Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 19. März 2014 - L 1 R 1000/12

bei uns veröffentlicht am19.03.2014
vorgehend
Sozialgericht Augsburg, S 14 R 785/12, 08.11.2012

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Altersrente für Frauen strittig.

Die 1950 in Rumänien geborene Klägerin, deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland, ist als Vertriebene anerkannt (Ausweis A). Sie hat ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 30. Mai 1990, wobei sie zeitweise in Spanien wohnhaft war.

Die Klägerin absolvierte bis 1965/1966 in Rumänien die achtjährige allgemeine Schule. Von 1968 bis 1970 besuchte sie die zweijährige Berufsschule für das Sanitätswesen und schloss diese mit der Abschlussprüfung im Juni 1971 als qualifizierte Arbeiterin in dem Beruf der Krankenschwester ab. Von 1973 bis 1978 durchlief sie das Lyzeum für Mathematik/Physik mit dem Abschluss der Reifeprüfung.

Ausweislich des Arbeitsbuchs vom 29. Juni 1981 erlangte die Klägerin laut Beschluss vom 30. November 1978 die Qualifikation zur Hauptkrankenschwester. Sie war in Rumänien wie folgt beschäftigt: 10. November 1970 - 24. März 1971: Krankenschwester 1. April 1971 - 31. November 1971: Krankenschwester 1. Dezember 1978 - 31. Dezember 1978: Hauptassistentin 1. Januar 1979 - 28. Mai 1990: Hauptkrankenschwester.

Mit Bescheid vom 11. September 2001 merkte die Beklagte die von der Klägerin in Rumänien vom 10. November 1970 bis 28. Mai 1990 zurückgelegten Versicherungszeiten als glaubhaft gemachte Zeiten der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI vor.

Antragsgemäß gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Mai 2010 der Klägerin Altersrente für Frauen als Vorschuss beginnend am 1. Juli 2010 mit einem anfänglichen monatlichen Zahlbetrag von 509,09 Euro. Zur Feststellung der genauen Leistungshöhe seien noch weitere Ermittlungen erforderlich. Die von der Klägerin in Rumänien zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten vom 10. November 1970 bis 28. Mai 1990 wurden dabei der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI zugeordnet und als glaubhaft gemachte Zeiten zu 5/6 angerechnet. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2010 zurückgewiesen.

Nachdem der Beklagten von der AOK Rheinland-Hamburg mit Schreiben vom 24. Juni 2010 mitgeteilt worden war, dass dort keine Mitgliedschaft begründet werden könne, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2010 die Vorschussrente ohne Berücksichtigung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung neu fest. Der anfängliche monatliche Zahlbetrag belief sich auf 564,71 Euro.

Nachdem die Klägerin diverse Adeverinta ihrer rumänischen Arbeitgeber eingereicht hatte, stellte die Beklagte mit angefochtenem Bescheid vom 1. April 2011 die Altersrente für Frauen erneut als Vorschussrente neu fest. Sie berücksichtigte nunmehr die Zeiten vom 1. September 1979 bis 31. Dezember 1989 als nachgewiesene Pflichtbeitragszeiten mit einer Anrechnung zu 6/6. Der Zeitraum 1. Januar 1990 bis 28. Mai 1990 wurde ebenfalls als nachgewiesene Pflichtbeitragszeit, jedoch als Teilzeitbeschäftigung mit 92,91% der vollen Arbeitszeit anerkannt. Der Bescheid vom 11. September 2001 wurde insoweit aufgehoben. Für das Jahr 1990 habe ein Teilzeitfaktor von 0,9291 berücksichtigt werden müssen, weil die bescheinigten 118 Arbeits- und Urlaubstage nicht ausreichen würden, um den Zeitraum von 148 Kalendertagen abzudecken. Die Beklagte errechnete einen neuen monatlichen Zahlbetrag ab 1. Mai 2011 in Höhe von 588,98 Euro.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie u. a. die Einstufung der Versicherungszeiten in die Qualifikationsgruppe 4 als unzutreffend kritisierte. Sie sei als Hauptkrankenschwester tätig gewesen. Aufgrund der höheren Qualifikation sei ausweislich des Arbeitsbuchs auch ihr Entgelt erhöht worden. Auf eine übersandte Adeverinta vom 5. Januar 2010 wurde hingewiesen. Weitere Adeverinta für den Zeitraum April 1971 bis August 1979 wurden vorgelegt.

Die Klägerin verneinte die Anfrage der Beklagten, ob sie vor ihrer Prüfung als Hauptkrankenschwester im November 1978 (Bescheinigung vom 9. Dezember 1978) eine Schulzeit oder einen Lehrgang absolviert habe. Seit dieser Zeit habe sie jedoch mehr Lohn erhalten. Die Prüfung habe einen Tag gedauert.

Am 16. September 2011 wurde der Beklagten von der Beigeladenen gemeldet, dass bei der Klägerin bis 31. Juli 2011 keine gesetzliche Krankenversicherung bzw. soziale Pflegeversicherung bestanden habe. Ab 1. August 2011 bestehe hingegen Kranken- und Pflegeversicherungspflicht.

Die Beklagte stellte daraufhin mit weiterem angefochtenem Bescheid vom 18. Oktober 2011 die Altersrente für Frauen der Klägerin erneut neu fest. Die Zahlung erfolgte nicht mehr als Vorschuss. Sie stufte nunmehr die Zeiten vom 1. Dezember 1986 bis 28. Mai 1990 in Qualifikationsgruppe 3 ein. Es ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag von 548,69 Euro ab 1. Dezember 2011. Hierbei ist berücksichtigt, dass die Klägerin ab 1. August 2011 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterlag mit der Folge, dass vom Bruttobetrag der Rente in Höhe von 610,67 Euro ein Krankenversicherungsbeitragsanteil in Höhe von 50,07 Euro und ein Pflegeversicherungsbeitrag in Höhe von 11,91 Euro abgesetzt wurden. Die von der Beklagten ermittelte Nachzahlung in Höhe von 261,04 Euro wurde ebenfalls zunächst nicht ausgezahlt. Der Bescheid wurde zum Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens erklärt.

Hiergegen wandte die Klägerin u. a. ein, die Kürzung der Entgeltpunkte auf 60% sei rechtswidrig. Sie sei als Vertriebene anerkannt und bereits seit 1993 deutsche Staatsangehörige. Auch seien die Zeiten vor September 1979 weiterhin nur als glaubhaft gemachte Zeiten anerkannt worden. Schließlich sei sie bereits ab 1. September 1979 nach Abschluss des Gymnasiums als Fachausgebildete tätig gewesen.

Mit weiterem angefochtenen Bescheid vom 30. November 2011 machte die Beklagte nach vorheriger Anhörung der Klägerin mit ausführlichem Schreiben vom 19. Oktober 2011 gegenüber der Klägerin eine Forderung aus rückständigen Pflichtbeiträgen zur Krankenversicherung in Höhe von 146,31 Euro und zur sozialen Pflegeversicherung von 23,40 Euro für den Zeitraum 1. August bis 31. Oktober 2011 geltend. Die Gesamtforderung von 157,71 Euro werde in voller Höhe mit der Nachzahlung des Bescheids vom 18. Oktober 2011 aufgerechnet. Die Klägerin sei seit 1. August 2011 versicherungspflichtig in der Kranken- und der Pflegeversicherung. Die Eigenanteile der Klägerin aus der Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum 1. August bis 31. Oktober 2011 beliefen sich auf insgesamt 181,11 Euro. Davon könnten 157,71 Euro mit der Nachzahlung aus dem Bescheid vom 18. Oktober 2011 aufgerechnet werden. Für die Verrechnung gegen die Zahlung sei die Prüfung, ob Sozialhilfebedürftigkeit eintrete, entbehrlich, da Sozialhilfebedürftigkeit im Nachhinein nicht eintreten könne. Der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens. Der Restbetrag von 115,10 Euro wurde an die Klägerin ausbezahlt.

Mit weiterem angefochtenem Bescheid vom 15. Februar 2012 stellte die Beklagte die Altersrente für Frauen der Klägerin erneut neu fest. Die Zeiten vom 1. April 1971 bis 9. März 1976 und 30. Juni 1976 bis 30. November 1986 wurden nunmehr als nachgewiesene Beitragszeiten zu 6/6 angerechnet. Die Zeiten vom 1. Dezember 1986 bis 28. Februar 1987 und vom 1. November 1987 bis 28. Mai 1990 wurden in Qualifikationsgruppe 2 eingestuft. Es ergab sich ab 1. März 2012 ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 564,47 Euro. Die Nachzahlung von 345,62 Euro für den Zeitraum 1. Juli 2010 bis 29. Februar 2012 wurde der Klägerin überwiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 6. April 2011 gegen die Bescheide vom 1. April 2011, 18. Oktober 2011 sowie 15. Februar 2012 zurück. In Bezug auf die noch nicht abgerechnete Nachzahlung aus dem Bescheid vom 1. April 2011 erhalte die Klägerin weitere Mitteilung.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben und u. a. vorgetragen, sie habe das Abendgymnasium besucht. Außerdem habe sie von September 1968 bis September 1970 die Ausbildung zur Krankenschwester absolviert. Sie sei damit Fachausgebildete. Ihr stehe die volle und nicht die gekürzte Rente zu, da sie vor 1993 eingereist und Vertriebene sei. Es gebe keinen Teilzeitfaktor. Auch sei nicht nachvollziehbar, weshalb die zu 5/6 angerechneten Beitragszeiten nicht voll berücksichtigt worden seien und der Zeitraum 10. November 1970 bis 28. Mai 1990 lediglich mit dem Faktor 0,6 Berücksichtigung finden könne. Insoweit lägen Nachweise durch das Arbeitsbuch der Klägerin vor. Ihre Rente sei gekürzt worden, weil die Beigeladene ihr eine zusätzliche Pflichtversicherung auferlegt habe.

Das SG hat die Klage gegen den Bescheid vom 1. April 2011 in der Fassung der Bescheide vom 18. Oktober 2011 und vom 15. Februar 2012 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2012 durch Gerichtsbescheid vom 8. November 2012 abgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. In einem Erörterungstermin hat sie mitgeteilt, in Rumänien seien Personen auf technischen Schulen zu Assistenten Medicale Principale ausgebildet worden. Auf diese technischen Schulen seien Personen mit Gymnasiumsabschluss gegangen.

In der anschließend nachgereichten Berufungsbegründung hat sie sinngemäß geltend gemacht, der Abzug von Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen zugunsten der AOK sei nicht gerechtfertigt. Sie habe keinen Antrag für diese Pflichtversicherung gestellt. Im Rentenbescheid vom 1. April 2011 sei ein derartiger Abzug noch nicht enthalten gewesen. Ferner hat sie sich gegen den fiktiven Abzug einer rumänischen Rente gewandt. Es bestünde keine Verpflichtung zur Stellung eines Rentenantrags in Rumänien. Eine analoge Anwendung von § 31 FRG im Fall der Nichtgewährung einer ausländischen Rentenleistung und damit die Anrechnung einer bloßen fiktiven rumänischen Rente auf die Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung komme nicht in Betracht. Die Kürzung der Entgeltpunkte für in Rumänien zurückgelegte Beitragszeiten auf 60% sei ebenfalls nicht zulässig. Ihre rumänischen Beitragszeiten müssten auch zu einer Erhöhung ihrer deutschen Altersrente führen. Rechtswidrig sei auch die Berücksichtigung eines Abschlags für den durchgeführten Versorgungsausgleich aufgrund des Scheidungsurteils vom 15. Oktober 2001. Zudem habe die Beklagte ihren Beruf als Krankenschwester nicht anerkannt. Ab der Erhöhung ihres Entgelts habe eine Einstufung in Qualifikationsgruppe 2 zu erfolgen. Auch seien die Jahre November 1970 bis Oktober 1973 Zeiten einer beruflichen Ausbildung, obwohl sie nur 2 Jahre Ausbildung zur Krankenschwester absolviert habe. Sie habe auch nicht in Teilzeit gearbeitet, sondern stets 8 Stunden pro Tag. Auch sollten die drei in Spanien zurückgelegten Monate anhand ihres Bruttoentgelts berechnet werden.

