Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 19. Mai 2015 - L 11 AS 53/15

bei uns veröffentlicht am19.05.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Gründe

Rechtskräftig: unbekannt

Spruchkörper: Senat

Hauptschlagwort: Alleinstehende, Arbeitslosengeld II, Regelbedarf

Titel:

Normenkette:

Leitsatz:

in dem Rechtsstreit

A., A-Straße, A-Stadt

- Klägerin und Berufungsklägerin -

gegen

Jobcenter Fürth Land,

vertreten durch den Geschäftsführer, St-platz ..., F.,

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Der 11. Senat des Bayer. Landessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung in Schweinfurt am 19. Mai 2015 durch den Richter am Bayer. Landessozialgericht Strnischa als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Förster und Breitenbach für Recht erkannt:

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.03.2012 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.01.2012 im Hinblick auf einen höheren Regelbedarf.

Die Klägerin bezieht Alg II vom Beklagten. Ihre Miete betrug einschließlich Betriebskosten 330 € (265 € zzgl. 65 €) monatlich und ihr Heizkostenabschlag 65 € bzw. 94 € (ab Juli 2011) monatlich. U. a. im Hinblick auf eine gesetzliche Erhöhung des Regelbedarfs änderte der Beklagte die ursprüngliche Bewilligung von Alg II im Bescheid vom 28.10.2010 mit Bescheid vom 26.03.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 05.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 für die Zeit vom 01.01.2011 bis 28.02.2011 ab und gewährte Leistungen i. H. v. monatlich 759 € (364 € Regelbedarf und 395 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung).

Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 07.02.2011 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 26.03.2011, 05.05.2011 und 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 Alg II für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 i. H. v. monatlich 759 € (364 € Regelbedarf und 395 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und für die Zeit vom 01.07.2011 bis 31.07.2011 i. H. v. 788 € (364 € Regelbedarf und 424 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Die mit Schreiben vom 13.07.2011 beantragten Leistungen bezüglich einer Heizkostennachzahlung i. H. v. 242,12 € bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2011 in voller Höhe.

Mit Bescheid vom 08.07.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 26.11.2011 wurden der Klägerin für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.12.2011 Leistungen i. H. v. monatlich 788 € (364 € Regelbedarf und 424 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.01.2012 i. H. v. 798 € (374 € Regelbedarf und 424 € Bedarfe für Unterkunft und Heizung) bewilligt.

Gegen die Widerspruchsbescheide vom 27.10.2011 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Die Höhe des Regelbedarfs werde den aktuellen Lebenshaltungskosten nicht gerecht. Auch seien im Nachgang zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 lediglich einzelne Posten der Bemessung als strittig deklariert, aber keine Konsequenzen gezogen worden. Nachzahlungsposten würden keine Berücksichtigung finden. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.03.2012 abgewiesen. Die Bemessung der Höhe des Regelbedarfs sei nicht verfassungswidrig.

Die Klägerin hat dagegen Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Der Regelbedarf sei auch nach der Erhöhung um 10 € zu niedrig. Eine Teilnahme am Leben und der Kauf von Nahrungsmitteln seien damit nicht möglich. Unabhängig davon, wie der Gesetzgeber das Existenzminimum rechtfertige, seien die Leistungen zu niedrig. Es seien monatlich 459 € zu zahlen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.03.2012 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26.03.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 05.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011, des Bescheides vom 07.02.2011 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 26.03.2011, 05.05.2011 und 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 und des Bescheides vom 08.07.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 26.11.2011 zu verurteilen, für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2011 weitere Leistungen für den Regelbedarf i. H. v. monatlich 95 € und für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.01.2012 i. H. v. 85 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe :

Die form- und fristgerechte eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 26.03.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 05.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011, der Bescheid vom 07.02.2011 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 26.03.2011, 05.05.2011 und 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 und der Bescheid vom 08.07.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 26.11.2011 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Streitgegenstand ist vorliegend die Zahlung weiteren Alg II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.01.2012 in Bezug auf höhere Regel- und Mehrbedarfe (vgl. zur möglichen Beschränkung des Streitgegenstandes zuletzt BSG, Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 55/13 R - und Urteil vom 28.10.2014 - B 14 AS 65/13 R - jeweils zitiert nach juris), worüber der Beklagte mit Bescheid vom 26.03.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 05.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 (01.01.2011 bis 28.02.2011), Bescheid vom 07.02.2011 i. d. F. der Änderungsbescheide vom 26.03.2011, 05.05.2011 und 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 (01.03.2011 bis 30.06.2011) und Bescheid vom 08.07.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 28.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.10.2011 i. d. F. des Änderungsbescheides vom 26.11.2011 (01.08.2011 bis 31.01.2012) entschieden hat. Nicht zu prüfen waren weitere Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Im Übrigen gibt es keine Anhaltspunkte für einen höheren Anspruch in Bezug auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, da der Beklagte diesbezüglich die tatsächlichen Kosten berücksichtigt hat. Er hat hierfür durchgehend Leistungen i. H. v. 330 € (Miete 265 € und Betriebskosten 65 €) erbracht. Daneben wurde der jeweils zu zahlende Heizkostenabschlag i. H. v. 65 € bzw. 94 € (ab Juli 2011) zugrunde gelegt.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Alg II in Bezug auf den Regelbedarf bzw. für Mehrbedarfe für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.01.2012.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Diese Leistungsvoraussetzungen werden von der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.01.2012 unstreitig erfüllt. Höhere als die vom Beklagten gewährten Leistungen kann die Klägerin im Hinblick auf den Regelbedarf aber nicht beanspruchen.

Das Alg II enthält nach § 19 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 SGB II neben dem Bedarf für Unterkunft und Heizung auch den Regelbedarf und Mehrbedarfe. Als Regelbedarf werden bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich 364 € anerkannt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Diese Regelbedarfshöhe hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2011 zutreffend berücksichtigt. Auch wurde die neue Regelbedarfshöhe ab 01.01.2012 i. H. v. 374 € für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.01.2012 berücksichtigt (§ 20 Abs. 1 und 2 Satz 1, Abs. 5 SGB II i. V. m. § 28a Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - i. V. m. der Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 138 Nr. 2 SGB XII für das Jahr 2012 - RBSFV 2012 - vom 17.10.2011 - BGBl. I S 2090). Anhaltspunkte für Mehrbedarfe sind bei der Klägerin nicht gegeben und auch nicht vorgetragen.

Die Höhe des Regelbedarfs ist nicht verfassungswidrig. Gerichte sind an das Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 Grundgesetz -GG-). Bei einem Konflikt zwischen einem einfachen Gesetz und der Verfassung kann sich ein Gericht nicht über das Gesetz stellen, es kann das Gesetz nur gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG vorlegen. Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn das vorlegende Gericht von der Verfassungswidrigkeit des einfachen Gesetzes überzeugt ist (vgl. Beschluss des Senats vom 08.02.2012 - L 11 AS 49/12 B PKH - juris). Für eine Verfassungswidrigkeit des neuen Regelbedarfsgesetzes gibt es keine entsprechenden Anhaltspunkte.

Das Gericht schließt sich insofern der Auffassung des BVerfG (Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 - juris) zur Verfassungsmäßigkeit der Neuermittlung der Regelbedarfe ab 01.01.2011 für Alleinstehende an. Danach erstreckt sich der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Dem Gesetzgeber steht hierbei ein Gestaltungsspielraum zu. Mit den von ihm getroffenen Regelungen zur Festsetzung der Regelbedarfe hat er den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Regelbedarfs nach dem SGB II zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums und die Anpassung der Leistungshöhe gesetzlich gesichert. Weder sind Leistungen evident unzureichend festgesetzt noch liegt ein Verstoß gegen Grundrechte vor. Die Vorgaben für die Bestimmung der Leistungshöhe genügen im streitgegenständlichen Zeitraum den Anforderungen an eine sachangemessene Berechnung der Leistungshöhe und die Vorgaben für die Fortschreibung des Regelbedarfs sind mit der Verfassung vereinbar. Insbesondere hat der Gesetzgeber relevante Bedarfe nicht übersehen und sich auf geeignete empirische Daten gestützt. Er konnte sich an dem Verbrauchsverhalten der unteren Einkommensgruppen orientieren. Der existenzielle Bedarf wurde auch nicht unzutreffend ermittelt. Insbesondere entspricht - jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum - der für den Haushaltsstrom zugrunde gelegte Bedarf den grundgesetzlichen Anforderungen. Auch wenn es bei einzelnen Bedarfen zu punktuellen Unterdeckungen kommen kann, ist dies nicht zu beanstanden, da ein interner Ausgleich stattfinden kann.

Da mit den vom Beklagten zugrunde gelegten Regelbedarfen das menschenwürdige Existenzminimum gesichert ist, besteht kein Anspruch auf die Gewährung eines monatlichen Regelbedarfs von 459 €, wie ihn die Klägerin geltend macht. Der Gesetzgeber hat insbesondere Bedarfe für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und zum Erwerb für Nahrungsmittel in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt.

Die Berufung der Klägerin hatte nach alledem keinen Erfolg und war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

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(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des tägl

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Tenor

Die Revisionen der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind die Gewährung von Leistungen für den Regelbedarf im Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2011 an die Klägerin zu 2, trotz des zeitgleichen Bezugs von Teilhabeleistungen nach §§ 97 ff SGB III, und höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1.

