Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 30. März 2016 - L 6 R 1/15

bei uns veröffentlicht am30.03.2016
vorgehend
Sozialgericht Regensburg, S 3 R 191/13, 24.10.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Anwendung des § 44 Abs. 4 SGB X auf eine von der Beklagten zu erbringende Nachzahlung von Regelaltersrente streitig.

Der 1934 geborene Kläger bezieht aufgrund eines am 03.11.1955 erlittenen Arbeitsunfalls von der G.-Berufsgenossenschaft eine laufende Verletztenrente nach einer MdE von 75%. Mit Bescheid vom 26.07.1990 gewährte die Beklagte Erwerbsunfähigkeitsrente ab dem 01.04.1990 auf Dauer. Entsprechend den maßgeblichen Bestimmungen der RVO wurde hierbei die Verletztenrente angerechnet, was zu einem teilweisen Ruhen des Anspruchs auf Erwerbsunfähigkeitsrente führte. Mit Bescheid vom 11.02.1999 wandelte die Beklagte aufgrund des Erreichens der Altersgrenze die Erwerbsunfähigkeitsrente ab 01.04.1999 in eine Regelaltersrente um. Bei der nunmehr nach den Vorschriften des SGB VI vorzunehmenden Anrechnung der Unfallrente wurde von der EDV aufgrund einer Fehlprogrammierung der nach § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI vor Anrechnung der Unfallrente von dieser abzuziehende Grundrentenbetrag nach dem BVG nicht in Ansatz gebracht. Bei der obligatorischen abschließenden Prüfung des ausgegebenen Bescheides durch den Sachbearbeiter wurde dies nicht erkannt. Auch der laufenden internen Fehlerprüfung blieb dieser Mangel aufgrund der besonderen Konstellation mit Umwandlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Regelaltersrente unter geänderten Anrechnungsbestimmungen sowie unter Anwendung der Übergangsregelung der §§ 266, 312 SGB VI in der Folge verborgen. Erst im Rahmen einer individuellen Prüfung am 28.06.2012 durch die nunmehr zuständige Sachbearbeiterin trat der Fehler zu Tage.

Mit angefochtenem Bescheid vom 19.06.2012 hob die Beklagte die Altersrentenbewilligung hinsichtlich der Höhe von Amts wegen auf und berechnete die Rente ab 01.01.2008 neu. Hieraus ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von Euro 13.339,25. Am 04.07.2012 legte der Kläger Widerspruch ein. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 03.09.2012 die Berechnungsgrundlagen sowie die zur Beschränkung der Nachzahlung führende Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X erläutert hatte, wurde der Widerspruch mit einer fehlenden Verzinsung sowie mit einer weitergehenden Nachzahlung nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet. Mit Bescheid vom 24.01.2013 führte die Beklagte die begehrte Verzinsung durch. Mit weiterem Bescheid vom 13.03.2013 wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Bei der nach § 44 Abs. 1 SGB X von Amts wegen vorgenommen Korrektur des Bescheides vom 11.02.1999 hätten nach der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X zu Unrecht nicht erbrachte Rentenleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme des Bescheides erbracht werden können. Diese Beschränkung stelle eine materielle Ausschlussfrist dar, die unabhängig von einem Verschulden der Beklagten greife und bei deren Berücksichtigung kein Ermessen eingeräumt sei. Diese Regelung sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entsprechend auch auf einen möglichen sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs anzuwenden. Mit dem angegriffenen Bescheid sei im Übrigen über eine Verzinsung noch nicht entschieden worden. Aufgrund der zwischenzeitlich gewährten Verzinsung liege insoweit keine Beschwer des Klägers mehr vor.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 08.04.2013 durch seine Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Regensburg (SG). Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe Anspruch auf Nachzahlung ab dem 01.04.1990. Die Beklagte habe eingeräumt, dass die Erstberechnung der Altersrente fehlerhaft gewesen sei. Insoweit ergebe sich die Nachzahlung aus den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Auf diesen sei § 44 Abs. 4 SGB X im vorliegenden Fall nicht analog anzuwenden. Der Kläger habe aus Art. 14 Grundgesetz (GG) einen Anspruch auf Verwirklichung seiner Anwartschaften in Form einer ordnungsgemäßen Rentenauszahlung, diesem grundgesetzlich garantierten Anspruch genüge § 44 Abs. 4 SGB X nicht. Sachlich gerechtfertigte Gründe für eine Beschränkung des Grundrechts auf Eigentum bestünden nicht. Im Übrigen seien auch das Sozialstaatsprinzip sowie der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.

