Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 31.10.2011 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die HIV-Infektion des Klägers eine Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ist.

Der am ... geborene Kläger war seit 01.01.1982 für A. als Fachberater beschäftigt. Vom 01.09.1998 bis 31.08.1999 war er für B. als Leiter der F.-Abteilung im Werk C. in D. tätig. Auf den Vertrag mit B. vom 14.08.1998, die Vereinbarung des Klägers mit A. vom 20.04.1998 sowie die Unterlagen zum Entsendungsvertrag vom 20.04.1998 nach D. wird Bezug genommen. Zu den Aufgaben des Klägers im Werk C. gehörten laut Arbeitszeugnis Leitung und Aufbau einer F.-Abteilung einschließlich Einstellung, Training und Überwachung von Mitarbeitern sowie die Erstellung eines Qualitätssicherungssystems.

Im Vertrag mit A. vom 20.04.1998 wurde vereinbart, dass der Kläger vom 01.09.1998 bis 31.07.2000 im Einvernehmen mit A. einen Dienstvertrag mit B. schließt. Ergänzend zu dem Dienstvertrag mit B. wurden Vereinbarungen zwischen dem Kläger und A. getroffen, insbesondere zur Vergütung und zur Reintegration. Vereinbart wurde unter Punkt „2. Reintegration“

- eine unmittelbare Weiterbeschäftigung des Klägers nach fristgemäßer Beendigung und positiv verlaufendem Einsatz für B., wobei die Reintegrationszusage nach 5 Jahren ende,

- der Vorbehalt von A., den Kläger auch während der Laufzeit seines Vertrags mit B. - mit dessen Einvernehmen - zurückzurufen und

- die Anerkennung der Zugehörigkeit bei B. im Falle einer Weiterbeschäftigung bei A.

Über die Reintegration bzw. Einsatzverlängerung bei B. sollte sechs Monate nach Vertragsende entschieden werden. In den beigefügten Anlagen zum Entsendungsvertrag zu Vergütung und Zusatzleistungen wird ausgeführt, dass die Vergütungspolitik für den Auslandeseinsatz Bezug und Bindung zur Heimatgesellschaft aufrechterhalten solle und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen würden, als ob weiterhin ein inländisches Beschäftigungsverhältnis bestehe. Für die Dauer des Auslandseinsatzes erfolge eine Rentenversicherungspflicht auf Antrag oder die Entrichtung freiwilliger Beiträge; der Mitarbeiter bleibe weiter in der Kollektivunfallversicherung mit Versicherungssummen von 100.000 DM bei Tod und 200.000 DM bei Invalidität versichert.

Während der Tätigkeit in D. blieben die Ehefrau und die beiden Kinder des Klägers in Deutschland. Wegen Unstimmigkeiten und familiärer Schwierigkeiten kündigte der Kläger den Vertrag mit B. mit Schreiben vom 30.05.1999. Mit Schreiben vom 01.07.1999 wies A. darauf hin, dass bei vorzeitigem Vertragsende mit B. die Beschäftigungszusage keine Geltung habe, und bat ggf. um schriftliche Bestätigung der Kündigung. Daraufhin bat der Kläger mit Schreiben vom 27.07.1999 B. um Entbindung von den Dienstpflichten; die Entscheidung beruhe auf Rückführung zur A. und habe definitiven Charakter.

Der Anspruch des Klägers auf Beschäftigung bei A. war Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Mit Urteil des Arbeitsgerichts ... vom 25.11.1999 und des Landesarbeitsgerichts ... vom 15.11.2000 wurde entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung bei A. habe, weil er den Vertrag mit B. vorzeitig ohne wichtigen Grund gekündigt habe.

Am 04.03.2003 begab sich der Kläger in die Privatklinik Dr. S. wegen seit Oktober 2002 rezidivierenden unproduktiven Hustens ohne Besserung auf Antibiotika, mehrmaliger Mittelohrentzündung und deutlicher Verschlechterung seines Allgemeinzustandes in den letzten Wochen. Festgestellt wurden eine ausgeprägte Belastungsdyspnoe, druckdolente geschwollene Lymphknoten im Leistenbereich (inguinal) und ein druckdolenter, weicher Ulcus (Geschwür) im Bereich der Glans Penis (Eichel). Auffallend war eine Erhöhung von Transanimasen und LDH. Die Laborwerte für Lues (Syphilis) waren negativ; die HIV-Tests ergaben eine HIV-Infektion. Bei dringendem Verdacht auf Ulcus molle im Bereich der Eichel wurde eine einmalige antibiotische Antibiotika-Stoßtherapie durchgeführt, worunter sich eine deutliche Rückläufigkeit des Ulcus zeigte.

Im Arztbrief der Klinik S. zur Verlegung des Klägers in die HIV-Ambulanz der L. (L.) heißt es: „Sexualanamnestisch gab der Patient eine Promiskuitivität bei zahlreichen Auslandsaufenthalten, vor allem in D. an, zuletzt vor 2 Jahren. Hier hatte der Patient anschließend nach Rückkehr einen HIV-Test durchgeführt, der jedoch unauffällig war.“ Im Erfassungsbogen der L. vom 14.03.2003 wird insbesondere eine Pneumozystis carinii (Pneumonie bei HIV), Aids und ein Ulcus molle glaux penis aufgeführt. Im Anamnesebogen der L. vom 14.03.2013 wurde u. a. „Promiskuität bei verschiedenen Auslandsaufenthalten; letzter HIV-Test vor 2 a (= anni/Jahren) negativ“ vermerkt.

Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 30.09.2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.05.2004 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres.

Im Februar 2007 wandte sich der Kläger an die Regierung von ..., die sein Schreiben an die ...-Berufsgenossenschaft weiterleitete, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist (im Folgenden beide bezeichnet als Beklagte). Darin gab der Kläger an, er sei während seines Auslandseinsatzes für A. mit HIV infiziert worden. Im Dienstvertrag seien die erforderlichen Schutzimpfungen vereinbart gewesen. Während er die erste und zweite Impfung gegen Hepatitis A und B noch in Deutschland erhalten habe, habe er den Impfstoff für die dritte Impfung nach D. mitgenommen. Der Betriebsarzt der B. habe ihm am 10.11.1998 die dritte Impfung mit einer bereits gebrauchten, ausgewaschenen Spritze verabreicht und ihn dadurch mit HIV infiziert. Bei Untersuchungen in D. wegen Unwohlseins sei nur mitgeteilt worden, er habe eine Überimpfung erhalten. Ein weiterer Arbeitsunfall sei in D. eingetreten, als er einen von der Hallenoberkonstruktion gefallenen Mitarbeiter in die Seitenlage drehen wollte und sich an einem Gegenstand verletzt habe, den dieser in der Tasche trug. Er könne weder sagen, welcher Gegenstand es war, noch wie der Bauarbeiter geheißen habe. Sexuelle Kontakte seien „in diesem Zeitraum“ nicht zustande gekommen.

Auf Nachfragen der Beklagten legte der Kläger seinen Impfpass vor; danach heiße der Arzt L. Bei der Impfung seien nur er und der Arzt anwesend gewesen. Er habe seinen Vorgesetzten Herrn G. informiert. Dieser habe erklärt, es müsse als „Top Secret“ behandelt werden, und habe veranlasst, dass ein Kurier - Herr H. - neue Spritzen nach D. brachte. Nach Aussage von A. habe Herr G. auf entsprechende Anfragen nicht geantwortet. Beigefügt war ein Schreiben des Klägers an A. vom 08.07.2005 mit dem Betreff „Erwerbsunfähigkeit durch Betriebsarztfehler“. Darin schilderte der Kläger, er habe beim Verlassen des Arztzimmers Spritzen am Fensterbrett trocknen sehen. Auf Nachfrage sei ihm gesagt worden, es gebe zu wenig Spritzen. Deshalb würden die gebrauchten ausgewaschen, um sie noch einmal zu verwenden. Bei anschließenden Untersuchungen habe keine Infektion bei ihm festgestellt werden können. Erst später habe er erfahren, dass die Infektion frühestens nach drei bzw. sechs Monaten feststellbar sei und bis zu zehn Jahre schlummern könne. Da A. seine Versprechungen nicht eingelöst habe, sei er ausgeschieden. Nun sei er krank, habe seine Arbeit verloren, habe keine Aussicht auf eine Arbeitsstelle und könne allein von der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht leben. Deshalb bitte er um finanzielle Unterstützung bzw. um wohlwollende Prüfung, ob ein Versicherungsfall eintrete bei Schadenszuführung und Leichtsinnigkeit eines Betriebsarztes oder ob eine Betriebsrente sowie Versorgungsaufwand zu gewähren seien.

Im beigelegten Schreiben vom 08.09.2006 teilte A. dem Kläger mit, dass ein HIV-Test nur vor Entsendungen nach C. und S. erforderlich sei und durchgeführt werde. Auf die Unterlagen zur am 28.04.1998 durchgeführten Tropenuntersuchung /Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung wird verwiesen.

Der Dipl.-Ingenieur H. des Präventionsdienstes der Beklagten führte am 28.08.2007 ein Gespräch mit dem Leiter der Abteilung Arbeitsschutz und am 10.09.2007 mit der Abteilung Gesundheitsschutz (Frau Dr. X., Frau Dr. Y.). Bei beiden Gesprächen war ein Betriebsrat beteiligt. Im Ergebnis lägen bei A. in A-Stadt keine Anhaltspunkte dafür vor, dass durch Werksärzte bei B. gebrauchte Spritzen wiederverwendet worden seien. Dr. Y., die für Reisemedizin zuständig sei, erklärte, es seien keine diesbezüglichen Rückmeldungen von nach D. entsandten Mitarbeitern bekannt. Eine solche Rückmeldung sei bei entsprechenden Zuständen aber zu erwarten, weil bei nach D. entsandten Mitarbeitern regelmäßig Folgeimpfungen nach sechs Monaten im Einsatzland durchgeführt würden. Bei B. sei ein hinsichtlich der AIDS-Problematik führender Mediziner tätig.

Dr. M. (Praxis Dr. J.) berichtete am 24.09.2007 über Behandlungen des Klägers seit Erstvorstellung am 28.05.2004. Angesichts des schweren Immundefekts bei Erstdiagnose 2003 habe der Infektionszeitpunkt sicher schon Jahre zurückgelegen. Eine genauere Bestimmung sei nicht möglich.

Mit Bescheid vom 06.11.2007 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen wegen des Ereignisses vom 10.11.1998 ab, weil ein Arbeitsunfall nicht beweisbar sei. Versicherte Tätigkeit, Unfallereignis und Erkrankung müssten mit Gewissheit bewiesen werden. Beweise für die vermutete HIV-Infektion durch den Betriebsarzt am 10.11.1998 habe der Kläger nicht vorlegen können. Ein genauer Infektionszeitpunkt der 2003 diagnostizierten HIV-Infektion könne nicht bestimmt werden. Gespräche im A.-Werk hätten ergeben, dass keine Anhaltpunkte für die Verwendung gebrauchter Spritzen durch Betriebsärzte in D. vorlägen. Der Werksarzt von B. sei ein hinsichtlich der AIDS-Problematik führender Mediziner. Weder die versicherte Tätigkeit noch das Unfallereignis seien voll bewiesen.

Mit Widerspruch vom 15.11.2007 monierte der Kläger im Wesentlichen, dass der Betriebsarzt in D. und Herr G. nicht befragt worden seien. Nicht berücksichtigt worden seien ärztliche Behandlungen in D. wegen Unwohlseins und die im Dezember 1998 und Februar 1999 erfolgten Behandlungen bei seiner Ärztin Dr. L., die Rückschluss auf die Infektion geben könnten. Außerdem sei das Unfallereignis mit dem Bauarbeiter nicht berücksichtigt worden. Sicher hätten nicht alle Mitarbeiter in D. die gebrauchten Spritzen gesehen. Infektion durch Sexualkontakt sei sicher auszuschließen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Selbst wenn Herr G. die Angaben bestätigen würde, sei dadurch nicht bewiesen, dass der Kläger mit einer gebrauchten Spritze behandelt worden sei oder dass die Erkrankung auf diesem Wege übertragen worden sei. Während der ärztlichen Behandlungen 1998 und 1999 sei weder in D. noch in Deutschland ein HIV-Test gemacht worden.

Zur Begründung der am 14.01.2008 beim Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage (Az. S 9 U 26/08, später fortgeführt unter S 9 U 398/09) hat der Kläger im Wesentlichen dargelegt, dass es keine anderen Möglichkeiten der Infektion gegeben habe als den Unfall mit dem Bauarbeiter oder die Impfung. Seine damalige Lebensgefährtin sei nicht infiziert gewesen. Er habe mit Fax vom 20.06.2006 die Leitung Gesundheitswesen von A. in A-Stadt informiert und der leitende Werksarzt Dr. G. habe ihm die gewünschten Unterlagen zugesandt. Seine Krankheitserscheinungen nach der Spritze würden den Verdacht einer HIV-Infektion nahelegen. Herr G. habe ihn nur informiert, dass eine Überimpfung vorliege. Unterlagen dazu habe er nicht gesehen. Mittlerweile glaube er, dass man ihn wegen seiner Erkrankung nicht weiterbeschäftigen wollte. Auf das beigefügte Schreiben des Klägers vom 20.06.2006 an die Leitung Gesundheitswesen wird Bezug genommen.

Auf gerichtliche Anfrage teilten Dr. G. und Frau L., Leitung Gesundheitswesen von A., mit Schreiben vom 05.03.2008 mit, dass Daten über HIV-Infektionen in den Werken, auch in D., nicht vorliegen würden, da grundsätzlich keine HIV- oder AIDS-Tests durchgeführt würden. Es gebe keine Hinweise darauf, dass in C. zu wenig Spritzen zur Verfügung gestanden hätten. Seit 1986 würden im Gesundheitswesen von B. aufgrund gesetzlicher Anordnung grundsätzlich Einwegspritzen benutzt, die weder zur Wiederverwendung vorgesehen noch mehrfach genutzt worden seien.