Der Senat hat die AOK Bayern zum Verfahren gem. § 75 Abs. 2 SGG notwendig beigeladen. Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 10. März 2014 zum Kranken-/Pflegeversicherungsverhältnis der Klägerin Stellung genommen.

In der mündlichen Verhandlung am 19. März 2014 hat die Klägerin noch beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 8. November 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 1. April 2011 in der Fassung der Bescheide vom 18. Oktober 2011, 30. November 2011 und 15. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2012 zu verurteilen, die Versicherungszeiten der Klägerin ab 9. Dezember 1978 bis 30. November 1986 der Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen, die Zeit vom 10. November 1970 bis 24. März 1971 zu 6/6 anzurechnen, dazu die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 28. Mai 1990 als Vollzeitbeschäftigung anzurechnen, die Entgeltpunkte für die Pflichtbeitragszeiten vom 10. November 1970 bis 28. Mai 1990 ohne Kürzung auf 60% zu berücksichtigen, ab August 2011 Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung auf der Grundlage der Krankenversicherung der Rentner abzuführen und Leistungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akte der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zuordnung der Versicherungszeiten ab 9. Dezember 1978 bis 30. November 1986 zur Qualifikationsgruppe 2 zu. Darüber hinaus steht ihr die Altersrente ohne Ansatz eines Teilzeitfaktors von 0,9291 für den Zeitraum 1. Januar 1990 bis 28. Mai 1990 zu. Im Übrigen hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 1. April 2011 in der Fassung der Bescheide vom 18. Oktober 2011, 30. November 2011 und 15. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Juli 2012. Die Bescheide vom 18. Oktober 2011und 15. Februar 2012 wurden gemäß § 86 SGG Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens, da mit ihnen der Bescheid vom 1. April 2011 in Bezug auf die Rentenhöhe abgeändert wurde. Dies gilt auch für den Bescheid vom 30. November 2011. Denn mit diesem Bescheid hat die Beklagte den zum Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens gewordenen Bescheid vom 18. Oktober 2011 insofern abgeändert, als sie nunmehr eine Verrechnung der rückständigen Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin bei der Beigeladenen mit der im Bescheid vom 18. Oktober 2011 ausgewiesenen Nachzahlung vorgenommen hat. Zwar hat die Widerspruchsbehörde den Bescheid vom 30. November 2011 im Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2012 nicht ausdrücklich erwähnt. Das Gericht kann aber über diesen Verwaltungsakt mitentscheiden, da die Klägerin einen entsprechenden Antrag gestellt hat und die anderen Beteiligten der Einbeziehung, die aufgrund der dann möglichen umfassenden Klärung des gesamten Rechtsstreits im Interesse aller Prozessbeteiligten ist, nicht widersprochen haben (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86 Rdn. 5). Unschädlich ist nach den Grundsätzen über das Heraufholen von Prozessresten (vgl. insoweit Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 140 Rn. 2a) auch, dass das SG über das Begehren der Klägerin, keine Abzüge für die Kranken- bzw. Pflegeversicherung von der Rente vorzunehmen, nicht befunden hat.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Bei Erlass des bestandskräftig gewordenen Rentenbescheids vom 7. Mai 2010 hat die Beklagte § 256 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI i. V. m. der Anlage 13 zum SGB VI unrichtig angewandt und der Klägerin deshalb Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten. Der Klägerin stehen Leistungen aufgrund einer Zuordnung der Versicherungszeiten zu Qualifikationsgruppe 2 bereits ab 1. Dezember 1982 zu.

Die Anerkennung der von der Klägerin in Rumänien zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten richtet sich nach dem Fremdrentengesetz - FRG - und dem Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz - FANG -.

Gemäß Art. 6 § 4 Abs. 2 und 3 FANG kommt eine Anwendung des FRG in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung bei einer gewöhnlichen Aufenthaltsnahme im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet vor dem 1. Juli 1990 bei einem Rentenbeginn nach dem 31. Dezember 1995 nicht mehr in Betracht. Die Bewertung der Beitragszeiten der Klägerin hat also gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 FRG in der ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung zu erfolgen. Danach werden Entgeltpunkte für Beitrags- und Beschäftigungszeiten nicht mehr aufgrund der Zuordnung zu Leistungsgruppen, sondern gem. § 256 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI nach Durchschnittsverdiensten ermittelt, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche ergeben. Damit hat der Gesetzgeber für die Versicherten aus den Herkunftsgebieten die Tabellenwerke übernommen, die den Einkommensverhältnissen sowie den Ausbildungs- und Fortbildungsstrukturen der ehemaligen DDR angepasst waren.

In die „Qualifikationsgruppe 2 Fachschulabsolventen“ sind einzuordnen:

1. Personen, die an einer Ingenieur- oder Fachschule in einer beliebigen Studienform oder extern den Fachschulabschluss entsprechend den geltenden Rechtsvorschriften erworben haben und denen eine Berufsbezeichnung der Fachschulausbildung erteilt worden ist 2. -(betrifft Beitrittsgebiet) 3. Personen, die an staatlich anerkannten mittleren und höheren Fachschulen außerhalb des Beitrittsgebiets eine Ausbildung abgeschlossen haben, die der Anforderung des Fachschulabschlusses im Beitrittsgebiet entsprach, und ein entsprechendes Zeugnis besitzen 4. Technische Fachkräfte, die berechtigt die Berufsbezeichnung „ Techniker“ führten, sowie Fachkräfte, die berechtigt eine dem Techniker gleichwertige Berufsbezeichnung entsprechend der Systematik der Berufe im Beitrittsgebiet (z. B. Topograph, Grubensteiger) führten.

Eine Einstufung in „Qualifikationsstufe 3 Meister“ kommt für Personen in Betracht, die einen urkundlichen Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister bzw. als Meister des Handwerks besitzen beziehungsweise denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Qualifikation als Meister zuerkannt wurde. Hierzu zählen nicht in Meisterfunktion eingesetzte oder den Begriff „ Meister „ als Tätigkeitsbezeichnung führende Personen, die einen Meisterabschluss nicht haben (z. B. Platzmeister, Wagenmeister).

In die „Qualifikationsgruppe 4 Facharbeiter“ sind Personen eingeordnet, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen aufgrund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind.

Nach den Sätzen 1 und 2 der Anlage 13 sind Versicherte in eine der Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben. Haben Versicherte aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben, die üblicherweise denen von Versicherten in einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen, sind sie in diese Qualifikationsgruppe einzustufen.

Bei der notwendigen analogen Anwendung der auf die Verhältnisse in der ehemaligen DDR zugeschnittenen Eingruppierungsmerkmale ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 2003, B 8 KN 2/03, Urteil vom 24. Juli 1003, B 4 RA 61/02 R) zunächst von der im Herkunftsgebiet erworbenen beruflichen Ausbildung und Qualifikation unter Beachtung des dort geltenden beruflichen, schulischen und universitären Bildungssystems auszugehen. Sodann ist zu fragen, welcher Qualifikationsgruppe - übertragen auf die Verhältnisse in der DDR - diese berufliche Ausbildung und Qualifikation materiell entspricht. Schließlich ist zu prüfen, ob eine diesen Qualifikationsmerkmalen entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wurde.

In Rumänien erfolgte die Ausbildung auf der Ebene der mittleren Berufsbildung (Techniker/Meister) zum einen in Bildungseinrichtungen, an denen Allgemein- und Berufsbildung gemeinsam erworben wurden (vgl. zum Folgenden Müller, Die Qual mit den Qualifikationsgruppen, DAngVers 1995, S. 354 ff.). Aufgenommen wurden Absolventen der sieben-, später der achtklassigen Allgemeinschule. Die Ausbildung endete nach 3 bis 5 Jahren (meist 4 Jahre) mit dem Technikerabschluss. In einer zweiten Ausbildungsform wurden hingegen Allgemein- und Berufsbildung nacheinander erworben. Es wurden also zunächst allgemeinbildende Schulen besucht und mit der Hochschulreife abgeschlossen. Anschließend erwarben die Absolventen an Fachschulen die mittlere berufliche Qualifikation. Da in diesen Bildungseinrichtungen nur noch Fachunterricht erteilt werden musste, war die Ausbildung entsprechend kurz, meist ein bis zwei Jahre, nur in Ausnahmen drei Jahre.

Die Klägerin hat zunächst an einer Berufsschule eine zweijährige Ausbildung zur Krankenschwester mit einem Facharbeiterabschluss („muncitor calificat“) absolviert und anschließend daran von 1973 bis 1978 das Lyzeum für Mathematik/Physik mit der Reifeprüfung abgeschlossen. Sie hat also nicht an einer staatlich anerkannten mittleren und höheren Fachschule außerhalb des Beitrittsgebiets eine Ausbildung abgeschlossen. Damit kann sie nicht unmittelbar ab 9. Dezember 1978 aufgrund einer formellen Qualifikation als Fachschulabsolventin bei gleichzeitiger Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit eine Einstufung in Qualifikationsgruppe 2 beanspruchen. Auch die von der Klägerin geltend gemachte eintägige Prüfung sowie die Lohnerhöhung zu diesem Zeitpunkt können die fehlende formelle Qualifikation im Sinne der Qualifikationsgruppe 2 und die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch fehlenden langjährigen Berufserfahrungen in diesem Beruf nicht ausgleichen.

Eine Anerkennung der Qualifikationsgruppe 2 hat aber gemäß Satz 2 der Anlage 13 zum SGB VI nach Auffassung des Senats bereits nach 4 Jahren und damit bereits ab 1. Dezember 1982 zu erfolgen. Nach dieser Bestimmung sind Versicherte, die aufgrund langjähriger Berufserfahrung Fähigkeiten erworben haben, die üblicherweise denen von Versicherten einer höheren Qualifikationsgruppe entsprechen, in diese Qualifikationsgruppe einzustufen.

