Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 14. Mai 2019 - RN 6 K 17.2047

bei uns veröffentlicht am14.05.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, durch Anordnung bauaufsichtlicher Maßnahmen gegenüber der Beigeladenen zu erreichen, dass von den Photovoltaikanlagen auf dem mit Bescheid des Landratsamtes Kelheim vom 13.9.2010 genehmigten Anbau keine von anderen Blendwirkungen unterscheidbare Blendwirkungen im Bereich des klägerischen Grundstückes eintreten.

Die Bescheide vom 24.2.2011 und 16.8.2013 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung widersprechen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt zwei Drittel, der Beklagte trägt ein Drittel der Kosten des Verfahrens.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Nachbarin bauaufsichtliches Einschreiten hinsichtlich verschiedener auf dem Grundstück Fl.Nr. 4 der Gemarkung … in der Gemeinde A., Verwaltungsgemeinschaft M., angebrachter Photovoltaikanlagen.

Hallen 1 und 2 Dach Anbau Haus der Klägerin

Nachdem auf dem Dach des Hauptgebäudes der Beigeladenen bereits in den Jahren 2004 bis 2008 Photovoltaikanlagen angebracht wurden, beantragte Herr …(X) die Genehmigung für den Neubau von zwei Maschinenhallen (im Weiteren „Hallen 1 und 2“) mit Grundflächen von 18 m Länge und 8 m Breite und einer Dachneigung von 22,5°. Die Klägerin unterschrieb die Baupläne, aus denen nicht ersichtlich ist, dass auf den Dächern Photovoltaikanlagen angebracht werden sollten. Dies ergibt sich nur aus dem Schreiben des Amtes für Landwirtschaft und Forsten A. vom 27.6.2008, in dem darauf hingewiesen wird, dass der Bauherr einer von drei Gesellschaftern der Beigeladenen ist. Unter dem 7.7.2008 wurde die Baugenehmigung erteilt.

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. 5/7 sowie des unbebauten Grundstücks Fl.Nr. 5/8 der Gemarkung … Der Beklagte erteilte einem der Geschäftsführer der Beigeladenen mit Bescheid vom 13.9.2010 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer landwirtschaftlichen Lagerhalle auf dem nordwestlich der Klägergrundstücke gelegenen Grundstück Fl.Nr. 4. Es handelt sich um einen 26,24 m langen und 15,50 m breiten „Anbau“ an das bereits bestehende Hauptgebäude. Die Firsthöhe des Pultdaches beträgt 5,08 m, an der südsüdöstlich gelegenen Gebäudefront beträgt die Gesamthöhe 2,24 m. Das Gebäude liegt 3,50 m unterhalb der ca. 27 m östlich vorbeiführenden …straße. Auf dem Dach wurden wenige Wochen nach Erlass der Baugenehmigung Photovoltaikanlagen angebracht. Die gegen die Baugenehmigung am 12.10.2010 erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10.5.2011 (RN 6 K 10.1835) abgewiesen, da die Photovoltaik nicht Gegenstand der Baugenehmigung war. Ein dagegen gestellter Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 10.10.2013 (15 ZB 11.1416) abgelehnt.

Mit Telefax vom 11.2.2011, eingegangen am 15.2.2011, beantragte der damalige Bevollmächtigte der Klägerin bei dem Beklagten gegen die Beigeladene bauaufsichtlich einzuschreiten. Er vertrete die Interessen der Klägerin sowie der Eheleute …(Y) und des Herrn …(Z). Er beantrage bauaufsichtliches Einschreiten durch Beseitigungsanordnung, hilfsweise Nutzungsuntersagung jedenfalls bezüglich der PV-Anlage, die auf dem Dach des „Gebäudes“ montiert wurde, dessen Genehmigung in dem oben genannten Klageverfahren streitgegenständlich sei. Die fehlende Genehmigungsfähigkeit jedenfalls auch der Nutzung der Photovoltaikanlage liege schon deshalb auf der Hand, da aus den Behördenakten hervorgehe, dass es der unteren Bauaufsichtsbehörde wichtig gewesen sei, eine entsprechende Aussage des Bauherrn zu erhalten, wonach dieser keine Photovoltaikanlage auf die beantragte Gerätehalle aufbringe. Unter diesen Umständen wäre eine Genehmigung wegen der Blendwirkung nämlich nicht, jedenfalls nicht unter genauer Untersuchung der Nachbarbelange, auf die in fachtechnischer Hinsicht in den Genehmigungsunterlagen hingewiesen worden sei, erteilt worden. Für die Klägerin beantrage er bauaufsichtliches Einschreiten hinsichtlich einer älteren Anlage, die sich auf dem (offensichtlich Stall-) Hauptgebäude des Bauherrn befinde, da bei einem Ortstermin ersichtlich geworden sei, dass dort Schneelasten wegen der Glätte der Photovoltaikanlage auf ein Grundstück der Mandantin abrutschten. Für den weiteren Mandanten …(Z) beantragte er bauaufsichtliches Einschreiten gegen die hier wohl im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gemäß § 35 BauGB errichteten und mit Photovoltaikanlagen versehenen baulichen Anlagen.

Mit Bescheid vom 24.2.2011 wurde dem damaligen Bevollmächtigten mitgeteilt, dass im Hinblick auf die gestellten Anträge derzeit nicht beabsichtigt sei, gegen die landwirtschaftliche Lagerhalle, die mit Bescheid vom 13.9.2010 genehmigt worden sei, einzuschreiten. Auch hinsichtlich der auf der Halle errichteten Photovoltaikanlage werde nicht eingeschritten. Dem Bauherrn könne nicht entgegengehalten werden, er habe vor der Erteilung der Baugenehmigung für die landwirtschaftliche Lagerhalle gegenüber dem Beklagten geäußert, dass er keine Photovoltaikanlagen errichten wolle. Diese seien nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a aa) BayBO verfahrensfrei. Die angesprochene Blendwirkung rufe kein bauaufsichtliches Einschreiten hervor. Blendsituationen bei Photovoltaikanlagen könnten in den Morgen- und Abendstunden bei relativ flachem Sonnenstand auftreten. Die Dauer der möglichen Blendwirkung betrage je nach Entfernung und genauer Lage von Modul und Immissionsort wenige Minuten bis maximal eine Stunde. Ähnliches gelte für Blechdächer. Damit sei nicht erkennbar, dass die Klägerin durch die Photovoltaikanlage handgreiflich beeinträchtigt werde. Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten bestehe nur, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Bei Abwägung der Umstände und der Interessen der Bauherrin und der Klägerin sei keine Ermessensreduzierung in der Form erkennbar, dass ein Einschreiten erforderlich sei. Auch gegen eine Photovoltaikanlage, von der Schnee auf das Grundstück der Klägerin rutsche, werde nicht eingeschritten. Bei der Beeinträchtigung durch Schnee handle es sich um ein privatrechtliches Problem, das im Rahmen eines Zivilverfahrens zu lösen sei, sofern sich die Parteien nicht anderweitig einigen könnten. Hinsichtlich eines Einschreitens gegen die weiteren Hallen, die sich auf dem Grundstück befänden, werde darauf hingewiesen, dass zwei Hallen mit Bescheid vom 7.7.2008 genehmigt worden seien. Nach der vorliegenden Baubeginnsanzeige sei mit dem Bau dieser Hallen 2008 begonnen worden. Die Klägerin hätte die Möglichkeit der Klage gegen diese Baugenehmigung gehabt.

Bei einer weiteren verfahrensfrei errichteten Halle sei das Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Im Bauakt befindet sich ein Foto vom 21.10.2008. Danach waren zu diesem Zeitpunkt sowohl die Halle 2 als auch im Hintergrund die Halle 1 bereits mit Photovoltaikmodulen errichtet worden.

Mit Telefax vom 22.3.2011 erhob der damalige Bevollmächtigte für die Klägerin Klage „gegen den Bescheid des Beklagten vom 24.2.2011“. Die Klägerin begehre die Verurteilung des Beklagten zu bauaufsichtlichem Einschreiten gegen die von der Beizuladenden errichteten Photovoltaikanlagen sowie die sie tragenden Gebäude, „soweit diese nicht, wie in einem Fall bereits verfahrensgegenständlich in anderweitigen Verfahren sind.“ Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.2.2011 werde der Antrag teilweise abgelehnt, sodass Klageerhebung geboten gewesen sei. Ausweislich der Behördenakten sei über den Antrag der Klägerin keine Prüfung vor Ort erfolgt. Der ablehnende Bescheid sei offensichtlich auf der Grundlage vorhergehender Erkenntnisse erfolgt, was alleine bereits dessen Ermessensfehlerhaftigkeit begründen könne. Auswirkungen von unzumutbaren Lichtreflexionen auf das klägerische Wohnanwesen, die von den Anlagen ausgehen könnten, seien nicht auszuschließen. Ferner sehe sich die Klägerin und ihre Familie erheblichen unzumutbaren Lärmbelästigungen ausgesetzt, die von der Anlage ausgehen könnten. Die mehreren „Photovoltaikschuppen“ seien gegebenenfalls als ein einziges Vorhaben zu bewerten und müssten daher in einem Genehmigungsverfahren geprüft werden. Als rein gewerbliche Nutzung sei dieses auch in dem faktischen Dorfgebiet bzw. in unmittelbarer Angrenzung zu einem Wohngebiet bauplanungsrechtlich unzulässig und verstoße jedenfalls gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, da die Klägerin mit ihrem Anwesen im Wohngebiet sie nicht hinnehmen müsse und dadurch unzumutbar beeinträchtigt werde. In der Zusammenschau der Anlagen, die zum Klägeranwesen hin eine schwarze Wand bildeten, ergebe sich das Gefühl des Eingemauertseins. Durch das Zusammenspiel mindestens zweier verschiedener Dächer ergebe sich sogar der äußerst seltene Effekt der Sekundärreflexion. Ob eine Blendung im Bereich des Unzumutbaren erreicht werde, richte sich nach der Behördenpraxis in der Regel nach den Richtwerten der Landesumweltämter. Im Wohnbebauungsbereich sei von einer unzumutbaren Blendwirkung bereits bei 30 Minuten täglich sowie 30 Stunden jährlich auszugehen. Im Klageverfahren gegen die Baugenehmigung vom 13.9.2010 (Gerichtsbescheid vom 10.5.2011, RN 6 K 10.1835) habe das Gericht ausgeführt, dass die Photovoltaikanlage auf dem neu errichteten Hallenanbau genehmigungspflichtig gewesen sei, da sie im Zusammenhang mit der Hallengenehmigung gestanden habe. Somit sei von der bereits gerichtlich positiv festgestellten formellen Illegalität dieser einen Anlage auszugehen. Bezüglich der anderweitigen Anlagen auf den vier Hallendächern und dem Hauptgebäudedach sei dem Klägervertreter nichts über die formelle Genehmigungssituation bekannt. Aus einem Sachverständigengutachten des Ingenieurbüros …(A) vom 18.7.2011 ergebe sich, dass fünf der sechs Photovoltaikanlagen, also die auf den Hallen 1, 2 und 4 sowie auf dem Stalldach und dem neuen Anbaudach vor dem Hintergrund des baunachbarrechtlichen Rücksichtsnahmegebotes als rechtswidrig und konkret nachbarstörend einzustufen seien. Die Anlagen auf den Dächern der Hallen 1 und 2 sowie auf Stall- und Anbaudach wirkten zu Lasten des Anwesens der Klägerin. Die Photovoltaikanlage auf der Halle 4 wirke sich insbesondere erheblich nachteilig beim Kläger …(Z) aus. Die bauaufsichtsbehördliche Haltung zur vorgebrachten Problematik der Lichtreflexionen dürfte daher nicht mehr haltbar sein. In rechtlicher Hinsicht sei darauf hinzuweisen, dass jedenfalls die Hallen 1 und 2 möglicherweise zusätzlich als baurechtswidrig anzusehen seien, weil sie im bauplanungsrechtlichen Außenbereich situiert seien. Das baunachbarrechtliche Rücksichtnahmegebot erfordere vorliegend nach den nunmehr bestätigten Feststellungen vor dem Hintergrund des Bauordnungsrechts den Schutz des Klägeranwesens vor derartig intensiven und langen Blendungen. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 8.8.2011 habe der Sachverständige zu einer möglichen zukünftigen Blendwirkung der Photovoltaikanlage auf der Halle 3 Stellung genommen, wenn das Wohnhaus der Klägerin erweitert werde.

In dem von der Klägerin in Auftrag gegebenen Gutachten des Ingenieurbüros …(A) vom 18.7.2011 wird darauf hingewiesen, dass die Traufe des Anbaus eine Höhe von 2,25 m habe, wegen des abfallenden Geländes damit aber noch 1,25 m unter der …straße liege. Bei einem Ortstermin seien insbesondere die Räume im EG (IO 1 und 2) und 1. Obergeschoss (IO 3 und 4) der Westfassade und Räume der Nordfassade (IO 5 und 6) in Augenschein genommen worden. Vom Gehweg aus sei eine Reflexleuchtdichte von ca. 12 Mio. Candela pro Quadratmeter (cd/m²) gemessen worden.

Für die Beurteilung sei von den Grenzwerten ausgegangen worden, die von Landesumweltämtern in ihren Richtlinien für den Schattenwurf von Windkraftanlagen verwendet würden. Wegen der Absolutblendung bei der vorliegenden Blendung durch die Photovoltaikanlagen und der damit verbundenen direkten Störung der Sehfähigkeit würden diese Richtwerte von 30 min/Tag und 30 h/Jahr, die auch nur störende Blendung umfassen würde, als tendenziell eher zu hoch angesehen. Mangels verbindlicher und gesicherter Erkenntnisse erfolge eine Plausibilitätsprüfung. Diese habe sich seit einigen Jahren als praxisgerechter und anwendungsfähiger Kompromiss erwiesen.

Es handele sich um eine Worst-Case-Betrachtung der relevanten Eckpunkte, die durch Messung der erreichten Reflexleuchtdichten der realisierten Photovoltaikanlage ermittelt worden seien. Die Sonne im Zenit habe bei klarer Sicht eine Leuchtdichte von ca. 1,6 Mrd. cd/m², am Horizont noch mehrere Millionen cd/m². Die Absolutblendung eines Menschen sei individuell unterschiedlich und liege etwa bei 100.000 cd/m² (zwischen 70.000 und 250.000 cd/m²). Die Adaptionsleuchtdichte der Augen betrage an einem hellen Sommertag etwa 5.000 bis 8.000 cd/m², liege aber in einem Raum wesentlich niedriger, sodass eine höhere Blendwirkung eintrete.

Unter Darstellung der Messungen seien Primär- und Sekundärreflexe festgestellt worden, wobei die Sekundärreflexe weniger stark gewesen seien, aber mit 5 bis 6 Mio. cd/m² immer noch das 50-fache der Absolutblendung betragen hätten. Die Primärreflexionen hätten eine Stärke von bis zu 13 Mio. cd/m².

Die an den Immissionsorten am Haus der Klägerin ermittelten möglichen Dauern der Blendreflexe wurden in allen Fällen mit über 30 min/Tag und über 30 h/Jahr angegeben (z.B. IO 1: Wohnzimmer Erdgeschoss 20 bis 70 min/Tag, 100 h/Jahr; bei den Immissionsorten 4 bis 6 wurden Blendzeiten von jährlich über 300 Stunden angegeben). Für das nach (Nord) westen oberirdisch liegende Untergeschoss wurden Blendwirkungen erwartet, die mit den oberen Geschossen vergleichbar seien.

In einer Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt (LFU), Dr. …(B), vom 15.8.2011 wird ausgeführt, dass das Gutachten des Ingenieurbüros …(A) im Wesentlichen plausibel erscheine. Bei der Blendsituation in A. handle es sich um einen Extremfall. Der Lichteinfall sei über die Reflexion auch von unten her möglich und damit durch Sonnenrollos nur begrenzt in den Griff zu bekommen. Die in dem Gutachten beschriebene Vorgehensweise, die Blendwirkung von PV-Anlagen möglichst auf 30 Minuten pro Tag und 30 Stunden pro Jahr zu begrenzen, werde vom LFU seit einigen Jahren empfohlen. In der Regel werde eine lichttechnische Beurteilung vor Errichtung und Betrieb von PV-Anlagen (z.B. im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren) durchgeführt. Die Betreiber der Anlagen setzten die vorgeschlagenen Immissionsminderungsmaßnahmen erfahrungsgemäß um.

In einer mündlichen Verhandlung am 17.8.2011 wurde Einigkeit dahingehend erzielt, dass von der Beklagtenvertreterin das Gutachten vom 18.7.2011 und die sich aus der Niederschrift ergebenden zu beantwortenden Fragen des Gerichts zur Klärung an die zuständigen Ministerien weitergegeben werden sollten. Die Beteiligten beantragten übereinstimmend das Ruhen des Verfahrens. In einer Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 19.3.2012 wurde ausgeführt, dass es für die Beantwortung der Zumutbarkeit stets auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls ankomme. Allgemeine Kriterien seien nur begrenzt zugänglich. Vor diesem Hintergrund sei auch eine Bekanntmachung von Richtlinien an die Landratsämter für den grundsätzlichen Umgang mit Blendwirkungen durch Photovoltaikanlagen derzeit seitens der Staatsministerien des Innern und für Umwelt und Gesundheit nicht beabsichtigt.

In der Folge führte der damalige Bevollmächtigte aus, dass vorliegend die Blendintensität derart intensiv sei, dass sie psychologisch und schmerzähnlich wirke und über das Störungspotential, das die Rechtsprechung im Fall des Schattenwurfs bei Windkraftanlagen erkannt habe, hinausgehe. Die von der streitgegenständlichen PV-Anlage ausgehende Blendung liege im Bereich von ca. 9 Millionen cd/m², was vergleichbar mit einem Stadionflutlicht eines Fußballstadions sei. Hinzu kämen im vorliegenden Fall noch ein Abstand von wenigen Metern und ein ungünstiger Einstrahlwinkel, sodass eine Gesundheitsschädigung nicht auszuschließen sei. Durch die Überlastung der Rezeptoren im Auge trete schon nach kurzer Zeit eine Verminderung der Sehfähigkeit mit körpereigenen Abwehrreaktionen ein. Nach dem Ortstermin in A., bei dem der Sachverständige …(A) häufiger als üblich in die Reflexe geschaut habe, habe er dermaßen starke Kopfschmerzen gehabt, dass er Bedenken gehabt habe, weiter Auto zu fahren. Die Grenzwerte, die seitens des Landesumweltamts und des Sachverständigen in den Raum gestellt worden seien, seien vor diesem Hintergrund der Auswirkungen auf die Gesundheit, selbst wenn man sie nicht als normativ verbindlich betrachten wollte, die obere Grenze des Zumutbaren. Ein Abhängen mit Vorhängen oder Jalousien müsse im vorliegenden Extremfall ebenfalls ausscheiden, da der Sachverständige glaubwürdig und nachvollziehbar dargetan habe, dass in einem solchen Fall ca. drei Viertel des Jahres nachmittags der Hauptwohnraum des Klägeranwesens abzudunkeln sei. Die an den Immissionsorten im Wohnbereich der Klägerin festgestellten Blendwirkungen lägen sowohl hinsichtlich der Einwirkzeiten als auch im Hinblick auf die Intensität der Blendung deutlich über den Richtwerten der Landesumweltämter. Sie übersteige die Grenze der Absolutblendung des menschlichen Auges um ein Vielfaches. Bereits die allein vom Anbau ausgehenden Blendwirkungen hätten psychologische Wirkung. Gesundheitsschädigende Folgen seien nicht auszuschließen. Es lägen unzumutbare Belästigungen und Störungen bzw. schädliche Umwelteinwirkungen im bauplanungsrechtlichen Sinn vor.

In einem Nachtrag zum Gutachten vom 20.5.2012 werden die rechnerischen Ergebnisse der nur von den Modulen auf dem Anbau ausgehenden Blendwirkungen durch Sonnenlichtreflexion dargestellt. Danach ergeben sich astronomisch folgende maximale tägliche Einwirkzeiten bzw. mögliche jährliche Einwirkzeiten:

Immissionsort 1: Wohnzimmer Erdgeschoss, ca. 37 Minuten, ca. 31 h.

Immissionsort 2: Schlafzimmer Erdgeschoss, 60 Minuten, ca. 78 h.

Immissionsort 3: Wohnzimmer 1. OG, 22 Minuten, ca. 13 h.

Immissionsort 4: Schlafzimmer 1. OG, 75 Minuten, ca. 74 h.

Immissionsort 5: Kinderzimmer 1. OG, ca. 40 Minuten, ca. 51 h.

Immissionsort 6: Schlafzimmer Erdgeschoss, ca. 75 Minuten, ca. 91 h.

An den Immissionsorten 5 und 6 sei von einer Verlängerung der Einwirkzeiten auszugehen, weil es hier eine Sekundärreflexion gebe, bei der der Reflex von der über dem Anbau liegenden Photovoltaikanlage auf dem Dach über die Anlage auf dem Anbau in Richtung dieser Immissionsorte gelenkt werde. Die festgestellte Intensität der Blendreflexe liege mit Leuchtdichten zwischen ca. 4 bis 5 Mio. cd/m² (Sekundärreflex, Reflex am Rand der Anlage oder zwischen den Modulen) und ca. 10 bis 12 Mio. cd/m² (Hauptreflex) mit dem Faktor 50 bis 120 über der Grenze der Absolutblendung normal blendempfindlicher Menschen.

In der Folge teilte die Beigeladene mit, dass sie bereit wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die von der Klägerin behauptete Blendwirkung zu verringern. Die Beteiligten einigten sich auf die Durchführung eines Mediationsverfahrens.

Unter dem 25.8.2015 wurde mitgeteilt, dass die Güteverhandlung erfolglos geblieben sei, sodass das ursprüngliche Verfahren nun seinen Fortgang nehmen solle.

Die Klägerseite erklärte, dass das von der Beigeladenen errichtete Netz nicht alle auf dem bestehenden Gebäude errichteten Anlagen erfasse und zudem nicht geeignet sei, eine Blendung zu verhindern. Ferner sei das Netz mittlerweile in erheblichem Umfang zerstört. Die von der Beigeladenen gepflanzten Hecken würden erst in Jahren eine Höhe erreichen, durch die die optische Verbindung zwischen den Anlagen und den Wohn- und Schlafräumen des klägerischen Hauses unterbrochen werde. Der Sachverständige …(A) sei fachlich nachvollziehbar und überzeugend im Gutachten vom 18.7.2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Blendungen in den Sommermonaten nahezu am ganzen Nachmittag aufträten (Gutachten vom 18.7.2011, Seite 24 f., z. B. im Schlafzimmer EG und Badezimmer 1. OG) und bis zu 15 Mio. cd/m² erreichten. Der Sachverständige Dr. b. vom Landesamt für Umwelt habe in seiner E-Mail an das Verwaltungsgericht vom 15.8.2011 die Plausibilität des Gutachtens bestätigt. Eine physiologische Absolutblendung ab 100.000 cd/m² werde als schädliche Umwelteinwirkung i.S.d. Bundesimmissionsschutzgesetzes definiert. Die Grenze der Absolutblendung werde bereits überschritten, wenn nur ein Bruchteil des Sonnenlichts reflektiert werde. Eine erhebliche Belästigung i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG liege vor, wenn die Blendung mindestens 30 Minuten pro Tag oder 30 Stunden pro Kalenderjahr betrage. Dieser Richtwert werde nach Bestätigung durch das LfU bereits seit einigen Jahren empfohlen. Bei direktem Blick könnten bereits nach kurzer Zeit Augenschäden durch unmittelbare thermische Beschädigung der Netzhaut auftreten, die irreparabel seien und bis zur Erblindung führen könnten. Das von der Beigeladenen im Mediationsverfahren vorgelegte Gutachten vom 19.3.2015 der Fa. … (C) GmbH sei nicht nachvollziehbar und im Ergebnis nicht überzeugend.

Das von der Beigeladenenseite in Auftrag gegebene Gutachten der Fa. …(C) GmbH kommt zu dem Ergebnis, dass unter Zugrundelegung von 5-Minuten-Zyklen, aufgeteilt in Nord- bzw. Westfassade, EG bzw. 1. OG, mit 851 bis 1273 Blendungen pro Jahr zu rechnen sei. Bei über 5° Sonnenstand sei mit 259 bis 800 Blendungen zu rechnen. Bei unter 5° Sonnenstand würden die Blendungen in der Regel durch das hügelige Gelände/Bäume abgeschirmt. Bei realistischen Annahmen von 40% Bewölkung sei an der Nordfassade EG mit 295 Blendungen zu rechnen, was 25 Stunden pro Jahr entspreche. Im 1. OG sei mit 800 Blendungen zu rechnen, bei mindestens 20° Ablenkung der Sonne ergäben sich 678 Blendstrahlen, bei 40% Bewölkung verblieben 407 Blendungen pro Jahr mit einer Gesamtblenddauer von ca. 34 Stunden.

Der Gutachter …(A) nahm mit Schreiben vom 15.8.2015 zu dem Gutachten vom 19.3.2015 der Fa. …(C) GmbH Stellung. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb für das Gutachten kein Ortstermin stattgefunden habe. Das Ausmaß der Störungen, auch die Intensität der Blendungen, müssten vor Ort geklärt werden. Theoretische Berechnungen könnten die Auswirkungen nur bedingt darstellen.

Es sei ein stark vereinfachtes Rechenmodell verwendet worden, das auf den Großteil der Materialien nicht anwendbar sei, da diese aufgeraut seien. Die Wirkungen einer solchen Oberfläche wichen stark von der Regel ab.

Seit etwa zehn Jahren werde als Zumutbarkeitsgrenze die astronomisch mögliche Einwirkzeit von 30 min/Tag und 30 h/Jahr herangezogen, die in der LAI-Publikation „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ (LAI-Hinweise vom 13.9.2012, Anhang 2) übernommen worden sei. Abweichend hiervon sei im Gutachten von den durch Bewölkung geminderten Werten ausgegangen worden.

Unzulässigerweise sei auch nicht von einem konkreten Punkt, sondern von der gesamten Fassade ausgegangen worden. Eine lichttechnische Beurteilung sei nicht erfolgt.

Es sei auch nicht von dem Differenzwinkel der Blendung zur Sonne von mindestens 10°, sondern von 20° ausgegangen worden.

Die Richtigkeit der Ergebnisse könne nicht überprüft werden, da hinsichtlich der Uhrzeit der Blendungen Fehler aufträten.

Es sei auch ohne nachvollziehbare Begründung von einer Reduzierung der Blendstrahlen durch das Schattierungsnetz ausgegangen worden. Abgesehen von Fragen zu den Schattierungsnetzen wie Einhaltung der Abstandsflächen, Statik, Sicherung vor Sturm, Verschattung und Windgeräusche sei zu erwarten, dass auch mit dem Netz die Blendung über der Grenze der Absolutblendung liege.

Durch die Photovoltaikanlagen auf dem Dach und dem Anbau sei auch mit Sekundärreflexionen zu rechnen.

Unter Bezugnahme auf ein Schreiben des Landratsamtes Kelheim vom 30.11.2015 führte der Gutachter …(A) mit Schreiben vom 29.1.2016 ergänzend aus, für die Blickwinkeldifferenz zwischen Reflex und Sonne sei ein seit neun bis zehn Jahren vielfach erprobtes Programm verwendet worden. Die Voreinstellung betrage standardgemäß 10°.

Das Gutachten Fa. …(C) GmbH gebe Blendwirkungen um 18.45 Uhr UTC (20.45 MESZ) an, die wegen des im Vergleich zu dem Winkel der Module geringeren Winkels der Sonne nicht zur Blendung führen könne.

Rollläden und Jalousien würden von oben nach unten geschlossen. Komme die Blendung von unten, müssten sie zumindest fast vollständig geschlossen werden. Vorhänge seien meist nicht blickdicht genug. Auf Balkonen und Terrassen verstärke sich die Blendung, da sie nicht durch Wände, Fensterstürze oder Ähnliches abgeschattet würden.

Aufgrund der kurzen Entfernungen führten die Reflexionen auch zu störenden Wärme- und UV-Belastungen.

Es treffe zwar zu, dass die Blendung nur an Tagen mit Sonnenschein eintrete, gerade an diesen Tagen bestehe aber ein besonderes Interesse, nicht in abgedunkelten Räumen zu sein und Balkone zu nutzen.

Demgegenüber wies der Gutachter …(C) mit Schreiben vom 7.6.2016 darauf hin, dass er auch nicht von einer Blendwirkung mit einem flacheren Sonnenstand als den der Module ausgehe.

Vorsorglich wird von der Klägerseite die Einholung eines immissionsschutzfachlichen bzw. medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache beantragt, dass die von der Photovoltaikanlage auf dem Grundstück der Beigeladenen auf das Grundstück der Klägerin einwirkenden Sonnenlichtreflexionen der Dauer nach erheblich belästigend bzw. unzumutbar bzw. der Intensität nach geeignet seien, bei der Klägerin und den sonstigen Bewohnern des Hauses Gesundheitsschäden hervorzurufen. Von den Photovoltaikanlagen fielen im Winter Schneebretter auf das Grundstück der Klägerin, wodurch nicht nur das Eigentum beeinträchtigt werde, sondern auch Gefahren für die Klägerin und sonstige Nutzungsberechtigte entstünden, die sich auf diesem Grundstück bewegten. Die Ablehnung des bauaufsichtlichen Einschreitens sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Das Entschließungsermessen des Beklagten sei auf Null reduziert. Nach § 34 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO analog sei die Errichtung baulicher und sonstiger Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen könnten, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien. Der Sachverständige …(A) habe die Intensität der Blendwirkung fachlich nachvollziehbar ermittelt und komme anhand der oben genannten LAI-Hinweise vom 13.9.2012 zu dem überzeugenden Ergebnis, dass die von den Photovoltaikanlagen auf die Wohn- und Schlafbereiche des Grundstücks der Klägerin einwirkenden Sonnenlichtreflexionen unzumutbar seien. Die LAI-Hinweise seien vergleichbar der Geruchsimmissionsrichtlinie GIRL zwar nicht für das Gericht verbindlich, dürften „aber im Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung als Orientierungshilfe herangezogen werden“. Die vom Sachverständigen …(A) gemessene Intensität der Blendung begründe nach den oben genannten Quellen die konkrete Gefahr von Gesundheitsschäden. Dies sei ggfs. durch ein medizinisches Sachverständigengutachten zu klären. Soweit Zweifel an den Ermittlungen und Bewertungen des Sachverständigen …(A) bestünden, müsse ein weiteres Gutachten eingeholt werden. Die Klägerin sowie die Bewohner des Hauses würden erheblich belästigt bzw. in ihrer Gesundheit gefährdet. Die Klägerin sei nicht „schlechthin zur Abdunkelung ihrer Wohnräume verpflichtet“. Dasselbe ergebe sich aus der Anwendung von Art. 11 BayBO. Im Hinblick auf die Gefahr von Schneebrettern von der auf dem bestehenden südlichen Gebäude der Hofstelle errichteten Anlage ergebe sich die Pflicht zum bauaufsichtlichen Einschreiten aus der allgemeinen Befugnisnorm des Art. 54 Abs. 3 Satz 1 BayBO. Da das Gebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen insbesondere nicht die Abstandsfläche zum Grundstück einhalte, fielen Schneelasten direkt auf das Grundstück der Klägerin. Nachdem die Photovoltaikanlagen bauplanungsrechtlich und bauordnungsrechtlich nicht genehmigungsfähig seien, könne nicht nach Art. 76 Satz 3 BayBO die Stellung eines Bauantrags verlangt werden. Das Ermessen sei auf Null reduziert.

Die Ermessensausübung des Landratsamts im Bescheid vom 24.2.2011 sei unter mehreren Gesichtspunkten fehlerhaft. Zum einen seien weder Dauer und Intensität der Blendung ermittelt, sondern das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung mit allgemeinen Erwägungen abgelehnt worden. Die unvollständige Ermittlung des Sachverhalts stelle ein Ermessensdefizit dar. Ferner zeigten die Ausführungen, dass eine Ermessensreduzierung auf Null nur bei hoher Intensität der Störung bzw. gravierender Rechtsgrundverletzung möglich sei. Aus der Verfahrensfreiheit der Anlage folge jedoch, dass wesentliche Gesichtspunkte in erheblichem Umfang falsch gewichtet worden seien. Dies stelle ebenfalls ein Ermessensdefizit dar. Der Verweis auf die Möglichkeit eines zivilgerichtlichen Vorgehens könne ein ermessensgerechter Gesichtspunkt sein. Die Bauaufsicht könne sich jedoch grundsätzlich nicht aus ihrer Verpflichtung zum Einschreiten dadurch entziehen, dass sie den Dritten auf die Geltendmachung seiner Rechte im Zivilrechtsweg verweise. Die Ausführungen zur fehlenden Schutzwürdigkeit der Klägerin aufgrund Zeitablaufs seit der Errichtung der Anlagen seien unvollständig. Ein etwaiges Zuwarten der Klägerin sei für die Vermögensdisposition der Beigeladenen nicht kausal gewesen. Die Beseitigungsanordnung, jedenfalls jedoch die Nutzungsuntersagung, sei der Beigeladenen gegenüber auch verhältnismäßig. Die Höhe der Beseitigungskosten sowie die persönlichen Verhältnisse seien nicht berücksichtigungsfähig. Es werde beantragt, die Berufung zuzulassen, da die Rechtslage grundsätzliche Bedeutung habe. Die tatsächliche Frage der Ermittlung und Bewertung von Blendwirkungen durch Sonnenlichtreflexionen bzw. die rechtliche Frage ihrer Beurteilung sei für das Berufungsverfahren entscheidungserheblich und im Sinne der Rechtseinheit klärungsbedürftig. Insoweit seien keine obergerichtlichen Entscheidungen bekannt. Die Klärung der Frage sei von allgemeinem Interesse, da sie mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden könnten. Von den gängigen, logischen und seit ca. zehn Jahren angewendeten Bewertungsmethoden, die z.B. auch in der LAI Publikation „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen (LAI-Hinweise vom 13.9.2012)“ beschrieben worden seien, sei in mehreren Punkten abgewichen worden. Eine abschließende Beurteilung, inwieweit die angesetzten Richtwerte für die einzelnen Immissionsorte eingehalten würden, könne auf der Basis des zugrundeliegenden Gutachtens des Sachverständigen …(D) Nr. 10.14.3026 vom 19.3.2015 nicht erfolgen. Die von der Regierung in der Stellungnahme vom November 2015 angeregte Korrektur (die hohe Dauer des Auftretens von Blendreflexen müsse noch in beiden Gutachten hinsichtlich des Einflusses der geringen Sonnenstände und der Differenzwinkel kleiner 10° korrigiert werden) sei unnötig, da beide Punkte bereits vom Sachverständigen …(A) korrekt berücksichtigt worden seien. Selbsthilfe sei vorliegend weder möglich noch zumutbar. Bauliche Sonnenschutzmaßnahmen seien auf die Minderung oder Abschattung einer von oben kommenden Blendung ausgelegt. Durch die Schrägstellung der Solarmodule werde diese Einwirkrichtung stark verändert. Die Sonnenlichtreflexionen an Photovoltaikanlagen wirkten, wie auch im Fall der Klägerin, häufig aus Richtungen nahe der Horizontalen und teilweise auch von unten auf den Beobachter. Selbsthilfe wäre nur möglich, wenn die Rollläden oder Jalousien im Einwirkzeitraum vollständig oder nahezu vollständig geschlossen wären. Darüber hinaus wäre ein automatisch gesteuertes Verschließen der Sonnenschutzmaßnahmen erforderlich. Dies wäre für die Klägerin unangemessen teuer. Vorhänge seien regelmäßig zu lichtdurchlässig, um die hohen Leuchtdichten der Blendreflexionen so zu reduzieren, dass diese nicht mehr die Gesundheit gefährdeten oder erheblich störten. Bei Aufenthalt im betroffenen Außenbereich (Balkone, Terrasse) verstärke sich die Störwirkung noch deutlich, da die Reflexionen dort nicht mehr durch Wände, Fenstersturz oder Ähnliches abgeschattet würden. Anders als in der vom Landratsamt zitierten Entscheidung des OLG Stuttgart seien die Einwirkungen vorliegend wesentlich intensiver und langdauernder. Es sei für die Klägerin nicht zumutbar, gezwungen zu werden, die Sonnentage in abgedunkelten Räumen zu verbringen und Balkone sowie die Terrasse zu meiden, zumal die Nachrüstung effektiver Schutzmaßnahmen unverhältnismäßig teuer sei. Entgegen der Ansicht des Landratsamts müsse sich die Klägerin nicht darauf verweisen lassen, dass die Schlafzimmer unter Tags nicht genutzt würden. Insoweit gehörten zum einen auch die Schlafzimmer zum Wohnbereich des Hauses, zum anderen würde teilweise auch unter Tags geschlafen (z. B. im Krankheitsfall).

Das Verwaltungsgericht führte am 20.7.2016 einen Ortstermin durch.

Ein weiterer Antrag auf Beseitigungsanordnung bzw. Nutzungsuntersagung gegen die Photovoltaikanlagen auf den Gebäuden „Dach, Anbau, Hallen 1 und 2“ (Bezeichnungen nach dem Gutachten …(A)) vom 5.8.2016 wurde mit Bescheid des Landratsamtes Kelheim vom 16.8.2016 abgelehnt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, Solaranlagen an und auf Dächern seien genehmigungsfrei. Die Hallen 1 und 2 seien nach Süden gerichtet, sodass die Blendwirkung nicht in Richtung der Klägerin gehe. Während des Ortstermins, insbesondere vor dem Fenster der Klägerin im 1. OG (IO 6 im Gutachten …(A)) habe keine direkte Blendwirkung festgestellt werden können. Zudem könnten zumutbare Abschirmmaßnahmen getroffen werden.

Aus einem Luftbild des Jahres 2010 sei zu erkennen, dass die Photovoltaikanlagen auf dem Dach und den Hallen 1 und 2 bereits bestanden. Nach den Erklärungen beim Ortstermin am 20.7.2016 seien die Photovoltaikanlagen auf dem Dach teilweise 2004 und vollständig 2008 errichtet worden. Mögliche Ansprüche seien verwirkt.

Mit Schreiben vom 19.9.2016 beantragte der Klägervertreter, diesen Bescheid in die Verwaltungsstreitsache einzubeziehen. Mit der Einbeziehung der Inhalte des Mediationsverfahrens bestehe kein Einverständnis.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Aufhebung der Bescheide vom 24.2.2011 und 16.8.2016 zu verpflichten, der Beigeladenen die Beseitigung der auf dem Grundstück Fl.Nr. 4 Gemarkung … (gemäß den Bezeichnungen auf Seite 6 des Gutachtens des Sachverständigen …(A) vom 18.7.2011) auf dem „Dach“ sowie dem „Anbau“ und den „Hallen 1 und 2“ errichteten Photovoltaikanlagen aufzugeben,

hilfsweise durch bauaufsichtliche Maßnahmen die Blendwirkungen so zu verringern, dass nicht mehr als 30 Minuten pro Tag und 30 Stunden pro Jahr Blendwirkungen auf das klägerische Grundstücks mit mehr als 100.000 cd/m² eintreten,

hilfsweise die Anträge der Klägerin vom 11.2.2011 und 5.8.2016 auf Beseitigung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ein Ermessensfehlgebrauch, insbesondere durch fehlende Ortseinsichten, sei nicht erkennbar, da mehrere Termine auf dem Baugrundstück stattgefunden hätten. Eine Beeinträchtigung in der Form, dass eine Verletzung der Rechte der Klägerin vorliege, wodurch bauaufsichtliches Einschreiten geboten wäre, sei nicht zu erkennen. Insoweit werde auf die Ausführungen im Klageverfahren RN 6 K 10.1835 verwiesen. Dort sei ausgeführt worden, dass die Dauer einer möglichen Blendwirkung je nach Entfernung und genauer Lage von Modul- und Immissionsort wenige Minuten bis maximal eine Stunde betrage. Ähnliches gelte für Blechdächer. Damit sei nicht erkennbar, wie die Klägerin durch das genehmigte Bauvorhaben handgreiflich beeinträchtigt werden könne. Die Belästigungen bzw. Beeinträchtigungen, die durch die Bauausführung entständen, gingen nicht über das Maß hinaus, dass die Klägerin mit jeder legalen Bebauung zu akzeptieren hätte. Zudem sei der Beigeladene nicht der einzige Bauherr in der Ortschaft, der größere Photovoltaikanlagen auf seinen Dachflächen installiert habe. Lärmbeeinträchtigungen bei Regen könnten nicht nachvollzogen werden. Bei den verfahrensfrei errichteten Hallen handle es sich nicht um unselbständige Teile eines Gesamtvorhabens, sodass dadurch keine Genehmigungspflicht entstehe. Die verfahrensfrei errichteten Hallen seien als landwirtschaftliche Lagerhallen in einem Dorfgebiet grundsätzlich zulässig. Ein Einmauerungseffekt, der von der Klägerin angeführt werde, könne nicht nachvollzogen werden. Die kürzeste Entfernung zwischen Halle 1 und dem Grundstück der Klägerin betrage 7,60 m, sodass die nötigen Abstandsflächen eingehalten seien. Die Photovoltaikanlagen seien gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Unterbuchst. aa BayBO verfahrensfrei, die Nutzungsuntersagung oder Beseitigung der Hallen und der Photovoltaikanlagen sei damit nicht angezeigt. Unter Berücksichtigung der vorgelegten Gutachten des Ingenieurbüros …(A) vom 18.7.2011 sowie des von der …(C) GmbH erstellten Gutachtens vom 19.3.2015 komme die Regierung von Niederbayern zu dem Ergebnis, dass die Gutachter im Vergleich der unbewerteten Dauer des Auftretens von Blendreflexen gut übereinstimmten. Die hohe Dauer des Auftretens von Blendreflexen müsste noch in beiden Gutachten hinsichtlich des Einflusses der geringen Sonnenstände und der Differenzwinkel unter 10° korrigiert werden. Wie in der mündlichen Verhandlung am 17.8.2011 vom Verwaltungsgericht Regensburg ausgeführt, handle es sich bei der Beurteilung der Blendwirkung von Photovoltaikanlagen um eine grundsätzliche Frage, die ähnlich eines antizipierten Sachverständigengutachtens bei der Beurteilung von Geruchsbelastungen (vgl. GIRL) bzw. einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift (vgl. TA-Lärm) einer Grenzwertbestimmung bedürfe. Aufgrund der daraufhin stattgefundenen Anfrage habe das zuständige Ministerium mitgeteilt, es plädiere dafür, dass sich die Betroffenen zum Beispiel mit Vorhängen oder Jalousien selbst behelfen. Die Oberste Baubehörde habe mit Schreiben vom 19.3.2012 erklärt, eine Bekanntmachung von Richtlinien an die Landratsämter für den grundsätzlichen Umgang mit Blendwirkungen durch Photovoltaikanlagen sei derzeit nicht beabsichtigt. Zu dem Ergebnis, dass den Beteiligten ein gewisses Maß an Selbsthilfe zugemutet werden könne, sei auch das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 30.4.2013 gekommen, in dem ausgeführt werde, dass die Einstrahlung im Schlafzimmer zu dieser Zeit kaum eine Rolle spielen dürfte und beispielsweise die Terrasse auch während der Zeit einer Reflexion genutzt werden könne, indem kurzfristig ein Sitzplatz ganz oder überwiegend mit dem Rücken zur Photovoltaikanlage gewählt werde. Auch der VGH Baden-Württemberg argumentiere im Urteil vom 19.7.2007, 3 S 1654/06, dahingehend, das Maß der Schutzbedürftigkeit könne in tatsächlicher Hinsicht im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen könne. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz vor Lärm oder Gerüchen, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude und Hecken oder Rankgerüste in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden könne. Lichtimmissionen seien oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen und müssten daher auch akzeptiert werden. Bei den berechneten Werten für die Blenddauer sei zu beachten, dass von der astronomisch maximalen möglichen Blendwirkung ausgegangen werde. Es müsse jedoch auch berücksichtigt werden, dass die Sonnenwahrscheinlichkeit und damit die Blendung im Frühjahr statistisch gesehen um ca. ein Drittel und im Herbst um ca. die Hälfte geringer sei. Auch wenn eine Blendung auf den Nachbargrundstücken durch die Photovoltaikanlagen der Beigeladenen gegeben sei, gehe der Beklagte davon aus, dass das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt werde. Daher werde nicht eingeschritten. Hinsichtlich der möglichen Sonnenschutzmaßnahmen in Form von Rollos werde darauf hingewiesen, dass im Handel beispielsweise auch Faltrollos erhältlich seien, die sowohl oben als auch unten beweglich seien, sodass auch eine Verschattung nur am unteren Bereich eines Fensters möglich sei. Es werde darauf hingewiesen, dass sich hinsichtlich der Immissionsorte, die das Gutachten über die festgestellte Blendwirkung durch Sonnenreflexionen der Photovoltaikanlagen beschreibe, Unterschiede zur Baugenehmigung vom 29.3.1990 für das Wohnhaus der Klägerin ergäben. Die Immissionsorte IO₂, IO3 und IO6 seien in den genehmigten Plänen als Büro, Verkaufsraum bzw. Speicher beschrieben, tatsächlich würden sie als Schlafzimmer bzw. Wohnzimmer genutzt. Auch die äußere Bauausführung sei anders als in den genehmigten Plänen erfolgt. Im Bereich des IO1 sei mit Roteintrag ein Erker gestrichen worden, der trotzdem ausgeführt worden sei. Im Bereich des IO5 sei eine kleine Dachgaube genehmigt worden, ausgeführt worden sei jedoch ein Zwerchgiebel. Ein Büro, ein Verkaufsraum bzw. ein Speicher habe eine geringere Schutzwürdigkeit als ein Wohn- bzw. Schlafzimmer. Die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI-Hinweise vom 13.9.2012) enthielten keine verbindlichen Regelungen, die mit denen der TA-Lärm oder TA-Luft vergleichbar wären und könnten allenfalls als sachverständige Beurteilungshilfe herangezogen werden. Auch von der Empfehlung einer Anwendung der „30-30-Regel“, also der Beschränkung der Blendung auf 30 Minuten pro Tag und 30 Stunden im Jahr werde Abstand genommen. Im Anhang 2 der LAI-Hinweise werde zwar die Leuchtdichte von Photovoltaikanlagen beschrieben, ab der bei den Betroffenen eine Absolutblendung eintreten könne. Ab welcher Dauer einer solche Blendwirkung diese Lichtimmissionen als erhebliche Belästigung aufgefasst werden könnten oder müssten, ergebe sich aus dem Anhang nicht. Zudem könnte die Klägerin ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen. Für die Wohnsituation der Klägerin sei das Ergreifen von solch herkömmlichen Schutzmaßnahmen zumutbar und die streitige Photovoltaikanlage auch in Anbetracht der topographischen Lage nicht rücksichtslos. Bei der Berechnung der Dauer der Blendwirkungen müsse auch berücksichtigt werden, dass die Klägerin bauaufsichtliches Einschreiten von vornherein nur gegen die Photovoltaikanlage beantragt habe, die sich auf dem mit Bescheid vom 13.9.2010 genehmigten Anbau befinde. Gegen die Photovoltaikanlage auf dem Hauptgebäude (Dach) seien nur Einwände erhoben worden, da von dort Schnee auf ihr Grundstück abrutsche. Die Ablehnung des bauaufsichtlichen Einschreitens könne daher von vornherein nur hinsichtlich dieser beiden Photovoltaikanlagen eine Rechtsverletzung bei der Klägerin herbeiführen.

Die ursprünglich für einen anderen Mandanten des damaligen Klägervertreters gestellten Anträge auf bauaufsichtliches Einschreiten hätten sich zwischenzeitlich durch vergleichsweise Beilegung dieses Rechtsstreits im Mediationsverfahren erledigt. Bei dem bereits erwähnten Gutachten vom 18.7.2011 sei jedoch nicht nur auf die Blendwirkung des Hauptgebäudes und des Anbaus abgestellt worden, sondern auch auf andere Hallen der Beigeladenen. Dem Gutachten könne nicht entnommen werden, von welcher Photovoltaikanlage welche Blendwirkung bei dem Haus der Klägerin auftrete. Dies sei auch in der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Regensburg am 17.8.2011 angesprochen worden. Tatsächlich sei bis heute kein präzisierendes Gutachten vorgelegt worden. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Photovoltaikanlage auf dem Hauptgebäude teilweise bereits 2004 errichtet worden sei und spätestens 2008 komplett bestanden habe. Der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten stamme hingegen erst vom 11.2.2011, sodass ein etwaiges Begehren bereits als verwirkt zu betrachten sei. Bei dem Ortstermin am späteren Nachmittag eines durchwegs sonnigen Tages hätten keine starken Blendwirkungen wahrgenommen werden können. Eine Klageerwiderung zur Klageerweiterung erübrige sich, da sich dadurch keine neuen Gesichtspunkte ergeben hätten, zu denen vom Beklagten nicht schon Stellung genommen worden sei.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Photovoltaikanlagen seien in den Jahren 2004 bis 2011 errichtet worden. Die Photovoltaikanlage auf dem großen Gebäude sei im Jahr 2004 errichtet worden. Schneelawinen seien, sofern solche überhaupt abgegangen seien, nachweislich auf dem eigenen Grundstück aufgetroffen. Die Beigeladene sei durchaus bereit, Maßnahmen zu ergreifen, um die von der Klägerin behauptete Blendwirkung zu verringern. Nach einer Berechnung in einem Reflexions-/Lichtgutachten für die Photovoltaikanlage vom 19.3.2015 durch das Ingenieurbüro c. GmbH, sei aus gutachterlicher Sicht/Abwägung die bestehende Anlage aufgrund der größtenteils von der Sonne überlagerten Blendstrahlen als zumutbar einzustufen. An der Nordfassade im Erdgeschoß ergäben sich unter der realistischen Annahme von 40% Bewölkung ca. 295 Blendungen pro Jahr. Das entspreche einer Gesamtblenddauer von ca. 25 Stunden. Der Auftraggeber habe ein Schattierungsnetz angebracht, das einen Schattierungswert zwischen 72% und 75% aufweise. Dadurch sei mit einer Reduzierung der Blendungen zu rechnen. Im Obergeschoß der Nordfassade ergebe sich bei der Annahme von 40% Bewölkung eine Gesamtblenddauer von ca. 34 Stunden pro Jahr. Im Erdgeschoß an der Westfassade ergäben sich 295 Blendungen pro Jahr, das entspreche einer Gesamtblenddauer von ca. 13 Stunden pro Jahr. Im Obergeschoß Westfassade ergebe sich unter den genannten Bedingungen eine Gesamtblenddauer von 27 Stunden pro Jahr. Zudem weise ein Teil der Reflexionsstrahlen eine sehr geringe Abweichung unter 20° zur eigentlichen Richtung des Sonnenstrahls auf. Diese würden durch die tiefer stehende Sonne überlagert. Da es auch ohne Photovoltaikanlage zu einer Blendung komme, seien diese Blendungen als nicht relevant einzustufen. Zusammenfassend sei die bestehende Photovoltaikanlage in der gutacherlichen Abwägung als nicht störend einzustufen. Die Behauptung des Ingenieurbüros …(A), dass die Sonne bei einer Ausrichtung, die sich hinter den Photovoltaikmodulen befinde, einen Sonnenstand haben müsse, der mindestens der Modulneigung entspreche, werde zurückgewiesen. Dies treffe zu, wenn sich die Sonne genau hinter den Photovoltaikanlagen befinde. Stehe die Sonne jedoch seitlich hinter den Photovoltaikmodulen, so könne es auch bei niedrigeren Sonnenständen als die Modulneigung zu Reflexionen kommen. Die Behauptung des Ingenieurbüros …(A), dass das Programm falsch rechne, werde ebenfalls zurückgewiesen.

Mit Beweisbeschluss vom 13.2.2017 sollte Beweis erhoben werden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Herrn Dr. …(B), Landesamt für Umwelt, zu den Blendwirkungen der Photovoltaikanlagen unter besonderer Beurteilung der Blendwirkungen der zuletzt montierten Anlage auf dem „Anbau“.

