Soweit das SG den Beklagten unter Abänderung seines Bescheids vom 30.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2011 verurteilt hat, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen, ist das Urteil des SG aufzuheben. Der angefochtene Bescheid war insofern rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG; die gesundheitlichen Voraussetzungen hierfür sind bis heute nicht nachgewiesen.
1. Rechtliche Vorgaben für das Merkzeichen aG
Anspruchsgrundlage ist § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) i.V.m. den unten näher dargestellten straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften und den ergänzenden Regelungen in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG).
Nach § 69 Abs. 4 SGB IX stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ermächtigt, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen über "die Schaffung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung...". Davon hat das Bundesministerium mit § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) Gebrauch gemacht, ohne die Voraussetzungen der außerordentlichen Gehbehinderung näher zu präzisieren. Wegen der bundesweiten Auswirkungen hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung von seiner in § 46 Abs. 2 Satz 3 StVO gegebenen Ermächtigung zum Erlass von bundesweit gültigen Verwaltungsvorschriften mit den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO), zuletzt in der ab dem 18.11.2014 gültigen Fassung vom 17.11.2014, Gebrauch gemacht und dabei in Ziff. 129 f. zu § 46 StVO Folgendes vorgegeben:
"Als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung sind solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können.
Hierzu zählen:
Querschnittsgelähmte, doppeloberschenkelamputierte, doppelunterschenkelamputierte, hüftexartikulierte und einseitig oberschenkelamputierte Menschen, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehend angeführten Personenkreis gleichzustellen sind."
Diese, in den VwV-StVO seit längerem unveränderten Vorgaben haben so auch Eingang in die bis 31.12.2008 geltenden Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit und in die anschließend zum 01.01.2009 in Kraft getretenen VG, die als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008 Rechtsnormcharakter haben (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 23.04.2009, Az.: B 9 SB 3/08 R), - dort Teil D Nr. 3. b) - gefunden. In Teil D Nr. 3. c) der VG ist - wie zuvor weitgehend inhaltsgleich schon in Teil B Nr. 31 der AHP 2008 - folgende klarstellende Ergänzung erfolgt:
"Die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung darf nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden. Bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen ist zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist. Dies gilt auch, wenn Gehbehinderte einen Rollstuhl benutzen: Es genügt nicht, dass ein solcher verordnet wurde; die Betroffenen müssen vielmehr ständig auf den Rollstuhl angewiesen sein, weil sie sich sonst nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung fortbewegen können. Als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigen, sind beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen."
2. Rechtsprechung insbesondere des BSG zum Merkzeichen aG
Dazu, wann von einem auf das Schwerste eingeschränkten Gehvermögen auszugehen ist, hat sich das BSG im Urteil vom 29.03.2007, Az.: B 9a SB 5/05 R, wie folgt geäußert:
"Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 10. Dezember 2002 (Az B 9 SB 7/01 R; BSGE 90, 180 ff = SozR 3-3250 § 69 Nr 1) ausgeführt hat, lässt sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren. Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich daher auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt II Nr 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs 1 Nr 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen."
Das BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass für eine weite Auslegung im Rahmen der Prüfung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG kein Raum ist. So hat es beispielsweise im Urteil vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RVs 19/86, Folgendes festgehalten:
"Der Nachteilsausgleich soll allein die neben der Personenkraftwagenbenutzung unausweichlich anfallende tatsächliche Wegstrecke soweit wie möglich verkürzen. Dies bedeutet zugleich, daß der Personenkreis eng zu fassen ist. Denn mit der Ausweitung des Personenkreises steigt nicht nur die Anzahl der Benutzer, dem an sich mit einer Vermehrung entsprechender Parkplätze begegnet werden könnte. Mit jeder Vermehrung der Parkflächen wird aber dem gesamten Personenkreis eine durchschnittlich längere Wegstrecke zugemutet, weil ortsnaher Parkraum nicht beliebig geschaffen werden kann. Auch hier ist bei einer an sich vielleicht wünschenswerten Ausweitung des begünstigten Personenkreises zu bedenken, daß dadurch der in erster Linie zu begünstigende Personenkreis wieder benachteiligt würde."
Der Maßstab zur Gleichstellung muss sich daher strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz - Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung - orientieren (vgl. BSG, Urteile vom 03.02.1988, Az.: 9/9a RVs 19/86, vom 13.12.1994, Az.: 9 RVs 3/94, vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB 7/01 R, und vom 29.03.2007, Az.: B 9a SB 1/06 R). Das BSG vertritt damit unzweifelhaft die Auffassung, dass eine erweiternde Auslegung der hier maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nach dem Zweck des Schwerbehindertenrechts nicht zulässig ist (vgl. BSG vom 03.02.1988, 9/9a RVs 19/86; Urteil des Senats vom 27.05.2010, Az.: L 15 SB 155/07).
Der Senat hat bereits im Urteil vom 28.02.2013, Az.: L 15 SB 113/11, erläutert, dass es ihm nicht völlig abwegig erscheinen würde, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG mit nicht ganz so großer Strenge zu sehen, wie dies das BSG macht. Dabei hat er u.a. darauf hingewiesen, dass auch bei den Regelbeispielen durchaus Fälle denkbar sind, in denen der Behinderte trotz seines Leidens nicht so stark beeinträchtigt ist, dass er sich praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs an (vgl. BSG, Urteile vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB 7/01 R, und vom 29.03.2007, Az.: B 9a SB 5/05 R) dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung bewegen kann, ihm aber gleichwohl als Regelbeispiel das Merkzeichen zusteht. Derartigen Überlegungen ist jedoch das BSG bereits mit Urteil vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB 7/01 R, entgegen getreten, in dem es ausgeführt hat:
"Da der Kläger nicht zu einer der in der VV beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört, kann er nach den Kriterien dieser Norm nur dann als außergewöhnlich gehbehindert angesehen werden, wenn er diesem Personenkreis gleichzustellen ist. Für eine solche Gleichstellung hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung den folgenden Maßstab entwickelt: Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr 11 Abschnitt II 1 Satz 2 1. Halbsatz aufgeführten Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-?3870 § 4 Nr 23). Im Einzelfall scheint es sich allerdings nur schwer entscheiden zu lassen, wann diese Forderung erfüllt ist. Denn bei den beispielhaft aufgeführten schwerbehinderten Menschen mit Querschnittslähmung oder Gliedmaßenamputationen handelt es sich in Bezug auf ihr Gehvermögen offenbar nicht um einen homogenen Personenkreis. Es erscheint sogar möglich, dass einzelne Vertreter dieser Gruppen auf Grund eines günstigen Zusammentreffens von gutem gesundheitlichen Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen, was namentlich bei körperlich trainierten Doppelunterschenkelamputierten mit Hilfe moderner Orthopädietechnik der Fall sein mag (sodass diese nicht einmal als erheblich beeinträchtigt in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr anzusehen wären.
Solche Besonderheiten sind nicht geeignet, den Maßstab zu bestimmen, nach dem sich die Gleichstellung anderer schwerbehinderter Menschen mit dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis richtet. Denn entweder handelt es sich bei Personen, die zwar nach der Art der Behinderung zu einer der aufgeführten Gruppen zählen, jedoch tatsächlich die Voraussetzungen des Obersatzes (Bewegung außerhalb des Kraftfahrzeuges nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung) nicht erfüllen, um Ausnahmefälle. Dann ist ihre Einbeziehung in den Kreis der Begünstigten unter dem Gesichtspunkt der Typisierung zur Verwaltungsvereinfachung hinzunehmen. Oder es hat sich die Gehfähigkeit einer größeren Zahl von Angehörigen einer bestimmten Gruppe, also auch von typischen Vertretern derselben, - etwa durch Fortentwicklung der Orthopädietechnik - so verbessert, dass sie nach dem allgemeinen Maßstab bzw im Vergleich mit anderen genannten Personengruppen nicht als außergewöhnlich gehbehindert angesehen werden können. Dann ist ihre (weitere) beispielhafte Nennung in der VV zu Unrecht erfolgt. In diesem Fall könnte die betreffende Gruppe nicht mehr im Rahmen der Gleichstellung anderer behinderter Menschen zu Vergleichszwecken herangezogen werden. Der Maßstab zur Gleichstellung nicht genannter Gehbehinderter muss sich mithin strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren. Diese Personen können sich insbesondere nicht auf die Gehfähigkeit prothetisch gut versorgter Doppelunterschenkelamputierter berufen. In diesem Sinne ist auch die Bemerkung des Senats zu verstehen, dass es bei den aufgeführten Behindertengruppen grundsätzlich nicht auf die prothetische Versorgung ankommt (BSG SozR 3-?3870 § 4 Nr 22 und Urteil vom 27. Februar 2002 - B 9 SB 9/01 R - Juris)."
