Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Feb. 2014 - L 15 VS 10/13

bei uns veröffentlicht am18.02.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Gründe

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob beim Kläger eine Verschlimmerung seiner anerkannten Wehrdienstbeschädigung gemäß § 80 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) und daher eine weitere Schädigungsfolge, nämlich ein Schaden an der rechten Schulter, anzuerkennen sind.

Der im Jahr 1960 geborene Kläger wurde während seiner Dienstzeit als Soldat der Bundeswehr am 05.09.1982 auf der Fahrt vom Dienstort zum Wohnort bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt.

Mit Bescheid vom 23.03.2004 bezeichnete der Beklagte die Schädigungsfolgen zuletzt wie folgt: „1. Plexusparese des linken Armes; knöchern in leichter Fehlstellung verheilter, operativ versorgter Schulterblattbruch links. Knöchern verheilter, operativ versorgter Schlüsselbeinbruch links. Knöcherne Ausheilung von Mehrfachfrakturen des linken Unterarmes nach operativer Versorgung. In neutraler Position versteiftes Handgelenk links; 2. Gallenblasenverlust, persistierende Hepatitis C; 3. Operativ behandelter, knöchern ausgeheilter Hüftpfannenbruch links. Knöchern, in achsengerechter Stellung ausgeheilter, operativ versorgter Oberschenkelbruch links. Muskulär nicht kompensierte Bandverletzung am linken Kniegelenk. Knöchern in leichter Fehlstellung ausgeheilter, operativ versorgter Unterschenkelbruch links; 4. Seelische Störung.“ Er stellte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 100 ab dem 01.10.2003 fest und erkannte dem Grunde nach einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich an.

Mit Schreiben vom 11.10.2007 beantragte der Kläger vor dem Hintergrund von Behandlungskosten für die rechte Schulter die Neufeststellung seiner Schädigungsfolgen, da sich die Beschwerden infolge seiner körperlichen Einschränkungen verschlimmert hätten. Er leide unter einem schmerzhaften Impingement-Syndrom an der rechten Schulter sowie unter Schmerzen beim Stehen und Gehen am linken Knie, die auf eine schädigungsbedingt entstandene medial betonte Gonarthrose Grad IV sowie eine Retropatellararthrose Grad II bis III zurückzuführen seien. Zudem leide er unter Rückenschmerzen. Er vermute, dass die ständige einseitige Be- und Überlastung durch die unfallbedingte Lähmung des linken Arms zu einer Verkrümmung der Wirbelsäule geführt habe.

Nach der Einholung von versorgungsärztlichen Stellungnahmen wurde der Neufeststellungsantrag mit Bescheid vom 09.10.2008 abgelehnt.

Am 09.10.2008 wurde der Kläger an der rechten Schulter arthroskopisch operiert und eine subakromiale Dekompression durchgeführt. Die Rotatorenmanschette wurde im Operationsbericht als altersgerecht beschrieben. Als Diagnosen wurden angegeben: Impingement rechte Schulter, Synovitis rechte Schulter, Bursitis rechte Schulter und AC-Gelenksarthrose rechte Schulter.

Gegen den Bescheid vom 09.10.2008 legte der Kläger Widerspruch ein. Es wurden wiederum versorgungsärztliche Stellungnahmen (vom 19.01.2009 und vom 06.03.2009) eingeholt. Betreffend die rechte Schulter konnten die Versorgungsärzte - im Gegensatz zu der Seitverbiegung der Hals- und Brustwirbelsäule und den Knorpelschäden am linken Kniegelenk - einen Zusammenhang mit dem versorgungsbegründenden Schadensfall, insbesondere der Schädigung der linken oberen Extremität, nicht erkennen. Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) sei es - so die versorgungsärztliche Einschätzung - nicht erwiesen, dass ein Gliedmaßenverlust bei den oberen Gliedmaßen durch Überbelastung zu einem Schaden an der verbliebenen Gliedmaße führen könne. Die in den AHP genannte Ausnahme bei einer langdauernden ausgeprägten Fehlbelastung treffe beim Kläger nicht zu. Beim Kläger liege ein Engesyndrom (Impingement-Syndrom) der rechten Schulter vor. Eine derartige Erkrankung stelle ein außerordentlich häufiges Krankheitsbild mit zunehmendem Auftreten nach dem 40. Lebensjahr dar. Sie sei schicksalhaft und habe mit einer Überbelastung nichts zu tun.

Mit Teilabhilfebescheiden vom 04.02.2009 und 22.04.2009 wurde dem Widerspruch insoweit abgeholfen, als eine „Seitverbiegung der Hals- und Brustwirbelsäule mit Muskelverspannungen bei Schulterhochstand links“ und „Knorpelschäden am linken Kniegelenk“ als weitere Schädigungsfolgen bei einem unveränderten Grad der Schädigung von 100 anerkannt wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2009 zurückgewiesen.

Mit der am 02.06.2009 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage hat der Kläger die Anerkennung der Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenks als Folge einer Wehrdienstbeschädigung begehrt. Er hat ein Attest seines behandelnden Orthopäden vom 29.09.2008 vorgelegt, wonach er wegen der Überbelastung der rechten Schulter infolge der Plexusparese links operiert worden sei, und zudem einen Auszug aus einer medizinischen Fachveröffentlichung (Breitenseher, Der MR-Trainer), in der ausgeführt ist, dass ein intrinsisches Impingement u. a. durch Überbelastung der Rotatorenmanschette entstehen könne.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet bei Dr. C ... Dieser kam nach ambulanter Untersuchung des Klägers in seinem Gutachten vom 23.08.2011 zu der Einschätzung, dass die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenks nicht als Schädigungsfolge anerkannt werden könne. Es handle sich um ein ausschließlich knöchernes Impingement, das nicht durch Überlastung entstanden sei, sondern eine anlagebedingte Veränderung darstelle, und nicht um eine Zermürbung der Rotatorenmanschette und ein sich daraus entwickelndes sekundäres Impingement. Nur bei einem solchen hätte eine überdimensionale mechanische Beanspruchung mit zunehmendem Verschleiß in die Überlegungen eingebracht werden können. Die Rotatorenmanschette sei aber arthroskopisch als intakt beschrieben worden. Den Ausführungen des Versorgungsarztes in der Stellungnahme vom 06.03.2009 sei vollinhaltlich zuzustimmen. Anders wäre der Fall nur bei einer Krückengangschulter nach langjähriger Gehstützenbenutzung zu sehen; in einem solchen Fall könnten mechanische Überlastungsschäden vornehmlich im subacromialen und acromioclavicularen Gelenk auftreten. Ein solcher Fall sei aber beim Kläger nicht gegeben. Ein vermehrter Verschleiß der Schulter sei nicht begründbar, dies betreffe auch die subacromiale Engpasssymptomatik, die häufig auf einer gewissen Schultereckgelenksarthrose beruhe. Wenn in der vom Kläger vorgelegten Literatur (Breitenseher) von einem intrinsischen Impingement als mögliche Folge einer Überlastung berichtet werde, sei dies unzutreffend, da beim Kläger anlagebedingte Veränderungen vorlägen und die Rotatorenmanschette intakt sei.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der Orthopäde Dr. S. mit einer Begutachtung beauftragt worden. Dieser hat in seinem Gutachten vom 17.04.2012 ausgeführt, dass eine erhebliche Überbelastung über einen langen Zeitraum des rechten Schultergelenks bei erheblicher Schädigung des linken Arms als Schädigungsfolge anzuerkennen sei. Die direkte Folge der Überbelastung sei eine Arthrose des rechten Acromioclaviculargelenks, die derzeit aktiviert sei und zu einem sekundären Impingement mit degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette geführt habe. Es handle sich gemäß MRT-Befund vom 03.06.2008 um eine hochgradig aktivierte Gelenksarthrose mit kräftigen Osteophyten, die den subacromialen Raum erheblich einengen würden. Eine Primärarthrose des Schultereckgelenks, also eine anlagenbedingte schicksalhaft auftretende Arthrose, sei an ein höheres Lebensalter gebunden. Hiervon könne man bei dem 48-jährigen Kläger nicht sprechen. Eine Sekundärarthrose des Acromioclaviculargelenks beruhe dagegen meist auf posttraumatischen oder postinfektiösen Gelenksveränderungen, komme aber auch bei vermehrter beruflicher und sportlicher Beanspruchung und schon in früheren Lebensabschnitten vor. Da keine direkte traumatische Schädigung des Schultereckgelenks, keine Fraktur und auch keine sportliche Überlastung beim Kläger bekannt sei, bleibe als Ursache für einen verfrühten Verschleiß des Gelenks als logische und sehr wahrscheinliche Erklärung die lang anhaltende, dauerhaft intensive Überbelastung des rechten Arms aufgrund der Doppelbelastung durch den gelähmten linken Arm und der Unmöglichkeit der Prothesenversorgung des linken Arms. In den AHP (Teil 2, Ziff. 129) sei ausgeführt: „Es ist bisher nicht erwiesen, dass es durch einen Gliedmaßenverlust an der verbliebenen paarigen Gliedmaße zu Schäden (z. B. Arthrosen, Senkfüße, Krampfadern) durch „Überlastungen“ kommt. Die Annahme von Schäden an unversehrten Gliedmaßen infolge einer Amputation kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Amputation zu einer langdauernden und sehr ausgeprägten Fehlbelastung geführt hat, wie es beispielsweise bei Beinamputierten bei der Unmöglichkeit, eine Prothese zu tragen, oder bei einer prothetisch nicht ausgleichbaren Hüftkontraktur der Fall sein kann.“ Obwohl als Beispiel unter Ziff. 129 nur die unteren Extremitäten genannt seien, gelte - so Dr. S. - die Ausnahme auch für die oberen Extremitäten, da wörtlich allgemein von „paarigen Gliedmaßen“ gesprochen werde. Bei dem Kläger liege eine Unmöglichkeit der Armprothesenversorgung wegen der Nervenschädigung und eine lang dauernde Fehlbelastung mit einer Zeitspanne von 30 Jahren vor, so dass ein ursächlicher Zusammenhang angenommen werden könne.