Mit Schreiben vom 17.11.2017 erklärte der Sachverständige, am 12.5.2017 habe er in der Zeit von ca. 14.00 Uhr bis ca. 16.30 Uhr einen Ortstermin durchgeführt. Dabei sei im Vergleich der vorliegenden Gutachten festgestellt worden, dass das Gutachten …(C) für die Westfassade nicht vollständig nachvollziehbar sei. Das Gutachten …(A) weise tendenziell längere Zeiträume aus, die auf einer Bündelaufweitung von +/- 4° beruhten. Die maximal gemessene Leuchtdichte habe bei klarem, sonnigem Wetter um 16.03 Uhr im Bereich des Kinderzimmers (IO 5) den Messbereich der Leuchtdichtekamera bei 1,9 x 107 cd/m² überschritten. Eine Absolutblendung könne nicht angezweifelt werden. Dies stehe im Einklang zu den Messergebnissen im Gutachten …(A), wo eine maximale Leuchtdichte von 1,5 x 107 cd/m² ermittelt worden sei.

Auf dem Balkon (nahe IO 4, Westfassade OG) habe nur in der äußersten nördlichen Ecke eine Absolutblendung festgestellt werden können. Auch dies decke sich annähernd mit der Prognose …(A).

Mit den vorliegenden Daten könnten keine genaueren Prognoserechnungen erstellt werden. In Betracht komme die Erstellung eines 3D-Modells vom Anwesen der Klägerin und den Photovoltaikanlagen. Die Kosten hierfür würden sich schätzungsweise auf 2.500,- € belaufen. Es könnten damit Unsicherheiten eliminiert werden, die durch die Ermittlung von Winkeln und Entfernungen aus den Bauplänen resultierten und Abweichungen des tatsächlich gebauten Hauses von den Bauplänen umfassten. Die Vermessung der Reflexionseigenschaften der verbauten Photovoltaikmodule dürfte Kosten im fünfstelligen Eurobereich verursachen.

Das LfU führe nur Berechnungen aufgrund einer gesicherten Vermessung durch, um Unsicherheiten bei der Verwendung von Bauplänen auszuschließen. Es sei deshalb eine Laservermessung von Immissionsort und Photovoltaikanlage unumgänglich.

Nicht abgedeckt sei im Berechnungsprogramm das Entstehen von Doppelreflexionen.

Von den vorliegenden Gutachten erscheine das Gutachten …(A) plausibler. Sollte auf eine erneute Modellierung und Berechnung verzichtet werden, werde dem Gericht empfohlen, sich bei der Entscheidungsfindung an diesem Gutachten zu orientieren.

Ergänzend erklärte der Sachverständige telefonisch gegenüber dem Berichterstatter, dass das Gutachten …(C) mehr eine überschlägige Berechnung darstelle. Außerdem fehlten die Nachmittagszeiten. Demgegenüber wirke das Gutachten …(A) hochwertig.

Die Blendungen durch die Photovoltaikanlagen seien wesentlich stärker als die Abendsonne. Zwar würden nur zwischen 1% und 3% reflektiert, dies gehe aber von einer querstehenden Sonne mit einer Leuchtdichte von (mindestens) 109 cd/m² aus, sodass eine Blendwirkung von mehreren 107 cd/m² eintrete, während die Abendsonne bei etwa 105 cd/m² liege.

Das aufgestellte Netz sei nicht ausreichend. Andererseits sei aufgrund der unterschiedlichen Blendrichtungen ein durchgehender Sichtschutz nicht erforderlich.

Die Klägerseite wurde mehrfach aufgefordert, zum Schreiben des Sachverständigen Dr. …(B), insbesondere zu den Vorschlägen zur Erhöhung der Prognosegenauigkeit, Stellung zu nehmen.

Die Beigeladene stellte einen Antrag auf Baugenehmigung für einen Sichtschutzzaun. Die Klägerin hat hiergegen Einwendungen wegen Nichteinhaltung von Abstandsflächen erhoben. Eine Entscheidung ist über diesen Bauantrag noch nicht erfolgt.

Auf Nachfrage des Gerichts führte der Beklagte einen weiteren Ortstermin durch, in dem Ende 2018 festgestellt worden sei, dass die unregelmäßige Hecke/Bepflanzung mittlerweile eine Höhe von 2,0 bis 2,5 m habe. Die Stangen, an denen die bisherigen Netze befestigt sind, hätten eine Höhe von ca. 6 bis 7 m.

Der Beigeladenenvertreter teilte auf Nachfrage dem Berichterstatter telefonisch mit, dass zwischen der Klägerin und der Beigeladenen mittlerweile auch ein Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht Regensburg geführt werde. Das Zivilgericht gehe davon aus, dass nach der „Regentropfen“- Rechtsprechung des BGH eine Verjährung nicht gegeben sei.

Mit Beweisbeschluss vom 29.3.2019 wurde der Beweisbeschluss vom 13.2.2017 dahingehend geändert, dass zu den Blendwirkungen bei der Klägerin Beweis zu erheben ist durch Einvernahme des Herrn Dr. …(B), LFU, als Sachverständigem. Eine schriftliche Erstellung eines Sachverständigengutachtens sei derzeit nicht erforderlich.

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Sachverständige Dr. …(B), das Sachverständigengutachten …(A) vom 18.7.2011 mit Nachtrag vom 20.5.2012 sei schlüssig. Es könne allerdings aus der Berechnung der Gesamtblenddauer (18.7.2011) einerseits und der Blenddauer allein durch die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau (20.5.2012) nicht darauf geschlossen werden, wie hoch die Blenddauer nur durch die Photovoltaikanlagen auf dem Dach und den Hallen 1 und 2 ist. Aus den vorliegenden Zahlen erscheine es aber wahrscheinlich, dass von der Blenddauer des Daches und der Hallen 1 und 2 alleine die Blenddauer von 30 Minuten täglich bzw. 30 Stunden jährlich überschritten werde. Teilweise sei eine Überlappung der Blendungen durch die Photovoltaikanlagen auf dem Dach und dem Anbau gegeben.

Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten, die gewechselten Schriftsätze in den genannten Verfahren des Verwaltungsgerichts (RN 6 K 10.1835, RN 6RN 6 K 15.160, RN 6 K 17.2047), das Sachverständigengutachten …(A) vom 18.7.2011 mit Nachtrag vom 20.5.2012 sowie die Niederschriften über den Ortstermin am 20.7.2016 und die mündlichen Verhandlungen am 17.8.2011 und 14.5.2019.

Gründe

Die Klage ist teilweise unzulässig, da das Klagerecht hinsichtlich der Blendungen durch die Photovoltaikanlagen auf dem Dach und den Hallen 1 und 2 verwirkt bzw. die Geltendmachung von Rechten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unzulässig ist.

Der Einwand der Verwirkung eines materiellen Rechtsanspruches setzt neben dem Zeitablauf ein Umstandsmoment voraus. Der Inhaber eines Anspruchs oder Gestaltungsrechts muss innerhalb eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben sein, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BVerwG, B.v. 23.12.2015, 2 B 40/14, juris).

Dieses Umstandsmoment setzt im öffentlichen Nachbarrecht über den langen Zeitraum der Nichtgeltendmachung eine Vertrauensgrundlage voraus. Es wird in der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (B.v. 30.4.2019, 15 ZB 18.979, der den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in Abdruck übergeben wurde, m.w.N.) wie folgt definiert:

„Der Bauherr muss ferner darauf vertraut haben, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und er muss sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensgrundlage).“

Diese Voraussetzungen sind aber gerade im Baunachbarrecht oft schwierig festzustellen, wenn es darum geht, dass ein Gebäude(teil) bereits errichtet wurde.

Der Begriff der Verwirkung wird hinsichtlich materiell-rechtlicher wie auch prozessualer Ansprüche verwendet. Es handelt sich dabei nur um eine der unterschiedlichen Ausprägungen des Grundsatzes, dass nach Treu und Glauben die Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig sein kann (zur Unterscheidung: BayVGH, B.v. 30.4.2019, 15 ZB 18.979). Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben kann die Geltendmachung auch allein aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr möglich sein. Ohne den geltend gemachten Anspruch materiell zu prüfen, führt diese formelle „Verwirkung“ bzw. der Verstoß gegen Treu und Glauben dazu, dass ein Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann (Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand: Okt. 2018, Art. 66, 542 ff.).

Ungeachtet der unterschiedlichen Definition der (formellen) Verwirkung oder des Verlustes des Klagerechts nach Treu und Glauben wird die Unzulässigkeit der Klage bei einer zu langen Dauer bis zur Geltendmachung eines Rechts in der Rechtsprechung allgemein angenommen (u.a. BVerwG, U.v. 25.1.1974, IV C 2/72; BVerwG U.v. 7.2.1974, III C 115.71; U. v.16.5.1991, 4 C 4.89; B.v. 28.8.1987, 4 N 3/86; B.v. 12.1.2004, 3 B 101.03; B.v. 12.1.2004, 3 B 101.03; U.v. 27.7.2005, 8 C 15/04; B.v. 23.12.2015, 2 B 40/14; VG Würzburg, U.v. 6.12.2016, W 4 K 16.219, jeweils juris).

Wartet ein durch eine Maßnahme Beschwerter eine so lange Zeit ab, dass derjenige, der die Maßnahme durchgeführt hat, nicht mehr mit einem Tätigwerden rechnen musste, kann von dem formellen Begriff der Verwirkung bzw. dem Verlust der Geltendmachung des Rechts nach Treu und Glauben ausgegangen werden. Der lange Zeitraum lässt das Umstandsmoment in den Hintergrund treten. Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten des effektiv zu gewährenden Rechtsschutzes kann bei unbefristet zu stellenden Anträgen das für die Zulässigkeit einer Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis entfallen, das nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung nach allen Prozessordnungen ist (BVerfG, B.v. 4.3.2008, 2 BvR 2111/07, juris).

Das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) weist darauf hin, dass ohne das Vorliegen eines Umstandsmomentes der zulässige Zeitraum der Untätigkeit, ab dem von einem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses ausgegangen werden kann, im Einzelfall unter Abwägung der Umstände zu ermitteln sei.

Fraglich ist, ob dies damit unter besonderer Berücksichtigung des Nachbarrechts bei Bauvorhaben als Umstandsmoment im weiteren Sinne aufgefasst werden kann.

Im Bereich des Baurechts ist hinsichtlich der Länge der Zeit, ab der eine Verwirkung oder ein Rechtsverlust nach Treu und Glauben eintritt, zu berücksichtigen, dass sich ein baurechtlicher Nachbar nicht nur gegen die Baugenehmigungs- bzw. Bauaufsichtsbehörde richtet, für die das zugrunde liegende Verfahren abgeschlossen ist. Viel eingreifender sind die möglichen Auswirkungen auf den betroffenen Bauherrn, mit dem sich der Nachbar in der Regel in einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis befindet. Von dem baurechtlichen Nachbarn ist daher zu erwarten, dass er sich umgehend an die zuständige Baugenehmigungs- und Bauaufsichtsbehörde wendet, sobald durch eine bauliche Änderung die Gefahr erkennbar wird, in eigenen Rechten verletzt zu werden.

Zur Frage, nach welcher Zeit eine Verwirkung eintritt, werden in der Rechtsprechung (in Anlehnung an § 58 Abs. 2 VwGO) meistens Zeiträume ab einem Jahr diskutiert, auch wenn nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls auch kürzere Zeiträume in Betracht kommen (BVerwG, B.v. 11.9.2018, 4 B 34/18, juris). Der VGH Baden-Württemberg hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1987 die Verwirkung nachbarlicher Rechte acht Monate nach erkennbarem Baubeginn bejaht (B. v. 28.8.1987, 8 S 1345.87). Die Kammer hat eine Verwirkung bei einer zehn Monate nach Baubeginn (Urt. v. 2.12.2008 mit Verweis auf Gerichtsbescheid vom 3.9.2008, RN 6 K 07.1628) bzw. 18 Monate nach Fertigstellung einer Baumaßnahme erfolgten Rüge angenommen (U.v. 6.11.1990, RN 6 K 89.1145).

Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 30.4.2019, 15 ZB 18.979) darauf verweist, dass unabhängig von der Frage der tatsächlichen oder möglichen Kenntnisnahme der Errichtung einer durch eine Baugenehmigung genehmigten baulichen Anlage ein Nachbar nach einem Jahr einen Verstoß gegen Treu und Glauben nicht mehr geltend machen kann, bezieht sich dies zunächst nur auf genehmigte Bauvorhaben. Der Grund für diesen Verstoß gegen Treu und Glauben liegt aber im baurechtlichen Nachbarschaftsverhältnis, das unter Berücksichtigung von Besonderheiten im Einzelfall auch in den Fällen maßgeblich ist, in denen ein Nachbar von einem nicht genehmigten Bauvorhaben Kenntnis erlangt. Es gilt damit auch entsprechend für Ansprüche auf bauaufsichtliches Einschreiten.

Hinsichtlich der Photovoltaikanlagen auf dem Dach ist davon auszugehen, dass bei einer Errichtung ab dem Jahr 2004 die unterlassene Geltendmachung schon vor dem Jahr 2008 zum Vertrauen der Beigeladenen geführt hat, dass gegen die Blendwirkungen seitens der Klägerin nicht vorgegangen wird. Es wurden deshalb auch weitere Investitionen getätigt. Es war damit bei erstmaliger Geltendmachung der Verletzung von Nachbarrechten, zunächst nur wegen Schneelasten, mit Schreiben vom 2.11.2011 neben dem Zeitmoment auch das Umstandsmoment gegeben, sodass in diesem Fall eine Verwirkung des materiellen Anspruchs vorliegt.

Die Photovoltaikanlagen auf den Hallen 1 und 2 werden wie die anderen Photovoltaikanlagen von der Beigeladenen zur Stromgewinnung betrieben. Für Errichtung und Betrieb wäre auch hinsichtlich der Photovoltaikanlagen eine Baugenehmigung erforderlich gewesen. Werden baugenehmigungsfreie Bauvorhaben, Art. 63 Abs. 1 Nr. 2 c BayBO (1998) im Zusammenhang mit baugenehmigungspflichtigen Bauvorhaben errichtet, handelt es sich nicht um selbständige Bauvorhaben, sodass das gesamte Bauvorhaben genehmigungspflichtig ist (Simon/Busse, BayBO, Stand: Aug. 2007, Art. 63 BayBO 1998, Rdnrn. 7, 8, demensprechend auch für die ab 1.9.2008 geltende Neufassung der Bayerischen Bauordnung mit Genehmigungsfreiheit für Photovoltaikanlagen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 a aa BayBO 2008 Simon/Busse, BayBO, Stand: Okt. 2018, Art. 57, Rdnr. 9). Die Baugenehmigung vom 7.7.2008 umfasste nicht die Photovoltaikanlagen, sodass diese formell rechtswidrig errichtet wurden. Die Klägerin ist im Übrigen hinsichtlich der Photovoltaikanlagen nicht aufgrund ihrer Nachbarunterschrift auf den Bauplänen an der Geltendmachung ihrer Ansprüche gehindert.

Obwohl damit keine unmittelbar mit dem Verfahren in dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (B.v. 30.4.2019, 15 ZB 18.979) entschiedenen Fall vergleichbare Ausgangslage vorliegt, kann wegen der vergleichbaren Situation spätestens ein Jahr nach der zumindest am 21.10.2008 (Foto im Bauakt) erfolgten Fertigstellung ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht mehr geltend gemacht werden. Darüber hinaus stellt die Duldung der Photovoltaikanlagen auf dem Dach nicht nur hinsichtlich der Verwirkung der diesbezüglichen Ansprüche ein Umstandsmoment dar, sondern auch hinsichtlich der Photovoltaikanlagen auf den Hallen 1 und 2, auf denen die Photovoltaikanlagen ersichtlich auch vor dem Hintergrund der Duldung der Photovoltaikanlagen auf dem Dach errichtet wurden.

Dahinstehen kann, ob die vorangehende Duldung auch ein Umstandsmoment hinsichtlich der Photovoltaikanlagen auf dem Anbau darstellen kann, da bezüglich dieser Photovoltaikanlagen bereits das fehlende Zeitmoment einer Verwirkung oder einem Rechtsverlust nach Treu und Glauben entgegensteht. Die am 12.10.2010 erhobene Klage richtete sich zwar nur gegen die Baugenehmigung vom 13.9.2010, die keine Genehmigung der Photovoltaikanlage enthält, der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten vom 11./15.2.2011 wurde aber rechtzeitig gestellt und die Klage gegen den ablehnenden Beschluss vom 24.2.2011 rechtzeitig erhoben, sodass dem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten keine Verwirkung und kein Rechtsverlust nach Treu und Glauben entgegenstehen. Die Klage ist damit hinsichtlich des Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau zulässig.

II.

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie auch im Wesentlichen begründet, da die Klägerin hinsichtlich der Photovoltaikanlagen auf dem Anbau in eigenen Rechten verletzt wird,

§ 113 Abs. 5 VwGO.

Der Beklagte hat als Bauaufsichtsbehörde, Art. 53 BayBO, die Aufgabe, die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu überwachen, Art. 54 Abs. 2 BayBO, und die Befugnis, die dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen, Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO. Möglich ist dabei auch die Anordnung der Beseitigung einer baulichen Anlage, Art. 76 Satz 1 BayBO. Die Behörde hat dabei nach pflichtgemäßem Ermessen zu handeln.

Die Anordnung bauaufsichtlicher Maßnahmen kann rechtmäßig und geboten sein, soweit nicht aufgrund einer Baugenehmigung eine bauliche Anlage formell rechtmäßig errichtet wurde. Genehmigt wurde mit Bescheid vom 13.9.2010 zwar der Anbau, nicht aber die darauf befindlichen Photovoltaikanlagen (VG Regensburg, Gb.v. 10.5.2011, RN 6 K 10.1835, BayVGH, B.v. 10.10.2013, 15 ZB 11.1416). Diese sind damit formell rechtswidrig, da aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs die Anbringung der Photovoltaikanlagen kein eigenständiges und nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 a aa BayBO (2008) verfahrensfreies Bauvorhaben war (s.o.), sondern mit dem Anbau hätten genehmigt werden müssen.

Neben der fehlenden formellen Rechtmäßigkeit führt fehlende materielle Rechtmäßigkeit dazu, dass der Beklagte bauaufsichtlich einschreiten kann.

Ein Dritter hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten. Wird er in eigenen Rechten durch ein Bauvorhaben verletzt, hat er einen Anspruch darauf, dass über seinen Antrag ermessensgerecht entschieden wird. Dabei kann das Gericht in einem Klageverfahren in aller Regel nur überprüfen, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat. Als „scheinbare Ausnahme“ (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 114, Rdnr. 6) hiervon kann insbesondere bei besonderer Schwere einer Rechtsverletzung das Ermessen so reduziert sein, dass nur noch ein bauaufsichtliches Einschreiten rechtmäßig ist. Bei dieser Ermessensreduzierung auf Null hat der Kläger einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, das dann vom Gericht angeordnet werden kann und muss. Zu unterscheiden sind dabei Ansprüche, dass die Behörde in irgendeiner Weise tätig wird, dass die Rechtsverletzung beseitigt wird, von Ansprüchen, dass die Behörde in einer bestimmten Weise (z.B. Beseitigungsanordnung) tätig wird. Da die Behörde regelmäßig auch hinsichtlich der Wahl ihrer Mittel einen Ermessensspielraum hat, ist ein Anspruch auf eine bestimmte Anordnung nur möglich, wenn auch diesbezüglich eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt.

Die Blendwirkungen verletzen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, da das Maß der Absolutblendung für einen nicht mehr zumutbaren Zeitraum überschritten wird (s.u. 1.). Sie führen ihrer Dauer und ihrer Stärke nach zu so massiven Beeinträchtigungen, dass der Beklagte bauaufsichtlich einschreiten muss, da insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben ist (s.u. 2.). Da der Beklagte aber nicht nur die Beseitigung der Photovoltaikanlagen auf dem Anbau anordnen kann, sondern möglicherweise weniger eingreifende Maßnahmen möglich sind, kann das Gericht den Beklagten nur verpflichten, bauaufsichtliche Maßnahmen zu ergreifen (s.u. 3.). Die zu treffenden Anordnungen sind gegen die Beigeladene zu richten (s.u. 4.).

1. Blendwirkungen von Photovoltaikanlagen sind vom baurechtlichen Nachbarn nicht als bloß lästig hinzunehmen, da sie ihm gegenüber bei entsprechender Dauer und Intensität einen schwerwiegenden Eingriff bis hin zur Gesundheitsbeschädigung darstellen.

a. Nachvollziehbar haben sowohl der durch die Klägerin beauftragte Sachverständige …(A) als auch der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. …(B) vom Landesamt für Umwelt ausgeführt, dass die vom menschlichen Auge zwischen 70.000 cd/m² und 250.000 cd/m², durchschnittlich bei 100.000 cd/m², eintretende Absolutblendung durch die Photovoltaikanlagen über lange Zeiträume erfolgt.

Die Absolutblendung hat dabei eine nachwirkende Störung der Sehfähigkeit, „z.B. „Schmerzen“ im Auge, Gegenreaktion des Gehirns durch Blinzelreflex oder Wegdrehen des Kopfes, helle Punkte im Sichtfeld, nachdem man in die Sonne geschaut hat“ (Gutachten …(A) vom 18.7.2011, S. 17, so auch Dr. …(B) in der mündlichen Verhandlung), zur Folge. Entgegen der nur noch geringen Blendwirkung der Sonne beim Sonnenuntergang ist die Blendwirkung der Sonne durch die Photovoltaikanlagen bei höheren Sonnenständen, auch wenn nur 1% bis 3% reflektiert werden, so hoch, dass der Messbereich der Leuchtdichtekamera des Sachverständigen Dr. …(B) von 1,9 x 107 cd/m² überschritten wurde.

Zwar kann auch leichte Bewölkung die Blendung deutlich reduzieren, es ergeben sich aber bei einer möglichen Überschreitung der Absolutblendung um das Vielfache häufig gesundheitsschädigende oder zumindest nicht hinnehmbare Blendungsintensitäten. Dabei kann ein Nachbar die Blendungen zwar abwehren, indem er in den Zeiten der möglichen Blendungen die Räume durch Jalousien verdunkelt bzw. sich nicht auf Balkonen oder sonstigen Freiflächen aufhält, die zum weiteren Wohnumfeld gehören, bzw. seine Blickrichtung von der Blendung abwendet. Dies ist ihm ohne besondere Duldungspflicht, wie sie durch Verwirkung oder Rechtsverlust nach Treu und Glauben (s.o. I.) gegeben sind, aber nicht zumutbar, wenn die Blendzeiten über einen untergeordneten Zeitraum hinausgehen.

b. Den noch zumutbaren Zeitraum geben die Sachverständigen unter Bezugnahme auf die LAI-Publikation „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen“ (LAI-Hinweise vom 13.9.2012, Anhang 2) mit 30 min/Tag und 30 h/Jahr an. Ausgegangen wird dabei von der möglichen astronomischen Blenddauer und nicht von der meteorologischen Blenddauer, sodass Zeiten mit Bewölkung nicht abgezogen werden müssen.

Die LAI-Hinweise stellen aber keine normkonkretisierende Vorschrift wie bei den Lärmimmissionen die TA Lärm (BayVerfGH, B.v. 20.9.2015, Vf. 9-VII-13, Vf. 4-VII-14, Vf. 10-VII-14, juris) dar. Auch kann ein Vergleich mit der Geruchsimmissionsrichtlinie GIRL nur bedingt erfolgen. Zur Feststellung der Zumutbarkeit von Gerüchen nach der GIRL führte das Bundesverwaltungsgericht (B.v. 13.1.2016, 7 B 38/15, juris) aus, es handele sich um „ein technisches Regelwerk, dessen Werte auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Experten beruhen und das insoweit die Bedeutung eines antizipierten generellen Sachverständigengutachtens hat. Ihre Auslegung ist keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung und daher nicht revisibel.“

Die LAI-Hinweise zur Zumutbarkeit von Blendungen entsprechen einem derartigen antizipierten Sachverständigengutachten zwar dem Grunde nach, ihnen liegt aber nicht das breite Expertenwissen zugrunde wie der GIRL. Nachvollziehbar beruhen die in den LAI-Hinweisen enthaltenen allgemeinen Hinweise und auch die in Anlage 2 enthaltenen „Empfehlungen zur Ermittlung, Beurteilung und Minderung der Blendwirkung von großflächigen Freiflächen-Photovoltaikanlagen im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren“ für die Ermittlung der Blendungen auf dem Sachverstand vieler in diesem Bereich tätiger Experten. Wie der Sachverständige Dr. …(B) in der mündlichen Verhandlung erklärte, wurden die in Anlage 2, 4. als erheblich belästigend angegebenen Blendzeiten von mindestens 30 Minuten pro Tag oder 30 Stunden pro Jahr aber nicht mit hinreichender wissenschaftlicher Untersuchung ermittelt. Der zeitliche Grenzwert wurde zunächst aus dem Bereich der Beurteilung der Zumutbarkeit von Blendwirkungen durch Windkraftanlagen entnommen. Hierbei handelt es sich jedoch um nicht vergleichbare Blendungen, da es sich nicht um Reflexionen handelt, sondern um die natürliche Sonnenstrahlung, die durch die Rotorblätter in kurzen Abständen unterbrochen wird. Dieser „Diskoeffekt“, der auch dann deutlich festgestellt wird, wenn die betroffene Person nicht direkt der Blendung ausgesetzt wird, ist völlig anderer Art als die gleichmäßige Blendung durch Photovoltaikanlagen, die aber durch die Reflexion der wesentlich höher stehenden Sonne eine vielfach höhere Intensität hat als die Sonnenstrahlung kurz vor Sonnenuntergang.

Auch wenn eine Übernahme der zeitlichen Grenzwerte der Blendungen durch Windkraftanlagen damit nicht zulässig ist, kann es dennoch möglich sein, dass diese für die zulässigen Blendzeiten durch Photovoltaikanlagen sachgerecht sind. Um diesen Grenzwerten aber die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommen zu lassen, müssten diese auf einem sachverständigen Niveau ermittelt bzw. bestätigt worden sein. Dies wäre nach der Darstellung des Sachverständigen Dr. …(B) nur anhand von wissenschaftlichen Untersuchungen unter Beteiligung einer großen Zahl repräsentativ ermittelter Personen möglich. Da eine derartige Untersuchung nicht vorliegt, können die Grenzwerte nach den LAI-Hinweisen nicht als Ausdruck eines repräsentativen generellen Sachverständigengutachtens herangezogen werden.

Soweit in den LAI-Hinweisen allgemein erklärt wird, dass bei Überschreitung der Blendzeiten von 30 min/Tag oder 30 h/Jahr erhebliche Belästigungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) vorliegen können, kann hieraus auch nicht unmittelbar auf die Unzumutbarkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO geschlossen werden. Unabhängig davon, ob der Begriff der erheblichen Belästigungen nach §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 22 BImSchG durch eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift (TA Lärm, OVG Lüneburg, B.v. 11.3.2019, 12 ME 105/18, juris) konkretisiert oder wie z.B. bei der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) als antizipiertes Sachverständigengutachten ohne die Funktion einer Rechtsquelle (BVerwG, B.v. 5.8.2015, 4 BN 28/15, juris) bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das nachbarschützende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot herangezogen wird, ist eine Einzelfallprüfung erforderlich. Bei der Beurteilung einer Umwelteinwirkung als erheblich belästigend ist dabei die planungsrechtliche Situation zu beachten (BVerwG, B.v. 3.5.1996, 4 B 50/96, juris), weshalb in der TA Lärm (Nr. 6.1) und in beschränktem Umfang auch in der GIRL (Tabelle 1) je nach Baugebiet unterschiedlich hohe Immissionen zugelassen werden. Dies erscheint auch hinsichtlich der Blendzeiten erforderlich, da je nach Baugebiet, §§ 1 Abs. 2, 2 bis 11 BauNVO, sonstige Gewerbebetriebe, zu denen auch gewerblich genutzte Photovoltaikanlagen gehören, nur in unterschiedlich störendem Umfang zulässig sind. So dürfen Gewerbebetriebe im allgemeinen Wohngebiet das Wohnen nicht stören, § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, während sie im vorliegenden faktischen Dorfgebiet, § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, zulässig sind, wenn sie nicht wesentlich stören. In Gewerbegebieten sind nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe zulässig, § 8 Abs. 1 BauNVO.

Den LAI-Hinweisen kann auch nicht entnommen werden, ob bei der Festlegung der Grenzwerte eine Sozialadäquanz berücksichtigt wurde (BVerwG, B.v. 3.5.1996, 4 B 50/66, juris). Im Allgemeinen werden z.B. Blechdächer als zulässig angesehen, von denen starke Blendungen ausgehen können, wenn auch zu berücksichtigen ist, dass durch natürlich auf Blechdächern entstehende Beläge nach einiger Zeit die Blendwirkungen nachlassen, während Beläge auf Photovoltaikanlagen beseitigt werden. Jedoch können auch derartige Dachbedeckungen im Einzelfall rücksichtslos sein (VGH Mannheim, U.v. 19.7.2007, 3 S 1654/06, zu glasierten Dachziegeln, juris). Auch wenn die Blendwirkungen durch Photovoltaikanlagen nicht verglichen werden können mit als sozialadäquat allgemein zulässigen Lärmimmissionen von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen (was erst ab der Fassung vom 20.7.2011 zur Einfügung des § 22 Abs. 1a BImSchG „… sind im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen …“ führte), können sich zusätzliche Immissionen in begrenztem Umfang auch oberhalb allgemeiner Grenzwerte als zumutbar erweisen, wenn die Anlage als „ortsüblich, wohntypisch und sozialadäquat“ angesehen wird (BVerwG, B.v. 3.5.1996, 4 B 50/96 zu Lärmimmissionen von Wertstoffhöfen, Aufstellung von sechs Sammelcontainern im reinen Wohngebiet). Nicht unberücksichtigt bleibt vorliegend, dass die klimaneutrale Erzeugung von Energie im Interesse der Bundesrepublik Deutschland liegt.

Bei der Prüfung, ob das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt wird, sind trotz der eingeschränkten Verwertbarkeit die Grenzwerte in den LAI-Hinweisen für das Gericht nicht ohne Bedeutung. Es handelt sich jedoch nur um eine durch sachverständige Personen geäußerte Meinung, die das Gericht bei seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt. Da ohne unzumutbaren Mehraufwand, etwa durch eine wissenschaftliche Studie zu den Auswirkungen entsprechender Blendungen auf eine repräsentative Zahl von Personen, eine weitere Klärung der Zumutbarkeit der Blendungen nicht möglich ist, hat das Gericht anhand der vorliegenden Erkenntnisse eine Entscheidung zu treffen. Dabei ist im Rahmen der Einzelfallentscheidung auch zu berücksichtigen, dass vorliegend durch die Größe der verschiedenen Photovoltaikanlagen und ihrer nach Ausrichtung und Entfernung unterschiedlichen Situierung ein Ausnahmefall hinsichtlich der Blendzeiten auf dem Grundstück der Klägerin vorliegt.

Die Blendungen durch Photovoltaikanlagen sind wegen ihrer hohen Intensität nur zeitlich begrenzt zulässig, können aber andererseits nicht generell ausgeschlossen werden. Im vorliegenden faktischen Dorfgebiet ist die Stromerzeugung mit Photovoltaikanlagen als sonstigem Gewerbebetrieb, § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO, zwar allgemein zulässig (BayVGH, U.v. 30.1.2014, 15 B 11.750, juris), wie bei anderen gewerblichen Betrieben sind in einem Dorfgebiet dem Nachbarn aber lediglich Immissionen zumutbar, die das Wohnen nicht wesentlich stören, § 5 Abs. 1 BauNVO. Es sind deshalb Störungen zulässig, die über das in allgemeinen oder reinen Wohngebieten zulässige Maß hinausgehen.

Auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass die Blendungen durch die Photovoltaikanlagen nicht mit den Blendungen bei Windkraftanlagen vergleichbar sind, erscheint es wegen der hohen Intensität durchaus vertretbar, Blendzeiten von über 30 min/Tag und 30 h/Jahr als erhebliche Belästigungen anzusehen (LAI-Hinweise vom 13.9.2012, Anhang 2, 4.). Dabei kann vorliegend die genaue Dauer noch zumutbarer Blendzeiten in einem Dorfgebiet dahinstehen. Auch wenn gegenüber den in den LAI-Hinweisen genannten Werten erheblich höhere Grenzwerte angesetzt werden könnten, ist gegenüber der bestehenden Vorbelastung die Zusatzbelastung durch die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau nicht mehr hinzunehmen.

c. Vorliegend verursachen die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau das Wohnen wesentlich störende Blendimmissionen, § 5 Abs. 1 BauNVO, die das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, verletzen.

Bei der zu treffenden Einzelfallentscheidung ist zunächst davon auszugehen, dass die Klägerin wegen der Verwirkung ihrer Abwehrrechte bzw. deren Verlust nach Treu und Glauben (s.o. I.) hinsichtlich der Blendungen von den Photovoltaikanlagen auf dem Dach und den Hallen 1 und 2 keine unmittelbaren Abwehransprüche hat. Die Blendwirkungen stellen jedoch eine hohe Vorbelastung dar, die im Rahmen der Überprüfung der Abwehrrechte hinsichtlich der Photovoltaikanlagen auf dem Anbau zu berücksichtigen sind.

Zwar hat der Sachverständige Dr. …(B) in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erklärt, dass aus den ermittelten Zeiten der Gesamtblendung (Gutachten …(B) vom 18.7.2011) und den Zeiten der Blendungen nur durch die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau (Nachtrag …(A) vom 20.5.2012) nicht durch Subtraktion die Blendzeiten durch die Photovoltaikanlagen auf dem Dach und den Hallen 1 und 2 ermittelt werden können, da sich die Blendzeiten teilweise überschneiden. Das bedeutet aber nicht, dass die Blendzeiten von den Photovoltaikanlagen auf dem Dach und den Hallen 1 und 2 niedriger sein können als die Gesamtblenddauer abzüglich der Blendzeiten durch die Photovoltaikanlagen nur auf dem Anbau.

Maßgeblich sind die Blendungen, die in schutzwürdigen Räume, d.h. insbesondere in Kinderzimmern, Schlafzimmern, Wohnzimmern (BayVGH, U.v. 10.5.2016, 2 B 16.231, juris) und sonstigen Räumen auftreten, in denen sich Menschen nicht nur vorübergehend aufhalten. Zu diesen Räumen gehören z.B. auch Wohnküchen und Büros. Alle im Gutachten …(A) gekennzeichneten Immissionsorte sind schutzwürdige Räume. Da sowohl im Erdgeschoss als auch im 1. Obergeschoss zumutbare Blendzeiten, auch wenn nur größenordnungsmäßig von zumutbaren 30 min/Tag oder 30 h/Jahr ausgegangen wird, bei Weitem überschritten werden, kann vorliegend dahinstehen, inwieweit die nicht genehmigte Nutzungsänderung vom nicht schutzwürdigen Speicher zum Wohnzimmer (IO 3) Ansprüche der Klägerin ausschließt.

Sowohl im 1. Obergeschoss als auch teilweise im Erdgeschoss ergaben sich extreme Überschreitungen zumutbarer Blendzeiten mit Jahresblendzeiten gesamt bei den Immissionsorten 4 bis 6 zwischen 301 und 358 Stunden. Selbst wenn die Blenddauer der Photovoltaikanlagen nur vom Anbau mit 51 bis 91 Stunden vollständig abgezogen würde, ergäben sich als Vorbelastung Blendzeiten, die unabhängig von einem in diesem Zusammenhang nicht mehr genauer zu prüfenden Grenzwert diesen um das Vielfache überschreiten.

Bei dieser Vorbelastung ist eine Zusatzbelastung, die nicht nur geringfügig ist, von der Klägerin nicht mehr hinzunehmen. Auch wenn die genaue Zeit der zusätzlichen Blenddauer durch die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau nicht ermittelt wurde, ergibt sich insbesondere aus der unterschiedlichen Neigung der Photovoltaikanlagen auf dem Dach und dem Anbau, dass durch die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau eine erhebliche zusätzliche Blenddauer gegeben ist.

Gleiches ergibt sich für die Immissionsorte 1 bis 3, auch wenn an diesen die Blenddauer wesentlich geringer ist. Bei den Immissionsorten 1 und 2 sind Blenddauern gesamt von 100 bzw. 105 Stunden jährlich gegeben, die unabhängig von einem noch genauer festzulegenden Grenzwert in der Größenordnung von 30 Stunden jährlich diesen überschreiten. Auch an diesen Immissionsorten kann durch die Blenddauern von 31 bzw. 78 Stunden jährlich durch die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau darauf geschlossen werden, dass eine zusätzliche erhebliche Blenddauer eintritt. Lediglich bei Immissionsort 3 bedürfte es einer weiteren Untersuchung, da bei einer Gesamtblenddauer von 95 Stunden und einer Blenddauer durch die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau von 13 Stunden nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein überwiegender Teil der zusätzlichen Blendung mit der Blendung durch die anderen Photovoltaikanlagen zusammenfällt und die zusätzliche Belastung der Klägerin nur noch geringfügig ist (vgl. Nr. 3.2.1 Abs. 4 TA Lärm, Nr. 3.3 GIRL, Irrelevanzkriterium). Nachdem zumindest bei den anderen Immissionsorten von einer hohen Überschreitung zumutbarer Blendzeiten ausgegangen werden kann, ist die denkbare nur geringfügige Zusatzbelastung im Bereich des Immissionsortes 6 im Rahmen eines bauaufsichtlichen Einschreitens nur dann zu berücksichtigen, wenn feststellbar ist, dass sich die konkrete Maßnahme nur in geringem Umfang auf den Immissionsort 6 auswirkt.

Bei der Länge der Blenddauern ist nicht ersichtlich, dass sich die Abweichungen der tatsächlichen Bauausführung des klägerischen Hauses von den genehmigten Bauplänen (Erker, Nutzungsänderung) auf die Zumutbarkeit der Blendungen auswirken.

Die im Sachverständigengutachten …(A) ermittelten und vom Sachverständigen Dr. …(B) bestätigten Blenddauern würden zwar noch korrigiert, wenn durch ein 3D-Modell die exakte Lage des Hauses der Klägerin ermittelt und durch eine Vermessung der verwendeten Photovoltaikmodule insbesondere die Streuung der Blendungen erfasst und auf dieser Grundlage ein genaueres Sachverständigengutachten erstellt würde. Die dadurch zu erwartenden Änderungen bei den Blenddauern sind bei der sehr hohen Vorbelastung durch die Photovoltaikanlagen auf dem Dach und den Hallen 1 und 2 und der erheblichen Mehrbelastung durch die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau aber deutlich zu gering, als dass das Gericht zu einer anderen Entscheidung kommen könnte. Die Einholung eines weiteren schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen Dr. …(B) erschien deshalb nicht zweckmäßig.

Von den Blenddauern an den Immissionsorten kann ferner darauf geschlossen werden, dass auch an anderen Orten des klägerischen Grundstücks unzumutbar lange Blendungen erfolgen. Dies gilt insbesondere für den Balkon, der als Teil der Wohnfläche anzusehen ist. Gleiches gilt auch für die Teile des Grundstücks, die als Außenfläche der Wohnnutzung dienen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bis hin zur östlich verlaufenden Straße mit starken Blendungen zu rechnen ist, auf die der Sachverständige Dr. …(B) unter Bezugnahme auf seinen Ortstermin in der mündlichen Verhandlung hinwies.

2. Die langen Blenddauern beeinträchtigen die Klägerin so sehr, dass der Ermessensbereich des Beklagten auf Null reduziert ist.

Wie ausgeführt (s.o. II.1a.) hat die über lange Zeiträume zu erwartende Absolutblendung zur Folge, dass eine nachwirkende Störung der Sehfähigkeit, „z.B. „Schmerzen“ im Auge, Gegenreaktion des Gehirns durch Blinzelreflex oder Wegdrehen des Kopfes, helle Punkte im Sichtfeld, nachdem man in die Sonne geschaut hat“ eintritt. Nicht maßgeblich ist, dass bei der Ortseinsicht des Gerichts am 20.7.2016 der Eindruck entstand, dass die Blendungen nicht besonders stark waren. Dies kann z.B. auf hoher Luftfeuchtigkeit in hohen Luftschichten beruht haben. Bei der Ortseinsicht des Sachverständigen Dr. …(B) ergaben sich demgegenüber Blendstärken, die über dem Messbereich der Leuchtdichtekamera lagen. Diese kann zwar durch Verdunkelung der Räume abgewendet werden. Die langen Blenddauern und ihre sich im Laufe des Jahres verschiebenden Zeiträume erschweren aber die Verdunkelung in den erforderlichen Zeiträumen. Die Verdunkelung muss unter besonderer Berücksichtigung der tiefer als die Immissionsorte liegenden Photovoltaikmodule auf dem Anbau zumindest fast vollständig sein. Dies würde zu einer Einschränkung der Bewohnbarkeit in unzumutbar hohem Maße führen. Das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, und damit ein Recht der Klägerin als Nachbarin, wird schwerwiegend verletzt.

Da außer durch bauaufsichtliche Maßnahmen, insbesondere kommt eine Genehmigung nicht in Betracht, die Rechtsverletzung nicht beendet werden kann, ist das grundsätzlich bestehende Ermessen des Beklagten bei der Schwere der Rechtsverletzung hinsichtlich bauaufsichtlichem Einschreiten auf Null reduziert.

3. Dem Antrag der Klägerin, den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen die Beseitigung der Photovoltaikanlagen (auf dem Anbau, s.o. I.) aufzugeben, konnte nicht entsprochen werden, da nicht auszuschließen ist, dass ein die Beigeladene weniger belastendes Mittel zur Erreichung des Zwecks ausreicht, eine nicht nur unerhebliche zusätzliche Belastung durch die Blendungen seitens der Photovoltaikanlagen auf dem Anbau auszuschließen. Denkbar wäre z.B. eine Aufständerung der einzelnen Photovoltaikmodule, wenn dies auch nur geringe Erfolgsaussichten haben dürfte, da ein erheblich anderer Winkel den Nutzen für die Stromerzeugung stark einschränken dürfte.

Denkbar wäre auch die Beschränkung auf eine Teilbeseitigung, wenn die Blendungen von den verbleibenden Photovoltaikmodulen durch einen wirksamen Sichtschutz abgeschirmt werden. Da die gemessenen Blendungen mit mehr als 107 cd/m² über dem Einhundertfachen der Absolutblendung liegen, wäre eine Reduzierung der Blendungen um mehr als 99% erforderlich, was die Errichtung einer Mauer oder einer ähnlichen Sichtbarriere voraussetzen würde. Von diesem Sichtschutz dürften Wirkungen wie von einem Gebäude ausgehen, sodass Abstandsflächen eingehalten werden müssen, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO.

Da die Anordnung bauaufsichtlicher Maßnahmen nur dann rechtmäßig sein kann, wenn sie auch gegenüber der Beigeladenen verhältnismäßig sind, konnte dem Beklagten damit nicht der Erlass einer Beseitigungsanordnung auferlegt werden. Vorsorglich wird aber darauf hingewiesen, dass die Beigeladene gegen eine Beseitigungsanordnung nicht geltend machen kann, es gebe weniger belastende Maßnahmen, wenn sie nicht selbst konkrete Angaben hierzu macht. Ob und wie z.B. die nur teilweise Beseitigung der Photovoltaikanlagen und Errichtung eines (teilweisen) Sichtschutzes unter Wahrung der Abstandsflächen zum Grundstück der Klägerin für die Beigeladene ein gegenüber der vollständigen Beseitigung weniger einschneidendes Mittel ist, hängt von einer allein von der Beigeladenen zu ermittelnden wirtschaftlichen Betrachtung ab sowie von der Frage, ob die für den Sichtschutz benötigten Grundstücksflächen hierfür verwendet werden können. Soweit hierzu keine konkreten Angaben durch die Beigeladene gemacht werden, dürfte auch eine Beseitigungsanordnung für die Photovoltaikanlagen auf dem Anbau ermessensgerecht sein.

4. Als Handlungsstörer ist die Beigeladene möglicher Adressat einer bauaufsichtlichen Anordnung (Simon/Busse, BayBO, Stand: Okt. 2018, Art. 76, Rdnr. 163 für die Bauherrengemeinschaft in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, m.w.N.).

Sonstige gegen die Photovoltaikanlagen vorgebrachte Gründe sind nicht maßgeblich. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei Regen gegenüber anderen harten Dächern unzumutbarer Lärm auftritt.

Rechtmäßig war die Verweisung der Klägerin auf den Zivilrechtsweg hinsichtlich der behaupteten abrutschenden Schneelasten von den Photovoltaikanlagen auf dem Anbau. Aufgrund des großen Abstands des Anbaus von den klägerischen Grundstücken erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass Schneelasten von dem Anbau auf die Grundstücke der Klägerin gelangen.

„Keine gegenüber der Baugenehmigung für den Anbau vom 12.10.2010 (rechtskräftig nach Gerichtsbescheid VG Regensburg vom 10.5.2011, RN 6 K 10.1835, Ablehnung der Zulassung der Berufung BayVGH, B.v. 10.10.2013, 15 ZB 11.1416) geänderte baurechtliche Situation ergibt sich hinsichtlich der behaupteten einmauernden Wirkung, da von allen Gebäuden, zu deren Teil die Photovoltaikanlagen wurden, die Abstandsflächen eingehalten wurden.

Die nicht mehr beantragte Nutzungsuntersagung für die Photovoltaikanlagen würde an der Blendung nichts ändern.

III.

Nach allem konnte die Klage nur teilweise Erfolg haben und war im Übrigen abzuweisen. Maßgeblich für die Kostenentscheidung (§§ 154 Abs. 1, 155 VwGO) war das Verhältnis des Obsiegens bzw. Unterliegens der Klägerin bzw. des Beklagten, wobei sich das Gericht an der Größe der Photovoltaikanlagen orientiert hat. Danach hat die Klägerin etwa zu einem Drittel (Anbau) Erfolg, während sie zu zwei Dritteln (Dach, Hallen 1 und 2) unterlegen ist.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat das Gericht eine Billigkeitsentscheidung zu treffen, § 162 Abs. 3 VwGO. In der Regel folgt diese der Kostenverteilung zwischen Kläger- und Beklagtenseite. Vorliegend war zu berücksichtigen, dass die Beigeladene durch eine rechtswidrige Ausführung von Baumaßnahmen durch die Anbringung von Photovoltaikanlagen auf den Hallen 1 und 2 und dem Anbau so schuldhaft zu den entstandenen Kosten beigetragen hat, dass eine Auferlegung von Kosten nach § 155 Abs. 4 VwGO in Betracht kam. Bei der Gesamtbeurteilung erschien es angemessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für nicht erstattungsfähig zu erklären, ihr aber andererseits auch nicht einen Teil der Verfahrenskosten bzw. der außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.

Die Kosten des Sachverständigen Dr. …(B) sind Teil der Gerichtskosten. Die von einem Beteiligten veranlassten Kosten für ein privat in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten sind demgegenüber in aller Regel nicht als außergerichtliche Kosten erstattungsfähig. Ausnahmsweise können die Kosten für das Sachverständigengutachten …(A) vom 18.7.2011, mit Nachtrag vom 20.5.2012, im Rahmen der außergerichtlichen Kosten mit dem Kostenfestsetzungsantrag anteilsmäßig geltend gemacht werden. Dies ist vorliegend angemessen, da sich der vom Gericht beauftragte Sachverständige Dr. …(B) im Wesentlichen auf die Darstellungen des Sachverständigen …(A) bezogen hat. Dies führte auch zu einer Reduzierung der Kosten des Sachverständigen Dr. …(B) in etwa der Höhe der Kosten für das Sachverständigengutachten (A) … Die Kosten des Sachverständigen (A) … müssen dabei nach ihrer Höhe nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) erstattungsfähig sein.