Für das Merkzeichen aG ist es daher erforderlich, dass sich der Schwerbehinderte wegen der Schwere seines Leidens praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeugs an dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung bewegen kann, wobei dabei ein strenger Maßstab anzulegen ist. Dabei muss es sich um einen Dauerzustand handeln (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 29.01.1992, Az.: 9a RVs 4/90; Urteil des Senats vom 28.02.2013, Az.: L 15 SB 113/11).
3. Beweismaßstab
Nach allgemein gültigen Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren sind die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich, d.h. wenn es keine Spezialregelung mit einer Herabsetzung der Beweisanforderungen gibt, im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen möchte.
4. Beurteilung im vorliegenden Fall
Bei Beachtung der oben aufgezeigten rechtlichen Vorgaben und der vom BSG aufgestellten Maßstäbe sowie bei Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass in der Person der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG bis heute nicht im dafür erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen sind.
4.1. Zur Gutachtenslage
Der Senat stützt sich auf die überzeugend, eingehend und nachvollziehbar begründeten Gutachten der erfahrenen Sachverständigen im sozialgerichtlichen Verfahren auf orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet, Dr. T. und Dr. B., sowie auf das Gutachten des ebenfalls sehr erfahrenen Sachverständigen Dr. C. auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet im Berufungsverfahren. Diese drei Sachverständigen haben die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und ihre Auswirkungen auf die Gehfähigkeit der Klägerin zutreffend gewürdigt. Sie haben alle Gesichtspunkte sehr ausführlich bedacht und abgewogen. Alle drei Sachverständigen sind übereinstimmend zu der Einschätzung gekommen, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht vorliegen. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen:
4.1.1. Gutachten Dr. T.
Dr. T. hat einen Beckentiefstand rechts von 3 cm aufgrund der Beinverkürzung rechts beschrieben. Die Klägerin beklagte bei ihm einen Druck- und Klopfschmerz im mittleren Drittel der Brustwirbelsäule sowie dem unteren Drittel der Lendenwirbelsäule. Die Iliosakralgelenke stellten sich unauffällig dar. Die Rückenstreckmuskulatur war ausreichend kräftig ausgebildet und lumbal rechtsseitig verhärtet. Beide Hüftgelenke waren altersentsprechend frei und schmerzfrei beweglich. Das linke Kniegelenk war frei beweglich, rechtsseitig bestand ein Bewegungsausmaß von 0°-0°-95°. Es wurde von der Klägerin ein Druckschmerz über dem medialen und lateralen Gelenkspalt angegeben. Der Bandapparat war beidseits stabil. Rechtsseitig war die Kniescheibe vollständig fixiert und es konnte ein Kniescheibenverschiebeschmerz provoziert werden, linksseitig war die Kniescheibe frei beweglich. Die oberen und unteren Sprunggelenke waren frei und schmerzfrei beweglich, der Bandapparat war seitengleich stabil. Die Zehengelenke waren frei beweglich. Es bestand eine mäßige Fehlform im Sinn eines Senk-Spreiz-Fußes mit Hallux valgus beidseits. Am rechten Bein gab die Klägerin bis zur Knöchelregion ohne Bezug zu einer bestimmten Nervenwurzel eine verminderte Sensibilität an; motorische Defizite konnte Dr. T. nicht feststellen. Der Einbeinstand war der Klägerin beidseits nur sehr unsicher und mit Festhalten am Untersucher möglich, der Fersen- und Zehenspitzenstand rechtsseitig nicht möglich. Das einbeinige Hüpfen gelang nur linksseitig mühsam. Bei am Untersuchungstag durchgeführten Sonographien der Kniegelenke war kein intraartikulärer Erguss feststellbar. Die bei der Begutachtung gemessenen Muskelumfänge im Oberschenkel waren seitengleich, im Unterschenkel rechts um 2 cm reduziert.
Die bislang getroffenen Feststellungen zu Gesundheitsstörungen und GdB hat der Sachverständige als zutreffend beschrieben. Soweit die Klägerin bei der Untersuchung Funktionsbehinderungen und Gesundheitsstörungen am linken Hüftgelenk angegebenen hatte, konnte bei der Untersuchung weder ein klinisches noch ein bildgebendes Korrelat gefunden werden. Aufgrund der Beinverkürzung rechts und der fortgeschrittenen Arthrose des rechten Kniegelenks ist zwar die Gehfähigkeit der Klägerin erheblich eingeschränkt, so dass sie nicht in der Lage ist, ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden können. Dies rechtfertigt aber nur die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G, nicht aG. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit in einem Ausmaß, dass sich die Klägerin dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb Ihres Kraftfahrzeugs bewegen könnte, ist nicht gegeben. Eine Vergleichbarkeit mit Gesundheitsstörungen von Doppeloberschenkelamputierten oder den anderen Regelbeispielen für das Merkzeichen aG liegt bei der Klägerin aus orthopädischer Sicht nicht vor, auch nicht unter Berücksichtigung der negativen Wechselwirkung der Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule und den unteren Extremitäten.
Damit korreliert auch die Angabe der Klägerin bei der Begutachtung, dass (erst) nach einer Gehzeit von 10 Minuten die Schmerzen an der Lendenwirbelsäule, der linken Hüfte und dem rechten Kniegelenk erheblich zunehmen würden und sie sich dann - aber eben auch erst dann - hinsetzen müsse.
4.1.2. Gutachten Dr. B.
Bei Dr. B., dessen Gutachten im Wesentlichen wegen der von der Klägerin behaupteten Schwindelsymptomatik angefordert worden war, gab die Klägerin an, dass sie neben Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen unter einem rezidivierenden Drehschwindel leide, dessen Dauer zwischen 15 Minuten und drei Tagen schwanke. Abgesehen von einer leichten Verschmächtigung der Unterschenkelmuskulatur rechts konnte der Sachverständige - wie auch schon der Vorgutachter Dr. T. - keine Anhaltspunkte für eine höhergradige Störung der Muskeltrophik feststellen. Bei der Prüfung der Koordination ergaben sich, abgesehen von einem leicht ausgeprägten ungerichteten Schwanken beim Rombergversuch mit einem Korrekturschritt nach hinten, keine Auffälligkeiten. In diagnostischer Hinsicht konnte Dr. B. im Rahmen der durchgeführten Untersuchung keine das neurologische oder das psychiatrische Fachgebiet betreffende Gesundheitsstörung feststellen. Die von der Klägerin angegebene Schwindelsymptomatik war im Rahmen der Untersuchung nicht feststellbar. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin gemachten Angaben handelt es sich bei dem Drehschwindel nicht um eine Attackensymptomatik, sondern um ein Dauerphänomen, welches nach den Angaben der Klägerin mitunter nur 15 Minuten anhält, manchmal allerdings auch bis zu drei Tage. Die von der Klägerin beschriebene Symptomatik war nicht typisch für einen Lagerungsschwindel. Anhaltspunkte für eine hirnorganische Schädigung konnte der Sachverständige nicht finden.
Bei Berücksichtigung einer Ende Dezember 2011 durchgeführten MRT, die einen weitgehend unauffälligen Befund ergeben hat, kann eine hirnorganische Genese des Schwindels als weitgehend ausgeschlossen gelten. Aus nervenärztlicher Sicht ergibt sich daher bezüglich der Gangstörung keine wesentliche Ergänzung. Die von der Klägerin beschriebene Schwindelsymptomatik kann nicht als zusätzliche Behinderung betrachtet werden, da dem Schwindel keine neurologische Erkrankung zu Grunde liegt und im Rahmen der von Dr. B. durchgeführten Untersuchung ein aktueller Schwindel auch nicht vorgelegen hat und von der Klägerin auch nicht beklagt worden ist.
Vom Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG kann daher auch bei Berücksichtigung des nervenärztlichen Gutachtens nicht ausgegangen werden.
Für die Richtigkeit dieser Einschätzung spricht auch der eigene Vortrag der Klägerin gegenüber dem Gutachter, dem sie auf Nachfrage mitgeteilt hat, 100 m weit zu gehen zu können und erst dann eine Weile stehen bleiben zu müssen, ehe sie ihren Weg fortsetzen könne. Bestätigt wird dies zudem dadurch, dass die Klägerin bei der Untersuchung gezeigt hat, dass ihr das Gehen auch ohne Benutzung der Gehstützen möglich ist.