Nach Erörterung des Rechtsstreits am 24.06.2008 wurde die Klage wegen des laufenden Verwaltungsverfahrens hinsichtlich des Ereignisses mit dem Bauarbeiter zum Ruhen gebracht.

Dazu gab der Kläger an, er könne keine Angaben zum Datum oder zur Identität des Bauarbeiters machen, der möglicherweise für eine Fremdfirma gearbeitet habe. Während seiner Einsatzzeit habe es acht oder neun Todesfälle gegeben. Unterlagen müssten die Behörden in D. haben. Er habe die eigene kleine Verletzung selbst durch Taschentücher abgedrückt und ein Pflaster angebracht. Eine Einordnung seines Virusstamms sei nicht erfolgt. Sein einziger Sexualkontakt (seine Lebensgefährtin) sei nicht infiziert. Er habe vor der Infektion keine Blutübertragung erhalten und nie Drogen konsumiert.

Auf das Vorerkrankungsverzeichnis der A. Krankenversicherung, ausgestellt vom 01.01.1999 bis 01.04.2003, wird Bezug genommen. Darin wird eine HIV-Infektion selbst nach Diagnosestellung ab 04.03.2003 nicht genannt.

Der Präventionsdienst teilte am 24.10.2008 mit, dass sich A. nicht zu den erhobenen Vorwürfen äußern wolle.

Mit Bescheid vom 10.02.2009 lehnte die Beklagte Entschädigungsansprüche wegen des Ereignisses mit dem Bauarbeiter ab. Die Vermutung des Klägers, er habe sich durch Blut eines verletzten Arbeiters eine HIV-Infektion zugezogen, könne nicht nachgewiesen werden. Den Widerspruch vom 24.02.2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2009 zurück. Weder der Vorfall (Kontakt) mit dem verletzten Bauarbeiter noch das Auftreten einer Serokonversion innerhalb eines Jahres sei nachgewiesen.

Zur Begründung der dagegen am 02.06.2009 beim SG eingegangenen Klage (Az. S 9 U 349/09) hat der Kläger vorgetragen, dass wegen fehlender Auskunftsbereitschaft von A. eine Beweislastumkehr zu prüfen sei. Für medizinische Zusammenhänge genüge hinreichende Wahrscheinlichkeit. Er sei durch den Bauarbeiter einer besonderen Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen. Andere Übertragungsmöglichkeiten seien ausgeschlossen, insbesondere sexuell, da die Lebenspartnerin negativ getestet sei.

Das SG hat ein Gutachten von Prof. Dr. K., ehemaliger Direktor der Landeskinderklinik N., vom 06.03.2010 nach Aktenlage eingeholt. Prof. Dr. K., dem die später beigezogenen Unterlagen der Klinik S. und der L. nicht vorlagen, hat darauf hingewiesen, dass man bei der Beurteilung angesichts des minimalen Anteils relevanter ärztlicher Unterlagen in entscheidenden Punkten auf die von ihm telefonisch eingeholten Angaben des Klägers angewiesen sei. Folge man den Angaben des Klägers, seien HIV-Infektion und AIDS-Erkrankung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit berufsbedingt durch die Beschäftigung bei A.. Allerdings fehlten der negative HIV-Antikörpertest im Rahmen der akuten Erkrankung im Dezember 1998 und der positive HIV-Antikörpertest als Nachweis einer frischen Serokonversion einige Monate später. Die Prüfung der Glaubwürdigkeit des Klägers obliege dem SG.

Telefonisch habe der Kläger folgende Angaben gemacht: Es hätten Spritzen und Kanülen in der Sonne getrocknet. Bei dem Vorfall mit dem Bauarbeiter habe er sich eine Schnittverletzung zugezogen und seine Hand habe geblutet. Ob er mit dem Blut des Verletzten in Berührung gekommen sei, wisse er nicht mehr. Er habe während seines Aufenthalts in D. nur mit seiner damaligen Freundin Geschlechtsverkehr gehabt, die er in Deutschland einige Male besucht habe. Nach seiner Rückkehr habe das Verhältnis zu seiner Freundin weiterbestanden; sie habe sich trotz ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht infiziert und ihn nach der Diagnose 2003 verlassen. Zu anderen Personen habe er keine Sexualkontakte gehabt. Anfang Dezember 1998 habe er etwa drei Wochen Fieber und ein starkes Krankheitsgefühl gehabt, wie bei schwerer Grippe mit Rachenentzündung und starker Schwellung der Lymphknoten des Halses; ihm sei von einem auffälligen Blutbild berichtet worden. Danach habe er sich noch gelegentlich fiebrig und unwohl gefühlt. Man habe ihm erklärt, es sei eine Überimpfung, und eine Wiederholung der Untersuchung nach einiger Zeit empfohlen bzw. angeboten. Dem sei er nicht nachgekommen, weil er sich wieder wohlgefühlt habe. Der Kläger glaube, dass damals auch ein HIV-Test durchgeführt worden sei. Zwischen 1999 bis 2002 habe er sich wohl gefühlt.

Dr. K. hat ausgeführt, dass die vom Kläger geschilderten Symptome im Dezember 1998 durchaus typisch für eine Akut-Reaktion nach HIV-Infektion seien. So trete bei etwa 90% der Infizierten etwa zwei bis drei Wochen ein akutes Krankheitsbild - oft mononukleoseartig - auf mit Dauer von mehreren Wochen; anschließend bestehe oft über Jahre Wohlbefinden. Falls der Arzt damals tatsächlich eine spätere Überprüfung nahegelegt habe, könne dies nur bedeuten, dass er an eine HIV-Infektion gedacht habe; bei Überimpfung sei dies sinnlos. Beim Kläger gebe es keinen Anhalt für eine vor Dienstantritt in D. bestehende HIV-Infektion. Allerdings sei zuvor kein HIV-Test durchgeführt worden. Der Immunstatus im März 2003 zeige, dass die Infektion mehrere Jahre zurückliegen müsse; eine weitergehende Bestimmung sei nach den vorliegenden Unterlagen nicht möglich. Insbesondere fehle der Nachweis einer Serokonversion. Ohne Behandlung betrage das Intervall zwischen HIV-Infektion und klinischer Manifestation von AIDS zwischen zwei und fünfzehn Jahren, im Mittel zehn Jahre.

Die Beklagte hat insbesondere beanstandet, dass der Sachverständige die Angaben des Klägers zugrunde gelegt und den Gutachtensauftrag selbstständig erweitert habe. Der Kläger hat sich auf das Gutachten gestützt.

Das SG hat die Klageverfahren zu beiden geltend gemachten Arbeitsunfällen mit Beschluss vom 17.11.2010 verbunden, die Schwerbehindertenakte des Klägers beigezogen und darauf hingewiesen, dass angesichts der Ausführungen von Dr. K. die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) in Betracht komme.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 24.11.2010 eingewandt, dass keine Entscheidung über eine BK erfolgt sei und kein Vorbringen in dieser Richtung vorliege. Die geltend gemachten Ereignisse seien nicht mit dem notwendigen Beweisgrad gesichert.

Das SG hat ein Gutachten des Internisten und Neurologen Dr. S. vom 25.03.2011 zur Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) eingeholt. Bei Begutachtung hat der Kläger angegeben, seine Lebensgefährtin, mit der er seit 1998 zusammengewesen sei, habe sich 2003 von ihm getrennt. Er sei bis 1998 verheiratet gewesen. Dr. S. hat die MdE ab März 2003 mit 100 v. H. bei Arbeitsunfähigkeit bewertet und ab Mai 2004 - angesichts normalisierter CD4-Zellzahl und fehlendem Nachweis einer Viruslast unter Berücksichtigung außergewöhnlicher seelischer Begleiterscheinungen mit somatoformen Beschwerden - mit 20 v. H.

Der Kläger hat eingewandt, dass Dr. S. im Gutachten vom 25.06.2004 für die BfA Arbeitsunfähigkeit bescheinigt habe und dass er seit 01.05.2004 volle Erwerbsminderungsrente beziehe. Die Beklagte hat entgegnet, dass streitgegenständlich das Vorliegen eines Arbeitsunfalls sei; über einen Rentenanspruch habe sie nicht entschieden.

Auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 03.08.2011 wird verwiesen. Der Kläger hat die beiden Ereignisse geschildert und seine Krankheitssymptome im Dezember 1998. Nach eigener Erinnerung habe er keinen Kontakt mit dem Blut des Arbeiters gehabt. Als Ergebnis eines Bluttests 1998 sei ihm Überimpfung mitgeteilt worden. Ein weiterer, zunächst beabsichtigter Test sei nicht gemacht worden. Nach Hinweis der Vorsitzenden auf die Diagnose „Zustand nach Ulcus molle“ im Arztbrief der L. vom 04.04.2003, enthalten in der beigezogenen Schwerbehindertenakte, hat der Kläger erklärt, sich nicht an eine Behandlung dieser Krankheit zu erinnern. Angesprochen auf den Anamnesebefund „Hautveränderungen am Penis“ hat der Kläger geschildert, dies komme von Zementverputzarbeiten, bei denen er sich die Hände nicht richtig gereinigt habe. Er sei schon vor Geburt der Tochter 1978 mit seiner Ehefrau zusammen gewesen. Von 1978 bis zur Trennung im Jahr 2000 habe er ausschließlich mit seiner Ehefrau sexuellen Kontakt gehabt. Trotz monatelangen alleinigen Aufenthalten in D. habe er dort nie irgendeinen sexuellen Kontakt gehabt. Von 2000 bis 2003 sei er mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin intim gewesen. Andere Sexualpartner habe es nicht gegeben. Die Vorsitzende hat eine Entscheidung der Beklagten über die BK Nr. 3101 angeregt.

Mit Schreiben vom 05.08.2011 hat der Kläger zum Ulcus molle vorgetragen, nach Rücksprache mit Dr. H. (Klinik L.) habe Dr. I. diese Nebendiagnose wohl übernommen. Der Befund laute aber „Penis o.B.“; also habe sich Ulcus molle nicht bestätigt. Bei Aufnahme habe laut Dr. H. kein Ulcus molle bestanden. Angesichts der Inkubationszeit von 4 bis 10 Tagen könne es nicht in Zusammenhang mit der HIV-Infektion stehen. Wegen Beweisvereitelung durch A. sei Beweislastumkehr oder Beweiserleichterung angezeigt.

Das SG hat daraufhin Unterlagen der behandelnden Ärzte des Klägers, insbesondere der Klinik S., der L. und von Dr. L. eingeholt. Unterlagen des früheren Hausarztes Dr. W., der den Kläger bis 1996 behandelt hatte, und Unterlagen der A. Krankenversicherung für die Zeit bis 31.12.1998 haben nicht mehr vorgelegen.

Mit Schreiben vom 23.08.2011 hat die Vorsitzende den Kläger darauf hingewiesen, dass im Arztbrief der Klinik Dr. S. vom 14.03.2003 über Promiskuitivität bei Auslandsaufenthalten und einem HIV-Test vor zwei Jahren berichtet worden sei. Daher seien seine bisherigen Angaben zu stattgehabten Sexualkontakte nicht glaubwürdig. Es sei beabsichtigt, den Rechtsstreit durch klageabweisenden Gerichtsbescheid zu entscheiden, wozu er sich bis 23.09.2011 äußern könne.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 14.09.2011 ausgeführt, dass er in der Klinik Dr. S. angegeben habe, er sei von seiner Ehefrau getrennt und habe jetzt mit einer Lebensgefährtin eine Beziehung. Er verstehe nicht, dass dies als Promiskuitivität eingeordnet worden sei. Der letzte Auslandsaufenthalt in D. sei auch nicht vor zwei Jahren gewesen. Er habe nicht nach seiner Rückkehr nach Deutschland, sondern 1998 vor seinem Heimaturlaub einen HIV-Test gemacht, der negativ gewesen sei. Zuletzt sei er im Außendienst in C-Stadt und L-Stadt tätig gewesen und habe von dort aus, nicht von D. aus, meist am Wochenende die Lebenspartnerin besucht. Wegen Fiebers und hohen Leberwerten sei 1998/1999 nach allem Möglichen gesucht worden, aber nicht nach HIV, weil er den Ärzten gesagt habe, dass er bereits negativ getestet sei. Über die Notwendigkeit eines zweiten HIV-Tests sei er vom Werksarzt nicht ausreichend informiert worden. Falsch sei auch die Diagnose Ulcus molle. Er habe Zement/Putz unter der Eichel gehabt, sich wegen Juckens gekratzt und deshalb eine Hautverletzung am Penis gehabt. Außerdem hätte bei Ulcus molle eine einmalige Stoßtherapie nicht gereicht. Aus dem negativen HIV-Test im Dezember 1998 könne eine vor September 1998 erfolgte HIV-Infektion ausgeschlossen werden. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 12.09.2011 hat die Beklagte eine BK Nr. 3101 und Leistungen abgelehnt. Eine besondere Infektionsgefahr für HIV sei für die Tätigkeit bei B. nicht im Vollbeweis gesichert. Im Übrigen ergebe sich aus dem Bericht der Privatklinik Dr. S. vom 14.3.2003 ein sehr viel näherliegenderer Infektionsweg (Promiskuität).