In der Anlage 13 zum SGB VI ist das Merkmal der „langjährigen Berufserfahrung“ nicht definiert. Erforderlich ist, dass der höherwertige Beruf während eines Zeitraums ausgeübt wurde, der ausreicht, um die theoretischen und praktischen Fähigkeiten für eine vollwertige Berufsausübung auch ohne formelle Ausbildung zu vermitteln. Hierbei kommt es jeweils auf den ausgeübten Beruf an. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu den Leistungsgruppen ist jedenfalls davon auszugehen, dass eine langjährige Berufstätigkeit nicht früher als nach einer regulären Ausbildung zu dem Erwerb entsprechender Fachkenntnisse und Fähigkeiten führen kann (BSG SozR 5050 § 22 Nr. 17). Wegen der nicht im Vordergrund stehenden Ausbildung bzw. der fehlenden umfassenden Unterweisung ist grundsätzlich eine längere Zeitspanne anzusetzen. Die Rentenversicherungsträger gehen dabei regelmäßig im Rahmen der Einstufung nach Leistungsgruppen von einer Verdoppelung der Ausbildungszeit aus (vgl. VDR- Kommentar zum Rentenrecht, Nebengesetze, Band 1, Oktober 1998, § 22 FRG, 5.44 für Facharbeiter). Es ist nicht zu beanstanden, wenn diese typisierende Betrachtungsweise auch im Rahmen der Einstufung in Qualifikationsgruppen angewendet wird, wenn keine Anhaltspunkte vorhanden sind, die eine Höherstufung zu einem früheren Zeitpunkt rechtfertigen.

Nachdem in Rumänien für Absolventen mit Hochschulreife die Fachschulausbildung in der Regel auf eine Ausbildung von 1 bis 2 Jahren beschränkt war, die Klägerin bereits eine einschlägige zweijährige Ausbildung auf Facharbeiterniveau absolviert hatte und seit November 1970 als Krankenschwester tätig war, ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin bereits nach 4 Jahren Berufserfahrung in der Tätigkeit als Hauptkrankenschwester vollwertig auf dem Niveau einer Fachschulabsolventin tätig geworden ist. Diese Zeitspanne entspricht der doppelten Dauer einer Fachschulausbildung von 2 Jahren. Nachvollziehbare Belege dafür, dass die Klägerin abweichend von dieser typisierenden Betrachtungsweise bereits zu einem früheren oder erst einem späteren Zeitpunkt dieses Niveau erreicht hat, liegen nicht vor.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass ab diesem Zeitpunkt die berufliche Qualifikation der Klägerin übertragen auf die Verhältnisse der ehemaligen DDR derjenigen einer dortigen Fachschulabsolventin entspricht. In der ehemaligen DDR erfolgte die Ausbildung zur Krankenschwester nicht in Berufsschulen, sondern innerhalb von 3 Jahren in Medizinischen Fachschulen. Erforderlich war in der Regel ein Abschluss auf der Ebene der mittleren Reife (10. Klasse; vgl. Bildung und Beruf, Berufe der ehemaligen DDR Bd. 8, 1991, S. 840). Die Klägerin hat demgegenüber die Reifeprüfung abgelegt, eine zweijährige Berufsausbildung zur Krankenschwester absolviert und ab November 1970 bis November 1971 rund 1 Jahr Berufserfahrungen als Krankenschwester sowie von Dezember 1978 bis November 1982 weitere vier Jahre Berufserfahrungen als Hauptassistentin bzw. Hauptkrankenschwester gesammelt. Dies ist nach Auffassung des Senats als gleichwertig anzuerkennen.

Auch der von der Beklagten angesetzte Teilzeitfaktor von 0,9291 für den Zeitraum 1. Januar 1990 bis 28. Mai 1990 ist nach Auffassung des Senats rechtswidrig. Gemäß § 26 S. 3 FRG werden für Zeiten, in denen der Versicherte innerhalb eines Kalenderjahres teilzeitbeschäftigt oder unständig beschäftigt war, Entgeltpunkte mit dem auf den Teilzeitraum entfallenden Anteil berücksichtigt. Eine Teilzeitbeschäftigung liegt vor, wenn die regelmäßige tatsächliche Arbeitszeit geringer als die übliche Arbeitszeit ist (Verbandskommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, Bd. 11, § 26 FRG Rn. 6). Ausweislich der Adeverinta Nr. 415 vom 14. Juni 2010 ist bis 1. April 1990 von einer Sechs-Tage-Woche (48 Stunden wöchentlich), ab 1. April 1990 von einer Fünf-Tage-Woche (40 Stunden wöchentlich) auszugehen. Die Annahme der Beklagten, es sei durchgängig eine Sechs-Tage-Woche zugrunde zu legen, trifft damit nicht zu. In der Adeverinta vom 14. Juni 2010 (Nr. 415) sind für den Zeitraum 1. Januar 1990 bis 28. Mai 1990 Arbeits- bzw. Urlaubstage wie folgt bescheinigt worden: Januar: 25 Arbeitstage Februar: 24 Arbeitstage März: 27 Arbeitstage April: 19 Arbeitstage Mai: 1 Arbeitstag Januar-Mai: 23 Urlaubstage

Bei 6 Arbeitstagen wöchentlich ergeben sich - ohne Ansatz von Feiertagen - für den Januar: 27 Arbeitstage Februar 24 Arbeitstage März 27 Arbeitstage und bei Berücksichtigung einer Fünf-Tage-Woche für den April 21 Arbeitstage Mai 23 Arbeitstage.

Angesichts des Umstands, dass in Rumänien im Jahr 1990 der 1. und der 2. Januar (Neujahr), der 1. Mai (Tag der Arbeit) und der 16. April 1990 (orthodoxer Ostermontag) gesetzliche Feiertage waren, weicht damit auch in diesem Zeitraum die regelmäßige tatsächliche Arbeitszeit der Klägerin nicht nach unten von der üblichen Arbeitszeit ab. Die Klägerin hat nach alledem einen Anspruch auf Berechnung der Rente ohne Ansatz eines Teilzeitfaktors von 0,9291 für den Zeitraum 1. Januar 1990 bis 28. Mai 1990.

Im Übrigen war die Berufung, soweit sie in der mündlichen Verhandlung noch aufrecht erhalten wurde, zurückzuweisen.

Es ist nicht zu beanstanden, dass die Versicherungszeiten der Klägerin in Rumänien vom 10. November 1970 bis 24. März 1971 nur zu 5/6 angerechnet worden sind.

Gem. § 22 Abs. 3 FRG werden für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt. Eine ungekürzte Anrechnung zu 6/6 kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, da die fraglichen Beitragszeiten nur glaubhaft gemacht und nicht nachgewiesen sind.

Nachweis i. S. des § 22 Abs. 3 FRG bedeutet die Führung des vollen Beweises, der auch im Sozialversicherungsrecht mit allen Beweismitteln erbracht werden kann. Nachgewiesen sind Zeiten dann, wenn mit der für den vollen Beweis erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststeht, dass sie ohne relevante Unterbrechungen zurückgelegt sind. Dies kann angenommen werden, wenn eine Arbeitsbescheinigung (Adeverinta) vorliegt, die nicht nur konkrete und glaubwürdige Angaben über Beginn und Ende der Beschäftigungs- bzw. Beitragszeiten enthält, sondern auch über dazwischen liegende Arbeitsunterbrechungen etwa durch Krankheit, unentschuldigtes Fehlen, Urlaub oder Arbeitslosigkeit. Fehlen in den Unterlagen konkrete Angaben über einzelne Fehlzeiten und ist nicht angegeben, aus welchen Quellen diese Angaben entnommen werden, kann nur eine Anrechnung zu 5/6 erfolgen. Eine Adeverinta, die diesen Anforderungen genügt, ist dann glaubwürdig, wenn sie mit den Angaben des Versicherten sowie mit den sonstigen vorliegenden Bescheinigungen über das Arbeitsverhältnis übereinstimmt.

Als Bescheinigungen, die den vollen Nachweis der Beschäftigungszeiten der Klägerin im Sinne des § 22 Abs. 3 FRG erbringen können, kommt das Arbeitsbuch der Klägerin nicht in Betracht, da in diesem nur Angaben über Anfang und Ende der Beschäftigung enthalten sind, jedoch keine Ausführungen in Bezug auf dazwischen liegende Arbeitsunterbrechungen. Die vorgelegten Adeverinta und hierbei vor allem die Nr. 3500 vom 19. Juli 2011 und Nr. 3562 vom 20. Juli 2011 scheiden insoweit ebenfalls aus, da in ihnen Angaben über Arbeitsunterbrechungen erst ab April 1971 enthalten sind. Da weitere Nachweise nicht vorliegen, ist die Anrechnung dieses Zeitraums zu 5/6 nicht zu beanstanden.

Die Absenkung der Entgeltpunkte für die in Rumänien zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten auf 60% (Faktor 0,6) ist ebenfalls rechtmäßig.

Gemäß § 22 Abs. 4 FRG in der ab dem 7. Mai 1996 geltenden Fassung sind die nach § 22 Abs. 1 und 3 FRG maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 zu multiplizieren. Die Bestimmung in dieser Fassung ist auch auf die Klägerin anzuwenden, da für die Klägerin kein Rentenanspruch vor dem 1. Januar 1990 (Art. 6 § 4 Abs. 2 FANG) bzw. 1. Oktober 1996 (Art. 6 § 4c Abs. 1 FANG) besteht und sie auch keinen Rentenanspruch auf der Grundlage der deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen von 1990 bzw. 1975 hat (Art. 6 § 4 Abs. 5 FANG).

Die Beklagte hat unstrittig nur die Entgeltpunkte, die sie für Beitragszeiten gemäß § 22 Abs. 1 und 3 FRG ermittelt hat, mit dem Faktor 0,6 multipliziert.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 22 Abs. 4 FRG hat der Senat nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. Juni 2006, 1 BvL 9/00 u. a., die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung grundsätzlich festgestellt, allerdings eine Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge für erforderlich erachtet. Der Gesetzgeber hat diese Entscheidung durch Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG umgesetzt, die einen Zuschlag für die Zeit vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 2000 vorsieht. Die Klägerin hat allerdings keinen Anspruch auf Zuschlag an Entgeltpunkten nach dieser Bestimmung. Ein solcher Anspruch scheitert daran, dass ein Zuschlag an Entgeltpunkten für Zeiten des Rentenbezugs ab 1. Juli 2000 nicht mehr bezahlt wird (Art. 6 § 4c Abs. 2 S. 4 FANG), die Klägerin jedoch erst ab 1. Juli 2010 Altersrente bezieht.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese zeitliche Begrenzung des Anspruchs auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten bestehen nicht. Durch die Regelung des Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG hat der Gesetzgeber vielmehr exakt und in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, die dem Gesetzgeber mit Beschluss vom 13. Juni 2006 gemacht worden sind (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 15. Juli 2010, 1 BvR 1201/10, BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010, B 13 R 90/09 R).

Keine Bedenken bestehen auch dagegen, dass die Beklagte seit 1. August 2011 Pflichtbeiträge der Klägerin zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Rente abführt. Die Klägerin unterliegt erst seit ihrer Rückkehr aus Spanien und damit ab August 2011 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, weil die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung als Rentenbezieherin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V nicht erfüllt waren und auch eine freiwillige Versicherung wegen fehlender Vorversicherungszeiten bzw. Fristversäumnis nicht möglich war. Die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V entsteht, ohne dass hierfür vom Versicherten ein Antrag gestellt werden müsste. Bei versicherungspflichtigen Rentenbeziehern trägt gemäß § 249a S. 1 SGB V der Träger der Rentenversicherung die Hälfte der nach der Rente zu bemessenden Beiträge nach dem um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatz; im Übrigen tragen die Rentner die Beiträge. Der Rentenversicherungsträger ist gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V verpflichtet, Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, bei der Zahlung der Rente einzubehalten. § 255 Abs. 2 SGB V verpflichtet den Rentenversicherungsträger, bei Nichterfüllung der Abführungspflicht die rückständigen Beiträge von der Rente einzubehalten bzw. gemäß § 51 Abs. 2 SGB I gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufzurechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch sozialhilfebedürftig wird. Ihm steht dabei weder ein Ermessensspielraum zu noch ist ein wie auch immer gearteter Vertrauensschutz zu beachten (BSG, Urteil vom 15. Juni 2000, Az. B 12 RJ 5/99 R). Auch die durch den Bescheid vom 30. November 2011 nach ordnungsgemäßer Anhörung erfolgte Verrechnung der rückständigen Beiträge mit der Nachzahlung aus dem Bescheid vom 18. Oktober 2011 begegnet keinen Bedenken. Eine Prüfung der Sozialhilfebedürftigkeit der Klägerin bedurfte es nicht, da die Ansprüche mit einer nicht ausbezahlten Nachzahlung verrechnet wurden. Im Nachhinein kann Sozialhilfebedürftigkeit nicht entstehen.