4.1.3. Gutachten Dr. C.
Dr. C. konnte bei der Untersuchung der Klägerin keine diffusen oder umschriebenen Muskelverschmächtigungen und auch keine motorischen Ausfälle feststellen. Lediglich die Fußhebung rechts war etwas weniger kraftvoll als links. Pathologische Reflexe konnte Dr. C. nicht feststellen. Eine radikuläre Symptomatik ließ sich nicht nachweisen. Die von Dr. C. durchgeführten technischen Zusatzuntersuchungen ergaben keinen Anhalt für Hirnfunktionsstörungen. Eine neurologische Symptomatik, die in der Lage wäre, das Merkzeichen aG zu begründen, ließ sich nicht feststellen. Insbesondere lagen keine funktionell bedeutsamen motorischen Ausfälle im Bereich der unteren Extremitäten vor; auch Reflexauffälligkeiten oder trophische Muskelstörungen ließen sich nicht finden. Für die von der Klägerin angegebenen Schwindelanfälle gab es keinen korrespondierenden klinischen Befund. Es gab weder Anhaltspunkte für eine spinale Ataxie noch Hinweise für eine cerebelläre Ataxie noch Hinweise für eine sonstige Hirnstamm-Symptomatik, welche in der Lage wären, die von der Klägerin behaupteten Schwindelbeschwerden zu erklären. Dies entspricht dem im sozialgerichtlichen Verfahren erstellten nervenärztlichen Befund.
Nicht folgen kann der Senat den Gutachten des Dr. R. aus dem sozialgerichtlichen Verfahren und des Prof. Dr. B. aus dem früheren Berufungsverfahren der Klägerin.
4.1.4. Dr. R.
Das Gutachten des Dr. R. stützt sich fast ausschließlich auf die ihm gegenüber gemachten subjektiven Angaben der Klägerin, ohne dass auch nur ansatzweise von diesem Sachverständigen der Versuch unternommen worden wäre, diese Angaben zu objektivieren. Darauf, dass von ihm durchgeführte, nur aus Selbstbeurteilungsbögen bestehende Testverfahren für eine Objektivierung allein ungeeignet sind, hat Dr. C. hingewiesen. Die Einstufung nach einem auf einer Selbstbeurteilung beruhenden Schmerzstufenmodell kann die eigenständig zu verantwortende Leistungsbeurteilung durch den Sachverständigen nicht ersetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 09.04.2003, Az.: B 5 RJ 80/02 B); an einer solchen eigenständigen Leistungsbeurteilung fehlt es aber beim Gutachten des Dr. R.. Dass der Grad des Schmerzchronifizierung nach Gerbershagen kein allein entscheidender Gesichtspunkt bei der Beurteilung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG sein kann, liegt auf der Hand. Der Chronifizierungsgrad wird bereits ausschließlich aufgrund der eigenen Angabe dauerhafter, multilokulärer Schmerzen ohne Intensitätswechsel, verbunden mit mehreren fachspezifischen Rehabilitationsmaßnahmen und einem mehrmaligen Wechsel des betreuenden Arztes erreicht. Allein aus der Chronifizierung eines Leidens kann daher noch nicht auf die Quantität oder eine bestimmte Qualität der Leistungseinbußen geschlossen werden (vgl. Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 030/102 Entwicklungsstufe: 2k, S. 11). Zudem ist auch das mitentscheidende Argument des Dr. R. für die Bejahung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG, eine erhebliche muskuläre Insuffizienz des rechten Beins, nicht nachgewiesen, sondern vielmehr sogar durch die anderen Gutachten und die dort erhobenen Befunde samt den dort gemessenen Muskelumfängen zweifelsfrei widerlegt. So hat Dr. T. seitengleiche Muskelumfänge im Oberschenkel und im Unterschenkel eine vergleichsweise geringe Umfangsdifferenz von nur 2 cm gemessen. Die nervenärztlichen Gutachter haben trophische Störungen der Muskulatur oder neurologische Ausfälle nicht feststellen können. Angesichts dieser objektiv erhobenen Fakten von einer schwersten muskulären Insuffizienz der rechten unteren Extremität zu sprechen, disqualifiziert die Äußerungen des Sachverständigen Dr. R. und belegt, dass er bei seinen Mutmaßungen lediglich auf den subjektiven Angaben der Klägerin aufbaut, ohne diese mit Blick auf die gebotene Objektivierung zu hinterfragen.
Gleiches gilt für die von ihm zugrunde gelegte zervikozephale Schwindelsymptomatik, die von keinem Sachverständigen, auch nicht von Dr. R., objektiviert worden ist. Vielmehr haben die nervenärztlichen Sachverständigen übereinstimmend darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin behauptete Schwindelsymptomatik nicht medizinisch erklärbar ist.
Dass Dr. R. seinen Annahmen nicht nachgewiesene Fakten, sondern nur den subjektiven Vortrag der Klägerin und Mutmaßungen zugrunde legt, wird auch dadurch deutlich, dass er für seine Annahme der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ausdrücklich "durchaus mögliche" Fehlinnervationen im Bereich der Zehen zugrunde legt. Als Sachverständigem hätte ihm aber bewusst sein müssen, dass er seinen Ausführungen nur nachgewiesene Fakten, nicht aber Spekulationen zugrunde legen darf, zumal seine Spekulation im Rahmen der nervenärztlichen Begutachtungen ausgeschlossen worden ist.
Zudem sind die Annahmen im Gutachten des Dr. R. auch in sich widersprüchlich. So geht er einerseits von einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin nach einem Sturz im Dezember 2011 aus, nimmt aber andererseits die aus dieser Verschlimmerung resultierende Verschlechterung mit der Konsequenz des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichens aG bereits für Anfang 2011 an.
Das Gutachten des Dr. R. ist daher aufgrund der zahlreichen erheblichen Fehler unverwertbar.
4.1.5. Prof. Dr. B.
Warum das Gutachten des Prof. Dr. B. vom 16.03.2005 nicht überzeugend ist, hat der Senat bereits im Urteil vom 25.08.2005, Az.: L 15 SB 35/00, wie folgt begründet:
"Insgesamt beschreibt Prof. Dr. B. eine "schwere, multilokuläre chronische Schmerzkrankheit", die z.T. Wetter abhängig ist, in verschiedenen Körperhaltungen und Reaktionen ausgelöst wird und die zu einer Schmerzverstärkung bei einer Gehstrecke von 30 bis 50 m führt. Nachdem bislang jedoch von keinem anderen früher gehörten Sachverständigen relevante objektivierbare Schonhaltungen wegen des Schmerzes beschrieben wurde - im Gutachten des Dr. H. z.B. wurde die Bemuskelung beider Beine im Wesentlichen als symmetrisch beschrieben - hält es der Senat nicht für erwiesen, dass die Klägerin praktisch von den ersten Schritten außerhalb ihres Kraftfahrzeuges an in ungewöhnlich hohem Maß in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt ist, d.h. dass jeder Schritt mit erheblichen Schmerzen im Bereich der Extremitäten verbunden ist. Ebenso fraglich bleibt, ob sie sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen konnte und kann wie die in der VV genannten Personen. Dies hat das BSG zwar dann für möglich erachtet, wenn der Betroffene die von ihm nach 30 m einzulegenden Pausen deshalb macht, weil er bereits nach dieser kurzen Wegstrecke erschöpft ist und neue Kräfte sammeln muss, bevor er weiter gehen kann (BSG vom 10.12.2002), die Klägerin hat jedoch im Erörterungstermin vom 11.03.2000 u.a. angegeben, erst nach ca. 50 m wegen des angewachsenen Schmerzes Rast machen zu müssen. Darüber hinaus kann nicht verkannt werden, dass bestimmte Schmerzen nur nachts oder beim Liegen durch Verklemmungen der Brustwirbelsäule, verbunden mit Atemnot und nicht beim Gehen geschildert wurden, so dass sie bei der Prüfung der Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" außer Betracht zu bleiben haben. Auffallend ist auch, dass die Klägerin anlässlich der Untersuchung bei Dr. F. noch eine Gehstrecke von ca. 500 m angab, wobei sie manchmal habe stehen bleiben müssen, weil sich das Knie verklemmt habe. In dem von ihr selbst vorgelegten Attest des Dr. H. vom 04.12.2000 wurde eine schmerzfreie Gehstrecke von weniger als fünf Minuten beschrieben. Insgesamt ergeben sich daraus genügend Hinweise dafür, dass die belastungsabhängigen Beschwerden nicht unmittelbar nach dem Verlassen des Autos auftreten.
Zusammenfassend kann wegen der eingeschränkten Beweglichkeit der Halswirbelsäule, der schmerzbedingten Atemstörung aufgrund degenerativer Veränderungen der Brustwirbelsäule sowie der von Prof. Dr. B. berichteten heftigsten Druckschmerzangabe mit schmerzbedingter Abwehrreaktion im Bereich der LWS zwar eine Höherbewertung des Wirbelsäulenleidens mit einem Einzel-?GdB von 30 erfolgen, womit die sonst bereits miteinbezogenen üblichen Schmerzen und die darüber hinausgehenden nach Nr.18.8 der AP ausreichend bewertet sind. Der Nachweis der medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" kann jedoch durch das Gutachten des Prof. Dr. B. nicht mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, die hier erforderlich ist, erbracht werden.