2

Der im streitigen Zeitraum 19- bzw 20-jährigen Klägerin zu 2 ist ein GdB von 100 wegen einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit zuerkannt worden. Sie erhielt in dem hier streitigen Bewilligungsabschnitt Teilhabeleistungen nach §§ 97 ff SGB III iVm §§ 33 ff und §§ 44 ff SGB IX durch die BA in Gestalt einer Ausbildung zur Buchbinderin - Buchfertigung (Serie) im Berufsbildungswerk M und wohnte im dortigen Internat mit Vollverpflegung. Während der Ferien und jedes zweite Wochenende (Heimfahrtwochenende) war das Internat geschlossen. Das Ausbildungsgeld betrug 104 Euro monatlich. Zudem erhielt sie Fahrtkosten in Höhe von 236 Euro monatlich und einmalig für die An- und Abreise 118 Euro. Der Ausbildungsvertrag vom 28.6.2010 war ins Ausbildungsverzeichnis der IHK eingetragen.

3

Die erwerbsfähige Klägerin zu 1 ist die Mutter der Klägerin zu 2. Sie lebte mit einer weiteren, 1993 geborenen Tochter (im Weiteren S) im streitigen Zeitraum in einer gemeinsamen Wohnung in H Dorthin kehrte die Klägerin zu 2 auch während der Schließungszeiten des Internats zurück. Die Klägerin zu 1 und S erhielten bereits vor dem streitigen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von dem Beklagten. S erzielte 140 Euro aus einer Praktikumstätigkeit. Die Klägerin zu 1 erhielt für beide Kinder Kindergeld in Höhe von 368 Euro insgesamt (2 x 184 Euro).

4

Durch Bescheid vom 29.11.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1 - einschließlich einer Mehrbedarfsleistung für Alleinerziehung - und S Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, jedoch ohne Unterkunftsleistungen, die der kommunale Träger gewährte. Diesen Bescheid änderte er durch Bescheid vom 26.3.2011 wegen der gesetzlichen Erhöhung der Leistungen für den Regelbedarf, durch Bescheid vom 30.3.2011 wegen einer fiktiven Einkommensberücksichtigung der S, durch Bescheid vom 25.5.2011 wegen des Zuflusses von Einkommen der S unter Aufhebung der vorhergehenden Bewilligung und Geltendmachung einer Erstattungsforderung und wiederholte dies durch Bescheid vom 27.7.2011. Die Widersprüche der Klägerinnen und S gegen den ersten Bewilligungsbescheid wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 4.8.2011 zurück. Zur Begründung führte er ua aus, die Klägerin zu 2 habe aufgrund ihres Ausschlusses als Auszubildende keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und bilde keine zumindest temporäre Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1 und S. Die Ausnahmeregelung des § 7 Abs 6 SGB II greife hier nicht. Das der Klägerin zu 1 für die Klägerin zu 2 gezahlte Kindergeld sei als Einkommen der Kindergeldberechtigten bei der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen, denn die Klägerin zu 2 sei volljährig und das Kindergeld werde nicht nachweislich an sie weitergeleitet.

5

Das SG hat die Klagen der Klägerinnen zu 1 und 2 sowie von S - Letztere ist durch Berufungsrücknahme im zweitinstanzlichen Verfahren als Verfahrensbeteiligte ausgeschieden - abgewiesen (Urteil vom 28.3.2012). Zuvor hatte sich der Beklagte bereit erklärt, über einen Anspruch der Klägerin zu 2 (im Urteil des SG als Klägerin zu 3 bezeichnet) auf Darlehensleistungen nach § 7 Abs 5 S 2 SGB II bzw § 27 Abs 4 SGB II zu entscheiden, den er später anerkannt hat, soweit von einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II auszugehen sei. Das SG hat die Bescheide des Beklagten für rechtmäßig befunden und einen Leistungsausschluss der Klägerin zu 2 bejaht. Die von der Klägerin zu 2 absolvierte Ausbildung sei dem Grunde nach förderfähig nach dem SGB III. Hieraus folge, dass auch die Klägerin zu 1 keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe. Ebenso wenig sei ein Anspruch der Klägerin zu 2 auf Mehrbedarfsleistungen nach dem SGB II gegeben, insbesondere nicht nach § 21 Abs 4 und § 27 Abs 2 SGB II. Das LSG hat die Berufung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des SG und einen Verweis auf zahlreiche Entscheidungen anderer Landessozialgerichte zurückgewiesen (Urteil vom 15.5.2013). Leistungen für Unterkunft und Heizung hat es als nicht streitgegenständlich bewertet, denn der Beklagte habe hierüber im streitigen Zeitraum nicht zu entscheiden gehabt. Von einer Beiladung des Jobcenters M habe abgesehen werden können, denn die Klägerin zu 2 habe ihren Lebensmittelpunkt in H bei ihrer Mutter aufrecht erhalten.

6

Mit ihrer - durch Beschluss des erkennenden Senats vom 1.11.2013 zugelassenen - Revision haben die Klägerinnen ua eine Verletzung von § 7 Abs 5 S 1 SGB II geltend gemacht. Die Klägerin zu 2 sei nicht von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Bereits der Wortlaut des § 7 Abs 5 SGB II zeige, dass die beim Berufsbildungswerk M erbrachte Teilhabeleistung keine dem Grunde nach förderfähige Ausbildung sei. Ausgangspunkt der Bewertung insoweit sei das konkrete Ausbildungsverhältnis. Es mangele hier an dem nach § 57 SGB III erforderlichen Ausbildungsvertrag und die Klägerin zu 2 habe auch keine Vergütung erhalten. Zudem sei die Berufsausbildungsbeihilfe monetär deutlich höher als das hier erbrachte Ausbildungsgeld. Das Ausbildungsgeld selbst und die ihr gewährten Leistungen für Fahrtkosten seien nicht als Einkommen bei der Berechnung der der Klägerin zu 2 zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu berücksichtigen. Es handele sich insoweit um zweckgebundene Einnahmen. Die Klägerin zu 2 habe als nach dem SGB II Leistungsberechtigte auch Anspruch auf die Mehrbedarfsleistung des § 21 Abs 4 SGB II.

7

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Mai 2013 und des Sozialgerichts Heilbronn vom 28. März 2012 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 29. November 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. März 2011, 30. März 2011 und 25. Mai 2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2011 zu ändern, und den Beklagten zu verurteilen, für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. Juni 2011 der Klägerin zu 2 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich einer Mehrbedarfsleistung nach § 21 Abs 4 SGB II sowie der Klägerin zu 1 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend. Ergänzend weist er darauf hin, dass die Klägerin zu 2 eine Ausbildung entsprechend der Buchbinder-Ausbildungsverordnung absolviert habe. Ihr seien zudem neben dem Ausbildungsgeld weitere Leistungen in Gestalt der Unterbringung im Internat, Verpflegung und Reisekosten gewährt worden.

Entscheidungsgründe

10

Die Revisionen der Klägerinnen sind unbegründet.

11

Die Klägerin zu 2 hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie ist von diesen nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II idF des Gesetzes vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) bzw § 7 Abs 5 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.4.2011) ausgeschlossen, da sie mit der Ausbildung zur Buchbinderin eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung nach dem SGB III absolviert (2.). Eine Rückausnahme nach § 7 Abs 6 SGB II ist hier nicht gegeben (3.) Sie hat auch keinen Anspruch auf Mehrbedarfsleistungen nach § 21 Abs 4 SGB II. Anhaltspunkte für einen anderen Mehrbedarf iS des § 21 SGB II oder § 27 Abs 2 SGB II idF der Neubekanntgabe vom 13.5.2011 (BGBl I 850, mWv 1.4.2011) sind ebenfalls nicht gegeben (4.). Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das ihr als Kindergeldberechtigter gezahlte Kindergeld für die Klägerin zu 2 ist im Rahmen der Berechnung der Leistungen der Klägerin zu 1 als deren Einkommen zu berücksichtigen (5.).