Dr. C. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.08.2012 an seiner bisherigen Einschätzung festgehalten. Die Theorie des Dr. S. sei vom Ansatz her falsch, da bei einer Beinamputation das andere Bein die gesamte Körperlast tragen müsse, was auf den Arm so nicht übertragbar sei. Der gesunde Arm erhalte durch die vermehrte Beanspruchung der Muskulatur ein relatives Übergewicht, das (nur) die HWS in eine Fehlhaltung ziehe. Zudem müsste beim Kläger, wenn der falschen Arbeitshypothese des Dr. S. im Sinn eines Sekundärschadens des rechten Schultergelenks gefolgt würde, auch eine Betroffenheit des rechten Schlüsselbein-Brustbeingelenks vorliegen. Derartige Beschwerden gebe es aber nicht; auch Dr. S. habe solche nicht festgestellt.

Dazu hat sich Dr. S. am 12.10.2012 ergänzend gemäß § 109 SGG geäußert. Er hat Dr. C. widersprochen, soweit dieser Kritik an seiner Arbeitshypothese geäußert hat. Er, Dr. S., habe lediglich die AHP zitiert. Es gebe durchaus die Möglichkeit, auch an den oberen Extremitäten eine Prothesenversorgung vorzunehmen, was aber beim Kläger nicht möglich sei. Es gelte zu klären, warum die AHP plötzlich nicht mehr zur Geltung kommen sollten.

Der Kläger hat gegenüber dem Gericht sein Meinung geäußert, dass es bei einer 30-jährigen Erledigung aller, teils schwerer Tätigkeiten mit einem Arm zum Teil zu starken Überbelastungen an der Wirbelsäule und dem gesamten Arm- und Schulterarmbereich komme, was zwangsläufig langfristig zu derartigen Schäden führe. Die von ihm einarmig zu verrichtenden Tätigkeiten seien durchaus vergleichbar mit schwerer körperlicher Arbeit und Sportarten mit physiologisch ungünstigen Bewegungsabläufen, die bei der Frage nach möglichen Ursachen für Schulter-Arm-Beschwerden im Internet genannt würden.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.05.2013 ist die Klage abgewiesen worden. Das Sozialgericht hat sich auf das Gutachten des Dr. C. gestützt und seine Entscheidung umfassend begründet. Dabei hat es auch erläutert, warum es der Einschätzung des Dr. S. nicht gefolgt ist.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.06.2013 Berufung eingelegt. Er stützt sich auf das Gutachten des Dr. S ...

Im Erörterungstermin vom 28.01.2014 ist die Sach- und Rechtslage mit dem Kläger umfassend über eine Stunde lang besprochen und ihm die aus Sicht des Berichterstatters vorliegende Aussichtslosigkeit seines Begehrens erläutert worden.

Mit Schreiben vom 14.02.2014 (Freitag) haben die Bevollmächtigten mit Blick auf den Termin der mündlichen Verhandlung am darauf folgenden Dienstag (18.02.2014) vorgetragen, dass der Kläger bei seinem Orthopäden gewesen sei und dieser einen leichten Druckschmerz über dem rechten Sternoclaviculargelenk festgestellt habe. Eine MRT des Sternoclaviculargelenks vom 11.02.2014 habe „nun tatsächlich eine stärker ausgeprägte Degeneration auf der rechten Seite zu Tage gebracht“. Die Auffassung des Dr. C. könne daher keinen Bestand mehr haben. Eine Fehlbelastung sei damit erwiesen. Mitübersandt worden ist der MRT-Bericht vom 11.02.2014.

Der Sachverständige Dr. C. hat das Schreiben der Bevollmächtigten vom 14.02.2014 samt MRT-Bericht noch am selben Tag vom Senat erhalten und über das Wochenende für das Gericht eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme unter dem Datum vom 17.02.2014 angefertigt, die den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausgehändigt worden ist. Er hat darin darauf hingewiesen, dass im Kernspintomogramm vom 11.02.2014 auf degenerative Veränderungen beider Schlüsselbein-Brustbeingelenke mit Rechtsbetonung und das Nichtvorliegen einer höhergradigen Arthrose hingewiesen worden sei. Damit seien im Wesentlichen anlagebedingte degenerative Veränderungen aktenkundig. Von einem wie auch immer gearteten Überlastungsschaden des rechten Schlüsselbein-Brustbeingelenks sowie des Schultereckgelenks könne keine Rede sei. Es verbleibe bei seiner bisherigen Einschätzung.

Der Kläger beantragt in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2014, den Gerichtsbescheid vom 27.05.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 09.10.2008 in Gestalt der Teilabhilfebescheide vom 04.02.2009 und 22.04.2009 sowie in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.05.2009 zu verurteilen, die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenks als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen. Hilfsweise beantragt er die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gemäß §§ 103, 106 SGG, hilfsweise nach § 109 SGG bei Prof. Dr. I ...

Beklagte und Beigeladene beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Versorgungs- und Schwerbehindertenakten des Beklagten, die Akten der Beigeladenen und des Sozialgerichts München beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen, die alle Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 SGG vom 29.01.2014 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung im Bereich der rechten Schulter als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen. Der Gerichtsbescheid vom 27.05.2013 ist nicht zu beanstanden.

Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids vom 27.05.2013 zurück und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend weist der Senat in der Sache auf Folgendes hin:

- Das Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 14.02.2014 und die MRT vom 11.02.2014 geben keinen Anlass für eine andere Bewertung des Zusammenhangs. Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen des Dr. C. in seiner Stellungnahme vom 17.02.2014, die er sich zu eigen macht.