Abgesehen davon, dass die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht erstattungsfähig sind, ergibt sich demgegenüber kein Anspruch hinsichtlich der Kosten für das Gutachten …(C) vom 19.3.2015, da dieses gegenüber dem Gutachten (A) … keine weiteren Erkenntnisse gebracht hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Baugesetzbuch - BBauG | § 35 Bauen im Außenbereich


(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es1.einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Bet

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Baugesetzbuch - BBauG | § 34 Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile


(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und di

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen


(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästi

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 4 Allgemeine Wohngebiete


(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude,2. die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,3. Anlagen für kirchliche, kulture

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 58


(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende F

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 1 Allgemeine Vorschriften für Bauflächen und Baugebiete


(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als 1.Wohnbauflächen(W)2.gemischte Bauflächen(M)3.gewerbliche Bauflächen(G)4.Sonderbauflächen

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 3 Begriffsbestimmungen


(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 8 Gewerbegebiete


(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. (2) Zulässig sind1.Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder W

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 22 Pflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen


(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass 1. schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,2. nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwi

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 5 Dorfgebiete


(1) Dorfgebiete dienen der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwer

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Referenzen

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. November 2005 - 2 K 3548/03 - geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Landratsamts Ludwigsburg vom 20.1.2003 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.7.2003 verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen die Neueindeckung der nördlichen Dachseite des auf dem Flurstück-Nr. 4518/19 der Gemeinde ... gelegenen Gebäudes mit nicht blendenden Dachziegeln anzuordnen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beklagte und die Beigeladenen (gesamtschuldnerisch) jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin; ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und die Beigeladenen jeweils selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen die Beigeladenen.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.-Nr. 7004 der Gemarkung der Beklagten (... ...). Südöstlich dieses Grundstücks befindet sich auf Flst.-Nr. 4581/19 (... ...) das Grundstück der Beigeladenen. Das von den Beigeladenen abgegrabene Gelände steigt zum Grundstück der Klägerin deutlich an. Die Beigeladenen haben auf ihrem Grundstück ein Wohnhaus aufgrund einer Baugenehmigung vom 04.04.2002/27.06.2002 des Landratsamts Ludwigsburg errichtet. Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „Halden V“ vom 19.02.1998. Unter Teilziffer 1.6 der örtlichen Bauvorschriften („Dacheindeckung - Hauptgebäude“) wird vorgeschrieben: „Zulässig sind Eindeckungen mit Ziegeln oder Betondachsteinen in naturroten und rotbraunen Farbtönen … Reflektierende Materialien sind nicht zulässig …“
Schon kurz nach Fertigstellung des Daches beanstandete die Klägerin, dass von den verwendeten Dachziegeln des Typs Tegalit mit der „STAR“ Oberflächenbeschichtung der Firma ... ... bzw. der Firma ... eine erhebliche Blendwirkung ausgehe, und beantragte am 16.12.2002 beim Landratsamt Ludwigsburg ein förmliches Einschreiten gegen die Dacheindeckung der Beigeladenen.
Mit Bescheid vom 20.01.2003 lehnte das Landratsamt Ludwigsburg den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, es seien keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften verletzt, welche eine Schutzwirkung für Dritte entfalteten. Bei der möglicherweise verletzten örtlichen Bauvorschrift handle es sich gerade nicht um eine nachbarschützende Vorschrift, diese diene vielmehr alleine dem Zweck, die optische Einheitlichkeit des Baugebiets zu gewährleisten. Überdies sei ein Einschreiten gegen die Dacheindeckung der Beigeladenen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unzulässig, so dass sich für die Klägerin auch kein Anspruch aus dem Rücksichtnahmegebot nach § 15 BauNVO ergebe. Die Beeinträchtigung sei von der Klägerin hinzunehmen bzw. ihr könne durch geeignete Abwehrmaßnahmen entgegengewirkt werden. Außerdem werde die Blendwirkung mit zunehmender Verwitterung der verwendeten Dachziegel abnehmen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, den das Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheid vom 29.07.2003 als unbegründet zurückwies: Die Klägerin könne ihrerseits für einen geeigneten Schutz in Form von Vorhängen, Jalousien, Markisen oder Sonnenschirmen sorgen. Zudem seien die von den Beigeladenen verwendeten Dachziegel handelsüblich, so dass sich die hieraus ergebenden Nachteile für die Nachbarn hinzunehmen seien.
Am 29.08.2003 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass ausreichende Abwehrmaßnahmen nicht realisierbar seien. Die Blendwirkung trete bereits während des Frühjahrs auf und halte bei höherem Sonnenstand bis in den Herbst hinein an. Sie sei je nach Jahreszeit zwischen 11.00 Uhr und 15.00 Uhr für jeweils mehrere Stunden festzustellen. Sie könne sich innerhalb ihres Gebäudes der Blendwirkung nur durch das vollständige Herunterlassen der Rollläden entziehen. Im Freien müsse man sich permanent mit dem Rücken zu dem Gebäude aufhalten. Das Dach des Gebäudes der Beigeladenen liege auf Augenhöhe mit der Terrasse der Klägerin. Die Klägerin habe bereits alles Zumutbare unternommen, um selbst eine Verringerung der Blendwirkung zu erzielen. Eine Markise für die Räume im Obergeschoss sei nicht realisierbar. Im Erdgeschoss würde eine Markise die Blendwirkung nur dann verhindern, wenn der Betroffene stehe. Beim Sitzen reiche ein Markisenausfall von 2,00 m nicht aus. Auch könne diese Markise bei stärkerem Wind nicht ausgefahren werden. Die vom Landratsamt ermittelten Kosten von 25.000,-- EUR für eine Umdeckung des Daches seien zu hoch angesetzt. Für das gesamte Dach entstünden allenfalls Kosten von ca. 5.900,-- EUR. Im Übrigen gingen von der Strahlenbelastung Gesundheitsgefährdungen aus, weshalb das Ermessen der zuständigen Behörde auf Null reduziert und sie zum Eingreifen verpflichtet sei.
Die Beigeladenen haben hierauf erwidert, dass nach Angaben des Herstellers eine Umarbeitung der Dachsteine aus technischer Sicht nicht möglich sei. Die verwendeten ...-...-Dachsteine seien ausschließlich in der zur Ausführung gekommenen Oberfläche lieferbar. Eine Umdeckung sei daher nur mit anderen Dachsteinformen möglich. Diese würden in die vorhandene Dachlattung passen. Da aber sowohl die Form als auch die Oberfläche und der Firstanschluss sich vom bisherigen Dachstein unterschieden, müsste das gesamte Dach umgedeckt werden. Die Kosten hierfür betrügen laut Angebot der Firma ... ... vom 20.06.2005 7.830,-- EUR. Dieser Kostenaufwand sei ihnen nicht zumutbar. Sie seien allerdings bereit, zwei kugelförmige Laubbäume mit einer Stammhöhe von 2,50 m und einem Stammumfang von 12 bis 14 cm auf dem Grundstück der Klägerin zu pflanzen. Den dafür erforderlichen Kostenaufwand von 1.299,20 EUR würden sie übernehmen.
Mit Urteil vom 16.11.2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Einschreiten der Behörde auf der Grundlage des § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO. Ein Anspruch eines Angrenzers auf Einschreiten der Baurechtsbehörde bestehe nur, wenn das Vorhaben des Bauherrn gegen eine dem Schutz des Nachbarn dienende Vorschrift verstoße und das der Behörde eröffnete Ermessen auf Null reduziert sei. Wie bereits die Widerspruchsbehörde festgestellt habe, verstoße das Dach auf dem Gebäude der Beigeladenen nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt seien. Die vom Dach ausgehende Blendwirkung sei auch nicht zu Lasten der Klägerin unzumutbar, wobei das Gericht davon ausgehe, dass die Blendwirkung bereits während des Frühjahrs auftrete, bei höherem Sonnenstand bis in den Herbst hinein anhalte und je nach Jahreszeit zwischen 11.00 Uhr und 15.00 Uhr bei Sonnenschein für jeweils mehrere Stunden festzustellen sei. Es könne auch als wahr unterstellt werden, dass die von der Dacheindeckung ausgehende Blendwirkung für Personen, die sich auf dem Grundstück und in dem Haus der Klägerin der Blendwirkung unmittelbar und schutzlos aussetzten, gesundheitsschädigend sein könne. Für die Frage, ob die Lichteinwirkung für die Klägerin unzumutbar und deshalb wohngebietsunverträglich sei, sei von maßgeblicher Bedeutung, dass die Klägerin ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten auch unter Kostengesichtspunkten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen könne. Sie könne sich im Innenwohnbereich durch Jalousien, im Außenwohnbereich durch eine Markise, durch Einsatz eines Sonnenschirms und durch Bepflanzung mit geeigneten Bäumen schützen.
Mit ihrer vom Senat wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihr bisherigen Vorbringen.
10 
Die Klägerin beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16.11.2005 - 2 K 3548/03 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Ludwigsburg vom 20.01.2003 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.07.2003 zu verpflichten, den Beigeladenen die Neueindeckung der nördlichen Dachseite des auf dem Flurstück-Nr. 4518/19 der Gemeinde ... gelegenen Gebäudes mit nicht blendenden Dachziegeln aufzugeben,
12 
hilfsweise über ein Einschreiten gegen die Beigeladenen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend. Es fehle schon am Merkmal der materiellen Rechtswidrigkeit, denn die verwendeten Betondachsteine Typ Tegalit mit „STAR“ Oberflächenbeschichtung der Firma ... ... seien keine reflektierenden Materialien. Zudem sei die Festsetzung, die reflektierende Dachflächen verbiete, jedenfalls nicht nachbarschützend. Nachbarschutz könne daher nur in Betracht kommen, wenn das Rücksichtnahmegebot verletzt sei oder wenn die allgemeine Gefahrenabwehrklausel des § 3 LBO greife. Mit dem Verwaltungsgericht könnten diese Voraussetzungen indessen nicht bejaht werden.
16 
Die Beigeladenen beantragen,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Der Senat hat die Grundstücke der Klägerin, der Beigeladenen und die nähere Umgebung in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die vorliegenden Akten verwiesen. Dem Gericht liegen die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 2 K 3548/03 -, die Akten des Parallelverfahrens - 3 S 1655/06 -, die Behördenakten des Landratsamts Ludwigsburg und des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie die das Baugesuch der Beigeladenen betreffenden Bauakten und die Akten des Bebauungsplans „Halden V“ der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte der mit dem Hauptantrag verfolgten Verpflichtungsklage stattgeben müssen. Denn die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf baupolizeiliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen.
21 
Wie das Verwaltungsgericht bereits festgestellt hat, richtet sich die Klage aufgrund der Bekanntmachung des Regierungspräsidiums Stuttgart über die Zuständigkeit der Gemeinde Remseck am Neckar, Landkreis Ludwigsburg, als untere Baurechtsbehörde (vgl. GBl. 2003, S. 267) gegen die Beklagte im Wege gesetzlichen Parteiwechsels (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 02.11.1973 - IV C 55.70 - BVerwGE 44, 148, 150). Dieser Parteiwechsel kraft Gesetzes auf Beklagtenseite ist von Amts wegen zu berücksichtigen und stellt keine Klageänderung dar. Folgerichtig hat sich die Beklagte im Klage- und Berufungsverfahren auch durch Abgabe von Schriftsätzen und Antragstellung geäußert.
22 
Rechtsgrundlage für das von der Klägerin begehrte Einschreiten der Beklagten gegen die Beigeladenen ist § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO. Danach kann die Baurechtsbehörde den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Ein Nachbar hat grundsätzlich lediglich einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung der Behörde. Ein Anspruch auf Einschreiten besteht nur, wenn das Vorhaben des Bauherrn gegen eine dem Schutz des Nachbar dienende Vorschrift verstößt und das der Behörde eröffnete Ermessen auf Null reduziert ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.02.1993 - 8 S 1594/92 -, VBlBW 1993, 431, ). Zu diesen öffentlich-rechtlichen nachbarschützenden Vorschriften gehört auch das Gebot der Rücksichtnahme in seiner drittschützenden Funktion. Ein derartiger Verstoß ist aus den nachfolgenden Erwägungen vorliegend zu bejahen.
23 
Das Vorhaben der Beigeladenen ist im Hinblick auf die Dacheindeckung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die formelle Rechtswidrigkeit ergibt sich daraus, dass mit der Baugenehmigung die von den Beigeladenen konkret gewählte Art der Dachziegel nicht genehmigt wurde. Die Baugenehmigung enthält vielmehr die Auflage, dass das Dach „entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans mit Ziegeln oder Betondachsteinen in naturroten oder rotbraunen Farbtönen“ auszuführen ist. Daraus folgt, dass diese Eindeckung auch im Übrigen mit den Vorgaben des Bebauungsplans übereinstimmen muss, mithin die Eindeckung nicht aus „reflektierenden Materialien“ bestehen darf. Materiell-rechtlich verstößt die gewählte Dacheindeckung dem-entsprechend gegen die örtliche Bauvorschrift Teilziff. 1.6, wonach für die Dacheindeckung reflektierende Materialien nicht zulässig sind. Bei den im vorliegenden Fall verwendeten Dachziegeln des Typs Tegalit „STAR“ handelt es sich aufgrund ihrer Oberflächenbeschichtung der Firma ... ... bzw. der Firma ... um ein solch reflektierendes Material, wovon sich der Senat bei der Einnahme des Augenscheins trotz größtenteils bedeckten Himmels überzeugen konnte. Dabei ist nicht entscheidend, dass die Ziegel an sich nicht glänzen, vielmehr nur bei Sonneneinwirkung die Strahlung zurückwerfen, denn das „Zurückstrahlen von Licht“ ist definitionsgemäß gleichbedeutend mit „Reflexion“.
24 
Schon bei der Baukontrolle durch das Landratsamt Ludwigsburg wurde festgestellt und in einem Aktenvermerk festgehalten, dass das Dach der Beigeladenen mit lasierten Dachziegeln eingedeckt ist und die Klägerin durch die verwendeten Dachziegeln sehr geblendet wird. Auch das Regierungspräsidium Stuttgart und gleichfalls das Verwaltungsgericht Stuttgart haben jeweils bei ihrer Inaugenscheinnahme der Dacheindeckung die Blendwirkung bestätigt. Mittlerweile ist zwar aufgrund von Witterungseinflüssen eine gewisse Verschmutzung der Dachziegel festzustellen, indessen wird dadurch die Blendwirkung bei Sonneneinstrahlung kaum verringert. Diese ist nach wie vor erheblich. Der Senat hat sich beim Augenschein davon überzeugen können, dass bei starker Sonneneinstrahlung die Blendwirkung „gewissermaßen gleißend“ auftritt.
25 
Verstößt danach die Eindeckung des Daches mit reflektierenden Dachziegeln gegen die örtliche Bauvorschrift, so begründet dies zwar nur dann einen Anspruch der Klägerin auf baupolizeiliches Einschreiten, wenn diese Vorschrift auch dem Schutze des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, wofür vorliegend indessen keine Anhaltspunkte bestehen. Jedoch verstößt die Eindeckung des Daches wegen der Beschichtung der Ziegel und den besonderen Umständen des Falles darüber hinaus gegen das Rücksichtnahmegebot in seiner zugunsten der Klägerin bestehenden nachbarschützenden Ausprägung. Ob eine bestimmte Nutzung dem - sich vorliegend aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebenden Rücksichtnahmegebot - widerspricht, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, DVBl 1994, 697, ).
26 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich nach dem Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz vor Lärm oder Gerüchen, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude und Hecken oder Rankgerüsten in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies folgt auch daraus, dass Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17.03.1999 - 4 B 14.99 - ). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und sind die dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls.
27 
Gemessen daran ist es vorliegend der Klägerin nicht zuzumuten, sich im Außenbereich durch geeignete Abschirmmaßnahmen, insbesondere mittels einer Bepflanzung ihres Grundstücks, gegen die vom Dach der Beigeladenen ausgehenden Lichtimmissionen zu schützen.
28 
Die konkreten Umstände des Einzelfalles weisen aufgrund der kleinräumigen Verhältnisse vorliegend Besonderheiten auf, die dazu führen, dass zumutbare Abschirmmaßnahmen nicht in Betracht kommen. Der Abstand zwischen der südlichen Hauswand der Klägerin und der Grenze zum Nachbargrundstück der Beigeladenen beträgt lediglich etwa 7 m. In diesem engen Bereich befindet sich zudem die nach Süden ausgerichtete Terrasse der Klägerin. Als weitere Besonderheit kommt vorliegend hinzu, dass das Wohnhaus der Beigeladenen und damit auch die reflektierende Dachfläche aufgrund der vorgenommenen Abgrabungen ca. 2,10 m tiefer liegt, so dass die Blendwirkung des Daches auf Augenhöhe auf den Terrassenbereich der Klägerin einwirkt. Wollte sich die Klägerin gegen das seitlich einfallende blendende Licht wirksam abschirmen, müsste sie durchgehend eine Hecke von 4 bis 5 m Höhe pflanzen. Damit wäre aber jegliche Aussicht nach Süden in die Ebene genommen. Überdies würde der schon an sich sehr kleine südliche Freibereich nochmals verkleinert und erheblich verschattet. Dies kann von der Klägerin nicht als „ortsüblich“ und „sozialadäquat“ verlangt werden, auch wenn das Nachbargrundstück mit einer ähnlich hohen Hecke versehen ist und die Klägerin selbst ihr eigenes Grundstück seitlich auf der Westseite, von wo sie keine Blendwirkung zu erwarten hat, gleichfalls mit einem Strauch bepflanzt hat, der eine Höhe von 4 bis 5 m aufweist. Auch eine Markise ist nicht geeignet, die einwirkenden Lichtimmissionen wirksam abzuschirmen. Wie der Senat beim Augenschein festgestellt hat, bleibt die Blendwirkung überwiegend beim Sitzen auf der Terrasse auch dann bestehen, wenn die Markise voll ausgefahren und bis auf minimale Durchgangshöhe abgesenkt wird. Das Aufstellen eines zusätzlichen Sonnenschirms gegen diese seitlichen Lichteinwirkungen ist indessen der Klägerin nicht zuzumuten, käme es doch einem völligen „Einmauern“ gleich. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen demgegenüber weniger schutzwürdig sind, denn sie haben ihr Dach baurechtswidrig mit reflektierendem Material eingedeckt. Auch wenn sie dies nicht vorsätzlich veranlasst haben, weil ihnen zum Einen das von der Baufirma verwendete Material nicht bekannt war und sie zum Anderen den Dachziegeln die Blendwirkung nach dem ersten äußeren Anschein nicht ansehen konnten, mindert dieser Umstand deutlich ihre Schutzwürdigkeit, denn sie haben die Ursache für die Beeinträchtigungen der Nachbarn gesetzt und sind mit anderen Worten die baupolizeilichen Verhaltens- und Zustandsstörer. Hingegen kann von der Klägerin billigerweise nicht verlangt werden, ihr Grundstück nach Süden hin vollständig mit einer Hecke in entsprechender Höhe abzuschirmen oder anderweitig zu schützen, es dadurch weiter zu verkleinern und sich zudem noch die letzte Aussicht nach Süden zu verbauen sowie den Lichteinfall erheblich einzuschränken. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass nach § 12 Abs. 1 des Nachbarrechtsgesetzes - NRG - mit einem Abstand von 50 cm zur Grenze der Beigeladenen hin lediglich eine Hecke mit einer Höhe von 1,80 m zulässig ist und die Klägerin deshalb mit Ansprüchen auf Rückschnitt dieser Hecke nach § 12 Abs. 2 und 3 NRG seitens der Beigeladenen bzw. evtl. Rechtsnachfolger rechnen muss.
29 
Liegt danach ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung vor, so ist die Beklagte auch verpflichtet, den Beigeladenen die begehrte Teilumdeckung aufzugeben. Denn das ihr nach § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO eingeräumte Ermessen ist im vorliegenden Fall auf Null reduziert, da es keine Möglichkeit anderweitiger Beseitigung der baurechtswidrigen Blendwirkung gibt. Ein Anstrich oder eine Neubeschichtung, wie zunächst erwogen, kommt nicht in Betracht, wie dem Schreiben der Firma ... ... vom 14.10.2002 zu entnehmen ist. Diese verweist auf eine Information des Herstellers der Dachziegel, der Firma ... ..., wonach eine nachträgliche Reduzierung der Glanzwirkung durch eine Nachbehandlung nicht möglich ist und sich eine Neubeschichtung nicht dauerhaft mit der Oberfläche verbinden wird. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Eine Bepflanzung auf dem Grundstück der Beigeladenen selbst scheidet aus topografischen Gründen und dem geringen Grenzabstand ihres Hauses gleichfalls aus. Der Beigeladene hat hierzu in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, auf der Nordseite seines Wohnhauses sei nicht genügend Erde vorhanden, sodass ausreichend hohe Heckenpflanzen dort nicht anwachsen und gedeihen könnten. Die Verpflichtung zur Teilumdeckung des Daches scheitert auch nicht daran, dass diese Teilumdeckung wohl nicht möglich ist, vielmehr nur eine vollkommene Neueindeckung in Betracht kommen dürfte, denn dies ist letztlich eine Frage der Umsetzung. Kann der Verpflichtung zur Teilumdeckung nur dadurch nachgekommen werden, dass das Dach vollkommen neu eingedeckt wird, dann haben die Beigeladenen die komplette Neueindeckung zu veranlassen. Die dafür entstehenden Kosten von 7.830,-- EUR die nach dem Schreiben der Firma ... ... vom 20.06.2005 voraussichtlich entstehen werden, bewegen sich in einem überschaubaren Rahmen. Sie berücksichtigen eine Umdeckung des gesamten Daches, weisen Zuschläge für First und Schneidearbeiten etc. aus und enthalten die Kosten für das Gerüst sowie für die Entsorgung der bisherigen Dachsteine. Angesichts dessen, dass die Beigeladenen als Störer die Ursache für die erhebliche Beeinträchtigung der Klägerin gesetzt haben, sind ihnen diese Kosten - selbst wenn Kostensteigerungen mit einkalkuliert werden - noch zumutbar.
30 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 und 2 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.
31 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte der mit dem Hauptantrag verfolgten Verpflichtungsklage stattgeben müssen. Denn die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf baupolizeiliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen.
21 
Wie das Verwaltungsgericht bereits festgestellt hat, richtet sich die Klage aufgrund der Bekanntmachung des Regierungspräsidiums Stuttgart über die Zuständigkeit der Gemeinde Remseck am Neckar, Landkreis Ludwigsburg, als untere Baurechtsbehörde (vgl. GBl. 2003, S. 267) gegen die Beklagte im Wege gesetzlichen Parteiwechsels (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 02.11.1973 - IV C 55.70 - BVerwGE 44, 148, 150). Dieser Parteiwechsel kraft Gesetzes auf Beklagtenseite ist von Amts wegen zu berücksichtigen und stellt keine Klageänderung dar. Folgerichtig hat sich die Beklagte im Klage- und Berufungsverfahren auch durch Abgabe von Schriftsätzen und Antragstellung geäußert.
22 
Rechtsgrundlage für das von der Klägerin begehrte Einschreiten der Beklagten gegen die Beigeladenen ist § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO. Danach kann die Baurechtsbehörde den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Ein Nachbar hat grundsätzlich lediglich einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung der Behörde. Ein Anspruch auf Einschreiten besteht nur, wenn das Vorhaben des Bauherrn gegen eine dem Schutz des Nachbar dienende Vorschrift verstößt und das der Behörde eröffnete Ermessen auf Null reduziert ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.02.1993 - 8 S 1594/92 -, VBlBW 1993, 431, ). Zu diesen öffentlich-rechtlichen nachbarschützenden Vorschriften gehört auch das Gebot der Rücksichtnahme in seiner drittschützenden Funktion. Ein derartiger Verstoß ist aus den nachfolgenden Erwägungen vorliegend zu bejahen.
23 
Das Vorhaben der Beigeladenen ist im Hinblick auf die Dacheindeckung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die formelle Rechtswidrigkeit ergibt sich daraus, dass mit der Baugenehmigung die von den Beigeladenen konkret gewählte Art der Dachziegel nicht genehmigt wurde. Die Baugenehmigung enthält vielmehr die Auflage, dass das Dach „entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans mit Ziegeln oder Betondachsteinen in naturroten oder rotbraunen Farbtönen“ auszuführen ist. Daraus folgt, dass diese Eindeckung auch im Übrigen mit den Vorgaben des Bebauungsplans übereinstimmen muss, mithin die Eindeckung nicht aus „reflektierenden Materialien“ bestehen darf. Materiell-rechtlich verstößt die gewählte Dacheindeckung dem-entsprechend gegen die örtliche Bauvorschrift Teilziff. 1.6, wonach für die Dacheindeckung reflektierende Materialien nicht zulässig sind. Bei den im vorliegenden Fall verwendeten Dachziegeln des Typs Tegalit „STAR“ handelt es sich aufgrund ihrer Oberflächenbeschichtung der Firma ... ... bzw. der Firma ... um ein solch reflektierendes Material, wovon sich der Senat bei der Einnahme des Augenscheins trotz größtenteils bedeckten Himmels überzeugen konnte. Dabei ist nicht entscheidend, dass die Ziegel an sich nicht glänzen, vielmehr nur bei Sonneneinwirkung die Strahlung zurückwerfen, denn das „Zurückstrahlen von Licht“ ist definitionsgemäß gleichbedeutend mit „Reflexion“.
24 
Schon bei der Baukontrolle durch das Landratsamt Ludwigsburg wurde festgestellt und in einem Aktenvermerk festgehalten, dass das Dach der Beigeladenen mit lasierten Dachziegeln eingedeckt ist und die Klägerin durch die verwendeten Dachziegeln sehr geblendet wird. Auch das Regierungspräsidium Stuttgart und gleichfalls das Verwaltungsgericht Stuttgart haben jeweils bei ihrer Inaugenscheinnahme der Dacheindeckung die Blendwirkung bestätigt. Mittlerweile ist zwar aufgrund von Witterungseinflüssen eine gewisse Verschmutzung der Dachziegel festzustellen, indessen wird dadurch die Blendwirkung bei Sonneneinstrahlung kaum verringert. Diese ist nach wie vor erheblich. Der Senat hat sich beim Augenschein davon überzeugen können, dass bei starker Sonneneinstrahlung die Blendwirkung „gewissermaßen gleißend“ auftritt.
25 
Verstößt danach die Eindeckung des Daches mit reflektierenden Dachziegeln gegen die örtliche Bauvorschrift, so begründet dies zwar nur dann einen Anspruch der Klägerin auf baupolizeiliches Einschreiten, wenn diese Vorschrift auch dem Schutze des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, wofür vorliegend indessen keine Anhaltspunkte bestehen. Jedoch verstößt die Eindeckung des Daches wegen der Beschichtung der Ziegel und den besonderen Umständen des Falles darüber hinaus gegen das Rücksichtnahmegebot in seiner zugunsten der Klägerin bestehenden nachbarschützenden Ausprägung. Ob eine bestimmte Nutzung dem - sich vorliegend aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebenden Rücksichtnahmegebot - widerspricht, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, DVBl 1994, 697, ).
26 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich nach dem Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz vor Lärm oder Gerüchen, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude und Hecken oder Rankgerüsten in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies folgt auch daraus, dass Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17.03.1999 - 4 B 14.99 - ). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und sind die dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls.
27 
Gemessen daran ist es vorliegend der Klägerin nicht zuzumuten, sich im Außenbereich durch geeignete Abschirmmaßnahmen, insbesondere mittels einer Bepflanzung ihres Grundstücks, gegen die vom Dach der Beigeladenen ausgehenden Lichtimmissionen zu schützen.
28 
Die konkreten Umstände des Einzelfalles weisen aufgrund der kleinräumigen Verhältnisse vorliegend Besonderheiten auf, die dazu führen, dass zumutbare Abschirmmaßnahmen nicht in Betracht kommen. Der Abstand zwischen der südlichen Hauswand der Klägerin und der Grenze zum Nachbargrundstück der Beigeladenen beträgt lediglich etwa 7 m. In diesem engen Bereich befindet sich zudem die nach Süden ausgerichtete Terrasse der Klägerin. Als weitere Besonderheit kommt vorliegend hinzu, dass das Wohnhaus der Beigeladenen und damit auch die reflektierende Dachfläche aufgrund der vorgenommenen Abgrabungen ca. 2,10 m tiefer liegt, so dass die Blendwirkung des Daches auf Augenhöhe auf den Terrassenbereich der Klägerin einwirkt. Wollte sich die Klägerin gegen das seitlich einfallende blendende Licht wirksam abschirmen, müsste sie durchgehend eine Hecke von 4 bis 5 m Höhe pflanzen. Damit wäre aber jegliche Aussicht nach Süden in die Ebene genommen. Überdies würde der schon an sich sehr kleine südliche Freibereich nochmals verkleinert und erheblich verschattet. Dies kann von der Klägerin nicht als „ortsüblich“ und „sozialadäquat“ verlangt werden, auch wenn das Nachbargrundstück mit einer ähnlich hohen Hecke versehen ist und die Klägerin selbst ihr eigenes Grundstück seitlich auf der Westseite, von wo sie keine Blendwirkung zu erwarten hat, gleichfalls mit einem Strauch bepflanzt hat, der eine Höhe von 4 bis 5 m aufweist. Auch eine Markise ist nicht geeignet, die einwirkenden Lichtimmissionen wirksam abzuschirmen. Wie der Senat beim Augenschein festgestellt hat, bleibt die Blendwirkung überwiegend beim Sitzen auf der Terrasse auch dann bestehen, wenn die Markise voll ausgefahren und bis auf minimale Durchgangshöhe abgesenkt wird. Das Aufstellen eines zusätzlichen Sonnenschirms gegen diese seitlichen Lichteinwirkungen ist indessen der Klägerin nicht zuzumuten, käme es doch einem völligen „Einmauern“ gleich. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen demgegenüber weniger schutzwürdig sind, denn sie haben ihr Dach baurechtswidrig mit reflektierendem Material eingedeckt. Auch wenn sie dies nicht vorsätzlich veranlasst haben, weil ihnen zum Einen das von der Baufirma verwendete Material nicht bekannt war und sie zum Anderen den Dachziegeln die Blendwirkung nach dem ersten äußeren Anschein nicht ansehen konnten, mindert dieser Umstand deutlich ihre Schutzwürdigkeit, denn sie haben die Ursache für die Beeinträchtigungen der Nachbarn gesetzt und sind mit anderen Worten die baupolizeilichen Verhaltens- und Zustandsstörer. Hingegen kann von der Klägerin billigerweise nicht verlangt werden, ihr Grundstück nach Süden hin vollständig mit einer Hecke in entsprechender Höhe abzuschirmen oder anderweitig zu schützen, es dadurch weiter zu verkleinern und sich zudem noch die letzte Aussicht nach Süden zu verbauen sowie den Lichteinfall erheblich einzuschränken. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass nach § 12 Abs. 1 des Nachbarrechtsgesetzes - NRG - mit einem Abstand von 50 cm zur Grenze der Beigeladenen hin lediglich eine Hecke mit einer Höhe von 1,80 m zulässig ist und die Klägerin deshalb mit Ansprüchen auf Rückschnitt dieser Hecke nach § 12 Abs. 2 und 3 NRG seitens der Beigeladenen bzw. evtl. Rechtsnachfolger rechnen muss.
29 
Liegt danach ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung vor, so ist die Beklagte auch verpflichtet, den Beigeladenen die begehrte Teilumdeckung aufzugeben. Denn das ihr nach § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO eingeräumte Ermessen ist im vorliegenden Fall auf Null reduziert, da es keine Möglichkeit anderweitiger Beseitigung der baurechtswidrigen Blendwirkung gibt. Ein Anstrich oder eine Neubeschichtung, wie zunächst erwogen, kommt nicht in Betracht, wie dem Schreiben der Firma ... ... vom 14.10.2002 zu entnehmen ist. Diese verweist auf eine Information des Herstellers der Dachziegel, der Firma ... ..., wonach eine nachträgliche Reduzierung der Glanzwirkung durch eine Nachbehandlung nicht möglich ist und sich eine Neubeschichtung nicht dauerhaft mit der Oberfläche verbinden wird. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Eine Bepflanzung auf dem Grundstück der Beigeladenen selbst scheidet aus topografischen Gründen und dem geringen Grenzabstand ihres Hauses gleichfalls aus. Der Beigeladene hat hierzu in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, auf der Nordseite seines Wohnhauses sei nicht genügend Erde vorhanden, sodass ausreichend hohe Heckenpflanzen dort nicht anwachsen und gedeihen könnten. Die Verpflichtung zur Teilumdeckung des Daches scheitert auch nicht daran, dass diese Teilumdeckung wohl nicht möglich ist, vielmehr nur eine vollkommene Neueindeckung in Betracht kommen dürfte, denn dies ist letztlich eine Frage der Umsetzung. Kann der Verpflichtung zur Teilumdeckung nur dadurch nachgekommen werden, dass das Dach vollkommen neu eingedeckt wird, dann haben die Beigeladenen die komplette Neueindeckung zu veranlassen. Die dafür entstehenden Kosten von 7.830,-- EUR die nach dem Schreiben der Firma ... ... vom 20.06.2005 voraussichtlich entstehen werden, bewegen sich in einem überschaubaren Rahmen. Sie berücksichtigen eine Umdeckung des gesamten Daches, weisen Zuschläge für First und Schneidearbeiten etc. aus und enthalten die Kosten für das Gerüst sowie für die Entsorgung der bisherigen Dachsteine. Angesichts dessen, dass die Beigeladenen als Störer die Ursache für die erhebliche Beeinträchtigung der Klägerin gesetzt haben, sind ihnen diese Kosten - selbst wenn Kostensteigerungen mit einkalkuliert werden - noch zumutbar.
30 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 und 2 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.
31 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Der 1957 geborene Kläger stand seit dem 1. Oktober 1989 als Berufssoldat im Dienst der Beklagten. Zuletzt war er mit Wirkung vom 1. Dezember 1995 zum Hauptmann befördert und mit Wirkung zum 1. April 2004 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 BBesO eingewiesen worden. Nach Überschreiten der besonderen Altersgrenze für Hauptleute setzte ihn die Beklagte mit Wirkung vom 31. Oktober 2012 zur Ruhe. Gegen diese Verfügung hat der Kläger Beschwerde eingelegt und Anfang März 2015 beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben.

3

Seit Mitte Juni 2003 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand war der Kläger als Mitglied des Personalrats vom militärischen Dienst freigestellt. Anlässlich der Freistellung wurde die zum 31. März 2004 für den Kläger zu erstellende Regelbeurteilung auf den 18. Dezember 2003 vorgezogen. Zum Stichtag 1. Oktober 2004 bildete das Personalamt der Bundeswehr eine Referenzgruppe, in die sämtliche Offiziere aufgenommen wurden, die der gleichen Ausbildungs- und Verwendungsreihe angehörten und im selben Jahr wie der Kläger auf einen mit A 12 BBesO besoldeten Dienstposten versetzt worden waren. In dieser Referenzgruppe mit zehn Mitgliedern erhielt der Kläger den ersten Rangplatz.

4

Mit Schreiben vom 28. September 2010 beantragte der Kläger seine fiktive Versetzung auf einen A 13g-Dienstposten. Diesen Antrag lehnte das Personalamt der Bundeswehr mit Bescheid vom 4. April 2012 ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers wies das Bundesministerium der Verteidigung als unzulässig zurück. Im Verfahren vor dem Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 1 WB 27.13) hat der Kläger beantragt, (1.) seinem Antrag auf fiktive Versetzung auf einen nach Besoldungsgruppe A 13g bewerteten Dienstposten vom 28. September 2010 zu entsprechen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf fiktive Versetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden sowie (2.) festzustellen, dass er bereits am 13. Juni 2003, hilfsweise zu einem späteren Zeitpunkt bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Wehrdienstsenats, äußerst hilfsweise bis zu seinem bisherigen Dienstzeitende auf einen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 13g BBesO zu versetzen war. Der Wehrdienstsenat hat den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 25. Juni 2015 als unzulässig verworfen. Hinsichtlich des ersten Antrags sei mit der Versetzung des Klägers in den Ruhestand Erledigung eingetreten. In Bezug auf den Feststellungsantrag fehle dem Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse.

5

Gleichfalls mit Schreiben vom 28. September 2010 beantragte der Kläger die Beförderung zum Stabshauptmann und Schadloshaltung für den Fall, dass er bereits hätte befördert werden können. Im September 2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihn zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum Stabshauptmann, besoldet nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO, zu befördern und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO einzuweisen sowie die Beklagte zu verpflichten, ihn im Wege des Schadensersatzes vergütungs-, versorgungs- und dienstrechtlich so zu stellen, als wäre er zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmals ein schlechter als er beurteilter Hauptmann nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO befördert worden ist, zum Stabshauptmann befördert worden. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, den Kläger im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als sei er am 1. Januar 2006 auf einem nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO dotierten Dienstposten zum Stabshauptmann befördert worden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Klage auf Beförderung und Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Eine Beförderung setze ein aktives Dienstverhältnis voraus; der Kläger befinde sich aber bereits im Ruhestand. Die Klage auf Schadenersatz sei als Untätigkeitsklage zulässig. Die Klage sei aber unbegründet, weil die Beklagte den Anspruch des Klägers auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl nicht verletzt habe. Gemäß der rechtlich nicht zu beanstandenden Praxis der Bundeswehr seien freigestellte Personalratsmitglieder während eines Zeitraums von sechs Monaten nach ihrer Freistellung noch nicht innerhalb ihrer Referenzgruppe, sondern auf der Grundlage der letzten dienstlichen Beurteilung bei förderlichen Verwendungsentscheidungen der Ausbildungs- und Verwendungsreihe mit zu betrachten. Auf dieser Grundlage sei der Kläger weder anlässlich der Beförderung von Hauptmann S. zum Stabshauptmann, noch im Zuge der Nachbesetzung des Dienstpostens durch Hauptmann B., der Besetzung der vor dem Oberverwaltungsgericht erstmals offen gelegten Dienstposten für Stabshauptleute und den sonst vom Kläger genannten Dienstposten fiktiv auf einen höher dotierten Dienstposten zu versetzen gewesen. Auch die Betrachtung des Klägers innerhalb der Referenzgruppe sei nicht zu beanstanden. Gegen die Bildung der Referenzgruppe bestünden keine Einwände. Der Kläger sei auch nicht deshalb zu befördern gewesen, weil Mitglieder nach vorgenommenem Laufbahnwechsel befördert worden seien. Schließlich sei auch nicht von sog. Zahlfällen auszugehen.

7

2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>).

8

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie wendet sich vielmehr in der Art eines zulassungsfreien oder bereits zugelassenen Rechtsmittels gegen die rechtliche Argumentation des Oberverwaltungsgerichts im konkreten Fall und macht pauschal die grundsätzliche Bedeutung geltend, ohne allerdings die Frage, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, herauszuarbeiten. Die Beschwerde geht dabei von den Bestimmungen der Richtlinie des Bundesministeriums der Verteidigung für die Förderung vom Dienst freigestellter Soldatinnen und Soldaten vom 11. Juli 2002 (PSZ I 1 Az. 16-32-00/28, - im Folgenden: Richtlinie -) und der hierzu ergangenen Erläuterungen des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. August 2010 (- im Folgenden: Erläuterungen -) aus. Die Frage, ob die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und die sonstigen Vorgaben im konkreten Fall auf den vom Gericht festgestellten Sachverhalt zutreffend angewendet worden sind - hier die Handhabung der Richtlinie und der Erläuterungen -, begründet aber nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache.

9

Bei einer am Rechtsschutzbegehren des Klägers orientierten Auslegung der Beschwerdebegründung lassen sich dieser zu Gunsten des Klägers jedoch Fragen entnehmen, denen der Kläger rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst. Diese rechtfertigen die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedoch nicht.

10

a) Auf der Grundlage der Richtlinie vom 11. Juli 2002 sieht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, ob es mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist, dass das freigestellte Mitglied der Personalvertretung nach Nr. 2.2.2 der Erläuterungen erst dann einzuweisen/zu befördern ist, sobald ein nächstes (nicht freigestelltes) Mitglied der Referenzgruppe für eine Einweisung/Beförderung heran steht und soweit keine Hinderungsgründe in der freigestellten Person vorliegen. Diese Frage kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens dahingehend beantwortet werden, dass diese Vorgehensweise mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang steht (vgl. bereits BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 6 ff. und vom 27. Juni 2014 - 2 B 76.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 75 Rn. 6 ff.).

11

Nach § 51 Abs. 3 Satz 1 SBG und § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG darf die Freistellung eines Soldaten von seiner dienstlichen Tätigkeit wegen der Mitgliedschaft in der Personalvertretung nicht zu einer Beeinträchtigung seines beruflichen Werdegangs führen. Auf welche Weise der Dienstherr dies sicherstellt, ist grundsätzlich ihm überlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 - Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 15 zum Behinderungsverbot des Art. 48 Abs. 2 GG).

12

Geht man, wie die Beschwerde, von der Richtlinie und den ergänzenden Erläuterungen aus, wird der vom Dienst freigestellte Soldat durch das in Nr. 2.2.2 der Erläuterungen geregelte System in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG beim ersten tatsächlichen Beförderungsverfahren berücksichtigt, in dem er nach seinem Rangplatz hätte ausgewählt werden können. Stellte man entsprechend den Überlegungen der Beschwerde bereits auf den Zeitpunkt der Beförderung eines vor dem freigestellten Mitglied der Personalvertretung eingereihten Soldaten ab, hätte diese Verfahrensweise eine Bevorzugung des freigestellten Soldaten zur Folge. Er würde zu einem Zeitpunkt befördert, in dem er nach seinem fiktiven Leistungsstand nicht hätte ausgewählt werden können. Eine derartige Privilegierung ginge rechtlich unzulässig über das Verbot der Benachteiligung eines freigestellten Soldaten hinaus.

13

Zudem könnte die so formulierte Frage im angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Denn der Kläger steht in der für ihn gebildeten Referenzgruppe auf Rang eins. Das Oberverwaltungsgericht hat aber festgestellt, dass abgesehen von den Mitgliedern, die die Laufbahn gewechselt haben, innerhalb der Referenzgruppe, d.h. innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Soldaten derselben Ausbildungs- und Verwendungsreihe, keine Beförderungen vorgenommen wurden. Dementsprechend gab es keine Beförderungsverfahren, in den der Kläger nach seinem Rangplatz hätte ausgewählt werden können.

14

b) Wie insbesondere den Ausführungen unter 4.2 (S. 14) sowie unter 8. (S. 22; "die Betrachtung des Klägers innerhalb seiner Referenzgruppe") zu entnehmen ist, beziehen sich die Darlegungen unter 4. der Beschwerdebegründung auf die Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts zur Mitbetrachtung des Klägers bei förderlichen Verwendungsentscheidungen seiner Ausbildungs- und Verwendungsreihe auf Grundlage der letzten dienstlichen Beurteilung. Auf die unter 4.1 der Beschwerdebegründung aufgeworfenen - vermeintlich rechtsgrundsätzlichen - Fragen kommt es nicht an, weil das Oberverwaltungsgericht die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs insoweit selbständig tragend auch auf den Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB gestützt hat.

15

Ist eine Berufungsentscheidung - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Revision nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der Begründungen ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Juni 1990 - 1 B 92.90 - Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20 S. 11 f., vom 20. August 1993 - 9 B 512.93 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 320 S. 51 und vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Daran fehlt es hier, weil die insoweit ausschließlich erhobene Verfahrensrüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, unbegründet ist (s. unten 3. a).

16

c) Bei den Ausführungen der Beschwerdebegründung unter 5.3 sieht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, ob ein Soldat ein subjektives Recht auf Einhaltung der Zuweisung eines nicht teilstreitkraftspezifischen Dienstpostens zu den einzelnen Teilstreitkräften der Bundeswehr mit der Folge hat, dass keine anderweitige Besetzung erfolgen kann, solange nicht das Bundesministerium der Verteidigung sein Organisationsermessen erneut ausgeübt und z.B. einen Dienstpostenaustausch vorgenommen hat.

17

Auch diese Darlegungen vermögen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu führen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Oberverwaltungsgericht unter Würdigung aller Umstände davon ausgegangen ist, dass der Dienstposten nicht dem Heer, sondern der Teilstreitkraft Luftwaffe zugewiesen war, der zum Zeitpunkt der Nachbesetzung zwar der versetzte Hauptmann B., nicht aber der Kläger angehörte. Zudem ist in der Rechtsprechung geklärt, dass der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG erst auf der Grundlage einer im Rahmen der Organisationsgewalt zur Verfügung gestellten und für die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben gewidmeten Stelle eröffnet ist. Die organisations- und haushaltsrechtlichen Vorentscheidungen des Dienstherrn, die zur Existenz eines verfügbaren öffentlichen Amtes führen, sind nicht Gegenstand, sondern Voraussetzung der Gewährleistungen des Art. 33 Abs. 2 GG (BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14.98 - Buchholz 237.2 § 12 BlnLBG Nr. 3 S. 5; Gerichtsbescheid vom 21. September 2005 - BVerwG 2 A 5.04 - juris Rn. 21; Beschluss vom 5. November 2012 - 2 VR 1.12 - Rn. 17).

18

d) Die vorstehenden Ausführungen zu c) gelten entsprechend für die - vom Kläger in Bezug auf den Dienstposten mit der Benummerung 15416027 als rechtsgrundsätzlich bezeichnete - Frage nach "dem subjektiven Recht - eines Soldaten - auf Einhaltung der Angaben im Organisations- und Stellenplan".

19

Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei der Anforderung eines Hochschul-/Universitätsabschlusses nicht um einen Fehler in der Datenbank der Bundeswehr handelt, sondern die Beklagte bei der früheren Besetzung des Dienstpostens mit der Benummerung 15416027 tatsächlich hierauf bestanden hat. Dass die Forderung nach einem abgeschlossenen Hochschul- oder Universitätsstudium für einen Dienstposten des gehobenen Dienstes ungewöhnlich ist, ist unerheblich. Denn es ist Sache des Organisationsermessens des Dienstherrn, die Anforderungen an einen Dienstposten festzulegen. Aus Art. 33 Abs. 2 GG folgt für den Soldaten nicht der Anspruch, die Anforderungen an den konkreten Dienstposten der Einstufung in den gehobenen Dienst anzupassen und das für einen Dienstposten des gehobenen Dienstes unübliche Erfordernis eines abgeschlossenen Studiums zu streichen.

20

e) Als rechtsgrundsätzlich sieht der Kläger auch die Frage an, ob in der in Laufbahnnachzeichnungsfällen gegebenen Fallkonstellation Verwirkung überhaupt denkbar ist. Auch diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, weil sie auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne beantwortet werden kann, dass auch insoweit Verwirkung in Betracht kommt (BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 14 ff. und vom 27. Juni 2014 - 2 B 76.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 75 Rn. 10 bis 12).

21

Der Rechtsgedanke der Verwirkung als Unterfall des Grundsatzes von Treu und Glauben ist auch im öffentlichen Recht einschließlich des öffentlichen Dienstrechts anwendbar. Dieser Einwand setzt neben dem Zeitablauf voraus, dass der Inhaber eines materiellen oder prozessualen Anspruchs oder Gestaltungsrechts innerhalb eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BVerwG, Urteil vom 29. August 1996 - 2 C 23.95 - BVerwGE 102, 33 <36> = Buchholz 237.95 § 10 S-HLBG Nr. 2 S. 4 m.w.N.; Beschluss vom 29. Oktober 2008 - 2 B 22.08 - juris Rn. 4). Danach kann ein Beamter oder Soldat sowohl sein materielles Recht auf Überprüfung und gegebenenfalls Änderung seiner dienstlichen Beurteilung als auch das prozessuale Klagerecht (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67 - BVerfGE 32, 305 <308 ff.>; BVerwG, Urteil vom 13. November 1975 - 2 C 16.72 - BVerwGE 49, 351 <358> = Buchholz 237.1 Art. 118 BayBG Nr. 1 S. 5) oder auch seinen Anspruch auf Zahlung einer jährlichen Sonderzuwendung verwirken (BVerwG, Urteil vom 13. November 2008 - 2 C 11.07 - Buchholz 449.4 § 30 SVG Nr. 1 Rn. 21 ff.).

22

Diese Grundsätze gelten auch für einen freigestellten Soldaten, der trotz Erläuterung der für sein berufliches Fortkommen maßgeblichen Referenzgruppe erst nach Ablauf von mehreren Jahren geltend macht, diese Referenzgruppe sei verspätet sowie in personeller Hinsicht bereits im Grundsatz und in der Reihung fehlerhaft gebildet worden. Die Frage, ob die Grundsätze im konkreten Einzelfall zutreffend angewendet worden sind, begründet nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache.

23

f) Die Ausführungen unter 8.2 bis 8.5 der Beschwerdebegründung (S. 25 bis 30) beziehen sich auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Bildung der Referenzgruppe zum 1. Oktober 2004. Seine rechtliche Schlussfolgerung, die Bildung dieser Referenzgruppe sei nicht zu beanstanden, hat das Berufungsgericht auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt (UA S. 24 bis 26). In Bezug auf den insoweit selbstständig tragenden Aspekt der Verwirkung greift keine Rüge durch. Deshalb kann das Vorbringen in der Beschwerdebegründung zu den sonstigen Aspekten der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Referenzgruppe nicht zur Zulassung der Revision führen.

24

g) Die unter 9. der Beschwerdebegründung der Sache nach als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob ein freigestelltes Personalratsmitglied nach dem Referenzgruppenmodell zu befördern ist, wenn Mitglieder seiner Referenzgruppe nach einem Laufbahnwechsel zum Major im Truppendienst befördert worden sind, rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht. Denn diese Frage lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne des Urteils des Oberverwaltungsgerichts beantworten (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 74 Rn. 18 ff.).

25

Beim militärfachlichen Dienst sowie dem Truppendienst handelt es sich um unterschiedliche Laufbahnen innerhalb der Laufbahngruppe der Offiziere (Anlage zu § 3 SLV). Die Beförderung zum Major nach einem Laufbahnwechsel vom Truppendienst setzt auch die erfolgreiche Teilnahme an einem Stabsoffizierlehrgang voraus (§ 25 Abs. 2 SLV). Von dieser Anforderung kann der Kläger nicht allein deshalb befreit werden, weil er als Personalratsmitglied von der Erfüllung seiner militärischen Dienstpflichten freigestellt ist (BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 2001 - 1 WB 24.01 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 26 S. 14). Eine solche Befreiung bedeutete eine Begünstigung eines freigestellten Personalratsmitglieds, die mit dem schlichten Benachteiligungsverbot (§ 51 Abs. 3 Satz 1 SBG und § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG) nicht in Einklang stünde.

26

Zudem hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Kläger in Bezug auf einen grundsätzlich möglichen Laufbahnwechsel nicht den hierfür erforderlichen Antrag gestellt hat.

27

h) Aufgrund des Benachteiligungsverbots hat der Dienstherr dem Personalratsmitglied eine berufliche Entwicklung zukommen zu lassen, wie sie ohne Freistellung verlaufen wäre. Wie dieser Grundsatz im Einzelnen zu verwirklichen ist, liegt im Ermessen des Dienstherrn (BVerwG, Urteile vom 10. April 1997 - 2 C 38.95 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 16 S. 35 und vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 - Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 15). Das von der Beklagten hierfür gewählte Referenzgruppenmodell ist grundsätzlich geeignet, der Zielsetzung des Behinderungsverbots Rechnung zu tragen, weil es eine Fortentwicklung der Leistung entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Soldaten unterstellt (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 74 Rn. 23). Die erforderliche Größe der für ein freigestelltes Personalratsmitglied gebildeten Referenzgruppe ist aber eine Frage des Einzelfalls und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

28

i) Auch die Ausführungen unter 11. der Beschwerdebegründung zur Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Referenzgruppe sich für eine Nachzeichnung nicht mehr eignet, weil die den Anknüpfungstatbestand bildenden dienstlichen Beurteilungen der freigestellten Person nicht mehr hinreichend aktuell sind, führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

29

Der Dienstherr ist gehindert, vom Dienst freigestellte Personalratsmitglieder für die Zeit der Freistellung dienstlich zu beurteilen. Mangels aktueller dienstlicher Beurteilungen kann der Dienstherr den beruflichen Werdegang des Personalratsmitglieds fiktiv nachzeichnen. Hierbei kann er auch dem Gesichtspunkt einer zu erwartenden Leistungssteigerung im Rahmen des Vertretbaren Rechnung tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 C 38.95 - Buchholz 236.1 § 3 Nr. 16 S. 35). Die fiktive Fortschreibung fingiert nicht nur eine tatsächlich im Beurteilungszeitraum nicht erbrachte Dienstleistung, sie unterstellt auch eine Fortentwicklung der Leistungen des Soldaten entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Soldaten. Damit prognostiziert sie, wie der Soldat voraussichtlich zu beurteilen wäre, wäre er im maßgeblichen Zeitraum nicht freigestellt und hätten sich seine Leistungen wie die vergleichbarer Soldaten fortentwickelt.

30

Stellt die fiktive Fortschreibung hiernach als in mehreren Punkten hypothetische Vergleichsbetrachtung eine bloße Prognose dar, so setzt sie eine belastbare Tatsachengrundlage voraus. Aus diesem Erfordernis ergeben sich die Grenzen der Nachzeichnungsmöglichkeit: Lässt sich eine belastbare Prognose nicht treffen, kann von einer Beurteilung tatsächlicher Leistungen als Grundlage einer dem Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werdenden Auswahlentscheidung nicht abgesehen werden. Denn eine fiktive Fortschreibung ohne belastbare Tatsachengrundlage ist einer auf der Grundlage tatsächlicher Leistungen erstellten Beurteilung nicht mehr vergleichbar. Sie kann daher dem einheitliche Bewertungsmaßstäbe voraussetzenden Leistungsgrundsatz in einem Auswahlverfahren nicht mehr genügen. Eine nicht auf zureichender tatsächlicher Grundlage beruhende fiktive Fortschreibung einer vergangenen Beurteilung ermöglicht keinen Vergleich mit einem konkurrierenden Bewerber, der in seinen aktuellen Leistungen beurteilt wird.

31

Die Verlässlichkeit einer Prognose über die voraussichtliche Leistungsentwicklung eines freigestellten Beamten ist umso höher, je länger und je qualifizierter dieser vor der Freistellung dienstliche Aufgaben erledigt hat, je kürzer dies zurückliegt und je eher diese Aufgaben mit denjenigen des angestrebten Beförderungsamtes oder -dienstpostens vergleichbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - BVerwGE 126, 133 <338 f.>). Hiernach ist die tatsächliche Möglichkeit einer belastbaren Prognose auch von der Dauer des Zeitraumes abhängig, der zwischen der letzten beurteilten Dienstleistung und dem Beurteilungszeitraum liegt, für den die fiktive Fortschreibung erfolgen soll. Ab welcher Zeitspanne zwischen der letzten beurteilten Dienstleistung und dem Stichtag die tatsächlichen Erkenntnisse eine Prognose über die Leistungsentwicklung nicht mehr tragen können, ist eine Frage des Einzelfalles und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 - Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 10 f.).

32

j) Auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Antrag auf Beweiserhebung als bloßer Ausforschungsbeweis zu bewerten ist, begründet nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese Frage ist in der Rechtsprechung bereits geklärt (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 1995 - 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 S. 10 f. und vom 28. Mai 2013 - 7 B 46.12 - juris Rn. 6). Die korrekte Anwendung dieser Grundsätze ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine der richtigen Rechtsanwendung im Einzelfall (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - DokBer 2014, 314 Rn. 20).

33

3. Die Beschwerde hat auch keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

34

a) Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen zu befassen. Dagegen gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.> m.w.N.).

35

aa) Danach hat das Oberverwaltungsgericht nicht dadurch das Recht des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, dass es im Urteil auf tatsächliches und rechtliches Vorbringen des Klägers zu Umständen nicht eingegangen ist, auf die es nach seiner Rechtsauffassung nicht ankommt. Maßgeblich ist jeweils die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, weil die Entscheidung nur dann auf dem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann.

36

Dies gilt z.B. für die Ausführungen zum etwaigen Anspruch des Klägers auf Beförderung zum Stabshauptmann (BesGr A 13 BBesO). Insoweit ist das Oberverwaltungsgericht ersichtlich von der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ausgegangen und hat festgestellt, dass sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt trotz der von ihm gegen seine Versetzung in den Ruhestand (§ 44 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 Nr. 4 SG) erhobenen Beschwerde nicht mehr in einem aktiven Dienstverhältnis befunden hat, das für eine Beförderung Voraussetzung ist. Die Beschwerde eines Soldaten gegen die Entscheidung über die Beendigung seines Wehrdienstverhältnisses hat nach § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO keine aufschiebende Wirkung. Da die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die Zurruhesetzungsverfügung nicht nach § 23 Abs. 6 Satz 3 WBO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO angeordnet worden ist, musste das Berufungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung davon ausgehen, dass der Kläger nicht mehr aktiver Soldat ist. Aufschiebende Wirkung kommt auch der vom Kläger im März 2015 gegen die Zurruhesetzungsverfügung erhobenen Anfechtungsklage nicht zu. Denn § 23 Abs. 6 WBO verweist lediglich auf die Bestimmungen des § 80 Abs. 5, 7 und 8 VwGO, nicht aber auf Absatz 1 des § 80 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2015 - 1 WB 27.13 - Buchholz 450.1 § 23 WBO Nr. 1 Rn. 19 f.).