12

1. Streitgegenstände des Revisionsverfahrens sind die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich Mehrbedarfsleistungen an die Klägerin zu 2 sowie höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1 im Zeitraum vom 1.1. bis 30.6.2011 als von dem Beklagten im Bewilligungsbescheid vom 29.11.2010 idF der Änderungsbescheide vom 26.3.2011, 30.3.2011 und 25.5.2011, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.8.2011, verfügt. Die Verfügung des Beklagten im Bescheid vom 30.3.2011 ist zwar, soweit sie die Leistungen der S betrifft, nicht mehr Gegenstand des Verfahrens vor dem Revisionsgericht. S hat die Berufung vor dem LSG zurückgenommen und ist keine Revisionsklägerin. Sollte jedoch das Kindergeld für die Klägerin zu 2 nicht als Einkommen bei der Klägerin zu 1 zu berücksichtigen sein, würde sich das Verhältnis des eigenen Bedarfs der Klägerin zu 1 zum Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft auch unter Berücksichtigung des Einkommens von S ändern, sodass die Bemessung der Leistung für die Klägerin zu 1 in diesem Bescheid insoweit streitgegenständlich bleibt. Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist hingegen der Bescheid des Beklagten vom 27.7.2011, denn er wiederholt nur die Verfügung vom 25.5.2011. Ebenfalls nicht Streitgegenstand sind Leistungen für Unterkunft und Heizung. Abgesehen davon, dass der Beklagte insoweit keine Verfügungen in den angefochtenen Bescheiden getroffen hat, weil er den kommunalen Träger hierfür in der Pflicht sah, haben die Klägerinnen auch keine Klage wegen der Unterkunfts- und Heizkosten erhoben. Die Trennung der Streitgegenstände Regelbedarf sowie Bedarf für Unterkunft und Heizung ist auch zulässig. Insoweit schließt sich der erkennende Senat dem 14. Senat des BSG an, der mit Urteil vom 4.6.2014 in einem zu dem vorliegenden umgekehrten Fall befunden hat, die Beschränkung der Klage auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung sei zulässig, auch wenn sie - wie hier - einen Zeitraum nach dem Inkrafttreten des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG (BGBl I 453, mWv 1.1.2011 bzw 1.4.2011) betreffe (B 14 AS 42/13 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die darlehensweise Leistungsgewährung aufgrund eines Härtefalls nach § 7 Abs 5 S 2 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) bzw § 27 Abs 4 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.4.2011) war im Revisionsverfahren nicht mehr zu prüfen, da der Beklagte insoweit ein von den Klägerinnen angenommenes Anerkenntnis für den Fall des Leistungsausschlusses der Klägerin zu 2 abgegeben hat.

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2. Unabhängig von den fehlenden Feststellungen des LSG zur Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 2 iS des § 7 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 SGB II war sie im streitigen Zeitraum bereits wegen des Absolvierens einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gemäß § 7 Abs 5 S 1 bzw dem wortgleichen § 7 Abs 5 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011 (BGBl I 453, mWv 1.4.2011) ausgeschlossen. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung …. nach den §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die von der Klägerin zu 2 absolvierte Ausbildung zur Buchbinderin führt zu einem derartigen Leistungsausschluss. Es handelt sich bei dieser um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung iS des § 7 Abs 5 SGB II. Hieran ändert es nichts, dass deren Förderung durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen erfolgt ist (Ausschluss auch bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Sächsisches LSG vom 9.9.2013 - L 7 AS 1237/13 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen 22.1.2014 - L 13 AS 140/11, beim BSG anhängig unter dem Aktenzeichen B 14 AS 16/14 R; kein Ausschluss: s LSG Berlin-Brandenburg vom 11.2.2008 - L 5 B 10/08 AS ER; kein Ausschluss bei einer berufsvorbereitenden Maßnahme als Teilhabeleistung: LSG Berlin-Brandenburg vom 10.3.2009 - L 20 AS 47/09 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.11.2011 - L 20 AS 1663/10; LSG Berlin-Brandenburg vom 16.1.2011 - L 26 AS 2360/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg vom 26.6.2013 - L 34 AS 2690/12; LSG Nordrhein-Westfalen vom 13.3.2014 - L 9 AS 310/13, anhängig beim BSG unter dem Aktenzeichen B 14 AS 25/14 R). Dies lässt sich bereits aus dem Wortlaut iVm der bisherigen Auslegung des § 7 Abs 5 SGB II in der Rechtsprechung des BSG erschließen (a) und wird gestützt durch die Betrachtung der gesetzlichen Entwicklung des Leistungsauschlusses für Auszubildende im Sozialhilfe- und Grundsicherungsrecht (b), des systematischen Zusammenhangs, in dem § 7 Abs 5 SGB II steht (c), sowie von Sinn und Zweck des Ausschlusses von Auszubildenden im Hinblick auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (d).

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a) Der Wortlaut des § 7 Abs 5 SGB II umfasst auch besondere Leistungen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben in Gestalt einer Ausbildung. Zwar weisen die Klägerinnen zutreffend darauf hin, dass die in § 7 Abs 5 SGB II aufgeführte Normenkette des SGB III die von der Klägerin zu 2 bezogenen Förderleistungen nicht ausdrücklich benennt. Der Klägerin zu 2 sind nach den Feststellungen des LSG keine Leistungen für eine berufliche Ausbildung nach §§ 59 ff SGB III von der BA gewährt worden, sondern besondere Leistungen nach §§ 102 ff SGB III in den zu Beginn der Ausbildung im August 2010 jeweils geltenden Fassungen(§ 422 SGB III), also Leistungen im Rahmen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (§§ 97 ff SGB III). Die BA hat dabei die Teilnahmekosten für die Maßnahme der Ausbildung zur Buchbinderin im Berufsbildungswerk M nach § 103 S 1 Nr 3 SGB III iVm § 109 SGB III übernommen, die Klägerin zu 2 in einem Internat mit Vollverpflegung untergebracht(§ 106 Abs 3 SGB III) sowie Ausbildungsgeld nach § 104 Abs 1 Nr 1 SGB III iVm § 105 Abs 1 Nr 2 SGB III gezahlt und die Fahrtkosten für die Heimfahrten übernommen. Die Klägerin hat damit - unabhängig von der nicht ausdrücklichen Erwähnung dieser Vorschriften im § 7 Abs 5 SGB II - eine nach dem Wortlaut des Ausschlusstatbestandes dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung iS der §§ 60 bis 62 SGB III absolviert. Wie beide für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden haben, kommt es für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB II allein auf die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung an(BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 15 mwN; BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 9 juris RdNr 17; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 20 juris RdNr 15; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 145/10 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 26 RdNr 14; zuletzt BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R, SozR 4-3200 § 7 Nr 27 RdNr 13). Diese ist bei der von der Klägerin zu 2 absolvierten Ausbildung zur Buchbinderin gegeben.

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Nach § 60 Abs 1 SGB III ist eine berufliche Ausbildung förderungsfähig, wenn sie in einem nach dem Berufsbildungsgesetz, der Handwerksordnung oder dem Seemannsgesetz staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich oder außerbetrieblich oder nach dem Altenpflegegesetz betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. Bei der von der Klägerin zu 2 absolvierten Ausbildung zur Buchbinderin handelt es sich nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)um eine in diesem Sinne förderungsfähige. Auch die Klägerinnen bestreiten weder, dass es sich bei der Ausbildung zur Buchbinderin um eine solche in einem anerkannten Ausbildungsberuf handelt, noch dass sie in das Ausbildungsverzeichnis der IHK eingetragen worden ist. Sie vertreten jedoch die Auffassung, dass der Ausbildungsvertrag nicht den Anforderungen des § 60 Abs 1 SGB III genüge, da für die Klägerin zu 2 keine angemessene Ausbildungsvergütung vereinbart, diese im Gegenteil ausgeschlossen worden sei. Mit diesem Vortrag können sie jedoch aus zweierlei Gründen nicht durchdringen.

16

Zum einen ist nach der Rechtsprechung des für die Arbeitsförderung zuständig gewesenen 7a-Senats des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, die Eintragung bzw die Nichteintragung des Berufsausbildungsverhältnisses in das Berufsausbildungsverzeichnis für Gerichte, andere Behörden und Dritte insoweit bindend, als damit ua im Hinblick auf das Vorliegen eines Ausbildungsverhältnisses Tatbestandswirkung eintritt (BSG vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 100/04 R, juris RdNr 16). Mit der Aufnahme von Berufsausbildungsverhältnissen in das nach dem BBiG einzurichtende und zu führende Verzeichnis durch die hierfür zuständige Stelle erfolgt zugleich eine Entscheidung darüber, ob eine Ausbildung der durch das BBiG vorgeschriebenen Form entspricht (BSG vom 18.8.2005 - B 7a/7 AL 100/04 R, juris RdNr 16; s auch BSG vom 21.6.1994 - 11 RAr 81/93, SozR 3-4100 § 40 Nr 8 S 36 juris RdNr 19). Eine Überprüfung der inhaltlichen Übereinstimmung der Ausbildung mit den Vorschriften des BBiG und der jeweiligen Ausbildungsordnung steht den Gerichten im Rahmen der Überprüfung der Entscheidung der BA über die Berufsausbildungsbeihilfe dann folglich nicht mehr zu.

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Ist die iS des § 7 Abs 5 SGB II erforderliche abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung gegeben, so kommt es - wie ebenfalls beide für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits entschieden haben - auf die individuelle Förderungsfähigkeit, die im Verhältnis zum Träger der Ausbildungsförderleistung eingetreten ist, nicht mehr an(BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 15 mwN; BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 9 juris RdNr 17; BSG vom 19.8.2010 - B 14 AS 24/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 20 juris RdNr 15; BSG vom 27.9.2011 - B 4 AS 145/10 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 26 RdNr 14; zuletzt BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R, SozR 4-3200 § 7 Nr 27 RdNr 13). Dies betrifft sowohl Gründe, die zum Versagen von Förderleistungen führen (vgl hierzu die zitierte Rspr) als auch den individuell bedingten Umfang der Förderung und die Förderleistungen im Einzelnen. Soweit die Klägerin zu 2 mithin ihre Ausbildung nicht in einem Betrieb, sondern in einem Berufsbildungswerk absolviert und deswegen keine Ausbildungsvergütung, sondern die oben beschriebenen Leistungen von der BA als Teilhabeleistungen erhalten hat, ist dies den individuellen, in der Person der Klägerin zu 2 liegenden Umständen geschuldet und keine Frage der abstrakten Förderungsfähigkeit der Ausbildung. Als ein solcher individueller Grund machte die Behinderung der Klägerin zu 2 die Erbringung der Ausbildungsförderung als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich (§ 97 Abs 1 SGB III iVm §§ 33 ff, 44 ff SGB IX).