Mit Urteil nach mündlicher Verhandlung vom 24.10.2014 wies das SG die Klage als unbegründet ab. Zu Recht habe die Beklagte die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X herangezogen. Der richterrechtlich entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch sei neben den ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben das § 44 SGB X subsidiär und somit hier bereits nicht anwendbar. Unabhängig davon wende die Rechtsprechung die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X auch Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs an. Die weiter gerügte Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift könne nicht erkannt werden, sie stelle eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundrechtes auf Eigentum dar, zumal dadurch ohnehin das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Prinzip der Bestands- bzw. Rechtskraft des Art. 20 Abs. 3 GG durchbrochen werde.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger durch seine Bevollmächtigten am 02.01.2015 Berufung ein. Der Fehler der Rentenberechnung liege allein in der Sphäre der Beklagten als Fachbehörde. Der Kläger sei im Rentenrecht unkundig. Er habe 44 Jahre Beiträge gezahlt und ihm sei die Rente ohne gesetzliche Grundlage gekürzt worden. Sein Vertrauen in eine gesetzestreue Rentenberechnung sei geschützt. Es sei zwar zutreffend, dass § 44 Abs. 4 SGB X eine verschuldensunabhängige Rückwirkungsbeschränkung enthalte, dagegen bestünden jedoch verfassungsrechtliche Bedenken. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei insoweit verletzt, als § 44 Abs. 4 SGB X für alle Sozialleistungen unabhängig von ihrem Finanzierungsaufwand (Beiträge oder Steuermittel) gelte. Auch das grundgesetzlich garantierte Eigentumsrecht sei verletzt. Diese Eingriffe in die geschützten Grundrechte des Klägers würden durch das entgegenstehende Interesse auf Rechtsfrieden und Rechtssicherheit nicht aufgewogen. Alleinige Intention des § 44 Abs. 4 SGB X sei, den finanziellen Aufwand Rentenversicherung für Nachzahlungen zu beschränken. Diese Regelung führe aber insbesondere in Fällen, in welchen die Rechtswidrigkeit schuldhaft und möglicherweise sogar vorsätzlich durch Sachbearbeiter der Beklagten herbeigeführt worden sei, zu rechtlich untragbaren Ergebnissen. Jedenfalls bestehe aber ein Anspruch des Klägers auf unbeschränkte Nachzahlung nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs.

Die Beteiligten wurden im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 17.09.2015 zur Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG angehört.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 24.10.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2013 zu verurteilen, die Altersrente des Klägers auch für die Zeit von 01.04.1999 bis 31.12.2007 unter zutreffender Anrechnung der Unfallrente des Klägers neu zu berechnen und entsprechende Nachzahlungen zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des Sozialgerichts sowie die Senatsakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat die Beklagte mit dem im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angegriffenen Bescheid vom 19.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2013 eine Neuberechnung der Altersrente des Klägers erst ab 01.01.2008 vorgenommen sowie Nachzahlungen erst ab diesem Zeitpunkt erbracht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachzahlung von Altersrente für Zeiten vor dem 01.01.2008.