Nicht nachvollziehbar, weil in keiner Weise unter Bezugnahme auf die maßgeblichen AP diskutiert, ist die Festsetzung eines GdB von 50 für die "Schmerzkrankheit" durch Prof. Dr. B., der insgesamt einen GdB von 80 sowie die Merkzeichen "G", "aG" vorschlägt. Weder setzt sich der Sachverständige mit einschlägiger sozialmedizinischer Literatur zur Leistungsbeurteilung chronischer Schmerzsyndrome (vgl. z.B. R.M.Schulte, MED SACH 95 (1999) Nr.2 S.52) oder mit der Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim BMA vom 25. bis 26.11.1998 auseinander, noch liefert er objektiv nachvollziehbare Begründungen für einen Einzel-?GdB von 50 für die von ihm beschriebene Schmerzkrankheit/Schmerzsymptomatik. Besonders auffallend ist dies, wenn er darlegt, dass diese neuropathischen Schmerzen äußerst Wetter abhängig (sc. nicht ständig vorhanden) und durch die Intensität für die Psyche des Betroffenen äußerst quälend seien und an anderer Stelle nur von geringfügigen psychischen bzw. seelischen Veränderungen, einer positiven Grundhaltung der Klägerin und ihrer Aufrechterhaltung sozialer Kontakte mit Bekannten und Freunden sowie der Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit berichtet. Auf die sich aufdrängende Frage, warum die Klägerin wegen der Schmerzen bzw. der dadurch bedingten Intensität für die Psyche nicht in Behandlung ist und welches Ausmaß an körperlicher Anstrengung von der Klägerin über einen Zeitraum von über 15 Jahren aufgebracht werden musste, ohne dass es zu psychischen Schädigungen kam, gibt dieses Gutachten keine Antwort."
Zudem ist am Gutachten des Prof. Dr. B. zu beanstanden, dass dieser - wie auch Dr. R. - seine Annahme der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG entscheidend auf die ihm gegenüber gemachten subjektiven Angaben der Klägerin gestützt hat, ohne dass er den Versuch einer Objektivierung unternommen hätte.
Wenn die Klägerin demgegenüber der Ansicht ist, dieser Gutachter habe "ausführliche Untersuchungen" zum Schmerzsyndrom gemacht und es sei daher seiner Einschätzung zu folgen, irrt sie. Dem Gutachten des Prof. Dr. B. ist nicht zu entnehmen, dass der Sachverständige irgendwelche weitergehenden objektivierenden Untersuchungen zur Schmerzsymptomatik durchgeführt hätte. Das Gutachten enthält lediglich im Rahmen der "Kurzanamnese" Werte zur Schmerzhöhe nach VAS (sog. visuelle Analogskala). Diese visuelle Analogskala ist eine Skala zur Messung vor allem subjektiver Einstellungen. Sie wird häufig in der Schmerzforschung und Schmerztherapie eingesetzt. Der Befragte markiert dabei seine subjektive Empfindung durch einen vertikalen Strich auf einer Linie, die die Ausprägung des Schmerzes nach seinem Empfinden wiedergeben soll. Damit steht fest, dass der Sachverständige Prof. Dr. B. die Klägerin - laienhaft ausgedrückt - lediglich gefragt hat, wie stark sie den Schmerz empfinde auf einer Skala, die von keinem Schmerz bis maximal erlebter/vorstellbarer Schmerz reicht, und diese Angabe dann seinem Gutachten zugrunde gelegt hat, ohne den Versuch einer Objektivierung der Angaben der Klägerin zu machen. Derartige Feststellungen sind im sozialgerichtlichen Verfahren nicht verwertbar.
Auch die Annahme neuropathischer Schmerzen ist nicht nachvollziehbar. Denn bei derartigen Schmerzen handelt es sich um solche, die ihren Ursprung in einer Strukturveränderung des Nervensystems haben. Ein neuropathisches Schmerzsyndrom kann daher, wie Dr. C. erläutert hat, nur dann diagnostiziert werden, wenn es sich um eine Problematik handelt, die primär das periphere Nervensystem betrifft. Dies ist aber bei der Klägerin nicht der Fall. Das bei ihr vorliegende Schmerzsyndrom ist kein neuropathisches, also durch eine Nervenverletzung hervorgerufenes Schmerzsyndrom, sondern ein musculo-skelettal begründetes Schmerzsyndrom.
Schließlich ist festzustellen, dass der Gutachter Prof. Dr. B. die Kriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG verkannt hat. Soweit er im Gutachten vom 16.03.2005 seine falsche Annahme der gesundheitlichen Voraussetzungen damit begründet hat, dass die Klägerin zwar nicht an den Krankheitsbildern leide, wie sie als Regelbeispiele für das Merkzeichen aG aufgeführt seien, ihre Schmerzen jedoch vom Charakter her mit den Schmerzcharakteristika bei diesen Krankheitsbildern vergleichbar seien, hat er auf ein sachfremdes Kriterium abgestellt. Denn der Schmerz ist kein vom Gesetzgeber vorgesehenes Tatbestandsmerkmal und auch nicht dazu geeignet, die für das Merkzeichen aG erforderliche massive Einschränkung der Fortbewegungsfähigkeit allein zu beschreiben. Beispielhaft sei nur auf das Regelbeispiel eines Rollstuhlfahrers hingewiesen, dessen Fortbewegungsfähigkeit im Normalfall nicht einmal ansatzweise durch Schmerzen, sondern allein durch die Unmöglichkeit des Einsatzes der unteren Extremitäten eingeschränkt ist. Der vom Gutachter Prof. Dr. B. herangezogene Vergleich von Schmerzcharakteristika hilft daher bei der Beurteilung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht weiter.
4.2. "Plausibilitätskontrolle"
Dass jedes andere Ergebnis als die Ablehnung der Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG unplausibel wäre, ergibt sich zwingend bei Betrachtung des der Behinderung der Klägerin zu Grunde liegenden GdB sowohl im Gesamten als auch für die einzelnen Gesundheitsstörungen.
Bei der Klägerin ist ein GdB von 80 anerkannt, der sich zusammensetzt aus einem Einzel-GdB von 50 für die Erkrankung der Brust rechts (in Heilungsbewährung), einem Einzel-GdB von 40 für die Funktionsbehinderung der rechten unteren Extremität bei eingeschränkter Beweglichkeit des rechten Kniegelenks und ausgeprägten Knorpelschäden, die anhaltenden Reizerscheinungen bei Beinverkürzung sowie die Innenrotationsfehlstellung und einem Einzel-GdB von 30 für die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, die degenerativen Veränderungen, Muskel- und Nervenwurzelreizerscheinungen und das Schmerzsyndrom. Ohne Bedeutung für das Merkzeichen aG ist dabei die Erkrankung der Brust mit einem Einzel-GdB von 50. Von den verbleibenden Gesundheitsstörungen haben die Veränderungen im Bereich der unteren Extremitäten zweifellos ausschlaggebende Bedeutung für die Gehfähigkeit, die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule, die sich nicht nur auf die Lendenwirbelsäule erstrecken, jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil. Für die die Gehfähigkeit betreffenden Gesundheitsstörungen - also ohne die Erkrankung der Brust - wäre ein Teil-Gesamt-GdB von 50 angemessen. Dies ist auch im früheren Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 15 SB 35/00 so bestätigt worden.
Dass bei einem GdB von 50 die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG praktisch ausgeschlossen ist, liegt auf der Hand.
Zwar kann den gesetzlichen Regelungen nicht der Grundsatz entnommen werden, dass für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ein (Mindest-)GdB für die fortbewegungsrelevanten Gesundheitsstörungen in Höhe von 80 zwingend erforderlich wäre (a.A. noch Urteil des Senats vom 30.06.2009, Az.: L 15 SB 118/08). Dies hat das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 14.08.2013, Az.: L 11 SB 267/12, wie folgt überzeugend begründet:
"Soweit der Beklagte auch in seiner Berufungsbegründung einwendet, bei der Klägerin bestehe kein mobilitätsbedingter GdB von 80, kann der Senat offen lassen, ob dies hier so ist. Denn zwar mag ein derart hoher mobilitätsbedingter GdB auf das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung hindeuten, Voraussetzung für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" ist er aber nicht, weil sich diese Voraussetzung - anders als etwa für das Merkzeichen "T" nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der - landesrechtlichen und damit für die Auslegung von Bundesrecht nicht heranzuziehenden - Verordnung über die Vorhaltung eines besonderen Fahrdienstes vom 31. Juli 2001 (GVBl. Seite 322), zuletzt geändert mit Verordnung vom 22. Juni 2005 (GVBl. Seite 342) (vgl. Urteil des Senats vom 6. Februar 2013 - L 11 SB 245/10 - juris) - den genannten rechtlichen Grundlagen nicht entnehmen lässt. Soweit eingewandt wird, den in Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO genannten Regelbeispielen sei gemeinsam, dass Funktionsstörungen mit einem Mindest-GdB von 80 vorliegen müssen, die sich gravierend auf die Fortbewegungsfähigkeit auswirken, und soweit daraus der Schluss gezogen wird, außergewöhnlich Gehbehinderten könnten nur Personen gleichgestellt werden, bei denen Funktionsstörungen mit Auswirkungen auf die Fortbewegungsfähigkeit mit einem Mindest-GdB von 80 vorliegen (so Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. Juni 2009 - L 15 SB 118/08 - juris), kann dahinstehen, ob dies so ist, was allerdings in Bezug auf die in den Regelbeispielen ebenfalls genannten einseitig Oberschenkelamputierten zweifelhaft sein mag. Denn das BSG hat bereits ausdrücklich entschieden, dass es im Einzelfall unschädlich sein könne, wenn der GdB für die Behinderungen im Bereich der für das Gehen funktional benötigten Körperteile nicht den zumeist sehr hohen Grad der Behinderungen der Regelbeispiele erreicht. Denn es komme für den Nachteilsausgleich "aG" gerade nicht auf die allgemeine Vergleichbarkeit der Auswirkungen der Gesundheitsstörungen, die letztlich durch die Höhe des GdB manifestiert würden, sondern allein darauf an, dass die Auswirkungen funktional im Hinblick auf die Fortbewegung gleichzuachten seien (BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 - 9 RVs 11/95 - juris)."