18

Solche Leistungen können nach § 98 SGB III als allgemeine oder besondere erbracht werden. Die Klägerin hat hier die bereits erwähnten besonderen Leistungen nach § 102 ff SGB III erhalten. Grundsätzlich gilt jedoch gemäß § 99 SGB III, dass die allgemeinen und besonderen Leistungen sich nach den Vorschriften des ersten und vierten bis sechsten Abschnitts(Fünfter Abschnitt des SGB III = §§ 60 bis 62 SGB III)richten, soweit in den nachfolgenden Normen nichts Abweichendes bestimmt ist. Hierbei handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung (s auch Großmann in Hauck/Noftz, SGB III K § 114 RdNr 2, Stand 05/2014; Lauterbach in Gagel, SGB II/III, § 99 SGB III RdNr 1, Stand 04/201; s auch Luik, in Eicher/Schlegel, SGB III, § 114 RdNr 2 und 15, Stand 04/2013). Dies bedeutet, dass die Voraussetzungen etwa der §§ 59 ff SGB III im Hinblick auf die Förderungsfähigkeit gegeben sein müssen, soweit nicht ab § 100 ff SGB III Besonderheiten normiert sind, die der spezifischen - hier - Ausbildungssituation behinderter Menschen Rechnung tragen(s Luik, in Eicher/Schlegel, SGB III, § 114 RdNr 2 und 15, Stand 04/2013). Damit wird berücksichtigt, dass zwar das Vorliegen einer Behinderung Voraussetzung für die Leistungserbringung nach §§ 97 ff SGB III ist, das Eingliederungsziel jedoch - soweit nichts Abweichendes bestimmt ist - mit den Instrumentarien der allgemeinen aktiven Arbeitsförderung erreicht werden soll(vgl Großmann in Hauck/Noftz, SGB III, K § 114 RdNr 9, Stand 05/2014; Lauterbach in Gagel, SGB II/III, § 99 SGB III RdNr 1, Stand 04/2001). Letztlich soll damit eine Gleichbehandlung behinderter erwerbsfähiger und nichtbehinderter erwerbsfähiger Auszubildender durch einen wegen der Behinderung erforderlichen Ausgleich bewirkt werden (vgl Treichel, NZS 2013, 805, 809). Aufgrund dieses systematischen Zusammenhangs bedurfte es im Hinblick auf den Grundgedanken, dass für den Leistungsausschluss die abstrakte Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach erforderlich ist und die individuelle Situation insoweit keine Rolle spielt, keiner ausdrücklichen Erwähnung der Vorschriften über das Ausbildungsgeld nach §§ 103 Nr 2 iVm 104, 105 SGB III im Wortlaut der Regelung des § 7 Abs 5 Abs 1 SGB II. Die abstrakte Förderungsfähigkeit auch einer Teilhabeleistung in Gestalt der Ausbildung bestimmt sich nach den Regeln der §§ 60 ff SGB III unter Berücksichtigung der Besonderheiten der §§ 97 ff SGB III.

19

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist dem Urteil des erkennenden Senats vom 22.3.2012 (B 4 AS 102/11 R, SozR 4200 § 7 Nr 27 RdNr 17)zum "Urlaubssemester" nichts Anderes zu entnehmen. Voraussetzung für die Beurteilung des Leistungsausschlusses der dortigen Klägerin war die abstrakte Förderungsfähigkeit des von ihr absolvierten Studiums. Der erkennende Senat hat insoweit darauf hingewiesen, dass auch der Leistungsanspruch während eines Urlaubssemesters sich nach der abstrakten Förderungsfähigkeit des Studiums bemessen müsse. Daher könne ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II während eines Urlaubssemesters nur dann gegeben sein, wenn der Studierende während dessen entweder aus organisationsrechtlichen Gründen der Hochschule nicht mehr angehört oder die organisationsrechtliche Zugehörigkeit zwar weiterhin vorliegt, er sein Studium jedoch tatsächlich nicht betreibt. Es mangelt dann bereits an der zum Leistungsausschluss iS des § 7 Abs 5 SGB II führenden "Ausbildung".

20

b) Dieses Ergebnis nach der Wortlautbetrachtung in Kombination mit ersten systematischen Überlegungen wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien zum SGB II und einen Blick auf die Entwicklung der vergleichbaren Ausschlussregelung des § 26 BSHG, nunmehr § 22 SGB XII.

21

Zwar finden sich in den Gesetzentwürfen zur Einführung des SGB II keine ausdrücklichen Hinweise darauf, dass ein Leistungsausschluss auch der Bezieher von Teilhabeleistungen zur Ausbildung nach dem SGB III mitbedacht worden ist. Erstmals in der Begründung zu § 22 Abs 7 SGB II, der durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vom 20.7.2006 (BGBl I 1706 mWv 1.1.2007) ergänzende Unterkunftsleistungen für von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossene Auszubildende geschaffen hat, wird jedoch deutlich, dass die zuvor dargelegte Wortlautauslegung auch durch den Gesetzgeber intendiert war. § 22 Abs 7 S 1 SGB II in der Ausgangsfassung lautet: Abweichend von § 7 Abs 5 erhalten Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem SGB III … erhalten und deren Bedarf sich nach § 65 Abs 1, § 66 Abs 3, § 101 Abs 3, § 105 Abs 1 Nr 1, 4, § 106 Abs 1 Nr 2 SGB III... bemisst, einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II). Bereits im Wortlaut kommt hier zum Ausdruck, dass auch Bezieher von Ausbildungsgeld von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sein können und nicht nur solche Auszubildende, die Berufsausbildungsbeihilfe aufgrund der §§ 59 ff SGB III erhalten. In der Entwurfsbegründung wird auch erstmals ausdrücklich hierauf hingewiesen (BT-Drucks 16/1410, S 24). Während die Rückausnahme zum Leistungsausschluss durch § 7 Abs 6 SGB II zunächst nicht parallel zu § 22 Abs 7 SGB II geändert wurde, ist mit dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen vom 20.12.2011 (BGBl I 2854) mWv zum 1.4.2012 auch dort eine Bezugnahme auf die Regelungen zum Ausbildungsgeld nach dem SGB III erfolgt. In der Entwurfsbegründung hierzu heißt es, dass die Neufassung des § 7 Abs 6 Nr 2 SGB II mit den Worten: "… deren Bedarf sich nach § 62 Abs 1 oder § 124 Abs 1 Nr 1 SGB III bemisst …", iS der gängigen Praxis klarstelle, dass auch behinderte Menschen, die mit Anspruch auf Ausbildungsgeld eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme besuchten(Parallelität zu § 61 SGB III für nichtbehinderte erwerbsfähige Leistungsberechtigte)und im Haushalt der Eltern untergebracht seien - als Rückausnahme zu deren Ausschluss - einen Anspruch auf Alg II oder Sozialgeld (unter Anrechnung des Ausbildungsgeldes) hätten (BT-Drucks 17/3404, S 93). Die mit dem RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG eingeführte Regelung des § 27 SGB II, die alle Leistungen an ausgeschlossene Auszubildende zusammenfasst, hat die Verweisungstechnik auf die Vorschriften zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem SGB III für "behinderte Auszubildende" in § 27 Abs 3 SGB II(Ersatz für § 22 Abs 7 SGB II) fortgeführt. Dort ist sodann auf die Vorschriften der §§ 105 Abs 1 Nr 1(Bedarf eines Ausbildungsgeldbeziehers während der Berufsausbildung bei Unterbringung im Elternhaus) und 4 (dessen anderweitige Unterbringung) sowie § 106 Abs 1 Nr 2 SGB III(Bedarf eines Ausbildungsgeldbeziehers ua während einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme) Bezug genommen worden, mit dem Hinweis, dass die Vorschrift im Wesentlichen § 22 Abs 7 SGB II entspreche(BT-Drucks 17/3404, S 103). Soweit also in den Entwurfsbegründungen im Wesentlichen ohne nähere Erläuterung auch Bezieher von Ausbildungsgeld im Rahmen von Teilhabeleistungen nach dem SGB III als vom Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II umfasst angesehen wurden, ist der Blick - im Sinne der gängigen Praxis - dem Sozialhilferecht zuzuwenden.