Unstreitig wurde die Regelaltersrente des Klägers im Rahmen der bestandskräftig gewordenen Erstfeststellung zum 01.04.1999 aufgrund eines Fehlers bei der Berechnung der zu berücksichtigenden Verletztenrente nach § 93 Abs. 2 Nr. 2a VI in unzutreffender Höhe errechnet. Dementsprechend hat die Beklagte nach Bekanntwerden des Fehlers im Rahmen einer individuellen Prüfung durch die Sachbearbeiterin im Juni 2012 diesen Fehler von Amts wegen nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X korrigiert. Dass hierbei eine Nachzahlung von Altersrente lediglich für die Zeit ab 01.01.2008 festgestellt wurde, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Diese Vorgehensweise entspricht der Vorschrift des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Danach werden Sozialleistungen, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, längstens für einen Zeitraum von 4 Jahren vor der Rücknahme erbracht. Der Zeitraum der Rücknahme wird vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird, § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X, und wurde vorliegend mit dem 01.01.2008 zutreffend berechnet. Das Regelungsgefüge des § 44 SGB X bringt insoweit zwei widerstreitende Prinzipien zum Ausgleich: Auf der einen Seite verhilft es der materiellen Gerechtigkeit zur Geltung. Adressaten rechtswidriger Verwaltungsakte sollen so gestellt werden, als hätte die zuständige Behörde von vornherein richtig gehandelt. Auf der anderen Seite berücksichtigt es die Bestandskraft behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen, indem hohe tatbestandliche Anforderungen normiert und in Abs. 4 die leistungsrechtlichen Folgen einer Durchbrechung begrenzt werden. Damit sind zwei wesentliche Aspekte des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips berührt: Einzelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit (vgl. Merten in: Hauck/Noftz, Rn. 3 zu § 44 SGB X m. w. N.). Im Interesse einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte setzt sich dabei - im Gegensatz zu anderen Verfahrensordnungen des deutschen Rechts - prinzipiell die Einzelfallgerechtigkeit respektive Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns (in Form eines gebundenen Aufhebungsanspruchs) durch. Das einfache Gesetzesrecht lässt dies ausdrücklich zu. Als die Bestandskraft von Verwaltungsakten einschränkende Norm ist § 44 SGB X eine andere gesetzliche Bestimmung im Sinne von § 77 SGG. Verfassungsrechtlich geboten ist dieser Vorrang aber nicht (vgl. BVerfG vom 27.02.2007, Az.: 1 BvR 1982/01; BSG vom 25.03.2003, Az.: B 1 KR 36/01 R).

Die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X stellt in diesem Interessengefüge eine materielle Ausschlussfrist dar, die zwingend von Amts wegen zu beachten ist und nicht der Dispositionsbefugnis oder dem Ermessen der Verwaltung wie auch der Gerichte unterliegt. Gegen die Anwendung der Vorschrift kann weder der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung noch ein Verstoß gegen Treu und Glauben geltend gemacht werden (BSG vom 23.07.1986, Az.: 1 RA 31/85; BSG vom 26.05.1987, Az.: 4a RJ 49/86; Merten in: Hauck/Noftz, Rn. 91 zu § 44 SGB X m. w. N.). Rückwirkende Leistungen sind selbst dann auf einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme beschränkt, wenn den Leistungsträger ein erhebliches Verschulden trifft (vgl. Merten in: Hauck/Noftz, Rn. 98 zu § 44 SGB X; BSG vom 11.04.1985, Az.: 4b/9a RV 5/84). Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist daher für den vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich, auf welche Art und Weise der für den Kläger schädliche Berechnungsfehler konkret zustande gekommen, welcher Verschuldensvorwurf den Handelnden zu machen und ob dieser Verschuldensvorwurf der Beklagten zuzurechnen ist. Insbesondere ist unerheblich, ob es sich um einen bloßen Programmierfehler oder um einen möglicherweise in erheblichem Umfang subjektiv vorwerfbaren Überprüfungsfehler des damals zuständigen Sachbearbeiters gehandelt hat. Die Beklagte war daneben auch nicht verpflichtet, ihren Datenbestand generell und systematisch auf Fehler durchzuforsten (vgl. Wortlaut des § 44 Abs. 1 S. 1: „im Einzelfall“). Die Unterlassung einer an sich gebotenen Fehlerkorrektur ist genauso wie der ursprüngliche Fehler sanktionslos und verlängert die Rückwirkung nicht über Abs. 4 hinaus (Kasseler Kommentar, Steinwedel, Rn. 24 zu § 45 SGB X).