Zunächst weist der Senat darauf hin, dass das klägerische Schreiben vom 14.02.2014 eine Verdrehung der Fakten enthält, als dort ausgeführt ist, dass eine MRT des Sternoclaviculargelenks „nun tatsächlich eine stärker ausgeprägte Degeneration auf der rechten Seite zu Tage gebracht“ habe. Richtig ist nämlich, dass - wie sich aus dem MRT-Befund auch für einen medizinischen Laien unschwer erkennbar ergibt - rechts nur eine „geringe“ arthrotische Umformung vorliegt, die nur im Seitenvergleich „stärker“ ist. Es ist daher eine unlautere Argumentation, wenn die Bevollmächtigten des Klägers versuchen, dem Gericht eine - absolut betrachtet - „stärker ausgeprägte Degeneration auf der rechten Seite“ weiszumachen. Tatsächlich liegen beim Kläger degenerative Veränderungen im Bereich beider Schlüsselbein-Brustbeingelenke vor, wobei nur eine Rechtsbetonung, aber kein eklatanter Seitenunterschied zu erkennen ist. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem MRT-Befund vom 11.02.2014, wie auch Dr. C. überzeugend betont hat. Von einem Überlastungsschaden am rechten Schlüsselbein-Brustbeingelenk kann daher keine Rede sein, so dass auch nach der - tatsächlich nicht haltbaren - Arbeitshypothese des Dr. S. ein Überlastungsschaden nicht nur nicht wahrscheinlich ist, sondern sogar als widerlegt zu betrachten sein dürfte. Denn wie sonst sollte es zu erklären sein, dass auch auf der seit über drei Jahrzehnten wegen der Plexusparese unbelasteten linken Seite degenerative Veränderungen im Schlüsselbein-Brustbeingelenk mit nur im Seitenvergleich etwas geringerer Ausprägung vorliegen!

- Es ist nach der Überzeugung des Senats richtig, wenn der Sachverständige Dr. C. die Theorie des gemäß § 109 SGG vom Kläger benannten Sachverständigen Dr. S. zu einem potentiellen Zusammenhang zwischen Plexusparese links und Schulterbeschwerden rechts als bloße falsche Arbeitshypothese ohne ausreichende Grundlage sieht. Von der Richtigkeit dieses Hinweises des äußerst, insbesondere auch was die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs angeht, erfahrenen Sachverständigen Dr. C. ist der Senat überzeugt; er macht sich diese Einschätzung zu eigen. Die Richtigkeit der Ausführungen des Dr. C. zur Fehlerhaftigkeit der Argumentation des Dr. S. und die Unrichtigkeit der Arbeitshypothese des Dr. S. sind auch unschwer aus folgenden zwei Gründen zu erkennen:

o Die AHP 2008 weisen in Nr. 129 ausdrücklich darauf hin, dass es nicht erwiesen ist, dass es durch einen Gliedmaßenverlust an der verbliebenen paarigen Gliedmaße zu Schäden (z. B. Arthrosen, ...) durch Überbelastungen (vgl. AHP 2008 Nr. 129.2, 1. Abs.) kommen kann. Eine (seltene) Ausnahme nennen die AHP 2008 lediglich für Fälle mit Amputationen an den unteren Gliedmaßen, wenn die Amputation zu einer langdauernden und sehr ausgeprägten Fehlbelastung geführt hat, z. B. bei Beinamputierten und der Unmöglichkeit einer Prothesenbenutzung oder einer prothetisch nicht ausgleichbaren Hüftkontraktur.

Unstreitig und von allen Sachverständigen auch so angenommen, sind die AHP mit ihren Hinweisen zu Amputationsfolgen auch auf die Situation anzuwenden, dass die andere Extremität zwar nicht amputiert, aber - wie beim Kläger - funktionslos ist; denn die funktionellen Folgen sind in beiden Fällen weitgehend identisch.

Die Vorgaben der AHP zu Amputationsfolgen, die nach wie vor den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Beurteilung von mittelbaren Amputationsschäden wiedergeben, missachtet Dr. S. gröblich, auch wenn er den Eindruck vermitteln will, die AHP anzuwenden. Dieser Eindruck täuscht aber; tatsächlich interpretiert Dr. S. die AHP zugunsten des Klägers falsch. So übergeht er geflissentlich den in den AHP 2008 (dort Nr. 129) enthaltenen Unterschied zwischen Fehlbelastung und Überbelastung und setzt beide Begriffe ohne jegliche Begründung gleich. Ob dies wissentlich oder aufgrund mangelnder Kenntnisse fahrlässig geschieht, bedarf keiner abschließenden Bewertung. Dr. S. unternimmt zudem nicht einmal ansatzweise den Versuch, die seiner Ansicht nach vorliegende „Fehlbelastung“ nachvollziehbar zu begründen. Vielmehr spricht er nur von „einer deutlichen Doppelbelastung des rechten Schultergelenks“ und setzt dies einer „Fehlbelastung seit 30 Jahren“ gleich. Ganz abgesehen davon, dass das Adjektiv „deutlich“ in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar ist und wohl nur durch das Bestreben des Dr. S. zu erklären ist, seine fehlerhafte Einschätzung plausibel zu machen, hält es der Senat auch nicht für lebensnah, dass die Belastung, die ein Gesunder auf zwei Arme bzw. Schultern verteilt, sich beim Kläger in vollem Umfang auf eine einzige Schulter verlagert. Denn bei solchen gesundheitlichen Einschränkungen, wie sie beim Kläger gegeben sind, liegt es sehr nahe, dass die Belastung im Vergleich mit einem Gesunden in ihrem Gesamtumfang reduziert ist. Dies ist auch medizinwissenschaftlich-statistisch belegt. So haben Untersuchungen bei Beinamputierten ergeben, dass diese nur etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Zeit eines Gesunden gehen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 693). Diese Erkenntnis, die in ihrem Grundsatz auch auf Armamputierte zu übertragen ist, hat Dr. S., der ansonsten, sofern dies für den Kläger günstig ist, eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse zu Beinamputierten auf Armamputierte bejaht, aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen ausgeblendet. Auch Dr. C. hat auf entsprechende Untersuchungen und Erhebungen hingewiesen, ohne dass sich dazu Dr. S. in seiner nachfolgenden Stellungnahme geäußert hätte. Warum sich Dr. S. zu diesem nicht gerade unwichtigen Gesichtspunkt nicht eingelassen hat, obwohl er durch die Ausführungen des Dr. C. für jedermann erkennbar darauf hingewiesen worden war, ist wiederum sachlich nicht erklärbar.

o Von einer Übertragbarkeit der seltenen Ausnahmefälle einer Fehlbelastung nach Amputation der unteren Gliedmaßen in bestimmten Konstellationen auf die oberen Gliedmaßen ist in den AHP keine Rede. Gleichwohl von einer Übertragbarkeit auszugehen, entbehrt der medizinisch-wissenschaftlichen Grundlage. Die Unvergleichbarkeit ergibt sich schon aus den unterschiedlichen statischen Rahmenbedingungen. Dr. C. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.06.2012 nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass bei Amputation einer unteren Extremität unausweichlich die verbleibende die gesamte Körperlast tragen müsse; Derartiges ist bei einer Armamputation nicht der Fall. Dies überzeugt den Senat.

- Wenn Dr. S. in seiner Stellungnahme vom 12.10.2012 suggerieren will, dass die AHP „plötzlich nicht mehr zur Geltung kommen“ würden, wenn man Dr. C. folgen und dem Begehren des Klägers nicht Rechnung tragen würde, ist dies eine grobe Verdrehung der Vorgaben der AHP. Denn in den AHP sind mit gutem Grund aufbauend auf umfassende medizinische Erkenntnisse nur Beispiele aus dem Bereich der Amputationen der unteren, nicht aber der oberen Gliedmaßen genannt. Offenbar will der vom Kläger benannte Sachverständige Dr. S. diese Erkenntnisse aber nicht wahrhaben. Die AHP kommen daher, wenn man Dr. C. folgt, gerade zur Anwendung - und dies inhaltlich richtig. Missachtet werden die Vorgaben der AHP dagegen von Dr. S ...