22

Die Einfügung des Leistungsausschlusses für Auszubildende in das SGB II aufgrund des Vorschlags des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit ist mit der Angleichung der Regelungen von SGB II und SGB XII begründet worden, um mit dem neuen Sozialhilferecht ein Referenzsystem steuerfinanzierter Fürsorgeleistungen einschließlich des Alg II zu schaffen (Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 16.10.2003, BT-Drucks 15/1749, S 31). Der Leistungsausschluss von Auszubildenden war bereits im BSHG (§ 31 Abs 4 BSHG) durch das 1. Haushaltsstrukturgesetz 1975 (BGBl I 3091) eingeführt worden (ersetzt 1982 durch § 26 BSHG, 2. Haushaltsstrukturgesetz von 1981, BGBl I 1523), verbunden mit der Streichung der "Ausbildungshilfe" als originäre Leistung der Sozialhilfe. Hierbei ist es in der Folgezeit trotz intensiver sozialpolitischer Diskussionen auch geblieben (vgl hierzu Birk ua in LPK - BSHG, 3. Aufl 1990, § 26 RdNr 3, 4; s auch Brühl in LPK - BSHG, 6. Aufl 2003, § 26 RdNr 2; Schellhorn, BSHG, 15. Aufl 1997, § 26 RdNr 2 ff). Die Regelung des § 26 BSHG wurde damit zum Vorbild für den heutigen Leistungsausschluss für Auszubildende nach § 22 SGB XII(vgl Voelzke in juris-PK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 22 RdNr 5; so auch BT-Drucks 15/1514 S 57) und § 7 Abs 5 SGB II. Die Ausschlussvorschrift des BSHG enthielt jedoch auch nur einen Verweis auf die Förderfähigkeit durch Berufsausbildungsbeihilfe (§ 40 AFG) und nicht auf berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation (§ 58 AFG - vergleichbar den heutigen Teilhabeleistungen des SGB III). Aus der Anwendungspraxis des § 26 BSHG kann jedoch geschlossen werden, dass die mangelnde Erwähnung des zuletzt benannten Personenkreises in den ersten Entwurfsbegründungen zum SGB II darauf zurückzuführen ist, dass deren Ausschluss - wie im BSHG - als umfasst angesehen worden war. Denn nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung waren auch ohne Bezugnahme auf die Vorschriften zur Rehabilitation im AFG behinderte Auszubildende von der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen (vgl nur VGH Baden-Württemberg vom 5.1.1996 - 6 S 2979/95; VG Meiningen vom 5.2.2004 - 8 E 31/04.Me).

23

c) Auch die systematische Betrachtung des Normgefüges im SGB II bestätigt das nach der Wortlautauslegung und dem geschichtlichen Hintergrund des Leistungsausschlusses für durch Teilhabeleistungen zur Arbeit geförderte Auszubildende gefundene Ergebnis. Bei der Betrachtung der Gesetzesmaterialien ist bereits deutlich geworden, dass § 7 Abs 5 S 1 SGB II im Zusammenhang mit dem System der Rückausnahme vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 6 SGB II und Leistungsgewährung trotz Leistungsausschlusses nach § 22 Abs 7 SGB II sowie später § 27 SGB II steht. Sowohl § 7 Abs 6 SGB II als auch § 22 Abs 7 SGB II und § 27 SGB II setzen voraus, dass der nach diesen Vorschriften Leistungsberechtigte von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Wenn aber sowohl die Rückausnahme als auch die Gleichwohlleistungsgewährung im Normtext ausdrücklich auch Bezieher von besonderen Leistungen zur Teilhabe nach §§ 102 ff SGB III berücksichtigen, ist es systematisch stimmig, dass sie bereits vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II umfasst waren.

24

d) Der Ausschluss der SGB II - Leistungen auch für Auszubildende, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von der BA erbracht werden, entspricht auch dem Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 5 SGB II. Bereits vom BVerwG war erkannt worden, dass das Sozialhilferecht grundsätzlich nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Denn die Leistungsansprüche zur Ausbildungsförderung seien - so die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung - außerhalb des BSHG sondergesetzlich abschließend geregelt (BVerwG vom 12.2.1981 - 5 C 51/80, BVerwGE 61, 352, 356; BVerwG vom 14.10.1993 - 5 C 16/91, BVerwGE 94, 224, 226 f). Die Ausschlussregelung für Auszubildende sollte die Sozialhilfe mithin davon befreien, eine (versteckte) Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen, insbesondere für die Auszubildenden, die aus individuellen Gründen keine anderen Ausbildungsförderleistungen erhielten (BVerwG vom 12.2.1981 - 5 C 51/80 - BVerwGE 61, 352, 358 f; BVerwG vom 17.1.1985 - 5 C 29/84 - BVerwGE 71, 12, 15 ff; BVerwG vom 7.6.1989 - 5 C 3/86 - BVerwGE 82, 125, 129; BVerwG vom 14.10.1993 - 5 C 16/91 - BVerwGE 94, 224, 226). Aus dem Zusammenspiel von Leistungsausschluss und auch bereits im BSHG normierter Härteregelung (§ 26 Abs 1 S 2 BSHG) hat das BVerwG gefolgert, dass "Hilfebedürftige", die eine abstrakt förderfähige Ausbildung betrieben und nach den dafür vorgesehenen Leistungsgesetzen nicht (mehr) gefördert würden, in der Regel gehalten seien, von der Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen, um für die Dauer der Hilfebedürftigkeit den Ausschluss von der Hilfe zum Lebensunterhalt abzuwenden. Den so vom BVerwG umschriebenen Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses von Auszubildenden haben die beiden für die Grundsicherungsangelegenheiten zuständigen Senate des BSG auch als für die Leistungen nach dem SGB II maßgeblich angesehen (s nur BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 17 ff; BSG vom 1.7.2009 - B 4 AS 67/08 R - juris RdNr 17). Insoweit gilt für die Förderung zumindest einer Ausbildung im Rahmen der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nichts anderes (Jenak in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 122 SGB III, RdNr 41).

25

Auch bei behinderten Menschen erfolgt die Förderung der Ausbildung - in einem anderen System als dem SGB II - durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einer - auch der Klägerin zu 2 - gewährten Übernahme der Maßnahmekosten. Die Sicherung des Lebensunterhalts darüber hinaus wird nach § 45 SGB IX iVm § 104 Abs 1 Nr 1 iVm § 105 Abs 1 Nr 2 SGB III durch das Ausbildungsgeld bewirkt(vgl Reyels in jurisPK-SGB IX, § 45 RdNr 21, Stand 04/2014). Der behinderte Mensch wird insoweit dem nichtbehinderten Menschen, der eine nach dem SGB III dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung betreibt, gleichgestellt. Er erhält Ausbildungsgeld an Stelle der Berufsausbildungsbeihilfe (vgl BSG vom 8.6.1989 - 7 RAr 122/88, SozR 4100 § 59 Nr 8 juris RdNr 28). Das Ausbildungsgeld wiederum ist der Höhe nach davon abhängig, wo und in welcher Form die Ausbildung erfolgt. Vorliegend hat die BA der Klägerin zu 2 Internatsunterbringung und Verpflegung nach den hier noch anzuwendenden §§ 102 ff SGB III als Leistungen neben dem Ausbildungsgeld erbracht. Das Ausbildungsgeld war entsprechend niedriger als bei der anderweitigen Unterbringung oder im Elternhaus. Damit war der Lebensunterhalt der Klägerin zu 2 während der Ausbildung jedoch sichergestellt und eine darüber hinausgehende Gewährung von Leistungen für den Regelbedarf nach dem SGB II würde auf die Schaffung des soeben als Zweck des Leistungsausschlusses benannten zweiten Standbeines für die Ausbildungsförderung hinauslaufen.

26

Den Einwand der Klägerinnen, das Ausbildungsgeld sei lediglich eine Art Motivationsunterstützung, damit die Ausbildung tatsächlich betrieben werde und daher kein Standbein einer Ausbildungsförderung, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Zum einen hat der 8. Senat des BSG bereits ausführlich dargelegt, dass es sich beim Ausbildungsgeld nicht um eine Leistung handelt, deren Zweck über die Unterhaltssicherung hinausgeht; der erkennende Senat schließt sich dem an (BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R, BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, juris RdNr 24, 26). Auch handelt es sich insoweit nicht um eine "Mehraufwandsentschädigung", denn - hierauf weist der 8. Senat ebenfalls zutreffend hin - ausbildungsbedingte Mehraufwendungen sind nach Maßgabe der §§ 109 f SGB III von der BA zu übernehmen(BSG vom 23.3.2010 - B 8 SO 17/09 R, BSGE 106, 62 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6, juris RdNr 25). Im Übrigen erfolgt im vorliegenden Fall die Unterhaltssicherung nicht ausschließlich über das Ausbildungsgeld, sondern auch durch die für die Klägerin zu 2 kostenfreie Unterbringung in einem Internat sowie die Verpflegung dort. Auch die Reisekosten werden ihr von der BA ersetzt.

27

3. Die Voraussetzungen für eine Rückausnahme nach § 7 Abs 6 SGB II sind hier nicht gegeben. Danach galt bis 31.3.2012, dass vom Leistungsausschluss ausgenommen waren: Auszubildende, 1. die aufgrund von § 2 Abs 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung oder aufgrund von § 64 Abs 1 SGB III keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatten oder 2. deren Bedarf sich nach § 12 Abs 1 Nr 1 BAföG oder nach § 66 Abs 1 S 1 oder § 106 Abs 1 Nr 1 SGB III bemaß. Die Rückausnahme der Nr 1 betraf also Auszubildende, die im Elternhaus wohnten und deshalb keinen Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe hatten. Von der Rückausnahme der Nr 2 sollten diejenigen profitieren, die eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme durchliefen und ebenfalls im Elternhaus wohnten. Beide Voraussetzungen sind in der Person der Klägerin zu 2 im hier streitigen Zeitraum nicht gegeben.