Zur Überzeugung des Senats begegnet die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie verstößt weder gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG noch gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz des Vertrauensschutzes. Der Senat nimmt insoweit ausdrücklich auf die diesbezüglich mannigfaltige und erschöpfende Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes Bezug (vgl. BSG vom 15.12.1982, Az.: GS 2/80; BSG vom 23.07.1986, Az.: 1 RA 31/85; BSG vom 21.01.1987, Az. 1 RA 27/86; BSG vom 23.07.1986, Az.: 1 RA 31/85 m. w. N.; s.a. LSG Hessen vom 23.08.2013, Az.: L 5 R 359/12). Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Unbeschadet der Tatsache, dass - entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten - in den maßgeblichen Bereichen steuerfinanzierter Sozialleistungen (Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungsgesetz) § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X zulasten einer deutlich kürzeren Rückwirkung von einem Jahr keine Anwendung findet (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II; § 116a SGB XII; zur entsprechenden Anwendung der Jahresfrist im Rahmen von Asylbewerberleistungen: BSG vom 26.06.2013, Az.: B 7 AY 6/12 R), bestehen für möglicherweise in Restbereichen verbleibende Ungleichheiten hinreichende sachliche Gründe (vgl. zum allgemeinen Maßstab für einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz: BVerfGE117, 272). § 44 SGB X durchbricht das allgemein gültige Prinzip der Bestandskraft. Die Vorschrift dient damit der Verwirklichung materieller Gerechtigkeit des Einzelnen zulasten der Rechtssicherheit, obwohl aus dem Grundgesetz (wie bereits dargestellt) gerade keine Verpflichtung erwächst, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte nach Eintritt der Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag aufzuheben (BVerfG vom 27.02.2007, a. a. O.). Der Gesetzgeber hat mit der in § 44 Abs. 4 SGB X getroffenen Regelung den Konflikt zwischen dem Interesse des Versicherten an einer vollständigen Erbringung ihm zu Unrecht vorenthaltener Sozialleistung einerseits und der Solidargemeinschaft aller Versicherten an einer Erhaltung der Leistungsfähigkeit des in Anspruch genommenen Versicherungsträgers und damit einhergehend an einer möglichst geringen Belastung mit Leistungen für zurückliegende Zeiträume andererseits gelöst. Das schließt es aus, einseitig das Interesse des Versicherten an der Erfüllung seiner Ansprüche auch für weiter zurückliegende Zeiträume als ausschlaggebend zu bewerten und darüber die Interessen der Versichertengemeinschaft daran zu vernachlässigen. § 44 SGB X stellt eine in sich ausgewogene Gesamtregelung dar, innerhalb derer die Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X eine den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrende und damit zulässige Bestimmung darstellt, die geeignet ist, ggf. bestehende Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen (BSG vom 23.07.1986, a. a. O.).

Dem Kläger steht daneben auch keine Nachzahlung nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu. Sind Sozialleistungen zu Unrecht versagt worden, können im Einzelfall neben dem Tatbestand des § 44 SGB X auch die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs erfüllt sein. Jedoch geht § 44 SGB X als gesetzliche Sonderregelung dem lediglich richterrechtlich geschaffenen Institut des Herstellungsanspruchs dem Tatbestand nach vor, wenn das behördliche Fehlverhalten bereits durch § 44 erfasst wird (BSG vom 19.10.2010, Az.:B 14 AS 16/09 R; Kasseler Kommentar, Steinwedel, Rn. 16 zu § 44 SGB X, jew. m.w.N). In der vorliegenden Konstellation handelt es sich um einen solchen unmittelbaren Anwendungsfall des § 44 Abs. 1 SGB X, da es in der Sache um eine aufgrund eines Fehlers der Beklagten in zu geringer Höhe festgestellte Rente und damit um die Aufhebung einer bestandskräftigen, rechtswidrigen und nicht begünstigenden Verwaltungsentscheidung geht. Es handelt sich mithin nicht um den Fall einer gesetzlich nicht anderweitig sanktionierten hoheitlichen Pflichtverletzung (z. B. Fristversäumnis oder auch gänzlich unterlassene Erstantragstellung aufgrund fehlender Beratung bzw. Aufklärung), welche die Anwendung des subsidiären Instituts des sozialrechtliche Herstellungsanspruchs erfordern würde. Aufgrund der Tatbestandsverdrängung durch § 44 Abs. 1 SGB X ist damit die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auf den vorliegenden Sachverhalt ausgeschlossen.