Konkrete Einwendungen gegen die Höhe der von der Beklagten abgezogenen Beiträge wurden von der Klägerin nicht geltend gemacht. Für den Senat sind insoweit auch keine Fehler ersichtlich. Nur am Rande, da hier nicht streitgegenständlich, sei darauf verwiesen, dass auch nicht zu beanstanden ist, dass die Klägerin neben dem Abzug des Krankenversicherungs-/Pflegeversicherungsbeitragsanteils von ihrer Rente noch zusätzlich einen Beitrag zur Beigeladenen entrichten muss. Dies beruht darauf, dass die Beigeladene bei der Beitragsfestsetzung die gesetzlich vorgeschriebene Mindesteinkommensgrenze zu berücksichtigen hat (§§ 227, 240 SGB V).

Die Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem Anliegen einen Teilerfolg erzielt hat.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 5 Versicherungspflicht


(1) Versicherungspflichtig sind1.Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,2.Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht be

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 75


(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 240 Beitragspflichtige Einnahmen freiwilliger Mitglieder


(1) Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitgl

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 86


Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

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(1) Für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art werden Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlag

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 51 Aufrechnung


(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind. (2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht e

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 255 Beitragszahlung aus der Rente


(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu t

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 249a Tragung der Beiträge bei Versicherungspflichtigen mit Rentenbezug


Versicherungspflichtige, die eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 beziehen, und die Träger der Rentenversicherung tragen die nach der Rente zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Bei Versicherungspflichtigen, die eine für sie nach § 237 Satz 2

Fremdrentengesetz - FRG | § 31


(1) Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle eine

Fremdrentengesetz - FRG | § 26


Werden Beitrags- und Beschäftigungszeiten nur für einen Teil eines Kalenderjahres angerechnet, werden bei Anwendung des § 22 Abs. 1 die Entgeltpunkte nur anteilmäßig berücksichtigt. Dabei zählen Kalendermonate, die zum Teil mit Anrechnungszeiten nach

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 19. März 2014 - L 1 R 1000/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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bei uns veröffentlicht am 15.07.2010

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. Juni 2006 (BVerfGE 11
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Sozialgericht Augsburg Urteil, 21. Feb. 2018 - S 4 R 875/16

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Tenor I. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 18. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2016 verpflichtet, die Bescheide vom 5. Januar 2012 und 18. Mai 2016 teilweise zurückzunehm

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 09. Mai 2018 - L 19 R 464/16

bei uns veröffentlicht am 09.05.2018

Tenor I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2016 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbes

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(1) Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird. Auf Steigerungsbeträge aus Beiträgen der Höherversicherung findet Satz 1 keine Anwendung. § 18d des Vierten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(2) Der Berechtigte hat dem zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen unverzüglich anzuzeigen, wenn ihm eine der in Absatz 1 genannten Stellen eine Rente oder eine andere Leistung gewährt.

(3) (weggefallen)

(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, daß bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen.

(2a) Kommt nach Absatz 2 erste Alternative die Beiladung von mehr als 20 Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluss anordnen, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Er muss außerdem in im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitungen veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muss mindestens drei Monate seit der Bekanntgabe betragen. Es ist jeweils anzugeben, an welchem Tag die Antragsfrist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(2b) In Verfahren gegen Entscheidungen nach § 7a Absatz 1 Satz 3, § 28h Absatz 2 und § 28p Absatz 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind andere Versicherungsträger abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen. Das Gericht benachrichtigt die anderen Versicherungsträger über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag. Das Gericht setzt den anderen Versicherungsträgern für die Antragstellung eine angemessene Frist. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht kann Versicherungsträger auch von Amts wegen beiladen.

(3) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Der Beschluß, den Dritten beizuladen, ist unanfechtbar.

(4) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur dann stellen, wenn eine Beiladung nach Absatz 2 vorliegt.

(5) Ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land kann nach Beiladung verurteilt werden.

Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art werden Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht und für Zeiten vor dem 1. Januar 1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt. Die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs richtet sich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Ist der Betrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit, ist für die Bestimmung des Bereichs diese maßgeblich. Kommen nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Bereiche in Betracht, ist von ihnen der Bereich mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich. Ist eine Zuordnung zu einem oder zu einem von mehreren Bereichen nicht möglich, so erfolgt die Zuordnung zu dem Bereich mit den für das jeweilige Jahr niedrigsten Durchschnittsverdiensten. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend für die Zuordnung zu einer Qualifikations- oder Leistungsgruppe. Zeiten eines gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstes werden Entgeltpunkte zugeordnet, die zu berücksichtigen wären, wenn der Wehr- oder Ersatzdienst im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet abgeleistet worden wäre. Kindererziehungszeiten nach § 28b sind Entgeltpunkte zuzuordnen, wie wenn die Erziehung im Bundesgebiet erfolgt wäre.

(2) Zeiten der Ausbildung als Lehrling oder Anlernling erhalten für jeden Kalendermonat 0,025 Entgeltpunkte.

(3) Für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt.

(4) Die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte werden mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt.

Werden Beitrags- und Beschäftigungszeiten nur für einen Teil eines Kalenderjahres angerechnet, werden bei Anwendung des § 22 Abs. 1 die Entgeltpunkte nur anteilmäßig berücksichtigt. Dabei zählen Kalendermonate, die zum Teil mit Anrechnungszeiten nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch belegt sind, als Zeiten mit vollwertigen Beiträgen. Für Zeiten, in denen der Versicherte innerhalb eines Kalenderjahres teilzeitbeschäftigt oder unständig beschäftigt war, werden Entgeltpunkte mit dem auf den Teilzeitraum entfallenden Anteil berücksichtigt. Dabei werden für Zeiten einer Beschäftigung mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von weniger als zehn Stunden in der Woche Entgeltpunkte nicht ermittelt. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend, soweit anstelle einer Beschäftigung eine selbständige Tätigkeit ausgeübt worden ist.

(1) Für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art werden Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht und für Zeiten vor dem 1. Januar 1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt. Die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs richtet sich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Ist der Betrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit, ist für die Bestimmung des Bereichs diese maßgeblich. Kommen nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Bereiche in Betracht, ist von ihnen der Bereich mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich. Ist eine Zuordnung zu einem oder zu einem von mehreren Bereichen nicht möglich, so erfolgt die Zuordnung zu dem Bereich mit den für das jeweilige Jahr niedrigsten Durchschnittsverdiensten. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend für die Zuordnung zu einer Qualifikations- oder Leistungsgruppe. Zeiten eines gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstes werden Entgeltpunkte zugeordnet, die zu berücksichtigen wären, wenn der Wehr- oder Ersatzdienst im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet abgeleistet worden wäre. Kindererziehungszeiten nach § 28b sind Entgeltpunkte zuzuordnen, wie wenn die Erziehung im Bundesgebiet erfolgt wäre.

(2) Zeiten der Ausbildung als Lehrling oder Anlernling erhalten für jeden Kalendermonat 0,025 Entgeltpunkte.

(3) Für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt.

(4) Die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte werden mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt.

(1) Für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art werden Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht und für Zeiten vor dem 1. Januar 1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt. Die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs richtet sich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Ist der Betrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit, ist für die Bestimmung des Bereichs diese maßgeblich. Kommen nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Bereiche in Betracht, ist von ihnen der Bereich mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich. Ist eine Zuordnung zu einem oder zu einem von mehreren Bereichen nicht möglich, so erfolgt die Zuordnung zu dem Bereich mit den für das jeweilige Jahr niedrigsten Durchschnittsverdiensten. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend für die Zuordnung zu einer Qualifikations- oder Leistungsgruppe. Zeiten eines gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstes werden Entgeltpunkte zugeordnet, die zu berücksichtigen wären, wenn der Wehr- oder Ersatzdienst im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet abgeleistet worden wäre. Kindererziehungszeiten nach § 28b sind Entgeltpunkte zuzuordnen, wie wenn die Erziehung im Bundesgebiet erfolgt wäre.

(2) Zeiten der Ausbildung als Lehrling oder Anlernling erhalten für jeden Kalendermonat 0,025 Entgeltpunkte.

(3) Für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt.

(4) Die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte werden mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 13. Juni 2006 (BVerfGE 116, 96 ff.) vom Gesetzgeber in Art. 6 § 4c Abs. 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554) geschaffene Übergangsregelung (im Folgenden: Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007).

I.

2

1. a) Die politischen Umwälzungen in den Staaten Ost- und Südosteuropas Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre veranlassten den Gesetzgeber zu einer Einschränkung und schließlich zu einer Abkehr des bis dahin das Fremdrentenrecht prägenden Eingliederungsprinzips (vgl. BVerfGE 116, 96 <97 ff.>).

3

In einem ersten Schritt führte der Gesetzgeber 1991 einen Abschlag in Höhe von 30 vom Hundert auf die nach dem Fremdrentengesetz ermittelten Entgeltpunkte ein (§ 22 Abs. 3 FRG in der vom 1. August 1991 bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung bzw. § 22 Abs. 4 FRG in der ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25. Juli 1991 - RÜG, BGBl I S. 1606; vgl. BVerfGE 116, 96 <99 f.>).

4

In einem zweiten Schritt erhöhte der Gesetzgeber durch das am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG) vom 25. September 1996 (BGBl I S. 1461) mit Wirkung zum 7. Mai 1996 den in § 22 Abs. 4 FRG vorgesehenen Abschlag von 30 vom Hundert auf 40 vom Hundert (im Folgenden: § 22 Abs. 4 FRG 1996).

5

§ 22 Abs. 4 FRG 1996 war nach Art. 6 § 4c FANG in der Fassung des Art. 4 Nr. 4 WFG (im Folgenden: Art. 6 § 4c FANG 1996) nicht anwendbar auf Berechtigte, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente vor dem 1. Oktober 1996 beginnt. Außerdem war § 22 Abs. 4 FRG 1996 nach Art. 6 § 4 Abs. 5 FANG 1996 nicht anwendbar auf Berechtigte, die nach Maßgabe des Abkommens vom 8. Dezember 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit (BGBl II 1991 S. 743) Ansprüche und Anwartschaften auf der Grundlage des Abkommens vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (BGBl II 1976 S. 396) hatten.

6

Art. 13 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 - RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2998) gab der Übergangsregelung des Art. 6 § 4c FANG mit Wirkung zum 7. Mai 1996 (vgl. Art. 32 Abs. 6 RRG 1999) folgenden Wortlaut:

7

"Für Berechtigte, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente vor dem 1. Oktober 1996 beginnt, sind für die Berechnung dieser Rente § 22 Abs. 3 des Fremdrentengesetzes in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung und § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes in der ab dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung sowie § 4 Abs. 5 und 7 in der am 6. Mai 1996 geltenden Fassung anzuwenden."