- Die Einschätzung des Dr. C. steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der maßgeblichen Begutachtungsliteratur zur gesetzlichen Unfallversicherung, in der im Wesentlichen die gleichen Maßstäbe wie im Versorgungsrecht für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs gelten:

o So benennen Schönberger/Mehrtens/Valentin (vgl. a. a. O., S. 696) als mögliche Überlastungsschäden nach Amputation der oberen Extremität ausschließlich eine Seitverbiegung von HWS und BWS, die dadurch entstehen könne, dass der gesunde Arm durch die vermehrt beanspruchte Muskulatur ein relatives Übergewicht erhalte. Daneben nennen sie nur noch die Krückengangschulter nach Beinamputation, die beim Kläger wegen fehlenden Beinverlusts und fehlender Benutzung von Gehhilfen aber nicht in Betracht kommt. Für Beinamputationen weisen sie darauf hin, dass bei Amputierten weniger Arthrosen am gesunden Bein festgestellt worden seien als bei gesunden Menschen (vgl. a. a. O., S. 693). Eine Anerkennung einer Arthrose als Schädigungsfolge komme in aller Regel nicht in Betracht. Einzig dann sei eine Ausnahme möglich, wenn eine erhebliche Fehlbelastung wegen schlechter prothetischer Versorgung über viele Jahre hinweg vorliege. Diese Hinweise von Schönberger/Mehrtens/Valentin entsprechen den Vorgaben der AHP 2008 und belegen die nach wie vor gegebene Aktualität der AHP 2008 zur Frage der mittelbaren Folgen von Amputationen. Die Ausführungen von Schönberger/Mehrtens/Valentin unterstreichen damit, dass eine Arthrose als mittelbare Schädigungsfolge und diese wiederum als Ursache für das Engpasssyndrom beim Kläger nicht in Betracht zu ziehen sind.

o Fritze/Mehrhoff, Die ärztliche Begutachtung, 8. Aufl. 2012, S. 753, weisen darauf hin, dass Amputierte und einseitig Gliedmaßenverletzte die Extremitäten zumeist weniger belasten würden als Gesunde und bei einem einseitig Beinversehrten davon auszugehen sei, dass eine Arthrose einen anlagebedingten verstärkten Gelenkverschleiß darstelle. Es sei für Beinamputierte sogar statistisch nachgewiesen, dass bei diesen arthrotische Veränderungen am gesunden Bein wesentlich seltener aufträten als bei sonst gesunden Menschen.

o Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, S. 760, haben zudem auf der Basis umfassender Erhebungen erläutert, dass bei einer Reihe von Armamputierten keine Überlastungsschäden an den Gelenken des gesunden Arms festgestellt worden seien.

Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand aus der Begutachtungsliteratur scheint Dr. S. völlig unbekannt gewesen zu sein, was die Verwertbarkeit seines Gutachtens entscheidend in Frage stellt.

- Die Argumentation des Dr. S., dass beim Kläger infolge einer Über- oder Fehlbelastung der rechten Schulter eine Arthrose entstanden sei, die wiederum die Ursache für das Engpasssyndrom sei, kann nicht ansatzweise überzeugen. Ganz abgesehen davon, dass ein Zusammenhang zwischen Amputation eines Arms und Arthrose auf der Gegenseite wissenschaftlich nicht belegbar ist (vgl. oben), kann auch das Argument des Dr. S., die Arthrose müsse belastungsbedingt sein, weil der Kläger für eine anlagebedingte Arthrose zu jung sei, nicht überzeugen. Dass eine anlagebedingte Schultereckgelenksarthrose im Alter des Klägers von 48 Jahren zur Zeit der Operation völlig ungewöhnlich wäre, wie Dr. S. glauben machen will, ist in Anbetracht wissenschaftlicher Veröffentlichungen (vgl. z. B. Junghans-Miebach, Korrelation der klinischen und radiologischen Befunde bei der Schultereckgelenksarthrose, 2004) nicht haltbar. Bei dem dort ausgewerteten Patientengut betrug das Durchschnittsalter wegen arthrosebedingter Operationen 54,7 +/- 10,7 Jahre (vgl. Junghans-Miebach, a.a.O, S. 11); der Kläger liegt in diesem Altersspektrum. Junghans-Miebach (vgl. a. a. O., S. 37) weist weiter darauf hin, dass Schultereckgelenksarthrose zu den häufigsten Arthrosen des menschlichen Körpers gehöre. Bereits in einer Erhebung im Jahr 1919 sei bei einer pathologisch-anatomischen Untersuchung bei 100% der über 50-jährigen eine Arthrose des Schultereckgelenks gefunden worden. Erste arthrotische Veränderungen könnten - so Junghans-Miebach weiter - histologisch bereits im zweiten, radiologisch schon im dritten Lebensjahrzehnt nachgewiesen werden. Offenbar waren auch diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Schulterarthrose dem Dr. S. unbekannt.

- Die Argumentation des Dr. S. ist, ganz abgesehen davon, dass sie von einer nicht haltbaren Arbeitshypothese ausgeht (vgl. oben), auch in sich unlogisch. Dr. S. verdrängt völlig, dass auch bei seiner - fachlich falschen - Argumentation mit einer Über- oder Fehlbelastung beim Kläger Veränderungen im Bereich des rechten Schlüsselbein-Brustbeingelenks im Sinne eines Überlastungs- oder Fehlbelastungsschadens vorliegen müssten, wie sie auf der anderen unbelasteten Seite nicht gegeben sein dürften. Derartige Veränderungen hat aber keiner der Ärzte, auch nicht Dr. S., festgestellt. Verwunderlich für den Senat ist in diesem Zusammenhang, dass Dr. S., obwohl er zu der ergänzenden Stellungnahme des Dr. C. vom 22.08.2012 nochmals am 12.10.2012 Stellung genommen hat, kein Wort zu dem Gesichtspunkt fehlender Veränderungen am Schlüsselbein-Brustbeingelenk verloren hat. Da dieser Gesichtspunkt so deutlich von Dr. C. thematisiert worden ist, kann sich der Senat die fehlende Gegenäußerung durch Dr. S. nur so erklären, dass Dr. S. nicht offen zugeben wollte, dass er dem Einwand des Dr. C. kein Argument entgegen halten konnte. Jeder sorgfältig arbeitende Gutachter hätte sich jedenfalls mit einem Kernargument, das seiner Argumentation entgegen gehalten wird, auseinander gesetzt.

- Wenn sich der Kläger auf eine Veröffentlichung von Breitenseher stützt und meint, den bei ihm vorliegenden Schulterschaden durch Überbelastung begründen zu können, irrt er. Breitenseher nennt als Ursachen für ein sogenanntes intrinsisches Impingement neben vielen anderen auch eine „Überbelastung der Rotatorenmanschette“. Er bezeichnet dies als eine Ursache, die innerhalb der Sehne selbst zu finden ist. Hier liegt aber ein Schaden an den Sehnen, also der Rotatorenmanschette gerade nicht vor, wie es sich aus dem Bericht über die Arthroskopie vom 09.10.2008 ergibt, in dem die Rotatorenmanschette als altersgerecht beschrieben worden ist. Vielmehr liegt ein knöchernes bzw. durch eine Arthrose mitbedingtes Engpasssyndrom vor, also eine ganz andere anatomische Konstellation.

Betreffend Verfahrensfragen ist Folgendes auszuführen:

- Der Antrag der Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2014 auf „hilfsweise ... Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens gemäß §§ 103, 106 SGG“ ist kein förmlicher Beweisantrag, sondern verkörpert nur eine bloße Beweisanregung (vgl. BSG, Beschluss vom 13.05.2011, Az.: B 12 R 25/10 B). Der Antrag beinhaltet kein Beweisthema.