Mit Widerspruch vom 19.9.2011 hat der Kläger eingewandt, dass die Vorfälle in D. (Impfung, Unfall des Bauarbeiters) nicht berücksichtigt worden seien. Die Ausführungen der Klinik S. seien unzutreffend. Er habe den Auslandsaufenthalt auch wegen der Familie vorzeitig abgebrochen. Als verheirateter Familienvater habe er bis zur späteren Trennung von seiner Frau in Deutschland keinen Grund gehabt, sich nach einer anderen Frau umzusehen. Außerdem sei die Lebenspartnerin negativ auf HIV getestet worden und könne keine Infektionsquelle sein. Er hat sich auf das Gutachten von Dr. K. gestützt.

Das SG hat mit Schreiben vom 28.9.2011 darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung der Bescheid vom 12.9.2011 Gegenstand des Klageverfahrens sei und erneut zur Entscheidung mit Gerichtsbescheid angehört. Der Kläger hat im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 05.10.2011 erklärt, aufgrund § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kein Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Berufskrankheit durchzuführen. Mit einer Entscheidung mittels Gerichtsbescheid sei sie einverstanden. Einen Antrag der A. Krankenversicherung auf Beiladung zum Verfahren hat das SG mit Beschluss vom 31.10.2011 abgelehnt.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.10.2011 hat das SG die Klagen abgewiesen. Die 2003 festgestellte HIV-Infektion sei weder Folge eines Arbeitsunfalls noch eine BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV. Die Anerkennung einer Infektionskrankheit aufgrund eines Arbeitsunfalls setze nach BSG-Rechtsprechung die Übertragung der Infektionskrankheit durch die beim Unfall erfolgte Einwirkung voraus. Ob der Kläger mit einer gebrauchten und infizierten Spritze geimpft worden sei, könne dahinstehen. Denn angesichts konkurrierender Ursachen aus dem privaten Lebensbereich könne aus diesem Ereignis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine HIV-Übertragung geschlossen werden. Die Angaben des Klägers, er habe bis 2000 nur mit seiner Ehefrau und danach nur mit seiner Lebensgefährtin Sexualkontakte gehabt, seien nicht glaubwürdig. Zum einen sei die 2003 diagnostizierte Erkrankung Ulcus molle eine Geschlechtskrankheit, die eher in tropischen Ländern wie S. verbreitet sei. Zum anderen habe der Kläger beim Klinikaufenthalt über promiskes Verhalten, insbesondere bei Auslandsaufenthalten, berichtet. Die Angaben zu Sexualkontakten mit Ehefrau bzw. Freundin gegenüber Dr. K. und gegenüber dem Gericht im Erörterungstermin seien widersprüchlich. Unglaubwürdig sei, dass ihm die Erkrankung Ulcus molle nicht bekannt gewesen sei. Denn bei Geschlechtskrankheiten erfolge regelmäßig intensive Aufklärung, um Gefährdung von Sexpartnern auszuschließen.

Dr. K. habe seine Beurteilung zum Kausalzusammenhang ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt, dass das SG sich von der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers überzeuge. Den Angaben über nur zwei Sexualpartnerinnen vermöge das SG aus o.g. Gründen aber nicht zu folgen. Die HIV-Infektion könne ebenso gut durch Sexualkontakt erfolgt sein, einen im Vergleich zum Spritzengebrauch wesentlich gefährlicheren Übertragungsweg. Ob der Kläger im Zusammenhang mit seiner Auslandstätigkeit einer erhöhten Infektionsgefahr im Sinne der BK 3101 ausgesetzt gewesen sei, könne dahinstehen wegen der dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Infektionsrisiken. Eine Infektion aufgrund Erster-Hilfe-Leistung bei einem Bauarbeiter in D. scheide aus, weil sich der Kläger nicht an einen Kontakt mit dem Blut des Arbeiters erinnern könne. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid Bezug genommen.

Gegen den am 03.11.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.11.2011 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er sei zweifelsfrei durch die beiden Vorfälle einer wesentlich erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen. Außer der Ehefrau und der Freundin/Lebenspartnerin habe er keine weiteren Sexualkontakte gehabt. Teilweise verwechsle er leider krankheitsbedingt Daten. Er habe während seiner Zeit in D. nur Sexualkontakte mit seiner Ehefrau gehabt. Der Verdacht auf Ulcus molle habe sich nicht bestätigt. Die Angaben über seine Promiskuität seien unzutreffend.

Das LSG hat die Verfahren hinsichtlich der beiden Arbeitsunfälle und der Berufskrankheit getrennt und das Verfahren hinsichtlich der BK Nr. 3101 zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 24.07.2012 den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 15.03.2012 erklärt, dass ein Kontakt mit dem Blut des Arbeiters möglich sei, denn für einen kleinen Schnitt am verletzten Finger habe er ungewöhnlich viel Blut an der Hand gehabt.

Auf Nachfrage wurde von der Klinik S. mit Schreiben vom 18.04.2012 mitgeteilt, dass die Stoßtherapie wegen Verdachts auf Ulcus molle erfolgt sei; eine Sicherung der Diagnose sei wegen Verlegung bei HIV-assoziierter Pneumonie nicht mehr erfolgt. Weitere Informationen, wer die Sexualanamnese erhoben habe und ob der Kläger zur Information seiner Sexualpartner über seine Erkrankungen aufgefordert wurde, seien nicht mehr eruierbar.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 03.04.2012 mitgeteilt, dass sein Vorgesetzter Herr G. ihn über das Test-Ergebnis - Überimpfung - Mitte Dezember 1998 informiert habe. Geheiratet habe er 1978. Nach 2000 habe ihm die Ehefrau mitgeteilt, dass sie sich von ihm trennen werde; seit ca. 2001 habe er keinen Sex mehr mit ihr gehabt. Ende 2001 /Anfang 2002 habe er seine Lebensgefährtin über eine Zeitungsannonce kennengelernt und sei mit ihr bis 2003 zusammen gewesen. Zwischen 1980 bis nach 2000 habe er Geschlechtsverkehr nur mit seiner Ehefrau gehabt, auch in der Zeit seines Auslandseinsatzes in D.. Danach habe er bis 2003 Sex mit seiner Lebensgefährtin gehabt. Beigefügt war das Scheidungsurteil vom 15.12.2009.

A. teilte mit Schreiben vom 30.08.2012 mit, dass erst am 18.01.1999 ein Gesundheitsschutz im Werk C. eröffnet worden sei. Seitdem habe B. Ärzte eingestellt und die erforderlichen Medikamente, Instrumente und Spritzen beschafft. Davor seien die Beschäftigten gegen Kostenübernahme durch B. vom Gesundheitsdienst der Stadt U. und der Stadt C. behandelt worden. Über damalige Behandlungen auf dem Werksgelände gäbe es keine Unterlagen. Die Wiederbenutzung von Einwegspritzen sei bereits seit 1998 aufgrund gesetzlicher Regelung verboten gewesen sei. Die Personalunterlagen des Klägers sind, soweit vorhanden, übersandt worden. Mit Schreiben vom 15.3.2013 hat A. mitgeteilt, dass Ansprechpartner aus der Zeit der damaligen Vorgänge nicht bekannt seien. Der derzeit leitende Werksarzt in D. stehe als Ansprechpartner zur Verfügung. Herr G. sei Anfang 2003 aus dem Konzern ausgeschieden. Die letzte bekannte Adresse in S-Land wurde mitgeteilt.

Anfragen des LSG vom 24.09.2014 und 06.11.2014 bei Herrn G. unter dieser Adresse, insbesondere ob er sich an ein Gespräch mit dem Kläger wegen fehlender Spritzen beim Werksarzt erinnern könne, blieben ergebnislos. Der Kläger hat mit Schreiben vom 12.11.2014 erklärt, er gehe davon aus, dass dieser sich nicht selbst belasten werden.

Auf Anregung des LSG hat die Beklagte eine Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr. L. vom 26.09.2012 vorgelegt. Dieser hat mitgeteilt, dass durch Auswaschen und Trocknen von Spritzen eine Übertragung von HIV bei erneuter Nutzung nicht sicher ausgeschlossen werden könne. Studien mit unnatürlich hochkonzentrierten HI-Viren hätten gezeigt, dass das Antrocknen selbst bei so hohen Konzentrationen innerhalb weniger Stunden die Anzahl ansteckender Viren um 90-99% verringert. Da die in Laborversuchen eingesetzte Viruslast viel höher sei als die im Blut oder anderen Proben tatsächlich vorhandene, sei das theoretische Risiko einer Übertragung durch Umwelteinwirkungen im Falle von angetrocknetem HIV-Infiziertem menschlichen Blut gering.

Nach Veröffentlichung des Arbeitskreises Blut des damaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung aus dem Jahr 2004 werde die Stabilität von HIV wesentlich über die Lipidhülle geprägt. Gegenüber Hitzeeinwirkungen betrage die Halbwertszeit der Virusinaktivierung bei 56° etwa 30 Minuten, bei 60° etwa eine Minute und über 65° weniger als eine Sekunde. Bei niedrigeren Temperaturen sei HIV relativ stabil (bei 20° Halbwertszeit ca. 9 Stunden, bei 4° mehrere Monate). HIV sei gegenüber der Behandlung mit Desinfektionsmitteln empfindlich. Ein konkretes Risikoprofil könne nicht berechnet werden.

Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, dass er die Spritze im Werk erhalten habe. Dass keine Unterlagen mehr vorliegen sollen, erscheine merkwürdig. Er habe von Dr. G. noch Daten erhalten. Unklar sei, seit wann genau das Verbot der Wiederverwendung gebrauchter Spritzen mit Kanülen gegolten habe. Damals seien Impfungen nicht mit Einwegmaterial vorgenommen worden. Unverständlich sei, warum nur die derzeitigen Werksärzte bekannt seien. Er hat sich auf ein Urteil des BayLSG unter dem Az. L 3 U 262/12 berufen.

Mit Schreiben vom 23.11.2012 hatte die Beklagte die Voraussetzungen der Ausstrahlungsvorschriften nach § 4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit die Geltung von deutschem Unfallversicherungsrecht für die Tätigkeit in D. in Zweifel gezogen, weil nach den arbeitsrechtlichen Unterlagen kein Arbeitsverhältnis mit einem inländischen Arbeitgeber bestanden habe. Auf den umfangreichen Schriftwechsel zu dieser Problematik wird verwiesen. Mit Schreiben vom 02.10.2013 hat die Beklagte nicht weiter an dieser Ansicht festgehalten. Der Begriff des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses gehe weiter als im Arbeitsrecht. Das jederzeit bestehende vertragliche Rückrufrecht von A. aus dem bindenden Arbeitsvertrag mit B. sowie die sonstigen Einflussmöglichkeiten von A. (z. B. Fort- und Weiterbildung) seien eindeutige Merkmale für ein bestehendes Weisungsrecht. Auch die übrigen Zahlungsmodalitäten sprächen für eine sozialversicherungsrechtliche Bindung. Im Rahmenarbeitsvertrag sei eine entsprechende Rückkehr- und Wiedereingliederungsklausel enthalten.

Auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 17.12.2015 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 31.10.2011 abzuändern, den Bescheid der Beklagten vom 12.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2012 aufzuheben und festzustellen, dass die HIV-Infektion eine Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, des Sozialgerichts unter den Az. S 9 U 26/08, S 9 U 398/09 und S 9 U 349/09, des LSG unter den Az. L 2 U 550/11, L 2 U 45/12 und L 2 U 46/12, die beigezogenen ärztlichen Unterlagen des Klägers in der Akte der Klinik S. und der L. sowie auf die beigezogene Schwerbehindertenakte des Klägers Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe

A) Die zulässige Berufung erweist sich als unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV.

Entgegen der vom SG vertretenen Auffassung ist der Bescheid der Beklagten vom 12.09.2011 über das Vorliegen einer Berufskrankheit Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV einschließlich daraus folgender Leistungsansprüche nicht kraft Gesetzes gemäß § 96 SGG Gegenstand der Klageverfahren wegen Anerkennung zweier Ereignisse aus dem Jahr 1998 als Arbeitsunfälle geworden. Denn der Bescheid vom 12.09.2011 hat die Bescheide über das Vorliegen von Arbeitsunfällen weder abgeändert noch ersetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG bildet jede Listen-Berufskrankheit, jede Wie-Berufskrankheit und jeder Arbeitsunfall jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der Unfallversicherungsträger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat (vgl. hierzu BSG vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - Juris RdNr. 25 m. w. N.). Es handelt sich um jeweils verschiedene Versicherungsfälle i. S. d. § 7 Abs. 1 SGB VII. Der Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte die Feststellung der BK Nr. 3101 abgelehnt hat, betrifft einen anderen Versicherungsfall als die vorangegangenen Verwaltungsakte, mit denen die Beklagte die Feststellung von Arbeitsunfällen abgelehnt hatte. Es handelt sich daher um voneinander unabhängige Verwaltungsakte.

Der Kläger hat seine Klagen mit Schreiben vom 05.08.2011, beim SG eingegangen am 08.08.2011, auf die Feststellung einer BK Nr. 3101 erweitert im Sinne einer Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG. Die Beklagte hat sich sodann mit der Einbeziehung des Bescheides vom 12.09.2011 in die Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt und somit ihre Einwilligung zur Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG erteilt. Erst durch Nachholung des Widerspruchsverfahrens im Berufungsverfahren ist aber die zunächst unzulässige Klage zulässig geworden.

Die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist aber unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung hat, dass seine HIV-Erkrankung eine Berufskrankheit ist. Der Anspruch richtet sich nach den Vorschriften des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) sowie des auf seiner Grundlage erlassenen Rechts, weil die HIV-Infektion im März 2003 festgestellt worden ist und der geltend gemachte Versicherungsfall nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten sein soll (vgl. Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).

Nach ständiger BSG-Rechtsprechung ist für die Feststellung einer Listen-BK danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - nach dem SGB VII versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o.ä. auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. hierzu BSG vom 15.09.2011 - B 2 U 25/10 R - Juris RdNr. 14). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK (vgl. BSG ebenda). Dabei müssen die „versicherte Tätigkeit“, die „Verrichtung“, die „Einwirkungen“ und die „Krankheit“ im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 15.09.2011- B 2 U 25/10 R - Juris RdNr. 14 m. w. N.).