37

bb) Das Vorbringen des Klägers zur Kontaktaufnahme mit seinem Personalführer aus Anlass der Beförderung des Hauptmanns S. hat das Oberverwaltungsgericht zur Kenntnis genommen. Dass es dem Vortrag des Klägers inhaltlich nicht gefolgt ist und vielmehr angenommen hat, der Kläger habe es zumindest fahrlässig unterlassen, aus Anlass dieser Beförderung zur Wahrung seiner Rechte einen Antrag auf Beförderung zu stellen, stellt keine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör dar. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht dazu, einen tatsächlichen Umstand die vom Kläger erwünschte Bedeutung beizumessen oder seiner Rechtsansicht zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 u.a. - BVerfGE 64, 1 <12>).

38

cc) Wie der Tatbestand des Berufungsurteils belegt, hat das Oberverwaltungsgericht auch das Vorbringen des Klägers zur Nachbesetzung des Dienstpostens mit dem Angehörigen der Luftwaffe, Hauptmann B., zur Kenntnis genommen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt den Verfahrensbeteiligten aber gerade nicht davor, dass das Gericht die Umstände abweichend von der Einschätzung des Beteiligten würdigt.

39

Dies gilt entsprechend für das Vorbringen zur Frage, ob die Bundeswehr das ihr bei der Zuweisung von Stellen zu den verschiedenen Teilstreitkräften eröffnete Ermessen mit dem Ziel missbraucht hat, den Kläger als leistungsstärkeren Soldaten von einer Beförderung auszuschließen. Auch insoweit hat das Berufungsgericht die Umstände anders gewürdigt als der Kläger, ohne dass dies dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

40

Das Recht des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG ist danach auch nicht dadurch verletzt, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, der mit Hauptmann B. nachbesetzte Dienstposten sei noch der Teilstreitkraft Luftwaffe zugeordnet gewesen.

41

dd) Der Tatbestand des Berufungsurteils belegt ferner, dass das Oberverwaltungsgericht den Vortrag des Klägers zum Vorbringen der Beklagten, Dienstposten für Stabshauptleute seien grundsätzlich nur innerhalb der jeweiligen Ausbildungs- und Verwendungsreihe besetzt worden, zur Kenntnis genommen hat. Dass das Oberverwaltungsgericht unter Würdigung des Vorbringens der Beteiligten insoweit den Ausführungen der Beklagten (zuletzt Schriftsatz vom 27. Januar 2014, AS 692) gefolgt ist, verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht.

42

ee) Der Anspruch des Klägers nach Art. 103 Abs. 1 GG wird auch nicht durch die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Dienstposten mit der Benummerung 15416027 verletzt.

43

In Bezug auf den Aspekt der fehlenden Eignung des Klägers für diesen konkreten Dienstposten wird nicht dargelegt, welches Vorbringen des Klägers das Oberverwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen hat. Der ferner vom Kläger hervorgehobene Umstand, er sei bereits in der Zeit von 2000 bis 2002 auf einem Dienstposten verwendet worden, für den ein Studium der Nachrichtentechnik Voraussetzung gewesen sei, ist auf der Basis der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach dieser Dienstposten den erfolgreichen Abschluss eines Hochschul- oder Universitätsstudiums voraussetzt, unerheblich.

44

ff) Die Darlegungen im Berufungsurteil zum Gedanken der Verwirkung einer Rüge des Klägers gegen die Bildung der am 1. Oktober 2004 aufgestellten Referenzgruppe verletzen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ebenfalls nicht. Das Vorbringen des Klägers zur Verwirkung, das das Oberverwaltungsgericht übergangen haben soll, bezieht sich auf die Bildung einer aktualisierten Referenzgruppe ab November 2010. Gegenstand der Überlegungen des Berufungsgerichts ist aber die ursprüngliche Bildung der Referenzgruppe. Der frühere Hauptmann S. ist bereits zum 1. August 2004 zum Stabshauptmann befördert worden, sodass er bei der Bildung der Referenzgruppe ab November 2010 ohnehin nicht mehr einzubeziehen war.

45

gg) Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung unter 8.6 zu - angeblich - weiteren Dienstpostenbesetzungsentscheidungen genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Ausgehend von der Vorgehensweise der Bundeswehr, insoweit auf die jeweilige Ausbildungs- und Verwendungsreihe des betreffenden Soldaten abzustellen, hätte dargelegt werden müssen, bei welchen Besetzungen von Dienstposten unter Umständen Anlass bestanden hätte, den Kläger mit der Ausbildungs- und Verwendungsreihe "Fernmeldeverbindungsdienst" mit zu betrachten. Zudem ist es nicht Aufgabe des über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidenden Gerichts, die Akten des gerichtlichen Verfahrens daraufhin zu überprüfen, in welchem Schriftsatz der Kläger eine bestimmte Behauptung aufgestellt hat.

46

hh) Auf - vermeintlich übergangenen - Vortrag zur Frage einer prognostischen Betrachtung des Werdegangs des Klägers kommt es nach der insoweit maßgeblichen - und auch zutreffenden - Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht an. Denn hinsichtlich der Beförderung von Mitgliedern der Referenzgruppe des Klägers zum Major im Truppendienst ist maßgeblich, dass diese zuvor erfolgreich am Stabsoffizierlehrgang teilgenommen haben. Auch ein freigestelltes Personalratsmitglied kann die Laufbahn nicht ohne Erwerb der Befähigung für die neue Laufbahn wechseln.

47

ii) Nicht zu beanstanden ist es schließlich, dass das Oberverwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag des Klägers abgelehnt hat, zum Beweis der Tatsache, dass es in der Referenzgruppe des Klägers mindestens einen Zählfall gegeben hat, die Personalakten sämtlicher Mitglieder der Referenzgruppe des Klägers (Rang 2 bis 10) beizuziehen und urkundenbeweislich zu verwerten. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, es handele sich um einen sog. Ausforschungsbeweis.

48

Der Kläger legt in der Beschwerdebegründung nicht dar, dass dieser anerkannte Ablehnungsgrund hier nicht vorliegt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Substanziierung eines Beweisantrags, die sich auch nach der konkreten prozessualen Situation richten, nicht überspannt.

49

Die gebotene Substanziierung erschöpft sich nicht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und der Behauptung einer bestimmten Tatsache, die das Beweisthema bezeichnet. Das Substanziierungsgebot verlangt vielmehr, dass die Tatsache vom Beteiligten mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Zwar darf sich ein Beteiligter insoweit mit einer Vermutung begnügen, wenn, wie hier, die zu beweisende Tatsache nicht in seinen eigenen Erkenntnisbereich fällt (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - 8 B 37.11 - ZOV 2011, 264 Rn. 13). Wenn die Gegenseite aber der aufgestellten Vermutung mit einer plausiblen Erklärung entgegengetreten ist, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Vielmehr muss sich der Beteiligte mit dieser Erklärung auseinandersetzen und hat greifbare Anhaltspunkte dafür zu benennen, dass seine Vermutung entgegen der Erklärung der Gegenseite doch zutrifft. Einer ohne Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten "ins Blaue hinein" aufrechterhaltenen Behauptung muss das Gericht nicht nachgehen (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

50

Die Beklagte hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 15. November 2013 auf Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts die Personalakten der übrigen Mitglieder der für den Kläger gebildeten Referenzgruppe nochmals ausgewertet. Dabei konnte kein Fall festgestellt werden, in dem einem Mitglied dieser Referenzgruppe eine förderliche Verwendung angeboten, diese jedoch vom betreffenden Soldaten abgelehnt worden ist (sog. Zählfall).

51

Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass sich der Kläger mit diesen konkreten Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 5. Dezember 2013 auseinander gesetzt und im Anschluss an die Übermittlung dieses Schreibens einen Anhaltspunkt für die Richtigkeit seiner Behauptung genannt hat.

52

b) Der Kläger sieht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör ferner durch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts verletzt, es habe zum Zeitpunkt der Nachbesetzung des Dienstpostens mit Hauptmann B. (Luftwaffe) keinen Kompensationsdienstposten zu Gunsten des Heeres gegeben, der mit dem Kläger hätte (fiktiv) besetzt werden können (5.4 der Beschwerdebegründung). Die weiteren Ausführungen, es fehle für die Schlussfolgerungen des Berufungsgerichts an einer hinreichenden Tatsachengrundlage, deuten eher darauf hin, dass damit eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend gemacht werden soll. Auch diese Verfahrensrüge ist unbegründet.

53

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 und vom 21. Mai 2013 - 2 B 67.12 - juris Rn. 18 m.w.N.). Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339> und vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>; Beschlüsse vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27, vom 31. Oktober 2012 - BVerwG 2 B 33.12 - NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 12 und vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 19).

54

Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie Beschluss vom 23. September 2013 - 2 B 51.13 - juris Rn. 19).

55

Einen derartigen Verfahrensmangel zeigt die Beschwerde nicht auf. Es wird nicht dargelegt, dass das Oberverwaltungsgericht insoweit den für die Entscheidung erheblichen Inhalt der Akte übergangen hat. Die Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts, die Kompensation zu Gunsten des Heeres sei nicht bereits zum Zeitpunkt der Nachbesetzung des Dienstpostens durch Hauptmann B., sondern erst zum 31. Dezember 2006 erfolgt, ist auch weder denkgesetzlich ausgeschlossen noch weist sie gedankliche Brüche oder Widersprüche auf.

56

c) Sollten die Darlegungen unter 5.4 ("unterbliebenen Aufklärung") dahingehend auszulegen sein, dass damit auch eine Verletzung der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend gemacht wird, so wäre auch diese Rüge unbegründet. Das Vorbringen genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

57

Derjenige Verfahrensbeteiligte, der einen Verstoß gegen die dem Gericht obliegende Pflicht zur Klärung des Sachverhalts geltend macht, obwohl er - durch eine nach § 67 Abs. 1 VwGO postulationsfähige Person sachkundig vertreten - in der Berufungsinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, muss, um den gerügten Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß zu bezeichnen, substanziiert darlegen, weshalb sich dem Tatsachengericht aus seiner maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um - vermeintliche - Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen, auszugleichen (BVerwG, Beschlüsse vom 2. März 1978 - BVerwG 6 B 24.78 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f., vom 6. März 1995 - 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 9 und vom 27. Januar 2012 - 5 B 2.12 - juris Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind hier durch den bloßen Hinweis, die Aufklärung sei unterblieben, nicht erfüllt.

58

4. Sollte mit den Ausführungen unter 9. der Beschwerdebegründung im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - (BVerwGE 126, 333 = Buchholz 237.8 § 12 RhPLBG Nr. 1) auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend gemacht worden sein, so genügen diese nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn die Beschwerde benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Im Übrigen betrifft das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2006 lediglich den Fall einer - schlichten - Beförderung eines freigestellten Beamten und nicht den anders gelagerten Fall des Laufbahnwechsels nach dem Erwerb zusätzlicher Qualifikationen durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Stabsoffizierlehrgang.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 71 Abs. 1 Satz 1, § 40, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 6 Satz 4 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG n.F. Der Wert des Schadensersatzantrages ist gemäß § 52 Abs. 7 GKG nicht zusätzlich anzusetzen.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin und ihr Ehemann, die auf einem in ihrem Miteigentum stehenden Grundstück im Gemeindegebiet der Beigeladenen ein Hotel betreiben, haben in der Vergangenheit verschiedene verwaltungsgerichtliche Rechtsstreitigkeiten wegen der von ihnen als unzumutbar empfundenen Lärmbelastung durch ein in ihrer Nachbarschaft gelegenes gemeindliches Feuerwehrgerätehaus geführt.

Die Klägerin wendet sich im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich gegen eine als solche bezeichnete „bauaufsichtliche (Tektur-) Genehmigung“ vom 19. Januar 2011 für das Vorhaben „Tektur zur Erweiterung des bestehenden Feuerwehrgerätehauses“. Dieser Bescheid, der im Vergleich zur ursprünglichen Baugenehmigung vom 14. Juli 2009 den Wegfall einzelner Pkw-Stellplätze betraf, wurde zwar den Bevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 24. Januar 2011 zugestellt, in dem an diese adressierten Anschreiben des Landratsamts F* … wurden als betroffene Mandanten aber nur der Ehemann der Klägerin sowie eine weitere Person, nicht aber die Klägerin selbst benannt. Die zunächst allein vom Ehemann der Klägerin erhobene Anfechtungsklage mit dem Antrag, den Bescheid vom 14. Juli 2009 in der Fassung des Bescheids vom 19. Januar 2011 aufzuheben, wies das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 5. Juli 2011 ab (RN 6 K 09.1343). Den hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Senat mit Beschluss vom 25. September 2013 ab (15 ZB 11.2302). Mit Urteil vom 25. August 2015 wies das Verwaltungsgericht die von der Klägerin und ihrem Ehemann gemeinsam erhobene Klage mit dem Antrag, eine im Anschluss erteilte zweite „Tekturgenehmigung“ vom 12. Dezember 2014 für die Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses aufzuheben, ab (Verfahren RN 6 K 15.94). Auch der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung war erfolglos (vgl. den Beschluss des Senats vom 29. August 2016, Az. 15 ZB 15.2442). Ein weiteres gerichtliches Verfahren mit dem Ziel, den Beklagten zum bauordnungsrechtlichen Einschreiten wegen der von der Nutzung der baulichen Anlage ausgehenden Immissionsbelastung zu verpflichten, verlief für die Klägerin und ihren Ehemann im Ergebnis erfolglos (vgl. VG Regensburg, U.v. 7.6.2016 - RN 6 K 16.396 - sowie im Anschluss BayVGH, B.v. 26.9.2016 - 15 ZB 16.1365).

Am 2. Januar 2017 erhob die Klägerin (allein) Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg mit dem Antrag, den Baugenehmigungsbescheid vom 19. Januar 2011 aufzuheben, soweit dieser nicht die Baugenehmigung vom 14. Juli 2009 aufhebe. Sie argumentierte, der Bescheid vom 19. Januar 2011 sei ihr nicht bekannt gegeben worden und deshalb ihr gegenüber nicht bestandskräftig geworden. Aus diesem Grund könne die Genehmigung nunmehr durch sie unter Berücksichtigung einer neueren gutachterlichen Stellungnahme eines beauftragten Ingenieurbüros vom August 2015 zur Lärmbelastung erneut zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden. Sie habe zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, mit dem genehmigten Vorhaben einverstanden zu sein. Aus diesem Grund scheide eine Verwirkung aus. Das Bauvorhaben der beigeladenen Gemeinde verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, sodass die Anfechtungsklage begründet sei.

Mit Urteil vom 10. April 2018 wies das Verwaltungsgericht Regensburg auch diese Klage ab. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob auch der Klägerin gegenüber die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO durch Zustellung des Bescheids an ihren Rechtsanwalt zu laufen begonnen habe. Jedenfalls habe die Klägerin ihr Recht zur Klage „verwirkt“ und damit die Klage unzulässig verspätet erhoben. Es lägen besondere Umstände vor, die bei den Beteiligten ein Vertrauen darauf erzeugt hätten, dass das prozessuale Recht einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 19. Juli 2011 von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht werde. „Verwirkung“ sei vorliegend spätestens nach Ablauf einer Frist von einem Jahr nach der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2011 im Verfahren RN 6 K 09.1343, in der die Klägerin anwesend gewesen sei, eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt hätten die Beteiligten davon ausgehen können, dass die Klägerin ein etwaiges Klagerecht nicht mehr wahrnehme. Die Klägerin habe zudem zu erkennen gegeben, selbst von der Bestandskraft der im Verfahren RN 6 K 09.1343 streitgegenständlichen Genehmigungen auszugehen, indem sie gegen den nachfolgenden Tekturbescheid vom 12. Dezember 2014 gemeinsam mit ihrem Ehemann Klage erhoben habe und in der Folge ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Feuerwehrgerätehaus begehrt habe, ohne auf eine ihrer Meinung nach nicht vorliegende Bestandskraft der vorhergehenden Genehmigung hinzuweisen. Der beigeladenen Gemeinde möge zwar aufgrund des Verhaltens der Klägerin bekannt gewesen sei, dass sich diese weiterhin u.a. wegen befürchteter Lärmimmissionen gegen das Bauvorhaben wenden werde, sie habe aber davon ausgehen können, dass eine Klage gegen die Tekturgenehmigung vom 19. Januar 2011 nicht mehr im Raume stehe. Zudem sei eine behauptete mangelnde Bekanntgabe des Bescheids für die Bevollmächtigten der Klägerin schon im Verwaltungsverfahren erkennbar gewesen. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei in Zusammenschau mit dem vorangegangenen Verhalten der Klägerin ein Abwarten mit der Geltendmachung dieses Gesichtspunkts und eine Klageerhebung nach einem Zeitraum von mehr als fünf Jahren als treuwidrig anzusehen. Die erst am 2. Januar 2017 erhobene Anfechtungsklage verstoße daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei damit nicht zulässig.

Mit ihrem auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, auf besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten sowie auf die Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 27.7.2005 - 8 C 15.04) gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Sie bringt mit ihrer Antragsbegründung vor, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsnatur der Verwirkung sowie den zwingenden Charakter der Zustellungsvorschriften verkannt. Eine Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids an sie sei nicht erfolgt. Aus diesem Grund hätten keine Fristen zu laufen begonnen. Eine komplett fehlende Zustellung könne nicht über Art. 9 BayVwZVG geheilt werden. Es liege auch kein Fall des Art. 8a BayVwZVG vor. Ein nicht zugestellter Bescheid sei grundsätzlich nicht der Bestandskraft fähig. Eine Ausnahme hiervon könne nicht daran anknüpfen, wann der Zustellungsmangel ihr selbst oder ihrem Bevollmächtigten hätte auffallen können. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment bejaht. Es fehle an einer Vertrauensgrundlage und an einem Vertrauenstatbestand. Allein die Tatsache, dass sie selbst über einen längeren Zeitraum keine Klage erhoben habe, genüge nicht. Der reine Zeitablauf als solcher könne die Annahme einer Verwirkung nicht rechtfertigen. Aus ihrem Gesamtverhalten auch im Zusammenhang mit weiteren Rechtsstreitigkeiten bezüglich des Feuerwehrgerätehauses hätte vielmehr geschlossen werden müssen, dass sie gewillt gewesen sei, auch weiterhin mit allen rechtlich zulässigen Mitteln gegen das Vorhaben der Beigeladenen vorzugehen. Insbesondere weil durchgängig entweder ihrerseits oder seitens ihres Ehemanns gerichtlich gegen das gemeindliche Bauvorhaben vorgegangen worden sei, habe es nie einen streitfreien Zeitraum von einem Jahr gegeben, der als Mindestvoraussetzung für eine Verwirkung notwendig sei. Eine Verwirkung komme nicht in Betracht, wenn gegen das angegriffene Vorhaben mit einem anderen als dem streitgegenständlichen Rechtsmittel vorgegangen werde oder wenn ein naher Verwandter ein Rechtsmittel gegen denselben Bescheid als Streitgegenstand verfolge. Tatsächlich habe die Beigeladene auch noch nicht mit dem Bau begonnen, weil es eine politische Zusage gebe, dass hiermit zugewartet werde, bis alle anhängigen Verfahren gegen das Vorhaben abgeschlossen seien. Deshalb sei auch kein unzumutbarer Nachteil erkennbar, der der Beigeladenen wegen einer späten Klageerhebung erwachsen sein könnte. Auch soweit das Verwaltungsgericht zur Begründung einer Treuwidrigkeit erwäge, der Zustellungsmangel hätte ihren Bevollmächtigten bereits vormals auffallen müssen, laufe die Argumentation im Ergebnis darauf hinaus, dass durch den bloßen Zeitablauf eine Verwirkung eintrete. Auch insofern habe das Verwaltungsgericht kein Umstandsmoment festgestellt, das über den Zeitablauf hinausgehe.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Bescheid mit der am 24. Januar 2011 erfolgten Zustellung an die Rechtsanwaltskanzlei, die sowohl von der Klägerin als auch ihrem Ehemann bevollmächtigt gewesen sei, auch Ersterer gegenüber bekannt gegeben worden sei. Die Beigeladene hat sich im Berufungszulassungsverfahren nicht geäußert. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch wegen tatsächlicher und / oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts ist unabhängig von den von der Klägerin behaupteten Zweifeln an der Richtigkeit der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung jedenfalls im Ergebnis offensichtlich richtig. Der der Vorschrift des § 144 Abs. 4 VwGO zugrunde liegende allgemeine Rechtsgedanke, dass allein die fehlerhafte Begründung einer Entscheidung, welche sich im Ergebnis als richtig erweist, dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhilft, ist auch in einem - hier vorliegenden - Verfahren auf Zulassung der Berufung zu berücksichtigen. Auch ein solches Antragsverfahren soll unabhängig davon, dass insoweit eine dem § 144 Abs. 4 VwGO vergleichbare Vorschrift fehlt, aus prozessökonomischen Gründen nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis des Rechtsstreits bedeutungslos bleiben wird (BayVGH, B.v. 31.10.2018 - 15 ZB 17.1003 - juris Rn. 10 m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Es bedarf dabei keiner Entscheidung, ob der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid bestandskräftig wurde, weil dieser mit der Zustellung an die befasste Anwaltskanzlei am 24. Januar 2011 nicht nur ihrem Ehemann, sondern auch der Klägerin gegenüber bekannt gegeben wurde und deshalb die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO bereits am 24. Januar 2012, 24:00 Uhr, ablief. Ebenso kann dahin gestellt bleiben, ob einer isolierten Anfechtungsklage der Klägerin gegen die vorliegend streitgegenständliche (erste) Tekturgenehmigung vom 19. Januar 2011 mit Blick auf die ihr gegenüber zwischenzeitlich bestandskräftig gewordenen Genehmigungen vom 14. Juli 2009 und vom 12. Dezember 2014 überhaupt noch ein Rechtsschutzinteresse zukommen kann. Die Nachbarklage ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht aufgrund eines Zeitablaufs von mehr als einem Jahr, bemessen ab dem Zeitpunkt, ab dem die Klägerin sichere Kenntnis von der Existenz der streitgegenständlichen Baugenehmigung hatte oder diese jedenfalls hätte haben müssen, als unzulässig abgewiesen worden, auch wenn dies entgegen der Argumentation des Verwaltungsgerichts dogmatisch nicht auf einer „Verwirkung“ im engeren Sinne beruht.

a) Die Antragsbegründung führt im Grundsatz zu Recht aus, dass von einer Verwirkung eines - prozessualen oder materiellen - Rechts nur ausgegangen werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) u n d besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment). Im öffentlichen Nachbarrecht werden die Anforderungen für das Umstandsmoment wie folgt konkretisiert: Der Bauherr als Verpflichteter muss infolge eines bestimmten Verhaltens des Nachbarn darauf vertraut haben dürfen, dass dieser die nachbarrechtliche Rechtsposition nach so langer Zeit nicht mehr geltend macht (Vertrauensgrundlage), der Bauherr muss ferner tatsächlich darauf vertraut haben, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und er muss sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung) (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182 = BayVBl 1991, 726 = juris Rn. 28; Charnitzky/Rung, BauR 2016, 1254). Gemessen hieran dürfte es im vorliegenden Fall tatsächlich fraglich sein, ob vom Vorliegen eines Umstandsmoments im Sinne der Verwirkungsdogmatik ausgegangen werden kann, zumal - worauf die Klägerseite ebenfalls hingewiesen hat - mit Blick auf die fehlende Umsetzung der streitgegenständlichen Baugenehmigung bislang eine Vertrauensbetätigung der Beigeladenen (vgl. hierzu z.B. BVerwG, B.v. 18.3.1988 - 4 B 50.88 - NVwZ 1988, 730 = BayVBl. 1988, 693 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 26.10.1998 - 14 B 94.4150 - juris Rn. 26, 27; OVG MV, B.v. 5.11.2001 - 3 M 93/01 - NVwZ-RR 2003, 15 = juris Rn. 32; VG Saarl., U.v. 25.3.2015 - 5 K 617/14 - juris Rn. 38 m.w.N.) nicht ohne weiteres ersichtlich ist.

Auf das Vorliegen eines Umstandsmoments im Sinne der Verwirkungsdogmatik kommt es aber tatsächlich für die Annahme der Unzulässigkeit der vorliegenden Klage nicht an.

Das Bundesverwaltungsgericht hat für Fallgestaltungen, in denen der Anfechtungsklage des Nachbarn nach §§ 68 ff. VwGO grundsätzlich ein erfolgloses Widerspruchsverfahren vorgeschaltet sein muss(te), wiederholt ausgeführt, dass für einen Nachbarn, dem die Baugenehmigung, durch die er sich beschwert fühlt, nicht amtlich bekanntgegeben wurde, zwar weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsfrist läuft, dass diesem aber für den Fall, dass er sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt hat oder dass er diese hätte erlangen müssen, nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt ist, dass sie ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde (grundlegend BVerwG, U.v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294 = juris Rn. 20 ff.; ebenso: BVerwG, B.v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 = juris Rn. 12 ff.; B.v. 11.9.2018 - 4 B 34.18 - NVwZ 2019, 245 = juris Rn. 9 ff.; BayVGH, B.v. 9.10.2009 - 1 CS 08.1999 - juris Rn. 22; SächsOVG, B.v. 21.4.2015 - 2 M 12/15 - NVwZ-RR 2015, 727 = juris Rn. 12; OVG Rh-Pf., B.v. 13.3.2017 - 8 A 11416/16 - BauR 2017, 1197 = juris Rn. 6 ff.; VGH BW, U.v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - BauR 2012, 1637 = juris Rn. 33 ff.; U.v. 14.12.2017 - 8 S 1148/16 - juris Rn. 23; SächsOVG, U.v. 9.3.2017 - 1 A 331/16 - juris Rn. 28; ThürOVG, U.v. 26.2.2002 - 1 KO 305/99 - BRS 65 Nr. 130 = juris Rn. 32; Charnitzky/Rung, BauR 2016, 1254/1256). Dann läuft für den Nachbarn die Widerspruchsfrist nach § 70 i.V. mit § 58 Abs. 2 VwGO so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2018 a.a.O.). Mit Ablauf der Jahresfrist wird die Baugenehmigung gegenüber dem Nachbarn bestandskräftig (vgl. SächsOVG, U.v. 9.3.2017 a.a.O). Wenn - wie in Bayern gem. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V. mit Art. 15 Abs. 2 AGVwGO - ein Widerspruchsverfahren entfällt und dem Nachbarn als Rechtsbehelf gegen die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung von vornherein ausschließlich die (Dritt-) Anfechtungsklage zur Verfügung steht, gilt Entsprechendes, d.h. der Nachbar, der dem Vorhaben (z.B. durch Unterschrift auf den Bauvorlagen, Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO) nicht vorab zugestimmt hat und dem die Baugenehmigung nicht bekannt gegeben wurde, muss sich, sobald er sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt hat oder diese hätte erlangen müssen, so behandeln lassen, als habe die Jahresfrist zur Einlegung der Anfechtungsklage gem. §§ 74 Abs. 1 und 58 Abs. 2 VwGO zu laufen begonnen; nach Ablauf dieser Frist ist die Baugenehmigung ihm gegenüber bestandskräftig und die danach erst erhobene Anfechtungsklage ist wegen Zeitablaufs als unzulässig anzusehen (BayVGH, B.v. 12.7.2010 - 14 CS 10.327 - juris Rn. 27; B.v. 4.4.2011 - 14 CS 11.263 - juris Rn. 33; VG München, U.v. 29.2.2016 - M 8 K 14.4400 - Rn. 34 ff.; U.v. 29.2.2016 - M 8 K 14.4469 - juris Rn. 36 ff.; vgl. auch OVG NRW, U.v. 4.12.2015 - 7 A 823/14 - BRS 83 Nr. 136 = juris Rn. 38 ff.).

Letzteres ist hier offensichtlich der Fall. Es liegt auf der Hand, dass die Klägerin frühzeitig selbst - und zwar deutlich länger als ein Jahr vor der Klageerhebung am 2. Januar 2017 - sichere Kenntnis von der Existenz der streitgegenständlichen Genehmigung vom 19. Januar 2011 hatte bzw. diese hätte haben können. Unabhängig von den Fragen, ob die streitgegenständliche Baugenehmigung mit Blick auf den Mandantenbezug im Anschreiben vom 19. Januar 2011 mit der Zustellung an den Bevollmächtigten auch ihr gegenüber als bekanntgegeben galt und ob das Wissen des Bevollmächtigten von der Existenz des Bescheids vom 19. Januar 2011 (mit Zustellen an diesen) der Klägerin rechtlich allein aufgrund der in den Behördenakten enthaltenen Anwaltsvollmacht vom 20. Januar 2009 zuzurechnen war, spricht vorliegend nichts dafür, dass die bevollmächtigte Anwaltskanzlei tatsächlich nur ihren Ehemann, nicht aber die Klägerin selbst über das Bestehen auch der streitgegenständlichen Tekturgenehmigung vom 19. Januar 2011 zeitnah informiert hatte. Abweichendes wird klägerseits auch nicht behauptet. Hinzukommt, dass die Klägerin ausweislich der Verwaltungsgerichtsakte RN 6 K 09.1343 in den Rechtsstreit ihres Ehemanns gegen die Genehmigungen vom 14. Juli 2009 und vom 19. Januar 2011 aktiv eingebunden war. So war sie laut Niederschrift des Verwaltungsgerichts neben ihrem (klagenden) Ehemann und bevollmächtigten Rechtsanwalt bereits beim Augenscheintermin am 1. Juli 2010 anwesend und wurde auf der Klägerseite beigezogen. Ebenso nahm die Klägerin ausweislich der Niederschrift des Verwaltungsgerichts an der mündlichen Verhandlung am 5. Juli 2011 teil, an der der Tekturbescheid vom 19. Januar 2011 thematisiert resp. zum Gegenstand des Klageantrags gemacht wurde. Damit ist jedenfalls spätestens am 5. Juli 2011 von der sicheren Kenntnis der Klägerin hinsichtlich der Existenz des im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Tekturbescheids vom 19. Januar 2011 auszugehen, was in der Sache auch vom Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung so zugrunde gelegt wird. Dies wird von der Klägerseite im vorliegenden Verfahren nicht in Abrede gestellt. Im Übrigen wird im weiteren Tekturbescheid vom 12. Dezember 2014 auf den (ersten) Tekturbescheid vom 19. Januar 2011 Bezug genommen. Selbst wenn man auf die Klageerhebung gegen den (zweiten) Tekturbescheid vom 12. Dezember 2014 am 16. Januar 2015 (hierzu vgl. VG Regensburg, U.v. 25.8.2015 - RN 6 K 15.94 - sowie BayVGH, B.v. 29.8.2016 - 15 ZB 15.2442) als spätesten Zeitpunkt der (möglichen) sicheren Kenntnisnahme der Klägerin hinsichtlich der Existenz des Bescheids vom 19. Januar 2011 ausginge - von diesem späten Zeitpunkt geht allerdings ersichtlich keiner der Beteiligten aus -, wären bis zur Klageerhebung am 2. Januar 2017 gegen den hier streitgegenständlichen (ersten) Tekturbescheid vom 19. Januar 2011 noch fast zwei Jahre vergangen.

Damit war im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht (2. Januar 2017) allein schon wegen Zeitablaufs von der Bestandskraft des Genehmigungsbescheids vom 19. Januar 2011 auch gegenüber der Klägerin auszugehen, ohne dass es noch auf die in der Antragsbegründung in Zweifel gezogenen Voraussetzungen einer Verwirkung ankommt. Bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 25. Januar 1974 (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294 = juris Rn. 23) grenzt das Bundesverwaltungsgericht die hier einschlägige Fallgruppe einer unzulässigen Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine ihm nicht bekannt gegebene Baugenehmigung wegen Zeitablaufs vom Rechtsinstitut der (prozessualen) Verwirkung ab (Hervorhebung durch Fettdruck nicht im Original):

„(…) Verwirkung eines Rechts ist aber nur eine von den unterschiedlichen Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die Ausübung eines - materiell- oder auch verfahrensrechtlichen - Rechts kann nach Treu und Glauben auch aus anderen Gründen unzulässig sein als aus denen, die zu seiner Verwirkung führen. So hat der Senat in dem bereits erwähnten Urteil vom 20. Oktober 1972 - BVerwG IV C 27.70 - (a.a.O.) auf die Möglichkeit hingewiesen, dass es nach den Umständen des Einzelfalles gegen Treu und Glauben verstoßen könne, wenn ein Nachbar sich bei seinem erst nach längerer Zeit gegen eine Baugenehmigung eingelegten Widerspruch darauf berufe, dass dieser Verwaltungsakt ihm nicht amtlich bekanntgegeben worden sei, und dass dann dieser Widerspruch unzulässig sein könne. Dieser Gedanke brauchte im Urteil vom 20. Oktober 1972 nicht weiter verfolgt zu werden, ist aber hier für Fälle der vorliegenden Art abschließend zu erörtern (…).“

Mit seiner Entscheidung vom 11. September 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht erneut klargestellt, dass prozessuale Anfechtungsrechtsbehelfe des Nachbarn, soweit sie nicht zeitnah geltend gemacht werden, „durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen u n d durch Verwirkung verloren gehen“ (BVerwG, B.v. 11.9.2018 - 4 B 34.18 - NVwZ 2019, 245 = juris Rn. 4), mithin auf zwei dogmatisch voneinander zu unterscheidenden Wegen unzulässig werden können (vgl. auch BVerwG, B.v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 = juris Rn. 13: „neben der Möglichkeit der Verwirkung von verfahrensrechtlichen Rechten“). Auch wenn die Unzulässigkeit des Widerspruchs allein wegen Frist- bzw. Zeitablaufs unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 58 Abs. 2 VwGO nicht selten als Unterfall der Verwirkung betitelt wird (neben der vorliegend angegriffenen Ausgangsentscheidung des Verwaltungsgerichts vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.7.2010 - 14 CS 10.327 - juris Rn. 27; B.v. 4.4.2011 - 14 CS 11.263 - juris Rn. 33; NdsOVG, B.v. 5.9.2017 - 11 ME 169/17 - NVwZ-RR 2018, 36 = juris Rn. 37; SächsOVG, B.v. 2.7.2013 - 1 A 776/12 - juris Rn. 2 ff.; OVG NRW, B.v. 16.4.2012 - 7 A 1984/10 - juris Rn. 23; B.v. 18.8.2014 - 7 B 438/14 - juris Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 29.4.2010 - 10 S 5.10 - BRS 76 Nr. 172 = juris Rn. 15; B.v. 3.4.2009 - 10 S 5.09 - BauR 2009, 1427 = juris Rn. 9), tritt diese Fallgestaltung daher als - eigenständige - Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben n e b e n das Rechtsinstitut der Verwirkung. Es handelt sich aus dogmatischer Sicht m.a.W. von vornherein tatsächlich nicht um einen Verwirkungsunterfall. Der Verlust des verfahrensmäßigen Anfechtungsrechts wegen Zeitablaufs und die Verwirkung des Anfechtungsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit der Anfechtungsklage bzw. ggf. - außerhalb Bayerns - des Widerspruchs). Auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen (vgl. VGH BW, U.v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - BauR 2012, 1637 = juris Rn. 42; VG Hamburg, U.v. 4.9.2015 - 9 E 3623/15 - juris Rn. 44 f.; zur dogmatischen Trennung vgl. auch OVG Rh-Pf., B.v. 13.3.2017 - 8 A 11416/16 - BauR 2017, 1197 = juris Rn. 7; SächsOVG, U.v. 21.10.2016 - 1 A 256/15 - juris Rn. 33 ff.; ThürOVG, U.v. 26.2.2002 - 1 KO 305/99 - BRS 65 Nr. 130 = juris Rn. 32 und Rn. 34; VG München, U.v. 29.2.2016 - M 8 K 14.4400 - Rn. 34 ff.; U.v. 29.2.2016 - M 8 K 14.4469 - juris Rn. 36 ff.; Charnitzky/Rung, BauR 2016, 1254/1255 ff.; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: Januar 2019, Art. 66 Rn. 233, 234).

Auf die Frage einer prozessualen Verwirkung des nachbarlichen Klagerechts und dann auch auf die speziellen Verwirkungsvoraussetzungen (Zeitmoment, Umstandsmoment) kommt es daher nur an, wenn die Frage im Raum steht, ob ein Anfechtungsrechtsbehelf bereits v o r Ablauf der Jahresfrist im o.g. Sinn unzulässig ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2018 - 4 B 34.18 - NVwZ 2019, 245 = juris Rn. 14 m.w.N.; BayVGH, B.v. 9.1.2006 - 2 ZB 05.3157 - juris Rn. 2; B.v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12; B.v. 25.6.2018 - 2 ZB 17.1157 - juris Rn. 2; OVG MV, B.v. 5.11.2001 - 3 M 93/01 - NVwZ-RR 2003, 15 = juris Rn. 24, 27; VGH BW, U.v. 28.8.1987 - 8 S 1345/87 - NVwZ 1989, 76/78; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 3.4.2009 - 10 S 5.09 - BauR 2009, 1427 = juris Rn. 14; vgl. auch die weiteren Rechtsprechungsbeispiele bei Troidl, NVwZ 2004, 315/316 f. sowie Molodovsky a.a.O.). Muss sich ein klagender Nachbar ab dem Zeitpunkt der (tatsächlichen oder möglichen) sicheren Kenntniserlangung hinsichtlich der Existenz einer Baugenehmigung nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als hätte die Frist gem. § 58 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu laufen begonnen, ist die nach Ablauf eines Jahres erhobene Anfechtungsklage mit dem Ziel der Kassation der Baugenehmigung schon allein deswegen unzulässig, ohne dass es noch auf die besonderen Voraussetzungen der Verwirkung ankommt. Insbesondere ist für den Verlust des prozessualen Anfechtungsrechts wegen Ablaufs der Jahresfrist kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich (OVG Rh-Pf., B.v. 13.3.2017 - 8 A 11416/16 - BauR 2017, 1197 = juris Rn. 5 ff.; VGH BW, U.v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - BauR 2012, 1637 = juris Rn. 41, 42; VG Hamburg, U.v. 4.9.2015 - 9 E 3623/15 - juris Rn. 44 f.). Es ist folglich im vorliegenden Fall unerheblich, ob die beigeladene Gemeinde als Bauherrin nachweislich ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und ob dieses nach Verwirkungsgrundsätzen schutzwürdig ist. Insbesondere ist unerheblich, ob es an einer Vertrauensbetätigung fehlt, weil die Beigeladene die streitgegenständliche Baugenehmigung bislang nicht umgesetzt hat.

b) Es trifft zu, dass das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 27. Juni 2005, auf die die Klägerin in der Antragsbegründung Bezug nimmt, auch nach vielen Jahren Untätigkeit der Klägerseite eine Unzulässigkeit der Klage wegen schlichten Zeitablaufs ohne Hinzutreten besonderer Umstände verneint hat. Die betraf aber eine Fallgestaltung aus dem Vermögensrecht, nämlich eine Anfechtungsklage mit dem Ziel der Kassation eines Bescheids zur Rückübertragung eines im Zusammenhang mit einer Ausreise aus der ehemaligen DDR vormals veräußerten Grundstücks (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2005 - 8 C 15.04 - NVwZ 2005, 1334 = juris Rn. 25 ff.; ebenso bereits BVerwG, B.v. 21.1.1999 - 8 B 116.98 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 19 = juris Rn. 4). Während es vorliegend auf die Voraussetzungen der Verwirkung von vornherein nicht ankommt - s.o. a) -, hängt im Vermögensrecht die Nichtgeltung der (von der Verwirkung abzugrenzenden) Grundsätze einer Unzulässigkeit der Anfechtungsklage wegen einjährigen Zeitablaufs nach (möglicher) sicherer Kenntniserlangung in Anlehnung an § 58 Abs. 2 VwGO mit der mangelnden Vergleichbarkeit der dortigen Sachverhaltskonstellation mit den Fällen der klageweisen Geltendmachung eines nachbarlichen Genehmigungsabwehranspruchs zusammen. Die gefestigte Rechtsprechung, wonach der Nachbar gehalten ist, gegen eine ihm nicht vorschriftsmäßig bekanntgegebene Baugenehmigung, von der er in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, innerhalb einer Jahresfrist ein Rechtsmittel (Widerspruch oder Anfechtungsklage) einzulegen, wurzelt in dem durch besondere gegenseitige Rücksichtnahmen aus Treu und Glauben geprägten „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“ und ist deswegen gerade nicht ohne weiteres auf jede Art von verwaltungsrechtlichen Drittbeteiligungsfällen übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies für Drittbeteiligungsfälle im Vermögensrecht mit seinem Beschluss vom 21. Januar 1999, auf die in der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung vom 27. Juli 2005 (vgl. a.a.O. juris Rn. 25 a.E.) rekurriert wird, ausdrücklich klargestellt (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1999 - 8 B 116.98 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 19 = juris Rn. 8):

„(…) Das Bundesverwaltungsgericht hat seine für Streitigkeiten zwischen Nachbarn über die Rechtmäßigkeit einer erteilten Baugenehmigung entwickelte Rechtsprechung, wonach der Baunachbar gegen eine ihm nicht vorschriftsmäßig bekanntgegebene Baugenehmigung, von der er in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, innerhalb der Jahresfrist nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruch erheben muss, mit dem besonderen ‚nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis‘ begründet (vgl. u.a. Urteil vom 25. Januar 1974 - BVerwG IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294 <299 f.> sowie Beschlüsse vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <89> und vom 13. August 1996 - BVerwG 4 B 135.96 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 135 S. 25). Dieses nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis wird dadurch geprägt, dass einerseits die Vorschriften des öffentlichen Baurechts ‚auch der Rücksichtnahme auf individuelle Interessen oder deren Ausgleich untereinander dienen‘ (Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - a.a.O. m.w.N.) und dass es sich andererseits um ein unabhängig vom aktuellen Rechtsstreit auf längere Dauer angelegtes Verhältnis handelt. Diese Voraussetzungen sind im Rechtsstreit zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Restitutionsberechtigten nach vermögensrechtlichen Vorschriften nicht gegeben. Ihr Rechtsverhältnis beschränkt sich auf den konkreten Streit über die Restitution eines bestimmten Vermögensgegenstandes. Schon deswegen ist die genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Nachbarrechtsstreitigkeiten auf vermögensrechtliche Streitigkeiten nicht zu übertragen (so auch Urteil vom 10. Juni 1998 - BVerwG 7 C 27.97 - VIZ 1998, 565 <567> = ZOV 1998, 373 <375>).“

c) Auf die weiteren Ausführungen in der Antragsbegründung zur Begründetheit der Klage (insbesondere zur Frage, ob die streitgegenständliche Genehmigung gegen das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verstößt), kommt es aufgrund der Unzulässigkeit der Klage nicht mehr an. Es ging der Klägerin mit der vorliegenden Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Genehmigung ferner ersichtlich nicht um ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. Art. 51 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG wegen Vorliegens eines neuen Beweismittels in Form eines aktuellen Sachverständigengutachtens (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 30.7.2009 - 1 B 08.2890 - juris; U.v. 2.5.2017 - 1 B 15.1575 - juris). Auch vor diesem Hintergrund muss dem Vortrag in der Antragsbegründung, dass ein neueres Immissionsschutzgutachten eines Sachverständigenbüros aus dem Jahr 2015 die Unverträglichkeit des Vorhabens mit der umliegenden Wohn- bzw. Hotelnutzung nachweise, im vorliegenden Verfahren nicht weiter nachgegangen werden.

2. Eine Zulassung der Berufung kommt auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Betracht. Der von der Klägerin monierte Rechtssatz, wonach ein Kläger sein Klagerecht verliere, „wenn er jedenfalls nicht (spätestens) innerhalb der Jahresfrist des § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ein Rechtsmittel einlegt“ weicht nicht in entscheidungsrelevanter Weise von der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2005 (BVerwG, U.v. 27.7.2005 - 8 C 15.04 - NVwZ 2005, 1334= juris Rn. 25) ab. Soweit in der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts der Rechtssatz aufgestellt wird, dass der reine Zeitablauf als solcher die Annahme einer Verwirkung nicht rechtfertigen könne (BVerwG a.a.O. juris Rn. 25), liegt keine Divergenz vor. Zum einen handelt es sich vorliegend tatsächlich nicht um einen Verwirkungsfall, s.o. 1. a). Zum anderen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die für Streitigkeiten im öffentlichen Baunachbarrecht anhand des besonderen „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ entwickelte Rechtsprechung, wonach der Baunachbar gegen eine ihm nicht vorschriftsmäßig bekanntgegebene Baugenehmigung, von der er in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, innerhalb der Jahresfrist nach § 70 i.V. m. § 58 Abs. 2 VwGO bzw. § 74 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 58 Abs. 2 VwGO den statthaften Anfechtungsrechtsbehelf einlegen muss, auf einen Rechtsstreit nach vermögensrechtlichen Vorschriften nicht übertragbar, s.o. 1. b).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 - 15 ZB 16.562 - juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist nicht ersichtlich. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Gründe

1

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Der 1957 geborene Kläger stand seit dem 1. Oktober 1989 als Berufssoldat im Dienst der Beklagten. Zuletzt war er mit Wirkung vom 1. Dezember 1995 zum Hauptmann befördert und mit Wirkung zum 1. April 2004 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 BBesO eingewiesen worden. Nach Überschreiten der besonderen Altersgrenze für Hauptleute setzte ihn die Beklagte mit Wirkung vom 31. Oktober 2012 zur Ruhe. Gegen diese Verfügung hat der Kläger Beschwerde eingelegt und Anfang März 2015 beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben.

3

Seit Mitte Juni 2003 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand war der Kläger als Mitglied des Personalrats vom militärischen Dienst freigestellt. Anlässlich der Freistellung wurde die zum 31. März 2004 für den Kläger zu erstellende Regelbeurteilung auf den 18. Dezember 2003 vorgezogen. Zum Stichtag 1. Oktober 2004 bildete das Personalamt der Bundeswehr eine Referenzgruppe, in die sämtliche Offiziere aufgenommen wurden, die der gleichen Ausbildungs- und Verwendungsreihe angehörten und im selben Jahr wie der Kläger auf einen mit A 12 BBesO besoldeten Dienstposten versetzt worden waren. In dieser Referenzgruppe mit zehn Mitgliedern erhielt der Kläger den ersten Rangplatz.

4

Mit Schreiben vom 28. September 2010 beantragte der Kläger seine fiktive Versetzung auf einen A 13g-Dienstposten. Diesen Antrag lehnte das Personalamt der Bundeswehr mit Bescheid vom 4. April 2012 ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Klägers wies das Bundesministerium der Verteidigung als unzulässig zurück. Im Verfahren vor dem Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 1 WB 27.13) hat der Kläger beantragt, (1.) seinem Antrag auf fiktive Versetzung auf einen nach Besoldungsgruppe A 13g bewerteten Dienstposten vom 28. September 2010 zu entsprechen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf fiktive Versetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden sowie (2.) festzustellen, dass er bereits am 13. Juni 2003, hilfsweise zu einem späteren Zeitpunkt bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Wehrdienstsenats, äußerst hilfsweise bis zu seinem bisherigen Dienstzeitende auf einen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 13g BBesO zu versetzen war. Der Wehrdienstsenat hat den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 25. Juni 2015 als unzulässig verworfen. Hinsichtlich des ersten Antrags sei mit der Versetzung des Klägers in den Ruhestand Erledigung eingetreten. In Bezug auf den Feststellungsantrag fehle dem Kläger das erforderliche Feststellungsinteresse.

5

Gleichfalls mit Schreiben vom 28. September 2010 beantragte der Kläger die Beförderung zum Stabshauptmann und Schadloshaltung für den Fall, dass er bereits hätte befördert werden können. Im September 2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihn zum nächstmöglichen Zeitpunkt zum Stabshauptmann, besoldet nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO, zu befördern und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO einzuweisen sowie die Beklagte zu verpflichten, ihn im Wege des Schadensersatzes vergütungs-, versorgungs- und dienstrechtlich so zu stellen, als wäre er zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmals ein schlechter als er beurteilter Hauptmann nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO befördert worden ist, zum Stabshauptmann befördert worden. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verurteilt, den Kläger im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als sei er am 1. Januar 2006 auf einem nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO dotierten Dienstposten zum Stabshauptmann befördert worden; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Klage auf Beförderung und Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Eine Beförderung setze ein aktives Dienstverhältnis voraus; der Kläger befinde sich aber bereits im Ruhestand. Die Klage auf Schadenersatz sei als Untätigkeitsklage zulässig. Die Klage sei aber unbegründet, weil die Beklagte den Anspruch des Klägers auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl nicht verletzt habe. Gemäß der rechtlich nicht zu beanstandenden Praxis der Bundeswehr seien freigestellte Personalratsmitglieder während eines Zeitraums von sechs Monaten nach ihrer Freistellung noch nicht innerhalb ihrer Referenzgruppe, sondern auf der Grundlage der letzten dienstlichen Beurteilung bei förderlichen Verwendungsentscheidungen der Ausbildungs- und Verwendungsreihe mit zu betrachten. Auf dieser Grundlage sei der Kläger weder anlässlich der Beförderung von Hauptmann S. zum Stabshauptmann, noch im Zuge der Nachbesetzung des Dienstpostens durch Hauptmann B., der Besetzung der vor dem Oberverwaltungsgericht erstmals offen gelegten Dienstposten für Stabshauptleute und den sonst vom Kläger genannten Dienstposten fiktiv auf einen höher dotierten Dienstposten zu versetzen gewesen. Auch die Betrachtung des Klägers innerhalb der Referenzgruppe sei nicht zu beanstanden. Gegen die Bildung der Referenzgruppe bestünden keine Einwände. Der Kläger sei auch nicht deshalb zu befördern gewesen, weil Mitglieder nach vorgenommenem Laufbahnwechsel befördert worden seien. Schließlich sei auch nicht von sog. Zahlfällen auszugehen.

7

2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>).

8

Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie wendet sich vielmehr in der Art eines zulassungsfreien oder bereits zugelassenen Rechtsmittels gegen die rechtliche Argumentation des Oberverwaltungsgerichts im konkreten Fall und macht pauschal die grundsätzliche Bedeutung geltend, ohne allerdings die Frage, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll, herauszuarbeiten. Die Beschwerde geht dabei von den Bestimmungen der Richtlinie des Bundesministeriums der Verteidigung für die Förderung vom Dienst freigestellter Soldatinnen und Soldaten vom 11. Juli 2002 (PSZ I 1 Az. 16-32-00/28, - im Folgenden: Richtlinie -) und der hierzu ergangenen Erläuterungen des Bundesministeriums der Verteidigung vom 9. August 2010 (- im Folgenden: Erläuterungen -) aus. Die Frage, ob die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen und die sonstigen Vorgaben im konkreten Fall auf den vom Gericht festgestellten Sachverhalt zutreffend angewendet worden sind - hier die Handhabung der Richtlinie und der Erläuterungen -, begründet aber nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache.

9

Bei einer am Rechtsschutzbegehren des Klägers orientierten Auslegung der Beschwerdebegründung lassen sich dieser zu Gunsten des Klägers jedoch Fragen entnehmen, denen der Kläger rechtsgrundsätzliche Bedeutung beimisst. Diese rechtfertigen die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedoch nicht.

10

a) Auf der Grundlage der Richtlinie vom 11. Juli 2002 sieht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, ob es mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist, dass das freigestellte Mitglied der Personalvertretung nach Nr. 2.2.2 der Erläuterungen erst dann einzuweisen/zu befördern ist, sobald ein nächstes (nicht freigestelltes) Mitglied der Referenzgruppe für eine Einweisung/Beförderung heran steht und soweit keine Hinderungsgründe in der freigestellten Person vorliegen. Diese Frage kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens dahingehend beantwortet werden, dass diese Vorgehensweise mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang steht (vgl. bereits BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 6 ff. und vom 27. Juni 2014 - 2 B 76.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 75 Rn. 6 ff.).

11

Nach § 51 Abs. 3 Satz 1 SBG und § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG darf die Freistellung eines Soldaten von seiner dienstlichen Tätigkeit wegen der Mitgliedschaft in der Personalvertretung nicht zu einer Beeinträchtigung seines beruflichen Werdegangs führen. Auf welche Weise der Dienstherr dies sicherstellt, ist grundsätzlich ihm überlassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 - Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 15 zum Behinderungsverbot des Art. 48 Abs. 2 GG).