Selbst wenn man dem nicht folgen möchte, wäre zur Überzeugung des Senates vorliegend bei einer Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs neben dem seinen Voraussetzungen nach ebenfalls anwendbaren § 44 Abs. 1 SGB X die Beschränkung des § 44 Abs. 4 SGB X bereits unmittelbar einschlägig, jedenfalls aber entsprechend heranzuziehen (h.M., vgl. BSG vom 11.04.1985, Az.: 4b/9a RV 5/84; BSG vom 09.09.1986, Az.: 11a RA 28/85; BSG vom 21.01.1987, Az.: 1 RA 27/86; BSG vom 28.01.1999, Az.: B 14 EG 6/98 B; BSG vom 14.02.2001, Az.:B 9 V 9/00 R; BSG 27.03.2007, Az.: B 13 R 58/06 R; Kasseler Kommentar, Steinwedel Rn. 53 zu § 44 SGB X; Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Rn. 94 zu § 44; a.A. - jedoch nur für die Anwendung des Herstellungsanspruchs in einem hier nicht vorliegenden sog. „Erstfeststellungsverfahren“ - 4. Senat des BSG vom 06.03.2003, Az.:B 4 RA 38/02 R und vom 26.06.2007, Az.:B 4 R 19/07 R).

Die Berufung ist nach alldem mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.

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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


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Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften


(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass1.rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf

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Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 116a Rücknahme von Verwaltungsakten


§ 44 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass 1. rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind;

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 312 Mindestgrenzbetrag bei Versicherungsfällen vor dem 1. Januar 1979


(1) Bestand am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine Rente, die auf einem Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1979 beruht, und ruhte diese wegen einer Rente aus der Unfallversicherung, beträgt der Mindestgrenzbetrag1.bei einer Rente aus eigener Versich

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Bestand am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet und auf eine Rente aus der Unfallversicherung, ist Grenzbetrag für diese und eine sich unmittelbar anschließe

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Besteht für denselben Zeitraum Anspruch

1.
auf eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung oder
2.
auf eine Hinterbliebenenrente und eine entsprechende Hinterbliebenenrente aus der Unfallversicherung,
wird die Rente insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung nach § 97 dieses Buches und nach § 65 Absatz 3 und 4 des Siebten Buches den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt.

(2) Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bleiben unberücksichtigt

1.
bei dem Monatsteilbetrag der Rente, der auf persönlichen Entgeltpunkten der knappschaftlichen Rentenversicherung beruht,
a)
der auf den Leistungszuschlag für ständige Arbeiten unter Tage entfallende Anteil und
b)
15 vom Hundert des verbleibenden Anteils,
2.
bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung
a)
ein verletzungsbedingte Mehraufwendungen und den immateriellen Schaden ausgleichender Betrag nach den Absätzen 2a und 2b, und
b)
je 16,67 Prozent des aktuellen Rentenwerts für jeden Prozentpunkt der Minderung der Erwerbsfähigkeit, wenn diese mindestens 60 Prozent beträgt und die Rente aufgrund einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit nach den Nummern 4101, 4102 oder 4111 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 geleistet wird.

(2a) Der die verletzungsbedingten Mehraufwendungen und den immateriellen Schaden ausgleichende Betrag beträgt bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von

1.
10 Prozent das 1,51fache,
2.
20 Prozent das 3,01fache,
3.
30 Prozent das 4,52fache,
4.
40 Prozent das 6,20fache,
5.
50 Prozent das 8,32fache,
6.
60 Prozent das 10,51fache,
7.
70 Prozent das 14,58fache,
8.
80 Prozent das 17,63fache,
9.
90 Prozent das 21,19fache,
10.
100 Prozent das 23,72fache
des aktuellen Rentenwerts. Liegt der Wert der Minderung der Erwerbsfähigkeit zwischen vollen 10 Prozent, gilt der Faktor für die nächsthöheren 10 Prozent.

(2b) Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 Prozent erhöht sich der Betrag nach Absatz 2a zum Ersten des Monats, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird, bei Geburten am Ersten eines Monats jedoch vom Monat der Geburt an. Die Erhöhung beträgt bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit

1.
von 50 und 60 Prozent das 0,92fache,
2.
von 70 und 80 Prozent das 1,16fache,
3.
von mindestens 90 Prozent das 1,40fache
des aktuellen Rentenwerts. Liegt der Wert der Minderung der Erwerbsfähigkeit zwischen vollen 10 Prozent, gilt der Faktor für die nächsthöheren 10 Prozent.