Ein förmlicher Beweisantrag, der über § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG den Zugang zur Revisionsinstanz eröffnen könnte, liegt wie im Strafprozessrecht nur dann vor, wenn Beweismittel und Beweisthema ordnungsgemäß benannt sind (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B. Beschluss vom 22.06.2004, Az.: B 2 U 78/04 B; vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 10. Aufl. 2012, § 160 Rdnr. 18a - m. w. N.). Fehlt es daran, ist der Antrag nicht geeignet, die typischen Rechtsfolgen eines formellen Beweisantrags zu bewirken. Handelt es sich somit nicht um einen Beweisantrag, so darf der Antrag als bloße Anregung an den Senat verstanden werden, im Rahmen der Amtsermittlung weitere Nachforschungen anzustellen (vgl. Urteil des Senats vom 22.10.2012, Az.: L 15 VJ 3/07). Der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet aber derartige Ermittlungen nicht, da der Sachverhalt durch das überzeugende Gutachten und die wiederholten Stellungnahmen des Dr. C. bereits bis ins letzte Detail ausermittelt ist.

Aus welchen Gründen die Bevollmächtigten des Klägers keinen förmlichen Beweisantrag gestellt haben oder dazu nicht in der Lage gewesen sind, kann offenbleiben. Jedenfalls besteht bei einem rechtskundigen und berufsmäßigen Bevollmächtigten wie hier vom VdK („Ass.jur“) keine gerichtliche Hinweispflicht darauf, dass der Antrag vom 18.02.2014 nicht den Vorgaben eines förmlichen Beweisantrags entspricht; es ist allein Sache des Bevollmächtigten, alle diejenigen Anträge mit dem für erforderlich gehaltenen Inhalt zu Protokoll des Gerichts zu stellen, über die das Gericht entscheiden soll (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B. Beschluss vom 20.07.2005, Az.: B 1 KR 39/05 B). Weitere Ausführungen von Seiten des Senats erübrigen sich daher.

- Die im Erörterungstermin vom 28.01.2014 gestellten Beweisanträge sind in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2014 nicht wiederholt worden, so dass der Senat darüber nicht zu entscheiden hat.

Ist ein Prozessbeteiligter wie hier rechtskundig durch eine Bevollmächtigte des VdK, die zudem Rechtsassessorin ist, vertreten, gilt ein schriftsätzlich während des Verfahrens gestellter Beweisantrag nur dann als bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten, wenn er als solcher zur Niederschrift der mündlichen Verhandlung wiederholt wird (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B. Beschluss vom 29.03.2007, Az.: B 9a VJ 5/06 B - m. w. N.). Hätte der Kläger eine Befassung des Gerichts mit den im Erörterungstermin gestellten Beweisanträgen gewünscht, hätte seine Bevollmächtige in der mündlichen Verhandlung die Anträge zu Protokoll stellen müssen, über die das Gericht entscheiden solle (vgl. BSG, Beschluss vom 23.08.1989, Az.: 2 BU 97/89). Eine Pflicht für den Senat, die Bevollmächtigte darauf hinzuweisen, bestand angesichts der Rechtskundigkeit der Vertreterin des VdK in der mündlichen Verhandlung nicht.

Darauf, dass die im Erörterungstermin vom Kläger aufgezeigten Beweisthemen ohne Entscheidungsrelevanz und schon daher abzulehnen wären, kommt es nicht weiter an.

- Der Antrag auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG bei Prof. Dr. I. ist abzulehnen, da das Antragsrecht insofern verbraucht ist.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat im Verfahren vor dem Sozialgericht auf dem Fachgebiet der Orthopädie Dr. S. ein Gutachten erstellt und zudem mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.10.2012 sogar noch das letzte Wort der Sachverständigen gehabt. Genau auf dem gleichen Fachgebiet hat die Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung erneut einen Antrag gemäß § 109 SGG gestellt, nämlich auf Einholung eines Gutachtens beim Orthopäden Prof. Dr. med. I., dem Leiter der Abteilung und Poliklinik für Sportorthopädie des Klinikums R. - Mit dieser Antragstellung auf Einholung eines weiteren Gutachtens auf dem selben Fachgebiet verkennen die Bevollmächtigen des Klägers den Umfang des Antragsrechts gemäß § 109 SGG. Aus § 109 SGG resultiert kein Anspruch auf „das letzte Wort“ des Gutachters gemäß § 109 SGG (vgl. Urteil des Senats vom 14.02.2012, Az.: L 15 VJ 3/08) und noch viel weniger auf die Beauftragung mehr als eines Sachverständigen auf dem selben Fachgebiet. Dies gilt auch dann, wenn das erste Gutachten gemäß § 109 SGG im Verfahren vor dem Sozialgericht, der zweite Antrag gemäß § 109 SGG dann im Berufungsverfahren gestellt wird (vgl. BSG, Urteil vom 14.05.1991, Az.: 5 RJ 32/90).

Zwar ist das Wort „ein“ in § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zwingend und ausnahmslos als Zahlwort zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.1977, Az.: 10 RV 67/76). Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass solange Gutachten gemäß § 109 SGG auf ein und dem selbem Fachgebiet eingeholt werden können, bis ein Kläger mit dem Ergebnis der von ihm benannten Sachverständigen einverstanden ist. Vielmehr beschränkt sich das Recht aus § 109 SGG auf die Beauftragung eines einzigen Sachverständigen, sondern nicht besondere Umstände die Einholung mehr als eines Gutachtens gemäß § 109 SGG zulässig machen. Ein Recht auf Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 109 SGG oder auch nur einer ergänzenden Stellungnahme gemäß § 109 SGG gibt es nur in den Grenzen zweckentsprechender Rechtsverfolgung (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 1139/59).

Derartige besondere Umstände können dann gegeben sein, wenn mehrere Fachgebiete betroffen sind. Im Übrigen beschränkt sich das Antragsrecht gemäß § 109 SGG in einem Fachgebiet auf einen - im Sinne eines Zahlworts - Sachverständigen. Dies ergibt sich aus der Zielsetzung des § 109 SGG. Diese ist, dem Versicherten oder Versorgungsberechtigten die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts durch einen Arzt seines Vertrauens zu ermöglichen, was lediglich dann, wenn mehrere Sachgebiete betroffen sind, zu der Zulässigkeit der Benennung mehrerer Sachverständigen auf mehreren Fachgebieten, aber nur jeweils eines Arztes pro Fachgebiet, führen kann (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.1977, Az.: 10 RV 67/76).

Derartige besondere Umstände können ausnahmsweise auch dazu führen, dass das Recht gemäß § 109 SGG auf einem bestimmten Fachgebiet nicht durch die Einholung des Gutachtens vollständig verbraucht ist. Dies kann dann der Fall sein, wenn sich nach Fertigstellung des Gutachtens gemäß § 109 SGG neue Tatsachen und Gesichtspunkte ergeben, die in dem auf Antrag des Berechtigten eingeholten Gutachten nicht gewürdigt werden konnten (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 1139/59). Voraussetzung ist dabei, dass es sich um eine entscheidungserhebliche neue Tatsache handelt (vgl. BSG, Urteil vom 14.03.1956, Az.: 9 RV 226/54), wobei sich die Frage der Entscheidungserheblichkeit nach der materiellen Rechtsauffassung der Tatsacheninstanz bemisst (vgl. BSG, Urteil vom 20.04.2010, Az.: B 1/3 KR 22/08 R). Eine weitere Ausübung des Antragsrechts gemäß § 109 SGG ist aber dann nicht möglich, wenn nicht ein Missbrauch ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Beschluss vom 06.05.1958, Az.: 10 RV 813/56).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben in der Rechtsprechung des BSG zu § 109 SGG ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag gemäß § 109 SGG aus mehreren Gründen abzulehnen:

o Auf dem selben Fachgebiet - Orthopädie - ist bereits im erstinstanzlichen Verfahren ein Gutachten auf Antrag des Klägers eingeholt worden.

o Neue entscheidungserhebliche Tatsachen und Gesichtspunkte sind nach der letzten Befassung des Sachverständigen gemäß § 109 SGG (Stellungnahme vom 12.10.2012) nicht bekannt geworden.