12

Geht man, wie die Beschwerde, von der Richtlinie und den ergänzenden Erläuterungen aus, wird der vom Dienst freigestellte Soldat durch das in Nr. 2.2.2 der Erläuterungen geregelte System in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG beim ersten tatsächlichen Beförderungsverfahren berücksichtigt, in dem er nach seinem Rangplatz hätte ausgewählt werden können. Stellte man entsprechend den Überlegungen der Beschwerde bereits auf den Zeitpunkt der Beförderung eines vor dem freigestellten Mitglied der Personalvertretung eingereihten Soldaten ab, hätte diese Verfahrensweise eine Bevorzugung des freigestellten Soldaten zur Folge. Er würde zu einem Zeitpunkt befördert, in dem er nach seinem fiktiven Leistungsstand nicht hätte ausgewählt werden können. Eine derartige Privilegierung ginge rechtlich unzulässig über das Verbot der Benachteiligung eines freigestellten Soldaten hinaus.

13

Zudem könnte die so formulierte Frage im angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Denn der Kläger steht in der für ihn gebildeten Referenzgruppe auf Rang eins. Das Oberverwaltungsgericht hat aber festgestellt, dass abgesehen von den Mitgliedern, die die Laufbahn gewechselt haben, innerhalb der Referenzgruppe, d.h. innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Soldaten derselben Ausbildungs- und Verwendungsreihe, keine Beförderungen vorgenommen wurden. Dementsprechend gab es keine Beförderungsverfahren, in den der Kläger nach seinem Rangplatz hätte ausgewählt werden können.

14

b) Wie insbesondere den Ausführungen unter 4.2 (S. 14) sowie unter 8. (S. 22; "die Betrachtung des Klägers innerhalb seiner Referenzgruppe") zu entnehmen ist, beziehen sich die Darlegungen unter 4. der Beschwerdebegründung auf die Überlegungen des Oberverwaltungsgerichts zur Mitbetrachtung des Klägers bei förderlichen Verwendungsentscheidungen seiner Ausbildungs- und Verwendungsreihe auf Grundlage der letzten dienstlichen Beurteilung. Auf die unter 4.1 der Beschwerdebegründung aufgeworfenen - vermeintlich rechtsgrundsätzlichen - Fragen kommt es nicht an, weil das Oberverwaltungsgericht die Verneinung eines Schadensersatzanspruchs insoweit selbständig tragend auch auf den Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB gestützt hat.

15

Ist eine Berufungsentscheidung - wie hier - auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Revision nur zugelassen werden, wenn gegenüber jeder der Begründungen ein durchgreifender Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Juni 1990 - 1 B 92.90 - Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20 S. 11 f., vom 20. August 1993 - 9 B 512.93 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 320 S. 51 und vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Daran fehlt es hier, weil die insoweit ausschließlich erhobene Verfahrensrüge, das Oberverwaltungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, unbegründet ist (s. unten 3. a).

16

c) Bei den Ausführungen der Beschwerdebegründung unter 5.3 sieht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in der Frage, ob ein Soldat ein subjektives Recht auf Einhaltung der Zuweisung eines nicht teilstreitkraftspezifischen Dienstpostens zu den einzelnen Teilstreitkräften der Bundeswehr mit der Folge hat, dass keine anderweitige Besetzung erfolgen kann, solange nicht das Bundesministerium der Verteidigung sein Organisationsermessen erneut ausgeübt und z.B. einen Dienstpostenaustausch vorgenommen hat.

17

Auch diese Darlegungen vermögen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu führen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Oberverwaltungsgericht unter Würdigung aller Umstände davon ausgegangen ist, dass der Dienstposten nicht dem Heer, sondern der Teilstreitkraft Luftwaffe zugewiesen war, der zum Zeitpunkt der Nachbesetzung zwar der versetzte Hauptmann B., nicht aber der Kläger angehörte. Zudem ist in der Rechtsprechung geklärt, dass der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG erst auf der Grundlage einer im Rahmen der Organisationsgewalt zur Verfügung gestellten und für die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Aufgaben gewidmeten Stelle eröffnet ist. Die organisations- und haushaltsrechtlichen Vorentscheidungen des Dienstherrn, die zur Existenz eines verfügbaren öffentlichen Amtes führen, sind nicht Gegenstand, sondern Voraussetzung der Gewährleistungen des Art. 33 Abs. 2 GG (BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999 - 2 C 14.98 - Buchholz 237.2 § 12 BlnLBG Nr. 3 S. 5; Gerichtsbescheid vom 21. September 2005 - BVerwG 2 A 5.04 - juris Rn. 21; Beschluss vom 5. November 2012 - 2 VR 1.12 - Rn. 17).

18

d) Die vorstehenden Ausführungen zu c) gelten entsprechend für die - vom Kläger in Bezug auf den Dienstposten mit der Benummerung 15416027 als rechtsgrundsätzlich bezeichnete - Frage nach "dem subjektiven Recht - eines Soldaten - auf Einhaltung der Angaben im Organisations- und Stellenplan".

19

Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass es sich bei der Anforderung eines Hochschul-/Universitätsabschlusses nicht um einen Fehler in der Datenbank der Bundeswehr handelt, sondern die Beklagte bei der früheren Besetzung des Dienstpostens mit der Benummerung 15416027 tatsächlich hierauf bestanden hat. Dass die Forderung nach einem abgeschlossenen Hochschul- oder Universitätsstudium für einen Dienstposten des gehobenen Dienstes ungewöhnlich ist, ist unerheblich. Denn es ist Sache des Organisationsermessens des Dienstherrn, die Anforderungen an einen Dienstposten festzulegen. Aus Art. 33 Abs. 2 GG folgt für den Soldaten nicht der Anspruch, die Anforderungen an den konkreten Dienstposten der Einstufung in den gehobenen Dienst anzupassen und das für einen Dienstposten des gehobenen Dienstes unübliche Erfordernis eines abgeschlossenen Studiums zu streichen.

20

e) Als rechtsgrundsätzlich sieht der Kläger auch die Frage an, ob in der in Laufbahnnachzeichnungsfällen gegebenen Fallkonstellation Verwirkung überhaupt denkbar ist. Auch diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, weil sie auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne beantwortet werden kann, dass auch insoweit Verwirkung in Betracht kommt (BVerwG, Beschlüsse vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 14 ff. und vom 27. Juni 2014 - 2 B 76.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 75 Rn. 10 bis 12).

21

Der Rechtsgedanke der Verwirkung als Unterfall des Grundsatzes von Treu und Glauben ist auch im öffentlichen Recht einschließlich des öffentlichen Dienstrechts anwendbar. Dieser Einwand setzt neben dem Zeitablauf voraus, dass der Inhaber eines materiellen oder prozessualen Anspruchs oder Gestaltungsrechts innerhalb eines längeren Zeitraums unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BVerwG, Urteil vom 29. August 1996 - 2 C 23.95 - BVerwGE 102, 33 <36> = Buchholz 237.95 § 10 S-HLBG Nr. 2 S. 4 m.w.N.; Beschluss vom 29. Oktober 2008 - 2 B 22.08 - juris Rn. 4). Danach kann ein Beamter oder Soldat sowohl sein materielles Recht auf Überprüfung und gegebenenfalls Änderung seiner dienstlichen Beurteilung als auch das prozessuale Klagerecht (BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67 - BVerfGE 32, 305 <308 ff.>; BVerwG, Urteil vom 13. November 1975 - 2 C 16.72 - BVerwGE 49, 351 <358> = Buchholz 237.1 Art. 118 BayBG Nr. 1 S. 5) oder auch seinen Anspruch auf Zahlung einer jährlichen Sonderzuwendung verwirken (BVerwG, Urteil vom 13. November 2008 - 2 C 11.07 - Buchholz 449.4 § 30 SVG Nr. 1 Rn. 21 ff.).

22

Diese Grundsätze gelten auch für einen freigestellten Soldaten, der trotz Erläuterung der für sein berufliches Fortkommen maßgeblichen Referenzgruppe erst nach Ablauf von mehreren Jahren geltend macht, diese Referenzgruppe sei verspätet sowie in personeller Hinsicht bereits im Grundsatz und in der Reihung fehlerhaft gebildet worden. Die Frage, ob die Grundsätze im konkreten Einzelfall zutreffend angewendet worden sind, begründet nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache.

23

f) Die Ausführungen unter 8.2 bis 8.5 der Beschwerdebegründung (S. 25 bis 30) beziehen sich auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Bildung der Referenzgruppe zum 1. Oktober 2004. Seine rechtliche Schlussfolgerung, die Bildung dieser Referenzgruppe sei nicht zu beanstanden, hat das Berufungsgericht auf mehrere selbstständig tragende Gründe gestützt (UA S. 24 bis 26). In Bezug auf den insoweit selbstständig tragenden Aspekt der Verwirkung greift keine Rüge durch. Deshalb kann das Vorbringen in der Beschwerdebegründung zu den sonstigen Aspekten der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Referenzgruppe nicht zur Zulassung der Revision führen.

24

g) Die unter 9. der Beschwerdebegründung der Sache nach als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob ein freigestelltes Personalratsmitglied nach dem Referenzgruppenmodell zu befördern ist, wenn Mitglieder seiner Referenzgruppe nach einem Laufbahnwechsel zum Major im Truppendienst befördert worden sind, rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht. Denn diese Frage lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens im Sinne des Urteils des Oberverwaltungsgerichts beantworten (vgl. bereits BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 74 Rn. 18 ff.).

25

Beim militärfachlichen Dienst sowie dem Truppendienst handelt es sich um unterschiedliche Laufbahnen innerhalb der Laufbahngruppe der Offiziere (Anlage zu § 3 SLV). Die Beförderung zum Major nach einem Laufbahnwechsel vom Truppendienst setzt auch die erfolgreiche Teilnahme an einem Stabsoffizierlehrgang voraus (§ 25 Abs. 2 SLV). Von dieser Anforderung kann der Kläger nicht allein deshalb befreit werden, weil er als Personalratsmitglied von der Erfüllung seiner militärischen Dienstpflichten freigestellt ist (BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 2001 - 1 WB 24.01 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 26 S. 14). Eine solche Befreiung bedeutete eine Begünstigung eines freigestellten Personalratsmitglieds, die mit dem schlichten Benachteiligungsverbot (§ 51 Abs. 3 Satz 1 SBG und § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG) nicht in Einklang stünde.

26

Zudem hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Kläger in Bezug auf einen grundsätzlich möglichen Laufbahnwechsel nicht den hierfür erforderlichen Antrag gestellt hat.

27

h) Aufgrund des Benachteiligungsverbots hat der Dienstherr dem Personalratsmitglied eine berufliche Entwicklung zukommen zu lassen, wie sie ohne Freistellung verlaufen wäre. Wie dieser Grundsatz im Einzelnen zu verwirklichen ist, liegt im Ermessen des Dienstherrn (BVerwG, Urteile vom 10. April 1997 - 2 C 38.95 - Buchholz 236.1 § 3 SG Nr. 16 S. 35 und vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 - Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 15). Das von der Beklagten hierfür gewählte Referenzgruppenmodell ist grundsätzlich geeignet, der Zielsetzung des Behinderungsverbots Rechnung zu tragen, weil es eine Fortentwicklung der Leistung entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Soldaten unterstellt (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 2 B 1.13 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 74 Rn. 23). Die erforderliche Größe der für ein freigestelltes Personalratsmitglied gebildeten Referenzgruppe ist aber eine Frage des Einzelfalls und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

28

i) Auch die Ausführungen unter 11. der Beschwerdebegründung zur Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Referenzgruppe sich für eine Nachzeichnung nicht mehr eignet, weil die den Anknüpfungstatbestand bildenden dienstlichen Beurteilungen der freigestellten Person nicht mehr hinreichend aktuell sind, führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

29

Der Dienstherr ist gehindert, vom Dienst freigestellte Personalratsmitglieder für die Zeit der Freistellung dienstlich zu beurteilen. Mangels aktueller dienstlicher Beurteilungen kann der Dienstherr den beruflichen Werdegang des Personalratsmitglieds fiktiv nachzeichnen. Hierbei kann er auch dem Gesichtspunkt einer zu erwartenden Leistungssteigerung im Rahmen des Vertretbaren Rechnung tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 - 2 C 38.95 - Buchholz 236.1 § 3 Nr. 16 S. 35). Die fiktive Fortschreibung fingiert nicht nur eine tatsächlich im Beurteilungszeitraum nicht erbrachte Dienstleistung, sie unterstellt auch eine Fortentwicklung der Leistungen des Soldaten entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Soldaten. Damit prognostiziert sie, wie der Soldat voraussichtlich zu beurteilen wäre, wäre er im maßgeblichen Zeitraum nicht freigestellt und hätten sich seine Leistungen wie die vergleichbarer Soldaten fortentwickelt.

30

Stellt die fiktive Fortschreibung hiernach als in mehreren Punkten hypothetische Vergleichsbetrachtung eine bloße Prognose dar, so setzt sie eine belastbare Tatsachengrundlage voraus. Aus diesem Erfordernis ergeben sich die Grenzen der Nachzeichnungsmöglichkeit: Lässt sich eine belastbare Prognose nicht treffen, kann von einer Beurteilung tatsächlicher Leistungen als Grundlage einer dem Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werdenden Auswahlentscheidung nicht abgesehen werden. Denn eine fiktive Fortschreibung ohne belastbare Tatsachengrundlage ist einer auf der Grundlage tatsächlicher Leistungen erstellten Beurteilung nicht mehr vergleichbar. Sie kann daher dem einheitliche Bewertungsmaßstäbe voraussetzenden Leistungsgrundsatz in einem Auswahlverfahren nicht mehr genügen. Eine nicht auf zureichender tatsächlicher Grundlage beruhende fiktive Fortschreibung einer vergangenen Beurteilung ermöglicht keinen Vergleich mit einem konkurrierenden Bewerber, der in seinen aktuellen Leistungen beurteilt wird.

31

Die Verlässlichkeit einer Prognose über die voraussichtliche Leistungsentwicklung eines freigestellten Beamten ist umso höher, je länger und je qualifizierter dieser vor der Freistellung dienstliche Aufgaben erledigt hat, je kürzer dies zurückliegt und je eher diese Aufgaben mit denjenigen des angestrebten Beförderungsamtes oder -dienstpostens vergleichbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - BVerwGE 126, 133 <338 f.>). Hiernach ist die tatsächliche Möglichkeit einer belastbaren Prognose auch von der Dauer des Zeitraumes abhängig, der zwischen der letzten beurteilten Dienstleistung und dem Beurteilungszeitraum liegt, für den die fiktive Fortschreibung erfolgen soll. Ab welcher Zeitspanne zwischen der letzten beurteilten Dienstleistung und dem Stichtag die tatsächlichen Erkenntnisse eine Prognose über die Leistungsentwicklung nicht mehr tragen können, ist eine Frage des Einzelfalles und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2010 - 2 C 11.09 - Buchholz 232.1 § 33 BLV Nr. 3 Rn. 10 f.).

32

j) Auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Antrag auf Beweiserhebung als bloßer Ausforschungsbeweis zu bewerten ist, begründet nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese Frage ist in der Rechtsprechung bereits geklärt (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 1995 - 11 B 21.95 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 266 S. 10 f. und vom 28. Mai 2013 - 7 B 46.12 - juris Rn. 6). Die korrekte Anwendung dieser Grundsätze ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine der richtigen Rechtsanwendung im Einzelfall (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Juni 2014 - 2 B 75.13 - DokBer 2014, 314 Rn. 20).

33

3. Die Beschwerde hat auch keinen Verfahrensmangel dargelegt, auf dem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

34

a) Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihnen zu befassen. Dagegen gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz gegen gerichtliche Entscheidungen, die den Sachvortrag eines Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts teilweise oder ganz unberücksichtigt lassen (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216 f.> m.w.N.).

35

aa) Danach hat das Oberverwaltungsgericht nicht dadurch das Recht des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, dass es im Urteil auf tatsächliches und rechtliches Vorbringen des Klägers zu Umständen nicht eingegangen ist, auf die es nach seiner Rechtsauffassung nicht ankommt. Maßgeblich ist jeweils die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, weil die Entscheidung nur dann auf dem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann.

36

Dies gilt z.B. für die Ausführungen zum etwaigen Anspruch des Klägers auf Beförderung zum Stabshauptmann (BesGr A 13 BBesO). Insoweit ist das Oberverwaltungsgericht ersichtlich von der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung ausgegangen und hat festgestellt, dass sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt trotz der von ihm gegen seine Versetzung in den Ruhestand (§ 44 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 Nr. 4 SG) erhobenen Beschwerde nicht mehr in einem aktiven Dienstverhältnis befunden hat, das für eine Beförderung Voraussetzung ist. Die Beschwerde eines Soldaten gegen die Entscheidung über die Beendigung seines Wehrdienstverhältnisses hat nach § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO keine aufschiebende Wirkung. Da die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die Zurruhesetzungsverfügung nicht nach § 23 Abs. 6 Satz 3 WBO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO angeordnet worden ist, musste das Berufungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung davon ausgehen, dass der Kläger nicht mehr aktiver Soldat ist. Aufschiebende Wirkung kommt auch der vom Kläger im März 2015 gegen die Zurruhesetzungsverfügung erhobenen Anfechtungsklage nicht zu. Denn § 23 Abs. 6 WBO verweist lediglich auf die Bestimmungen des § 80 Abs. 5, 7 und 8 VwGO, nicht aber auf Absatz 1 des § 80 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2015 - 1 WB 27.13 - Buchholz 450.1 § 23 WBO Nr. 1 Rn. 19 f.).

37

bb) Das Vorbringen des Klägers zur Kontaktaufnahme mit seinem Personalführer aus Anlass der Beförderung des Hauptmanns S. hat das Oberverwaltungsgericht zur Kenntnis genommen. Dass es dem Vortrag des Klägers inhaltlich nicht gefolgt ist und vielmehr angenommen hat, der Kläger habe es zumindest fahrlässig unterlassen, aus Anlass dieser Beförderung zur Wahrung seiner Rechte einen Antrag auf Beförderung zu stellen, stellt keine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör dar. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte nicht dazu, einen tatsächlichen Umstand die vom Kläger erwünschte Bedeutung beizumessen oder seiner Rechtsansicht zu folgen (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678/81 u.a. - BVerfGE 64, 1 <12>).

38

cc) Wie der Tatbestand des Berufungsurteils belegt, hat das Oberverwaltungsgericht auch das Vorbringen des Klägers zur Nachbesetzung des Dienstpostens mit dem Angehörigen der Luftwaffe, Hauptmann B., zur Kenntnis genommen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt den Verfahrensbeteiligten aber gerade nicht davor, dass das Gericht die Umstände abweichend von der Einschätzung des Beteiligten würdigt.

39

Dies gilt entsprechend für das Vorbringen zur Frage, ob die Bundeswehr das ihr bei der Zuweisung von Stellen zu den verschiedenen Teilstreitkräften eröffnete Ermessen mit dem Ziel missbraucht hat, den Kläger als leistungsstärkeren Soldaten von einer Beförderung auszuschließen. Auch insoweit hat das Berufungsgericht die Umstände anders gewürdigt als der Kläger, ohne dass dies dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

40

Das Recht des Klägers aus Art. 103 Abs. 1 GG ist danach auch nicht dadurch verletzt, dass das Oberverwaltungsgericht angenommen hat, der mit Hauptmann B. nachbesetzte Dienstposten sei noch der Teilstreitkraft Luftwaffe zugeordnet gewesen.

41

dd) Der Tatbestand des Berufungsurteils belegt ferner, dass das Oberverwaltungsgericht den Vortrag des Klägers zum Vorbringen der Beklagten, Dienstposten für Stabshauptleute seien grundsätzlich nur innerhalb der jeweiligen Ausbildungs- und Verwendungsreihe besetzt worden, zur Kenntnis genommen hat. Dass das Oberverwaltungsgericht unter Würdigung des Vorbringens der Beteiligten insoweit den Ausführungen der Beklagten (zuletzt Schriftsatz vom 27. Januar 2014, AS 692) gefolgt ist, verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht.

42

ee) Der Anspruch des Klägers nach Art. 103 Abs. 1 GG wird auch nicht durch die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Dienstposten mit der Benummerung 15416027 verletzt.

43

In Bezug auf den Aspekt der fehlenden Eignung des Klägers für diesen konkreten Dienstposten wird nicht dargelegt, welches Vorbringen des Klägers das Oberverwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen hat. Der ferner vom Kläger hervorgehobene Umstand, er sei bereits in der Zeit von 2000 bis 2002 auf einem Dienstposten verwendet worden, für den ein Studium der Nachrichtentechnik Voraussetzung gewesen sei, ist auf der Basis der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, wonach dieser Dienstposten den erfolgreichen Abschluss eines Hochschul- oder Universitätsstudiums voraussetzt, unerheblich.

44

ff) Die Darlegungen im Berufungsurteil zum Gedanken der Verwirkung einer Rüge des Klägers gegen die Bildung der am 1. Oktober 2004 aufgestellten Referenzgruppe verletzen den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör ebenfalls nicht. Das Vorbringen des Klägers zur Verwirkung, das das Oberverwaltungsgericht übergangen haben soll, bezieht sich auf die Bildung einer aktualisierten Referenzgruppe ab November 2010. Gegenstand der Überlegungen des Berufungsgerichts ist aber die ursprüngliche Bildung der Referenzgruppe. Der frühere Hauptmann S. ist bereits zum 1. August 2004 zum Stabshauptmann befördert worden, sodass er bei der Bildung der Referenzgruppe ab November 2010 ohnehin nicht mehr einzubeziehen war.

45

gg) Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung unter 8.6 zu - angeblich - weiteren Dienstpostenbesetzungsentscheidungen genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Ausgehend von der Vorgehensweise der Bundeswehr, insoweit auf die jeweilige Ausbildungs- und Verwendungsreihe des betreffenden Soldaten abzustellen, hätte dargelegt werden müssen, bei welchen Besetzungen von Dienstposten unter Umständen Anlass bestanden hätte, den Kläger mit der Ausbildungs- und Verwendungsreihe "Fernmeldeverbindungsdienst" mit zu betrachten. Zudem ist es nicht Aufgabe des über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidenden Gerichts, die Akten des gerichtlichen Verfahrens daraufhin zu überprüfen, in welchem Schriftsatz der Kläger eine bestimmte Behauptung aufgestellt hat.

46

hh) Auf - vermeintlich übergangenen - Vortrag zur Frage einer prognostischen Betrachtung des Werdegangs des Klägers kommt es nach der insoweit maßgeblichen - und auch zutreffenden - Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht an. Denn hinsichtlich der Beförderung von Mitgliedern der Referenzgruppe des Klägers zum Major im Truppendienst ist maßgeblich, dass diese zuvor erfolgreich am Stabsoffizierlehrgang teilgenommen haben. Auch ein freigestelltes Personalratsmitglied kann die Laufbahn nicht ohne Erwerb der Befähigung für die neue Laufbahn wechseln.

47

ii) Nicht zu beanstanden ist es schließlich, dass das Oberverwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Antrag des Klägers abgelehnt hat, zum Beweis der Tatsache, dass es in der Referenzgruppe des Klägers mindestens einen Zählfall gegeben hat, die Personalakten sämtlicher Mitglieder der Referenzgruppe des Klägers (Rang 2 bis 10) beizuziehen und urkundenbeweislich zu verwerten. Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht angenommen, es handele sich um einen sog. Ausforschungsbeweis.

48

Der Kläger legt in der Beschwerdebegründung nicht dar, dass dieser anerkannte Ablehnungsgrund hier nicht vorliegt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Anforderungen an die Substanziierung eines Beweisantrags, die sich auch nach der konkreten prozessualen Situation richten, nicht überspannt.

49

Die gebotene Substanziierung erschöpft sich nicht in der Nennung eines bestimmten Beweismittels und der Behauptung einer bestimmten Tatsache, die das Beweisthema bezeichnet. Das Substanziierungsgebot verlangt vielmehr, dass die Tatsache vom Beteiligten mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit als wahr und mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Zwar darf sich ein Beteiligter insoweit mit einer Vermutung begnügen, wenn, wie hier, die zu beweisende Tatsache nicht in seinen eigenen Erkenntnisbereich fällt (BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - 8 B 37.11 - ZOV 2011, 264 Rn. 13). Wenn die Gegenseite aber der aufgestellten Vermutung mit einer plausiblen Erklärung entgegengetreten ist, darf diese nicht einfach ignoriert werden. Vielmehr muss sich der Beteiligte mit dieser Erklärung auseinandersetzen und hat greifbare Anhaltspunkte dafür zu benennen, dass seine Vermutung entgegen der Erklärung der Gegenseite doch zutrifft. Einer ohne Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten "ins Blaue hinein" aufrechterhaltenen Behauptung muss das Gericht nicht nachgehen (BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 1988 - 7 CB 81.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 196 S. 14).

50

Die Beklagte hat im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 15. November 2013 auf Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts die Personalakten der übrigen Mitglieder der für den Kläger gebildeten Referenzgruppe nochmals ausgewertet. Dabei konnte kein Fall festgestellt werden, in dem einem Mitglied dieser Referenzgruppe eine förderliche Verwendung angeboten, diese jedoch vom betreffenden Soldaten abgelehnt worden ist (sog. Zählfall).

51

Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass sich der Kläger mit diesen konkreten Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 5. Dezember 2013 auseinander gesetzt und im Anschluss an die Übermittlung dieses Schreibens einen Anhaltspunkt für die Richtigkeit seiner Behauptung genannt hat.

52

b) Der Kläger sieht seinen Anspruch auf rechtliches Gehör ferner durch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts verletzt, es habe zum Zeitpunkt der Nachbesetzung des Dienstpostens mit Hauptmann B. (Luftwaffe) keinen Kompensationsdienstposten zu Gunsten des Heeres gegeben, der mit dem Kläger hätte (fiktiv) besetzt werden können (5.4 der Beschwerdebegründung). Die weiteren Ausführungen, es fehle für die Schlussfolgerungen des Berufungsgerichts an einer hinreichenden Tatsachengrundlage, deuten eher darauf hin, dass damit eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend gemacht werden soll. Auch diese Verfahrensrüge ist unbegründet.

53

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 und vom 21. Mai 2013 - 2 B 67.12 - juris Rn. 18 m.w.N.). Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339> und vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>; Beschlüsse vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27, vom 31. Oktober 2012 - BVerwG 2 B 33.12 - NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 12 und vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 19).

54

Das Ergebnis der gerichtlichen Beweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 30.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie Beschluss vom 23. September 2013 - 2 B 51.13 - juris Rn. 19).

55

Einen derartigen Verfahrensmangel zeigt die Beschwerde nicht auf. Es wird nicht dargelegt, dass das Oberverwaltungsgericht insoweit den für die Entscheidung erheblichen Inhalt der Akte übergangen hat. Die Schlussfolgerung des Oberverwaltungsgerichts, die Kompensation zu Gunsten des Heeres sei nicht bereits zum Zeitpunkt der Nachbesetzung des Dienstpostens durch Hauptmann B., sondern erst zum 31. Dezember 2006 erfolgt, ist auch weder denkgesetzlich ausgeschlossen noch weist sie gedankliche Brüche oder Widersprüche auf.

56

c) Sollten die Darlegungen unter 5.4 ("unterbliebenen Aufklärung") dahingehend auszulegen sein, dass damit auch eine Verletzung der Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend gemacht wird, so wäre auch diese Rüge unbegründet. Das Vorbringen genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

57

Derjenige Verfahrensbeteiligte, der einen Verstoß gegen die dem Gericht obliegende Pflicht zur Klärung des Sachverhalts geltend macht, obwohl er - durch eine nach § 67 Abs. 1 VwGO postulationsfähige Person sachkundig vertreten - in der Berufungsinstanz keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, muss, um den gerügten Verfahrensmangel prozessordnungsgemäß zu bezeichnen, substanziiert darlegen, weshalb sich dem Tatsachengericht aus seiner maßgeblichen materiell-rechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der aufgezeigten Richtung hätte aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um - vermeintliche - Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen, auszugleichen (BVerwG, Beschlüsse vom 2. März 1978 - BVerwG 6 B 24.78 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 164 S. 43 f., vom 6. März 1995 - 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 9 und vom 27. Januar 2012 - 5 B 2.12 - juris Rn. 12). Diese Voraussetzungen sind hier durch den bloßen Hinweis, die Aufklärung sei unterblieben, nicht erfüllt.

58

4. Sollte mit den Ausführungen unter 9. der Beschwerdebegründung im Hinblick auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 - (BVerwGE 126, 333 = Buchholz 237.8 § 12 RhPLBG Nr. 1) auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend gemacht worden sein, so genügen diese nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Denn die Beschwerde benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Im Übrigen betrifft das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. September 2006 lediglich den Fall einer - schlichten - Beförderung eines freigestellten Beamten und nicht den anders gelagerten Fall des Laufbahnwechsels nach dem Erwerb zusätzlicher Qualifikationen durch die erfolgreiche Teilnahme an einem Stabsoffizierlehrgang.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 71 Abs. 1 Satz 1, § 40, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 6 Satz 4 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG n.F. Der Wert des Schadensersatzantrages ist gemäß § 52 Abs. 7 GKG nicht zusätzlich anzusetzen.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte zum bauaufsichtlichen Einschreiten verpflichtet ist.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der Fl.Nr. …2 der Gemarkung Alzenau, … Nordwestlich an das Grundstück grenzt das Grundstück mit der Fl.Nr. …9 der Gemarkung Alzenau, …, welches im Eigentum des Beigeladenen steht.

Unter dem 20. Januar 2015 ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten stellen. Es wurde u.a. gerügt, dass durch den Beigeladenen die Abstandsvorschriften der Bayer. Bauordnung für die genehmigte Wohnbebauung nicht eingehalten würden und dass die erforderliche Brandschutzwand zum Grundstück der Klägerin hin nicht den einschlägigen Vorschriften des Brandschutzes entspreche und auch nie entsprochen habe.

Unter dem 2. Februar 2015 teilte die Beklagte den Bevollmächtigten der Klägerin mit, dass sich bei dem Anwesen … keine Änderung zum bereits vor Jahren genehmigten Gebäudebestand und der Gebäudesubstanz ergeben habe. Sämtliche Glasbausteine im Erdgeschoss an der Nachbargrenze seien vorhanden und unverändert.

Nachdem auch der anschließende Schriftverkehr zwischen dem Klägerbevollmächtigten und der Beklagten zu keinem Ergebnis führte, ließ die Klägerin mit Schreiben vom 25. Februar 2016 Klage erheben und beantragen,

die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nutzung der Grenzgarage auf dem Grundstück Fl.Nr. …9 der Gemarkung Alzenau (…) zu Wohnzwecken, sowie allenfalls zur Errichtung einer den einschlägigen Vorschriften entsprechenden Brandwand zu ihrem Grundstück Fl.Nr. …2 (…) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Zur Begründung wurde erklärt, die Klägerin habe einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten, da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten vorlägen. Nach der aus der Akteneinsicht gewonnenen Erkenntnis genieße der Beigeladene für das Wohngebäude im aktuellen Zustand keinen Bestandsschutz, weder hinsichtlich der Grenzbebauung, noch hinsichtlich des Brandschutzes. Die sich in den Akten befindliche Baugenehmigung vom 8. Mai 1961 sei viel zu unbestimmt. Eine Grenzbebauung sei somit nicht wirksam genehmigt worden. Doch selbst bei wirksamer Genehmigung bestehe bis heute ein ordnungsgemäßer Gebäudezustand und ein ordnungsgemäßer Brandschutz nicht. Die Beklagte wäre daher im Rahmen der Genehmigung der Umnutzung des Nebengebäudes verpflichtet gewesen, auch und gerade im Interesse und zum Schutz der Klägerin als Nachbarin, die Frage eines ordnungsgemäßen Brandschutzes nach den aktuellen Vorschriften und Anforderung zu prüfen. Nach den Feststellungen der Klägerin lägen deshalb die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für ein bauaufsichtliches Einschreiten vor. Es liege nunmehr an der Beklagten, eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten zu treffen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2016,

die Klage abzuweisen.

Die im Jahre 1961 erteilte Baugenehmigung sei bestimmt genug. Zur Grenzbebauung sei vorzutragen, dass in der Umgebung zwar überwiegend die offene Bauweise vorherrsche, auf dem nur ca. 20 m nordöstlich des Baugrundstücks des Beigeladenen gelegenen Grundstück mit der …7 habe allerdings zum Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung ein grenzständiges Gebäude existiert. Die am 13. Juli 1961 erteilte Baugenehmigung gewähre jedenfalls dem Beigeladenen für das auf ihrer Grundlage geschaffene Bauwerk im aktuellen Zustand sowohl hinsichtlich der Grenzbebauung zum Grundstück der Klägerin, als auch hinsichtlich des Brandschutzes kraft formeller Legalität Bestandsschutz.

Die Kammer hat am 9. August 2016 die betroffenen Grundstücke in Augenschein genommen. Auf die Niederschrift wird verwiesen. Ebenso wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage in der Form der Verbescheidungsklage hat keinen Erfolg.

1. Es bestehen seitens der Kammer bereits erhebliche Bedenken, ob die Klage überhaupt zulässig ist.

a) Der Klägervertreter hat ausweislich der Akte mit Schreiben vom 20. Januar 2015, bei der Beklagten eingegangen am 21. Januar 2015, ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gefordert. Insbesondere hat er beantragt, die Nutzung zu Wohnzwecken zu untersagen, bis rechtmäßige Verhältnisse im Rahmen der Bauaufsicht hergestellt sind. Mit Schreiben vom 2. Februar 2015, zur Post gegeben am gleichen Tag, hat die Beklagte dem Klägervertreter mitgeteilt, dass es keinen Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten gebe, da zwischen dem Anwesen der Klägerin und dem Anwesen … keine Änderung zum bereits vor Jahren genehmigten Gebäude und der Gebäudesubstanz bestehe. Wertet man dieses Schreiben der Beklagten vom 2. Februar 2015 als ablehnenden Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, wofür vieles spricht, dann hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, eine Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten binnen Jahresfrist, das heißt bis zum 5. Februar 2016, zu erheben, da dem Bescheid eine Rechtsmittelbelehrungnicht beigefügt war (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO). Dies ist jedoch nicht erfolgt. Es spricht daher viel dafür, dass die mit Schriftsatz vom 25. Februar 2016 erhobene und beim Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tag eingegangene Klage verfristet ist.

b) Zweifel bestehen seitens der Kammer weiterhin, ob die Klägerin für das vorliegende Verfahren überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis hat bzw. ob die Klage nicht wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis infolge Verwirkung unzulässig ist.

Die Verwirkung prozessualer Befugnisse setzt voraus, dass jemand - insbesondere in dreipoligen Rechtsverhältnissen wie hier - die Geltendmachung seiner prozessualen Rechte in einer gegen Treu und Glauben verstoßenden und das öffentliche Interesse am Rechtsfrieden missachtenden Weise verzögert. Dies ist der Fall, wenn ein Kläger, obwohl er vom Vorliegen einer Baugenehmigung bereits längere Zeit sichere Kenntnis hatte oder hätte erlangen können, diesen Antrag erst zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem der Bauherr nach den besonderen Umständen des Falles nicht mehr mit einer Anfechtung seiner Baugenehmigung rechnen musste bzw. darauf vertrauen durfte, dass ein Rechtsschutzantrag auch zukünftig nicht mehr gestellt wird (vgl. BVerwG v. 7.2.1974 - III C 115.71 - juris).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich ein Nachbar, der sichere Kenntnis von der Erteilung einer Baugenehmigung erhalten hat oder diese Kenntnis hätte haben müssen, so behandeln lassen, als sei ihm die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntniserlangung oder in dem Zeitpunkt, in dem er diese Kenntnis hätte erlangen müssen, amtlich bekannt gegeben worden (vgl. BVerwG v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182). Nachbarn stehen zueinander in einem „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“, das nach Treu und Glauben von ihnen besondere Rücksichten gegeneinander fordert (vgl. BVerwG v. 18.3.1988 - 4 B 50/88 - juris). Aus dem nachbarlichen Gegenseitigkeits- und Gemeinschaftsverhältnis resultiert etwa die Pflicht, Einwendungen gegen ein Bauvorhaben möglichst unverzüglich vorzutragen, um auf diese Weise wirtschaftlichen Schaden vom Bauherren abzuwenden oder möglichst gering zu halten (vgl. BVerwG v. 16.5.1991, a.a.O.). Die Ableitung aus Treu und Glauben und dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis bedingt, dass diese Grundsätze nicht nur für unmittelbar benachbarte Grundstücke anzuwenden sind (so ausdrücklich BVerwG v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 - BVerwG 78, 85). Entscheidend ist allein, dass die Grundstücke derart nah beieinander liegen, dass von einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis und aus Treu und Glauben ableitbaren Bindungen gesprochen werden kann. Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er mit seinen Einwendungen länger als notwendig gewartet hat (vgl. BayVGH v. 16.11.2009 - Az. 2 ZB 08.2389 - juris). Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt dabei entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BVerwG v. 16.5.1991 a.a.O.). Dabei ist in der Rechtsprechung jedenfalls anerkannt, dass bereits vor Ablauf der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO Verwirkung eintreten kann (vgl. BVerwG v. 16.5.1991, a.a.O.). Maßgeblich ist dabei nicht das Erkennen, sondern die Erkennbarkeit der Genehmigung bzw. der hierdurch verursachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und den Nachbarn bestehenden besonderen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Kenntnisnahme ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen geltend zu machen hat (vgl. OVG NRW v. 28.1.2016 - 10 A 447/14 - juris). Dabei kommt es maßgeblich auf die Erkennbarkeit der spezifischen Risiken und Beeinträchtigungen für den Nachbarn an. Gerade die Herleitung der Verpflichtung des Nachbarn aus Treu und Glauben und dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis gebietet es, nicht lediglich auf die Erteilung einer Baugenehmigung, sondern auch für den Nachbarn erkennbar hierdurch ausgelöste negative Beeinträchtigungen abzustellen. Denn eine aus Treu und Glauben herzuleitende Verpflichtung des Nachbarn zu aktivem Tun kann lediglich dann bestehen, wenn ihm nicht nur die Tatsache der Erteilung der Genehmigung bekannt wird, sondern auch deren Umfang und Folgen für seine Rechte zumindest erkennbar sind (vgl. VGH Baden-Württemberg v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - juris).

Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen spricht vorliegend viel für eine Verwirkung des Rechtsschutzinteresses für die erhobene Verpflichtungsklage. Der Klägerin war insbesondere die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 11. Dezember 2014 bekannt. Sie wurde ihr, wie der Klägervertreter selbst vorgetragen hat, am 11. Dezember 2014 zugestellt. Ausweislich dieser Baugenehmigung wurde dem Beigeladenen die Nutzungsänderung der Gaststätte zu Wohnraum im Erdgeschoss zum Anwesen der Klägerin hin genehmigt. Da die Klägerin im vorliegenden Verfahren nunmehr gerade diese genehmigte Nutzung zu Wohnzwecken angreift und ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten fordert, spricht viel dafür, dass sie ihr Rechtsschutzinteresse verwirkt hat, zumal sie durchaus die Möglichkeit hatte, die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 11. Dezember 2014 anzufechten.

2. Doch selbst wenn man vorliegend von der Zulässigkeit der erhobenen Klage ausgehen sollte, so wäre die Verpflichtungsklage jedenfalls unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Ermessensentscheidung über den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei der vorliegenden Verpflichtungs- bzw. Verbescheidungsklage ist dabei grundsätzlich der der letzten mündlichen Verhandlung. Einem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die bauliche Nutzung des Grundstücks des Beigeladenen steht bereits die Legalisierungswirkung der Baugenehmigungen vom 13. Juli 1961 und 11. Dezember 2014 entgegen. Darüber hinaus ist die Klägerin durch die bauliche Nutzung nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt.

Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO können sie in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen. Gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden.

Ein Anspruch des Nachbarn auf Erlass einer bauaufsichtlichen Anordnung ist nur gegeben, wenn die bauliche Anlage bzw. deren Nutzung gegen eine nachbarschützende Vorschrift des öffentlichen Rechts verstößt, wenn die Bauaufsichtsbehörde deshalb zum Einschreiten berechtigt ist (Art. 76 Satz 2, Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO, Art. 8 LStVG analog) und wenn besondere Voraussetzungen vorliegen, unter denen sich das Eingriffsermessen der Bauaufsichtsbehörde zum Schutz des Nachbarn zu einer Eingriffspflicht verdichtet (vgl. BayVGH v. 31.3.2004 - 1 ZB 03.452 - juris Rn. 8). Eine Ermessensreduzierung zu Gunsten eines in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffenen Nachbarn kann nur bei besonders qualifizierten Beeinträchtigungen der nachbarlichen Rechtsstellung in Betracht kommen, namentlich, wenn eine unmittelbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leben oder Gesundheit droht oder sonstige unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind (vgl. BayVGH v. 18.6.2008 - 9 ZB 09.497 - juris Rn. 4 m.w.N.). Von einer Ermessensreduzierung auf Null ist dann auszugehen, wenn die von der rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen, und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt (vgl. BayVGH v. 16.11.2005 - 14 ZB 05.2018 - juris). Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten scheidet bereits dann aus, wenn sich die Nutzung innerhalb der Variationsbreite der genehmigten Nutzung bewegt und damit vom Bestandsschutz der Baugenehmigung umfasst ist (vgl. OVG NRW v. 28.1.2016 - 10 A 447/14 - juris Rn. 52).

Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen steht einem Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten bereits die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung vom 13. Juli 1961 und der Baugenehmigung vom 11. Dezember 2014 entgegen. Ausweislich der Baugenehmigung vom 13. Juli 1961 wurde dem Bauherrn … F …, …, die bauaufsichtliche Genehmigung zum Neubau einer Garage, Gastraum und Küche auf dem Grundstück Plan-Nr. …9 der Steuergemeinde Alzenau erteilt. Dabei ergibt sich aus den Planunterlagen, dass die unterkellerte Garage samt Gastraum direkt an der Grundstücksgrenze zum Anwesen R … errichtet werden konnte. Ebenso wurde der Anbau von drei Glasbausteinfenstern in der Grenzmauer zum Anwesen R … hin genehmigt.

Mit der Baugenehmigung vom 11. Dezember 2014 wurde dem Bauherrn … G …, …, …, für dieses Anwesen die Genehmigung für den Gebäudeumbau und die Nutzungsänderung der Gaststätte zu Wohnraum erteilt. Ausweislich der genehmigten Pläne sollten in dem ehemaligen Gastraum ein Schlafzimmer und ein Bad entstehen. Keine Änderungen erfolgten an der Grenzwand und insbesondere auch nicht an den Glasbausteinfenstern.

Von der Wirksamkeit dieser Baugenehmigungen ist auszugehen. Insbesondere lässt das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich einer geltend gemachten Unbestimmtheit der Baugenehmigung vom 13. Juli 1961 keinen zur Nichtigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führenden Verstoß erkennen (Art. 44 BayVwVfG). Allenfalls erhebliche Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten können zur Nichtigkeit einer Baugenehmigung führen (vgl. Simon/Busse/Gassner, BayBO, Art. 64 Rn. 32, Beck-Online). Solche erheblichen Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten wurden von der Klägerin auch unter Berücksichtigung des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 1. September 2016 nicht substantiiert vorgebracht. Bezüglich der Einwendung, im Rahmen der Baugenehmigung vom 13. Juli 1961 sei die Frage der Grenzbebauung und damit auch die Frage der Zulässigkeit der Grenzbebauung nirgendwo erwähnt und damit auch nicht verbeschieden, weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass in dem auf dem genehmigten Grundrissplan dargestellten Lageplan das Baugrundstück und damit auch dessen Grenzen ausreichend und nachvollziehbar gekennzeichnet sind. Zudem zeigt die Forderung nach Einbau von Glasbausteinflächen, dass die Genehmigungsbehörde bei der Beurteilung des Bauvorhabens eine Grenzbebauung mit der südlichen Außenwand, also zum jetzigen Grundstück der Klägerin hin, zugrunde gelegt hat.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des Umstands, dass die Terrassenumwehrung in den Planunterlagen zur Baugenehmigung vom 13. Juli 1961 als Stahlgeländer dargestellt und genehmigt wurde, tatsächlich jedoch, wie der Augenscheinstermin der Kammer auch ergeben hat, eine gemauerte, massive Umwehrung der Terrasse nunmehr gegeben ist, die der Bauaufsichtsbehörde allerdings bei Erlass der Baugenehmigung vom 11. Juli 1984 zweifellos schon bekannt war. Wie oben bereits ausgeführt, ist es in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt, dass den Nachbarn und damit der Klägerin ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nur dann zusteht, wenn die von der rechtswidrigen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen einen erheblichen Grad erreichen und die Abwägung der Beeinträchtigung des Nachbarn mit dem Schaden des Bauherrn ein deutliches Übergewicht der Interessen des Nachbarn ergibt (vgl. hierzu auch BayVerfGH v. 3.12.1993, BayVBl 1994, 110, mit zahlreichen Nachweisen aus der baurechtlichen Rechtsprechung und Literatur).

Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben steht der Klägerin kein Anspruch auf Einschreiten zu, weil die Umwehrung der Terrasse keine schwerwiegenden zusätzlichen Beeinträchtigungen für sie mit sich bringt. Jedenfalls kann die Kammer, dies hat auch der Augenscheinstermin am 9. August 2016 ergeben, solche Beeinträchtigungen für die Klägerin nicht erkennen. Es wurden solche auch nicht durch den Klägervertreter substantiiert vorgetragen.

Die Verbescheidungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten ist nach alldem jedenfalls als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren der unterlegenen Klägerin nicht aufzuerlegen, da dieser sich nicht durch Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 709 ff. ZPO.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen einer Abweichung des Berufungsurteils von den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 1974 - 4 C 2.72 - (BVerwGE 44, 294) und vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 - (Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 102) zuzulassen.

3

Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 10). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Abweichung nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch eine präzise Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - 8 B 38.10 - ZOV 2011, 45 und vom 17. Februar 2015 - 1 B 3.15 - juris Rn. 7). Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Eine Abweichung liegt auch nicht vor.

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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann das Recht, Widerspruch gegen eine einem Dritten erteilte Baugenehmigung einzulegen, durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen und durch Verwirkung verlorengehen. Das Oberverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (UA S. 18). Einen Rechtssatz des Inhalts, ein Nachbarwiderspruch könne nicht verfristen, sondern sei bis zur Grenze der Verwirkung unbefristet zulässig, enthält das Berufungsurteil nicht. Auch der Beigeladene behauptet nicht, dass das Oberverwaltungsgericht einen solchen Rechtssatz formuliert hätte. Er rügt, dass das Oberverwaltungsgericht einen von ihm nicht in Frage gestellten abstrakten Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts insoweit unzutreffend angewandt habe, als es dem Aspekt der Verfristung nicht nachgegangen sei. Darauf kann die Divergenzrüge jedoch nicht gestützt werden.

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b) Das Oberverwaltungsgericht hat den Rechtssatz aufgestellt, im Falle der Verwirkung sowohl des materiellen Abwehrrechts als auch des Verfahrensrechts des Nachbarn, gegen eine Baugenehmigung als Drittbetroffener Widerspruch einzulegen, trete neben das Zeitmoment ein Umstandsmoment, wonach das Verhalten des Nachbarn Grundlage für die Entstehung eines Vertrauens des Bauherrn in das Ausbleiben von Nachbareinwendungen sein müsse (UA S. 18). Dieser Rechtssatz entspricht der Sache nach dem Rechtssatz im Urteil des Senats vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 - (Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 102 S. 65 f.), für die Verwirkung des (materiellen) Rechts komme es darauf an, ob der Berechtigte während eines längeren Zeitraums ein ihm zustehendes Recht nicht geltend mache, obwohl er hierfür Anlass habe, und ob ein solches Verhalten geeignet sei, bei dem Verpflichteten den Eindruck zu erwecken, der Berechtigte werde sein Recht nicht (mehr) ausüben. Im Rahmen der Subsumtion ("An diesen Grundsätzen gemessen ergibt sich, dass keine Verwirkung eingetreten ist") hat das Oberverwaltungsgericht zwar darauf abgestellt, dass der Beklagte schon bei Erhalt des Schreibens vom 28. Oktober 2009, mit dem die Klägerin bei ihm um Einsicht in die maßgeblichen Bauakten nachgesucht hat, nicht mehr darauf vertrauen durfte, dass die Klägerin nicht gegen die Baugenehmigung vom 4. Juli 2008 vorgehen würde, wenn sie sie erst kennte (UA S. 20). Auf einen Fehler bei der Anwendung eines akzeptierten höchstrichterlichen Rechtssatzes lässt sich - wie bereits gesagt - eine Divergenzrüge nicht stützen. Im Übrigen ist auch der Senat in seinem Urteil vom 16. Mai 1991 (a.a.O.) davon ausgegangen, dass in bestimmten Fallgestaltungen ein Handeln gegenüber der Behörde ausreichen kann, um die Verwirkung eines nachbarlichen Abwehrrechts zu verhindern.

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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Beigeladene beimisst. Er geht selbst davon aus, dass die Annahme der Verwirkung eines Nachbarrechts nach der "eindeutigen" Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon abhängt, dass schutzwürdiges Vertrauen des Bauherrn (und nicht der Bauaufsichtsbehörde) enttäuscht worden ist. Die Frage, auf wessen Sichtweise und Schutz es ankommt, ist danach nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Ebenfalls nicht grundsätzlich klärungsbedürftig sind die Fragen, worin sich der Verlust des Widerspruchsrechts durch Versäumung der Widerspruchsfrist und durch Verwirkung des Widerspruchsrechts unterscheiden, und die Frage, wann ein Widerspruch rechtzeitig eingelegt ist.

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3. Der Senat geht zu Gunsten des Beigeladenen davon aus, dass er auch einen Verfahrensfehler rügen will, der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zur Zulassung der Revision führt; denn er bemängelt, dass das Oberverwaltungsgericht die Klage für zulässig gehalten hat, anstatt sie - wie seiner Ansicht nach geboten - durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Der Verfahrensfehler einer fehlerhaften Handhabung von Sachentscheidungsvoraussetzungen (Kraft, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 132 Rn. 45) liegt jedoch nicht vor.

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a) Der Widerspruch der Klägerin vom 22. November 2010, beim Beklagten eingegangen am 24. November 2010, gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 4. Juli 2008 war nicht wegen Versäumung der Widerspruchsfrist unzulässig. Die Baugenehmigung ist deshalb nicht mit der Folge bestandskräftig geworden, dass die Klage unzulässig ist.

9

Auszugehen ist von folgender Rechtslage: Ist dem Nachbarn die Baugenehmigung, durch die er sich beschwert fühlt, nicht amtlich bekanntgegeben worden, so läuft für ihn weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung der §§ 70 und 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsfrist (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 - 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294 <296>). Hat er jedoch gleichwohl sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt oder hätte er sie erlangen müssen, so kann ihm nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt sein, dass sie ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde. Dann läuft für ihn die Widerspruchsfrist nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 a.a.O. S. 300 f.).

10

Sichere Kenntnis von der Baugenehmigung vom 4. Juli 2008 hatte die Klägerin erst seit Einsichtnahme in die Bauakte am 1. November 2010. Ihr Widerspruch kann daher nur verfristet sein, wenn ihr vorgeworfen werden könnte, den Widerspruch nicht innerhalb eines Jahres eingelegt zu haben, nachdem sie von der Baugenehmigung sichere Kenntnis hätte erlangen können. Das ist nicht der Fall.

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Nach der Rechtsprechung des Senats (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1974 - 4 C 2.72 - BVerwGE 44, 294 <300>) tritt der Zeitpunkt, zu dem der Nachbar von der Baugenehmigung zuverlässige Kenntnis nehmen konnte, ein, wenn sich ihm das Vorliegen der Baugenehmigung aufdrängen musste - beispielsweise aufgrund eines sichtbaren Beginns der Bauausführung - und es ihm möglich und zumutbar war, sich hierüber - etwa durch Anfrage bei dem Bauherrn oder der Baugenehmigungsbehörde - Gewissheit zu verschaffen. Daraus folgt: Ab dem Zeitpunkt, an dem der Nachbar davon ausgehen muss, dass der Bauherr eine Baugenehmigung erhalten hat, hat er sich regelmäßig innerhalb eines Jahres über die Genehmigungslage zu informieren. Tut er dies, so ist die Widerspruchsfrist gewahrt und wird erst dadurch versäumt, dass er nach Erhalt der Information, die ihm die sichere Kenntnis von der Baugenehmigung verschafft, nicht fristgerecht Widerspruch einlegt. Einen "vorsorglichen" Widerspruch, d.h. einen Widerspruch "auf Verdacht" oder "ins Blaue hinein", dem Beklagten und Beigeladener das Wort reden, verlangt der Senat nicht.