28

4. Die Klägerin zu 2 vermag auch nicht mit ihrem Begehren nach einer Mehrbedarfsleistung nach § 21 Abs 4 SGB II(idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG vom 24.3.2011, BGBl I 453 mWv 1.1.2011) durchzudringen. Danach wird bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 3 SGB XII erbracht werden, ein Mehrbedarf von 35 % des nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Zwar werden der Klägerin zu 2 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des § 33 SGB IX erbracht. Da sie jedoch von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen ist, soweit es sich um ausbildungsbedingten Bedarf und ausbildungsgeprägten Mehrbedarf handelt, hat sie auch keinen Anspruch auf die an die Teilhabeleistung anknüpfende Leistung nach § 21 Abs 4 SGB II(vgl Lang/Knickrehm in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 40, unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu § 23 Abs 3 BSHG, OVG Lüneburg vom 22.3.2006 - 4 LB 153/04 - juris RdNr 26; so auch für das SGB II bereits angedeutet BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 19; anders bei nichtausbildungsbezogenen Mehrbedarfen, s BSG vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, BSGE 99, 67 = SozR 4200 § 7 Nr 6, juris RdNr 23; BSG vom 30.8.2010 - B 4 AS 97/09 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 19 juris RdNr 10; nunmehr § 27 Abs 2 SGB II). Für die Zeit ab dem 1.4.2011 hat der Gesetzgeber dies auch klar zum Ausdruck gebracht, indem er in § 27 Abs 2 SGB II für den Personenkreis der nach § 7 Abs 5 SGB II ausgeschlossenen Auszubildenden lediglich einen Anspruch auf Leistungen für Mehrbedarf nach § 21 Abs 2, 3, 5 und 6 und in Höhe der Leistungen nach § 24 Abs 3 Nr 2 SGB II anerkannt hat.

29

Den bindenden - weil nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen - Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)lassen sich keine Anhaltspunkte für einen anderen Mehrbedarf iS des § 21 SGB II oder § 27 Abs 2 SGB II idF der Neubekanntgabe vom 13.5.2011 (BGBl I 850, mWv 1.4.2011) entnehmen.

30

5. Die Klägerin zu 1 hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Das ihr als Kindergeldberechtigter gezahlte Kindergeld für die Klägerin zu 2 hat der Beklagte zutreffend bei ihr im Rahmen der Leistungsberechnung als Einkommen berücksichtigt. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)hat die Klägerin zu 1 das Kindergeld nicht nachweislich an die Klägerin zu 2 weitergeleitet. Damit könnte nur dann das Kindergeld der Klägerin zu 2 und nicht der Klägerin zu 1 als Einkommen nach § 11 Abs 1 S 4 SGB II zugerechnet werden, wenn sie Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1 wäre. Die Klägerin zu 2 ist jedoch kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1.

31

Insoweit ist es zwar entgegen der Auffassung des Beklagten unerheblich, dass sie - wie zuvor dargelegt - von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen war. Grundsätzlich kann ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter auch mit einem von diesen Leistungen Ausgeschlossenen eine Bedarfsgemeinschaft bilden (für den Fall der Ehe zwischen einem Altersrentner und einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach dem SGB II s nur BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R, SozR 4-4200 § 9 Nr 5 juris RdNr 31; s auch BSG vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, juris RdNr 12 ff). Ein volljähriges unverheiratetes Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres bildet nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II jedoch nur dann eine Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern oder einem Elternteil, wenn es dem Haushalt eines Elternteils angehört und seine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken kann. Die Klägerin zu 2 hat nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)im streitigen Zeitraum dem Haushalt der Klägerin zu 1 nicht dauerhaft angehört. Sie war nur temporär während der Schließungszeiten des Internats dem Haushalt der Mutter zugehörig. Für eine Ausweitung des von der Rechtsprechung entwickelten Instituts der "temporären" Bedarfsgemeinschaft (vgl BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 35 zur temporären Bedarfsgemeinschaft und BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R, BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, juris RdNr 27)auch auf Fallkonstellationen, in denen das volljährige Kind (unter 25 Jahren) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist, besteht jedoch nach Auffassung des Senates keine Veranlassung.

32

Bisher ist von der Rechtsprechung eine "temporäre" Bedarfsgemeinschaft nur zwischen einem leistungsberechtigten Elternteil und den minderjährigen Kindern in der Situation der zeitweisen Wahrnehmung des Umgangsrechts angenommen worden. Erst als Mitglied der "temporären" Bedarfsgemeinschaft erhalten diese Kinder - abgeleitet vom erwerbsfähigen Leistungsberechtigten - für jeden Tag des Aufenthalts (mit mehr als zwölf Stunden) in der Bedarfsgemeinschaft mit dem Umgangsberechtigten Anspruch auf (zumindest) Regelleistungen nach dem SGB II (vgl BSG vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13). Damit wird die wechselnde Aufnahme von minderjährigen Kindern in den jeweiligen Haushalt ihrer getrennt lebenden Eltern leistungsrechtlich - soweit erforderlich - ausgeglichen. Die Annahme einer "temporären" Bedarfsgemeinschaft trägt zudem der besonderen Förderungspflicht des Staates nach Art 6 Abs 1 GG Rechnung (BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 35 RdNr 18). Die hier vorliegende Bedarfslage der Klägerin zu 2 unterscheidet sich jedoch deutlich von der eines minderjährigen Kindes im Rahmen der zeitweisen Aufnahme in den Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils. Bei einem volljährigen Kind, das einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II unterfällt, scheidet bereits wegen des Leistungsausschlusses eine Bedarfsdeckung durch Grundsicherungsleistungen während des temporären Aufenthalts im Haushalt des Elternteils aus. Die temporäre Bedarfsgemeinschaft selbst verschafft hier keinen eigenen Leistungsanspruch. Allein der Umstand, dass der Mutter über die Annahme einer "temporären" Bedarfsgemeinschaft ein höherer Bedarf aufgrund der Verschiebung der Einkommenszurechnung des Kindergeldes verschafft werden kann, stellt keinen Gesichtspunkt dar, der den Erwägungen des BSG zur Begründung der temporären Bedarfsgemeinschaft als gleichrangig zu erachten ist.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14. Oktober 2013 geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2012 verurteilt, den Klägerinnen jeweils pro Monat für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. September 2011 Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat den Klägerinnen die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu 9/10 zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten nur noch um Ansprüche der Klägerinnen auf Sozialgeld nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

2

Die am 1998 geborene Klägerin zu 1 und die am 22.7.2002 geborene Klägerin zu 2 sind die Kinder der am 1974 geborenen H. und des am 1969 geborenen A., beide wohnhaft in Bocholt. Die Eltern der Klägerinnen stehen im Bezug von Arbeitslosengeld II bei der beklagten Stadt Bocholt, die im eigenen Namen anstelle des als Optionskommune zugelassenen Kreises Borken diese Aufgabe wahrnimmt. Die Mutter der Klägerinnen ist tunesische Staatsangehörige, der Vater ist - wie die Klägerinnen selbst - deutscher Staatsangehöriger. Die Klägerinnen besuchen eine Schule in Tunesien und wohnen dort bei ihren Großeltern, während der tunesischen Sommerferien halten sie sich bei ihren Eltern auf, so auch im Jahr 2011 vom 1.7. bis zum 30.9.2011. Ihre Anträge auf Bewilligung von Sozialgeld für diese Zeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6.7.2011 ab. Die Widersprüche der Klägerinnen wies das Jobcenter des Kreises Borken mit Widerspruchsbescheid vom 11.6.2012 zurück, weil die Klägerinnen entgegen § 30 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten. Aufgrund des Schulbesuchs in Tunesien liege ihr Lebensmittelpunkt und damit ihr gewöhnlicher Aufenthalt in Tunesien.

3

Das Sozialgericht (SG) Münster hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 14.10.2013), weil für die geltend gemachten Ansprüche auf Sozialgeld ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland erforderlich sei, der fehle. Diese Voraussetzung ergebe sich aus einem Zusammenspiel der Vorschriften des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und § 30 Abs 1 SGB I. Eine davon abweichende anderweitige Regelung, wie sie in § 37 SGB I vorgesehen sei, gebe es nicht. Der Schutz von Ehe und Familie (Art 6 Grundgesetz ) gebiete es nicht, jede die Familie treffende Belastung auszugleichen und eröffne dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, der nicht überschritten sei.

4

Mit ihren vom SG zugelassenen Sprungrevisionen rügen die Klägerinnen eine Verletzung der §§ 30, 37 SGB I und des § 7 SGB II sowie von Art 6 GG, weil der Bezug von Sozialgeld keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland voraussetze. Ihre ursprünglich ebenfalls erhobenen Ansprüche auf Schulbedarf haben die Klägerinnen im Revisionsverfahren zuletzt nicht weiterverfolgt.