1. Die Beklagte hat die Verrichtungen des Klägers während seines Einsatzes in D. in innerem bzw. sachlichen Zusammenhang mit einer Beschäftigung des Klägers bei A. (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) wegen erfolgter Entsendung gesehen, obwohl der Kläger im Werk C. in D. tätig war und mit B., einem rechtlich von A. unabhängigen Unternehmen, einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte.

Gemäß § 3 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gelten die Vorschriften über die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt sind. In Erweiterung dieser Regelung bestimmt § 4 Abs. 1 SGB IV („Ausstrahlung“), dass - soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen - diese auch für Personen gelten, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.

Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck (vgl. zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 7/4122 S. 30) setzt ein fortbestehendes Versicherungspflichtverhältnis voraus, dass vor Beginn der Entsendung ein Beschäftigungsverhältnis mit dem entsendenden Arbeitgeber in Deutschland bestanden hat, dass es während der Zeit der Entsendung fortbesteht und dass es nach Beendigung der Entsendung weiter geführt werden soll, weshalb § 4 Abs. 1 SGB IV eine „im Voraus“ feststehende zeitliche Begrenzung fordert (vgl. BSG vom 05.12.2006 - B 11a AL 3/06 R - Juris RdNr. 17). Entscheidend für die Zuordnung ist, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt. Für die Ausstrahlung setzt das regelmäßig voraus, dass

- der im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des inländischen Arbeitgebers eingegliedert bleibt und wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV) erfüllt werden und

- sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den inländischen Arbeitgeber richtet (vgl. BSG vom 05.12.2006 - B 11a AL 3/06 R - Juris RdNr. 19).

Ist ein Betrieb im Ausland nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich in der Weise verselbstständigt, dass er als juristische Person besteht, so ist bei der Arbeit in diesem Betrieb regelmäßig von einer Eingliederung auszugehen (vgl. BSG vom 05.12.2006 - B 11a AL 3/06 R - Juris RdNr. 21). Handelt es sich nur um einen unselbstständigen Unternehmensteil (z. B. eine Repräsentanz oder eine Zweigniederlassung), sind die für die Frage der Eingliederung und Entgeltzahlung bedeutsamen Einzelumstände maßgebend. Eine Ausstrahlung wird bei einer unselbstständigen Tochtergesellschaft oder einer Zweigniederlassung in der Regel angenommen, wenn das Arbeitsentgelt weiter vom inländischen Mutterunternehmen gezahlt wird und dieses weisungsbefugt bleibt (vgl. so BSG vom 05.12.2006 - B 11a AL3/06 R- Juris RdNr. 22 D.).

Bereits vor Entsendung nach D. bestand ein Beschäftigungsverhältnis des Klägers in Deutschland mit A. und dieses Beschäftigungsverhältnis sollte nach dem bereits im Vertrag vom 20.04.1998 zeitlich befristeten Einsatz in D. in Deutschland weitergeführt werden. Unter Punkt 2 dieser Vereinbarung war nämlich ein Anspruch des Klägers auf unmittelbare Weiterbeschäftigung nach fristgemäßer Beendigung eines positiv verlaufenden Auslandseinsatzes in der Konzern-F. von A. vereinbart. Die Beklagte hat für das Fortbestehen des Beschäftigungsverhältnisses insbesondere auf das jederzeitige Rückrufsrecht aus dem mit B. bestehenden Arbeitsvertrag und die Einflussmöglichkeiten hinsichtlich Fort- und Weiterbildung als Ausfluss eines fortbestehenden Weisungsrechts verwiesen. Auch die Zahlungsmodalitäten würden für eine Ausstrahlung sprechen. Allerdings ist unklar, ob der Kläger neben dem Entgeltanspruch gegen B. während des Aufenthalts in D. weitergehende Zahlungsansprüche gegen A. hatte. Soweit ersichtlich hatte A. eine Bescheinigung über gezahlten Arbeitslohn nur bis 31.08.1998 ausgestellt. B. ist eine rechtlich selbstständige juristische Person.

Letztlich kann der Senat hier aber offenlassen, ob eine Entsendung i. S.v. § 4 SGB IV vorgelegen hat und damit ein Beschäftigungsverhältnis in D., das dem Versicherungsschutz nach dem SGB VII unterlag (sog. Ausstrahlung).

2. Denn die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 3101 sind nach Überzeugung des Senats hier nicht erfüllt.

Der Verordnungsgeber hat die BK Nr. 3101 wie folgt bezeichnet: „Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war“. Da sich bei dieser BK der Ansteckungsvorgang im Nachhinein häufig nicht mehr feststellen lässt, tritt an die Stelle der „Einwirkungen“ im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII eine erhöhte Infektionsgefahr, die im Vollbeweis vorliegen muss (vgl. BSG in Urteilen vom 02.04.2009, u. a. B 2 U 33/07 R - Juris RdNr. 12).

Der Verordnungsgeber geht bei der BK Nr. 3101 typisierend davon aus, dass gerade im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in einem Laboratorium eine abstrakte Gefahrenlage und für die betroffenen Beschäftigten ein generell erhöhtes Infektionsrisiko besteht (generelle /abstrakte Gefahrenlage). Durch die mit der 7. BKVO vom 20.06.1968 (BGBl. I S. 721) beabsichtigte Erweiterung des Versicherungsschutzes auf außerhalb der bezeichneten Gefährdungsbereiche tätige Versicherte, die „der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt“ sind, wird deutlich, dass die besondere Gefahrenlage im Sinne der 4. Regelungsalternative derjenigen entsprechen muss, die im Fall der anderen drei Regelungsalternativen (Gesundheitsdienst, Wohlfahrtspflege und Laboratorium) angenommen wird. Voraussetzung ist daher, dass die versicherte Tätigkeit eine abstrakte Gefahrenlage in sich birgt (vgl. BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 33/07 R - Juris Rdnr. 16). Ist unter Berücksichtigung der Art der versicherten Tätigkeit und der Beschaffenheit des Tätigkeitsumfeldes eine generelle Gefährdung nicht denkbar, scheidet schon deshalb die BK Nr. 3101 aus. Liegt dagegen eine mit der versicherten Tätigkeit verbundene abstrakte Gefährdung vor, kommt es darüber hinaus darauf an, ob der Versicherte infolge seiner konkret ausgeübten Verrichtungen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt war (vgl. BSG ebenda).

Ob der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden „Infektionsgefahr in besonderem Maße“ ausgesetzt war, hängt einerseits von der Durchseuchung des Umfelds der versicherten Tätigkeit ab, d. h. der kontaktierten Personen sowie der Objekte, mit oder an denen zu arbeiten ist, und andererseits von der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen, die sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, Häufigkeit und Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen bestimmt (vgl. BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 33/07 - Juris RdNr. 12). Da für die Anerkennung der BK Nr. 3101 nicht eine schlichte Infektionsgefahr genügt, sondern eine besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt wird gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB VII, kommt es darauf an, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind (vgl. BSG ebenda m. w. N., u. a. auf B 2 U 30/07 R).

Der Kläger war ausweislich seines Zeugnisses als ...-Abteilungsleiter im Werk C. in D. mit Leitung und Aufbau einer F.-Abteilung einschließlich Einstellung, Training und Überwachen von Mitarbeitern sowie mit der Erstellung eines Qualitätssicherungssystems betraut. Der Kläger war zweifellos nicht im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig.

Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, dass die vom Kläger verrichteten Arbeiten ihrer Art nach unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Arbeitsumfeldes mit einer besonderen abstrakten Gefahrenlage hinsichtlich einer HIV-Infektion einhergingen.

Dass der Kläger in D. beschäftigt war, begründet keine besondere Infektionsgefahr. Zwar war der Anteil HIV-infizierter Personen in D. mit durchschnittlich ca. 0,6% bis 0,7% höher als der Durchseuchungsgrad in Deutschland von durchschnittlich knapp 0,1% (vgl. jeweils zu den Prävalenz-Zahlen von Personen zwischen 15 und 49 Jahren für D. Dourado et alii, Aids epidemic trends after the introduction of antiretroviral therapy in D., Revista Saùde Publica 2006 S. 6 m. w. N. 1998 0,61%, 2000 0,65%, 2004 0,61%; vgl. das D. Gesundheitsministerium im Country Progress Report 2005/2007 S. 11: stabile Rate zwischen 2000 und 2004 mit zuletzt 0,61%; UNAIDS Epidemical Fact Sheets on HIV/AIDS and sexually transmitted infections 2004 - D. - S. 2: Ende 2003 0,7% adult rate; vgl. UNAIDS Report 2000 Rate unter Erwachsenen Ende 1999 für Deutschland 0,1% Bl. 128, für D. 0,57% Bl.131). Zu den Hochprävalenzgebieten für HIV gehörte D. damit auch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht. Denn Voraussetzung dafür ist, dass eine HIV-Prävalenz von mehr als 1% in der allgemeinen Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren besteht bei überwiegend heterosexueller Übertragung (vgl. hierzu Robert-Koch-Institut www. rki.de/DE/Content /InfAZ/H/HIVAIDS/Epidemiologie/Surveillance/HI. V. M.eldungHPL.html).

Wie von Dr. K. in seinem Gutachten dargelegt erfolgt die Infektion mit dem Retrovirus HIV durch Geschlechtsverkehr, Blut-Blut-Kontakt (z. B. bei Mehrfachgebrauch von Spritzen, Transfusionen, Verletzungen) sowie vertikal von Mutter auf Kind. Ergänzend wird im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK Nr. 3101 (Bekanntmachung des BMA vom 01.12.2000, BArbBl. 1/2001, S. 35 f D., Anhang) eine Übertragung über die Schleimhaut des Auges erwähnt. Die Infektion mit HIV erfolgt durch Blut und andere infektiöse Körperflüssigkeiten, im Wesentlichen Sperma, Vaginalsekret und den Flüssigkeitsfilm auf der Darmschleimhaut. Häufigster Übertragungsweg sind ungeschützte Sexualkontakte (vgl. dazu und zu den Ausführungen im Folgenden Ratgeber des Robert-Koch-Instituts für Ärzte HIV-Infektion /Aids, Stand 2015). Die sexuelle Übertragung kann durch Kontakt virushaltiger Körperflüssigkeit mit der rektalen oder vaginalen/zervikalen Schleimhaut oder der Schleimhaut von Glans Penis und Vorhaut erfolgen. Mit der Höhe der Viruslast in den Sekreten steigt die Infektionsgefahr. Gleichzeitig vorliegende andere sexuell übertragbare Infektionen können die Infektiosität und Suszeptibilität deutlich steigern. Die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung über orale Schleimhäute - mit Ausnahme des Stillens beim Neugeborenen - ist sehr gering. Die parenterale (= unter Umgehung des Darms) Inokulation des Virus in Form kontaminierten Blutes oder von Blutprodukten, in Form gemeinsamer Verwendung von Injektionsutensilien oder durch Schnitt- bzw. Stichverletzungen an kontaminierten Instrumenten ist ebenfalls ein wichtiger Übertragungsweg.

Kein Infektionsrisiko stellen dagegen Körperkontakte im alltäglichen sozialen Miteinander, die gemeinsame Benutzung von Geschirr, Besteck u.ä. sowie die gemeinsame Benutzung sanitärer Einrichtungen dar. HIV wird nach gegenwärtigem Wissensstand nicht über Speichel, Tränenflüssigkeit, Tröpfcheninfektion, durch Insektenstiche oder über Nahrungsmittel oder Trinkwasser übertragen. Die Kontamination von intakter Haut mit virushaltiger (Körper-)Flüssigkeit führt nicht zu einer Übertragung (vgl. RKI-Ratgeber s.o.). Die Übertragung von HIV durch orale Aufnahme virushaltiger Körperflüssigkeiten (Muttermilch, Samenflüssigkeit) ist möglich, während ansonsten orale Kontakte (Küssen, Beißen, Zahnbehandlungen) oder Aerosole (Husten) kein erkennbares Übertragungsrisiko darstellen. Dieses Phänomen wird auf virusinaktivierende Eigenschaften des Speichels zurückgeführt, die aber durch isotone Flüssigkeiten wie Muttermilch oder Samenflüssigkeit weitgehend neutralisiert werden können (vgl. RKI unter Hinweis auf Baron u. a. „Oral transmission of human immunodeficiency virus by infected seminal fluid and milk: a novel mechanism“ 2000, JID 181, Bl. 498-504; www.rki.de/SharedDocs/FAQ/HIVAids/FAQ-Liste.html).