Der vom Kläger unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bericht über eine Kernspintomographie beinhaltet keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen und Gesichtspunkte. Die darin untersuchten Veränderungen am Schlüsselbein-Brustbeingelenk sind aus Sicht des Senats - und nur auf die kommt es an - nicht entscheidungserheblich.

Der Sachverständige Dr. C. hat schon im Verfahren vor dem Sozialgericht dargestellt, dass Veränderungen im Bereich des Schlüsselbein-Brustbeingelenks ohne Bedeutung für die Bewertung des Zusammenhangs sind. Weiter hat er nachvollziehbar erläutert, dass es lediglich bei der - unrichtigen! - Arbeitshypothese des Dr. S. auf Veränderungen im Schlüsselbein-Brustbeingelenk ankommen würde. Da es sich bei der von Dr. S. zugrunde gelegten Arbeitshypothese aber um eine Annahme handelt, die in den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Zusammenhangsbeurteilung keinerlei Stütze findet und der daher nach der Rechtsauffassung des Senats nicht gefolgt werden kann, kann es auf Veränderungen im Schlüsselbein-Brustbeingelenk bei der Entscheidung tatsächlich nicht ankommen. Letztlich ist es daher für die Beurteilung des Zusammenhangs ohne jede Bedeutung, ob und wenn ja in welchem Umfang Veränderungen am Schlüsselbein-Brustbeingelenk vorliegen. Schon aus diesem Grund wären daher keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Gesichtspunkte gegeben, wegen derer das Antragsrecht gemäß § 109 SGG als nicht vollständig verbraucht betrachtet werden dürfte.

Aber selbst wenn der falschen Arbeitshypothese des Dr. S. gefolgt und daher - fälschlicherweise - von einer potentiellen Relevanz etwaiger Veränderungen im Schlüsselbein-Brustbeingelenk ausgegangen würde, würde sich aus dem MRT-Bericht vom 11.02.2014 keine neue Tatsache ergeben. Denn aus diesem radiologischen Bericht ergibt sich gerade keine „stärker ausgeprägte Degeneration auf der rechten Seite“, wie dies die Bevollmächtigten des Klägers unter Verdrehung des radiologischen Befunds in ihrem Schreiben vom 14.02.2014 glauben machen wollen. Denn der Befundbericht vom 11.02.2014 beschreibt nur ein „geringes, gelenkspaltbezogenes Enhancement im Bereich beider Sternoclaviculargelenke, rechts stärker ausgeprägt“. Von einer - absolut betrachtet - „stärker ausgeprägte Degeneration auf der rechten Seite“, was möglicherweise im Sinn der falschen Arbeitshypothese des Dr. S., der der Senat nicht folgt, als neue Tatsache betrachtet werden könnte, kann daher entgegen den Ausführungen der Bevollmächtigten des Klägers nicht die Rede sein. Vielmehr liegen - so der MRT-Bericht - nur eine „geringe arthrotische Umformung“ und eine beiderseitige geringe Betroffenheit mit Rechtsbetonung vor.

Im Übrigen könnte der Versuch, über die falsche bzw. grob missverständliche Wiedergabe von Befunden aus dem MRT-Befund vom 11.02.2014 neue Tatsachen zu konstruieren, wegen Missbräuchlichkeit (vgl. BSG, Beschluss vom 06.05.1958, Az.: 10 RV 813/56) nicht zum Wiederaufleben des Antragsrechts aus § 109 SGG führen. Jedenfalls wären mit einer derart unlauteren Argumentation die Grenzen zweckentsprechender Rechtsverfolgung (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.1961, Az.: 10 RV 1139/59) überschritten.

o Schließlich wäre, auch wenn entgegen den obigen Ausführungen, noch nicht von einem grundsätzlichen Verbrauch des Rechts gemäß § 109 SGG auf orthopädischem Fachgebiet ausgegangen würde, die Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß § 109 SGG bei einem neuen Gutachter nicht vom Recht des § 109 SGG gedeckt. Denn § 109 SGG soll dem Versicherten oder Versorgungsberechtigten nur die Beurteilung des medizinischen Sachverhalts durch einen Arzt seines Vertrauens ermöglichen, ihm aber nicht die Gelegenheit geben, durch die Einholung mehrerer Gutachten auf dem selben Fachgebiet so lange auf das gewünschte gutachtliche Ergebnis hinzuarbeiten, bis er einen Sachverständigen findet, der ein dem Kläger genehmes Gutachten abliefert. Auf nichts anderes läuft nämlich die Vorgehensweise des Klägers hinaus, die sich insofern nicht mehr in den Grenzen zweckentsprechender Rechtsverfolgung bewegt und die Zielsetzung des § 109 SGG missbraucht.

Der Kläger versucht nämlich, durch die Behauptung falscher Tatsachen im Schreiben seiner Bevollmächtigten im Schreiben vom 14.02.2014 (vgl. oben) sich die Chance zu eröffnen, dass ein anderer Sachverständiger (Prof. Dr. I.) als der, der im sozialgerichtlichen Verfahren ein aus Sicht des Senats völlig unbrauchbares (vgl. oben) Gutachten erstellt hat (Dr. S.), zu einem für ihn besseren und insbesondere besser begründeten Ergebnis kommen würde. Aufgrund der ausgesprochen ausführlichen Erläuterungen im erstinstanzlichen Urteil und insbesondere im Erörterungstermin vom 28.01.2014 sowie in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2014 muss dem Kläger unmissverständlich klar geworden sein, dass das Gutachten des Dr. S. aufgrund seiner erheblichen Mängel keinesfalls eine Grundlage für eine positive Entscheidung des Gerichts darstellen kann. Diesen Mangel kann der Kläger aber nicht dadurch ausgleichen, dass er jetzt einen neuen Sachverständigen nach dem Motto „Neues Spiel, neues Glück“ benennt. Vielmehr hätten die Bevollmächtigten des Klägers, wenn sie sich im Rahmen zweckentsprechender Rechtsverfolgung bewegen hätten wollen, eine ergänzende Stellungnahme bei dem bereits in der Vergangenheit nach § 109 SGG tätigen Sachverständigen (Dr. S.) beantragen müssen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 109, Rdnr. 10b).

Eine Pflicht des Gericht, auf diese fehlerhafte Antragstellung gemäß § 109 SGG hinzuweisen, bestand angesichts der Rechtskundigkeit der Bevollmächtigten des Klägers vom VdK nicht, wie im Übrigen grundsätzlich, bei rechtskundigen und berufsmäßigen Bevollmächtigten völlig unstrittig, überhaupt keine Pflicht des Gerichts besteht, diese über das Antragsrecht gemäß § 109 SGG zu informieren (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B. Beschlüsse vom 23.10.1957, Az.: 4 RJ 142/57, vom 21.11.1957, Az.: 8 RV 611/56, und vom 26.03.2013, Az.: B 1 KR 35/12 B).

- Der Rechtsstreit konnte am 18.02.2014 entschieden werden. Einen Antrag auf Vertagung, über den der Senat zu befinden gehabt hätte und der Voraussetzung für eine Vertagung gewesen wäre (ständige Rspr. des BSG, vgl. z. B. Beschlüsse vom 28.09.1999, Az.: B 2 U 31/99 B, und vom 23.10.2003, Az.: B 4 RA 37/03 B), haben die Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht zu Protokoll gestellt.