(3) Der Grenzbetrag beträgt 70 vom Hundert eines Zwölftels des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung; bei einer Rente für Bergleute beträgt der Faktor 0,4. Mindestgrenzbetrag ist der Monatsbetrag der Rente ohne die Beträge nach Absatz 2 Nr. 1.

(4) Die Absätze 1 bis 3 werden auch angewendet,

1.
soweit an die Stelle der Rente aus der Unfallversicherung eine Abfindung getreten ist,
2.
soweit die Rente aus der Unfallversicherung für die Dauer einer Heimpflege gekürzt worden ist,
3.
wenn nach § 10 Abs. 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes eine Leistung erbracht wird, die einer Rente aus der Unfallversicherung vergleichbar ist,
4.
wenn von einem Träger mit Sitz im Ausland eine Rente wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit geleistet wird, die einer Rente aus der Unfallversicherung nach diesem Gesetzbuch vergleichbar ist.
Die Abfindung tritt für den Zeitraum, für den sie bestimmt ist, an die Stelle der Rente. Im Fall des Satzes 1 Nr. 4 wird als Jahresarbeitsverdienst der 18fache Monatsbetrag der Rente wegen Arbeitsunfalls oder Berufskrankheit zugrunde gelegt. Wird die Rente für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von weniger als 100 vom Hundert geleistet, ist von dem Rentenbetrag auszugehen, der sich für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 vom Hundert ergeben würde.

(5) Die Absätze 1 bis 4 werden nicht angewendet, wenn die Rente aus der Unfallversicherung

1.
für einen Versicherungsfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit ereignet hat, oder
2.
ausschließlich nach dem Arbeitseinkommen des Unternehmers oder seines Ehegatten oder Lebenspartners oder nach einem festen Betrag, der für den Unternehmer oder seinen Ehegatten oder Lebenspartner bestimmt ist, berechnet wird.
Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls gilt bei Berufskrankheiten der letzte Tag, an dem der Versicherte versicherte Tätigkeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen. Satz 1 Nr. 1 gilt nicht für Hinterbliebenenrenten.

Bestand am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet und auf eine Rente aus der Unfallversicherung, ist Grenzbetrag für diese und eine sich unmittelbar anschließende Rente mindestens der sich nach den §§ 311 und 312 ergebende, um die Beträge nach § 93 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b und Nr. 2 Buchstabe a geminderte Betrag.

(1) Bestand am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine Rente, die auf einem Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1979 beruht, und ruhte diese wegen einer Rente aus der Unfallversicherung, beträgt der Mindestgrenzbetrag

1.bei einer Rente aus eigener Versicherung85 vom Hundert,
2.bei einer Witwenrente oder Witwerrente51 vom Hundert

des Betrages, der sich ergibt, wenn der im Dezember 1991 zugrunde liegende persönliche Vomhundertsatz mit zwei Dritteln des aktuellen Rentenwerts vervielfältigt wird.

(2) Bestand am 31. Dezember 1991 Anspruch auf eine Rente, für die die allgemeine Wartezeit in der knappschaftlichen Rentenversicherung erfüllt ist und die auf einem Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1979 beruht, und ruhte diese Rente wegen einer Rente aus der Unfallversicherung, die auf einem Unfall oder Tod vor dem 1. Januar 1979 beruht, beträgt der Mindestgrenzbetrag

1.bei einer Rente aus eigener Versicherung100 vom Hundert,
2.bei einer Witwenrente oder Witwerrente60 vom Hundert

des Betrages, der sich ergibt, wenn der im Dezember 1991 zugrundeliegende persönliche Vomhundertsatz mit zwei Dritteln des aktuellen Rentenwerts vervielfältigt wird.

(3) § 311 Abs. 5 Satz 2 und 3, Abs. 7 ist anzuwenden.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

§ 44 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraumes beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 24. April 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit sind höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) für die Zeit vom 1.1.2007 bis 30.6.2009.