Vor diesem Hintergrund unterliegt die Arbeit als Leiter der Abteilung für F. selbst bei gegenüber Deutschland erhöhtem Durchseuchungsgrad unter den (arbeitsfähigen) Beschäftigten mit Blick auf die Infektionswege nach Überzeugung des Senats keiner besonders erhöhten Infektionsgefahr für HIV. Dass der Kläger während seiner beruflichen Verrichtungen regelmäßig mit (virushaltiger) Körperflüssigkeit in Kontakt gekommen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Kläger selbst führt die besondere Infektionsgefahr auf zwei Ereignisse während seiner Arbeit in D. zurück, nämlich zum einen auf die Versorgung eines verunglückten Arbeiters und zum anderen auf die Durchführung der dritten Schutzimpfung. Daraus lässt sich aber keine besondere abstrakte Gefahrenlage ableiten, die mit einer Beschäftigung im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in Laboratorien vergleichbar wäre.

a) Das gilt auch unter Berücksichtigung der einmaligen Erste-Hilfe-Leistung gegenüber einem verletzten Mitarbeiter. Es ist weder nachgewiesen noch ermittelbar, dass und ggf. an welchem Tag der Kläger bei einem verunglückten Arbeiter erste Hilfe geleistet hat, dass dieser mit HIV infiziert war und dass sich der Kläger dabei eine Schnittverletzung an der Hand zugezogen hat. Der Kläger selbst hat nach eigenen Angaben diesen Vorfall damals nicht dem Arbeitgeber gemeldet. Weitergehende Ermittlungen sind dem Senat schon deswegen nicht möglich, weil laut Kläger eine Vielzahl von Personen im Werk im Zeitraum seiner Tätigkeit tödlich verunglückt sein sollen und dem Kläger nicht mehr erinnerlich ist, an welchem Tag sich der Vorfall ereignete, wer der Verunglückte war und ob dieser überhaupt für B. oder für eine Drittfirma tätig war. Ob der Versorgte mit HIV infiziert war und damit als mögliche Infektionsquelle in Betracht kommt, lässt sich daher nicht klären. Selbst wenn aber eine erhöhte Durchseuchung der arbeitsfähigen Mitarbeiter mit HIV im Werk C. unterstellt wird, lässt sich nach Art und Ausmaß des geschilderten Vorgangs daraus keine erhöhte Infektionsgefahr ableiten. Der Kläger hat geschildert, er habe versucht, den Verletzten in eine stabile Seitenlage zubringen, der aus dem Mund geblutet habe; die Versorgung von blutenden Wunden hat er nicht vorgenommen. An Kontakt mit Blut des Verletzten konnte sich der Kläger nicht erinnern. Dass es zu einem Eindringen einer für die Infektion ausreichenden Menge fremden Blutes z. B. in eine blutende Wunde des Klägers an einem seiner Finger gekommen ist, erscheint unwahrscheinlich, zumal sich der Kläger nach eigenen Angaben rasch zurückgezogen hatte wegen des Ansturms erzürnter Mitarbeiter. Ferner beträgt das statistische Ansteckungsrisiko selbst bei - hier nicht erfolgter Wundversorgung - nur 0,03% (vgl. Mehrtens /Brandenburg, Kommentar zu BKV, zu BK 3101, Anmerkung 22.2.1.2). Eine regelmäßige oder häufigere Versorgung verletzter Mitarbeiter hat der Kläger im Rahmen seiner Beschäftigung nicht vorgenommen. Daher liegt weder ein für die Infektion geeigneter Kontakt mit einer nachweislichen HIV-Infektionsquelle vor noch traten bei Beschäftigung des Klägers Situationen mit erhöhter Infektionsgefahr für HIV mit einer gewissen Regelmäßigkeit bzw. Häufigkeit auf, vergleichbar den Tätigkeiten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium (vgl. zur Regelmäßigkeit bzw. Häufigkeit auch Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur BKV, zu BK Nr. 3101 Anmerkung 22.3).

b) Soweit der Kläger eine besonders erhöhte Infektionsgefahr bei seiner Beschäftigung mit HIV auf die Entgegennahme der dritten Impfdosis zurückführt, ist darauf hinzuweisen, dass auch insoweit eine mit einer Tätigkeit im Gesundheitswesen vergleichbare Häufigkeit oder gar Regelmäßigkeit infektionsgefährdender Situationen nicht ersichtlich ist.

Außerdem ist weder im Vollbeweis nachgewiesen noch durch weitere Ermittlungen aufklärbar, ob die Behauptungen des Klägers zutreffen, dass der Arzt Spritzen nach Auswaschen und Trocknen für Impfungen wiederverwendet hat bzw. dass der Arzt für die konkrete Impfung des Klägers eine ausgewaschene Spritze wiederverwendet hat. Sogenannte Fertigspritzen mit bereits enthaltenem Impfstoff gegen Hepatitis gab es 1998 noch nicht, wie Dr. K. bestätigt hat.

Der Arbeitgeber hat erklärt, ihm seien solche Vorgänge mit Wiederverwendung von Spritzen nicht bekannt. Der vollständige Name oder die Anschrift des damals die Impfung durchführenden Arztes sind nicht bekannt. Es handelte sich nicht um einen Arzt von B. oder A., sondern um einen Mitarbeiter im d. Gesundheitswesens in U. oder C. Eigene Ärzte hat B. erst ab Januar 1999 beschäftigt. Zeugen, die die Wahrnehmungen zu trocknender Spritzen und /oder Kanülen oder das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Arzt mitteilen könnten, konnte der Kläger nicht benennen, da er mit dem Arzt allein gewesen sei. Andere Kollegen, die ähnliche Entdeckungen gemacht hätten, sind nicht bekannt. Die Nachforschungen des Präventionsdienstes der Beklagten bei der Abteilung Arbeits- und Gesundheitsschutz von A. unter Einbeziehung des Betriebsrates im Jahr 2007 brachten keine weitergehenden Erkenntnisse oder Ermittlungsansätze. Der damalige Vorgesetzte, Herr G., hat auf die gerichtlichen Anschreiben nicht reagiert. Er könnte im Übrigen allenfalls als Zeuge vom Hörensagen Auskunft über das Gespräch mit dem Kläger und seine damaligen Schilderungen geben. Selbst wenn ein Kurier Spritzen nach D. gebracht hat, lässt sich daraus nicht ein vorangegangenes Fehlverhalten des Arztes schließen. Unterlagen zu ärztlichen Behandlungen des Klägers aus dem Jahr 1998 lagen beim Arbeitgeber nicht mehr vor; Ansprechpartner aus der damaligen Zeit konnte er nicht benennen.

c) Eine Beweislastumkehr bzw. Beweiserleichterungen wegen behaupteter Beweisvereitelungen des ehemaligen Arbeitgebers, wie der Kläger geltend macht, sind nach Überzeugung des Senats nicht veranlasst. Der Verordnungsgeber hat den Beweisschwierigkeiten bei Infektionskrankheiten dadurch Rechnung getragen, dass er die BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV geschaffen hat und dafür nicht den Vollbeweis der Einwirkungen verlangt, sondern nur den Vollbeweis einer besonders erhöhten beruflichen Infektionsgefahr. Die Beweisschwierigkeiten des Klägers rechtfertigen hier nach Überzeugung des Senats weder eine Beweislastumkehr noch die Annahme eines Beweisnotstandes mit daraus abzuleitender Notwendigkeit von Beweiserleichterungen (vgl. BSG vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R - Juris RdNr. 28 gegen allgemeingültige Beweiserleichterungen für den Fall des Beweisnotstandes). Wie dargelegt, fehlt es bei der Beschäftigung des Klägers an häufigeren bzw. regelmäßigen Tätigkeiten mit besonders erhöhten Infektionsgefahren für HIV.

Soweit Beweisschwierigkeiten aus der fehlenden Möglichkeit zeitnaher Ermittlungen (z. B. Sicherung der Unterlagen der 1998 in D. erfolgten Untersuchungen, Feststellung der Identität des verunglückten Arbeiters) resultieren bzw. auf die fehlende Durchführung von HIV-Tests in entsprechenden zeitlichen Abständen, vermag der Senat daraus keine Beweiserleichterungen für den Kläger abzuleiten. Der Kläger selbst hat 1998 A. als entsendende Firma nicht über die Vorfälle informiert und sich selbst nach Diagnose seiner Erkrankung - soweit aus den Unterlagen ersichtlich - erstmals Mitte 2005 an A. gewandt. Die Beklagte wurde über Umwege erst 2007 auf die Möglichkeit einer berufsbedingte Infektion hingewiesen.

Der Fall ist insbesondere nicht mit demjenigen im Verfahren L 3 U 262/12 (Urteil BayLSG vom 13.08.2013 - Juris) vergleichbar. Denn die dortige Klägerin unterlag im Vergleich zum Infektionsrisiko der Bevölkerung einer erhöhten Infektionsgefahr, weil sie im Gesundheitswesen, nämlich in einem Krankenhaus für Chirurgie und Innere Medizin tätig war und im Zusammenhang mit Blutentnahmen einer erhöhten Ansteckungsgefahr unterlag. Besondere Beweisschwierigkeiten ergaben sich dort daraus, dass zum Zeitpunkt der Infektion - 1982 - geeignete Untersuchungen zum Nachweis einer HIV-Infektion in Deutschland, Verhaltensregeln von Klinikpersonal gegenüber HIV-erkrankten Patienten sowie Dokumentationspflichten bei Spritzenunfällen fehlten. Damit ist der Fall hier aber nicht vergleichbar.

d) Ferner ist darauf hinzuweisen, dass auch nach Darstellung des Klägers benutzte Spritzen nicht unmittelbar bei mehreren Patienten wiederverwendet wurden, sondern nach Auswaschen und Trocknen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. L. ein Auskochen und Trocknen von Spritzen eine HIV-Übertragung zwar nicht sicher ausschließen kann, dass aber bei Studien selbst mit unnatürlich hochkonzentrierten HIV-belasteten Proben bereits bei Antrocknen innerhalb weniger Stunden die Anzahl ansteckender Viren um 90-99% verringert wurde. Da die in den Laborversuchen eingesetzte Viruslast viel höher war als die im Blut oder anderen Proben tatsächlich vorhandene, ist das theoretische Risiko einer Übertragung durch Umwelteinwirkungen im Falle von angetrocknetem HIV-infizierten menschlichen Blut gering. Das deckt sich mit Ausführungen in der unfallmedizinischen Literatur, wonach Verletzungen durch Spritzen, deren Gebrauch bereits einige Zeit zurückliegt und bei denen das Blut bereits angetrocknet ist, als weniger riskant angesehen werden als Verletzungen durch frisch verwendete Instrumente (vgl. Mehrtens /Brandenburg, Kommentar zu BKV zu BK 3101 Anmerkung 22.2.1.2). Dr. L. hat dargelegt, dass nach Veröffentlichung des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung aus dem Jahr 2004 die Stabilität von HIV wesentlich über die Lipidhülle geprägt wird. Gegenüber Hitzeeinwirkungen beträgt danach die Halbwertszeit der Virusinaktivierung bei 56° etwa 30 Minuten, bei 60° etwa 1 Minute und über 65° weniger als eine Sekunde. Bei niedrigeren Temperaturen ist HIV dagegen relativ stabil. Bei 20° beträgt die Halbwertszeit etwa 9 Stunden, bei 4° hingegen mehrere Monate. Ferner ist HIV gegenüber der Behandlung mit Desinfektionsmitteln empfindlich. Bereits 20% Ethanol verringert langsam den Infektionstiter und hochprozentiger Alkohol inaktiviert das Virus schnell. Vor diesem Hintergrund lässt sich angesichts der Schilderungen mit Auswaschen und Trocknung der Spritzen vor Wiederverwendung das Expositionsrisiko bei Bluttransfusionen oder bei frischen Stichverletzungen mit Skalpellen oder Nadeln im Gesundheitswesen nicht auf den vorliegenden Fall übertragen.

Nach Überzeugung des Senats scheitert ein Anspruch des Klägers auf Feststellung der BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV daher schon am fehlenden Nachweis einer besonders erhöhten Infektionsgefahr für HIV im Rahmen seiner Beschäftigung in D..

3. Darüber hinaus ist der Senat ebenso wie das SG der Überzeugung, dass der Kläger - insbesondere während seines Aufenthaltes in D. - mehrfach ungeschützt sexuelle Kontakte außerhalb seiner Ehe hatte. Im Arztbrief der Klinik S. zur Verlegung des Klägers in die HIV-Ambulanz der L. heißt es: „Sexualanamnestisch gab der Patient eine Promiskuitivität bei zahlreichen Auslandsaufenthalten, vor allem in D. an, zuletzt vor zwei Jahren. Hier hatte der Patient anschließend nach Rückkehr einen HIV-Test durchgeführt, der jedoch unauffällig war.“ Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Begriff Pomiskuitivität von dem damaligen Arzt gewählt worden wäre, wenn der Kläger - wie im Gerichtsverfahren vorgetragen - lediglich von einem einzigen außerehelichen Kontakt - nämlich mit seiner damaligen Lebensgefährtin - gesprochen hätte. Soweit der Kläger mittlerweile behauptet, er habe seine Lebensgefährtin, mit der er bis 2003 zusammen gewesen sei, erst nach seinem Aufenthalt in D. - nämlich Ende 2001 /Anfang 2002 - kennengelernt und damit bis Ende 2001 ausschließlich mit seiner damaligen Ehefrau sexuellen Kontakt gehabt, lassen sich die Angaben im Arztbrief nicht einmal ansatzweise mehr mit vom Kläger behaupteten „Missverständnissen“ des Arztes erklären. Die Angaben zu zahlreichen Auslandsaufenthalten, vor allem in D., sind so konkret und stimmig mit der Vorgeschichte des Klägers, dass der Senat im Übrigen eine Verwechslung mit anderen Personen für ausgeschlossen hält.

Der Senat misst diesen dokumentierten Erstangaben zu einer möglichen Genese gegenüber dem behandelnden Arzt, die noch unbeeinflusst von Überlegungen zu möglichen Entschädigungen erfolgt sind, hier besondere Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung zu. Das gilt um so mehr, als der Kläger selbst einräumt, dass sein Gedächtnis mittlerweile krankheitsbedingt eingeschränkt ist. Der Neurologe und Psychiater Dr. S. spricht in seinem nach Untersuchung am 25.06.2004 für die BfA erstellten Gutachten von mittelgradiger Reduzierung von Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit und Gedächtnisfähigkeit.