Ein Vertagungsantrag, der von Seiten der Bevollmächtigten zunächst in die Erwägungen einbezogen worden ist, wurde nicht gestellt, nachdem die ergänzende Stellungnahme des Dr. C. vom 17.02.2014 ausführlich besprochen worden ist. Ein Bedürfnis für die Gewährung rechtlichen Gehörs hat für die Bevollmächtigten des Klägers daher nach ihrem eigenen Vorbringen und Verhalten in der mündlichen Verhandlung nicht mehr bestanden. Im Übrigen spricht Alles dafür, dass ein derartiger Antrag auch als unbegründet abzulehnen gewesen wäre, da keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen in der mündlichen Verhandlung bekannt geworden sind, die im Sinn des rechtlichen Gehörs einer Äußerungsfrist bedurft hätten. Vielmehr ist dem kurz vor der Sitzung von den Bevollmächtigten vorgelegten MRT-Befund nichts entscheidungserheblich Neues zu entnehmen (vgl. oben). Durch von den Bevollmächtigten des Klägers erhobene unrichtige Behauptungen zu tatsächlich nicht gegebenen Tatsachen könnte nicht mit Hinweis auf das rechtliche Gehör eine Verzögerung des Verfahrens bewirkt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben (§ 160 Abs. 2 SGG).

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. Feb. 2014 - L 15 VS 10/13 zitiert 9 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 103


Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 106


(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

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Bundessozialgericht Beschluss, 26. März 2013 - B 1 KR 35/12 B

bei uns veröffentlicht am 26.03.2013

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Beschluss, 13. Mai 2011 - B 12 R 25/10 B

bei uns veröffentlicht am 13.05.2011

Tenor Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. August 2010 wird als unzulässig verworfen.
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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 18. März 2015 - L 15 SB 127/14

bei uns veröffentlicht am 18.03.2015

Tenor I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. Februar 2014 wird insoweit aufgehoben und die Klage abgewiesen, als die Klägerin die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG begehrt. II. Der Bekla

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. August 2010 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6311,76 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Klägerin wendet sich in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit gegen eine im Anschluss an eine Betriebsprüfung durch die Beklagte festgesetzte Nachforderung von Pflichtversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für den Beigeladenen zu 1. für das Jahr 2005. Widerspruch, Klage und Berufung, die insbesondere auf die Behauptung gestützt waren, der Beigeladene zu 1. habe, wie in den Vorjahren, auch im Jahr 2005 Anspruch auf ein Entgelt oberhalb der Jahresentgeltgrenze gehabt und diese Grenze sei nur durch einen Buchungsfehler des Steuerbüros unterschritten worden, sind ohne Erfolg geblieben.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde eingelegt.

3

II. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen, weil sie keinen Zulassungsgrund in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt oder bezeichnet hat.

4

Die Klägerin rügt ausschließlich Verfahrensverstöße iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG durch das LSG. Für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) müssen die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Verfahrensmangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 14, 36). Dies hat die Klägerin nicht in der gebotenen Weise getan.

5

1. Zur Begründung des von ihr gerügten Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 Satz 1 SGG) macht sie geltend, das Gericht habe ihren Vortrag, wonach das Ausbleiben von ein Überschreiten der Jahresentgeltgrenze sichernden Sonderzahlungen ab 2004 auf einem Fehler des mit der Lohnabrechnung beauftragten Steuerberatungsbüros beruhe und die - trotz Zustimmung zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ausdrücklich aufrechterhaltenen - diesbezüglichen Beweisanträge aus einem Schriftsatz vom 27.10.2008 übergangen. Deshalb habe das LSG bei der Urteilsfindung falsche Schlussfolgerungen gezogen.

6

Die Rüge der Verletzung des § 103 SGG ("Aufklärungsrüge") kann jedoch gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dazu ist ein vom Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer Beweisantrag im hier maßgeblichen Sinn der ZPO zu benennen (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN). Bloße Beweisantritte oder Beweisanregungen genügen insoweit nicht, denn sie haben prozessual und im Hinblick auf die an besondere Voraussetzungen geknüpfte Aufklärungsrüge nicht dieselbe Bedeutung wie ein förmlicher Beweisantrag (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 20). Ein solcher Beweisantrag wird in der Beschwerdebegründung nicht bezeichnet. Dies gilt auch für das Zitat aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 27.10.2008, denn dieses gibt lediglich Beweisantritte, jedoch keine förmlichen Beweisanträge wieder (zur Unterscheidung vgl BSG aaO). Darüber hinaus fehlen in der Beschwerdeschrift Darlegungen zum Gang der Urteilsbegründung des LSG und hierauf aufbauend dazu, dass das LSG bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, der Klägerin günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl zu diesen Erfordernissen BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

7

Soweit die Klägerin mit dem vorstehend bezeichneten Vortrag auch die Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG rügen wollte, kann hierauf die Beschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht gestützt werden.

8

2. Auch der von der Klägerin als Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG) gerügte Verstoß des LSG gegen die richterliche Hinweispflicht (§ 153 Abs 1 iVm § 112 Abs 2 Satz 2 SGG) ist mit der Behauptung, das Gericht habe die Pflicht gehabt, darauf hinzuweisen, dass es "trotz 12-jähriger Praxishandhabung" von einer Änderung der behaupteten Sonderzahlungsabrede ausgehe, nicht in der gebotenen Weise dargelegt. Denn es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3; BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 S 3). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der vom Berufungsgericht eingenommene Standpunkt dem Verfahren eine überraschende Wende gibt (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 62 RdNr 8a f). Dass ein solcher Ausnahmetatbestand vorliegt, hat die Klägerin schon deshalb nicht ausreichend dargelegt, weil das LSG - wie sich aus dem Zitat des Schriftsatzes der Klägerin vom 27.10.2008 ergibt - insoweit dem bereits vom SG vertretenen Standpunkt gefolgt ist.

9

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).

10

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm §§ 154 Abs 2, 162 Abs 3 VwGO.

11

5. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren war gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2, 52 Abs 1 und 3, 47 Abs 1 und 3 GKG entsprechend den von den Beteiligten nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts in Höhe der mit der Klage angegriffenen Beitragsforderung festzusetzen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2012 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger stritt in erster Linie um Implantatversorgung im ersten Quadranten seines Mundes, hilfsweise möglichst umfassende Kostenerstattung hierfür. Er ließ am 2.1.2008 den Zahn 13 entfernen und sich implantologisch vorbehandeln (Knochenimplantation) zum Zwecke der späteren Inserierung eines Implantats. Zu diesem Zeitpunkt war er mit einer an Zahn 17 und Zahn 14 befestigten Brücke bei fehlenden Zähnen 15 und 16 im ersten Quadranten des Mundes versorgt. Die Beklagte lehnte seinen Antrag ab, die Kosten der Knochenimplantation zu übernehmen. Sie forderte ihn auf, einen Heil- und Kostenplan (HKP) zur Gewährung des Festzuschusses vorzulegen (Bescheid vom 21.2.2008). Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Der zwei Therapieschritte umfassende HKP vom 15.7.2008 der Dres. R. sah für den ersten Therapieschritt bei einem tatsächlich beabsichtigten Implantat für Zahn 13 eine fiktive Regelversorgung im ersten Quadranten ohne Implantat für Zahn 13 vor. Hierauf bewilligte die Beklagte 333,57 Euro Festzuschuss für den ersten und 321,15 Euro Festzuschuss für den zweiten Therapieschritt (Bescheide vom 23.7.2008) und lehnte mit weiterem, mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenem Bescheid vom selben Tag die Übernahme der Kosten für implantologische Leistungen ab. Der Kläger griff die Festzuschussbescheide mittels Widerspruchs an. Die Beklagte erhöhte zunächst den Festzuschuss für den ersten Therapieschritt auf 414,54 Euro (Bescheid vom 1.10.2008), und hob sodann den Festzuschussbescheid für den ersten Therapieschritt auf (Bescheid vom 25.11.2008), weil die bewilligte Regelversorgung aus medizinischen Gründen nicht mehr möglich sei. Sie versagte dem zweiten HKP vom 24.11.2008 die Genehmigung (Bescheid vom 13.1.2009), weil der HKP keine genehmigungsfähige Regelversorgung beschreibe. Auch gegen den letztgenannten Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Die Beklagte bewilligte dem Kläger aufgrund des dritten HKP vom 30.1.2009 ua 649,26 Euro Festzuschuss für den ersten Therapieschritt (Bescheid vom 11.2.2009). Nach Klageerhebung am 24.2.2009 gegen die Versagung implantologischer Leistungen und die Festzuschussbescheide hat die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21.9.2009 die Widersprüche gegen die Festzuschussbescheide vom 25.11.2008, 13.1.2009 und 11.2.2009 zurückgewiesen. Das SG hat nach Einholung eines zahnärztlichen Gutachtens den als Bezuschussung zur Implantatversorgung im Oberkiefer (Zahn 13) und zur Neuanfertigung der Brücke zwischen Zahn 14 und 17 in der Sitzungsniederschrift formulierten Klageantrag abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger die Lücken bei Zahn 13, 15 und 16 durch Implantate und die im Juli 2010 entstandene Lücke bei Zahn 14 durch eine implantatgestützte Brücke schließen lassen (9.8.2010, 30.11.2010). Die Beklagte hat auf den vierten HKP vom 27.9.2010, geändert durch den HKP vom 26.10.2010, ua 289,57 Euro Festzuschuss für den ersten Therapieabschnitt bewilligt (Bescheid vom 2.11.2010). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG haben die Beteiligten den Rechtsstreit auf den ersten Therapieschritt beschränkt. Der Klageantrag ist danach als auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Zuschusses zur implantatgestützten Versorgung vom 30.10.2010 in der Sitzungsniederschrift formuliert worden. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, die Klage gegen die die Festzuschüsse betreffenden Bescheide sei hinfällig geworden, weil die Bewilligungen voraussetzten, dass die Eingliederung des Zahnersatzes innerhalb von sechs Monaten erfolgen müsse und der Kläger keine den HKP entsprechende Behandlung begonnen habe. Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe nur hinsichtlich der Feststellung, dass die Voraussetzungen für eine implantatgestützte Versorgung erfüllt seien. In der Sache habe der Kläger jedoch keinen derartigen Anspruch, weil er nach § 28 Abs 2 S 9 SGB V iVm mit den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen vom 8.12.2004 (BAnz Nr 54 vom 18.3.2005 S 4094, zuletzt mit Wirkung vom 1.1.2008 geändert am 7.11.2007, BAnz Nr 241 vom 28.12.2007 S 8383; Zahnersatz-Richtlinie) die dort aufgestellten, mit höherrangigem Recht in Einklang stehenden Voraussetzungen nicht erfülle. Dies gehe aus dem zutreffenden zahnärztlichen Gutachten des Dr. D. hervor (Urteil vom 19.1.2012).