12

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lag der frühestmögliche Zeitpunkt, an dem die Klägerin vermuten musste, dass der Beigeladene die Baugenehmigung vom 4. Juli 2008 erhalten hatte, im Jahr 2009; denn in diesem Jahr sind die Bauarbeiten am Stall 6, der Gegenstand der Baugenehmigung ist, begonnen worden (UA S. 21). Das genaue Datum des Baubeginns hat das Oberverwaltungsgericht nicht ermittelt. Das ist unschädlich. Selbst wenn der Baubeginn auf den 2. Januar 2009 festzulegen wäre und es der Klägerin hätte zugemutet werden können, schon an diesem Tag beim Beklagten oder Beigeladenen wegen der Baugenehmigung nachzufragen, wäre der Widerspruch nicht verfristet; denn die Klägerin hat am 28. Oktober 2009 und damit vor Ablauf der Jahresfrist beim Beklagten Akteneinsicht beantragt. Damit hat sie rechtzeitig das ihr Mögliche und Zumutbare getan, um sich Kenntnis von der Baugenehmigung zu verschaffen. Auf den Zeitraum bis zur positiven Bescheidung ihres Akteneinsichtsgesuchs hatte sie keinen Einfluss.

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b) Der Widerspruch der Klägerin war zum Zeitpunkt seiner Einlegung auch nicht verwirkt.

14

Der Senat hat entschieden, dass die Verwirkung - sowohl des verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts als auch des materiellen Abwehrrechts - je nach den besonderen Verhältnissen im Einzelfall auch schon vor dem Ablauf der Jahresfrist eintreten kann (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 102 S. 65). Nach Eintritt der Bestandskraft eines angefochtenen Bescheids wegen Versäumung der Widerspruchsfrist kann die Verwirkung des verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts allerdings keine Rolle mehr spielen.

15

Die Verwirkung eines Rechts setzt außer der Untätigkeit des Berechtigten während eines längeren Zeitraums voraus, dass besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 102 S. 66 f.). Hieran gemessen, hatte die Klägerin ihr Widerspruchsrecht am 24. November 2010 nicht verwirkt.

16

Das Oberverwaltungsgericht hat das Vorliegen besonderer Umstände, welche die Ausübung des verfahrensrechtlichen Widerspruchsrechts durch die Klägerin als treuwidrig erscheinen lassen, verneint: Schon mit Eingang des Schreibens der Klägerin vom 28. Oktober 2009, das neben dem Akteneinsichtsgesuch auch eine Beschwerde über erhebliche Immissionen durch die Putenmastfarm des Beigeladenen enthalte, habe der Beklagte nicht mehr darauf vertrauen können, dass die Klägerin nicht mehr gegen die Baugenehmigung vom 4. Juli 2008 vorgehen würde, wenn sie sie erst kennte (UA S. 20). Der Einwand des Beigeladenen, er habe erst durch den förmlichen Widerspruch erfahren, dass sich die Klägerin gegen sein Vorhaben wende, sei unbeachtlich. Zwar folgten die Obliegenheiten eines Nachbarn aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis, sie beträfen jedoch ein Tätigwerden des Nachbarn gegenüber der Behörde, die die Genehmigung erlassen habe. Ob der Beklagte seiner Obliegenheit nachgekommen sei, den Beigeladenen von dem Schreiben zu unterrichten, könne offen bleiben. Dies ginge jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin (UA S. 21 f.).

17

Der Senat folgt dem nicht. Wie der Beigeladene zu Recht rügt, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte, sondern ob er, der Beigeladene, auf den Eintritt der Bestandskraft der Baugenehmigung vom 4. Juli 2008 vertrauen durfte. Auch ist die Ansicht des Oberverwaltungsgerichts vorschnell, die Klägerin habe es mit dem Schreiben vom 28. Oktober 2009 an den Beklagten bewenden lassen dürfen. Regelmäßig wird nämlich nur die Geltendmachung des Rechts unmittelbar gegenüber dem Verpflichteten dem durch die Untätigkeit des Berechtigten entstehenden Eindruck ausreichend entgegenwirken, dieser werde sein Recht nicht (mehr) geltend machen (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 - BRS 52 Nr. 218 S. 538 ). Zwar kann je nach den Umständen eine Verpflichtung der beklagten Behörde in Betracht kommen, von sich aus den Bauherrn über die vom Nachbarn bei ihr erhobenen Einwendungen gegen das Bauvorhaben in Kenntnis zu setzen (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 a.a.O.). Welche Umstände den Beklagten zur Information des Beigeladenen über das Schreiben vom 28. Oktober 2009 verpflichtet haben sollen, hat das Oberverwaltungsgericht aber nicht mitgeteilt.

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Im Ergebnis ist dem Oberverwaltungsgericht allerdings zuzustimmen. Das Oberverwaltungsgericht hat außer der Untätigkeit der Klägerin gegenüber dem Beigeladenen über einen längeren Zeitraum keine besonderen Umstände, insbesondere kein "bestimmtes Verhalten" der Klägerin festgestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 102 S. 66: "hinzutreten" sowie Beschluss vom 16. April 2002 - 4 B 8.02 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 164 S. 13 f.), infolge dessen der Beigeladene darauf vertrauen durfte, die Klägerin würde ihr Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben. Auch der Beigeladene legt dafür nichts dar.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin und ihr Ehemann, die auf einem in ihrem Miteigentum stehenden Grundstück im Gemeindegebiet der Beigeladenen ein Hotel betreiben, haben in der Vergangenheit verschiedene verwaltungsgerichtliche Rechtsstreitigkeiten wegen der von ihnen als unzumutbar empfundenen Lärmbelastung durch ein in ihrer Nachbarschaft gelegenes gemeindliches Feuerwehrgerätehaus geführt.

Die Klägerin wendet sich im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich gegen eine als solche bezeichnete „bauaufsichtliche (Tektur-) Genehmigung“ vom 19. Januar 2011 für das Vorhaben „Tektur zur Erweiterung des bestehenden Feuerwehrgerätehauses“. Dieser Bescheid, der im Vergleich zur ursprünglichen Baugenehmigung vom 14. Juli 2009 den Wegfall einzelner Pkw-Stellplätze betraf, wurde zwar den Bevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 24. Januar 2011 zugestellt, in dem an diese adressierten Anschreiben des Landratsamts F* … wurden als betroffene Mandanten aber nur der Ehemann der Klägerin sowie eine weitere Person, nicht aber die Klägerin selbst benannt. Die zunächst allein vom Ehemann der Klägerin erhobene Anfechtungsklage mit dem Antrag, den Bescheid vom 14. Juli 2009 in der Fassung des Bescheids vom 19. Januar 2011 aufzuheben, wies das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 5. Juli 2011 ab (RN 6 K 09.1343). Den hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Senat mit Beschluss vom 25. September 2013 ab (15 ZB 11.2302). Mit Urteil vom 25. August 2015 wies das Verwaltungsgericht die von der Klägerin und ihrem Ehemann gemeinsam erhobene Klage mit dem Antrag, eine im Anschluss erteilte zweite „Tekturgenehmigung“ vom 12. Dezember 2014 für die Erweiterung des Feuerwehrgerätehauses aufzuheben, ab (Verfahren RN 6 K 15.94). Auch der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung war erfolglos (vgl. den Beschluss des Senats vom 29. August 2016, Az. 15 ZB 15.2442). Ein weiteres gerichtliches Verfahren mit dem Ziel, den Beklagten zum bauordnungsrechtlichen Einschreiten wegen der von der Nutzung der baulichen Anlage ausgehenden Immissionsbelastung zu verpflichten, verlief für die Klägerin und ihren Ehemann im Ergebnis erfolglos (vgl. VG Regensburg, U.v. 7.6.2016 - RN 6 K 16.396 - sowie im Anschluss BayVGH, B.v. 26.9.2016 - 15 ZB 16.1365).

Am 2. Januar 2017 erhob die Klägerin (allein) Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg mit dem Antrag, den Baugenehmigungsbescheid vom 19. Januar 2011 aufzuheben, soweit dieser nicht die Baugenehmigung vom 14. Juli 2009 aufhebe. Sie argumentierte, der Bescheid vom 19. Januar 2011 sei ihr nicht bekannt gegeben worden und deshalb ihr gegenüber nicht bestandskräftig geworden. Aus diesem Grund könne die Genehmigung nunmehr durch sie unter Berücksichtigung einer neueren gutachterlichen Stellungnahme eines beauftragten Ingenieurbüros vom August 2015 zur Lärmbelastung erneut zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden. Sie habe zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, mit dem genehmigten Vorhaben einverstanden zu sein. Aus diesem Grund scheide eine Verwirkung aus. Das Bauvorhaben der beigeladenen Gemeinde verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, sodass die Anfechtungsklage begründet sei.

Mit Urteil vom 10. April 2018 wies das Verwaltungsgericht Regensburg auch diese Klage ab. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob auch der Klägerin gegenüber die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO durch Zustellung des Bescheids an ihren Rechtsanwalt zu laufen begonnen habe. Jedenfalls habe die Klägerin ihr Recht zur Klage „verwirkt“ und damit die Klage unzulässig verspätet erhoben. Es lägen besondere Umstände vor, die bei den Beteiligten ein Vertrauen darauf erzeugt hätten, dass das prozessuale Recht einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 19. Juli 2011 von der Klägerin nicht mehr geltend gemacht werde. „Verwirkung“ sei vorliegend spätestens nach Ablauf einer Frist von einem Jahr nach der mündlichen Verhandlung vom 5. Juli 2011 im Verfahren RN 6 K 09.1343, in der die Klägerin anwesend gewesen sei, eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt hätten die Beteiligten davon ausgehen können, dass die Klägerin ein etwaiges Klagerecht nicht mehr wahrnehme. Die Klägerin habe zudem zu erkennen gegeben, selbst von der Bestandskraft der im Verfahren RN 6 K 09.1343 streitgegenständlichen Genehmigungen auszugehen, indem sie gegen den nachfolgenden Tekturbescheid vom 12. Dezember 2014 gemeinsam mit ihrem Ehemann Klage erhoben habe und in der Folge ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen das Feuerwehrgerätehaus begehrt habe, ohne auf eine ihrer Meinung nach nicht vorliegende Bestandskraft der vorhergehenden Genehmigung hinzuweisen. Der beigeladenen Gemeinde möge zwar aufgrund des Verhaltens der Klägerin bekannt gewesen sei, dass sich diese weiterhin u.a. wegen befürchteter Lärmimmissionen gegen das Bauvorhaben wenden werde, sie habe aber davon ausgehen können, dass eine Klage gegen die Tekturgenehmigung vom 19. Januar 2011 nicht mehr im Raume stehe. Zudem sei eine behauptete mangelnde Bekanntgabe des Bescheids für die Bevollmächtigten der Klägerin schon im Verwaltungsverfahren erkennbar gewesen. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei in Zusammenschau mit dem vorangegangenen Verhalten der Klägerin ein Abwarten mit der Geltendmachung dieses Gesichtspunkts und eine Klageerhebung nach einem Zeitraum von mehr als fünf Jahren als treuwidrig anzusehen. Die erst am 2. Januar 2017 erhobene Anfechtungsklage verstoße daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und sei damit nicht zulässig.

Mit ihrem auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, auf besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten sowie auf die Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 27.7.2005 - 8 C 15.04) gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Sie bringt mit ihrer Antragsbegründung vor, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsnatur der Verwirkung sowie den zwingenden Charakter der Zustellungsvorschriften verkannt. Eine Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids an sie sei nicht erfolgt. Aus diesem Grund hätten keine Fristen zu laufen begonnen. Eine komplett fehlende Zustellung könne nicht über Art. 9 BayVwZVG geheilt werden. Es liege auch kein Fall des Art. 8a BayVwZVG vor. Ein nicht zugestellter Bescheid sei grundsätzlich nicht der Bestandskraft fähig. Eine Ausnahme hiervon könne nicht daran anknüpfen, wann der Zustellungsmangel ihr selbst oder ihrem Bevollmächtigten hätte auffallen können. Das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment bejaht. Es fehle an einer Vertrauensgrundlage und an einem Vertrauenstatbestand. Allein die Tatsache, dass sie selbst über einen längeren Zeitraum keine Klage erhoben habe, genüge nicht. Der reine Zeitablauf als solcher könne die Annahme einer Verwirkung nicht rechtfertigen. Aus ihrem Gesamtverhalten auch im Zusammenhang mit weiteren Rechtsstreitigkeiten bezüglich des Feuerwehrgerätehauses hätte vielmehr geschlossen werden müssen, dass sie gewillt gewesen sei, auch weiterhin mit allen rechtlich zulässigen Mitteln gegen das Vorhaben der Beigeladenen vorzugehen. Insbesondere weil durchgängig entweder ihrerseits oder seitens ihres Ehemanns gerichtlich gegen das gemeindliche Bauvorhaben vorgegangen worden sei, habe es nie einen streitfreien Zeitraum von einem Jahr gegeben, der als Mindestvoraussetzung für eine Verwirkung notwendig sei. Eine Verwirkung komme nicht in Betracht, wenn gegen das angegriffene Vorhaben mit einem anderen als dem streitgegenständlichen Rechtsmittel vorgegangen werde oder wenn ein naher Verwandter ein Rechtsmittel gegen denselben Bescheid als Streitgegenstand verfolge. Tatsächlich habe die Beigeladene auch noch nicht mit dem Bau begonnen, weil es eine politische Zusage gebe, dass hiermit zugewartet werde, bis alle anhängigen Verfahren gegen das Vorhaben abgeschlossen seien. Deshalb sei auch kein unzumutbarer Nachteil erkennbar, der der Beigeladenen wegen einer späten Klageerhebung erwachsen sein könnte. Auch soweit das Verwaltungsgericht zur Begründung einer Treuwidrigkeit erwäge, der Zustellungsmangel hätte ihren Bevollmächtigten bereits vormals auffallen müssen, laufe die Argumentation im Ergebnis darauf hinaus, dass durch den bloßen Zeitablauf eine Verwirkung eintrete. Auch insofern habe das Verwaltungsgericht kein Umstandsmoment festgestellt, das über den Zeitablauf hinausgehe.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Bescheid mit der am 24. Januar 2011 erfolgten Zustellung an die Rechtsanwaltskanzlei, die sowohl von der Klägerin als auch ihrem Ehemann bevollmächtigt gewesen sei, auch Ersterer gegenüber bekannt gegeben worden sei. Die Beigeladene hat sich im Berufungszulassungsverfahren nicht geäußert. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung ist weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch wegen tatsächlicher und / oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts ist unabhängig von den von der Klägerin behaupteten Zweifeln an der Richtigkeit der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung jedenfalls im Ergebnis offensichtlich richtig. Der der Vorschrift des § 144 Abs. 4 VwGO zugrunde liegende allgemeine Rechtsgedanke, dass allein die fehlerhafte Begründung einer Entscheidung, welche sich im Ergebnis als richtig erweist, dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhilft, ist auch in einem - hier vorliegenden - Verfahren auf Zulassung der Berufung zu berücksichtigen. Auch ein solches Antragsverfahren soll unabhängig davon, dass insoweit eine dem § 144 Abs. 4 VwGO vergleichbare Vorschrift fehlt, aus prozessökonomischen Gründen nicht um eines Fehlers willen fortgeführt werden, der mit Sicherheit für das endgültige Ergebnis des Rechtsstreits bedeutungslos bleiben wird (BayVGH, B.v. 31.10.2018 - 15 ZB 17.1003 - juris Rn. 10 m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Es bedarf dabei keiner Entscheidung, ob der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid bestandskräftig wurde, weil dieser mit der Zustellung an die befasste Anwaltskanzlei am 24. Januar 2011 nicht nur ihrem Ehemann, sondern auch der Klägerin gegenüber bekannt gegeben wurde und deshalb die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO bereits am 24. Januar 2012, 24:00 Uhr, ablief. Ebenso kann dahin gestellt bleiben, ob einer isolierten Anfechtungsklage der Klägerin gegen die vorliegend streitgegenständliche (erste) Tekturgenehmigung vom 19. Januar 2011 mit Blick auf die ihr gegenüber zwischenzeitlich bestandskräftig gewordenen Genehmigungen vom 14. Juli 2009 und vom 12. Dezember 2014 überhaupt noch ein Rechtsschutzinteresse zukommen kann. Die Nachbarklage ist jedenfalls im Ergebnis zu Recht aufgrund eines Zeitablaufs von mehr als einem Jahr, bemessen ab dem Zeitpunkt, ab dem die Klägerin sichere Kenntnis von der Existenz der streitgegenständlichen Baugenehmigung hatte oder diese jedenfalls hätte haben müssen, als unzulässig abgewiesen worden, auch wenn dies entgegen der Argumentation des Verwaltungsgerichts dogmatisch nicht auf einer „Verwirkung“ im engeren Sinne beruht.

a) Die Antragsbegründung führt im Grundsatz zu Recht aus, dass von einer Verwirkung eines - prozessualen oder materiellen - Rechts nur ausgegangen werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) u n d besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment). Im öffentlichen Nachbarrecht werden die Anforderungen für das Umstandsmoment wie folgt konkretisiert: Der Bauherr als Verpflichteter muss infolge eines bestimmten Verhaltens des Nachbarn darauf vertraut haben dürfen, dass dieser die nachbarrechtliche Rechtsposition nach so langer Zeit nicht mehr geltend macht (Vertrauensgrundlage), der Bauherr muss ferner tatsächlich darauf vertraut haben, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand), und er muss sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung) (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.5.1991 - 4 C 4.89 - NVwZ 1991, 1182 = BayVBl 1991, 726 = juris Rn. 28; Charnitzky/Rung, BauR 2016, 1254). Gemessen hieran dürfte es im vorliegenden Fall tatsächlich fraglich sein, ob vom Vorliegen eines Umstandsmoments im Sinne der Verwirkungsdogmatik ausgegangen werden kann, zumal - worauf die Klägerseite ebenfalls hingewiesen hat - mit Blick auf die fehlende Umsetzung der streitgegenständlichen Baugenehmigung bislang eine Vertrauensbetätigung der Beigeladenen (vgl. hierzu z.B. BVerwG, B.v. 18.3.1988 - 4 B 50.88 - NVwZ 1988, 730 = BayVBl. 1988, 693 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 26.10.1998 - 14 B 94.4150 - juris Rn. 26, 27; OVG MV, B.v. 5.11.2001 - 3 M 93/01 - NVwZ-RR 2003, 15 = juris Rn. 32; VG Saarl., U.v. 25.3.2015 - 5 K 617/14 - juris Rn. 38 m.w.N.) nicht ohne weiteres ersichtlich ist.

Auf das Vorliegen eines Umstandsmoments im Sinne der Verwirkungsdogmatik kommt es aber tatsächlich für die Annahme der Unzulässigkeit der vorliegenden Klage nicht an.

Das Bundesverwaltungsgericht hat für Fallgestaltungen, in denen der Anfechtungsklage des Nachbarn nach §§ 68 ff. VwGO grundsätzlich ein erfolgloses Widerspruchsverfahren vorgeschaltet sein muss(te), wiederholt ausgeführt, dass für einen Nachbarn, dem die Baugenehmigung, durch die er sich beschwert fühlt, nicht amtlich bekanntgegeben wurde, zwar weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung der §§ 70, 58 Abs. 2 VwGO eine Widerspruchsfrist läuft, dass diesem aber für den Fall, dass er sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt hat oder dass er diese hätte erlangen müssen, nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt ist, dass sie ihm nicht amtlich mitgeteilt wurde (grundlegend BVerwG, U.v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294 = juris Rn. 20 ff.; ebenso: BVerwG, B.v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 = juris Rn. 12 ff.; B.v. 11.9.2018 - 4 B 34.18 - NVwZ 2019, 245 = juris Rn. 9 ff.; BayVGH, B.v. 9.10.2009 - 1 CS 08.1999 - juris Rn. 22; SächsOVG, B.v. 21.4.2015 - 2 M 12/15 - NVwZ-RR 2015, 727 = juris Rn. 12; OVG Rh-Pf., B.v. 13.3.2017 - 8 A 11416/16 - BauR 2017, 1197 = juris Rn. 6 ff.; VGH BW, U.v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - BauR 2012, 1637 = juris Rn. 33 ff.; U.v. 14.12.2017 - 8 S 1148/16 - juris Rn. 23; SächsOVG, U.v. 9.3.2017 - 1 A 331/16 - juris Rn. 28; ThürOVG, U.v. 26.2.2002 - 1 KO 305/99 - BRS 65 Nr. 130 = juris Rn. 32; Charnitzky/Rung, BauR 2016, 1254/1256). Dann läuft für den Nachbarn die Widerspruchsfrist nach § 70 i.V. mit § 58 Abs. 2 VwGO so, als sei ihm die Baugenehmigung in dem Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben, in dem er von ihr sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2018 a.a.O.). Mit Ablauf der Jahresfrist wird die Baugenehmigung gegenüber dem Nachbarn bestandskräftig (vgl. SächsOVG, U.v. 9.3.2017 a.a.O). Wenn - wie in Bayern gem. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V. mit Art. 15 Abs. 2 AGVwGO - ein Widerspruchsverfahren entfällt und dem Nachbarn als Rechtsbehelf gegen die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung von vornherein ausschließlich die (Dritt-) Anfechtungsklage zur Verfügung steht, gilt Entsprechendes, d.h. der Nachbar, der dem Vorhaben (z.B. durch Unterschrift auf den Bauvorlagen, Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO) nicht vorab zugestimmt hat und dem die Baugenehmigung nicht bekannt gegeben wurde, muss sich, sobald er sichere Kenntnis von der Baugenehmigung erlangt hat oder diese hätte erlangen müssen, so behandeln lassen, als habe die Jahresfrist zur Einlegung der Anfechtungsklage gem. §§ 74 Abs. 1 und 58 Abs. 2 VwGO zu laufen begonnen; nach Ablauf dieser Frist ist die Baugenehmigung ihm gegenüber bestandskräftig und die danach erst erhobene Anfechtungsklage ist wegen Zeitablaufs als unzulässig anzusehen (BayVGH, B.v. 12.7.2010 - 14 CS 10.327 - juris Rn. 27; B.v. 4.4.2011 - 14 CS 11.263 - juris Rn. 33; VG München, U.v. 29.2.2016 - M 8 K 14.4400 - Rn. 34 ff.; U.v. 29.2.2016 - M 8 K 14.4469 - juris Rn. 36 ff.; vgl. auch OVG NRW, U.v. 4.12.2015 - 7 A 823/14 - BRS 83 Nr. 136 = juris Rn. 38 ff.).

Letzteres ist hier offensichtlich der Fall. Es liegt auf der Hand, dass die Klägerin frühzeitig selbst - und zwar deutlich länger als ein Jahr vor der Klageerhebung am 2. Januar 2017 - sichere Kenntnis von der Existenz der streitgegenständlichen Genehmigung vom 19. Januar 2011 hatte bzw. diese hätte haben können. Unabhängig von den Fragen, ob die streitgegenständliche Baugenehmigung mit Blick auf den Mandantenbezug im Anschreiben vom 19. Januar 2011 mit der Zustellung an den Bevollmächtigten auch ihr gegenüber als bekanntgegeben galt und ob das Wissen des Bevollmächtigten von der Existenz des Bescheids vom 19. Januar 2011 (mit Zustellen an diesen) der Klägerin rechtlich allein aufgrund der in den Behördenakten enthaltenen Anwaltsvollmacht vom 20. Januar 2009 zuzurechnen war, spricht vorliegend nichts dafür, dass die bevollmächtigte Anwaltskanzlei tatsächlich nur ihren Ehemann, nicht aber die Klägerin selbst über das Bestehen auch der streitgegenständlichen Tekturgenehmigung vom 19. Januar 2011 zeitnah informiert hatte. Abweichendes wird klägerseits auch nicht behauptet. Hinzukommt, dass die Klägerin ausweislich der Verwaltungsgerichtsakte RN 6 K 09.1343 in den Rechtsstreit ihres Ehemanns gegen die Genehmigungen vom 14. Juli 2009 und vom 19. Januar 2011 aktiv eingebunden war. So war sie laut Niederschrift des Verwaltungsgerichts neben ihrem (klagenden) Ehemann und bevollmächtigten Rechtsanwalt bereits beim Augenscheintermin am 1. Juli 2010 anwesend und wurde auf der Klägerseite beigezogen. Ebenso nahm die Klägerin ausweislich der Niederschrift des Verwaltungsgerichts an der mündlichen Verhandlung am 5. Juli 2011 teil, an der der Tekturbescheid vom 19. Januar 2011 thematisiert resp. zum Gegenstand des Klageantrags gemacht wurde. Damit ist jedenfalls spätestens am 5. Juli 2011 von der sicheren Kenntnis der Klägerin hinsichtlich der Existenz des im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Tekturbescheids vom 19. Januar 2011 auszugehen, was in der Sache auch vom Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung so zugrunde gelegt wird. Dies wird von der Klägerseite im vorliegenden Verfahren nicht in Abrede gestellt. Im Übrigen wird im weiteren Tekturbescheid vom 12. Dezember 2014 auf den (ersten) Tekturbescheid vom 19. Januar 2011 Bezug genommen. Selbst wenn man auf die Klageerhebung gegen den (zweiten) Tekturbescheid vom 12. Dezember 2014 am 16. Januar 2015 (hierzu vgl. VG Regensburg, U.v. 25.8.2015 - RN 6 K 15.94 - sowie BayVGH, B.v. 29.8.2016 - 15 ZB 15.2442) als spätesten Zeitpunkt der (möglichen) sicheren Kenntnisnahme der Klägerin hinsichtlich der Existenz des Bescheids vom 19. Januar 2011 ausginge - von diesem späten Zeitpunkt geht allerdings ersichtlich keiner der Beteiligten aus -, wären bis zur Klageerhebung am 2. Januar 2017 gegen den hier streitgegenständlichen (ersten) Tekturbescheid vom 19. Januar 2011 noch fast zwei Jahre vergangen.

Damit war im Zeitpunkt der Klageerhebung beim Verwaltungsgericht (2. Januar 2017) allein schon wegen Zeitablaufs von der Bestandskraft des Genehmigungsbescheids vom 19. Januar 2011 auch gegenüber der Klägerin auszugehen, ohne dass es noch auf die in der Antragsbegründung in Zweifel gezogenen Voraussetzungen einer Verwirkung ankommt. Bereits in seiner Grundsatzentscheidung vom 25. Januar 1974 (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1974 - IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294 = juris Rn. 23) grenzt das Bundesverwaltungsgericht die hier einschlägige Fallgruppe einer unzulässigen Anfechtungsklage des Nachbarn gegen eine ihm nicht bekannt gegebene Baugenehmigung wegen Zeitablaufs vom Rechtsinstitut der (prozessualen) Verwirkung ab (Hervorhebung durch Fettdruck nicht im Original):

„(…) Verwirkung eines Rechts ist aber nur eine von den unterschiedlichen Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben. Die Ausübung eines - materiell- oder auch verfahrensrechtlichen - Rechts kann nach Treu und Glauben auch aus anderen Gründen unzulässig sein als aus denen, die zu seiner Verwirkung führen. So hat der Senat in dem bereits erwähnten Urteil vom 20. Oktober 1972 - BVerwG IV C 27.70 - (a.a.O.) auf die Möglichkeit hingewiesen, dass es nach den Umständen des Einzelfalles gegen Treu und Glauben verstoßen könne, wenn ein Nachbar sich bei seinem erst nach längerer Zeit gegen eine Baugenehmigung eingelegten Widerspruch darauf berufe, dass dieser Verwaltungsakt ihm nicht amtlich bekanntgegeben worden sei, und dass dann dieser Widerspruch unzulässig sein könne. Dieser Gedanke brauchte im Urteil vom 20. Oktober 1972 nicht weiter verfolgt zu werden, ist aber hier für Fälle der vorliegenden Art abschließend zu erörtern (…).“

Mit seiner Entscheidung vom 11. September 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht erneut klargestellt, dass prozessuale Anfechtungsrechtsbehelfe des Nachbarn, soweit sie nicht zeitnah geltend gemacht werden, „durch Fristablauf entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen u n d durch Verwirkung verloren gehen“ (BVerwG, B.v. 11.9.2018 - 4 B 34.18 - NVwZ 2019, 245 = juris Rn. 4), mithin auf zwei dogmatisch voneinander zu unterscheidenden Wegen unzulässig werden können (vgl. auch BVerwG, B.v. 28.8.1987 - 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 = juris Rn. 13: „neben der Möglichkeit der Verwirkung von verfahrensrechtlichen Rechten“). Auch wenn die Unzulässigkeit des Widerspruchs allein wegen Frist- bzw. Zeitablaufs unter Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 58 Abs. 2 VwGO nicht selten als Unterfall der Verwirkung betitelt wird (neben der vorliegend angegriffenen Ausgangsentscheidung des Verwaltungsgerichts vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.7.2010 - 14 CS 10.327 - juris Rn. 27; B.v. 4.4.2011 - 14 CS 11.263 - juris Rn. 33; NdsOVG, B.v. 5.9.2017 - 11 ME 169/17 - NVwZ-RR 2018, 36 = juris Rn. 37; SächsOVG, B.v. 2.7.2013 - 1 A 776/12 - juris Rn. 2 ff.; OVG NRW, B.v. 16.4.2012 - 7 A 1984/10 - juris Rn. 23; B.v. 18.8.2014 - 7 B 438/14 - juris Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 29.4.2010 - 10 S 5.10 - BRS 76 Nr. 172 = juris Rn. 15; B.v. 3.4.2009 - 10 S 5.09 - BauR 2009, 1427 = juris Rn. 9), tritt diese Fallgestaltung daher als - eigenständige - Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben n e b e n das Rechtsinstitut der Verwirkung. Es handelt sich aus dogmatischer Sicht m.a.W. von vornherein tatsächlich nicht um einen Verwirkungsunterfall. Der Verlust des verfahrensmäßigen Anfechtungsrechts wegen Zeitablaufs und die Verwirkung des Anfechtungsrechts führen zwar zur gleichen Rechtsfolge (nämlich der Unzulässigkeit der Anfechtungsklage bzw. ggf. - außerhalb Bayerns - des Widerspruchs). Auch wird sich ihr Anwendungsbereich häufig überschneiden. Die Rechtsinstitute stehen jedoch in unterschiedlichen Ableitungszusammenhängen und haben unterschiedliche Voraussetzungen (vgl. VGH BW, U.v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - BauR 2012, 1637 = juris Rn. 42; VG Hamburg, U.v. 4.9.2015 - 9 E 3623/15 - juris Rn. 44 f.; zur dogmatischen Trennung vgl. auch OVG Rh-Pf., B.v. 13.3.2017 - 8 A 11416/16 - BauR 2017, 1197 = juris Rn. 7; SächsOVG, U.v. 21.10.2016 - 1 A 256/15 - juris Rn. 33 ff.; ThürOVG, U.v. 26.2.2002 - 1 KO 305/99 - BRS 65 Nr. 130 = juris Rn. 32 und Rn. 34; VG München, U.v. 29.2.2016 - M 8 K 14.4400 - Rn. 34 ff.; U.v. 29.2.2016 - M 8 K 14.4469 - juris Rn. 36 ff.; Charnitzky/Rung, BauR 2016, 1254/1255 ff.; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: Januar 2019, Art. 66 Rn. 233, 234).

Auf die Frage einer prozessualen Verwirkung des nachbarlichen Klagerechts und dann auch auf die speziellen Verwirkungsvoraussetzungen (Zeitmoment, Umstandsmoment) kommt es daher nur an, wenn die Frage im Raum steht, ob ein Anfechtungsrechtsbehelf bereits v o r Ablauf der Jahresfrist im o.g. Sinn unzulässig ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2018 - 4 B 34.18 - NVwZ 2019, 245 = juris Rn. 14 m.w.N.; BayVGH, B.v. 9.1.2006 - 2 ZB 05.3157 - juris Rn. 2; B.v. 21.3.2012 - 14 ZB 11.2148 - juris Rn. 12; B.v. 25.6.2018 - 2 ZB 17.1157 - juris Rn. 2; OVG MV, B.v. 5.11.2001 - 3 M 93/01 - NVwZ-RR 2003, 15 = juris Rn. 24, 27; VGH BW, U.v. 28.8.1987 - 8 S 1345/87 - NVwZ 1989, 76/78; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 3.4.2009 - 10 S 5.09 - BauR 2009, 1427 = juris Rn. 14; vgl. auch die weiteren Rechtsprechungsbeispiele bei Troidl, NVwZ 2004, 315/316 f. sowie Molodovsky a.a.O.). Muss sich ein klagender Nachbar ab dem Zeitpunkt der (tatsächlichen oder möglichen) sicheren Kenntniserlangung hinsichtlich der Existenz einer Baugenehmigung nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als hätte die Frist gem. § 58 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu laufen begonnen, ist die nach Ablauf eines Jahres erhobene Anfechtungsklage mit dem Ziel der Kassation der Baugenehmigung schon allein deswegen unzulässig, ohne dass es noch auf die besonderen Voraussetzungen der Verwirkung ankommt. Insbesondere ist für den Verlust des prozessualen Anfechtungsrechts wegen Ablaufs der Jahresfrist kein weiteres besonderes Umstandsmoment auf der Seite des Bauherrn erforderlich (OVG Rh-Pf., B.v. 13.3.2017 - 8 A 11416/16 - BauR 2017, 1197 = juris Rn. 5 ff.; VGH BW, U.v. 14.5.2012 - 10 S 2693/09 - BauR 2012, 1637 = juris Rn. 41, 42; VG Hamburg, U.v. 4.9.2015 - 9 E 3623/15 - juris Rn. 44 f.). Es ist folglich im vorliegenden Fall unerheblich, ob die beigeladene Gemeinde als Bauherrin nachweislich ein entsprechendes Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung entwickelt hat und ob dieses nach Verwirkungsgrundsätzen schutzwürdig ist. Insbesondere ist unerheblich, ob es an einer Vertrauensbetätigung fehlt, weil die Beigeladene die streitgegenständliche Baugenehmigung bislang nicht umgesetzt hat.

b) Es trifft zu, dass das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 27. Juni 2005, auf die die Klägerin in der Antragsbegründung Bezug nimmt, auch nach vielen Jahren Untätigkeit der Klägerseite eine Unzulässigkeit der Klage wegen schlichten Zeitablaufs ohne Hinzutreten besonderer Umstände verneint hat. Die betraf aber eine Fallgestaltung aus dem Vermögensrecht, nämlich eine Anfechtungsklage mit dem Ziel der Kassation eines Bescheids zur Rückübertragung eines im Zusammenhang mit einer Ausreise aus der ehemaligen DDR vormals veräußerten Grundstücks (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2005 - 8 C 15.04 - NVwZ 2005, 1334 = juris Rn. 25 ff.; ebenso bereits BVerwG, B.v. 21.1.1999 - 8 B 116.98 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 19 = juris Rn. 4). Während es vorliegend auf die Voraussetzungen der Verwirkung von vornherein nicht ankommt - s.o. a) -, hängt im Vermögensrecht die Nichtgeltung der (von der Verwirkung abzugrenzenden) Grundsätze einer Unzulässigkeit der Anfechtungsklage wegen einjährigen Zeitablaufs nach (möglicher) sicherer Kenntniserlangung in Anlehnung an § 58 Abs. 2 VwGO mit der mangelnden Vergleichbarkeit der dortigen Sachverhaltskonstellation mit den Fällen der klageweisen Geltendmachung eines nachbarlichen Genehmigungsabwehranspruchs zusammen. Die gefestigte Rechtsprechung, wonach der Nachbar gehalten ist, gegen eine ihm nicht vorschriftsmäßig bekanntgegebene Baugenehmigung, von der er in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, innerhalb einer Jahresfrist ein Rechtsmittel (Widerspruch oder Anfechtungsklage) einzulegen, wurzelt in dem durch besondere gegenseitige Rücksichtnahmen aus Treu und Glauben geprägten „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“ und ist deswegen gerade nicht ohne weiteres auf jede Art von verwaltungsrechtlichen Drittbeteiligungsfällen übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies für Drittbeteiligungsfälle im Vermögensrecht mit seinem Beschluss vom 21. Januar 1999, auf die in der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung vom 27. Juli 2005 (vgl. a.a.O. juris Rn. 25 a.E.) rekurriert wird, ausdrücklich klargestellt (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1999 - 8 B 116.98 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 19 = juris Rn. 8):

„(…) Das Bundesverwaltungsgericht hat seine für Streitigkeiten zwischen Nachbarn über die Rechtmäßigkeit einer erteilten Baugenehmigung entwickelte Rechtsprechung, wonach der Baunachbar gegen eine ihm nicht vorschriftsmäßig bekanntgegebene Baugenehmigung, von der er in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, innerhalb der Jahresfrist nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruch erheben muss, mit dem besonderen ‚nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis‘ begründet (vgl. u.a. Urteil vom 25. Januar 1974 - BVerwG IV C 2.72 - BVerwGE 44, 294 <299 f.> sowie Beschlüsse vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - BVerwGE 78, 85 <89> und vom 13. August 1996 - BVerwG 4 B 135.96 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 135 S. 25). Dieses nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis wird dadurch geprägt, dass einerseits die Vorschriften des öffentlichen Baurechts ‚auch der Rücksichtnahme auf individuelle Interessen oder deren Ausgleich untereinander dienen‘ (Beschluss vom 28. August 1987 - BVerwG 4 N 3.86 - a.a.O. m.w.N.) und dass es sich andererseits um ein unabhängig vom aktuellen Rechtsstreit auf längere Dauer angelegtes Verhältnis handelt. Diese Voraussetzungen sind im Rechtsstreit zwischen dem Verfügungsberechtigten und dem Restitutionsberechtigten nach vermögensrechtlichen Vorschriften nicht gegeben. Ihr Rechtsverhältnis beschränkt sich auf den konkreten Streit über die Restitution eines bestimmten Vermögensgegenstandes. Schon deswegen ist die genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Nachbarrechtsstreitigkeiten auf vermögensrechtliche Streitigkeiten nicht zu übertragen (so auch Urteil vom 10. Juni 1998 - BVerwG 7 C 27.97 - VIZ 1998, 565 <567> = ZOV 1998, 373 <375>).“

c) Auf die weiteren Ausführungen in der Antragsbegründung zur Begründetheit der Klage (insbesondere zur Frage, ob die streitgegenständliche Genehmigung gegen das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verstößt), kommt es aufgrund der Unzulässigkeit der Klage nicht mehr an. Es ging der Klägerin mit der vorliegenden Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Genehmigung ferner ersichtlich nicht um ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. Art. 51 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG wegen Vorliegens eines neuen Beweismittels in Form eines aktuellen Sachverständigengutachtens (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 30.7.2009 - 1 B 08.2890 - juris; U.v. 2.5.2017 - 1 B 15.1575 - juris). Auch vor diesem Hintergrund muss dem Vortrag in der Antragsbegründung, dass ein neueres Immissionsschutzgutachten eines Sachverständigenbüros aus dem Jahr 2015 die Unverträglichkeit des Vorhabens mit der umliegenden Wohn- bzw. Hotelnutzung nachweise, im vorliegenden Verfahren nicht weiter nachgegangen werden.

2. Eine Zulassung der Berufung kommt auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wegen Divergenz zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Betracht. Der von der Klägerin monierte Rechtssatz, wonach ein Kläger sein Klagerecht verliere, „wenn er jedenfalls nicht (spätestens) innerhalb der Jahresfrist des § 70 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO ein Rechtsmittel einlegt“ weicht nicht in entscheidungsrelevanter Weise von der in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2005 (BVerwG, U.v. 27.7.2005 - 8 C 15.04 - NVwZ 2005, 1334= juris Rn. 25) ab. Soweit in der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts der Rechtssatz aufgestellt wird, dass der reine Zeitablauf als solcher die Annahme einer Verwirkung nicht rechtfertigen könne (BVerwG a.a.O. juris Rn. 25), liegt keine Divergenz vor. Zum einen handelt es sich vorliegend tatsächlich nicht um einen Verwirkungsfall, s.o. 1. a). Zum anderen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die für Streitigkeiten im öffentlichen Baunachbarrecht anhand des besonderen „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses“ entwickelte Rechtsprechung, wonach der Baunachbar gegen eine ihm nicht vorschriftsmäßig bekanntgegebene Baugenehmigung, von der er in anderer Weise sichere Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, innerhalb der Jahresfrist nach § 70 i.V. m. § 58 Abs. 2 VwGO bzw. § 74 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 58 Abs. 2 VwGO den statthaften Anfechtungsrechtsbehelf einlegen muss, auf einen Rechtsstreit nach vermögensrechtlichen Vorschriften nicht übertragbar, s.o. 1. b).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 - 15 ZB 16.562 - juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist nicht ersichtlich. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

(2) Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

(3) Emissionen im Sinne dieses Gesetzes sind die von einer Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnlichen Erscheinungen.

(4) Luftverunreinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind Veränderungen der natürlichen Zusammensetzung der Luft, insbesondere durch Rauch, Ruß, Staub, Gase, Aerosole, Dämpfe oder Geruchsstoffe.

(5) Anlagen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen,
2.
Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 unterliegen, und
3.
Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert oder abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können, ausgenommen öffentliche Verkehrswege.

(5a) Ein Betriebsbereich ist der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (ABl. L 197 vom 24.7.2012, S. 1) in einer oder mehreren Anlagen einschließlich gemeinsamer oder verbundener Infrastrukturen oder Tätigkeiten auch bei Lagerung im Sinne des Artikels 3 Nummer 16 der Richtlinie in den in Artikel 3 Nummer 2 oder Nummer 3 der Richtlinie bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vorhanden sein werden, soweit vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass die genannten gefährlichen Stoffe bei außer Kontrolle geratenen Prozessen anfallen; ausgenommen sind die in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU angeführten Einrichtungen, Gefahren und Tätigkeiten, es sei denn, es handelt sich um eine in Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2012/18/EU genannte Einrichtung, Gefahr oder Tätigkeit.

(5b) Eine störfallrelevante Errichtung und ein Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs ist eine Errichtung und ein Betrieb einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, oder eine Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs einschließlich der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Mengen der gefährlichen Stoffe im Sinne des Artikels 3 Nummer 10 der Richtlinie 2012/18/EU, aus der sich erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können. Eine störfallrelevante Änderung einer Anlage oder eines Betriebsbereichs liegt zudem vor, wenn eine Änderung dazu führen könnte, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird oder umgekehrt.

(5c) Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt. Der angemessene Sicherheitsabstand ist anhand störfallspezifischer Faktoren zu ermitteln.

(5d) Benachbarte Schutzobjekte im Sinne dieses Gesetzes sind ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete.

(6) Stand der Technik im Sinne dieses Gesetzes ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere die in der Anlage aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen.

(6a) BVT-Merkblatt im Sinne dieses Gesetzes ist ein Dokument, das auf Grund des Informationsaustausches nach Artikel 13 der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) (Neufassung) (ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17) für bestimmte Tätigkeiten erstellt wird und insbesondere die angewandten Techniken, die derzeitigen Emissions- und Verbrauchswerte, alle Zukunftstechniken sowie die Techniken beschreibt, die für die Festlegung der besten verfügbaren Techniken sowie der BVT-Schlussfolgerungen berücksichtigt wurden.

(6b) BVT-Schlussfolgerungen im Sinne dieses Gesetzes sind ein nach Artikel 13 Absatz 5 der Richtlinie 2010/75/EU von der Europäischen Kommission erlassenes Dokument, das die Teile eines BVT-Merkblatts mit den Schlussfolgerungen in Bezug auf Folgendes enthält:

1.
die besten verfügbaren Techniken, ihrer Beschreibung und Informationen zur Bewertung ihrer Anwendbarkeit,
2.
die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte,
3.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Überwachungsmaßnahmen,
4.
die zu den Nummern 1 und 2 gehörigen Verbrauchswerte sowie
5.
die gegebenenfalls einschlägigen Standortsanierungsmaßnahmen.

(6c) Emissionsbandbreiten im Sinne dieses Gesetzes sind die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte.

(6d) Die mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Emissionswerte im Sinne dieses Gesetzes sind der Bereich von Emissionswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden, ausgedrückt als Mittelwert für einen vorgegebenen Zeitraum unter spezifischen Referenzbedingungen.

(6e) Zukunftstechniken im Sinne dieses Gesetzes sind neue Techniken für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie, die bei gewerblicher Nutzung entweder ein höheres allgemeines Umweltschutzniveau oder zumindest das gleiche Umweltschutzniveau und größere Kostenersparnisse bieten könnten als der bestehende Stand der Technik.

(7) Dem Herstellen im Sinne dieses Gesetzes steht das Verarbeiten, Bearbeiten oder sonstige Behandeln, dem Einführen im Sinne dieses Gesetzes das sonstige Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich.

(8) Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie im Sinne dieses Gesetzes sind die in der Rechtsverordnung nach § 4 Absatz 1 Satz 4 gekennzeichneten Anlagen.

(9) Gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe oder Gemische gemäß Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien67/548/EWGund 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 286/2011 (ABl. L 83 vom 30.3.2011, S. 1) geändert worden ist.

(10) Relevante gefährliche Stoffe im Sinne dieses Gesetzes sind gefährliche Stoffe, die in erheblichem Umfang in der Anlage verwendet, erzeugt oder freigesetzt werden und die ihrer Art nach eine Verschmutzung des Bodens oder des Grundwassers auf dem Anlagengrundstück verursachen können.

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Das Oberverwaltungsgericht hat den angefochtenen Bebauungsplan wegen beachtlicher Fehler bei der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung für unwirksam erklärt (UA S. 10). Der Rat der Antragsgegnerin habe - erstens - den Anspruch der künftigen Nutzer im Plangebiet auf Schutz vor erheblichen Belästigungen durch Geruchsimmissionen als zu gering bewertet und damit die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt sowie den Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit außer Verhältnis stehe (UA S. 11), und - zweitens - einen Grundsatz der Raumordnung nicht hinreichend beachtet (UA S. 19).

3

Ist die vorinstanzliche Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4; stRspr). Wenn nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben ist, kann diese Begründung nämlich hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert. Da die Grundsatzrüge, mit der die Antragsgegnerin die erste Begründung angreift, nicht zur Zulassung der Revision führt, kommt es auf die Divergenzrüge, die sich auf die zweite Begründung bezieht, nicht mehr an.

4

Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Antragsgegnerin beimisst.

5

Mit den Fragen,

- wie weit die Orientierungswerte nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) bei einem Nebeneinander von Gewerbe-/Industrienutzungen und landwirtschaftlichen Betrieben überschritten werden dürfen,

- wie weit die Orientierungswerte nach der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) bei einem Nebeneinander von Gewerbe-/Industrienutzungen und landwirtschaftlichen Betrieben bei Ausschluss von Wohnungen für Betriebsinhaber, Betriebsleiter oder sonstigen Aufsichtspersonen überschritten werden dürfen,

- ob absolute Obergrenzen von Grenzwerten für Geruchsbelastungen bestehen, die nicht überschritten werden dürfen,

- ob hinsichtlich eines Nebeneinanders von Gewerbe-/Industrienutzungen und landwirtschaftlichen Nutzungen eine Parallele zu den Wohnnutzungen im Außenbereich gezogen werden und Immissionswerte von bis zu 0,25 akzeptabel sein können,

möchte die Antragsgegnerin höchstrichterlich klären lassen, ob die Orientierungswerte der GIRL in der Bauleitplanung streng einzuhalten sind bzw. wie weit diese Werte überschritten werden dürfen und welche Obergrenzen konkret Anwendung finden (Beschwerdebegründung S. 3). Die Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, weil die GIRL keine Rechtsquelle darstellt. Sie ist ein technisches Regelwerk, deren Werte auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Experten beruhen und das insoweit die Bedeutung eines antizipierten generellen Sachverständigengutachtens hat. Ihre Auslegung ist keine Rechtsanwendung, sondern Tatsachenfeststellung und daher nicht revisibel (BVerwG, Beschlüsse vom 7. Mai 2007 - 4 B 5.07 - BRS 71 Nr. 168 und vom 28. Juli 2010 - 4 B 29.10 - ZfBR 2010, 792).

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Im Flächennutzungsplan können die für die Bebauung vorgesehenen Flächen nach der allgemeinen Art ihrer baulichen Nutzung (Bauflächen) dargestellt werden als

1.Wohnbauflächen(W)
2.gemischte Bauflächen(M)
3.gewerbliche Bauflächen(G)
4.Sonderbauflächen(S).

(2) Die für die Bebauung vorgesehenen Flächen können nach der besonderen Art ihrer baulichen Nutzung (Baugebiete) dargestellt werden als

1.Kleinsiedlungsgebiete(WS)
2.reine Wohngebiete(WR)
3.allgemeine Wohngebiete(WA)
4.besondere Wohngebiete(WB)
5.Dorfgebiete(MD)
6.dörfliche Wohngebiete(MDW)
7.Mischgebiete(MI)
8.urbane Gebiete(MU)
9.Kerngebiete(MK)
10.Gewerbegebiete(GE)
11.Industriegebiete(GI)
12.Sondergebiete(SO).

(3) Im Bebauungsplan können die in Absatz 2 bezeichneten Baugebiete festgesetzt werden. Durch die Festsetzung werden die Vorschriften der §§ 2 bis 14 Bestandteil des Bebauungsplans, soweit nicht auf Grund der Absätze 4 bis 10 etwas anderes bestimmt wird. Bei Festsetzung von Sondergebieten finden die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 10 keine Anwendung; besondere Festsetzungen über die Art der Nutzung können nach den §§ 10 und 11 getroffen werden.

(4) Für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete können im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet

1.
nach der Art der zulässigen Nutzung,
2.
nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften
gliedern. Die Festsetzungen nach Satz 1 können auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden; dies gilt auch für Industriegebiete. Absatz 5 bleibt unberührt.

(5) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(6) Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 vorgesehen sind,

1.
nicht Bestandteil des Bebauungsplans werden oder
2.
in dem Baugebiet allgemein zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.

(7) In Bebauungsplänen für Baugebiete nach den §§ 4 bis 9 kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass in bestimmten Geschossen, Ebenen oder sonstigen Teilen baulicher Anlagen

1.
nur einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen zulässig sind,
2.
einzelne oder mehrere der in dem Baugebiet allgemein zulässigen Nutzungen unzulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können oder
3.
alle oder einzelne Ausnahmen, die in den Baugebieten nach den §§ 4 bis 9 vorgesehen sind, nicht zulässig oder, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt, allgemein zulässig sind.

(8) Die Festsetzungen nach den Absätzen 4 bis 7 können sich auch auf Teile des Baugebiets beschränken.

(9) Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, kann im Bebauungsplan bei Anwendung der Absätze 5 bis 8 festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.

(10) Wären bei Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstige Anlagen unzulässig, kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können. Im Bebauungsplan können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets muss in seinen übrigen Teilen gewahrt bleiben. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für die Änderung und Ergänzung von Bebauungsplänen.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Dorfgebiete dienen der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten ist vorrangig Rücksicht zu nehmen.

(2) Zulässig sind

1.
Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude,
2.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen,
3.
sonstige Wohngebäude,
4.
Betriebe zur Be- und Verarbeitung und Sammlung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse,
5.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
6.
sonstige Gewerbebetriebe,
7.
Anlagen für örtliche Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
8.
Gartenbaubetriebe,
9.
Tankstellen.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 zugelassen werden.

(1) Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.

(2) Zulässig sind

1.
Gewerbebetriebe aller Art einschließlich Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus solarer Strahlungsenergie oder Windenergie, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
2.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
3.
Tankstellen,
4.
Anlagen für sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke,
3.
Vergnügungsstätten.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. November 2005 - 2 K 3548/03 - geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Landratsamts Ludwigsburg vom 20.1.2003 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.7.2003 verpflichtet, gegenüber den Beigeladenen die Neueindeckung der nördlichen Dachseite des auf dem Flurstück-Nr. 4518/19 der Gemeinde ... gelegenen Gebäudes mit nicht blendenden Dachziegeln anzuordnen.

Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beklagte und die Beigeladenen (gesamtschuldnerisch) jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin; ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und die Beigeladenen jeweils selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt ein bauaufsichtliches Einschreiten der Beklagten gegen die Beigeladenen.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.-Nr. 7004 der Gemarkung der Beklagten (... ...). Südöstlich dieses Grundstücks befindet sich auf Flst.-Nr. 4581/19 (... ...) das Grundstück der Beigeladenen. Das von den Beigeladenen abgegrabene Gelände steigt zum Grundstück der Klägerin deutlich an. Die Beigeladenen haben auf ihrem Grundstück ein Wohnhaus aufgrund einer Baugenehmigung vom 04.04.2002/27.06.2002 des Landratsamts Ludwigsburg errichtet. Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „Halden V“ vom 19.02.1998. Unter Teilziffer 1.6 der örtlichen Bauvorschriften („Dacheindeckung - Hauptgebäude“) wird vorgeschrieben: „Zulässig sind Eindeckungen mit Ziegeln oder Betondachsteinen in naturroten und rotbraunen Farbtönen … Reflektierende Materialien sind nicht zulässig …“
Schon kurz nach Fertigstellung des Daches beanstandete die Klägerin, dass von den verwendeten Dachziegeln des Typs Tegalit mit der „STAR“ Oberflächenbeschichtung der Firma ... ... bzw. der Firma ... eine erhebliche Blendwirkung ausgehe, und beantragte am 16.12.2002 beim Landratsamt Ludwigsburg ein förmliches Einschreiten gegen die Dacheindeckung der Beigeladenen.
Mit Bescheid vom 20.01.2003 lehnte das Landratsamt Ludwigsburg den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, es seien keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften verletzt, welche eine Schutzwirkung für Dritte entfalteten. Bei der möglicherweise verletzten örtlichen Bauvorschrift handle es sich gerade nicht um eine nachbarschützende Vorschrift, diese diene vielmehr alleine dem Zweck, die optische Einheitlichkeit des Baugebiets zu gewährleisten. Überdies sei ein Einschreiten gegen die Dacheindeckung der Beigeladenen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unzulässig, so dass sich für die Klägerin auch kein Anspruch aus dem Rücksichtnahmegebot nach § 15 BauNVO ergebe. Die Beeinträchtigung sei von der Klägerin hinzunehmen bzw. ihr könne durch geeignete Abwehrmaßnahmen entgegengewirkt werden. Außerdem werde die Blendwirkung mit zunehmender Verwitterung der verwendeten Dachziegel abnehmen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, den das Regierungspräsidium Stuttgart mit Bescheid vom 29.07.2003 als unbegründet zurückwies: Die Klägerin könne ihrerseits für einen geeigneten Schutz in Form von Vorhängen, Jalousien, Markisen oder Sonnenschirmen sorgen. Zudem seien die von den Beigeladenen verwendeten Dachziegel handelsüblich, so dass sich die hieraus ergebenden Nachteile für die Nachbarn hinzunehmen seien.
Am 29.08.2003 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass ausreichende Abwehrmaßnahmen nicht realisierbar seien. Die Blendwirkung trete bereits während des Frühjahrs auf und halte bei höherem Sonnenstand bis in den Herbst hinein an. Sie sei je nach Jahreszeit zwischen 11.00 Uhr und 15.00 Uhr für jeweils mehrere Stunden festzustellen. Sie könne sich innerhalb ihres Gebäudes der Blendwirkung nur durch das vollständige Herunterlassen der Rollläden entziehen. Im Freien müsse man sich permanent mit dem Rücken zu dem Gebäude aufhalten. Das Dach des Gebäudes der Beigeladenen liege auf Augenhöhe mit der Terrasse der Klägerin. Die Klägerin habe bereits alles Zumutbare unternommen, um selbst eine Verringerung der Blendwirkung zu erzielen. Eine Markise für die Räume im Obergeschoss sei nicht realisierbar. Im Erdgeschoss würde eine Markise die Blendwirkung nur dann verhindern, wenn der Betroffene stehe. Beim Sitzen reiche ein Markisenausfall von 2,00 m nicht aus. Auch könne diese Markise bei stärkerem Wind nicht ausgefahren werden. Die vom Landratsamt ermittelten Kosten von 25.000,-- EUR für eine Umdeckung des Daches seien zu hoch angesetzt. Für das gesamte Dach entstünden allenfalls Kosten von ca. 5.900,-- EUR. Im Übrigen gingen von der Strahlenbelastung Gesundheitsgefährdungen aus, weshalb das Ermessen der zuständigen Behörde auf Null reduziert und sie zum Eingreifen verpflichtet sei.
Die Beigeladenen haben hierauf erwidert, dass nach Angaben des Herstellers eine Umarbeitung der Dachsteine aus technischer Sicht nicht möglich sei. Die verwendeten ...-...-Dachsteine seien ausschließlich in der zur Ausführung gekommenen Oberfläche lieferbar. Eine Umdeckung sei daher nur mit anderen Dachsteinformen möglich. Diese würden in die vorhandene Dachlattung passen. Da aber sowohl die Form als auch die Oberfläche und der Firstanschluss sich vom bisherigen Dachstein unterschieden, müsste das gesamte Dach umgedeckt werden. Die Kosten hierfür betrügen laut Angebot der Firma ... ... vom 20.06.2005 7.830,-- EUR. Dieser Kostenaufwand sei ihnen nicht zumutbar. Sie seien allerdings bereit, zwei kugelförmige Laubbäume mit einer Stammhöhe von 2,50 m und einem Stammumfang von 12 bis 14 cm auf dem Grundstück der Klägerin zu pflanzen. Den dafür erforderlichen Kostenaufwand von 1.299,20 EUR würden sie übernehmen.
Mit Urteil vom 16.11.2005 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Einschreiten der Behörde auf der Grundlage des § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO. Ein Anspruch eines Angrenzers auf Einschreiten der Baurechtsbehörde bestehe nur, wenn das Vorhaben des Bauherrn gegen eine dem Schutz des Nachbarn dienende Vorschrift verstoße und das der Behörde eröffnete Ermessen auf Null reduziert sei. Wie bereits die Widerspruchsbehörde festgestellt habe, verstoße das Dach auf dem Gebäude der Beigeladenen nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt seien. Die vom Dach ausgehende Blendwirkung sei auch nicht zu Lasten der Klägerin unzumutbar, wobei das Gericht davon ausgehe, dass die Blendwirkung bereits während des Frühjahrs auftrete, bei höherem Sonnenstand bis in den Herbst hinein anhalte und je nach Jahreszeit zwischen 11.00 Uhr und 15.00 Uhr bei Sonnenschein für jeweils mehrere Stunden festzustellen sei. Es könne auch als wahr unterstellt werden, dass die von der Dacheindeckung ausgehende Blendwirkung für Personen, die sich auf dem Grundstück und in dem Haus der Klägerin der Blendwirkung unmittelbar und schutzlos aussetzten, gesundheitsschädigend sein könne. Für die Frage, ob die Lichteinwirkung für die Klägerin unzumutbar und deshalb wohngebietsunverträglich sei, sei von maßgeblicher Bedeutung, dass die Klägerin ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten auch unter Kostengesichtspunkten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen könne. Sie könne sich im Innenwohnbereich durch Jalousien, im Außenwohnbereich durch eine Markise, durch Einsatz eines Sonnenschirms und durch Bepflanzung mit geeigneten Bäumen schützen.
Mit ihrer vom Senat wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassenen Berufung wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihr bisherigen Vorbringen.
10 
Die Klägerin beantragt,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16.11.2005 - 2 K 3548/03 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Ludwigsburg vom 20.01.2003 und des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.07.2003 zu verpflichten, den Beigeladenen die Neueindeckung der nördlichen Dachseite des auf dem Flurstück-Nr. 4518/19 der Gemeinde ... gelegenen Gebäudes mit nicht blendenden Dachziegeln aufzugeben,
12 
hilfsweise über ein Einschreiten gegen die Beigeladenen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend. Es fehle schon am Merkmal der materiellen Rechtswidrigkeit, denn die verwendeten Betondachsteine Typ Tegalit mit „STAR“ Oberflächenbeschichtung der Firma ... ... seien keine reflektierenden Materialien. Zudem sei die Festsetzung, die reflektierende Dachflächen verbiete, jedenfalls nicht nachbarschützend. Nachbarschutz könne daher nur in Betracht kommen, wenn das Rücksichtnahmegebot verletzt sei oder wenn die allgemeine Gefahrenabwehrklausel des § 3 LBO greife. Mit dem Verwaltungsgericht könnten diese Voraussetzungen indessen nicht bejaht werden.
16 
Die Beigeladenen beantragen,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Der Senat hat die Grundstücke der Klägerin, der Beigeladenen und die nähere Umgebung in Augenschein genommen. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift Bezug genommen.
19 
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die vorliegenden Akten verwiesen. Dem Gericht liegen die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 2 K 3548/03 -, die Akten des Parallelverfahrens - 3 S 1655/06 -, die Behördenakten des Landratsamts Ludwigsburg und des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie die das Baugesuch der Beigeladenen betreffenden Bauakten und die Akten des Bebauungsplans „Halden V“ der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte der mit dem Hauptantrag verfolgten Verpflichtungsklage stattgeben müssen. Denn die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf baupolizeiliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen.
21 
Wie das Verwaltungsgericht bereits festgestellt hat, richtet sich die Klage aufgrund der Bekanntmachung des Regierungspräsidiums Stuttgart über die Zuständigkeit der Gemeinde Remseck am Neckar, Landkreis Ludwigsburg, als untere Baurechtsbehörde (vgl. GBl. 2003, S. 267) gegen die Beklagte im Wege gesetzlichen Parteiwechsels (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 02.11.1973 - IV C 55.70 - BVerwGE 44, 148, 150). Dieser Parteiwechsel kraft Gesetzes auf Beklagtenseite ist von Amts wegen zu berücksichtigen und stellt keine Klageänderung dar. Folgerichtig hat sich die Beklagte im Klage- und Berufungsverfahren auch durch Abgabe von Schriftsätzen und Antragstellung geäußert.
22 
Rechtsgrundlage für das von der Klägerin begehrte Einschreiten der Beklagten gegen die Beigeladenen ist § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO. Danach kann die Baurechtsbehörde den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Ein Nachbar hat grundsätzlich lediglich einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung der Behörde. Ein Anspruch auf Einschreiten besteht nur, wenn das Vorhaben des Bauherrn gegen eine dem Schutz des Nachbar dienende Vorschrift verstößt und das der Behörde eröffnete Ermessen auf Null reduziert ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.02.1993 - 8 S 1594/92 -, VBlBW 1993, 431, ). Zu diesen öffentlich-rechtlichen nachbarschützenden Vorschriften gehört auch das Gebot der Rücksichtnahme in seiner drittschützenden Funktion. Ein derartiger Verstoß ist aus den nachfolgenden Erwägungen vorliegend zu bejahen.
23 
Das Vorhaben der Beigeladenen ist im Hinblick auf die Dacheindeckung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die formelle Rechtswidrigkeit ergibt sich daraus, dass mit der Baugenehmigung die von den Beigeladenen konkret gewählte Art der Dachziegel nicht genehmigt wurde. Die Baugenehmigung enthält vielmehr die Auflage, dass das Dach „entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans mit Ziegeln oder Betondachsteinen in naturroten oder rotbraunen Farbtönen“ auszuführen ist. Daraus folgt, dass diese Eindeckung auch im Übrigen mit den Vorgaben des Bebauungsplans übereinstimmen muss, mithin die Eindeckung nicht aus „reflektierenden Materialien“ bestehen darf. Materiell-rechtlich verstößt die gewählte Dacheindeckung dem-entsprechend gegen die örtliche Bauvorschrift Teilziff. 1.6, wonach für die Dacheindeckung reflektierende Materialien nicht zulässig sind. Bei den im vorliegenden Fall verwendeten Dachziegeln des Typs Tegalit „STAR“ handelt es sich aufgrund ihrer Oberflächenbeschichtung der Firma ... ... bzw. der Firma ... um ein solch reflektierendes Material, wovon sich der Senat bei der Einnahme des Augenscheins trotz größtenteils bedeckten Himmels überzeugen konnte. Dabei ist nicht entscheidend, dass die Ziegel an sich nicht glänzen, vielmehr nur bei Sonneneinwirkung die Strahlung zurückwerfen, denn das „Zurückstrahlen von Licht“ ist definitionsgemäß gleichbedeutend mit „Reflexion“.
24 
Schon bei der Baukontrolle durch das Landratsamt Ludwigsburg wurde festgestellt und in einem Aktenvermerk festgehalten, dass das Dach der Beigeladenen mit lasierten Dachziegeln eingedeckt ist und die Klägerin durch die verwendeten Dachziegeln sehr geblendet wird. Auch das Regierungspräsidium Stuttgart und gleichfalls das Verwaltungsgericht Stuttgart haben jeweils bei ihrer Inaugenscheinnahme der Dacheindeckung die Blendwirkung bestätigt. Mittlerweile ist zwar aufgrund von Witterungseinflüssen eine gewisse Verschmutzung der Dachziegel festzustellen, indessen wird dadurch die Blendwirkung bei Sonneneinstrahlung kaum verringert. Diese ist nach wie vor erheblich. Der Senat hat sich beim Augenschein davon überzeugen können, dass bei starker Sonneneinstrahlung die Blendwirkung „gewissermaßen gleißend“ auftritt.
25 
Verstößt danach die Eindeckung des Daches mit reflektierenden Dachziegeln gegen die örtliche Bauvorschrift, so begründet dies zwar nur dann einen Anspruch der Klägerin auf baupolizeiliches Einschreiten, wenn diese Vorschrift auch dem Schutze des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, wofür vorliegend indessen keine Anhaltspunkte bestehen. Jedoch verstößt die Eindeckung des Daches wegen der Beschichtung der Ziegel und den besonderen Umständen des Falles darüber hinaus gegen das Rücksichtnahmegebot in seiner zugunsten der Klägerin bestehenden nachbarschützenden Ausprägung. Ob eine bestimmte Nutzung dem - sich vorliegend aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebenden Rücksichtnahmegebot - widerspricht, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, DVBl 1994, 697, ).
26 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich nach dem Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz vor Lärm oder Gerüchen, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude und Hecken oder Rankgerüsten in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies folgt auch daraus, dass Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17.03.1999 - 4 B 14.99 - ). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und sind die dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls.
27 
Gemessen daran ist es vorliegend der Klägerin nicht zuzumuten, sich im Außenbereich durch geeignete Abschirmmaßnahmen, insbesondere mittels einer Bepflanzung ihres Grundstücks, gegen die vom Dach der Beigeladenen ausgehenden Lichtimmissionen zu schützen.
28 
Die konkreten Umstände des Einzelfalles weisen aufgrund der kleinräumigen Verhältnisse vorliegend Besonderheiten auf, die dazu führen, dass zumutbare Abschirmmaßnahmen nicht in Betracht kommen. Der Abstand zwischen der südlichen Hauswand der Klägerin und der Grenze zum Nachbargrundstück der Beigeladenen beträgt lediglich etwa 7 m. In diesem engen Bereich befindet sich zudem die nach Süden ausgerichtete Terrasse der Klägerin. Als weitere Besonderheit kommt vorliegend hinzu, dass das Wohnhaus der Beigeladenen und damit auch die reflektierende Dachfläche aufgrund der vorgenommenen Abgrabungen ca. 2,10 m tiefer liegt, so dass die Blendwirkung des Daches auf Augenhöhe auf den Terrassenbereich der Klägerin einwirkt. Wollte sich die Klägerin gegen das seitlich einfallende blendende Licht wirksam abschirmen, müsste sie durchgehend eine Hecke von 4 bis 5 m Höhe pflanzen. Damit wäre aber jegliche Aussicht nach Süden in die Ebene genommen. Überdies würde der schon an sich sehr kleine südliche Freibereich nochmals verkleinert und erheblich verschattet. Dies kann von der Klägerin nicht als „ortsüblich“ und „sozialadäquat“ verlangt werden, auch wenn das Nachbargrundstück mit einer ähnlich hohen Hecke versehen ist und die Klägerin selbst ihr eigenes Grundstück seitlich auf der Westseite, von wo sie keine Blendwirkung zu erwarten hat, gleichfalls mit einem Strauch bepflanzt hat, der eine Höhe von 4 bis 5 m aufweist. Auch eine Markise ist nicht geeignet, die einwirkenden Lichtimmissionen wirksam abzuschirmen. Wie der Senat beim Augenschein festgestellt hat, bleibt die Blendwirkung überwiegend beim Sitzen auf der Terrasse auch dann bestehen, wenn die Markise voll ausgefahren und bis auf minimale Durchgangshöhe abgesenkt wird. Das Aufstellen eines zusätzlichen Sonnenschirms gegen diese seitlichen Lichteinwirkungen ist indessen der Klägerin nicht zuzumuten, käme es doch einem völligen „Einmauern“ gleich. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen demgegenüber weniger schutzwürdig sind, denn sie haben ihr Dach baurechtswidrig mit reflektierendem Material eingedeckt. Auch wenn sie dies nicht vorsätzlich veranlasst haben, weil ihnen zum Einen das von der Baufirma verwendete Material nicht bekannt war und sie zum Anderen den Dachziegeln die Blendwirkung nach dem ersten äußeren Anschein nicht ansehen konnten, mindert dieser Umstand deutlich ihre Schutzwürdigkeit, denn sie haben die Ursache für die Beeinträchtigungen der Nachbarn gesetzt und sind mit anderen Worten die baupolizeilichen Verhaltens- und Zustandsstörer. Hingegen kann von der Klägerin billigerweise nicht verlangt werden, ihr Grundstück nach Süden hin vollständig mit einer Hecke in entsprechender Höhe abzuschirmen oder anderweitig zu schützen, es dadurch weiter zu verkleinern und sich zudem noch die letzte Aussicht nach Süden zu verbauen sowie den Lichteinfall erheblich einzuschränken. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass nach § 12 Abs. 1 des Nachbarrechtsgesetzes - NRG - mit einem Abstand von 50 cm zur Grenze der Beigeladenen hin lediglich eine Hecke mit einer Höhe von 1,80 m zulässig ist und die Klägerin deshalb mit Ansprüchen auf Rückschnitt dieser Hecke nach § 12 Abs. 2 und 3 NRG seitens der Beigeladenen bzw. evtl. Rechtsnachfolger rechnen muss.
29 
Liegt danach ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung vor, so ist die Beklagte auch verpflichtet, den Beigeladenen die begehrte Teilumdeckung aufzugeben. Denn das ihr nach § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO eingeräumte Ermessen ist im vorliegenden Fall auf Null reduziert, da es keine Möglichkeit anderweitiger Beseitigung der baurechtswidrigen Blendwirkung gibt. Ein Anstrich oder eine Neubeschichtung, wie zunächst erwogen, kommt nicht in Betracht, wie dem Schreiben der Firma ... ... vom 14.10.2002 zu entnehmen ist. Diese verweist auf eine Information des Herstellers der Dachziegel, der Firma ... ..., wonach eine nachträgliche Reduzierung der Glanzwirkung durch eine Nachbehandlung nicht möglich ist und sich eine Neubeschichtung nicht dauerhaft mit der Oberfläche verbinden wird. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Eine Bepflanzung auf dem Grundstück der Beigeladenen selbst scheidet aus topografischen Gründen und dem geringen Grenzabstand ihres Hauses gleichfalls aus. Der Beigeladene hat hierzu in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, auf der Nordseite seines Wohnhauses sei nicht genügend Erde vorhanden, sodass ausreichend hohe Heckenpflanzen dort nicht anwachsen und gedeihen könnten. Die Verpflichtung zur Teilumdeckung des Daches scheitert auch nicht daran, dass diese Teilumdeckung wohl nicht möglich ist, vielmehr nur eine vollkommene Neueindeckung in Betracht kommen dürfte, denn dies ist letztlich eine Frage der Umsetzung. Kann der Verpflichtung zur Teilumdeckung nur dadurch nachgekommen werden, dass das Dach vollkommen neu eingedeckt wird, dann haben die Beigeladenen die komplette Neueindeckung zu veranlassen. Die dafür entstehenden Kosten von 7.830,-- EUR die nach dem Schreiben der Firma ... ... vom 20.06.2005 voraussichtlich entstehen werden, bewegen sich in einem überschaubaren Rahmen. Sie berücksichtigen eine Umdeckung des gesamten Daches, weisen Zuschläge für First und Schneidearbeiten etc. aus und enthalten die Kosten für das Gerüst sowie für die Entsorgung der bisherigen Dachsteine. Angesichts dessen, dass die Beigeladenen als Störer die Ursache für die erhebliche Beeinträchtigung der Klägerin gesetzt haben, sind ihnen diese Kosten - selbst wenn Kostensteigerungen mit einkalkuliert werden - noch zumutbar.
30 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 und 2 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.
31 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
20 
Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte der mit dem Hauptantrag verfolgten Verpflichtungsklage stattgeben müssen. Denn die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf baupolizeiliches Einschreiten gegenüber den Beigeladenen.
21 
Wie das Verwaltungsgericht bereits festgestellt hat, richtet sich die Klage aufgrund der Bekanntmachung des Regierungspräsidiums Stuttgart über die Zuständigkeit der Gemeinde Remseck am Neckar, Landkreis Ludwigsburg, als untere Baurechtsbehörde (vgl. GBl. 2003, S. 267) gegen die Beklagte im Wege gesetzlichen Parteiwechsels (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 02.11.1973 - IV C 55.70 - BVerwGE 44, 148, 150). Dieser Parteiwechsel kraft Gesetzes auf Beklagtenseite ist von Amts wegen zu berücksichtigen und stellt keine Klageänderung dar. Folgerichtig hat sich die Beklagte im Klage- und Berufungsverfahren auch durch Abgabe von Schriftsätzen und Antragstellung geäußert.
22 
Rechtsgrundlage für das von der Klägerin begehrte Einschreiten der Beklagten gegen die Beigeladenen ist § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO. Danach kann die Baurechtsbehörde den teilweisen oder vollständigen Abbruch einer Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde, anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Ein Nachbar hat grundsätzlich lediglich einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung der Behörde. Ein Anspruch auf Einschreiten besteht nur, wenn das Vorhaben des Bauherrn gegen eine dem Schutz des Nachbar dienende Vorschrift verstößt und das der Behörde eröffnete Ermessen auf Null reduziert ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.02.1993 - 8 S 1594/92 -, VBlBW 1993, 431, ). Zu diesen öffentlich-rechtlichen nachbarschützenden Vorschriften gehört auch das Gebot der Rücksichtnahme in seiner drittschützenden Funktion. Ein derartiger Verstoß ist aus den nachfolgenden Erwägungen vorliegend zu bejahen.
23 
Das Vorhaben der Beigeladenen ist im Hinblick auf die Dacheindeckung sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Die formelle Rechtswidrigkeit ergibt sich daraus, dass mit der Baugenehmigung die von den Beigeladenen konkret gewählte Art der Dachziegel nicht genehmigt wurde. Die Baugenehmigung enthält vielmehr die Auflage, dass das Dach „entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans mit Ziegeln oder Betondachsteinen in naturroten oder rotbraunen Farbtönen“ auszuführen ist. Daraus folgt, dass diese Eindeckung auch im Übrigen mit den Vorgaben des Bebauungsplans übereinstimmen muss, mithin die Eindeckung nicht aus „reflektierenden Materialien“ bestehen darf. Materiell-rechtlich verstößt die gewählte Dacheindeckung dem-entsprechend gegen die örtliche Bauvorschrift Teilziff. 1.6, wonach für die Dacheindeckung reflektierende Materialien nicht zulässig sind. Bei den im vorliegenden Fall verwendeten Dachziegeln des Typs Tegalit „STAR“ handelt es sich aufgrund ihrer Oberflächenbeschichtung der Firma ... ... bzw. der Firma ... um ein solch reflektierendes Material, wovon sich der Senat bei der Einnahme des Augenscheins trotz größtenteils bedeckten Himmels überzeugen konnte. Dabei ist nicht entscheidend, dass die Ziegel an sich nicht glänzen, vielmehr nur bei Sonneneinwirkung die Strahlung zurückwerfen, denn das „Zurückstrahlen von Licht“ ist definitionsgemäß gleichbedeutend mit „Reflexion“.
24 
Schon bei der Baukontrolle durch das Landratsamt Ludwigsburg wurde festgestellt und in einem Aktenvermerk festgehalten, dass das Dach der Beigeladenen mit lasierten Dachziegeln eingedeckt ist und die Klägerin durch die verwendeten Dachziegeln sehr geblendet wird. Auch das Regierungspräsidium Stuttgart und gleichfalls das Verwaltungsgericht Stuttgart haben jeweils bei ihrer Inaugenscheinnahme der Dacheindeckung die Blendwirkung bestätigt. Mittlerweile ist zwar aufgrund von Witterungseinflüssen eine gewisse Verschmutzung der Dachziegel festzustellen, indessen wird dadurch die Blendwirkung bei Sonneneinstrahlung kaum verringert. Diese ist nach wie vor erheblich. Der Senat hat sich beim Augenschein davon überzeugen können, dass bei starker Sonneneinstrahlung die Blendwirkung „gewissermaßen gleißend“ auftritt.
25 
Verstößt danach die Eindeckung des Daches mit reflektierenden Dachziegeln gegen die örtliche Bauvorschrift, so begründet dies zwar nur dann einen Anspruch der Klägerin auf baupolizeiliches Einschreiten, wenn diese Vorschrift auch dem Schutze des Nachbarn zu dienen bestimmt ist, wofür vorliegend indessen keine Anhaltspunkte bestehen. Jedoch verstößt die Eindeckung des Daches wegen der Beschichtung der Ziegel und den besonderen Umständen des Falles darüber hinaus gegen das Rücksichtnahmegebot in seiner zugunsten der Klägerin bestehenden nachbarschützenden Ausprägung. Ob eine bestimmte Nutzung dem - sich vorliegend aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergebenden Rücksichtnahmegebot - widerspricht, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzuwägen ist, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmepflichtigen nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, DVBl 1994, 697, ).
26 
Die Zumutbarkeit von Lichtimmissionen beurteilt sich nach dem Grad der tatsächlichen und rechtlichen Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Innen- und Außenwohnbereiche des Nachbarn. Das Maß der Schutzbedürftigkeit in tatsächlicher Hinsicht kann im Einzelfall davon abhängen, ob und inwieweit der Nachbar ohne größeren Aufwand im Rahmen des Ortsüblichen und Sozialadäquaten zumutbare Abschirmmaßnahmen ergreifen kann (zumutbarer Eigenschutz). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Eigenschutz gegen Lichtimmissionen, anders als der Schutz vor Lärm oder Gerüchen, ohne Einbußen für die Wohnqualität häufig durch herkömmliche Maßnahmen wie Vorhänge oder Jalousien innerhalb der Gebäude und Hecken oder Rankgerüsten in den Außenwohnbereichen bewerkstelligt werden kann. Dies folgt auch daraus, dass Lichtimmissionen oft gleichsam zwangsläufige Folge typischer Wohnformen sind und von daher auch akzeptiert werden (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 17.03.1999 - 4 B 14.99 - ). Andererseits ist die Intensität der Blendwirkung und sind die dem Nachbarn durch die Schutzmaßnahmen abverlangten Nutzungseinschränkungen seines Wohngrundstücks - im Innen- wie im Außenwohnbereich - in Rechnung zu stellen. Schließlich ist im Rahmen der rechtlichen Schutzwürdigkeit der Beteiligten darauf abzustellen, ob die die Blendwirkung auslösenden baulichen Maßnahmen vom materiellen Baurecht gedeckt sind oder nicht. Ob und in welchem Umfang innerhalb dieses Rahmens Abschirmmaßnahmen möglich und im Verhältnis zwischen Grundstücksnachbarn zumutbar sind, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls.
27 
Gemessen daran ist es vorliegend der Klägerin nicht zuzumuten, sich im Außenbereich durch geeignete Abschirmmaßnahmen, insbesondere mittels einer Bepflanzung ihres Grundstücks, gegen die vom Dach der Beigeladenen ausgehenden Lichtimmissionen zu schützen.
28 
Die konkreten Umstände des Einzelfalles weisen aufgrund der kleinräumigen Verhältnisse vorliegend Besonderheiten auf, die dazu führen, dass zumutbare Abschirmmaßnahmen nicht in Betracht kommen. Der Abstand zwischen der südlichen Hauswand der Klägerin und der Grenze zum Nachbargrundstück der Beigeladenen beträgt lediglich etwa 7 m. In diesem engen Bereich befindet sich zudem die nach Süden ausgerichtete Terrasse der Klägerin. Als weitere Besonderheit kommt vorliegend hinzu, dass das Wohnhaus der Beigeladenen und damit auch die reflektierende Dachfläche aufgrund der vorgenommenen Abgrabungen ca. 2,10 m tiefer liegt, so dass die Blendwirkung des Daches auf Augenhöhe auf den Terrassenbereich der Klägerin einwirkt. Wollte sich die Klägerin gegen das seitlich einfallende blendende Licht wirksam abschirmen, müsste sie durchgehend eine Hecke von 4 bis 5 m Höhe pflanzen. Damit wäre aber jegliche Aussicht nach Süden in die Ebene genommen. Überdies würde der schon an sich sehr kleine südliche Freibereich nochmals verkleinert und erheblich verschattet. Dies kann von der Klägerin nicht als „ortsüblich“ und „sozialadäquat“ verlangt werden, auch wenn das Nachbargrundstück mit einer ähnlich hohen Hecke versehen ist und die Klägerin selbst ihr eigenes Grundstück seitlich auf der Westseite, von wo sie keine Blendwirkung zu erwarten hat, gleichfalls mit einem Strauch bepflanzt hat, der eine Höhe von 4 bis 5 m aufweist. Auch eine Markise ist nicht geeignet, die einwirkenden Lichtimmissionen wirksam abzuschirmen. Wie der Senat beim Augenschein festgestellt hat, bleibt die Blendwirkung überwiegend beim Sitzen auf der Terrasse auch dann bestehen, wenn die Markise voll ausgefahren und bis auf minimale Durchgangshöhe abgesenkt wird. Das Aufstellen eines zusätzlichen Sonnenschirms gegen diese seitlichen Lichteinwirkungen ist indessen der Klägerin nicht zuzumuten, käme es doch einem völligen „Einmauern“ gleich. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen demgegenüber weniger schutzwürdig sind, denn sie haben ihr Dach baurechtswidrig mit reflektierendem Material eingedeckt. Auch wenn sie dies nicht vorsätzlich veranlasst haben, weil ihnen zum Einen das von der Baufirma verwendete Material nicht bekannt war und sie zum Anderen den Dachziegeln die Blendwirkung nach dem ersten äußeren Anschein nicht ansehen konnten, mindert dieser Umstand deutlich ihre Schutzwürdigkeit, denn sie haben die Ursache für die Beeinträchtigungen der Nachbarn gesetzt und sind mit anderen Worten die baupolizeilichen Verhaltens- und Zustandsstörer. Hingegen kann von der Klägerin billigerweise nicht verlangt werden, ihr Grundstück nach Süden hin vollständig mit einer Hecke in entsprechender Höhe abzuschirmen oder anderweitig zu schützen, es dadurch weiter zu verkleinern und sich zudem noch die letzte Aussicht nach Süden zu verbauen sowie den Lichteinfall erheblich einzuschränken. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass nach § 12 Abs. 1 des Nachbarrechtsgesetzes - NRG - mit einem Abstand von 50 cm zur Grenze der Beigeladenen hin lediglich eine Hecke mit einer Höhe von 1,80 m zulässig ist und die Klägerin deshalb mit Ansprüchen auf Rückschnitt dieser Hecke nach § 12 Abs. 2 und 3 NRG seitens der Beigeladenen bzw. evtl. Rechtsnachfolger rechnen muss.
29 
Liegt danach ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot in seiner drittschützenden Ausprägung vor, so ist die Beklagte auch verpflichtet, den Beigeladenen die begehrte Teilumdeckung aufzugeben. Denn das ihr nach § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 65 Satz 1 LBO eingeräumte Ermessen ist im vorliegenden Fall auf Null reduziert, da es keine Möglichkeit anderweitiger Beseitigung der baurechtswidrigen Blendwirkung gibt. Ein Anstrich oder eine Neubeschichtung, wie zunächst erwogen, kommt nicht in Betracht, wie dem Schreiben der Firma ... ... vom 14.10.2002 zu entnehmen ist. Diese verweist auf eine Information des Herstellers der Dachziegel, der Firma ... ..., wonach eine nachträgliche Reduzierung der Glanzwirkung durch eine Nachbehandlung nicht möglich ist und sich eine Neubeschichtung nicht dauerhaft mit der Oberfläche verbinden wird. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Eine Bepflanzung auf dem Grundstück der Beigeladenen selbst scheidet aus topografischen Gründen und dem geringen Grenzabstand ihres Hauses gleichfalls aus. Der Beigeladene hat hierzu in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt, auf der Nordseite seines Wohnhauses sei nicht genügend Erde vorhanden, sodass ausreichend hohe Heckenpflanzen dort nicht anwachsen und gedeihen könnten. Die Verpflichtung zur Teilumdeckung des Daches scheitert auch nicht daran, dass diese Teilumdeckung wohl nicht möglich ist, vielmehr nur eine vollkommene Neueindeckung in Betracht kommen dürfte, denn dies ist letztlich eine Frage der Umsetzung. Kann der Verpflichtung zur Teilumdeckung nur dadurch nachgekommen werden, dass das Dach vollkommen neu eingedeckt wird, dann haben die Beigeladenen die komplette Neueindeckung zu veranlassen. Die dafür entstehenden Kosten von 7.830,-- EUR die nach dem Schreiben der Firma ... ... vom 20.06.2005 voraussichtlich entstehen werden, bewegen sich in einem überschaubaren Rahmen. Sie berücksichtigen eine Umdeckung des gesamten Daches, weisen Zuschläge für First und Schneidearbeiten etc. aus und enthalten die Kosten für das Gerüst sowie für die Entsorgung der bisherigen Dachsteine. Angesichts dessen, dass die Beigeladenen als Störer die Ursache für die erhebliche Beeinträchtigung der Klägerin gesetzt haben, sind ihnen diese Kosten - selbst wenn Kostensteigerungen mit einkalkuliert werden - noch zumutbar.
30 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 und 2 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.
31 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
32 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
33 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Dorfgebiete dienen der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten ist vorrangig Rücksicht zu nehmen.

(2) Zulässig sind

1.
Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude,
2.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen,
3.
sonstige Wohngebäude,
4.
Betriebe zur Be- und Verarbeitung und Sammlung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse,
5.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
6.
sonstige Gewerbebetriebe,
7.
Anlagen für örtliche Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
8.
Gartenbaubetriebe,
9.
Tankstellen.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 zugelassen werden.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Beigeladene hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beigeladene kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in der selben Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Beseitigungsanordnung.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 2 Gemarkung A. Dort errichtete er im Spätherbst 2006 auf einem Gebäude eine aufgeständerte Photovoltaikanlage. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des einfachen Bebauungsplans Nr. 18 „A.-Ortskern“. Für diesen Bereich hatte der Gemeinderat der Beigeladenen am 21. März 2006 die Aufstellung eines Bebauungsplans beschlossen. Ziel der Planung ist dem Aufstellungsbeschluss zufolge, die dörfliche Struktur mit einer ausgewogenen Mischnutzung im Ortsteil A. zu erhalten und zu sichern. Hieran anschließend hatte der Gemeinderat ebenfalls am 21. März 2006 den Erlass einer Satzung über eine Veränderungssperre beschlossen, die den künftigen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 18 „A.-Ortskern“ erfasst. Aufstellungsbeschluss und Veränderungssperre wurden am 29. März 2006 im Amtsblatt der Beigeladenen bekannt gemacht. Der Bebauungsplan wurde am 18. September 2007 als Satzung beschlossen und am 10. Oktober 2007 im Amtsblatt der Beigeladenen bekannt gemacht. Nach dessen textlichen Festsetzungen sind nur Sonnenkollektoren oder Photovoltaikanlagen auf den geneigten Dachflächen in symmetrischer Anordnung ohne Aufständerungen zulässig (Bauordnungsrechtliche Festsetzungen/Örtliche Bauvorschriften Buchst. C Nr. 5). Der gesamte Planbereich ist als Dorfgebiet festgesetzt.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2007 verpflichtete das Landratsamt den Kläger zur Beseitigung der auf dem Grundstück FlNr. 2 Gemarkung A. ohne Baugenehmigung errichteten Photovoltaikanlage. Die Anlage sei ohne die erforderliche Baugenehmigung und damit im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, die Herstellung rechtmäßiger Zustände durch nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung sei nicht möglich. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Veränderungssperre dürften Vorhaben im Sinne des § 29 nicht durchgeführt werden. Eine Ausnahme von der Veränderungssperre könne nicht erteilt werden, da die Photovoltaikanlage den Zielen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans widerspreche. Der Gemeinderat der Beigeladenen habe am 5. Februar 2007 beschlossen, dass die Photovoltaikanlage keinen Bestand haben könne und zurückgebaut werden müsse; das für eine Ausnahme von der Veränderungssperre erforderliche Einvernehmen wurde nicht erteilt.

Die Regierung von Schwaben wies den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2009 zurück. Die aufgeständerte Photovoltaikanlage sei mit einer Fläche von mehr als 9 m² auf Dächern, die keine Flachdächer seien, grundsätzlich genehmigungspflichtig. Nach der bauordnungsrechtlichen Festsetzung Buchst. C Nr. 5 des Bebauungsplans seien Photovoltaikanlagen nur ohne Aufständerung zulässig. Nach Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayBO könnten örtliche Bauvorschriften auch durch einen Bebauungsplan erlassen werden. Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der hier durch einen Bebauungsplan erlassenen Ortsvorschrift bestünden nicht. Eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB komme nicht in Betracht, da Grundzüge der Planung berührt würden. Die bauliche Anlage sei demnach formell und materiell rechtswidrig. Sie sei weder zum Zeitpunkt der Errichtung noch zum jetzigen Zeitpunkt genehmigungsfähig.

Mit Urteil vom 23. Juni 2010 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid des Landratsamts vom 27. Juni 2007 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von Schwaben vom 16. April 2009 auf. Der Bebauungsplan Nr. 18 „A.-Ortskern“ sei nicht wirksam zustande gekommen. Es fehle am erforderlichen Satzungsbeschluss, weil der bekannt gemachte Bebauungsplan nach den anschließend durch die Kreisplanungsstelle des Landratsamts vorgenommenen Änderungen einen anderen Inhalt gehabt habe als der am 18. September 2007 beschlossene Bebauungsplan. Im unbeplanten Innenbereich sei das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Dorfgebiet. Hier füge sich die Photovoltaikanlage als sonstiger Gewerbebetrieb nach Art und Maß ihrer Nutzung ein. Das Ortsbild werde nicht beeinträchigt. Auch wirke die Anlage nicht verunstaltend.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 3. März 2011 teilte die Beigeladene mit, dass ihr Gemeinderat in seiner Sitzung am 25. Januar 2011 die Satzung über den einfachen Bebauungsplan Nr. 18 „A.-Ortskern“ neu beschlossen habe. Der erste Bürgermeister der Beigeladenen habe die Satzung am 26. Januar 2011 ausgefertigt. Der Beschluss sei am 9. Februar 2011 im Amtsblatt der Beigeladenen rückwirkend zum 11. Oktober 2007 bekannt gemacht worden.

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung macht die Beigeladene geltend, das Vorhaben widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 18 „A.-Ortskern“. Dieser sei von ihrem Gemeinderat am 25. Januar 2011 neu beschlossen und am 9. Februar 2011 rückwirkend zum 11. Oktober 2007 bekannt gemacht worden. Der Bebauungsplan sei im Übrigen schon im Jahre 2007 wirksam zustande gekommen. Selbst wenn man die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans als richtig unterstelle, seien etwaige Fehler mittlerweile geheilt. Entgegen der Auffassung des Klägers sei nicht der gesamte Bebauungsplan unwirksam. Jedenfalls der bauordnungsrechtliche Teil sei wirksam beschlossen und ausgefertigt worden. Bei einer aufgeständerten Photovoltaikanlage handele es sich um ein Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB, dessen Errichtung § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Veränderungssperre entgegengestanden habe. Im Übrigen sei das Vorhaben auch nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht genehmigungsfähig. Es füge sich nicht in die nähere Umgebung ein und beeinträchtige das Ortsbild. Es sei auch bauordnungsrechtlich unzulässig, weil die Anlage verunstaltend wirke. Zudem habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht denkmalschutzrechtliche Belange außer Acht gelassen. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht den Streitwert zu niedrig angesetzt.

Die Beigeladene beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. Juni 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor, ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern des Bebauungsplans, die im Abwägungsvorgang lägen, sei von der Beigeladenen nicht durchgeführt worden. Zwar habe der Gemeinderat am 25. Januar 2011 einen Satzungsbeschluss zur rückwirkenden Inkraftsetzung des Bebauungsplans gefasst, eine Abwägungsentscheidung sei den vorliegenden Unterlagen aber nicht zu entnehmen. Der Bebauungsplan sei auch deshalb unwirksam, weil bei den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung weder eine Grundflächenzahl noch die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen festgesetzt worden seien. Gleiches gelte im Hinblick auf die Festsetzung der zulässigen Wohneinheiten, weil diese hier bauraumbezogen und nicht gebäudebezogen erfolgt sei. Aufgrund dieser Mängel sei der Bebauungsplan insgesamt einschließlich der gestaltungsrechtlichen Festsetzungen als unwirksam anzusehen. Aus dem gesamten Aufstellungsverfahren sei zu ersehen, dass diese gestaltungsrechtlichen Festsetzungen nur notwendiger Annex der planungsrechtlichen Festsetzungen seien und die Beigeladene die gestalterischen Festsetzungen ohne die planungsrechtlichen Festsetzungen nicht erlassen hätte. Jedenfalls hätten im Zeitpunkt der Errichtung der Anlage materiell-rechtliche Gründe nicht gegen die Errichtung gesprochen, da die Veränderungssperre ersichtlich nur auf die planungsrechtlichen Festsetzungen des Planes gestützt gewesen sei und sich nicht auf etwaig beabsichtigte gestaltungsrechtliche Festsetzungen bezogen habe. Das Vorhaben sei, soweit es sich um solches im Sinne des § 29 BauGB handele, im Innenbereich bauplanungsrechtlich zulässig.

Der Beklagte nimmt zu der Berufung Stellung, stellt aber keinen eigenen Antrag. Er führt insbesondere aus, dass eine etwaige Unwirksamkeit des städtebaulichen Satzungsteils nicht automatisch zur Unwirksamkeit des gestalterischen Satzungsteils führe, der auf Art. 81 BayBO beruhe. Die Regelungen im Gestaltungsteil stünden mit den planungsrechtlichen Regelungen in keinem unmittelbaren Zusammenhang. Örtliche Bauvorschriften nach Art. 81 Abs. 1 BayBO könnten auch als selbstständige Satzungen erlassen werden. Es sei nicht erkennbar, dass hier baugestalterische und bauplanungsrechtliche Regelungen untrennbar aufeinander bezogen seien.

Zur Feststellung der örtlichen Verhältnisse hat der Senat am 24. April 2012 Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins; auf die Niederschrift hierüber und die dabei gefertigten Fotos wird Bezug genommen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Behördenakten verwiesen. Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung zugestimmt.

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Bescheid des Landratsamts Ostallgäu vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Schwaben vom 16. April 2009 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 VwGO).

I.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere verfügt die Beigeladene als Rechtsmittelführerin im Hinblick auf die angefochtene Beseitigungsanordnung über die nötige Beschwer, denn das angefochtene Urteil geht von der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens aus, weshalb die Beigeladene in ihrer Planungshoheit betroffen ist (vgl. BayVGH, U. v. 8.3.2013 - 15 B 10.2922 - juris Rn. 16 m. w. N.).

II.

Die Berufung ist nicht begründet, weil die angefochtene Beseitigungsanordnung rechtswidrig ist.

Nach Art. 76 Satz 1 BayBO (Art. 82 Satz 1 BayBO 1998) kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Errichtung der aufgeständerten Photovoltaikanlage ist zwar bauaufsichtlich nicht genehmigt. Die Bauaufsichtsbehörde hat jedoch bereits verkannt, dass auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Jedenfalls ist die Beseitigungsanordnung ermessensfehlerhaft ergangen.

1. Maßgeblich für die Frage, ob ein Vorhaben im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde (Art. 76 Satz 1 BayBO = Art. 82 Satz 1 BayBO 1998), ist zunächst die Rechtslage zum Zeitpunkt der Errichtung der Anlage, also wenn sie im Wesentlichen fertig gestellt ist und bestimmungsgemäß genutzt werden kann. Zu diesem Zeitpunkt hat sich das Vorhaben in seiner konkret verwirklichten Form an den Vorschriften der Genehmigungspflicht und Genehmigungsfähigkeit messen zu lassen (vgl. BayVGH, B. v. 29.3.2011 - 15 ZB 10.2265 - juris Rn. 9).

2. Nach dem im Zeitpunkt der Errichtung der aufgeständerten Photovoltaikanlage im Spätherbst des Jahres 2006 anwendbaren Art. 63 Abs. 1 Nr. 2 c BayBO 1998 konnte die Anlage nicht genehmigungsfrei errichtet werden, weil sie sich weder in der Dachfläche noch auf einem Flachdach befand und größer als 9 m² war. Nach der nunmehr geltenden Fassung des Art. 57 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa BayBO wäre die Errichtung der Anlage zwar verfahrensfrei, weil es nach dessen Wortlaut jetzt auch bei anderen Dachflächen als Flachdächern ausreicht, dass die Solarenergieanlage „auf“ ihnen errichtet wird, wovon auch sog. aufgeständerte Anlagen umfasst sind (vgl. Lechner/Busse in Simon/Busse, BayBO, Stand Juli 2013, Art. 57 Rn. 160a). Selbst wenn diese Änderung der Rechtslage zugunsten des Klägers zu berücksichtigen wäre, hätte das aber nur zur Folge, dass die Frage der formellen Legalität ohne Bedeutung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Beseitigungsanordnung wäre (vgl. Decker in Simon/Busse, a. a. O., Art. 76 Rn. 89).

3. Zum Zeitpunkt ihrer Errichtung war die Anlage des Klägers nicht materiell illegal. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt - und auch zum späteren Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids durch das Landratsamt vom 27. Juni 2007 - zwar die Veränderungssperre der Beigeladenen vom 22. März 2006 dem Vorhaben entgegenstehen konnte, nicht aber der Bebauungsplan Nr. 18 „A.-Ortskern“, der erst durch den Gemeinderat der Beigeladenen am 25. Januar 2011 rückwirkend zum 11. Oktober 2007 beschlossen wurde. Zwar ist die Satzung über die Veränderungssperre wirksam (a) und wird die Errichtung der Photovoltaikanlage als Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB auch von der Veränderungssperre erfasst (b). Allerdings können rechtmäßige Zustände auf andere Weise als durch die verfügte Beseitigung hergestellt werden (c).

a) Es kann davon ausgegangen werden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre vorlagen. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kann die Gemeinde, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf eine Veränderungssperre erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat (vgl. BVerwG, B. v. 22.1.2013 - 4 BN 7/13 - juris Rn. 3; U. v. 30.8.2012 - 4 C 1/11 - BVerwGE 144/82). Diese Vorstellungen können sich nicht nur aus Niederschriften über die Gemeinderatssitzung, sondern auch aus allen anderen erkennbaren Unterlagen und Umständen ergeben (vgl. BVerwG, B. v. 1.10.2009 - 4 BN 34/09 - NVwZ 2010, 42). Das Mindestmaß an Vorstellungen, die vorliegen müssen, um eine Veränderungssperre zu rechtfertigen, muss zugleich geeignet sein, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde zu steuern, wenn sie im Rahmen des § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu befinden hat (vgl. BVerwG, U. v. 30.8.2012 - 4 C 1/11 - BVerwGE 144, 82). Dabei geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass es grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp, sei es, dass sie nach den Vorschriften der §§ 9 Abs. 1 bis 2a BauGB festsetzbare Nutzungen ins Auge gefasst hat (vgl. BVerwG, U. v. 30.8.2012 - a. a. O.). Zu berücksichtigen ist zudem, dass das Konkretisierungserfordernis nicht überspannt werden darf, weil sonst die praktische Tauglichkeit der Veränderungssperre verloren gehen würde. So kann sich die Gemeinde im Allgemeinen nicht bereits zu Beginn des Aufstellungsverfahrens auf ein bestimmtes Planungsergebnis festlegen, was auch dem Abwägungsgebot widerspräche. Nicht ausreichend ist jedoch eine Planung, deren Konzept erst im Planungsverfahren entwickelt werden soll (vgl. BVerwG, U. v. 19.2.2004 - 4 CN 16/03 - BVerwGE 120, 138/148). Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich die Planung der Beigeladenen zum Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre jedenfalls im Hinblick auf die bauplanungsrechtlichen Vorstellungen noch als hinreichend konkret.

Nach § 1 der Satzung über eine Veränderungssperre für den Bereich des einfachen Bebauungsplans Nr. 18 „A.-Ortskern“ vom 22. März 2006 der Beigeladenen dient die Veränderungssperre zur Sicherung dieses Bebauungsplans, dessen Aufstellung vom Gemeinderat der Beigeladenen am 21. März 2006 beschlossen wurde. Ziel dieses Bebauungsplans ist es, die dörfliche Struktur mit einer ausgewogenen Mischnutzung im Ortsteil A. zu erhalten und zu sichern. Im Aufstellungsbeschluss wird dieses Ziel der Planung ebenfalls ausdrücklich genannt. Der Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderats vom 21. März 2006 lässt sich hierzu entnehmen, dass der Vorsitzende und der Planer von der Kreisplanungsstelle des Landratsamts, Herr F., dem Gemeinderat die planungsrechtlichen Möglichkeiten für den Ortskern A. erläutert und dabei auf den Übersichtslageplan des künftigen Geltungsbereichs des Bebauungsplans verwiesen haben. Hierzu hat der in dieser Sitzung ebenfalls anwesende Geschäftsstellenleiter der Verwaltungsgemeinschaft B. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 14. Juni 2011 ergänzend ausgeführt, Herr F. habe u. a. Wert darauf gelegt, dass die Zahl der Wohneinheiten begrenzt werde, dass Erweiterungsflächen für den Friedhof gesichert und der vorhandene Denkmalbestand ausreichend geschützt werden könne.

Die Bewahrung der dörflichen Struktur kann ein ausreichend konkretes Planungsziel sein (vgl. BayVGH, U. v. 19.11.2007 - 1 N 05.1521 - juris Rn. 22). Dies gilt vor allem dann, wenn diese Struktur, wie hier, schon vorhanden und z. B. bei der Straßenführung, den Grundstückszuschnitten und der Stellung der Gebäude noch zu erkennen ist. Daneben gibt der Aufstellungsbeschluss das Ziel einer ausgewogenen Mischnutzung vor. Das zeigt, dass die Beigeladene auch planerische Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung hinsichtlich eines bestimmten Baugebietstyps - die Erhaltung des Dorfgebietscharakters - hatte und diese Vorstellungen nicht noch völlig offen waren. Der Gebietscharakter eines Dorfgebiets ist geprägt durch eine Mischung von Nutzungen, die an dörfliche Strukturen anknüpfen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. VI, Stand 1.6.2013, § 5 BauNVO Rn. 1).

b) Die Photovoltaikanlage wird von der Veränderungssperre erfasst, weil es sich bei ihr, wie von § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (= § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung über die Veränderungssperre) vorausgesetzt, um ein Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB handelt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann die Anlage die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Anlage auch und gerade in ihrer unterstellten Häufung Belange erfasst oder berührt, welche städtebauliche Betrachtung und Ordnung erfordern (vgl. BVerwG, U. v. 30.8.2012 - 4 C 1/11 - BVerwGE 144, 82). Das Verwaltungsgericht hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass der städtebauliche Belang des Ortsbildes (§ 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB) berührt wäre, wenn auf den Gebäuden der näheren Umgebung eine oder gar mehrere vergleichbare Anlagen hinzukommen sollten.

c) Das Landratsamt hat im Ausgangsbescheid vom 27. Juni 2007 aber verkannt, dass rechtmäßige Zustände auf andere Weise hergestellt werden können.

aa) Eine Beseitigungsanordnung setzt nach Art. 76 Satz 1 BayBO (Art. 82 Satz 1 BayBO 1998) tatbestandlich weiter voraus, dass der Widerspruch der Anlage zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (= § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung über die Veränderungssperre) nicht auf andere Weise beseitigt werden kann. Insoweit war durch die Bauaufsichtsbehörde auch zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Ausnahme von der Veränderungssperre besteht und das Vorhaben damit legalisiert werden kann (vgl. BayVGH, U. v. 9.8.2007 - 25 B 05.1340 - juris Rn. 52; U. v. 12.1.2012 - 2 B 11.2230 - juris Rn. 28).