Auch wenn ein zwingender mobilitätsrelevanter Mindest-GdB (bislang) nicht gesetzlich geregelt ist, fordert die Praxis im Sinn von mehr Transparenz bei der Vergabe des Nachteilsausgleichs aG gleichwohl eine Koppelung der Vergabe des Merkzeichens aG an einen Mindest-GdB von 70 bis 80 (analog einer einseitigen Oberschenkelamputation (vgl. Grüne, Zur praktischen Beurteilung des Nachteilsausgleichs "aG" - Impulsreferat aus orthopädisch-unfallchirurgischer Sicht, Sozialrecht im Umbruch - Sozialgerichte im Aufbruch, 2010, S. 65 ff.).
Solange eine derartige Koppelung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber nicht erfolgt ist, kann daher von einem mobilitätsrelevanten Mindest-GdB nicht ausgegangen werden. Wenn jedoch - wie hier - der mobilitätsrelevante GdB lediglich 50 beträgt, was keiner der im Verfahren gehörten Sachverständigen und nicht einmal die Klägerin selbst in Frage gestellt hat, wäre die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG vollkommen unplausibel.
4.3. Zu den Einwänden der Klägerin
Die von der Klägerin vorgebrachten Einwände können allesamt nicht überzeugen.
4.3.1. "Paralympics"
Sofern die Klägerin mit Blick auf die in den VG aufgestellten hohen Anforderungen für das Merkzeichen aG einwendet, dass es Menschen mit Prothesen gebe, die deutlich besser gehen könnten als sie, und dabei auch auf die Paralympics verweist, ist dieser Einwand rechtlich nicht beachtlich. Der Senat verweist insofern auf die oben unter Ziff. 2. getätigten Ausführungen und insbesondere auf sein Urteil vom 28.02.2013, Az.: L 15 SB 113/11, in dem er Folgendes ausgeführt hat:
"Zum einen hält der Senat das für die sehr strenge Auslegung des BSG tragende Argument, dass eine Erweiterung des Personenkreises eine Vermehrung der Parkflächen erfordern würde, was für den berechtigten Personenkreis eine durchschnittlich längere Wegstrecke zur Konsequenz hätte, weil ortsnaher Parkraum nicht beliebig geschaffen werden könne, nicht für zwingend. Denn dass verkehrstechnische, straßenverkehrsrechtliche oder baurechtliche Gründe einer Ausweisung von weiteren Behindertenparkplätzen an den erforderlichen Stellen regelmäßig entgegen stehen würden, ist so nicht erkennbar. Allein aufgrund des demographischen Wandels und der Alterstruktur behinderter Menschen in der Zukunft ist im Übrigen zwingend damit zu rechnen, dass die Zahl der Inhaber des Merkzeichens aG steigen wird und mehr Behindertenparkplätze eingerichtet werden müssen. Zum anderen lässt sich aus den in Ziff. 130 VwV-StVO aufgezählten Regelbeispielen nicht der zwingende Schluss ableiten, dass bei der Bestimmung der gleichgestellten Behinderten im Sinne der Ziff. 130 VwV-StVO ein so strenger Maßstab anzulegen ist, wie ihn das BSG zugrunde legt. Denn auch bei den Regelbeispielen sind durchaus Fälle denkbar, in denen der Behinderte trotz seines Leidens nicht so stark beeinträchtigt wäre, dass er sich praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an (vgl. BSG, Urteile vom 29.03.2007, Az.: B 9a SB 5/05 R, und vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB 7/01 R) dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung bewegen kann. Der Senat hat hier den - zugegebenermaßen - extremen Fall des beidseitig unterschenkelamputierten südafrikanischen Sprinters Oscar Pistorius vor Augen, der trotz seiner Behinderung, die ihm das Merkzeichen aG eröffnen würde, sowohl bei den Weltmeisterschaften 2011 als auch bei den olympischen Sommerspielen 2012 gestartet ist.
Derartigen Überlegungen ist jedoch das BSG bereits mit Urteil vom 10.12.2002, Az.: B 9 SB 7/01 R, entgegen getreten, indem es dort erläutert hat:
"Da der Kläger nicht zu einer der in der VV beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen gehört, kann er nach den Kriterien dieser Norm nur dann als außergewöhnlich gehbehindert angesehen werden, wenn er diesem Personenkreis gleichzustellen ist. Für eine solche Gleichstellung hat der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung den folgenden Maßstab entwickelt: Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr 11 Abschnitt II 1 Satz 2 1. Halbsatz aufgeführten Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-?3870 § 4 Nr 23). Im Einzelfall scheint es sich allerdings nur schwer entscheiden zu lassen, wann diese Forderung erfüllt ist. Denn bei den beispielhaft aufgeführten schwerbehinderten Menschen mit Querschnittslähmung oder Gliedmaßenamputationen handelt es sich in Bezug auf ihr Gehvermögen offenbar nicht um einen homogenen Personenkreis. Es erscheint sogar möglich, dass einzelne Vertreter dieser Gruppen auf Grund eines günstigen Zusammentreffens von gutem gesundheitlichen Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen, was namentlich bei körperlich trainierten Doppelunterschenkelamputierten mit Hilfe moderner Orthopädietechnik der Fall sein mag (sodass diese nicht einmal als erheblich beeinträchtigt in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr anzusehen wären.
Solche Besonderheiten sind nicht geeignet, den Maßstab zu bestimmen, nach dem sich die Gleichstellung anderer schwerbehinderter Menschen mit dem beispielhaft aufgeführten Personenkreis richtet. Denn entweder handelt es sich bei Personen, die zwar nach der Art der Behinderung zu einer der aufgeführten Gruppen zählen, jedoch tatsächlich die Voraussetzungen des Obersatzes (Bewegung außerhalb des Kraftfahrzeuges nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung) nicht erfüllen, um Ausnahmefälle. Dann ist ihre Einbeziehung in den Kreis der Begünstigten unter dem Gesichtspunkt der Typisierung zur Verwaltungsvereinfachung hinzunehmen. Oder es hat sich die Gehfähigkeit einer größeren Zahl von Angehörigen einer bestimmten Gruppe, also auch von typischen Vertretern derselben, - etwa durch Fortentwicklung der Orthopädietechnik - so verbessert, dass sie nach dem allgemeinen Maßstab bzw im Vergleich mit anderen genannten Personengruppen nicht als außergewöhnlich gehbehindert angesehen werden können. Dann ist ihre (weitere) beispielhafte Nennung in der VV zu Unrecht erfolgt. In diesem Fall könnte die betreffende Gruppe nicht mehr im Rahmen der Gleichstellung anderer behinderter Menschen zu Vergleichszwecken herangezogen werden. Der Maßstab zur Gleichstellung nicht genannter Gehbehinderter muss sich mithin strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz orientieren. Diese Personen können sich insbesondere nicht auf die Gehfähigkeit prothetisch gut versorgter Doppelunterschenkelamputierter berufen. In diesem Sinne ist auch die Bemerkung des Senats zu verstehen, dass es bei den aufgeführten Behindertengruppen grundsätzlich nicht auf die prothetische Versorgung ankommt (BSG SozR 3-?3870 § 4 Nr 22 und Urteil vom 27. Februar 2002 - B 9 SB 9/01 R - Juris)."
Für das Merkzeichen aG ist es daher erforderlich, dass sich der Schwerbehinderte wegen der Schwere seines Leidens praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung bewegen kann, wobei dabei ein strenger Maßstab anzulegen ist."