2

Am 22.8.2011 beantragte der 1997 geborene Kläger rückwirkend ab 1.1.2007 bis 30.6.2009 höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die Frist für die Nachzahlung von Leistungen nach § 44 Abs 4 SGB X sei durch Einfügen des § 116a Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) auch für das Asylbewerberleistungsrecht auf ein Jahr begrenzt worden. Für Leistungen nach § 2 AsylbLG sei das SGB XII entsprechend anzuwenden, sodass Nachzahlungen nur noch für die Zeit ab 1.1.2010 möglich seien (Bescheid vom 16.9.2011; Widerspruchsbescheid vom 23.9.2011).

3

Die hiergegen erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Münster vom 24.4.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, einer Überprüfung des streitbefangenen Zeitraums stehe § 116a SGB XII entgegen, wonach für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes § 44 Abs 4 SGB X mit der Maßgabe gelte, dass anstelle des (Nachzahlungs-)Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr trete, gerechnet von Beginn des Jahres an, in dem der Antrag gestellt worden sei. Diese Regelung sei nach § 136 SGB XII auf Überprüfungsanträge anzuwenden, die ab dem 1.4.2011 gestellt worden seien. Zwar finde sich keine § 116a SGB XII entsprechende Regelung im AsylbLG, die Vorschrift sei aber wegen einer planwidrigen Lücke im Gesetz analog anzuwenden.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 9 Abs 3 AsylbLG iVm § 44 Abs 4 SGB X. Danach seien rechtswidrig vorenthaltene Leistungen für bis zu vier Jahre rückwirkend nachzuzahlen. § 116a SGB XII, der die Frist auf ein Jahr verkürze, sei nicht analog auf Leistungen nach dem AsylbLG anwendbar. Dem Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch lasse sich entnehmen, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine Verkürzung der Frist von vier Jahren bei den Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X für diesen Bereich verzichtet habe, sodass es an einer planwidrigen Regelungslücke mangele. Es fehle auch eine vergleichbare Interessenlage, weil Anträge nach § 44 SGB X nicht nur die Erhöhung der Leistungsgewährung auf die Regelsätze nach dem SGB XII, sondern auch die Überprüfung der Leistungsgewährung nach §§ 1a und 3 AsylbLG beträfen.

5

Der Kläger hat sinngemäß schriftsätzlich beantragt,
das Urteil des SG und den Bescheid vom 16.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.9.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Rücknahme entgegenstehender Verwaltungsakte für die Zeit vom 1.1.2007 bis 30.6.2009 höhere Leistungen zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Sprungrevision (§ 161 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz) ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Kläger hat schon deshalb keinen Anspruch auf rückwirkend zu gewährende höhere Leistungen für den streitbefangenen Zeitraum, weil er seinen Überprüfungsantrag erst im August 2011 gestellt hat und § 116a SGB XII der rückwirkenden Leistungsgewährung entgegensteht.

9

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 16.9.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.9.2011 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger unter Aufhebung entgegenstehender bestandskräftiger Bescheide rückwirkend höhere Leistungen nach dem AsylbLG zu zahlen. Gegen diesen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 4 SGG, § 56 SGG(BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 9; BSG, Urteil vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R - RdNr 10), auf die auch bei Anwendung des § 44 SGB X ein Grundurteil nach § 130 Abs 1 SGG ergehen kann (BSGE 88, 299, 300 = SozR 3-4300 § 137 Nr 1 S 2; BSG SozR 4-3520 § 3 Nr 3 RdNr 10; BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R - RdNr 9).

10

Gemäß § 9 Abs 3 AsylbLG iVm § 44 Abs 1 SGB X(zur Anwendbarkeit des § 44 SGB X im Asylbewerberleistungsrecht vgl: BSGE 104, 213 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; BSG SozR 4-1300 § 44 Nr 22)ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Einer Entscheidung darüber, ob dem Kläger in der Zeit vom 1.1.2007 bis zum 30.6.2009 Leistungen zu Unrecht vorenthalten wurden und die insoweit ergangenen Bescheide rechtswidrig waren (§ 44 Abs 1 SGB X), bedarf es nicht. § 44 Abs 1 SGB X zielt im Ergebnis auf die Ersetzung des rechtswidrigen Verwaltungsakts, mit dem eine (höhere) Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde, durch einen die (höhere) Leistung gewährenden Verwaltungsakt ab. Einem Antragsteller, der über § 44 Abs 4 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten kann, kann regelmäßig kein rechtliches Interesse an der Rücknahme iS von § 44 Abs 1 SGB X zugebilligt werden. Die Unanwendbarkeit der "Vollzugsregelung des § 44 Abs 4 SGB X" steht dann einer isolierten Rücknahme entgegen(BSGE 104, 213 ff RdNr 22 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; BSGE 68, 180 ff = SozR 3-1300 § 44 Nr 1). So liegt der Fall hier. Selbst im Falle der Rechtswidrigkeit bestandskräftiger Bescheide über Leistungen nach dem AsylbLG könnten höhere Leistungen rückwirkend allenfalls für die Zeit ab 1.1.2010 erbracht werden, die nicht streitbefangen ist; insoweit ist § 116a SGB XII analog im Asylbewerberleistungsrecht anzuwenden.