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Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

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II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung(dazu 1.) und des Verfahrensmangels (dazu 2.) nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG.

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1. Wer sich - wie hier der Kläger - auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Wer sich dabei auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl zB BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschlüsse vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B - Juris und vom 16.2.2009 - B 1 KR 87/08 B - Juris). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung genügt dem nicht.

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Der Kläger stellt zwar - nach Darlegung der Entwicklung der Zahnbefunde des Klägers - die Rechtsfrage,

        

"ob es in Anbetracht der vorliegenden Fallkonstellation, die zahlreich auftreten kann, verfassungskonform ist, dem Versicherten zuzumuten, funktionstüchtigen Zahnersatz sowie natürliche Zahnsubstanz zerstören lassen zu müssen und durch kostenaufwändigen Zahnersatz erneuern zu lassen, um im Rahmen der Regelversorgung lediglich eine Lücke (vorliegend Zahn 13) versorgen zu lassen".

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Der Kläger legt die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht in dem gebotenen Umfang dar. Der Beschwerdebegründung sind nämlich nicht der nähere Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung, die Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG und die Verletzung der konkreten Regelung des GG zu entnehmen.

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Der Beschwerdebegründung mangelt es im Übrigen auch an hinreichenden Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Weder setzt sie sich unter Berücksichtigung möglicher verfahrensrechtlicher Hindernisse mit den materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 SGB V auseinander noch geht sie auf rechtliche Auswirkungen der weiteren Veränderung des Zahnbefundes des Klägers ein.

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2. Der Kläger erfüllt mit seinem Vorbringen nicht die Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensmangels, soweit er einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (dazu a), einen Gehörsverstoß wegen des unterlassenen Hinweis des LSG auf § 109 SGG(dazu b) und die Verletzung effektiven Rechtsschutzes (dazu c) rügt.

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Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist eine Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG und hierzu zB BSG Beschluss vom 10.8.2007 - B 1 KR 58/07 B - Juris RdNr 4 mwN).

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a) Der Kläger bezeichnet einen Verstoß gegen § 103 SGG nicht in der gebotenen Weise. Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss daher (1) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, (2) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5) schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf dem angeblich fehlerhaften Unterlassen der Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können(vgl zB BSG Beschluss vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - RdNr 5 mwN; BSG Beschluss vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - Juris RdNr 3 mwN; s ferner BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34).

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Ungeachtet der Frage, ob der im Berufungsverfahren nicht anwaltlich vertretene Kläger hinreichend konkrete Sachverhaltsermittlungen eingefordert hat, enthält die Beschwerdebegründung keine Ausführungen zu den weiteren Voraussetzungen. Vielmehr beschränkt sie sich auf die Angabe, dass die vom Kläger angeführten "Schiefstellungen der Zähne" eine weitere Sachverhaltsermittlung geboten hätten. Hinsichtlich des Implantats bei Zahn 13 legt der Kläger nicht dar, warum sich das LSG, das insoweit seine Entscheidung auf das Gutachten von Dr. D. stützt, hätte gedrängt fühlen müssen, ein weiteres Gutachten einzuholen. Hinsichtlich der vorbereitenden Behandlung bei Zahn 13 (Knochenimplantation) und der Implantate bei Zahn 15 und 16 fehlt es an Ausführungen dazu, warum mit Blick auf die Selbstbeschaffung dieser Leistungen vor Antragstellung und die Voraussetzungen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V die Entscheidung des LSG auf einer Verletzung der Amtsermittlung beruhen kann.

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b) Eine Gehörsverletzung sieht der Kläger darin begründet, dass das LSG ihn nicht auf sein Antragsrecht nach § 109 SGG hingewiesen habe. Auch hiermit bezeichnet er keinen Verfahrensmangel in zulässiger Weise. Der Kläger trägt nämlich im Kern vor, das LSG habe seine Hinweispflicht nach § 106 Abs 1 SGG verletzt, weil es ihn nicht auf sein Recht auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes gemäß § 109 SGG hingewiesen habe; dies enthalte zugleich einen Gehörsverstoß. Dieses Vorbringen lässt schon im Ansatz außer Acht, dass keine Verpflichtung des Gerichts besteht, auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 109 SGG hinzuweisen(vgl BSG vom 21.11.1957 - 8 RV 611/56 - SozR Nr 12 zu § 109 SGG; BSG Beschluss vom 22.7.2010 - B 13 R 585/09 B - Juris RdNr 8 mwN).

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c) Der Kläger bezeichnet schließlich keinen Verstoß gegen das Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Er rügt, dass nach Auffassung des LSG eine Anfechtungs- und Leistungsklage auf einen höheren Festzuschuss unzulässig wird, wenn die Eingliederung des Zahnersatzes nicht binnen sechs Monaten erfolgt, weil der Festzuschussbescheid insoweit befristet ist. Da Widerspruchs- sowie Klageverfahren diesen Zeitraum regelmäßig überschritten, versage ihm das LSG mit seiner Rechtsauffassung effektiven Rechtsschutz. Der Kläger legt insoweit nicht hinreichend einen Verfahrensmangel dar. Art 19 Abs 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt; der Rechtsschutz darf sich dabei nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpfen, sondern muss zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch ein mit zureichender Entscheidungsmacht ausgestattetes Gericht führen (stRspr: vgl BVerfGE 67, 43, 58 mwN; BVerfG Beschluss vom 10.10.2012 - 2 BvR 922/11 - Juris RdNr 21). Der Kläger setzt sich schon nicht damit auseinander, dass das LSG weiterhin von einer zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage ausgegangen ist.

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3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.