OVG Münster, Urt. v. 9.4.1992, 7 A 1521/90; Beschl. v. 7.8.1998, 11 B 1555/98, juris; OVG Koblenz, Urt. v. 1.6.2011, 8 A 10196/11, alle in juris) nicht entnommen werden. Diese Entscheidungen setzen sich mit den (anders gelagerten) Voraussetzungen der formellen (BVerwG, Urt. v. 16.5.1991, a.a.O., Rn. 27 f.; Urt. v. 10.8.2000, a.a.O., Rn. 15 ff.) bzw. materiellen (BVerwG, Urt. v. 16.5.1991, a.a.O., Rn. 19-25; OVG Münster, Urt. v. 9.4.1992, a.a.O., Rn. 15 ff.; Beschl. v. 7.8.1998, a.a.O., Rn. 11 ff.; OVG Koblenz, Urt. v. 1.6.2011, a.a.O., Rn. 63 ff.) Verwirkung eines Baunachbarrechts auseinander und nicht mit den Voraussetzungen der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO und dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist für die Einlegung des Widerspruchs.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen herangezogenen Beschluss des erkennenden Gerichts vom 6. Januar 2014 (9 E 2814/13, juris, Rn. 32 f.). Auch dieser Beschluss betrifft eine andere Fallgruppe. In dem damaligen Verfahren ging es um die Frage, ob das Recht einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu stellen, verwirkt sein konnte, obwohl in der Hauptsache bereits ein zulässiger Rechtsbehelf (Klage) fristgerecht eingelegt worden war. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, weil es hier um die Frage geht, ob der Rechtsbehelf in der Hauptsache (Widerspruch) nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Baunachbarverhältnis unzulässig ist.
- 47
d) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen ist die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Jahresfrist zur Einlegung eines Widerspruchs auf alle Baunachbarrechtsstreitigkeiten unabhängig davon anzuwenden, ob der Nachbar die Verletzung bauplanungsrechtlicher oder bauordnungsrechtlicher Regelungen geltend macht. Die von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerinnen geltend gemachte fehlende Verwirkung im Bereich des Bauordnungsrechts (unter Verweis auf: OVG Lüneburg, Urt. v. 22.3.2001, 1 L 4487/99, juris) bezieht sich auf die Verwirkung der Befugnisse der Bauaufsichtsbehörde zum Einschreiten wegen baurechtswidriger Zustände. Zur Frage der aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgenden Jahresfrist trifft diese Entscheidung keine Aussage. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum hinsichtlich dieser Jahresfrist zwischen der Verletzung bauplanungsrechtlicher oder bauordnungsrechtlicher Regelungen unterschieden werden sollte. Insbesondere wird durch die Jahresfrist die baurechtliche Gefahrenabwehr nicht beeinträchtigt, denn diese ist nicht Aufgabe der Nachbarn sondern der Bauaufsichtsbehörde.
- 48
e) Der Bestandskraft der Baugenehmigung, soweit diese seit dem Erlass am 10. Mai 2013 inhaltlich unverändert ist, steht auch nicht der Erlass der beiden Änderungsbescheide vom 11. November 2014 und vom 26. Februar 2015 entgegen. Zwar ist die aus dem Rechtsgedanken der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende Jahresfrist zur Einlegung eines Widerspruchs hinsichtlich der Änderungsbescheide vom 11. November 2014 und vom 26. Februar 2015 noch nicht abgelaufen. Dies bezieht sich allerdings nur auf die Bestandteile der Baugenehmigung, die durch die Änderungsbescheide geändert wurden. Denn nur soweit die Baugenehmigung durch die Änderungsbescheide geändert wurde, steht die Bestandskraft der Baugenehmigung Nachbarrechtsbehelfen nicht weiter entgegen (vgl. zu der in Bezug auf die Bestandskraft vergleichbaren Anfechtung einer atomrechtlichen Genehmigung durch einen Dritten: BVerwG, Urt. v. 21.8.1996, 11 C 9/95, juris, Rn. 34). In Bezug auf die unveränderten Bestandteile der Baugenehmigung wirkt die Bestandskraft fort.
- 49
2. In Bezug auf die durch die beiden Änderungsbescheide vom 11. November 2014 und vom 26. Februar 2015 herbeigeführten Änderungen der Baugenehmigung fehlt es den Antragstellerinnen an der Antragsbefugnis.