5

Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 14. Oktober 2013 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2012 zu verurteilen, ihnen jeweils pro Monat Sozialgeld in Höhe von 251,00 Euro vom 1. Juli bis zum 30. September 2011 zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen sind im aufrechterhaltenen Umfang begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz), da ihnen die geltend gemachten Ansprüche auf Sozialgeld in Höhe ihres Regelbedarfs für die Zeit ihres Aufenthalts in Deutschland vom 1.7. bis zum 30.9.2011 zustehen.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind nur noch diese Ansprüche der Klägerinnen auf Sozialgeld, die die Beklagte mit Bescheid vom 6.7.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.6.2012 abgelehnt hat. Die Geltendmachung nur des Regelbedarfs und nicht auch von Leistungen für Unterkunft und Heizung ist nach dem 31.12.2010 weiterhin ein abtrennbarer prozessualer Anspruch, soweit er - wie vorliegend - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung des angegriffenen Bescheids ist (vgl BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10 ff mwN). Die Klägerinnen haben ihre Ansprüche zutreffend mit der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4, § 56 SGG)geltend gemacht.

9

2. Die beklagte Stadt ist die richtige Beklagte, auch wenn sie nicht Träger der geltend gemachten Leistungen ist, sondern der Kreis Borken, dem sie angehört, weil ihr die Aufgaben des Trägers zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen sind (Wahrnehmungszuständigkeit) und sie daher im Außenverhältnis verpflichtet ist (vgl BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 13/11 R - BSGE 112, 61 = SozR 4-3500 § 90 Nr 5, RdNr 10; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 56/06 R - juris RdNr 15; Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 99 RdNr 18/21). Der Kreis Borken ist gemäß § 1 Kommunalträger-Zulassungsverordnung (idF vom 1.12.2010, BGBl I 1758) iVm § 6a Abs 2 SGB II als Optionskommune zugelassen. Seine alleinige Trägerschaft für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nicht dadurch auf die Beklagte übergegangen, dass ihr der Kreis Borken gemäß § 6 Abs 2 SGB II iVm § 5 Abs 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen (vom 16.12.2004, GVBl NRW 821) iVm § 1 Abs 1 der Satzung des Kreises Borken über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II im Kreis Borken vom 20.1.2005 in der Fassung der Änderungssatzung vom 17.11.2006 die Durchführung der ihm als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende obliegenden Aufgaben nach dem SGB II zur Entscheidung im eigenen Namen übertragen hat (vgl zur Parallelvorschrift des § 99 Abs 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 21/06 R - BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3, RdNr 11 f). Die Vorschrift des § 6 Abs 2 SGB II ermöglicht eine Heranziehung der kreisangehörigen Städte zur Aufgabenwahrnehmung und ist damit eine Rechtsgrundlage für die Übertragung der Wahrnehmungszuständigkeit, nicht aber der weiteren Übertragung der Trägerschaft für die Leistungen.

10

3. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler liegen nicht vor. Insbesondere war der Kreis Borken, der den Widerspruchsbescheid erlassen hat, nicht notwendig beizuladen. Er ist nicht Dritter im Sinne des § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, da er die ihm obliegenden Aufgaben durch die Beklagte wahrnimmt (vgl BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 13/11 R - BSGE 112, 61 = SozR 4-3500 § 90 Nr 5, RdNr 11). Auch ein Fall der unechten notwendigen Beiladung gemäß § 75 Abs 2 Alt 2 SGG liegt nicht vor, da - wie bereits ausgeführt - Träger der Leistungen der Kreis Borken ist und allenfalls streitig sein könnte, ob der Träger selbst oder die Beklagte verpflichtet ist. Darauf kommt es jedoch mangels Rüge nicht an (vgl BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 99/11 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 18 RdNr 13; BSG Urteil vom 16.11.1978 - 3 RK 79/77 - SozR 1500 § 75 Nr 20; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 13b mwN aus der Rspr des BSG).

11

4. Örtlich zuständig für die von den Klägerinnen geltend gemachten Leistungen für die Zeit ihres Aufenthalts bei ihren Eltern ist infolge deren gewöhnlichen Aufenthalts in Bocholt die beklagte Stadt Bocholt (§ 36 Satz 1 SGB II; vgl im Übrigen § 36 Satz 3 SGB II für Leistungen an Minderjährige während der Zeit der Ausübung des Umgangsrechts).

12

5. Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche auf Sozialgeld sind § 19 Abs 1 Satz 2 und § 7 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Nr 4 SGB II. Danach erhalten nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben.

13

Diese Voraussetzungen wurden von den Klägerinnen in der strittigen Zeit erfüllt. Sie hatten keine Ansprüche auf die im Vierten Kapitel des SGB XII geregelten Leistungen im Alter und bei Erwerbsminderung, bildeten mit ihren Eltern eine temporäre Bedarfsgemeinschaft (dazu a) und waren nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte (dazu b).

14

a) Die Klägerinnen bildeten mit ihren erwerbsfähigen, leistungsberechtigten Eltern, die nach § 7 Abs 3 Nr 1, 3 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft waren, eine temporäre Bedarfsgemeinschaft. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Gehören die Kinder nur zeitweise diesem Haushalt an, liegt eine sog temporäre Bedarfsgemeinschaft vor (BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 35; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13; BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1).

15

Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG und der übereinstimmenden Klarstellung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gehörten die minderjährigen, unverheirateten Klägerinnen, die sonst bei ihren Großeltern lebten, im strittigen Zeitraum dem Haushalt ihrer Eltern an und verfügten über kein Einkommen und Vermögen.

16

b) Die Klägerinnen waren nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte. Eine ausdrückliche Definition des Begriffs "nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte" enthält das SGB II nicht. Eine eigenständige, über die fehlende Erwerbsfähigkeit hinausgehende Anspruchsvoraussetzung ist der Formulierung des § 19 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht zu entnehmen. § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II enthält nur eine Legaldefinition des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, während § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II den Begriff "Leistungsberechtigter" nicht enthält, sondern nur von "Personen" spricht, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Daran, dass die Klägerinnen nicht erwerbsfähig waren, besteht aufgrund ihres Alters von zwölf und neun Jahren kein Zweifel (vgl §§ 2, 5 Jugendarbeitsschutzgesetz).

17

aa) Diese Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte sind nicht um die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II für erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu erweitern. Die Regelung des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II steht im Einklang mit § 19 Abs 1 Satz 1 SGB II und enthält die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II durch erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Die Regelung des § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II steht im Einklang mit § 19 Abs 1 Satz 2 SGB II und normiert die Voraussetzungen für den Bezug von Sozialgeld durch nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte. Beide Regelungen stehen nebeneinander und auch die einleitende Formulierung des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II "Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen …" wird durch eine entsprechende Formulierung in § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II ergänzt, wonach "Leistungen … auch Personen (erhalten), die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben".

18

Dieses Nebeneinander für sich stehender Anspruchsgrundlagen schließt es aus, § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II als Ergänzung zu den Voraussetzungen der § 19 Abs 1 Satz 2 und § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II zu verstehen, zumal die in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II genannten Voraussetzungen auf nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte entweder nicht passen oder bereits in den in § 19 Abs 1 Satz 2 oder § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II genannten Merkmalen enthalten sind. Von den in der Legaldefinition der "erwerbsfähigen Leistungsberechtigten" in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II enthaltenen Tatbestandsmerkmalen passt der in Nr 1 geregelte "Altersrahmen" nicht zu den Voraussetzungen des Sozialgeldbezugs. Die Erwerbsfähigkeit der Nr 2 stellt das Abgrenzungsmerkmal zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten sowie dem Zugang zu Arbeitslosengeld II oder zu Sozialgeld (§ 19 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 SGB II) dar. Die in der Nr 3 genannte Hilfebedürftigkeit enthält für Kinder keine weitere Anspruchsvoraussetzung, da bei fehlender Hilfebedürftigkeit bereits keine Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft vorliegt (§ 7 Abs 3 Nr 4 SGB II). Es könnte daher aus dem Katalog des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II ausschließlich die Nr 4 - der gewöhnliche Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland - als Voraussetzung des Sozialgeldbezugs für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte herangezogen werden. Der hierin geregelte räumliche Anknüpfungspunkt ist jedoch bereits in dem - oben bejahten - Erfordernis der Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten enthalten, sodass nicht zu erkennen ist, wozu es einer weiteren Voraussetzung für die Begründung eines räumlichen Anknüpfungspunkts bedarf.

19

bb) Dem steht die Regelung des § 30 Abs 1 SGB I nicht entgegen, nach der die Vorschriften dieses Gesetzbuchs für alle Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben.