4.3.2. Nicht ausreichende Berücksichtigung der Angaben der Klägerin
Die Klägerin unterstellt dem Gericht genauso wie den Sachverständigen, die zu keinem für sie positiven Ergebnis gekommen sind (Dr. T., Dr. B., Dr. C.), dass diese ihren Angaben, aus denen sich nach Ansicht der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ergeben, nicht ausreichend Glauben geschenkt und Rechnung getragen hätten.
Dabei verkennt die Klägerin, dass für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG eine Objektivierung von Beschwerdeangaben erforderlich ist, damit sich das Gericht die Überzeugung vom Vorliegen der Voraussetzungen im Sinn des Vollbeweises verschaffen kann. Das Gericht ist daher - genauso wie die Sachverständigen - dazu verpflichtet, die subjektiven Angaben eines Beteiligten dahingehend zu überprüfen, ob sie auch objektiv nachvollziehbar sind. Diese Vorgabe müsste der Klägerin als einer vereidigten Sachverständigen bewusst sein.
Dass die von der Klägerin gemachten Angaben zum Ausmaß der Beschwerden nicht nur von den objektiv feststellbaren Befunden so nicht gedeckt sind und deshalb der Entscheidungsfindung nicht eins zu eins zu Grunde gelegt werden dürfen, ergibt sich auch aus den Angaben der Klägerin selbst. Denn diese sind in sich nicht widerspruchsfrei, sondern scheinen auch von der Erreichung des gewünschten Prozessziels der Zuerkennung des Merkzeichen aG geprägt zu sein. Der Senat weist insofern beispielhaft nur auf folgende zwei Gesichtspunkte hin:
* Im Verfahren L 15 SB 35/00 haben die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 18.02.2003 Folgendes vorgetragen:
"Der Klägerin ist es schlicht nicht möglich, ohne Stockhilfe auch nur kürzeste Entfernungen zurückzulegen."
Bei der nervenärztlichen Begutachtung durch Dr. B. im Jahr 2012 hingegen war es der Klägerin durchaus möglich, sich ohne Benutzung von Gehstützen fortzubewegen. Unter Berücksichtigung der klägerischen Argumentation in der Klagebegründung vom 30.01.2012
"Die Klägerin lässt diesbzgl. ausdrücklich darauf hinweisen, dass sich seit der Gutachtenserstellung vom 16.03.2005 keine Besserung ihres Gesundheitszustandes eingestellt habe, sondern eher eine weitere Verschlechterung."
kann nur geschlossen werden, dass entweder die Angaben der Klägerin im Jahr 2003 oder die im Jahr 2012 nicht den Tatsachen entsprochen haben. Denn anders wäre es nicht erklärbar, dass die Klägerin im Jahr 2012 - im Gegensatz zu 2003 - ohne Gehhilfe gehen kann, obwohl sich nach ihrem Vortrag ihr Gesundheitszustand seit dem Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 15 SB 35/00 weiter verschlechtert haben soll.
* In der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2015 hat die Klägerin dem Senat eine erhebliche Einschränkung der Drehfähigkeit des Oberkörpers und eine weitgehend aufgehobene Bewegungsfähigkeit des Halses demonstriert. Auf die - für das Merkzeichen aG nicht entscheidungserhebliche - Frage des Senats danach, wie sich eine derartige Gesundheitseinschränkung und die zudem von der Klägerin behauptete Schwindelsymptomatik mit der Tatsache vereinbaren lasse, dass die Klägerin nach eigener Angabe regelmäßig ein Kfz führt, hat die Klägerin angegeben, dass sie sehr vorsichtig fahre, beim Abbiegen oder in Kurven stehen bleibe und dann vorsichtig versuche, sich etwas in die beabsichtigte Fahrtrichtung zu drehen. Dabei hat sie wiederholt herausgestellt, dass sie sehr verantwortungsbewusst sei.
Für den Senat ist es nicht nachvollziehbar, wie sich eine für ihre Mitmenschen im Straßenverkehr verantwortungsbewusste Person, als die sich die Klägerin darstellt, mit den von der Klägerin behaupteten und demonstrierten Gesundheitseinschränkungen noch an das Steuer eines Kraftfahrzeugs setzen kann. Dass die Klägerin bei dem in der mündlichen Verhandlung gezeigten Gesundheitszustand noch die Anforderungen erfüllen würde, die für das Behalten des Führerscheins aufgestellt sind (zu Gleichgewichtsstörungen vgl. Nr. 11.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung), bezweifelt der Senat. Denn für den Senat ist es sehr naheliegend, dass eine Person mit den angegebenen Gesundheitsstörungen nicht mehr in der Lage ist, ohne Gefährdung von Dritten am Straßenverkehr teilzunehmen. Zu Gunsten der Klägerin kann der Senat daher nur vermuten, dass die von ihr in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben zum Gesundheitszustand durch den Zweck der Zielerreichung sozialrechtlicher Vorteile geprägt sind, nicht aber den Tatsachen entsprechen. Jedenfalls ergeben sich aber auch daraus nicht unerhebliche Zweifel daran, dass die Angaben der Klägerin immer wahrheitsgemäß und nicht übertrieben gemacht worden sind.
4.3.3. Detailkritik an den für die Klägerin nicht positiven Gutachten
Die Klägerin hat, z.B. zuletzt mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 10.03.2015, eine Aufstellung überliefert, aus der sich angebliche Fehler oder Widersprüche z.B. im Gutachten des Dr. C. ergeben sollen.
Diese Kritik ist nicht ansatzweise berechtigt. Die Einwände der Klägerin entbehren der Grundlage, sind in sich widersprüchlich, inkonsequent oder nicht nachvollziehbar:
So ist es widersprüchlich, dem Sachverständigen auf der einen Seite entgegenzuhalten, es gehöre nicht in das Gutachten, dass sie als kleinste Bauträgerin in A-Stadt tätig sei - dies hatte die Klägerin bei der Begutachtung angegeben -, auf der anderen Seite zu bemängeln, dass er nicht erwähnt habe, dass die Klägerin auch als öffentlich vereidigte Sachverständige tätig sei, und dies in der Folge dem Sachverständigen nochmals als vergessen anzukreiden.
Der Hinweis der Klägerin, es sei für sie "unergründlich", warum der Sachverständige Dr. C. keine Zeichen für eine Schonung oder atrophische Störungen sehe, ist nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige hat die Klägerin eingehend untersucht, dabei derartige Zeichen nicht feststellen können und dies nachvollziehbar erläutert, wie es im Übrigen auch dem orthopädischen Gutachten des Dr. T. zu entnehmen ist.
Wenn die Klägerin der Meinung ist
"Normalerweise ist ein Punkt, der sich nicht ausschließen lässt und zu Gunsten der Angaben der Klägerin spricht für den jeweiligen Betroffenen anzusetzen.",
steht diese Ansicht der Klägerin in konträrem Widerspruch zu den Vorgaben der objektiven Beweislast (vgl. oben Ziff. 3.).
Auffällig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin offenbar keine Kritikpunkte bei den Gutachten erkennen kann, die für sie günstig ausgefallen sind. Dabei könnte beispielsweise dem Sachverständigen Dr. R. - abgesehen von den bereits oben aufgezeigten zeigten Fehlern im Gutachten - eine aus Sicht eines Betroffenen oberflächliche Arbeitsweise vorgeworfen werden, da er im Gutachten teilweise über einen männlichen Kläger berichtet (vgl. S. 8 des Gutachtens "von dem Kläger").
4.3.4. Professorentitel als besonderes Qualitätsmerkmal eines Gutachtens
Sofern die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung den Eindruck erweckt hat, aus ihrer Sicht müsste dem - für sie positiven - Gutachten des Prof. Dr. B. schon deshalb mehr Glauben geschenkt werden als den anderen - für sie negativen - Gutachten, weil dieser eine besondere akademische Qualifikation habe, irrt die Klägerin. Die Qualität eines Gutachtens wird nicht durch akademische Titel seines Verfassers, sondern durch den Inhalt bestimmt. Lediglich der Vollständigkeit halber macht der Senat darauf aufmerksam, dass die Erreichung des akademischen Titels eines Professors nicht an besondere Qualifikationen oder Erfahrungen bei der Gutachtenserstellung geknüpft ist.
4.3.5. Fehlende Aktualität der eingeholten Gutachten
Dafür, dass den im Verfahren vor dem SG und anschließend im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten die Aktualität fehlen würde, spricht nichts.
Diese von der Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerte Annahme ist von ihr weder weiter erläutert noch durch irgendwelche medizinische Unterlagen belegt worden. Soweit sich den Akten entnehmen lässt, ist ohnehin von einer weitgehenden Stabilität der orthopädisch bedingten Gesundheitsstörungen auszugehen. Weitere Ermittlungen waren daher nicht angezeigt.