8

b) Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13. Juni 2006 (BVerfGE 116, 96 ff.) entschieden, dass es mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip unvereinbar ist, dass § 22 Abs. 4 FRG 1996 auf Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt, ohne eine Übergangsregelung für die zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge zur Anwendung kommt.

9

c) Der Gesetzgeber änderte hierauf durch Art. 16 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz rückwirkend zum 1. Oktober 1996 die Übergangsregelung in Art. 6 § 4c FANG. Dessen bisheriger Text wurde zum neuen Abs. 1 der Vorschrift. Der neue Abs. 2 erhielt folgenden Wortlaut:

10

"Für Berechtigte,

11

1. die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben,

12

2. deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und

13

3. über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist,

14

wird für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs. 4 des Fremdrentengesetzes ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezuges

15

vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 voll,

16

vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 zu drei Vierteln,

17

vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zur Hälfte und

18

vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 zu einem Viertel

19

gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezuges ab 1. Juli 2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. § 88 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch findet keine Anwendung. § 44 Abs. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch findet Anwendung."

20

2. Die 1937 geborene Beschwerdeführerin war von September 1955 bis Juli 1982 in Rumänien beschäftigt. Im November 1983 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland aus und wurde als Spätaussiedlerin anerkannt. Ihr Versicherungskonto weist auch bundesdeutsche Beitragszeiten auf.

21

Auf ihren Antrag hin bewilligte ihr der Rentenversicherungsträger Altersrente für Frauen ab Mai 1997. Bei der Rentenberechnung kürzte er die Entgeltpunkte für die nach dem Fremdrentengesetz anerkannten Beschäftigungszeiten in Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG 1996 um 40 vom Hundert. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Das Landessozialgericht ordnete das Ruhen des Verfahrens an.

22

Nach Schaffung der Übergangsregelung in Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007 berechnete und bewilligte der Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 26. Februar 2008 die Rente der Beschwerdeführerin nach Maßgabe der Übergangsregelung. Es ergab sich für die Zeit von Mai 1997 bis Juni 2000 eine Nachzahlung (einschließlich Zinsen) in Höhe von 8.095,92 Euro. Das Landessozialgericht wies die Klage, die sich nun gegen den Bescheid vom 26. Februar 2008 richtete, ab. Die Übergangsregelung sei verfassungsgemäß.

23

Das Bundessozialgericht wies die vom Landessozialgericht zugelassene Revision zurück. Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007 genüge den vom Bundesverfassungsgericht für die Übergangsregelung aufgestellten Anforderungen (vgl. auch BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 38/08 R -, juris, Rn. 17 ff.).

24

3. Die Verfassungsbeschwerde richtet sich unmittelbar gegen die Entscheidungen des Bundessozialgerichts und des Landessozialgerichts sowie mittelbar gegen die Übergangsregelung. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 14 GG sowie von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Die Übergangsregelung entspreche nicht der vom Bundesverfassungsgericht geforderten verfassungsmäßigen Regelung. Es sei für sie nicht zumutbar, dass ihre Rente binnen drei Jahren und zwei Monaten um etwa ein Viertel gekürzt werde. Wenn sie mittel- und langfristig wirkende finanzielle Dispositionen getroffen hätte, wäre sie nicht in der Lage gewesen, diese der verringerten Rente anzupassen.

II.

25

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.

26

1. Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007 ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

27

a) Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ist nicht verletzt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2006 ausdrücklich festgestellt, dass sich der Gesetzgeber zur Erfüllung der sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen auch zu einer gestuften Übergangsregelung entschließen kann, und dass es dann seine Sache ist zu regeln, in welchem Zeitraum und in welchen Zeitstufen die Anpassung erfolgen soll, um dem legitimen Interesse der Betroffenen zu genügen (vgl. BVerfGE 116, 96 <134>). Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung der Übergangsregelung also einen breiten Gestaltungsspielraum (vgl. auch BVerfGE 43, 242 <288>). Diesem Spielraum des Gesetzgebers korrespondiert eine nur eingeschränkte verfassungsgerichtliche Kontrolle. Das Bundesverfassungsgericht kann nur prüfen, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung aller Umstände die Grenzen der Zumutbarkeit überschritten hat (vgl. BVerfGE 43, 242 <288 f.>).

28

Dies ist hier nicht der Fall. Der Verfassung lässt sich nicht die Verpflichtung entnehmen, die Übergangsregelung über einen längeren als den in Art. 6 § 4c FANG 2007 vorgesehenen Zeitraum von 45 Monaten zu erstrecken oder die Reduzierung des Rentenbetrages in anderen Schritten vorzunehmen. Dass es auf der Grundlage der vom Gesetzgeber gewählten Regelung der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen wäre, ihre Lebensführung auf die niedrigere Rente einzustellen (vgl. BVerfGE 116, 96 <134>), ist nicht ersichtlich und lässt sich auch insbesondere der Verfassungsbeschwerde nicht entnehmen. Sie geht über die bloße Behauptung, die Rentenkürzungen seien ihr nicht zumutbar, nicht hinaus und legt insbesondere eine konkrete Unzumutbarkeit nicht dar.

29

b) Auch Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Dabei kann weiterhin offen bleiben, ob die aus dem Fremdrentengesetz abgeleiteten Anwartschaften der Beschwerdeführerin dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen, weil sie zusammen mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften eine rentenrechtliche Gesamtrechtsposition bildeten (vgl. BVerfGE 116, 96 <124>). In diesem Fall wäre zwar Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes, ohne dass dies aber Auswirkungen auf den Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Übergangsregelung hätte. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2006 darauf hingewiesen, dass insoweit die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Übergangsregelung im Ergebnis nicht davon abhängen, ob Art. 14 GG oder Art. 2 Abs. 1 GG Prüfungsmaßstab ist (vgl. BVerfGE 116, 96 <131>).

30

2. Entsprechend stehen auch die angegriffenen Entscheidungen, die auf der Anwendung von Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG 2007 beruhen, mit dem Grundgesetz in Einklang.

31

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

32

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Altersrente für Frauen ohne Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnenden Entgeltpunkte (EP) zusteht.

2

Die im Jahre 1939 geborene Klägerin siedelte im Juni 1989 aus der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland über. Auf ihren Antrag vom September 1999 bewilligte die Beklagte Altersrente für Frauen ab 1.12.1999 (Bescheid vom 9.12.1999). Bei der Berechnung kürzte sie die EP der nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten der Klägerin um 40 vH durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6.

3

Mit Schreiben vom 26.2.2007 beantragte die Klägerin die "Rücknahme des Bescheides vom 13.1.1997" gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und die Neufeststellung ihrer Altersrente ohne Kürzung der Beitragszeiten nach dem FRG um 40 vH unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5). Die Beklagte lehnte die Rücknahme des Bescheids vom 9.12.1999 ab, weil die Klägerin ihren Überprüfungsantrag erst nach dem 31.12.2004 gestellt habe, so dass sie allein deshalb die Voraussetzungen der nach der Entscheidung des BVerfG getroffenen Übergangsregelung nicht erfülle (Bescheid vom 14.8.2007). Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9.11.2007; Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.3.2009).

4

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 5.10.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch nach § 44 SGB X auf Rücknahme des Rentenbescheids vom 9.12.1999 und auf Gewährung einer Altersrente ohne Kürzung der nach dem FRG anzurechnenden EP um 40 vH. Gemäß § 22 Abs 4 FRG seien die EP für Zeiten nach §§ 15 und 16 FRG mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen. Die Klägerin könne eine ungekürzte Altersrente auch nicht aus der rückwirkend zum 1.10.1996 eingefügten Fassung von Art 6 § 4c Abs 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG<2007>) beanspruchen. Diese - auf die Entscheidung des BVerfG vom 13.6.2006 zurückzuführende - Übergangsregelung greife nicht zugunsten der Klägerin. Zwar sei unstreitig, dass sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik vor dem 1.1.1991 (am 20.6.1989) genommen und Altersrente nach dem 30.9.1996 (ab 1.12.1999) bezogen habe. Es fehle jedoch an einem Rentenantrag oder an einem bis zum 31.12.2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheids, über den am 30.6.2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Am Stichtag der Vorschrift (30.6.2006) sei kein unbeschiedener Antrag der Klägerin anhängig gewesen. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass der Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X auf Rücknahme des Rentenbewilligungsbescheids vom 9.12.1999 erst am 26.2.2007 gestellt worden sei.

5

Eine günstigere Regelung könne die Klägerin auch nicht aus der Formulierung in der og Entscheidung des BVerfG herleiten, wonach bereits bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte von der Entscheidung "für die Zeit vor der Bekanntgabe unberührt" blieben. Dadurch habe das BVerfG klargestellt, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen sei, Verwaltungsverfahren, die im Zeitpunkt der Verkündung der Entscheidung des BVerfG bereits (bestandskräftig) abgeschlossen waren, für Zeiträume bis zur Entscheidung des BVerfG in eine gesetzliche Neuregelung einzubeziehen. Dadurch habe der Gesetzgeber der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Bestandskraft von Verwaltungsakten, die auch in § 79 Abs 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) zum Ausdruck komme, Rechnung getragen. Im Umkehrschluss bedeute dies nicht, dass für diese bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakte eine Neuregelung für die Zukunft hätte getroffen werden müssen. Dies richte sich vielmehr danach, inwieweit das BVerfG die streitige Norm für nicht mit der Verfassung vereinbar erklärt habe. Entscheidend sei daher, ob für die Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustands eine Änderung der Norm nur für in der Vergangenheit zurückliegende oder auch für zukünftige Zeiträume erforderlich sei. Die Neuregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) sei jedenfalls mit den Vorgaben des BVerfG vereinbar. Mit der nach Zeiträumen gestaffelten Kürzung der EP in dieser Übergangsregelung habe der Gesetzgeber den Betroffenen hinreichend Zeit gelassen, um sich auf niedrigere Rentenhöhen einzustellen. Gerade die vom BVerfG für ausreichend erachtete Möglichkeit zur Anpassung der Lebensführung an den deutlich niedrigeren Rentenbetrag lasse auf eine verfassungsrechtlich zulässige Absenkung der Rentenhöhe für rentennahe Jahrgänge schließen.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verfassungswidrigkeit der Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007). Rechte nach dem FRG seien bereits mit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland entstanden. Nachfolgende Gesetzesänderungen hätten daher in ihre bereits entstandenen Ansprüche eingegriffen. Aus diesem Grund habe das BVerfG auch eine Übergangsregelung für notwendig erachtet. Diese erfasse jedoch nur einen Teil der durch die Gesetzesänderungen Betroffenen. Insbesondere berücksichtige die Norm nicht jenen Personenkreis, dem sie zugehörig sei. Auch für diese Personen gelte der Grundsatz des Vertrauensschutzes. Unter Beachtung der Vorgaben des BVerfG hätte sie in die Übergangsregelung einbezogen werden müssen.

7

           

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

        

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 5.10.2009 und des SG Detmold vom 26.3.2009 und den Bescheid der Beklagten vom 14.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.11.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Rücknahme des Bescheids vom 9.12.1999 Altersrente für Frauen ohne Kürzung der nach dem FRG ermittelten EP um den Faktor 0,6 und im Übrigen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 1.7.2006 zu gewähren.