20

Die Norm regelt den Anknüpfungspunkt für den persönlichen Anwendungsbereich des Sozialgesetzbuchs. Sie beruht auf dem völkerrechtlich hergeleiteten Territorialitätsprinzip, welches es Staaten verbietet, Hoheitsgewalt außerhalb des eigenen Staatsgebietes auszuüben, bzw gebietet, Hoheitsakte nur auf dem eigenen Staatsgebiet zu erlassen. Die Vorschrift verbietet es indes nicht, Rechtsfolgen insbesondere auf dem Gebiet des Leistungsrechts auch mit Auslandsbezug zu regeln oder an diesen anzuknüpfen (Hauck/Noftz, SGB I, Stand 7/2014, K § 30 RdNr 1 ff; Mrozynski, SGB I, 4. Aufl 2010, § 30 RdNr 5 ff; Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 30 RdNr 16 ff). Die Anknüpfung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt steht dabei im Sinne einer Rahmenregelung unter dem Vorbehalt abweichender Regelungen (§ 30 Abs 2 und § 37 SGB I). Eine solche abweichende Regelung muss nicht ausdrücklich normiert sein, sondern kann sich aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften eines Sozialleistungsbereiches oder ihrem Sinn und Zweck ergeben (vgl schon die Gesetzesbegründung in BT-Drucks 7/868 S 29; Didong in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 37 RdNr 9; Fastabend in Hauck/Noftz, SGB I, Stand 7/2014, K § 37 RdNr 9 mwN).

21

Eine solche abweichende Regelung ergibt sich für das SGB II aus der aufgezeigten Auslegung von § 19 Abs 1 Satz 2, § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II im Verhältnis zu § 19 Abs 1 Satz 1, § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II bei nichterwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Fällen der vorliegenden Art. Diese Vorschriften knüpfen an die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten an, der seinerseits seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben muss(§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II), sodass sich der räumliche und persönliche Anwendungsbereich für nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte über das Erfordernis der Bedarfsgemeinschaft aus dem SGB II ergibt und die allgemeine Regelung in § 30 Abs 1 SGB I insoweit verdrängt wird.

22

cc) Gestützt wird diese Auslegung durch systematische Gründe, weil den Büchern des Sozialgesetzbuches insgesamt nicht zu entnehmen ist, dass Leistungen grundsätzlich von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland abhängig sein sollen.

23

Innerhalb des SGB II ist § 36 Satz 4 SGB II zu entnehmen, dass auch erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort an dem Ort ihres tatsächlichen Aufenthalts Leistungen zu erbringen sind (vgl die Gesetzesbegründung BT-Drucks 16/1410 S 27). § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII verlangt für die Leistung von Sozialhilfe an Ausländer in Deutschland lediglich deren tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland. Soweit die Beklagte § 24 SGB XII(Sozialhilfe für Deutsche im Ausland) anführt, ist darauf hinzuweisen, dass diese Regelung der obigen Auslegung nicht entgegensteht, sondern für sie spricht, weil aus § 24 SGB XII kein Leistungsausschluss während eines Besuches eines Deutschen im Inland ableitbar ist. Denn die Vorschrift ist nur bei einem Aufenthalt im Ausland anwendbar, wie sich bereits aus dem Wortlaut ihres Absatzes 1 Satz 2 und der Anknüpfung an die Verhältnisse im Ausland in den Absätzen 2 und 3 ergibt. Die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) werden jungen Menschen und ihren Personensorgeberechtigten gewährt, die (nur) ihren tatsächlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 6 Abs 1 Satz 1 SGB VIII).

24

dd) Diese Auslegung stimmt mit Verfassungsrecht und in deutsches Recht überführtem Völkerrecht überein. Nach diesem ist das Grundrecht des Kindes auf staatliche Gewährleistung der elterlichen Pflege und Erziehung (Art 2 Abs 1 iVm Art 6 Abs 2 Satz 1 GG) zu beachten (vgl BVerfG Urteil vom 19.2.2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 31 BvR 3247/09 - BVerfGE 133, 59 RdNr 41 ff mwN), dem durch den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Übereinkommen (der Vereinten Nationen) über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 (Gesetz vom 17.2.1992, BGBl II 121) die Rechte und Wertungen dieses Übereinkommens an die Seite treten. Die fehlende Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG), die verfassungsrechtlich nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland abhängig ist (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), von Kindern während ihres Aufenthalts bei ihren Eltern in Deutschland bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt wäre mit diesen Wertentscheidungen und der eingegangenen internationalen Verpflichtung nicht vereinbar.

25

6. Die auf den Regelbedarf nach § 23 Nr 1 SGB II beschränkte Höhe des Sozialgeldes der Klägerinnen folgt aus ihrem Antrag, der zu Recht vom Fehlen der weiteren in § 19 Abs 1 Satz 3 SGB II genannten Bedarfe ausgeht.

26

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerinnen mit ihrem Antrag auf Sozialgeld durchgedrungen sind, nicht hingegen mit dem zunächst noch verfolgten Antrag auf Schulbedarf.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:

für den
Geburtsjahrgang
erfolgt eine
Anhebung
um Monate
auf den Ablauf des Monats,
in dem ein Lebensalter
vollendet wird von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.

(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.

(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.

(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.

(5) (weggefallen)

(1) Für Jahre bis zur nächsten Neuermittlung nach § 28 werden die Regelbedarfsstufen jeweils zum 1. Januar nach den Absätzen 2 bis 5 fortgeschrieben.

(2) Zum 1. Januar 2023 werden die Eurobeträge der zum 1. Januar 2022 fortgeschriebenen Regelbedarfsstufen zuerst mit der sich nach Absatz 3 ergebenden Veränderungsrate fortgeschrieben (Basisfortschreibung) und das Ergebnis mit der sich nach Absatz 4 ergebenden Veränderungsrate fortgeschrieben (ergänzende Fortschreibung). Für nachfolgende Fortschreibungen ab dem Jahr 2024 sind jeweils die nicht gerundeten Eurobeträge, die sich aus der Basisfortschreibung des Vorjahres nach Absatz 3 ergeben haben, erneut nach Absatz 3 fortzuschreiben und die sich daraus ergebenden Eurobeträge mit der Veränderungsrate der ergänzenden Fortschreibung nach Absatz 4 fortzuschreiben.

(3) Die Veränderungsrate für die Basisfortschreibung ergibt sich aus der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie der bundesdurchschnittlichen Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Mischindex). Für die Ermittlung der jährlichen Veränderungsrate des Mischindexes wird die sich aus der Entwicklung der Preise aller regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen ergebende Veränderungsrate mit einem Anteil von 70 Prozent und die sich aus der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer ergebende Veränderungsrate mit einem Anteil von 30 Prozent berücksichtigt. Maßgeblich ist jeweils die Veränderungsrate, die sich aus der Veränderung in dem Zwölfmonatszeitraum, der mit dem 1. Juli des Vorvorjahres beginnt und mit dem 30. Juni des Vorjahres endet, gegenüber dem davorliegenden Zwölfmonatszeitraum ergibt.

(4) Maßgeblich für die Veränderungsrate der ergänzenden Fortschreibung der sich nach Absatz 3 ergebenden nicht gerundeten Eurobeträge der Regelbedarfsstufen ist jeweils die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen in dem Dreimonatszeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni des Vorjahres gegenüber dem gleich abgegrenzten Dreimonatszeitraum des Vorvorjahres. § 28 Absatz 5 Satz 3 gilt entsprechend.

(5) Ergeben sich aus der Fortschreibung nach den Absätzen 2 bis 4 für die Regelbedarfsstufen Eurobeträge, die niedriger als die im Vorjahr geltenden Eurobeträge sind, gelten die für das Vorjahr bestimmten Eurobeträge solange weiter, bis sich aus einer nachfolgenden Fortschreibung höhere Eurobeträge ergeben.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragt das Statistische Bundesamt mit der Ermittlung der jährlichen Veränderungsrate

1.
für den Zeitraum nach Absatz 3 für
a)
die Preise aller regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen und
b)
die durchschnittliche Nettolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer,
2.
für den Zeitraum nach Absatz 4 für die Preise aller regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen.

Einer Person, die am 31. Dezember 2016 einen Anspruch auf Leistungen nach dem Siebten Kapitel in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung hat, sind die ihr am 31. Dezember 2016 zustehenden Leistungen über den 31. Dezember 2016 hinaus bis zum Abschluss des von Amts wegen zu betreibenden Verfahrens zur Ermittlung und Feststellung des Pflegegrades und des notwendigen pflegerischen Bedarfs nach § 63a in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung weiter zu gewähren. Soweit eine Person zugleich Leistungen nach dem Elften Buch in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung erhält, sind diese anzurechnen. Dies gilt nicht für die Zuschläge nach § 141 Absatz 2 des Elften Buches sowie für den Entlastungsbetrag nach § 45b des Elften Buches. Ergibt das Verfahren, dass für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 die Leistungen für den notwendigen pflegerischen Bedarf, die nach dem Siebten Kapitel in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung zu gewähren sind, geringer sind als die nach Satz 1 gewährten Leistungen, so sind die nach Satz 1 gewährten höheren Leistungen nicht vom Leistungsbezieher zu erstatten; § 45 des Zehnten Buches bleibt unberührt. Ergibt das Verfahren, dass für die Zeit ab dem 1. Januar 2017 die Leistungen für den notwendigen pflegerischen Bedarf, die nach dem Siebten Kapitel in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung zu gewähren sind, höher sind als die nach Satz 1 gewährten Leistungen, so sind die Leistungen rückwirkend nach den Vorschriften des Siebten Kapitels in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung zu gewähren.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.