Das Landratsamt hat im Ausgangsbescheid die Möglichkeit einer solchen Ausnahme geprüft und unter Hinweis darauf verneint, dass die Anlage den Zielen des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans widerspricht. Der Gemeinderat der Beigeladenen habe deshalb auch das hierfür erforderliche Einvernehmen nicht erteilt. Nach seinem Beschluss vom 5. Februar 2007 könne die Anlage keinen Bestand haben und müsse wieder zurückgebaut werden. Diese Auffassung unterliegt aber rechtlichen Bedenken, weil ihr die Annahme zugrunde liegt, die von der Beigeladenen allein genannten ortsgestalterischen Gründe würden einer Ausnahme von der Veränderungssperre entgegenstehen. Das Landratsamt hat dabei aber nicht berücksichtigt, dass der Veränderungssperre nur bauplanungsrechtliche Vorstellungen der Beigeladenen zugrunde lagen.

bb) Die Zulassung einer Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB setzt voraus, dass dem Vorhaben überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Öffentliche Belange können nur diejenigen planungsrechtlichen Gründe sein, die den Erlass der Veränderungssperre legitimiert haben, also die Sicherung der Planung. Maßstab ist zunächst die zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses wenigstens in einem Mindestmaß konkretisierte Planung (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. II, Stand: 1.6.2013, § 14 BauGB Rn. 93). Wie oben ausgeführt bestand zu diesem Zeitpunkt zwar ein solches Mindestmaß an bauplanungsrechtlichen Vorstellungen der Beigeladenen. Demgegenüber lässt sich aber weder aus der Niederschrift über die Gemeinderatsitzung vom 21. März 2006 noch aus allen anderen verfügbaren Unterlagen und sonstigen Umständen hinreichend ersehen, dass auch örtliche Bauvorschriften über besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen zur Erhaltung und Gestaltung im Sinne des Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO (Art. 91 Abs. 1 Nr. 1 BayBO 1998) Inhalt des zukünftigen Bebauungsplans sein sollten. Insbesondere ergeben sich solche Anhaltspunkte auch nicht aus den Ausführungen des Geschäftsleiters der Verwaltungsgemeinschaft B. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 14. Juli 2011. Nach den von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen datiert die von der Kreisplanungsstelle des Landratsamts ausgearbeitete Planzeichnung, aus der sich Hinweise für die beabsichtigte Aufnahme örtlicher Bauvorschriften in den Bebauungsplan entnehmen lassen, erstmalig vom 30. November 2006.

cc) Dass die Aufnahme von örtlichen Bauvorschriften als Festsetzungen im Bebauungsplan von Anfang an beabsichtigt war, kann auch nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Vielmehr hat die Gemeinde grundsätzlich die Wahl, ob sie örtliche Bauvorschriften in der Rechtsform der selbstständigen Gemeindesatzung oder als Bestandteil eines Bebauungsplans erlässt (vgl. BayVGH, U. v. 22.10.2007 - 26 N 06.2031 - juris Rn. 34). Die Aufnahme in einen Bebauungsplan wird erst durch die ausdrückliche Anordnung in Art. 81 Abs. 2 BayBO i. V. mit § 9 Abs. 4 BauGB ermöglicht. Nach Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayBO ist dabei auch § 14 BauGB entsprechend anzuwenden. Dies spricht dafür, dass auch hinsichtlich dieser örtlichen Bauvorschriften eine Veränderungssperre erst erlassen werden darf, wenn insoweit ein Mindestmaß dessen erkennbar ist, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Das war hier - wie oben ausgeführt - nicht der Fall. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären - auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollten, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt und dem einzelnen Grundeigentümer nicht einmal im Ansatz ersichtlich ist (vgl. BVerwG, U. v. 19.2.2004 - 4 CN 13/03 - NVwZ 2004, 984).

dd) Zwar kann § 14 Abs. 2 BauGB auch ein Mittel bieten, die während des Zeitraums der Veränderungssperre eintretenden Veränderungen der planerischen Absicht der Gemeinde zu beachten (vgl. BVerwG, B. v. 9.8.1991 - 4 B 135/91 - Buchholz 406.11 § 14 BBauG/BauGB Nr. 17). Insbesondere mag der neuere Planungsstand maßgebend sein, wenn durch förmliche Beschlüsse des zuständigen Gemeindeorgans die Planungskonzeption im Laufe des Bebauungsplanaufstellungsverfahrens weiter entwickelt und konkretisiert wird (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. II, Stand: 1.6.2013, § 14 BauGB, Rn. 93). Insoweit erscheint aber bereits zweifelhaft, ob der vom Ausgangsbescheid zitierte Beschluss des Gemeinderats der Beigeladenen vom 5. Februar 2007 als eine solche Weiterentwicklung angesehen werden kann. Nach der Niederschrift über diese Sitzung erläuterte der Vorsitzende, dass die Anlage des Klägers entgegen den bauordnungsrechtlichen Vorschriften und der Veränderungssperre errichtet worden sei. Unter dieser Prämisse war sich das Gremium einig, dass die Anlage keinen Bestand haben könne und wieder rückgebaut werden müsse. Ein genereller Ausschluss der Zulässigkeit von aufgeständerten Photovoltaikanlagen wurde in der Sitzung aber nicht beschlossen. Die Verwaltung wurde lediglich beauftragt, mit dem Landratsamt eine Formulierung zu finden mit der Tendenz, auf nach Süden geneigten Dächern aufgeständerte Solaranlagen zuzulassen.

Dies bedarf aber keiner Vertiefung. Denn jedenfalls kann die Änderung einzelner Planungsvorstellungen nach Erlass der Veränderungssperre nur insoweit rechtliche Berücksichtigung finden, als die Planungskonzeption der Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre hinreichend konkretisiert und erkennbar war (vgl. BVerwG, B. v. 10.10.2007 - 4 B 36/07 - juris Rn. 3). Fehlt es dagegen hinsichtlich eines eigenständigen und abtrennbaren Teils der Planung - wie hier in Bezug auf die örtlichen Bauvorschriften - an dieser Voraussetzung für eine wirksame Veränderungssperre, bleibt eine nachträgliche Konkretisierung der Planung unbeachtlich (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger,BauGB, Bd. II, Stand 1.6.2013, § 14 BauGB Rn. 49; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr BauGB, 12. Aufl. 2014, § 14 Rn. 9a; Hornmann in Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 53).

ee) Damit war zum Zeitpunkt des Ausgangsbescheids die Möglichkeit einer Legalisierung der Photovoltaikanlage durch eine Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB gegeben, wenn dabei auf der Grundlage der obigen Ausführungen nur auf die bauplanungsrechtlichen Vorstellungen der Beigeladenen abgestellt wird. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beigeladene ihr nach § 14 Abs. 2 Satz 2 BauGB erforderliches Einvernehmen für die Erteilung einer Ausnahme verweigert hat. Zwar dient diese Regelung der Sicherung der Planungshoheit der Beigeladenen und besitzt die Gemeinde ein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde auf bauaufsichtliches Einschreiten, wenn ein genehmigungspflichtiges Vorhaben ohne den erforderlichen Bauantrag verwirklicht wird (vgl. BVerwG, U. v. 12.12.1991 - 4 C 31/89 - NVwZ 1992, 878; BayVGH, U. v. 21.1.2004 - 26 B 02.873 - NVwZ-RR 2005, 56). Allerdings ist eine Gemeinde in einem Verfahren auf bauaufsichtliches Einschreiten grundsätzlich nicht förmlich zu beteiligen und gibt es eine förmliche Sicherung der Planungshoheit im Verfahren der Beseitigung bestehender baulicher Anlagen nicht (vgl. BayVGH, B. v. 7.3.2012 -9 ZB 09.209 - juris Rn. 8). Das bedeutet, dass die Bauaufsichtsbehörde einer - wie hier - rechtswidrigen Haltung der Gemeinde bei der Entscheidung über die Beseitigungsanordnung Bedeutung weder beimessen muss noch darf (vgl. Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: Mai 2013, Art. 76 Rn. 36). Wollte man schon allein das fehlende Einvernehmen der Gemeinde dafür ausreichen lassen, dass rechtmäßige Zustände (derzeit) auf andere Weise nicht hergestellt werden können, würde nicht nur die Absicht des Art. 76 Satz 1 BayBO (Art. 82 Satz 1 BayBO 1998) unterlaufen, bereits errichtete bauliche Anlagen nur dann zu beseitigen, wenn ihre materielle Illegalität feststeht, sondern auch die Möglichkeit der Ersetzung des verweigerten Einvernehmens (Art. 67 Abs. 1 BayBO, Art. 74 Abs. 1 BayBO 1998) ausgeblendet (vgl. BayVGH, a. a. O. Rn. 10).

Hier ist auch nicht ersichtlich, dass die nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB erforderliche Ermessensentscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Zulassung dieser Ausnahme von der Veränderungssperre auf der Grundlage der obigen Ausführungen nur zum Nachteil des Klägers ausgehen konnte, zumal an der Zulässigkeit der gewerblich genutzten Photovoltaikanlage in einem Dorfgebiet keine Zweifel bestehen (§ 5 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO).

Damit steht bisher nicht fest, dass das Vorhaben des Klägers zum Zeitpunkt seiner Errichtung (und auch zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids vom 27.6.2007) materiell rechtswidrig war, so dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Beseitigungsanordnung zum Zeitpunkt des Ausgangsbescheids nicht vorlagen (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: Juli 2013, Art. 76 Rn. 145).

d) Die fehlerhafte Beurteilung der Möglichkeit der Legalisierung der Anlage des Klägers durch die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB im Ausgangsbescheid wurde durch den Widerspruchsbescheid vom 16. April 2009 nicht geheilt. Die Regierung von Schwaben hat dort bei der Prüfung der materiellen Illegalität lediglich darauf abgestellt, dass die Anlage den örtlichen Bauvorschriften des inzwischen in Kraft getretenen Bebauungsplans widerspricht und auch die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht in Betracht kommt.

4. Ungeachtet der rechtsfehlerhaften Beurteilung der Möglichkeit der Herstellung rechtmäßiger Zustände auf andere Weise ist die Beseitigungsanordnung auch ermessensfehlerhaft (§ 114 Satz 1 VwGO). Art. 76 Satz 1 BayBO (Art. 82 Satz 1 BayBO 1998) befugt die Bauaufsichtsbehörde zum Erlass einer Beseitigungsanordnung nach pflichtgemäßem Ermessen. Bei der Betätigung des Ermessens muss die Behörde alle einschlägigen Tatsachen und sonstigen Gesichtspunkte mit dem ihnen nach objektiver Betrachtung zukommenden Gewicht in Ansatz bringen und abwägen (vgl. BayVGH, U. v. 19.5.2011 - 2 B 11.353 - BayVBl. 2012, 86/89).

Hier hat das Landratsamt die Beseitigungsanordnung im Ausgangsbescheid ausschließlich darauf gestützt, dass die Anlage des Klägers unter Verstoß gegen die Veränderungssperre der Beigeladenen vom 22. März 2006 errichtet wurde. Insoweit kann allerdings nicht außer Betracht bleiben, dass zu diesem Zeitpunkt der Bebauungsplan Nr. 18 „A.-Ortskern“ der Beigeladenen noch nicht in Kraft getreten war und somit noch nicht definitiv feststand, ob die Anlage dem Bebauungsplan widersprechen oder der Bebauungsplan überhaupt zustande kommen wird. Nach einer teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung kann in einem solchen Fall allein der Verstoß gegen eine Veränderungssperre die Beseitigung einer Anlage nicht rechtfertigen; vielmehr ist der Bebauungsplan abzuwarten, damit geklärt werden kann, ob das Vorhaben materiell baurechtswidrig ist (vgl. Lemmel in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: November 2013, § 14 Rn. 19; Rieger in Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 14 Rn. 62; Hornmann in Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 2. Aufl. 2014, § 14 Rn. 67). Nach anderer Auffassung ist eine Beseitigungsanordnung schon während der Planaufstellung nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn die Planung einen Stand erreicht hat, der die Herstellung rechtmäßiger Zustände endgültig ausschließt (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. II, Stand: 1.6.2013, § 14 BauGB Rn. 86; Sennekamp in Brügelmann, BauGB, Stand: Oktober 2013, § 14 Rn. 54; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 14 Rn. 16; Jäde in Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB/BauNVO, 7. Aufl. 2014, § 14 BauGB Rn. 35). Da aber erst der Satzungsbeschluss nach § 10 BauGB die erforderliche Sicherheit über das künftige Planungsrecht schafft, sollte das Ermessen dann mit Blick auf die voraussichtlich kurze Zeitspanne bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans mit Augenmaß ausgeübt werden (vgl. Stock, a. a. O., § 14 BauGB Rn. 86). Dies gilt hier umso mehr, als die Beigeladene, wie dem Beschluss des Gemeinderats vom 5. Februar 2007 entnommen werden kann, zunächst beabsichtigt hatte, aufgeständerte Photovoltaikanlagen auf Dächern zuzulassen, deren First in Ost-West-Richtung verläuft, während im weiteren Planaufstellungsverfahren dann aufgeständerte Photovoltaikanlagen grundsätzlich ausgeschlossen wurden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Beigeladene später erneut anders entscheidet und das Bebauungsplanverfahren unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Gesichtspunkte zum Ergebnis führt, dass die Photovoltaikanlage des Klägers mit den Zielvorstellungen der Beigeladenen doch vereinbar ist.

Aus dem Ausgangsbescheid wird nicht ersichtlich, dass das Landratsamt diese Problematik in seine Ermessenserwägungen eingestellt hat. Warum mit dem Erlass der Beseitigungsanordnung nicht bis zum erstmaligen Inkrafttreten des Bebauungsplans am 11. Oktober 2007 abgewartet werden konnte, wird ebenfalls nicht dargestellt. Von einer Verfestigung der Anlage in diesem Zeitraum konnte kaum die Rede sein, da sie jederzeit ohne jeden größeren Aufwand vom Dach des Gebäudes wieder abmontiert werden kann. Es wird vielmehr nur darauf verwiesen, dass der Erlass der Beseitigungsanordnung pflichtgemäßem Ermessen entspreche, da kein milderes Mittel ersichtlich sei, um rechtmäßige Zustände wiederherzustellen. Der Gesichtspunkt, dass durch die Beseitigung der Anlage ein nicht unerheblicher Wert vernichtet werde, könne rechtlich nicht berücksichtigt werden. Auch im Widerspruchsbescheid werden diese Umstände nicht gewürdigt. Dort wird nur darauf verwiesen, dass hier die Bezugsfallwirkung von Bedeutung sei und ein Bauherr, der eine bauliche Anlage ohne die hierfür erforderliche Genehmigung errichte, nicht besser gestellt werden dürfe als ein Bauherr, der zunächst einen Bauantrag einreiche und eine ablehnende Entscheidung erhalte. Nicht positiv zu berücksichtigen sei es, dass der Kläger die Anlage als Musteranlage für die Weiterentwicklung seines Unternehmens benötige, zumal die Anlage an anderer Stelle genehmigungsfähig wäre. Diese defizitären Ermessenserwägungen wurden auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO).

5. Ob die Photovoltaikanlage den bauordnungsrechtlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 18 „A.-Ortskern“ widerspricht, ist auf der Grundlage voranstehender Ausführungen nicht entscheidungserheblich. Dies gilt auch für die Frage, ob die Anlage - bei unterstellter Unwirksamkeit des Bebauungsplans - gegen § 34 Abs. 1 BauGB oder Vorschriften des Bauordnungsrechts (Art. 8 BayBO) oder des Denkmalschutzrechts verstößt und inwieweit sich die Beigeladene als Rechsmittelführerin auf eine Verletzung dieser Vorschriften berufen kann. Der Senat hat es für sachgerecht gehalten, auf einige Punkte, die die Ungültigkeit des Bebauungsplans betreffen würden, gleichwohl einzugehen.

a) Die Festsetzungen des Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung dürften gegen § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO verstoßen. Demnach ist bei der Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung im Bebauungsplan stets die Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen festzusetzen. Diese Mindestfestsetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch nicht dadurch entbehrlich, dass Festsetzungen nach § 23 BauNVO über die überbaubare Grundstücksfläche getroffen werden (vgl. BVerwG, B. v. 18.12.1995 - 4 NB 36/95 - NVwZ 1996, 894; siehe auch BayVGH, U. v. 7.11.2012 - 1 N 10.2417). Denn mit diesen Festsetzungen soll nicht geregelt werden, wo auf dem Grundstück gebaut werden darf, sondern eine übermäßige Nutzung des Grundstücks im Interesse des Bodenschutzes verhindert werden. Deshalb ist auch die Grundfläche von Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO mitzurechnen (§ 19 Abs. 4 BauNVO). Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn in den textlichen Festsetzungen die zulässige Grundfläche ausdrücklich als die im zeichnerischen Teil festgesetzte überbaubare Grundstücksfläche festgesetzt wird. Damit wird den Anforderungen des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO genügt (vgl. BayVGH, U. v. 2.5.2007 - 25 N 04.777 - juris Rn. 19). Durch diese Regelung wird nämlich zum Ausdruck gebracht, dass die überbaubare Grundstücksfläche gleichzeitig die maßgebliche Grundfläche sein soll.

Hier ist im Bebauungsplan in Buchst. B Nr. 2.1 der textlichen Festsetzung festgelegt, dass das Maß der baulichen Nutzung durch die durch Baugrenzen und Baulinien festgesetzten überbaubaren Flächen und durch die Anzahl der zulässigen Geschosse bestimmt wird. Nach Buchst. B Nr. 4.2 Satz 1 der Festsetzungen sollen zwar Garagen, überdachte Stellplätze und eingehauste Tiefgaragenzufahrten innerhalb der überbaubaren Flächen errichtet werden. Sie sind jedoch, ebenso wie Nebengebäude, auch außerhalb der überbaubaren Flächen als Grenzgaragen nach Art. 6 und 7 BayBO zulässig (Buchst. B Nr. 4.2 Satz 2 der Festsetzungen). Die Größe der in Anspruch genommenen Grundfläche ist damit nicht letztverbindlich festgelegt.

Dass es sich hier um einen einfachen Bebauungsplan handelt, ändert daran nichts, weil § 16 Abs. 3 BauNVO auch bei einem einfachen Bebauungsplan Anwendung findet. Zwar kann sich das im Rahmen des § 1 Satz 3 Satz 1 BauGB maßgebliche planerische Konzept der Gemeinde auch auf die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung auswirken, indem Festsetzungen getroffen werden, die zu einem qualifizierten oder nur zu einem einfachen Bebauungsplan führen, weil das Maß der baulichen Nutzung nicht vollständig bestimmt ist. Die Vorschrift des § 16 Abs. 3 BauNVO geht aber in ihrem Anwendungsbereich dem allgemeinen Erforderlichkeitsmaßstab des § 1 Abs. 3 BauGB vor; dies bedeutet, dass zum Maß der baulichen Nutzung im Bebauungsplan, sollen dazu Festsetzungen getroffen werden, immer die Festsetzung der Grundflächenzahl oder der Größe der Grundfläche der baulichen Anlagen gehört (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Bd. VI, Stand: 1.6.2013, § 16 BauNVO Rn. 33 und 34).

b) Fraglich erscheint auch, ob Buchst. B Nr. 2.2 der textlichen Festsetzungen durch die allein in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gedeckt ist. Mit dieser Festsetzung wird die Anzahl der Wohneinheiten beschränkt und die zulässigen Wohneinheiten in Wohngebäuden in der Planzeichnung festgesetzt. In der Planzeichnung sind den durch Baugrenzen markierten „Bauräumen“, die weitgehend auf den bestehenden Hauptbaukörpern liegen, jeweils die Anzahl der maximal zulässigen Wohneinheiten zugeordnet. Der Kläger meint, die Festsetzung der zulässigen Anzahl der Wohneinheiten sei damit nicht gebäudebezogen, sondern bauraumbezogen erfolgt. Einzelne Bauräume seien so groß, dass sie die Errichtung mehrerer Gebäude innerhalb der Bauräume ermöglichen würden (vgl. z. B. FlNrn. 34, 35, 43). Aus der Begründung (Nr. 5.3) sei ersichtlich, dass gerade keine gebäudebezogene Festsetzung der Wohneinheiten vorgenommen werden sollte.

Die Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB, im Bebauungsplan „die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden festzusetzen“, ist nicht beschränkt auf die Festsetzung einer absoluten Zahl. Sie schließt die Bestimmung durch eine Verhältniszahl nicht aus, wobei sich mit der Angabe einer absoluten Zahl vor allem das städtebauliche Ziel einer einheitlichen Struktur des Gebiets in Bezug auf die Wohnform (z. B. Ein- und Zweifamilienhäuser), mit der Angabe einer relativen Zahl hingegen die Steuerung der Wohn- oder Besiedlungsdichte eines Gebiets erreichen lässt (vgl. BVerwG, U. v. 8.10.1998 - 4 C 1.97 - BVerwGE 107, 256). § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB verlange nicht, dass die Zahl der Wohnungen in jedem einzelnen Gebäude aufgrund der Festsetzung bestimmt sein müsse, wenn ein Bauwilliger auf einem -ausreichend großen - Grundstück mehrere Wohngebäude errichten wolle. Es müsse aber für jeden Bauwilligen feststehen, wie viel „Wohnungen in Wohngebäuden“ er auf seinem Baugrundstück errichten dürfe.

Hier hat die Beigeladene die Zahl der Wohneinheiten in der Planzeichnung mit einer absoluten Zahl festgesetzt. Letztlich wird damit auch die Obergrenze für das gesamte jeweilige Grundstück festgelegt, weil Wohngebäude nur innerhalb der Baugrenzen errichtet werden können. Unklar bleibt aber jedenfalls, was gelten soll, wenn in einem Bauraum zwei oder mehrere Wohngebäude errichtet werden können oder sollen. Es kommt hinzu, dass zumindest beim Grundstück FlNr. 43 die in der Planzeichnung festgesetzte Anzahl von neun maximal zulässigen Wohneinheiten im Widerspruch zu der Tabelle in Nr. 5.3 der Begründung steht. Dort ist lediglich eine maximale Anzahl von acht Wohneinheiten (bei einer Grundstücksgröße von über 3.000 m²) vorgesehen.

c) Ob eine Unwirksamkeit der genannten Festsetzungen die Unwirksamkeit des Bebauungsplans insgesamt zur Folge hat, bedürfte einer vertieften Prüfung. Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen dann nicht zu dessen Gesamtunwirksamkeit, wenn - erstens - die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen, für sich betrachtet, noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und - zweitens - mit Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung ohne den unwirksamen Teil beschlossen hätte (vgl. BVerwG, U. v. 11.7.2013 - 4 C N 7.12 - NVwZ 2014, 72/75). Hier waren die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, wie sich aus der Begründung zum Bebauungsplan (vgl. Nr. 5.3) ergibt, zentrales Anliegen der Beigeladenen. Dies gilt auch für die Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden. Auch wenn der Bebauungsplan ein größtenteils bebautes Gebiet betrifft, spricht dies eher dagegen, dass lediglich eine Teilunwirksamkeit dieser Festsetzungen dem planerischen Willen der Beigeladenen am Besten entspricht und sie auch einen Plan mit dadurch eingeschränktem Inhalt beschlossen hätte.

Selbst wenn von einer Unwirksamkeit des planungsrechtlichen Teils des Bebauungsplans auszugehen wäre, folgt daraus aber nicht ohne Weiteres auch die Unwirksamkeit der baugestalterischen Festsetzungen. Örtliche Bauvorschriften, die aufgrund des Landesbaurechts (Art. 81 Abs. 1 BayBO) durch Gemeindesatzungen erlassen werden können, können kraft ausdrücklicher Ermächtigung in Art. 81 Abs. 2 BayBO auch als Festsetzungen in Bebauungspläne aufgenommen werden. Damit hat die Gemeinde grundsätzlich die Wahl, ob sie örtliche Bauvorschriften in der Rechtsform der selbstständigen Gemeindesatzung oder als Bestandteil eines Bebauungsplans erlässt. Da örtliche Bauvorschriften auch als selbstständige Satzungen erlassen werden können, kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass materielle Mängel planungsrechtlicher Festsetzungen, die auf der Grundlage des § 9 BauGB erfolgt sind, ohne Weiteres auch solche örtlichen Bauvorschriften berühren. Das wird in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vielmehr nur dann angenommen, wenn zwischen den baugestalterischen und den planungsrechtlichen Festsetzungen ein untrennbarer Regelungszusammenhang besteht, z. B. wenn die Festsetzungen nach dem Willen der planenden Gemeinde in gegenseitiger Wechselbeziehung stehen (vgl. BayVGH, U. v. 28.4.1987 - 1 B 86.00190). Dass die unterschiedlichen Festsetzungen des Bebauungsplans untereinander verknüpft und aufeinander abgestimmt sind, um ein vom Satzungsgeber gewünschtes planerisches Konzept zu erreichen, führt allein aber nicht schon zu einem solchen Regelungszusammenhang (vgl. BayVGH, U. v. 12.9.1988 - 1 N 84 A 94 u. a.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. mit § 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Dorfgebiete dienen der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten ist vorrangig Rücksicht zu nehmen.

(2) Zulässig sind

1.
Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude,
2.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen,
3.
sonstige Wohngebäude,
4.
Betriebe zur Be- und Verarbeitung und Sammlung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse,
5.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
6.
sonstige Gewerbebetriebe,
7.
Anlagen für örtliche Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
8.
Gartenbaubetriebe,
9.
Tankstellen.

(3) Ausnahmsweise können Vergnügungsstätten im Sinne des § 4a Absatz 3 Nummer 2 zugelassen werden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 23. Juli 2014 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.. Die Beigeladene zu 2. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung vom 21. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 6. Juni 2013, mit welcher diesem die Errichtung einer Doppelhaushälfte mit Garage, Carport und Stellplatz auf dem Grundstück FlNr. 159/4 der Gemarkung P. genehmigt wurde.

Der Kläger ist Eigentümer des östlich und nördlich vom Baugrundstück gelegenen Grundstücks FlNr. 99 der Gemarkung P. Auf dem östlichen Teil des Grundstücks befindet sich die landwirtschaftliche Hofstelle des Klägers mit Wohnhaus, kleinem Wirtschaftsgebäude sowie einem großen, in mehrere Nutzungseinheiten aufgeteiltem Stall- und Betriebsgebäude samt geschlossener Güllegrube. Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Rinderhaltung (Milchvieh und Kälberaufzucht). Der westliche Teil des klägerischen Grundstücks ist unbebaut und landwirtschaftlich genutzt. Östlich und nördlich der klägerischen Hofstelle befindet sich Wohnbebauung. Das klägerische Grundstück wird auf seiner Westseite durch den Lohfeldweg erschlossen, der sich auf Höhe der Hofeinfahrt nach Norden hin verengt und als nicht asphaltierter Feldweg entlang des Baugrundstücks weiterführt. Entlang der Ostseite des Lohfeldwegs befindet sich ebenfalls Wohnbebauung. Die Westseite des Lohfeldwegs ist mit vier Wohnhäusern bebaut. Das genehmigte Doppelhaus erweitert die Wohnbebauung auf der Westseite nach Norden hin um zwei weitere Wohnhäuser. Das Stallgebäude liegt ca. 15 m an der engsten Stelle von dem Doppelhaus entfernt.

Mit Bescheid vom 2. Juni 2006 erteilte der Beklagte einen Vorbescheid zur Errichtung zweier Doppelhaushälften mit Garagen und Carports auf dem damaligen Grundstück FlNr. 159/4 (nach Teilung nun FlNr. 159/7 und 159/4). Der Vorbescheid enthielt u. a. folgende Nebenbestimmungen:

„1. Der Neubau eines Doppelhauses mit Garagen und Carports ist unter der Voraussetzung planungsrechtlich zulässig, dass wegen des auf Flurnr. 99 der Gemarkung P. befindlichen Stalles wie beantragt (Ihr Telefax vom 11.04.06) der Einbau einer Be- und Entlüftungsanlage vorgesehen wird, die die Frischluft von der Immissionsabgewandten Westseite des Doppelhauses ansaugt und damit die Belüftung der Räumlichkeiten (auch ohne das Öffnen der Fenster) mit Frischluft sicherstellt.

5. Der Grundriss des Doppelhauses ist so zu gestalten, dass auf der dem Stall zugewandten Ostseite keine zum Lüften notwendigen Fenster von schutzwürdigen Räumen (Kinderzimmer, Schlafzimmer, Wohnzimmer) angeordnet sind.“

Der Vorbescheid wurde dem Kläger zugestellt. Mit Bescheid vom 26. August 2009 wurde erneut ein nahezu wortgleicher Vorbescheid erteilt, da der frühere Vorbescheid bereits abgelaufen war. Auch dieser Bescheid wurde dem Kläger zugestellt. Mit Bescheid vom 23. Juli 2012 wurde die Geltungsdauer des Vorbescheids vom 26. August 2009 bis zum 29. August 2014 verlängert. Eine Zustellung dieses Verlängerungsbescheids an den Kläger unterblieb.

Unter dem 22. Februar 2013 beantragte der Beigeladene zu 1. den Erlass einer Baugenehmigung für eine Doppelhaushälfte mit Garage, Carport und Stellplatz auf dem Grundstück FlNr. 159/4 (nördliche Teilfläche, nach Teilung FlNr. 159/4). Mit Bescheid vom 21. März 2013 erteilte der Beklagte die beantragte Baugenehmigung. Mit Änderungsbescheid vom 6. Juni 2013 ergänzte der Beklagte die Baugenehmigung u. a. um folgende Nebenbestimmung:

„4. Es ist der Einbau einer Be- und Entlüftungsanlage vorzusehen, die Frischluft von der immissionsabgewandten Westseite des Doppelhauses ansaugt und damit die Belüftung der Räumlichkeiten (auch ohne Öffnen der Fenster) mit Frischluft sicherstellt.“

Beide Bescheide wurden dem Bevollmächtigten des Klägers am 10. Juni 2013 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 erhob der Kläger Klage gegen die Baugenehmigung in der Fassung des Änderungsbescheids. Das Verwaltungsgericht hob daraufhin die Baugenehmigung in der Fassung des Änderungsbescheids mit Urteil vom 23. Juli 2014 auf. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das Bauvorhaben befinde sich im Außenbereich und verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Von der zulässigerweise betriebenen Landwirtschaft des Klägers gingen Geruchsimmissionen aus, welche den Grad der Zumutbarkeit überschreiten würden. Der östliche Bereich des Doppelhauses liege mit einem öffenbaren Fenster sowie der Eingangstüre in einem Bereich, in welchem schädliche Umwelteinwirkungen zu vermuten seien. Der restliche Teil des Doppelhauses befinde sich in einem Bereich, in welchem schädliche Umwelteinwirkungen erst anhand einer Einzelfallprüfung ausgeschlossen werden könnten. Die mit dem Änderungsbescheid verfügte architektonische Selbsthilfe sei nicht geeignet, die Rücksichtslosigkeit des Wohnbauvorhabens gegenüber dem Kläger auszuschließen. Diese hätten ein Mindestmaß an Wohnkomfort zu wahren, wonach nach Auffassung des Erstgerichts gerade im ländlichen Raum das Öffnen von Fenstern zählen würde, egal ob es sich um schutzwürdige Räume oder wie vorliegend um Bäder, WCs oder Wirtschaftsräume handle. Auch die Eingangstür liege noch im Bereich unzumutbarer Geruchsbeeinträchtigungen.

Mit Beschluss vom 3. Februar 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen zu 1. zugelassen.

Der Beklagte macht geltend, dass die Entfernung zwischen dem nächstgelegenen Stallfenster und dem nächstgelegenen Fenster der nördlichen Haushälfte 15,7 m betrage. Der Beigeladene zu 1. habe im Wege der architektonischen Selbsthilfe eine Be- und Entlüftungsanlage eingebaut und die schutzwürdigen Wohnräume (Kinderzimmer, Schlafzimmer, Wohnzimmer) auf der dem Stallgebäude abgewandten Westseite seiner Doppelhaushälfte angeordnet. Diese Maßnahmen führten dazu, dass das Bauvorhaben gerade keinen unzumutbaren Geruchsbelästigungen ausgesetzt sei und damit das Rücksichtnahmegebot gegenüber dem Kläger nicht verletzt werde. Es gebe im Bereich der Rinderhaltung keine gesetzlichen Regelungen zu Geruchsbelastungen. Vielmehr werde von der Rechtsprechung eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls verlangt. Vorhandene technische Regelwerte dienten nur als Orientierungshilfe. Vorliegend war zudem der Beklagte durch den zuletzt verlängerten Vorbescheid gebunden. Zum Zeitpunkt der Verlängerung mit Bescheid vom 23. Juli 2012 konnte noch nicht auf die VDI 3894 Blatt 2 „Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen, Methode zur Abstandsbestimmung“ mit Stand November 2012 abgestellt werden. Das Landratsamt habe sich richtigerweise auf die Abstandsregelung für Rinderhaltung des Bayer. Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ vom Oktober 2002 in der Fassung vom März 2009 gestützt. Danach liegt die Ostseite des Gebäudes mit einem öffenbaren Fenster sowie der Eingangstür in dem Bereich, wo schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten seien. Daher habe der beigeladene Bauherr eine Be- und Entlüftungsanlage geplant sowie die schutzwürdigen Räume nach Westen hin angeordnet. Die Ansauganlage für die Be- und Entlüftungsanlage befinde sich ca. 33 m vom nächstgelegenen Stallfenster entfernt. Bei dieser Entfernung sei eine Einzelfallprüfung erforderlich. Nach dem vorgelegten Gutachten sei hier mit einer Geruchswahrnehmungshäufigkeit von 14 bis 15% der Jahresstunden zu rechnen. Zudem treffe den Beigeladenen zu 1. aufgrund seiner Lage benachbart zu einer bestehenden Landwirtschaft eine höhere Duldungspflicht. Das Baugrundstück liege in einer dörflichen Umgebung und sei bereits durch den klägerischen Betrieb vorbelastet. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Wohnkomfort betreffe die TA Lärm und sei nicht unmittelbar auf Geruchsbelästigungen anwendbar. Im Ergebnis könne im Rahmen der Einzelfallbetrachtung nicht von unzumutbaren Geruchsbelästigungen ausgegangen werden.

Der Beigeladene zu 1. führt aus, dass das Bauvorhaben das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletze. Die Geruchsbelastung der östlich gelegenen Wohnbebauung sei deutlich höher als am Baugrundstück. Am Baugrundstück sei bei einer Einzelfallbeurteilung davon auszugehen, dass die Zumutbarkeitsschwelle nicht überschritten sei. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur architektonischen Selbsthilfe bei Lärm sei in Ermangelung eines der TA Lärm vergleichbaren technischen Regelwerks nicht unmittelbar anwendbar. Konkrete Erweiterungsabsichten des klägerischen Betriebs lägen nicht vor. Nur theoretische Erweiterungsmöglichkeiten seien jedoch nicht zu berücksichtigen. Das Erstgericht sei zudem von einem falschen Schutzniveau ausgegangen, da sich das Bauvorhaben in einem Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich befinde. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei der Immissionskonflikt durch die Anordnung der Räume und die eingebaute Be- und Entlüftungsanlage gerade gelöst worden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 23. Juli 2013 die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene zu 1. beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 23. Juli 2013 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Wohnbauvorhaben des Beigeladenen zu 1. sei unzumutbaren Geruchsimmissionen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers ausgesetzt, was auch der Beklagte bestätige. Das Erstgericht habe die zur Verfügung stehenden Orientierungshilfen richtig angewandt. Architektonische Selbsthilfe sei vorliegend nicht möglich, denn anders als beim Lärm könne Geruch gerade nicht ausgesperrt werden. Geruch komme über jede Öffnung der Fassade in ein Gebäude und verteile sich dort. Der Geruch könne im Gebäude auch nicht verdünnt werden. Auch die Frischluftansaugstelle liege in einem geruchsbelasteten Bereich. Entsprechend sei die angeordnete architektonische Selbsthilfe untauglich. Ein Mindestmaß an Wohnkomfort könne nicht gewährleistet werden. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, ein Wohngebäude zumindest teilweise durch das Öffnen von Fenstern und Türen zu lüften. Eine ausreichende Belüftung im Sinn von Art. 45 Abs. 2 BayBO liege nicht mehr vor, wenn ein gesamtes Haus ausschließlich über eine Belüftungsanlage mit Frischluft versorgt werde. Selbst bei Passivhäusern gehöre das Öffnen von Fenstern bei bestimmten Temperaturen zum Wohnstandard. Auch habe das Erstgericht die Entwicklungsmöglichkeiten des Klägers zutreffend in die Abwägung eingestellt. Der Kläger habe nur noch eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten. Diese nicht zu berücksichtigen, wäre ein Fehler gewesen, auch wenn derzeit keine konkreten Erweiterungspläne vorlägen. Das Doppelhaus, das als ein Gebäude zu betrachten sei, verletze zudem das Abstandsflächenrecht, da es das 16 m-Privileg vor drei Fassaden, im Norden, im Osten und im Süden in Anspruch nehme.

Die Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte des Erstgerichts und die vorgelegten Behördenakten einschließlich der Akten im Parallelverfahren Az. 2 B 16.236 sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2016 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässigen Berufungen des Beklagten und des Beigeladenen zu 1. sind begründet. Die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung vom 21. März 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 6. Juni 2013 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Mit dem Erstgericht geht der Senat davon aus, dass das Baugrundstück sich nicht mehr innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB befindet sondern im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB. Dort ist das Bauvorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB als sonstiges, nicht privilegiertes Vorhaben nicht zulässig, da es öffentliche Belange im Sinn von § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt. Das Bauvorhaben des Beigeladenen zu 1. widerspricht bereits den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), welcher das Baugrundstück als „Fläche für die Landwirtschaft“ darstellt. Damit ist die Baugenehmigung in der Fassung der Änderungsgenehmigung objektiv rechtswidrig.

2. Der Kläger als Nachbar kann jedoch eine Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch seinem Schutz dienen. Dies ist hier nicht der Fall.

In Betracht käme lediglich die Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gegenüber dem Kläger, welches sich für den bauplanungsrechtlichen Außenbereich aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ergibt. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme läge hier nur dann vor, wenn das Bauvorhaben des Beigeladenen zu 1. schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt wäre, wie sie § 3 Abs. 1 BImSchG beschreibt. Der Kläger betreibt in zulässiger Weise eine geruchsintensive Landwirtschaft, welche vorliegend jedoch keine Auswirkungen auf das Baugrundstück hat, die den Grad der Unzumutbarkeit erreichen.

Für die Beurteilung der Zumutbarkeit der von Tierhaltungsbetrieben verursachten Gerüche gibt es keine allgemein gültigen Regelungen ähnlich der TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft). Im Rahmen seiner tatrichterlichen Bewertung kann das Gericht jedoch auf Regelwerke als Orientierungshilfe zurückgreifen, die in der landwirtschaftlichen Praxis entwickelt wurden. So bilden nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B. v. 11.3.2013 - 14 ZB 12.2073 - juris; B. v. 24.4.2012 - 2 ZB 10.2894 - juris; B. v. 2.8.2007 - 1 CS 07.801 - BayVBl 2007,758) die Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München/Weihenstephan „Geruchsimmissionen aus Rinderställen“ vom März 1994 („Gelbes Heft 52“) und „Geruchsfahnenbegehung an Rinderställen“ vom Juni 1999 („Gelbes Heft 63“) brauchbare Orientierungshilfen, um die Schädlichkeit von Geruchsimmissionen auf Wohnbebauung ermitteln zu können. Gleiches gilt für die „Abstandsregelung für Rinderhaltungen“ des bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ vom Oktober 2002 - fortgeschrieben März 2009 und Oktober 2013 - (vgl. BayVGH, B. v. 18.4.2011 - 15 ZB 09.1763 - juris; B. v. 3.2.2011 - 1 ZB 10.718 - juris). Als drittes Regelwerk zur Beurteilung der Zumutbarkeit der von Tierhaltungsbetrieben verursachten Gerüche sind die Regelungen der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) in der Fassung der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 29. Februar 2008 mit einer Ergänzung vom 10. September 2008 in der Rechtsprechung als zulässige Orientierungshilfe für den Einzelfall im Rahmen der tatrichterlichen Bewertung anerkannt (vgl. BVerwG, B. v. 2.12.2013 - 4 BN 44.13 - juris; BayVGH, B. v. 3.5.2016 - 15 CS 15.1576 - n. v.; B. v. 23.4.2014 - 2 ZB 11.2057 - juris).

Vorliegend hat das Sachgebiet Immissionsschutz des Landratsamts in seiner immissionsschutzfachlichen Stellungnahme vom 12. April 2006 im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens (Vorbescheidsakte Bl. 25-27) festgestellt, dass das Bauvorhaben bei einem Abstand von ca. 15 m zum Rinderstall mit ca. 5 m (Ostseite des Gebäudes) im „roten Bereich“ (schädliche Umwelteinwirkungen sind zu erwarten) nach den „Abstandsregelungen für Rinderhaltungen“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ zu liegen kommt. Nach den Feststellungen des Erstgerichts beim Augenschein (vgl. Niederschrift über den Augenschein vom 23. Juli 2014, Bl. 147 ff. der erstinstanzlichen Gerichtsakte) beträgt die kürzeste Entfernung zwischen dem nächstgelegenen Stallfenster und dem nächstgelegenen Fenster der nördlichen Doppelhaushälfte 15,70 m bzw. dem nächstgelegenen Fenster der südlichen Doppelhaushälfte 16,20 m. Die Doppelhäuser weisen eine Tiefe von 12,99 m auf, so dass der überwiegende Teil des Gebäudes im „grauen Bereich“ (Detailbeurteilung erforderlich) zu liegen kommt. Das Fenster im Koch-/Essbereich der nördlichen Doppelhaushälfte befindet sich in einer Haustiefe von ca. 4,60 m (gemessen im Eingabeplan). Es dürfte sich daher ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts bereits im „grauen Bereich“ befinden. Zudem verfügt der Koch-/Essbereich noch über ein weiteres, westlicher gelegenes Fenster in der Nordfassade sowie die Terrassentür in der Westfassade, so dass das östlichere Fenster nicht zwingend zur Belüftung erforderlich ist. Das Sachgebiet Immissionsschutz hat als Auflagen eine Be- und Entlüftungsanlage, welche die Frischluft von der immissionsabgewandten Westseite ansaugt, sowie eine Gestaltung des Grundrisses in der Form, dass auf der dem Stall zugewandten Ostseite keine zum Lüften notwendigen Fenster von schutzwürdigen Räumen (Kinderzimmer, Schlafzimmer, Wohnzimmer) angeordnet sind, vorgeschlagen. Der Einbau eine Be- und Entlüftungsanlage wurde im Änderungsbescheid vom 6. Juni 2013 beauflagt.

Der Beigeladene zu 1. hat zwei Gutachten der Fa. ... zur Beurteilung der Geruchsbelastung vorgelegt. Das Gutachten vom 4. Februar 2014 unter Anwendung der GIRL kommt zu dem Ergebnis, dass im Bereich der Luftzufuhreinrichtung der Belüftungsanlage eine Wahrnehmungshäufigkeit von maximal 0,15 (15% der Jahresstunden) auftreten wird, womit von der Einhaltung der Immissionswerte für ein Dorfgebiet auszugehen sei. Vorliegend ist zudem zu berücksichtigen, dass sich das Bauvorhaben im planungsrechtlichen Außenbereich befindet und damit eine geringere Schutzwürdigkeit besitzt. Bereits bei im Dorfgebiet liegenden Wohngebäuden, die sich jedoch am Rand zum Außenbereich befinden, ist die Schutzwürdigkeit herabgesetzt und ein Zwischenwert zwischen Dorfgebiet und Außenbereich zu bilden, was zu einem Immissionswert von bis zu 0,20 führen kann. Im Außenbereich kann es sogar bis zu 0,25 sein (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 der GIRL, „Zuordnung der Immissionswerte“). Denn der Außenbereich dient dazu, nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Vorhaben wie landwirtschaftliche Betriebe unterzubringen, so dass Eigentümer von Wohngebäuden im Randgebiet zum Außenbereich jederzeit mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen müssen und ihr Schutzanspruch deswegen gemindert ist (vgl. BayVGH, B. v. 3.5.2016 - 15 CS 15.1576 - n. v.; OVG LSA, U. v. 24.3.2015 - 2 L 184/10 - juris). Auch dieses Gutachten gelangt zu dem Ergebnis, dass an der Ostfassade eine Wahrnehmungshäufigkeit von 0,19 bis 0,25 (19% bis 25% der Jahresstunden) auftritt.

Im zweiten Gutachten vom 13. Oktober 2014 wurde eine Betrachtung nach dem „Gelben Heft 63“ durchgeführt. Danach ist in 13% bis 15% der Jahresstunden (vgl. Gutachten S. 18) mit erkennbaren Gerüchen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb im Bereich der streitgegenständlichen Wohnbebauung zu rechnen.

Festzuhalten ist, dass nach allen drei als Orientierungshilfen heranziehbaren Regelwerken auf der Ostseite des Doppelhauses die Grenze zur unzumutbaren Geruchsbelästigung erreicht ist, wohingegen alle drei Beurteilungen davon ausgehen, dass an der Westseite und insbesondere im Bereich der Luftzufuhreinrichtung für die Be- und Entlüftungsanlage die Immissionswerte sogar für ein Dorfgebiet eingehalten werden können.

Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ist jedoch als gegenseitiges Rücksichtnahmegebot ausgestaltet, wie es auch der Verordnungsgeber in der Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 BauNVO zum Ausdruck bringt. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt das nicht nur zu Beschränkungen desjenigen, welcher Immissionen verursacht, sondern auch zu gewissen Duldungspflichten desjenigen, welcher sich solchen Immissionen aussetzt. Daraus folgen Obliegenheiten des Emittenten wie beispielsweise zu baulichen Vorkehrungen zur Minderung der Emission. Umgekehrt kann einem Bauherrn, der mit seinem Wohnbauvorhaben an eine Emissionsquelle heranrückt, seinerseits die Obliegenheit treffen, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare bauliche Vorkehrungen zu treffen, welche die Störung der Wohnnutzung spürbar mindern. So hat der Bauherr grundsätzlich auch eine Obliegenheit, durch ihm mögliche und zumutbare Maßnahmen, z. B. durch eine entsprechende Ausrichtung des Gebäudes auf dem Grundstück, durch den äußeren Zuschnitt des Hauses, durch eine immissionsabgewandte Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, gegebenenfalls auch durch die immissionsmindernde Gestaltung der Außenwohnbereiche auf Geruchsimmissionen eines benachbarten Rinderstalls Rücksicht zu nehmen (vgl. BayVGH, U. v. 23.11.2004 - 25 B 00.366 - juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen liegt eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme zulasten des Klägers nicht vor. Der Beigeladene zu 1. hat alle baulichen Möglichkeiten zur Minderung der Geruchsbelästigung auf seinem Grundstück umgesetzt. Zur Ostseite hin liegen lediglich nicht schutzwürdige Räumlichkeiten, wohingegen die Wohn- und Schlafräume sich auf der weniger belasteten Westseite befinden. Zudem ist eine Be- und Entlüftungsanlage vorhanden, welche die Frischluftzufuhr ebenfalls auf der weniger belasteten Westseite des Grundstücks hat. Diese Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe sind nach Auffassung des Senats vorliegend nicht nur ausreichend, um eine dauerhafte Konfliktlösung zu erreichen, sie sind auch zulässig und geeignet.

Zwar haben Maßnahmen architektonischer Selbsthilfe grundsätzlich ein Mindestmaß an Wohnkomfort zu wahren. Unabhängig davon, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur TA Lärm (vgl. U. v. 29.11.2012 - 4 C 8.11 - juris) insoweit auf Geruchsbelästigungen anzuwenden ist, ging es in der damaligen Entscheidung um die Wahrung des Mindestmaßes an Wohnkomfort in schutzwürdigen Räumlichkeiten. Dazu zählen jedoch lediglich Wohnräume, Schlafräume oder Kinderzimmer, nicht aber sonstige Räume wie hier ein Wirtschaftsraum, Bad oder WC sowie Flure. Ausschlaggebend waren die Wahrung der Kommunikationssituation im Innern sowie das Ruhebedürfnis und der Schlaf, was ausschließlich schutzwürdige Räumlichkeiten betrifft. „Nebenräume“, die nicht zum längeren Aufenthalt dienen, unterliegen generell einer geringeren Schutzwürdigkeit, unabhängig davon, ob eine Störung durch Lärm oder Gerüche inmitten steht. Eine Übertragung der Rechtsprechung auf nicht schutzwürdige Räume ist aus Sicht des Senats weder geboten noch sinnvoll. Der Senat ist der Auffassung, dass gerade im ländlichen Raum öffenbare Fenster jedenfalls dann nicht zum Mindestmaß an Wohnkomfort zählen, wenn sie sich in nicht schutzwürdigen Räumen befinden. Gerade im ländlichen Raum ist von höheren Geruchsbelastungen auszugehen als im städtischen Raum, insbesondere bei einer Randlage zum Außenbereich oder im Außenbereich. Art. 45 Abs. 2 Satz 1 BayBO verlangt eine ausreichende Belüftung und Belichtung lediglich von Aufenthaltsräumen. Zu letzteren zählen jedoch weder Bäder und WCs noch Flure und Treppenhäuser. Diese können auch gänzlich ohne Fenster errichtet werden. Eine Unterscheidung, ob sich ein Gebäude im ländlichen oder städtischen Raum befindet, trifft die Bayerische Bauordnung nicht. Insoweit können auch keine Unterschiede hinsichtlich des Wohnkomforts angenommen werden. Im Übrigen verfügen Passivenergiehäuser über ähnliche Belüftungsanlagen, ohne dass diese dort eine Geruchsbelästigung verhindern bzw. ausgleichen sollen oder dies als Einschränkung des Wohnkomforts gesehen wird. Weiterhin steht die Tatsache, dass die Fenster auf der Ostseite grundsätzlich öffenbar sind, sowie die notwendigerweise öffenbare Wohnungstür auf der Ostseite einer dauerhaften Konfliktlösung nicht entgegen. Der Bauherr kann sich im Einzelfall im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme nachträglich gerade nicht darauf berufen, dass er seinen Obliegenheiten nicht nachkommt, weil er die Fenster öffnet oder die Be- und Entlüftungsanlage nicht betreibt. Dies würde eine Pflichtverletzung seinerseits darstellen. Im Hinblick auf die Wohnungstür ist davon auszugehen, dass ein dauerhaftes Offenstehen nicht erfolgen wird. In diesem Fall wäre die Be- und Entlüftungsanlage nicht mehr funktionsfähig. Ein kurzzeitiges Öffnen zum Betreten oder Verlassen des Hauses ist hingegen unschädlich, da durch den von der Be- und Entlüftungsanlage erzeugten dauerhaften Überdruck ein Eindringen von Luft von außen für einen gewissen Zeitraum verhindert wird (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10.5.2016 S. 3). Im Übrigen wird durch die Be- und Entlüftungsanlage die Geruchsbelästigung, die beim Öffnen der Tür entsteht, in kurzer Zeit wieder neutralisiert.

Hinsichtlich der Luftzufuhreinrichtung ist festzuhalten, dass sie bei der Beurteilung nach der GIRL sowie dem „Gelben Heft 63“ in einem Bereich liegt, der zwar Geruchsbelästigungen ausgesetzt ist, in dem aber die Immissionswerte für ein Dorfgebiet eingehalten werden. Bei der Beurteilung nach den „Abstandsregelungen für Rinderhaltung“ liegt die Luftzufuhreinrichtung noch im „grauen Bereich“. Hier ist jedoch eine Detailbeurteilung im Einzelfall erforderlich, die gerade im Hinblick auf die unproblematische Lage nach den beiden anderen als Orientierungshilfe heranziehbaren Regelwerken und die vorgenommene, zulässige architektonische Selbsthilfe zugunsten des Bauherrn ausfällt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt (§§ 47, 52 Abs. 1 GKG).

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.