8

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) für verfassungsgemäß. Im Übrigen beruft sie sich auf das Urteil des 5. Senats vom 20.10.2009 (BSG SozR 4-5050 § 22 Nr 9), wonach die Übergangsregelung auch dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz für die von dieser Vorschrift erfassten Betroffenen entspreche.

10

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz).

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung zu Recht zurückgewiesen. Mit ihrem Überprüfungsbegehren verfolgt die Klägerin eine kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG; vgl BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 3 RdNr 8; BSGE 88, 75, 77 = SozR 3-2200 § 1265 Nr 20 S 132; BSGE 81, 150, 152 = SozR 3-3100 § 30 Nr 18 S 43; BSGE 76, 156, 157 f = SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; BSG SozR 3-1300 § 44 Nr 8 S 19), die unbegründet ist. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 14.8.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.11.2007 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn sie hat keinen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Rentenbewilligungsbescheids vom 9.12.1999 sowie auf Neufeststellung einer höheren Altersrente ohne Kürzung der nach dem FRG ermittelten EP um den Faktor 0,6.

12

Die Beklagte ist weder nach Art 6 § 4c Abs 2 FANG (1.) noch nach der Rechtsfolgenanordnung des BVerfG (2.) oder nach verfahrensrechtlichen Vorschriften (3.) zur Änderung des bestandskräftigen Rentenbescheids vom 9.12.1999 verpflichtet. Zugunsten der Klägerin greift auch nicht der sozialrechtliche Herstellungsanspruch (4.). Das Überprüfungsbegehren scheitert daran, dass die ab 1.12.1999 vorgenommene Absenkung der EP für nach dem FRG anerkannte Beitragszeiten um 40 vH gemäß § 22 Abs 4 FRG ohne Ausgleich gesetzeskonform und verfassungsgemäß (5.) ist.

13

1. Gemäß § 22 Abs 4 FRG in der hier maßgeblichen Fassung von Art 3 Nr 4 Buchst b Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1461) sind die nach § 22 Abs 1 und 3 FRG maßgeblichen EP mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen, also um 40 vH abzusenken. Diese Vorschrift, die bereits mit Wirkung vom 7.5.1996 in Kraft getreten ist (Art 12 Abs 2 WFG), hat die Beklagte rechtsfehlerfrei angewandt.

14

a) Die - ebenfalls mit Wirkung vom 7.5.1996 (Art 12 Abs 2 WFG) in Kraft getretene - als Übergangsregelung hierzu durch Art 6 § 4c FANG (1996) idF von Art 4 Nr 4 WFG geschaffene Ausnahme beließ es für "Berechtigte, die vor dem 7. Mai 1996 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente vor dem 1. Oktober 1996 beginnt", bei dem bis dahin geltenden Recht. In Verbindung mit der früheren Übergangsregelung des Art 6 § 4 Abs 5 FANG (1996) galt der Rentenabschlag in Höhe von 40 vH damit für alle nach dem FRG Berechtigten unabhängig vom Datum ihres Zuzugs mit einem Rentenbeginn ab dem 1.10.1996, wenn sie nicht unter das Abkommen vom 9.10.1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung fielen (vgl hierzu BVerfGE 116, 96, 101 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 22; BSG SozR 4-5050 § 22 Nr 9 RdNr 14). Zu diesem Personenkreis zählt auch die Klägerin. Die Beklagte hat diese Vorschriften ebenfalls rechtsfehlerfrei auf sie angewandt. .

15

b) Eine günstigere Rechtsposition kann die Klägerin auch nicht aus der durch Art 16 Nr 2 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007 (BGBl I 554) rückwirkend zum 1.10.1996 (Art 27 Abs 2 aaO) angefügten Bestimmung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) herleiten. Diese Übergangsregelung geht auf die Entscheidung des BVerfG vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5) zurück (vgl BT-Drucks 16/3794, S 48 zu Art 16), wonach es mit Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip unvereinbar ist, dass § 22 Abs 4 FRG auf Berechtigte, die vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30.9.1996 begonnen hat, ohne eine Übergangsregelung für die zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge zur Anwendung kommt.

16

           

Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) lautet:

"(2) Für Berechtigte,

1.    

die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben,

2.    

deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und

3.    

über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist,

wird für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt. Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ergibt sich aus der Differenz zwischen der mit und ohne Anwendung von § 22 Abs 4 des Fremdrentengesetzes ermittelten Summe aller persönlichen Entgeltpunkte. Dieser Zuschlag wird monatlich für die Zeit des Rentenbezuges

        

vom 1. Oktober 1996 bis 30. Juni 1997 voll,

        

vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 zu drei Vierteln,

        

vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zur Hälfte und

        

vom 1. Juli 1999 bis 30. Juni 2000 zu einem Viertel

gezahlt. Für die Zeit des Rentenbezuges ab 1. Juli 2000 wird der Zuschlag nicht gezahlt. § 88 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch findet keine Anwendung. § 44 Abs 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch findet Anwendung."

17

c) Der Klägerin stehen aus dieser Übergangsregelung weder eine ungekürzte Rente unter voller Anrechnung der EP für die nach dem FRG anerkannten Zeiten noch ein Rentenzuschlag zu. Zwar hat sie vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen (Juni 1989) und ihre Rente hat nach dem 30.9.1996 (Dezember 1999) begonnen (Abs 2 Satz 1 Nr 1 und 2). Die Voraussetzungen von Abs 2 Satz 1 Nr 3 sind jedoch nicht erfüllt. Denn über ihren Rentenantrag vom September 1999 war bereits mit Bewilligungsbescheid vom 9.12.1999 bindend (§ 77 SGG) entschieden worden. Es fehlt an einem "bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheids", weil die Klägerin den Antrag auf Rücknahme dieses Rentenbescheids erst mit Schreiben vom 26.2.2007 gestellt hat.

18

d) Gründe für eine Wiedereinsetzung in die am 31.12.2004 abgelaufene Frist zur Beantragung der Überprüfung des Rentenbescheids (§ 27 Abs 1 SGB X) sind vom LSG nicht festgestellt und von der Klägerin auch nicht behauptet worden - unabhängig von der Frage, ob eine Wiedereinsetzung zulässig wäre (§ 27 Abs 5 SGB X).

19

2. Die Klägerin kann auch keine Änderung des bindenden Rentenbescheids aus der Rechtsfolgenanordnung im Abschnitt D der Entscheidung des BVerfG vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96, 135 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 111 ff), die für alle Gerichte und Behörden bindend ist (§ 31 Abs 1 BVerfGG), beanspruchen; weder für den Leistungszeitraum ab 1.12.1999 noch ab 1.7.2006.

20

           

Das BVerfG hat in der Rechtsfolgenanordnung im Abschnitt D Folgendes bestimmt (BVerfGE 116, 96, 135 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 111 bis 113):
"D. I. Da der Gesetzgeber im vorliegenden Fall eine Regelung in verfassungswidriger Weise unterlassen hat, kommt nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht.
Der Gesetzgeber hat bis zum 31.12.2007 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.
II. Noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen sich Berechtigte, die vor dem 1.1.1991 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind und deren Rente nach dem 30.9.1996 begonnen hat, gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs 4 FRG 1996 wegen der dort vorgesehenen Absenkung der ihrer Rente zu Grunde liegenden Entgeltpunkte wenden, bleiben ausgesetzt oder sind auszusetzen, um den Betroffenen die Möglichkeit zu erhalten, aus der vom Gesetzgeber zu treffenden Regelung Nutzen zu ziehen. Bereits bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte bleiben von der vorliegenden Entscheidung für die Zeit vor der Bekanntgabe unberührt. Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen, die Wirkung dieser Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide zu erstrecken; von Verfassungs wegen verpflichtet ist er hierzu nicht (vgl BVerfGE 104, 126, 150)."

21

Mit der in Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 Nr 3 FANG (2007) normierten Regelung("über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheids am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist") ist der Gesetzgeber nicht hinter den Vorgaben des BVerfG zurückgeblieben (wonach "noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Gerichts- und Verwaltungsverfahren" ausgesetzt bleiben oder auszusetzen sind). Hierbei hat der Gesetzgeber auch im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG am 30.6.2006 (durch Pressemitteilung des BVerfG Nr 58/2006) anhängige Überprüfungsverfahren in bestimmten zeitlichen Grenzen in die Übergangsregelung mit einbezogen.

22

Welche Gründe den Gesetzgeber bewogen haben, die Antragstellung für Überprüfungsverfahren auf den 31.12.2004 zu befristen, ergibt sich zwar nicht aus den Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 16/3794, S 48 zu Art 16; 16/4372; vgl auch BR-Drucks 2/07 S 122). Die Befristung erschließt sich aber aus dem zeitlich gestaffelten Rentenzuschlag in Art 6 § 4c Abs 2 Satz 3 FANG (2007). Sie trägt § 44 Abs 4 SGB X Rechnung(insoweit zutreffend LSG Bayern vom 18.2.2009 - L 13 R 909/08 - Juris RdNr 31), auf den Art 6 § 4c Abs 2 Satz 6 FANG (2007) verweist. Anträge auf Rücknahme des Rentenbescheids, die während des von der Vorschrift nicht erfassten Zeitraums ab 1.1.2005 gestellt worden sind, lösen von vornherein keinen Überprüfungsanspruch aus, weil die Rücknahme eines bindenden Rentenbescheids in diesem Fall keine Auswirkung mehr haben kann (vgl BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr 1 S 4 mwN). Für ab 1.1.2005 gestellte Überprüfungsanträge hätte ein Rentenzuschlag allenfalls im Zeitraum von 2001 bis 2004 beansprucht werden können. Der gestaffelte Rentenzuschlag lief aber bereits mit Ablauf des 30.6.2000 gänzlich aus (Art 6 § 4c Abs 2 Sätze 3 und 4 FANG<2007>).

23

Für die Klägerin, die ihren Überprüfungsantrag erst am 26.2.2007, mithin nach der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG gestellt hat, gilt daher die verbindliche Rechtsfolgenanordnung, dass bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte von der Entscheidung des BVerfG für die Zeit vor dessen Bekanntgabe unberührt bleiben. Zwar war es demnach dem Gesetzgeber unbenommen, die Wirkung der Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige Bescheide zu erstrecken. Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber in Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 Nr 3 Alt 2 FANG (2007) nur in Bezug auf bis 31.12.2004 gestellte Überprüfungsanträge Gebrauch gemacht.

24

3. Die Klägerin kann auch keine Änderung des bindenden Rentenbescheids aus verfahrensrechtlichen Normen herleiten, weder für den Leistungszeitraum ab 1.12.1999 noch ab 1.7.2006.

25

a) Ein Anspruch auf Rücknahme des bindenden Rentenbescheids aus § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X für den Leistungszeitraum vom 1.12.1999 bis 30.6.2000 besteht nicht. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Gemäß § 44 Abs 4 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist(Satz 1). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Satz 3).

26

Kann die Rücknahme eines bindenden Verwaltungsakts aber keine Auswirkung mehr haben, so besteht von vornherein kein Überprüfungsanspruch mehr (BSG SozR 3-6610 Art 5 Nr 1 S 4 mwN). So verhält es sich hier. Die Klägerin könnte selbst bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X auf ihren im Februar 2007 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbewilligungsbescheids vom 9.12.1999 allenfalls Leistungen im Zeitraum von 2003 bis 2006 beanspruchen (§ 44 Abs 4 SGB X). Der in Art 6 § 4c Abs 2 Satz 3 FANG (2007) gestaffelte Rentenzuschlag lief aber mit Ablauf des 30.6.2000 gänzlich aus.