Eine relevante Verschlimmerung haben weder die behandelnden Ärzte der Klägerin im sozialgerichtlichen Verfahren berichtet noch lässt sich eine solche aus einem Vergleich der objektiven Befunde erkennen, wie sie einerseits im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 15 SB 35/00 und andererseits im aktuellen sozialgerichtlichen Verfahren erhoben worden sind. Sofern überhaupt von einer Tendenz der Verschlechterung gesprochen werden kann, bewegt sich diese in einem vergleichsweise klein ausgeprägten Rahmen.
4.3.6. Angewiesensein auf das Merkzeichen aG wegen der von der Klägerin ausgeübten beruflichen Tätigkeit
Sofern die Klägerin sinngemäß vorträgt, auf das Merkzeichen aG besonders angewiesen zu sein, um ihrer beruflichen Tätigkeit als Bauträgerin mit Baustellenbesuchen unter zumutbaren Bedingungen nachgehen zu können, ist dies ein rechtlich unbeachtlicher Gesichtspunkt.
Beim Merkzeichen aG kommt es - wie bei den anderen Merkzeichen auch (vgl. zum Merkzeichen RF: Urteil des BSG vom 03.06.1987, Az.: 9a RVs 27/85) - ausschließlich auf die gesundheitlichen Voraussetzungen in der Person des Behinderten an, nicht aber auf seine konkreten Berufs- oder Wohn- oder Lebensumstände (vgl. Urteil des Senats vom 20.05.2014, Az.: L 15 SB 226/13). Denn mit der Zuerkennung von Merkzeichen sollen allein behinderungsbedingte Nachteile, nicht aber sich erst in einem Zusammenwirken mit anderen besonderen Umständen ergebende Unannehmlichkeiten ausgeglichen werden. Auch wenn der Senat keine Zweifel daran hat, dass der Klägerin das Merkzeichen aG eine nicht unerhebliche Erleichterung bei ihrer nach eigenen Angaben zeitlich sehr umfangreichen beruflichen Tätigkeit als Bauträgerin und Sachverständige verschaffen würde, kann dies im vorliegenden Verfahren kein rechtlich relevanter Gesichtspunkt sein.
4.3.7. Früher erfolgte Zuerkennung des Merkzeichens aG
Die zunächst im Jahr 1990 wegen einer komplikationsbehafteten Verlängerungsosteotomie erfolgte, später aber nach knöcherner Konsolidierung wieder aufgehobene Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ist für die aktuell zu treffende Beurteilung, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen für dieses Merkzeichens vorliegen, ohne jede Bedeutung.
In der Klagebegründung vom 30.01.2012 haben die Bevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass der Klägerin das Merkzeichen aG seinerzeit zuerkannt worden sei, ohne dass sie dem Personenkreis angehört habe, bei dem vom Vorliegen der Voraussetzungen für dieses Merkzeichen ausgegangen werde. Der Senat kann diesen Vortrag nur dahingehend interpretieren, dass die Klägerin damit zum Ausdruck bringen will, dass die damals erfolgte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichens aG erfolgt sei, obwohl die Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten, und deshalb jetzt unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit damals die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG begehrt.
Diese Begründung verkennt die rechtlichen Voraussetzungen für eine verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gebietet eine Gleichbehandlung wesentlich gleicher und eine Ungleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte.; ein Gebot der Gleichbehandlung im Unrecht gibt es hingegen nicht (ständige Rspr. des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -, vgl. z.B. Beschlüsse vom 17.01.1979, Az.: 1 BvL 25/77, und vom 12.09.2007, Az.: 2 BvR 1413/06; ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Urteil vom 11.10.2006, Az.. B 6 KA 35/05 R, ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschlüsse vom 06.12.2011, Az.: L 15 SF 46/11 B vom 17.07.2012, Az.: L 15 SF 29/12, und vom 21.08.2012, Az.: L 15 SF 169/12 RG und L 15 SF 170/12 RG). Ein sich aus Vertrauensschutzgesichtspunkten ergebender Anspruch auf eine Wiederholung eines früheren Fehlers ist der Rechtsordnung daher fremd (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.11.1988, Az.: 1 BvR 1298/88).
Der klägerische Hinweis im Schreiben vom 30.01.2012 auf eine damals möglicherweise rechtswidrige Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens aG begründet daher keinen Anspruch auf eine heute rechtswidrige Feststellung dieser Voraussetzungen. Im Übrigen spricht alles dafür, dass die damals erfolgte Feststellung nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig war. Denn im Jahr 1990 litt die Klägerin noch unter den massiven Komplikationen einer Verlängerungsosteotomie des Oberschenkels und einer deutlich reduzierten Belastungsfähigkeit des rechten Beins, sodass sie einem einseitig Oberschenkelamputierten bei Unmöglichkeit einer Prothesenbenutzung gleichzustellen war. Dabei handelte es sich um eine akute, aber länger andauernde Erkrankung mit weit massiveren Auswirkungen auf die Gehfähigkeit, als sie heute in einer Zeit vorliegen, in der längst die damals fehlende knöcherne Konsolidierung eingetreten ist.
5. Hilfsanträge der Klägerin
Den Anträgen war ausnahmslos nicht zu folgen.
Zu weiteren Ermittlungen im Sinn der Hilfsanträge der Klägerin bestand für den Senat keine Veranlassung und erst recht keine verfahrensrechtliche Pflicht. Die Anträge der Klägerin, die diese in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, waren abzulehnen.
Dazu bedurfte es keines gesonderten Beschlusses vor der Entscheidung durch Urteil. Vielmehr kann, wenn derartigen Anträgen nicht stattgegeben wird, unmittelbar die Entscheidung in der Sache ergehen, wobei die (Beweis-)Anträge in der Urteilsbegründung abzuhandeln sind (vgl. Urteil des Senats vom 05.02.2013, Az.: L 15 VG 22/09).
5.1. Ergänzende Anhörung des Sachverständigen Dr. C.
Der hilfsweise Antrag der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 18.03.2015,
"dass Dr. C. ergänzend zu dem Radiologiebericht vom 09.12.2014 gehört wird",
ist kein förmlicher Beweisantrag, sondern verkörpert nur eine bloße Beweisanregung (vgl. BSG, Beschluss vom 13.05.2011, Az.: B 12 R 25/10 B). Der Antrag beinhaltet kein Beweisthema.
Ein förmlicher Beweisantrag, der über § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG den Zugang zur Revisionsinstanz eröffnen könnte, liegt wie im Strafprozessrecht nur dann vor, wenn Beweismittel und Beweisthema ordnungsgemäß benannt sind (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Beschluss vom 22.06.2004, Az.: B 2 U 78/04 B; vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl. 2014, § 160 Rdnr. 18a - m.w.N.). Fehlt es daran, ist der Antrag nicht geeignet, die typischen Rechtsfolgen eines formellen Beweisantrags zu bewirken. Handelt es sich somit nicht um einen Beweisantrag, so darf der Antrag als bloße Anregung an den Senat verstanden werden, im Rahmen der Amtsermittlung weitere Nachforschungen anzustellen (ständige Rspr., vgl. z.B. Urteile des Senats vom 22.10.2012, Az.: L 15 VJ 3/07, und vom 18.02.2014, Az.: L 15 VS 10/13). Der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet aber derartige Ermittlungen nicht, da der Sachverhalt durch die überzeugenden Gutachten auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet ausermittelt ist.
Der mit Schreiben vom 12.01.2015 vorgelegte Bericht vom 09.12.2014 über eine Kernspintomographie der Halswirbelsäule vom 08.12.2014 kann für die hier zu entscheidende Frage des Merkzeichens aG keine Relevanz entfalten. Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule haben typischerweise keine entscheidenden Auswirkungen auf die unteren Extremitäten und damit die Gehfähigkeit. Zudem konnten im vorliegenden Fall bei der Kernspintomographie Zeichen einer Myelopathie (Schädigung des Rückenmarks) ausgeschlossen werden. Zu berücksichtigen ist im Übrigen auch, dass Anlass für die Anfertigung der Kernspintomographie eine lediglich akute Zervikobrachialgie gewesen ist. Daraus kann noch kein Rückschluss auf einen Dauerzustand im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gezogen werden; erst ein derartiger Dauerzustand kann aber Berücksichtigung bei schwerbehindertenrechtlichen Feststellungen finden.
Aus welchen Gründen die Bevollmächtigten des Klägers keinen förmlichen Beweisantrag gestellt haben, kann offenbleiben. Jedenfalls besteht bei einem rechtskundigen und berufsmäßigen Bevollmächtigten wie hier vom VdK ("Ass.jur.") (vgl. Urteil des Senats vom 18.02.2014, Az.: L 15 VS 10/13) keine gerichtliche Hinweispflicht darauf, dass der Antrag vom 18.03.2015 nicht den Vorgaben eines förmlichen Beweisantrags entspricht. Es ist allein Sache des Bevollmächtigten, all diejenigen Anträge mit dem aus Klägersicht für erforderlich gehaltenen Inhalt zu Protokoll des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll, ohne dass eine Verpflichtung für das Gericht bestünde, hier Formulierungshilfe zu leisten oder rechtsberatend einzugreifen (ständige Rspr. des BSG, vgl. z.B. Beschluss vom 20.07.2005, Az.: B 1 KR 39/05 B). Weitere Ausführungen von Seiten des Senats erübrigen sich daher.