Gegenüber Dr. K. hatte der Kläger angegeben, er habe während seiner Zeit in D. Geschlechtsverkehr nur mit seiner Freundin gehabt, die er öfter in Deutschland besucht habe und das Verhältnis habe nach seiner Rückkehr aus D. weiter bestanden; die Freundin habe sich trotz ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht angesteckt, ihn aber nach der Diagnose 2003 verlassen. Auch bei Untersuchung durch Dr. S. hat der Kläger die außereheliche Beziehung mit seiner Freundin bereits ab 1998 bis 2003, also schon während der Zeit seines Aufenthalts in D., bestätigt. In Widerspruch dazu hat er im Erörterungstermin vor dem SG am 03.08.2011 auf ausdrückliche Befragung erklärt, bereits vor Geburt der Tochter 1978 bis zum Jahr 2000 ausschließlich mit seiner Ehefrau sexuellen Kontakt gehabt zu haben. Im Berufungsverfahren wurde nun der Beginn der Beziehung mit der Freundin /Lebensgefährtin auf Ende 2001 /Anfang 2002 datiert. Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten vermag der Senat den seinen Erstangaben widersprechenden Behauptungen des Klägers nicht zu folgen, dass er seit 1978 bis 2003 nur mit zwei nachweislich nicht infizierten Personen Sexualkontakte hatte, nämlich mit seiner Ehefrau und mit derjenigen Freundin, die sich 2003 von ihm getrennt hat. Damit weicht der Senat nicht von den gutachterlichen Ausführungen von Dr. K. ab. Zutreffend hat das SG bereits ausgeführt, dass Dr. K. letztlich seine Beurteilung der Ursachenzusammenhänge ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt hatte, dass die ihm gegenüber gemachten Angaben des Klägers zu seinem Sexualleben - dass er also nur mit zwei nachweislich nicht infizierten Personen Geschlechtsverkehr hatte - vom Gericht für glaubhaft gehalten werden. Außerdem lagen Dr. K. die Unterlagen der Klinik S. und der L. nicht vor und damit nicht die Erstangaben des Klägers zu einer möglichen Genese.

Der Senat kann offenlassen, ob beim Kläger tatsächlich 2003 neben HIV auch die Geschlechtskrankheit eines Ulcus molle bestand, nachdem letztlich angesichts Klinikwechsels und vorrangig zu behandelnder HIV-Erkrankung eine Sicherung dieser Diagnose unterblieben ist. Allerdings vermögen die Erklärungen des Klägers zu Hautveränderungen am Penis - von den Händen auf die Eichel übertragene Zementreste - weder den Einsatz von Antibiotika zu erklären noch die - nach Verabreichung der Antibiotika auch tatsächlich zurückgehenden - Schwellungen der Lymphknoten in der Leistengegend.

Angesichts dieser konkreten besonders erhöhten privat veranlassten Infektionsgefahr - Promiskuität u. a. in D. - reicht die bloße Möglichkeit einer beruflich bedingten Infektion hier keinesfalls aus, um eine BK Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV festzustellen. Liegen - anders als hier (vgl. oben die Ausführungen unter 2.) - eine durch die versicherte Tätigkeit bedingte besonders erhöhte Infektionsgefahr und die Infektionskrankheit vor, nimmt der Verordnungsgeber zwar typisierend an, dass die Infektion während und wegen der Gefahrenlage erfolgte und die Krankheit wesentlich verursacht hat (vgl. BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - Juris RdNr. 34). Für diese Typisierung ist allerdings dann kein Raum, wenn eine Infektion während oder aufgrund der versicherten Verrichtungen und damit der unterstellte Ursachenzusammenhang ausgeschlossen ist. So darf die Inkubationszeit nicht gegen einen zeitlichen Zusammenhang der Krankheit mit der beruflichen Tätigkeit sprechen. Auch ist der Ursachenzusammenhang nicht gegeben, wenn ein anderes, dem privaten Lebensbereich zuzuordnendes Infektionsrisiko die Erkrankung verursacht hat (vgl. BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - Juris RdNr. 34). Das BSG hat im Urteil vom 21.03.2006 (B 2 U 19/05 R - Juris RdNr. 16; darauf verweisend auch BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - Juris RdNr. 34) dargelegt, dass der Schluss von einer berufsbedingt erhöhten Ansteckungsgefahr auf eine berufliche Ursache der aufgetretenen Infektionskrankheit nur gerechtfertigt ist, wenn neben der Gefährdung durch die versicherte Tätigkeit keine anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Infektionsrisiken bestanden haben. Kommen sowohl berufliche als auch außerberufliche Verrichtungen als Ansteckungsquelle in Betracht, von denen aber nur eine allein die Krankheit ausgelöst haben kann, muss entschieden werden, ob sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine der unter Versicherungsschutz stehenden Handlungen als Krankheitsursache identifizieren lässt. Eine im Rechtssinne hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür ist gegeben, wenn der Möglichkeit einer beruflichen Verursachung nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber den anderen in Frage kommenden Möglichkeiten ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gestützt werden kann (vgl. BSG vom 21.03.2006 - B 2 U 19/05 R - Juris RdNr. 16; ebenso Becker in Becker u. a., Kommentar zum SGB VII, zu § 9 S. 313; vgl. zum Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit bei Durchbrechung der typisierenden Betrachtung auch BSG vom 02.04.2009 - B 2 U 7/08 R - Juris RdNr. 21).

Der Inkubationszeitraum des Klägers lässt sich ausweislich des Gutachtens von Prof. Dr. K. nicht sicher ermitteln. Angesichts der bei Erstdiagnose von HIV im Jahr 2003 festgestellten Werte lag die Infektion bereits mehrere Jahre zurück. Prof. Dr. K. hat ausgeführt, dass die vom Kläger geschilderten Beschwerden im Dezember 1998 mit einer HIV-Infektion im November 1998 übereinstimmen könnten. Zumindest liegt der Aufenthalt des Klägers in D. innerhalb der möglichen Inkubationszeit. Weitergehende Einschränkungen des möglichen Infektionszeitraums durch HIV-Testungen sind nicht möglich. Vor der Ausreise nach D. ist kein HIV-Test durchgeführt worden. Der Kläger hat ferner erklärt, entgegen seinen Angaben gegenüber der Klinik S. sei nach seiner Rückkehr aus D. kein HIV-Test durchgeführt worden. Ob im Dezember 1998 ein Bluttest, insbesondere ein HIV-Test oder ein anderer Test durchgeführt worden war, ist nicht aufklärbar. Unterlagen des damaligen Arztes in D. sind nicht mehr zu erlangen. Der Kläger selbst hat nach eigenen Angaben keine Unterlagen und hatte die Untersuchungsergebnisse in D. auch nicht eingesehen. Er hat erklärt, dass ihm mündlich als Diagnose eine „Überimpfung“ mitgeteilt worden war. Bei Behandlungen im Dezember 1998 bzw. Anfang 1999 bei Dr. L. ist kein HIV-Test durchgeführt worden.

Selbst wenn der Senat also als wahr unterstellen würde, dass bei der Impfung am 10.11.1998 wiederverwendete, ausgewaschene und getrocknete Spritzen benutzt wurden, steht diesem - wie dargelegt - relativ geringem einmaligen beruflich veranlassten Infektionsrisiko das erhebliche Ansteckungsrisiko durch Geschlechtsverkehr mit verschiedenen Personen gegenüber, so dass selbst dann dem beruflichen Risikofaktor kein deutliches Übergewicht zugemessen werden kann.

4. Die Vermutungsregelung von § 9 Abs. 3 SGB VII greift hier nicht, da zum einen keine erhöhte berufliche Infektionsgefahr gesichert werden kann und zum anderen, wie dargelegt, Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit angesichts der Erstangaben des Klägers nach Überzeugung des Senats vorgelegen haben. Ferner war D. auch kein Hochprävalenzgebiet für HIV (s.o.).

B) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

C) Gründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Entscheidend ist die Beweiswürdigung im Einzelfall.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2015 - L 2 U 46/12 zitiert 17 §§.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

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(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

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(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

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(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

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Die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels gelten für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist.

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 4 Ausstrahlung


(1) Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältniss

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 3 Persönlicher und räumlicher Geltungsbereich


Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten, 1. soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder sel

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 17. Dez. 2015 - L 2 U 46/12 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 12. Jan. 2010 - B 2 U 5/08 R

bei uns veröffentlicht am 12.01.2010

Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversic

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(1) Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.

(2) Für Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt Absatz 1 entsprechend.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Sie ist die Witwe des am 8.8.2000 an einem Bronchialkarzinom des rechten Lungenlappens verstorbenen Versicherten. Dieser war von August 1958 bis 31.12.1994 als Schweißer bei einem Werftunternehmer, der Mitglied der Beklagten ist, in Hamburg beschäftigt. Zur Arbeitsausrüstung gehörte ein Kniekissen, in das Asbesttuch eingenäht war. Er schweißte mit hochlegiertem Chrom-/Nickel-Stahl, unlegiertem Stahl und Aluminium. Als Schweißverfahren kamen mit jeweils zu einem Drittel das Wolfram-Inert-Gas-Schweißen, das Lichtbogenhandschweißen mittels Stabelektrode und das Metall-Aktiv-Gas-Schweißen mit Fülldraht-Elektrode zur Anwendung, eingesetzt wurden thoriumhaltige Zündelektroden und "Thermanit-X-Elektroden".

3

Der Versicherte teilte der Beklagten unter dem 23.12.1999 mit, bei ihm sei im Oktober 1999 ein Lungentumor festgestellt worden. Er habe zeitlebens nicht geraucht und bringe die Erkrankung mit seiner Arbeit als Schweißer in Verbindung. Die Beklagte forderte noch im Juli 2000 von dem behandelnden Hausarzt des Versicherten Dr. K. eine Benachrichtigung für den Fall der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten an. Am 8.8.2000 ist der Versicherte an dem Lungentumor verstorben. Am 31.8.2000 erhielt die Beklagte die Nachricht, der Versicherte sei ohne vorherige Sektion eingeäschert worden. Die Beklagte lehnte die "Gewährung von Witwenrente" im Hinblick auf die Berufskrankheiten (BKen) 1103, 4104 und 4109 an die Klägerin ab (Bescheid vom 23.1.2001, Widerspruchsbescheid vom 1.6.2001).

4

Die Klägerin hat bei dem Sozialgericht (SG) Itzehoe Klage erhoben (S 1 U 71/01). Während des Verfahrens hat die Beklagte die Feststellung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente auch im Blick auf eine inzwischen geprüfte BK 2402 abgelehnt (Bescheid vom 7.12.2001, Widerspruchsbescheid vom 15.3.2002). Die auch hiergegen erhobene Klage (S 1 U 32/02) hat das SG mit dem schon anhängigen Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 24.2.2003).

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Ablehnungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK 1103, BK 4109 und BK 2402 ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente zu zahlen. Hingegen hat es die Berufung zurückgewiesen, soweit die Verurteilung zur Zahlung von Hinterbliebenenrente aufgrund einer BK 4104 begehrt wurde (Urteil vom 13.9.2007). Die Klägerin habe Anspruch auf Hinterbliebenenrente, da der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten sei. Zwar liege keine der genannten Listen-BKen monokausal vor, es sei aber anzunehmen, dass die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest im Sinne einer Synkanzerogenese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Bronchialkarzinom beim Versicherten verursacht hätten und er infolge der anerkannten BKen verstorben sei.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die schädigenden Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid, ionisierende Strahlen sowie Asbest stellten keine BK dar. Lediglich für das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) sei eine Dosis-Wirkungs-Beziehung festgelegt. Zwar gebe es Hinweise in der medizinischen Wissenschaft, dass auch das Zusammenwirken anderer Stoffe karzinogene Wirkung habe. Welche Stoffe im Einzelnen mit welcher Dosis eingewirkt haben müssten, damit sie im Zusammenwirken einen Lungenkrebs hervorrufen könnten, sei wissenschaftlich aber noch nicht geklärt. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R) die Einwirkungen der BKen 2108 und 2110 zusammengefasst habe, könne dies nicht auf den Fall des Zusammenwirkens von vier Arbeitsstoffen übertragen werden. Im Übrigen habe das LSG die Berufung hinsichtlich der BK 4104 zurückgewiesen, aber die Einwirkungen durch Asbest in die Berechnung des Risikos des Versicherten einbezogen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. September 2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Februar 2003 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht, soweit es das Urteil des SG und die ablehnenden Entscheidungen in den Bescheiden der Beklagten vom 23.1.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2001 sowie vom 7.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente aufgrund einer Gesamtbetrachtung der BKen 1103, 4109 und 2402 zu zahlen. Ob die Klägerin aufgrund einer der BKen 1103, 4109 oder 2402 oder mehrerer von diesen einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da das LSG hierzu die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat.

11

1. Nach § 63 Abs 1 SGB VII haben Hinterbliebene ua Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Nach § 7 Abs 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen. Beim Versicherten konnten als Versicherungsfall nur BKen vorgelegen haben.

12

Bei BKen ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1 - juris RdNr 15; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15) . Jeder dieser Versicherungsfälle kann iS des § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen.

13

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen eines Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK 4104, weil dieser nicht vorgelegen hat (a). Es hat auch nicht der Versicherungsfall einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination von mehreren Listen-BKen (b) oder der Versicherungsfall einer Wie-BK vorgelegen (c). Ob der Versicherte an den Folgen des Versicherungsfalls einer Listen-BK 1103 oder 4109 oder 2402 (§ 9 Abs 1 SGB VII iVm der Anlage 1 zur BKV) verstorben ist (d), kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weshalb das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist.

14

a) Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14) .

15

Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-BKen kommt im Falle des Versicherten, der als Schweißer gearbeitet hat, berufsbedingt den Stoffen Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest ausgesetzt war und an einem Lungentumor verstorben ist, ein Versicherungsfall nach folgenden BK-Tatbeständen in Betracht:

Nr 1103:

Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen

Nr 2402:

Erkrankungen durch ionisierende Strahlen

Nr 4104:

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder
- in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder
- bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren

Nr 4109:

Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen

16

Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (zu den anderen Listen-BKen unten d).