27

b) Ebenso wenig wirkt sich § 100 Abs 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), der durch Art 1 Nr 30 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20.4.2007 (BGBl I 554) mit Wirkung zum 1.5.2007 (Art 27 Abs 7) angefügt worden ist, zugunsten der Klägerin aus. Denn diese Bestimmung setzt ua einen Rücknahmeanspruch nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X voraus, der nicht vorliegt(s soeben unter a).

28

c) Auch eine Anwendung von § 48 Abs 1 oder 2 SGB X anstelle von § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X könnte die Klägerin nicht günstiger stellen. § 48 Abs 4 Satz 1 SGB X verweist insoweit ebenso auf die vierjährige Ausschlussfrist des § 44 Abs 4 SGB X. Dadurch werden bei der Aufhebung nach §§ 44 und 48 SGB X hinsichtlich der nachträglichen Erbringung von Sozialleistungen gleiche Ergebnisse erzielt(vgl Schütze in von Wulffen, 7. Aufl 2010, § 48 SGB X RdNr 33 mwN).

29

4. Die Klägerin kann für sich schließlich kein Recht aus dem - von der Rechtsprechung entwickelten - sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten. Dieser erfordert eine Pflichtverletzung und einen hierdurch hervorgerufenen Schaden auf dem Gebiet des Sozialrechts; als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies jedoch nur durch eine zulässige Amtshandlung geschehen darf (stRspr, vgl zu den Einzelheiten zB Senatsurteil vom 11.3.2004 - BSGE 92, 241, 243 f = SozR 4-2600 § 58 Nr 3 RdNr 19 mwN).

30

Ein Übergangszuschlag nach Art 6 § 4c Abs 2 Satz 3 FANG (2007) aufgrund des Herstellungsanspruchs könnte in der vorliegenden Fallgestaltung allenfalls damit begründet werden, dass die Beklagte die Klägerin dahingehend hätte kontaktieren müssen, dass sie bis zum 31.12.2004 einen Antrag auf Rücknahme ihres (bindenden) Rentenbescheids vom 9.12.1999 hätte stellen müssen. Ein solches Beratungsverlangen ist aber abwegig. Denn der Ausgang des Verfahrens vor dem BVerfG war seinerzeit nicht vorhersehbar.

31

5. Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, dass die Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) verfassungswidrig ist.

32

a) Soweit die Klägerin meint, sie könne allein deshalb eine ungekürzte Altersrente beanspruchen, weil sie bereits vor 1991 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei und schon zu diesem Zeitpunkt Ansprüche nach dem FRG erworben habe, die der Gesetzgeber aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht mehr zu ihren Ungunsten habe ändern dürfen, geht diese Ansicht fehl. Das BVerfG hat ausdrücklich entschieden, dass der Personenkreis, der bereits vor diesem Datum zugezogen war, nicht allgemein von der Kürzung der EP um 40 vH ausgeschlossen ist. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass "allein die nach dem 1.1.1991 in die Bundesrepublik zugezogenen, nach dem FRG Berechtigten die Last der Sanierung der RV-Träger auf Dauer zu tragen hätten, konnte sich nicht bilden" (BVerfGE 116, 96, 132 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 104).

33

Im Übrigen ist bereits entschieden, dass die Stufenregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) die Vorgaben im Beschluss des BVerfG vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5)erfüllt. Sie genügt den Anforderungen, die das BVerfG unter Berücksichtigung von Art 2 Abs 1 GG und des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips an eine Übergangsregelung für FRG-Berechtigte, die vor dem 1.1.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen und deren Rente nach dem 30.9.1996 begonnen hat, gestellt hat (vgl Senatsurteil vom 25.2.2010 - SozR 4-5050 § 22 Nr 10 RdNr 25 ff; BSG SozR 4-5050 § 22 Nr 9 RdNr 17 ff). Im Anschluss an das Senatsurteil (aaO) hat das BVerfG Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Es hat ausgeführt, dass der Verfassung keine Verpflichtung zu entnehmen ist, die Übergangsregelung über einen längeren Zeitraum als den in Art 6 § 4c Abs 2 FANG (2007) vorgesehenen Zeitraum von 45 Monaten zu erstrecken oder die Reduzierung des Rentenbetrages in anderen Schritten vorzunehmen(BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 15.7.2010 - 1 BvR 1201/10 - NZS 2010, 557, 558). Die Klägerin muss daher die dauerhafte Rentenkürzung um 40 vH hinnehmen.

34

b) Soweit die Klägerin schließlich der Übergangsregelung nur deshalb nicht unterfällt, weil im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG am 30.6.2006 über ihren Rentenantrag bestandskräftig entschieden war und sie erst nach diesem Datum einen Antrag auf Rücknahme des bindenden Rentenbescheids gestellt hat, bleibt auch die Voraussetzung von Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 Nr 3 FANG (2007) nicht hinter den Vorgaben zurück, die das BVerfG als verfassungsrechtliche Rechtsfolge der Unvereinbarkeitserklärung verbindlich(Art 31 Abs 1 BVerfGG) formuliert hat (vgl oben unter 2.). Sie ist schon deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

35

Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 Nr 3 FANG (2007) privilegiert jene Versicherten, über deren Rente im Zeitpunkt der Entscheidung des BVerfG bzw über deren bis 31.12.2004 gestellte Überprüfungsanträge am Stichtag (30.6.2006) noch nicht bestandskräftig entschieden war, gegenüber jenen Berechtigten, bei denen dies - wie bei der Klägerin - der Fall war. Diese Ungleichbehandlung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG. Die Differenzierung beruht auf sachlichen Gründen.

36

Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, Verwaltungsakte, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG bereits bestandskräftig waren - anders als nach der konkreten Rechtsfolgenanordnung des BVerfG - ebenso zu behandeln wie (noch) nicht bindende Verwaltungsakte. Im Hinblick auf die Bestandskraft (Bindung) unterscheiden sich die Sachverhalte grundlegend voneinander, sodass eine differenzierte Behandlung gerechtfertigt ist. Das BVerfG hat geklärt, dass der Bestandskraft von Verwaltungsakten eine vergleichbare Bedeutung für die Rechtssicherheit zukommt wie der Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen. Es besteht auch ein verfassungsrechtliches Interesse daran, die Bestandskraft eines Hoheitsakts herbeizuführen, wenn die Rechtsordnung der Verwaltung die Befugnis erteilt hat, für ihren Bereich das im Einzelfall Verbindliche festzustellen, zu begründen oder zu verändern (so ausdrücklich BVerfGE 60, 253, 270; vgl auch BVerfG vom 15.10.2009 - 1 BvR 3522/08 - Juris RdNr 38: "wegen des verfassungsrechtlich anerkannten Grundsatzes der Bestandskraft").

37

Für die Klägerin gilt daher die Vorgabe des BVerfG, dass bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte von der Entscheidung des BVerfG für die Zeit vor dessen Bekanntgabe unberührt bleiben. Von Verfassungs wegen bedurfte es keiner Korrektur von im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung des BVerfG bestandskräftigen Rentenbescheiden. Das BVerfG hat betont, dass es dem Gesetzgeber frei stand, die Wirkung seiner Entscheidung auch auf bereits bestandskräftige (Renten)Bescheide zu erstrecken.

38

Die aufgezeigte Differenzierung lässt sich mühelos auf den Rechtsgedanken der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - Vorschrift von § 79 Abs 2 Satz 1 BVerfGG(dazu BVerfGE 20, 230, 236) zurückführen, wonach nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf einer für nichtig (oder für verfassungswidrig) erklärten Norm beruhen, unberührt bleiben. Dem liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt, die auf verfassungswidriger Grundlage zu Stande gekommen sind, im Einzelfall nicht rückwirkend aufgehoben und die nachteiligen Wirkungen, die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangen sind, im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nicht beseitigt werden sollen (stRspr, vgl zB BVerfGE 104, 126, 150; 107, 27, 58; 94, 241, 266 auch für den Fall der Unvereinbarkeitserklärung; ebenso Graßhof in Umbach/Clemens/Dollinger , BVerfGG, 2. Aufl, § 78 RdNr 69; § 79 RdNr 27 mwN).

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Versicherungspflichtig sind

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler nach näherer Bestimmung des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte,
4.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Maßnahmen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn für sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen,
10.
Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte; Auszubildende des Zweiten Bildungswegs, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnitts nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren,
11a.
Personen, die eine selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit vor dem 1. Januar 1983 aufgenommen haben, die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie mindestens neun Zehntel des Zeitraums zwischen dem 1. Januar 1985 und der Stellung des Rentenantrags nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren; für Personen, die am 3. Oktober 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten, ist anstelle des 1. Januar 1985 der 1. Januar 1992 maßgebend,
11b.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch
a)
auf eine Waisenrente nach § 48 des Sechsten Buches oder
b)
auf eine entsprechende Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, wenn der verstorbene Elternteil zuletzt als Beschäftigter von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches befreit war,
erfüllen und diese beantragt haben; dies gilt nicht für Personen, die zuletzt vor der Stellung des Rentenantrags privat krankenversichert waren, es sei denn, sie erfüllen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung mit Ausnahme des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder die Voraussetzungen der Nummer 11,
12.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie zu den in § 1 oder § 17a des Fremdrentengesetzes oder zu den in § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung genannten Personen gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Stellung des Rentenantrags in das Inland verlegt haben,
13.
Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a)
zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b)
bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

(2) Der nach Absatz 1 Nr. 11 erforderlichen Mitgliedszeit steht bis zum 31. Dezember 1988 die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig war. Bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten, gelten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 11 oder 12 als erfüllt, wenn die andere Person diese Voraussetzungen erfüllt hatte. Auf die nach Absatz 1 Nummer 11 erforderliche Mitgliedszeit wird für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind (§ 56 Absatz 2 Nummer 2 des Ersten Buches) eine Zeit von drei Jahren angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt nicht für

1.
ein Adoptivkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Adoption bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat, oder
2.
ein Stiefkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Elternteil des Kindes bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat oder wenn das Kind vor Erreichen dieser Altersgrenzen nicht in den gemeinsamen Haushalt mit dem Mitglied aufgenommen wurde.

(3) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird.

(4) Als Bezieher von Vorruhestandsgeld ist nicht versicherungspflichtig, wer im Ausland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(4a) Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).
Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird vermutet, dass sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(5a) Nach Absatz 1 Nr. 2a ist nicht versicherungspflichtig, wer zuletzt vor dem Bezug von Bürgergeld privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Satz 1 gilt nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit. Personen nach Satz 1 sind nicht nach § 10 versichert. Personen nach Satz 1, die am 31. Dezember 2015 die Voraussetzungen des § 10 erfüllt haben, sind ab dem 1. Januar 2016 versicherungspflichtig nach Absatz 1 Nummer 2a, solange sie diese Voraussetzungen erfüllen.

(6) Nach Absatz 1 Nr. 5 bis 7 oder 8 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig ist. Trifft eine Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 6 mit einer Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 7 oder 8 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind.