5.2. Aufforderung an Dr. R., objektive Symptome für die Annahme der muskulären Insuffizienz zu nennen
Weitere Ermittlungen wegen dieses Beweisantrags waren nicht angezeigt.
Nach § 103 Abs. 2 SGG ist das Gericht bei der Erforschung des Sachverhalts an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Der Umstand, dass bestimmte Ermittlungen mit einem förmlichen Beweisantrag verlangt werden, vermag nicht dazu zu führen, dass für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ein strengerer Maßstab bezüglich der Frage anzulegen wäre, unter welchen Voraussetzungen die gewünschten Ermittlungen unterbleiben dürfen (vgl. Urteil des Senats vom 05.02.2013, Az.: L 15 VG 22/09). Der förmliche Beweisantrag nach dem SGG hat lediglich eine Filterfunktion für die Revisionsinstanz; Sachaufklärungsmängel sollen nach § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG erst dann als Verfahrensmängel relevant sein, wenn in der Tatsacheninstanz die jeweilige Beweiserhebung förmlich beantragt worden ist. Die Ermittlungspflichten der Gerichte werden dadurch aber nicht verschärft (ständige Rspr., vgl. z.B. Urteile des Senats vom 14.02.2012, Az.: L 15 VJ 3/08, und vom 05.02.2013, Az.: L 15 VG 22/09). Im Rahmen seines richterlichen Ermessens bestimmt das Gericht die Ermittlungen und Maßnahmen, die nach seiner Beurteilung der materiellen Rechtslage zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind; sein Ermessen ist nur durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem hiernach für seine Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt (vgl. BSG, Beschluss vom. 07.06.1956, Az.: 1 RA 135/55). Das Gericht muss dabei von allen Ermittlungsmöglichkeiten, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (vgl. BSG, Beschluss vom 11.12.1969, Az.: GS 2/68).
Unter Beachtung dieser Grundsätze war vorliegend eine Nachfrage bei Dr. R. nicht veranlasst. Die gerichtlichen Sachverständigen Dr. T., Dr. B. und Dr. C. sind allesamt und übereinstimmend, teils vor dem Gutachten des Dr. R., teils danach, nach eingehender körperlicher Untersuchung der Klägerin - eine solche hatte Dr. R. nicht durchgeführt - zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin keine diffusen oder umschriebenen Muskelverschmächtigungen, keine motorischen Ausfälle, keine Reflexauffälligkeiten und auch keine trophischen Muskelstörungen vorliegen. Insofern bedurfte es einer Nachfrage bei Dr. R. nicht, zumal zweifelhaft ist, ob dieser als Facharzt für Anästhesiologie - im Gegensatz zu den Sachverständigen Dr. T., Dr. B. und Dr. C. - auf dem neurologischen und dem orthopädischen Fachgebiet in gleicher Weise qualifiziert ist wie die drei vorgenannten Sachverständigen, wobei diese Zweifel erhebliche Nahrung durch den Inhalt seines Gutachtens finden.
Wenn Dr. C. auf Seite 19 seines Gutachtens vom 29.10.2010 - dies dürfte der Hintergrund für den Antrag der Klägerin sein - ausgeführt hat
"Feststeht aus hiesiger Sicht, dass der neurologische Untersuchungsbefund im Bereich des rechten Beines keine Anhaltspunkte dafür bot, dass hier eine muskuläre Insuffizienz bestehen würde, man müsste den Kläger tatsächlich auffordern, objektive Symptome für diese Annahme zu nennen.",
handelt es sich hierbei für jedermann erkennbar um eine Aufforderung im Sinn einer rhetorischen Fragestellung. Denn bislang hat keiner der Sachverständigen, auch nicht die nach § 109 SGG, eine muskuläre Insuffizienz belegt oder objektiv beschrieben. Auch hat Dr. C. auf derselben Seite seines Gutachtens - ebenfalls zum Gutachten des Dr. R. - Folgendes ausgeführt:
"Wie der Gutachter zu diesem Schluss" - gemeint ist die schwerste muskuläre Insuffizienz des rechten Beines - "kommt, ist unerfindlich, eine schwerste muskuläre Insuffizienz würde ja voraussetzen, dass im Bereich des rechten Beines Zeichen einer Schonung oder Zeichen trophischer Störungen vorliegen, solche wurden allerdings von dem Gutachter nicht mitgeteilt, es ist insofern völlig unklar, wie der Gutachter diese Meinung begründen zu können glaubt."
5.3. Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG bei Dr. W.P.
Der erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag gemäß § 109 SGG wurde grob fahrlässig zu spät eingebracht und ist daher zurückzuweisen.
Gemäß § 109 Abs. 1 SGG ist im sozialgerichtlichen Verfahren auf Antrag des Behinderten ein bestimmter Arzt gutachtlich zu hören. Die Anhörung kann von der Einzahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden (§ 109 Abs. 1 Satz 2 SGG). Abgelehnt werden kann die Anhörung nur unter den Voraussetzungen des § 109 Abs. 2 SGG. Eine Ablehnung ist möglich, wenn der Antrag entweder in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit zu spät vorgebracht worden ist und sich bei einer Zulassung des Beweisantrags die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde.
Grobe Nachlässigkeit ist das Verabsäumen jeder prozessualen Sorgfalt. Sie liegt regelmäßig dann vor, wenn der behinderte Mensch den Antrag auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes nach § 109 SGG nicht in angemessener Frist stellt, obwohl er erkennt oder erkennen muss, dass die von Amts wegen durchzuführende Beweisaufnahme beendet ist (vgl. BSG, vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 303/5).
Die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Antrags gemäß § 109 SGG sind vorliegend gegeben.
Mit Schreiben vom 02.12.2012 hat der Berichterstatter des Senats den Bevollmächtigten der Klägerin das für diese im Ergebnis negative Gutachten des Dr. C. vom 29.10.2014 mit ausführlichen Erläuterungen und dem Hinweis darauf, dass die Beweisaufnahme von Amts wegen abgeschlossen sei und Erfolgsaussichten für die Berufung nicht zu erkennen seien, übersandt. Dabei ist eine Frist bis zum 14.01.2015 (Eingang bei Gericht) gesetzt worden. Den rechtskundigen Bevollmächtigten der Klägerin musste daher bewusst sein, dass ein Antrag gemäß § 109 SGG nur innerhalb der vom Gericht durchaus nicht zu knapp gesetzten Frist zulässig ist. Gleichwohl haben sie innerhalb der Frist keinen Sachverständigen nach § 109 SGG benannt, sondern einen derartigen Antrag erst in der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2015 gestellt. Dass mit der vor der mündlichen Verhandlung erfolgten bloßen Ankündigung eines Antrags gemäß § 109 SGG die Frist nicht gewahrt wird, muss den rechtskundigen Vertretern der Klägerin bekannt sein. Denn ein Antrag gemäß § 109 SGG setzt voraus, dass der Antrag klar und unmissverständlich und mit dem - zumindest bestimmbaren - Namen des Arztes gestellt wird, eine lediglich unbestimmte Ankündigung eines Antrags gemäß § 109 SGG reicht nicht (vgl. BSG, Beschlüsse vom 23.10.1957, Az.: 4 RJ 142/57, und 04.11.1959, Az.: 9 RV 862/56).
Angesichts der großzügigen - das BSG hat eine Frist von sechs Wochen sogar als unnötig lang angesehen (vgl. BSG, Beschluss vom 10.12.1958, Az.: 4 RJ 143/58) - Fristsetzung im gerichtlichen Schreiben vom 02.12.2014 ist der Antrag gemäß § 109 SGG in der mündlichen Verhandlung grob nachlässig zu spät gestellt worden. Die Bevollmächtigten hätten mit der Antragstellung keinesfalls bis zur mündlichen Verhandlung warten dürfen; tun sie dies - wie hier - doch, ist dieses Verhalten grob nachlässig (vgl. BSG, Beschluss vom 22.06.1966, Az.: 8 RV 227/65).
Da die Zulassung des Beweisantrags einer Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2015 entgegen gestanden wäre und daher das Verfahren verzögert hätte, war der Antrag zurückzuweisen.
Die Berufung des Beklagten hat daher Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Zu berücksichtigen war, dass die Klägerin mit ihrem Klageziel - Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen B einerseits und das Merkzeichen aG andererseits - zur Hälfte Erfolg gehabt hat.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).