- 50
Zwar unterstellt das Gericht in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugunsten der Antragstellerinnen, dass sie im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Eigentümerinnen des Flurstücks … mit den beiden Gebäuden x und y geworden sind [s.o. 1. a)]. Jedoch hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen nicht vorgetragen und erscheint es auch sonst ausgeschlossen, dass die Antragstellerinnen durch die Änderungen der Baugenehmigung, die durch die Änderungsbescheide erfolgten, in ihren Rechten verletzt werden. Der erste (negative) Änderungsbescheid vom 11. November 2014 (Schriftstück S-211 der Bauakte) kann sich nicht auf die Rechte der Antragstellerinnen auswirken, da eine Änderung der Baugenehmigung abgelehnt wurde. Der zweite Änderungsbescheid vom 26. Februar 2015 (Schriftstück S-217 der Bauakte) beinhaltet ausnahmslos Änderungen, die die Rechte der Antragstellerinnen nicht betreffen und nicht beeinträchtigen. Dies gilt für die Erweiterung der Dachbegrünung auf alle Gebäude, für die Änderung der Feuerwehraufstellflächen, für die Änderung der Gestaltung der von dem Flurstück … nicht einsehbaren Fassaden im Blockinnenbereich und für die Umnutzung der ursprünglich als Abstellraum geplanten Fläche im Dachgeschoss des Hauses H 1 als zusätzliche Wohneinheit. Durch die Umnutzung der Räume ändert sich die Gebäudeform und -höhe nicht. Außerdem ist der betreffende Teil des Hauses H 1, dessen Nutzung geändert wird, etwa dreißig Meter von der Grenze des Grundstücks der Antragstellerinnen entfernt.
- 51
3. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerinnen darauf hinweist, dass die Vorgaben der Baugenehmigung – etwa in Bezug auf die Baugrenzen (Bl. 369 d.A.) – bei der Bauausführung nicht eingehalten werden, ist darauf hinzuweisen, dass der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist. Ob die Vorgaben der Baugenehmigung bei der Bauausführung tatsächlich eingehalten werden, hat auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung keine Auswirkungen.
III.
- 52
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat einen erfolgreichen Antrag gestellt, so dass es der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten den Antragstellerinnen aufzuerlegen.
- 53
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei folgt die Kammer der ständigen Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, wonach der Streitwert für eine baurechtliche Nachbarklage in einem Hauptsacheverfahren einem Rahmen zwischen 7.500,-- und 30.000,-- Euro zu entnehmen ist (OVG, Beschl. v. 29.11.2006, 2 Bs 148/06, juris). Hier hält die Kammer einen Streitwert von 15.000,-- Euro für angemessen. Da es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes handelt, ist dieser Wert zu halbieren.
(1) Für das gerichtliche Verfahren gilt § 36 Abs. 1 Satz 1 entsprechend.
(2) Die Berufung gegen ein Urteil und die Beschwerde gegen eine andere Entscheidung des Gerichts sind ausgeschlossen. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 135 in Verbindung mit § 133 der Verwaltungsgerichtsordnung, die Beschwerde gegen Beschlüsse über den Rechtsweg nach § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes und die Beschwerde gegen Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 und 7 sowie § 80a der Verwaltungsgerichtsordnung. Auf die Beschwerde gegen die Beschlüsse über den Rechtsweg findet § 17a Abs. 4 Satz 4 bis 6 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Anwendung.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Für das gerichtliche Verfahren gilt § 36 Abs. 1 Satz 1 entsprechend.
(2) Die Berufung gegen ein Urteil und die Beschwerde gegen eine andere Entscheidung des Gerichts sind ausgeschlossen. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 135 in Verbindung mit § 133 der Verwaltungsgerichtsordnung, die Beschwerde gegen Beschlüsse über den Rechtsweg nach § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes und die Beschwerde gegen Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 und 7 sowie § 80a der Verwaltungsgerichtsordnung. Auf die Beschwerde gegen die Beschlüsse über den Rechtsweg findet § 17a Abs. 4 Satz 4 bis 6 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Anwendung.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.
(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.
(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 als Gesamt-schuldner. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
II.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.