17

b) Entgegen der Auffassung des LSG ist der Versicherte nicht infolge eines Versicherungsfalls einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination der Listen-BKen 1103, 4109 und 2402 verstorben.

18

Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass das LSG nicht nur die BKen 1103 und 4109, sondern - ausweislich des Tenors - auch die BK 2402 bejaht hat. Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie das LSG die Verursachungswahrscheinlichkeit gemeinsam für die BKen 1103, 2402 und 4109 errechnet hat, zu beanstanden ist.

19

Es widerspricht dem Bundesrecht, wenn die Verwaltung oder die Gerichte Tatbestände mehrerer Listen-BKen zu einer neuen Gesamt-BK verbinden. Zur Bezeichnung einer neuen (Listen-)BK ist nur die Bundesregierung als Verordnungsgeberin - mit Zustimmung des Bundesrates - ermächtigt (§ 9 Abs 1 SGB VII) und neben diesem Listenprinzip gibt es nur die sog Öffnungsklausel unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII.

20

Indem der Verordnungsgeber mit Wirkung zum 1.7.2009 durch Art 1 Nr 3 Buchst d der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I, 1273) einen BK-Tatbestand geschaffen hat, der nun eine Erkrankung nach schädigenden Einwirkungen zweier synkanzerogen wirkender Stoffe als Versicherungsfall bezeichnet (BK 4114: Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die eine Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 vH nach Anlage 2 der BKV begründet), wird deutlich, dass er durchaus auch die berufsbedingte Verursachung einer Erkrankung durch das Zusammenwirken verschiedener gefährdender Stoffe als BK bezeichnen kann.

21

In dem Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 8) zum Verhältnis der BKen 2108 und 2110 hat der Senat "nicht eine aus den Tatbeständen der Nr 2108 und 2110 zusammengesetzte neue BK gebildet, sondern dem Umstand Rechnung getragen, dass in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung die Tatbestandsvoraussetzungen beider BKen (nebeneinander) vorliegen" (RdNr 18). Soweit Mell in seiner Anmerkung zu dem Urteil (SGb 2007, 562 f) von einer "Verklammerung" des BK-Geschehens schreibt, ändert dies nichts an der getrennten Betrachtung beider BKen durch den Senat. Klarzustellen ist jedoch, dass bei einem Versicherten, der an einer Krankheit leidet, die Gegenstand mehrerer BKen ist, wenn er zudem Einwirkungen ausgesetzt war, die von jeder dieser BKen erfasst werden, schon nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu prüfen ist, ob die Einwirkungen die in der BK bezeichnete Erkrankung verursacht haben. Diese Einwirkungen können nicht isoliert gesehen werden, sondern sind sich wechselseitig beeinflussende konkurrierende Ursachen (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 16) . Ob der Tod des Versicherten in diesem Sinne wesentlich durch die Einwirkungen nach einer der möglichen BKen Nr 1103, 2402, 4109 verursacht wurde, hat das LSG jedoch nicht geprüft (siehe nachfolgend d).

22

c) Der Versicherte ist auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK (§ 9 Abs 2 SGB VII) verstorben.

23

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat nicht gehindert, über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente wegen einer Wie-BK zu entscheiden (aa). Zum maßgeblichen Zeitpunkt (bb) hat beim Versicherten der Versicherungsfall einer Wie-BK nicht vorgelegen (cc), denn die Voraussetzungen für die Bezeichnung der Erkrankung Lungenkrebs infolge der gemeinsamen Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbeststaub in der Anlage zur BKV als BK waren nicht gegeben.

24

aa) Der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand umfasst das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint.

25

Die Beklagte verweist zu Unrecht auf die Rechtslage, die gilt, wenn ein Versicherter selbst die Feststellung eines Versicherungsfalls einer BK durch die Verwaltung begehrt oder Versicherungsansprüche gegen sie erhebt. Dabei bilden jede Listen- und jede Wie-BK jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der zuständige Träger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat. Die Feststellung des Versicherungsträgers, eine BK liege vor oder nicht vor, kann sich wegen der völlig verschiedenen Voraussetzungen der Listen-BKen in der Anlage zur BKV untereinander und den dazu und untereinander ebenfalls völlig unterschiedlichen Voraussetzungen der eventuell zu prüfenden Wie-BKen nach § 9 Abs 2 SGB VII immer nur auf einzelne Listen- oder Wie-BKen beziehen. Daher kann der Versicherte eine Anfechtungsklage nur gegen einen Verwaltungsakt erheben, mit dem der Versicherungsträger die Feststellung einer bestimmten BK oder Wie-BK (oder mehrerer solcher Versicherungsfälle) abgelehnt hat (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13 RdNr 12; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15 f) .

26

Anders ist die Rechtslage bei Hinterbliebenen, die ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Träger geltend machen. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII) , dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht. Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Auch hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Blick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils nur einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

27

bb) Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Versicherte verstorben ist.

28

Der Senat hat zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssen sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei (BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253; BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - juris RdNr 17) .

29

Dies ist aber auf die Rechte der Hinterbliebenen eines Versicherten nicht übertragbar, weil sie aus dessen letzter Rechtsstellung abgeleitet sind. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII muss der Tod des Versicherten "infolge eines Versicherungsfalls eingetreten" sein. Der Todestag des Versicherten ist der späteste Zeitpunkt, an dem er einen Versicherungsfall erlitten haben kann.

30

cc) Der Versicherte ist am 8.8.2000 nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK verstorben.

31

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27) . Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f) .

32

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 12 RdNr 23) . Im vorliegenden Fall kommt es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 8.8.2000 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierender Strahlung gemeinsam verursacht worden ist, in die Liste der BKen aufzunehmen war. Dies ist indes nach den Feststellungen des LSG, das eine Auskunft des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingeholt hat, nicht der Fall (vgl im Übrigen: Schneider, ASUMed 2008, 326; Ergebnisse des Fachgesprächs "Synkanzerogenese" in der BG Akademie Hennef am 25./26.11.2005, BGFA-Info 01-06, S 17; Thomas Brüning, SYNERGIE - ein Beitrag zur Klärung der Synkanzerogenese - fordert vor der BGFA der DGUV am 27.1.2009 die Einrichtung epidemiologischer Datenbanken zur Beurteilung der synkanzerogenen Wirkung von Stoffen wie Asbest, PAK, Chrom und Nickel; http: www.igf-bbg.de/schlema6/tag2/Brüning_BGFA.pdf ; Pesch, Weiss, Westphal, Brüning, Berufliche Chrom- Exposition und Lungenkrebsrisiko, BGFA, August 2008, S 23) .

33

d) Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage zur BKV, der durch das Miteinwirken des Listenstoffes als wesentliche Teilursache für die Erkrankung des Versicherten verursacht wurde, eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

34

Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte berufsbedingt schädigenden Einwirkungen ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den angeführten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe monokausal die haftungsbegründende Kausalität verneint. Keiner der Stoffe hat allein die in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht. Für die BK 1103 ist eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich, einer solchen Dosis ist der Versicherte bei weitem nicht ausgesetzt gewesen. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen (Bql, mSv) die Verursachungswahrscheinlichkeit in Prozent ermittelt, die beim Versicherten maximal 23 vH erreicht hat. Bei der BK 4109 ist eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich, die ebenfalls nicht - auch nicht iS des Halbwerts - erreicht worden ist.

35

Eine dieser Listen-BKen liegt aber nicht nur dann vor, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon monokausal die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 ff) .

36

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - juris RdNr 12) .

37

Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffs nicht die im BK-Tatbestand genannten Einwirkungsvoraussetzungen - so wie hier der Asbest die 25 Faserjahre nach der BK 4104 Alternative 3 (siehe oben a) -, können sie zwar die anerkannte Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung dieser BK scheidet aber aus, weil die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestandes nicht gegeben sind.

38

Für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele. Ist ein Listenstoff in diesem naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg iS eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 14/90 - juris RdNr 21; Becker in MedSach 2005, 115) .

39

3. Auf die Revision der Beklagten ist die Entscheidung des LSG, die § 9 SGB VII verletzt, aufzuheben. Der Rechtsstreit ist an das LSG zurückzuverweisen, damit geklärt werden kann, ob die Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid oder ionisierende Strahlung unter Einbeziehung der Einwirkungen von Asbest zusammen oder - wenn nicht alle - ob möglicherweise mehrere dieser Listenstoffe gemeinsam den Lungenkrebs des Versicherten im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht haben. Ist dies anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK 1103 oder BK 2402 oder BK 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG aaO) . Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. Hierzu hat das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sodass der Senat nicht abschließend entscheiden konnte.

40

Dagegen steht für die abschließende Entscheidung des LSG bindend fest, dass bei dem Versicherten keine BK 4104, keine Gesamt-BK aus einer Kombination der BKen 1103, 2402, 4109 und keine entsprechende Wie-BK vorgelegen hat.

41

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

Die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels gelten für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes eintreten, soweit in den folgenden Vorschriften nicht etwas anderes bestimmt ist.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

Die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung gelten,

1.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind,
2.
soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht voraussetzen, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs haben.

(1) Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.

(2) Für Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt Absatz 1 entsprechend.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Soweit die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, gelten sie auch für Personen, die im Rahmen eines im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.

(2) Für Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, gilt Absatz 1 entsprechend.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Infektion der Klägerin mit dem Hepatitis C-Virus (HCV) als Berufskrankheit (BK) nach Nr 3101 der Anlage (seit 1.7.2009 Anlage 1) der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; im Folgenden: BK 3101) streitig.

2

Die 1940 geborene Klägerin war seit Oktober 1995 als Altenpflegehelferin im Altenzentrum B. beschäftigt. Sie wurde im Wesentlichen im Bereich "Betreutes Wohnen" eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehörte das Waschen, Baden und Rasieren der Pflegebedürftigen. Sie hatte Katheterbeutel zu wechseln sowie Wundbehandlungen und Bluttests durchzuführen. Außerdem gab sie einer Heimbewohnerin in den Monaten April und Mai 1999 87 Insulinspritzen, ohne zum Spritzen berechtigt zu sein. Eine überdurchschnittliche Durchseuchung der Heimbewohner mit dem HCV ließ sich nicht feststellen.

3

Im August 1999 wurde bei der Klägerin eine HCV-Infektion diagnostiziert. Auf eine ärztliche Anzeige wegen des Verdachts des Vorliegens einer BK 3101 lehnte die Beklagte es ab, diese BK anzuerkennen und Leistungen zu erbringen. Bei der Klägerin habe kein besonders erhöhtes Verletzungsrisiko bestanden (Bescheid vom 4.12.2000; Widerspruchsbescheid vom 27.6.2001).

4

Das SG Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.10.2002). Das Hessische LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 13.7.2010). Die Klägerin sei einem gesteigerten, nicht aber einem besonders erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Entgegen den gutachtlichen Ausführungen von Prof. Dr. C. könne nicht von einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung erhöhten Durchseuchung des Altenzentrums ausgegangen werden. HCV-Infektionen von Bewohnern des Altenheims seien nicht bekannt. Wegen sich widersprechender Studien existiere auch kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass in Pflegestationen von Altenheimen eine besondere Infektionsgefahr bestehe. Aktuelle Zahlen zum Durchseuchungsrisiko in Pflegeheimen gebe es nach der vom Gericht eingeholten Auskunft des Instituts der F. vom 3.8.2009 ebenfalls nicht. Eine besondere Ansteckungsgefahr sei auch nicht mit den von der Klägerin konkret ausgeübten Tätigkeiten verbunden gewesen. Zwar habe wegen des nahezu täglichen Umgangs mit Insulinspritzen zweifellos ein Infektionsrisiko bestanden. Risikomindernd wirke sich aber aus, dass die Einwegspritzen durch die Klägerin ordnungsgemäß entsorgt worden seien, ohne die Schutzkappe wieder aufzustecken. Insulinspritzen würden auch nur subkutan und nicht intravenös verabreicht. Wegen der von Prof. Dr. C. bestätigten geringeren Kanülendicke der Insulinspritzen im Vergleich zu "normalen" Hohlnadeln komme es schließlich zu einer geringeren Blutübertragung.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG und die Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG. Das LSG hätte in Erfahrung bringen müssen, wie viele der von ihr betreuten Personen mit dem HCV infiziert gewesen seien. Auch hätte es wegen der von Prof. Dr. C. bestätigten deutlich erhöhten Infektionsgefahr des Ärzte- und Pflegepersonals aktuelle Informationen über die Seroprävalenz in Alten- und Pflegeheimen einholen müssen. Der vom Berufungsgericht berücksichtigte Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung beruhe auf einer Stichprobenerhebung unter Ausschluss von besonders gefährdeten Personen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Justizvollzugsanstalten. Abgesehen davon hätte das Fehlen einer virologischen Untersuchung der Heimbewohner zu einer Beweiserleichterung führen müssen. Bei der Würdigung der Übertragungsgefahr sei nicht berücksichtigt worden, dass Gummihandschuhe nur "in der Regel" benutzt worden seien und auch von kontaminierten Gegenständen ein Infektionsrisiko ausgehe. Die Gefahr von Mikroläsionen sowie die Umstände des Verabreichens und der Entsorgung der Einwegspritzen seien nicht ermittelt worden. Weshalb bei 87 Inokulationsereignissen nicht von einer "häufig" aufgetretenen Gefahr gesprochen werden könne und eine Vergleichbarkeit mit Tätowierungen ausscheide, sei nicht dargelegt worden.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2010 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001 aufzuheben und festzustellen, dass die bei ihr vorliegende Hepatitis C-Erkrankung eine Berufskrankheit nach Nr 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision, mit der nur noch die Feststellung der BK 3101 begehrt wird, ist nicht begründet.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist insoweit eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und § 55 Abs 1 Nr 1 SGG), mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die Hepatitis C-Infektion der Klägerin eine BK 3101 ist. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Anspruch auf Feststellung einer bestimmten BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage klären lassen (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, jeweils RdNr 11 mwN; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zwar hat die Klägerin vor dem SG und LSG die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung der BK 3101 beantragt. Dieser Übergang von der Verpflichtungs- zur Feststellungsklage beruht aber auf einer nach § 99 Abs 3 SGG uneingeschränkt zulässigen Antragsänderung (BSG vom 25.2.1997 - 12 RK 4/96 - BSGE 80, 102, 103 = SozR 3-2500 § 5 Nr 33 S 129 mwN).