(7) Nach Absatz 1 Nr. 9 oder 10 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 8, 11 bis 12 versicherungspflichtig oder nach § 10 versichert ist, es sei denn, der Ehegatte, der Lebenspartner oder das Kind des Studenten oder Praktikanten ist nicht versichert oder die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nummer 11b besteht über die Altersgrenze des § 10 Absatz 2 Nummer 3 hinaus. Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 9 geht der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 10 vor.

(8) Nach Absatz 1 Nr. 11 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 7 oder 8 versicherungspflichtig ist. Satz 1 gilt für die in § 190 Abs. 11a genannten Personen entsprechend. Bei Beziehern einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31. März 2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand und die bis zu diesem Zeitpunkt nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versichert waren, aber nicht die Vorversicherungszeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung erfüllt hatten und deren Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte nicht von einer der in § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 in der am 10. Mai 2019 geltenden Fassung genannten Personen abgeleitet worden ist, geht die Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 vor.

(8a) Nach Absatz 1 Nr. 13 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches, dem Teil 2 des Neunten Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 gilt nicht als Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von Absatz 1 Nr. 13, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht.

(9) Kommt eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nach Kündigung des Versicherungsvertrages nicht zu Stande oder endet eine Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9, ist das private Krankenversicherungsunternehmen zum erneuten Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, wenn der vorherige Vertrag für mindestens fünf Jahre vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden haben; die bis zum Ausscheiden erworbenen Alterungsrückstellungen sind dem Vertrag zuzuschreiben. Wird eine gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 nicht begründet, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach der Beendigung des vorhergehenden Versicherungsvertrages in Kraft. Endet die gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach Beendigung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Die Verpflichtung nach Satz 1 endet drei Monate nach der Beendigung des Versicherungsvertrages, wenn eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nicht begründet wurde. Bei Beendigung der Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeiten nach § 9 endet die Verpflichtung nach Satz 1 längstens zwölf Monate nach der Beendigung des privaten Versicherungsvertrages. Die vorstehenden Regelungen zum Versicherungsvertrag sind auf eine Anwartschaftsversicherung in der privaten Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.

(10) nicht belegt

(11) Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU ist. Bei Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt eine Absicherung im Krankheitsfall bereits dann vor, wenn ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes dem Grunde nach besteht.

Versicherungspflichtige, die eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 beziehen, und die Träger der Rentenversicherung tragen die nach der Rente zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Bei Versicherungspflichtigen, die eine für sie nach § 237 Satz 2 beitragsfreie Waisenrente nach § 48 des Sechsten Buches beziehen, trägt der Träger der Rentenversicherung die Hälfte der nach dieser Rente zu bemessenden Beiträge, wie er sie ohne die Beitragsfreiheit zu tragen hätte. Die Beiträge aus ausländischen Renten nach § 228 Absatz 1 Satz 2 tragen die Rentner allein.

(1) Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 zu tragen haben, sind von den Trägern der Rentenversicherung bei der Zahlung der Rente einzubehalten und zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu tragenden Beiträgen an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkasse zu zahlen. Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung nicht erforderlich.

(2) Ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung von Beiträgen nach Absatz 1 unterblieben, sind die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten; § 51 Abs. 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Abweichend von Satz 1 kann die Krankenkasse den Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge mit einem ihr obliegenden Erstattungsbetrag gemäß § 28 Nummer 1 des Vierten Buches verrechnen. Wird nachträglich festgestellt, dass ein freiwilliges Mitglied, das eine Rente nach § 228 Absatz 1 Satz 1 bezieht, versicherungspflichtig ist und ersucht der Träger der Rentenversicherung die Krankenkasse um Verrechnung des der Krankenkasse obliegenden Erstattungsbetrags der als freiwilliges Mitglied entrichteten Beiträge mit einem Anspruch auf Zahlung rückständiger Beiträge oder mit einem Anspruch auf Erstattung eines nach § 106 des Sechsten Buches geleisteten Zuschusses zur Krankenversicherung, ist die Erstattung, sofern sie im Übrigen möglich ist, spätestens innerhalb von zwei Monaten zu erbringen, nachdem die Krankenkasse den Träger der Rentenversicherung informiert hat, dass das freiwillige Mitglied versicherungspflichtig war. Wird die Rente nicht mehr gezahlt, obliegt der Einzug von rückständigen Beiträgen der zuständigen Krankenkasse. Der Träger der Rentenversicherung haftet mit dem von ihm zu tragenden Anteil an den Aufwendungen für die Krankenversicherung.

(3) Soweit im Folgenden nichts Abweichendes bestimmt ist, werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 am letzten Bankarbeitstag des Monats fällig, der dem Monat folgt, für den die Rente gezahlt wird. Wird eine Rente am letzten Bankarbeitstag des Monats ausgezahlt, der dem Monat vorausgeht, in dem sie fällig wird (§ 272a des Sechsten Buches), werden die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 abweichend von Satz 1 am letzten Bankarbeitstag des Monats, für den die Rente gezahlt wird, fällig. Am Achten eines Monats wird ein Betrag in Höhe von 300 Millionen Euro fällig; die im selben Monat fälligen Beträge nach den Sätzen 1 und 2 verringern sich um diesen Betrag. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leitet die Beiträge nach den Absätzen 1 und 2 an den Gesundheitsfonds weiter und teilt dem Bundesamt für Soziale Sicherung bis zum 15. des Monats die voraussichtliche Höhe der am letzten Bankarbeitstag fälligen Beträge mit.

(3a) u. (4) (weggefallen)

(1) Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen gegen den Berechtigten aufrechnen, soweit die Ansprüche auf Geldleistungen nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind.

(2) Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch wird.

(1) Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt; sofern und solange Mitglieder Nachweise über die beitragspflichtigen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht vorlegen, gilt als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223). Weist ein Mitglied innerhalb einer Frist von zwölf Monaten, nachdem die Beiträge nach Satz 2 auf Grund nicht vorgelegter Einkommensnachweise unter Zugrundelegung der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt wurden, geringere Einnahmen nach, sind die Beiträge für die nachgewiesenen Zeiträume neu festzusetzen. Für Zeiträume, für die der Krankenkasse hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds die jeweils anzuwendende Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nicht überschreiten, hat sie die Beiträge des Mitglieds neu festzusetzen. Wird der Beitrag nach den Sätzen 3 oder 4 festgesetzt, gilt § 24 des Vierten Buches nur im Umfang der veränderten Beitragsfestsetzung.

(2) Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Abstufungen nach dem Familienstand oder der Zahl der Angehörigen, für die eine Versicherung nach § 10 besteht, sind unzulässig. Der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil des Gründungszuschusses nach § 94 des Dritten Buches in Höhe von monatlich 300 Euro darf nicht berücksichtigt werden. Ebenfalls nicht zu berücksichtigen ist das an eine Pflegeperson weitergereichte Pflegegeld bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 Absatz 1 des Elften Buches. Die §§ 223 und 228 Abs. 2, § 229 Abs. 2 und die §§ 238a, 247 Satz 1 und 2 und § 248 Satz 1 und 2 dieses Buches sowie § 23a des Vierten Buches gelten entsprechend.

(3) Für freiwillige Mitglieder, die neben dem Arbeitsentgelt eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, ist der Zahlbetrag der Rente getrennt von den übrigen Einnahmen bis zur Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen. Soweit dies insgesamt zu einer über der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Beitragsbelastung führen würde, ist statt des entsprechenden Beitrags aus der Rente nur der Zuschuß des Rentenversicherungsträgers einzuzahlen.

(3a) (weggefallen)

(4) Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße. Für freiwillige Mitglieder, die Schüler einer Fachschule oder Berufsfachschule oder als Studenten an einer ausländischen staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eingeschrieben sind oder regelmäßig als Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung im Umherziehen anbieten (Wandergesellen), gilt § 236 in Verbindung mit § 245 Abs. 1 entsprechend. Satz 1 gilt nicht für freiwillige Mitglieder, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte dieses Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren; § 5 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.

(4a) Die nach dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge werden auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides vorläufig festgesetzt; dabei ist der Einkommensteuerbescheid für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen; Absatz 1 Satz 2 zweiter Halbsatz gilt entsprechend. Bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit werden die Beiträge auf der Grundlage der nachgewiesenen voraussichtlichen Einnahmen vorläufig festgesetzt. Die nach den Sätzen 1 und 2 vorläufig festgesetzten Beiträge werden auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt. Weist das Mitglied seine tatsächlichen Einnahmen auf Verlangen der Krankenkasse nicht innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres nach, gilt für die endgültige Beitragsfestsetzung nach Satz 3 als beitragspflichtige Einnahme für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze. Für die Bemessung der Beiträge aus Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gelten die Sätze 1, 3 und 4 entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht, wenn auf Grund des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides oder einer Erklärung des Mitglieds für den Kalendertag beitragspflichtige Einnahmen in Höhe des 30. Teils der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt werden.

(4b) Der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder sind 10 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zugrunde zu legen, wenn der Anspruch auf Leistungen für das Mitglied und seine nach § 10 versicherten Angehörigen während eines Auslandsaufenthaltes, der durch die Berufstätigkeit des Mitglieds, seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder eines seiner Elternteile bedingt ist, oder nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ruht. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach § 16 Abs. 1 der Anspruch auf Leistungen aus anderem Grund für länger als drei Kalendermonate ruht, sowie für Versicherte während einer Tätigkeit für eine internationale Organisation im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

(5) Soweit bei der Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder das Einkommen von Ehegatten, die nicht einer Krankenkasse nach § 4 Absatz 2 angehören, berücksichtigt wird, ist von diesem Einkommen für jedes gemeinsame unterhaltsberechtigte Kind, für das keine Familienversicherung besteht, ein Betrag in Höhe von einem Drittel der monatlichen Bezugsgröße, für nach § 10 versicherte Kinder ein Betrag in Höhe von einem Fünftel der monatlichen Bezugsgröße abzusetzen. Für jedes unterhaltsberechtigte Kind des Ehegatten, das nicht zugleich ein Kind des Mitglieds ist, ist ein Betrag in Höhe von einem Sechstel der monatlichen Bezugsgröße abzusetzen, wenn für das Kind keine Familienversicherung besteht; für jedes nach § 10 versicherte Kind des Ehegatten, das nicht zugleich ein Kind des Mitglieds ist, ist ein Betrag in Höhe von einem Zehntel der monatlichen Bezugsgröße abzusetzen. Für nach § 10 versicherungsberechtigte Kinder, für die eine Familienversicherung nicht begründet wurde, gelten die Abzugsbeträge für nach § 10 versicherte Kinder nach Satz 1 oder Satz 2 entsprechend. Wird für das unterhaltsberechtigte Kind des Ehegatten, das nicht zugleich ein Kind des Mitglieds ist, vom anderen Elternteil kein Unterhalt geleistet, gelten die Abzugsbeträge nach Satz 1; das freiwillige Mitglied hat in diesem Fall die Nichtzahlung von Unterhalt gegenüber der Krankenkasse glaubhaft zu machen. Der Abzug von Beträgen für nicht nach § 10 versicherte Kinder nach Satz 1 oder Satz 2 ist ausgeschlossen, wenn das Kind nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, 2, 2a, 3 bis 8, 11 bis 12 versichert oder hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist oder ein Gesamteinkommen hat, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches überschreitet, oder die Altersgrenze im Sinne des § 10 Absatz 2 überschritten hat.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.