11

Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung ihrer Hepatitis C-Infektion als BK 3101. Insoweit ist die Verwaltungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 4.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2001 rechtmäßig und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.

12

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften des SGB VII sowie des auf seiner Grundlage erlassenen Rechts, weil ihre HCV-Infektion im August 1999 festgestellt worden ist und der geltend gemachte Versicherungsfall damit nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten sein soll (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).

13

Nach § 9 Abs 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen (Satz 2).

14

Für die Feststellung einer Listen-BK ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom Vorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu bewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt indes der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, jeweils RdNr 16 mwN und - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14 BKV, jeweils RdNr 9 mwN; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

15

Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK 3101 wie folgt: "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Die Voraussetzungen dieses Tatbestandes iVm § 9 Abs 1 SGB VII sind nach den für den Senat bindenden(§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht erfüllt. Die Klägerin war zwar seit Oktober 1995 als Altenpflegehelferin eines Altenzentrums beschäftigt und damit im Gesundheitsdienst tätig sowie nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert. Hepatitis C ist auch eine Infektionskrankheit. Die Klägerin war aber keinen "Einwirkungen" iS einer besonders erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Diese beurteilt sich nach dem Grad der Durchseuchung des versicherten Tätigkeitsbereichs und dem Übertragungsrisiko der im Gefahrenbereich vorgenommenen Verrichtungen (dazu 1.). Anhand beider Kriterien hat das LSG das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr verneint (dazu 2.). Die Rüge der Klägerin, dabei habe das Berufungsgericht gegen die Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen und die Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten, greift nicht durch (dazu 3.).

16

1. Eine besondere Ansteckungsgefahr kann sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben. Der Grad der Durchseuchung ist sowohl hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen.

17

Eine schlichte Infektionsgefahr genügt nicht. Vielmehr wird eine (zT typisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt (§ 9 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VII). Deshalb kommt es darauf an, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander (dazu kritisch Kunze, VSSR 4/2010, S 283, 298 ff). An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Erscheint eine Infektion nicht ausgeschlossen, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig gegenüber der Allgemeingefahr erhöht ist (BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, jeweils RdNr 22 f). Damit bedarf es der tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen einer konkret erhöhten Infektionsgefahr. Dies beinhaltet Feststellungen zu der Frage, ob die Verrichtungen der Klägerin sie mit einer infizierten Person oder einem durchseuchten Objektbereich in Berührung gebracht haben oder ob die Verrichtungen im Hinblick auf den Übertragungsmodus der Hepatitis C-Infektion sowie ihrer Art, Häufigkeit und Dauer nach besonders infektionsgefährdend waren (BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5 BKV, jeweils RdNr 19).

18

2. Einem solchen besonders erhöhten Infektionsrisiko war die Klägerin nicht ausgesetzt. Das Berufungsgericht hat zwar nicht die Möglichkeit der Infektion mit dem HCV, aber eine erhöhte Durchseuchung im Altenzentrum ausgeschlossen. Damit ist der Grad der Durchseuchung bezüglich HCV-Antikörper in der Gesamtbevölkerung maßgebend, der mindestens ca 0,4 bis 0,7 vH beträgt (vgl Potthoff/Schüler/Wedemeyer/Manns, Epidemiologie der Virushepatitis A, B und C, in Selmair/Manns, Virushepatitis als Berufskrankheit, 2. Aufl, S 18; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 717; Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin 29/2011 S 267). Auf der Grundlage einer Arbeitgeberauskunft hat das LSG festgestellt, dass HCV-Infektionen von Heimbewohnern nicht bekannt geworden sind. Die Stellungnahme der F. vom 3.8.2009 hat ergeben, dass aktuelle Zahlen zum Durchseuchungsrisiko in Pflegeheimen nicht existieren. Daher ist nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für die Annahme eines deutlich überdurchschnittlichen Durchseuchungsgrades im Altenzentrum B. kein Raum.

19

Die erforderliche besondere Infektionsgefahr lässt sich auch nicht auf die Übertragungsgefahr der ausgeübten Tätigkeiten zurückführen, wie das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Arbeitsvorgänge der Klägerin sowie des Gutachtens von Prof. Dr. C. und der Zeugenvernehmung angenommen hat. Die Klägerin war im Wesentlichen im Bereich "Betreutes Wohnen" eingesetzt und trug bei den Verrichtungen der Grundpflege, der Wundbehandlung und den Bluttests regelmäßig Gummihandschuhe. Eine Nadelstichverletzung ist nicht festgestellt. Bei maximal 87 Inokulationsvorgängen wurden Insulinspritzen mit einer im Vergleich zu anderen Hohlnadelspritzen dünneren Injektionskanüle verwendet, die mit einem geringeren Blutaustausch einhergehen. Sie sind ordnungsgemäß entsorgt worden, ohne die Schutzkappe wieder aufzustecken. Die Klägerin ist danach weder aufgrund einer erhöhten Durchseuchung noch infolge ihrer Arbeitsverrichtungen besonders infektionsgefährdet tätig gewesen.

20

3. Diese Feststellungen des LSG binden den Senat (§ 163 SGG), weil sie nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 31). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.

21

a) Die Rüge der Klägerin, das LSG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) verstoßen, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Sie hätte insoweit aufzeigen müssen, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Dabei ist darzulegen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offen geblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind. Außerdem ist anzugeben, wann und in welcher Form die zu ermittelnden Tatsachen in der Berufungsinstanz vorgebracht wurden (BSG vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 69 f).

22

Das Vorbringen der Klägerin, das LSG hätte die Anzahl der von ihr betreuten, mit dem HCV infizierten Personen in Erfahrung bringen und die Gefahr von Mikroläsionen sowie die Umstände des Verabreichens und der Entsorgung der Einwegspritzen ermitteln müssen, genügt diesen Anforderungen nicht. Es hätte nicht nur der Bezeichnung der zu ermittelnden Tatsachen bedurft, sondern vor allem auch der weiteren Darlegung, inwieweit diese Tatsachen bereits in der Berufungsinstanz so vorgebracht wurden, dass sich das LSG auf Grund des Berufungsvorbringens trotz der eingeholten Auskünfte zur Durchseuchung und den Arbeitsbedingungen im Altenzentrum zu einer weiteren Tatsachenermittlung hätte gedrängt fühlen müssen.

23

b) Auch die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, ist unzulässig. Die Beweiswürdigung des LSG ist nur eingeschränkt überprüfbar. Da das Tatsachengericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, ist diese Vorschrift nur dann verletzt, wenn das Gericht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss im Einzelnen dargelegt werden (BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9). Daran fehlt es hier.

24

Die Klägerin hat kein Denkgesetz benannt, gegen das das LSG verstoßen haben soll. Es hätte aufgezeigt werden müssen, dass das Berufungsgericht zu einer bestimmten, aus seiner Sicht erheblichen Frage aus den gesamten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten nur eine Folgerung hätte ziehen können, jede andere nicht folgerichtig "denkbar" ist und das Gericht die allein in Betracht kommende nicht gesehen hat (vgl BSG vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 13 mwN). Dass und weshalb die Feststellung der BK 3101 die einzig denkbare Folgerung gewesen sein soll, legt die Revision indes nicht dar.

25

Mit ihrem Vorbringen, das LSG habe Pflegestationen in Altenheimen als nicht besonders hepatitisgefährdend angesehen und daher einen Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung von 0,5 bis 0,7 vH angenommen, ist auch ein fehlerhaft angewendeter Erfahrungssatz nicht aufgezeigt worden. Es trifft zwar zu, dass der vom Robert Koch Institut 1998 durchgeführte "BundesGesundheitssurvey" Personen aus Heil- und Pflegeanstalten, Krankenhäusern sowie Justizvollzugsanstalten nicht umfasst (vgl Schreier/Höhne, Hepatitis C - Epidemiologie und Prävention, Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 6/2001 S 554, 555). Aus einer durch diese Personengruppen bedingten höheren Durchseuchungsrate in der Gesamtbevölkerung folgt aber noch nicht zwingend eine deutlich höhere Durchseuchung gerade in den genannten Einrichtungen. Anhaltspunkte dafür, dass der vom LSG herangezogene Erfahrungssatz, dass Pflegeeinrichtungen in Altenheimen nicht als besonders hepatitisgefährdend angesehen werden können, nach Verfahren oder Inhalt falsch festgestellt worden wäre, sind nicht ersichtlich (vgl Schreier/Höhne aaO S 558, wonach in mehreren internationalen Studien eine signifikant höhere Durchseuchung bei Ärzten, Zahnärzten und sonstigen Beschäftigten im Gesundheitswesen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nicht festzustellen war). In einem solchen Fall besteht für das Revisionsgericht keine rechtliche Veranlassung, das Bestehen und den Inhalt des vom LSG festgestellten Erfahrungssatzes ohne eine zulässig erhobene Verfahrens- oder Inhaltsrüge selbst von Amts wegen zu prüfen (vgl BSG vom 5.7.2011- B 2 U 17/10 R - Juris RdNr 31 mwN). Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte "ins Blaue hinein" besteht auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung (vgl BVerfG vom 9.10.2007 - 2 BvR 1268/03 , Juris RdNr 19).

26

Aus dem Vortrag der Klägerin, bei der Würdigung der Übertragungsgefahr habe Beachtung finden müssen, dass Gummihandschuhe nur "in der Regel" benutzt worden seien und von kontaminierten Gegenständen ein Infektionsrisiko ausgehe, wird nicht deutlich, dass hierdurch das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend berücksichtigt worden wäre. Die weitere zitierte Begründung des LSG, dass Umstände teils risikosteigernd teils risikomindernd gewertet worden seien, macht gerade die durchgeführte Gesamtwürdigung deutlich. Inwieweit Gegenstände kontaminiert gewesen seien und dass das Tatsachengericht dem Sachverständigengutachten nicht gefolgt wäre, ohne die Abweichung ausreichend begründet zu haben, ist nicht dargetan. Im Kern zieht die Klägerin für sich trotz der vom LSG festgestellten Tatsachen den Schluss, dass sich ein erhöhtes Infektionsrisiko begründen lasse. Eine formgerechte Rüge der Verletzung der Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung liegt indes nicht vor, wenn die Revision ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 33).

27

Unabhängig davon ist beiläufig anzumerken, dass unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Übertragungsformen des HCV auch kein Überschreiten der Grenzen der freien Beweiswürdigung durch das LSG festzustellen ist. Das HCV wird parenteral durch direkten Blut- oder Schleimhautkontakt übertragen (vgl Böhm/Jilg, Die Stabilität und Dauer der Infektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren außerhalb des menschlichen Organismus als wichtige Kriterien für die Beurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos, in Selmair/Manns aaO, S 120). Im Gesundheitswesen ist die Nadelstichverletzung insbesondere mit einer Hohlnadel daher ein geeigneter Übertragungsweg, der ein besonders hohes Übertragungsrisiko beinhaltet, weil hier regelmäßig der Transfer relativ großer Mengen frischen Blutes möglich ist (vgl Trautwein/Manns, Vorgehen nach Nadelstichverletzung bei Hepatitis B- und C-Infektion in der Klinik, in Selmair/Manns aaO, S 145; Remé, Arbeitsmedizinische Grundlagen für die Konkretisierung von Beweiserleichterungen im Berufskrankheitenfeststellungsverfahren - Fallgruppen und Einzelfallermittlungen, in Selmair/Manns aaO, S 190; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, S 718; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 3101 RdNr 13.2). Die Injektionskanülen von Insulinspritzen sind aber dünner als andere Hohlnadeln. Das Beweisergebnis des LSG, dass gerade unter Berücksichtigung der geringeren Kanülendicke keine besondere Infektionsgefahr bestehe, ist daher in sich schlüssig und widerspruchsfrei.

28

Dabei hat das LSG zutreffend den von der Klägerin zu führenden Vollbeweis der "Einwirkungen" iS einer besonders erhöhten Infektionsgefahr gefordert. Die geltend gemachten Beweisschwierigkeiten rechtfertigen weder eine Beweislastumkehr noch die Annahme eines Beweisnotstandes und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen. Typische Beweisschwierigkeiten, die sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles ergeben, sind im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Eine allgemeingültige Beweiserleichterung für den Fall des Beweisnotstandes würde dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) widersprechen (BSG Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 25/03 R - Juris RdNr 17 mwN).

29

Der Einwand der Klägerin, dass nach dem Urteil des Senats vom 2.4.2009 (B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV) selbst bei zehn Nadelstichverletzungen und einem Infektionsrisiko von 0,13 vH eine erhöhte Infektionsgefahr in Betracht komme, sofern die Wahrscheinlichkeit einer Infektion in der Allgemeinbevölkerung noch geringer sei, das LSG aber mindestens 87 Inokulationsereignisse festgestellt habe, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass dort nicht der Senat, sondern der beteiligte Unfallversicherungsträger ein Infektionsrisiko von 0,13 vH errechnet hatte, wird dabei übersehen, dass sich die erhöhte Infektionsgefahr auf die konkreten Arbeitsverrichtungen zurückführen lassen muss. Als Spritzen hat die Klägerin aber keine dickeren Hohlnadeln, sondern dünne Insulinnadeln verwendet.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.