11

Zu Unrecht vorenthaltene Leistungen nach dem AsylbLG werden zwar gemäß § 9 Abs 3 AsylbLG iVm § 44 Abs 4 SGB X längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgten Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes erbracht; dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme - wie hier - auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag. Die 4-Jahresfrist verkürzt sich aber für Anträge, die - wie hier - nach dem 31.3.2011 gestellt wurden, in entsprechender Anwendung des die Regelung des § 44 Abs 4 SGB X modifizierenden § 116a SGB XII iVm dem bis 31.12.2012 geltenden § 136 SGB XII(jeweils in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453) auf ein Jahr, sodass angesichts der im August 2011 erfolgten Antragstellung keine für den streitbefangenen Zeitraum zu Unrecht vorenthaltenen Leistungen mehr zu erbringen sind. Wann ein bestandskräftiger Bescheid über die Ablehnung von Leistungen nach dem AsylbLG für den streitbefangenen Zeitraum - ausdrücklich durch förmlichen Verwaltungsakt oder konkludent (dazu BSG, Urteil vom 28.2.2013 - B 8 SO 4/12 R- RdNr 9) - ergangen ist, ist für die Anwendung des § 44 Abs 1 iVm Abs 4 SGB X ohne Bedeutung.

12

§ 116a SGB XII ist im Zusammenhang mit § 9 Abs 3 AsylbLG iVm § 44 SGB X analog anzuwenden, weil das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch durch das Unterlassen einer Änderung in § 9 Abs 3 AsylbLG eine planwidrige Regelungslücke enthält, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen ist(Greiser in juris PraxisKommentar SGB XII, § 116a SGB XII RdNr 21 ff). Eine direkte Anwendung des § 116a SGB XII scheidet hingegen aus. Zwar werden Leistungen nach § 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung des SGB XII erbracht (§ 2 Abs 1 AsylbLG); jedoch betrifft diese Regelung nach ihrem Wortlaut ("abweichend von §§ 3 bis 7"), gleich ob sie eine Rechtsgrund- oder eine Rechtsfolgenverweisung enthält(offengelassen in BSGE 101, 49 ff RdNr 14 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2), nur das Leistungsrecht des AsylbLG. Deshalb bedarf es für eine direkte Anwendung der den Zeitraum des § 44 Abs 4 SGB X von vier auf ein Jahr verkürzenden Regelung eines besonderen Anwendungsbefehls, der in § 9 Abs 3 AsylbLG aber nicht enthalten ist. § 9 Abs 3 AsylbLG sieht selbst (noch) keine Modifikation des § 44 Abs 4 SGB X vor.

13

Eine Analogie, die Übertragung einer gesetzlichen Regelung - hier des § 116a SGB XII - auf einen Sachverhalt, der von der betreffenden Vorschrift nicht erfasst wird, ist geboten, wenn dieser Sachverhalt mit dem geregelten vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und damit dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert(BSG SozR 3-2500 § 38 Nr 2 RdNr 15). Daneben muss eine (unbewusste) planwidrige Regelungslücke vorliegen (BVerfGE 82, 6, 11 ff mwN; BSGE 77, 102, 104 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3; BSGE 89, 199, 202 f = SozR 3-3800 § 1 Nr 21 S 95 f mwN). Diese Voraussetzungen liegen vor.

14

Die zu regelnden Sachverhalte sind nicht nur im Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II, dort § 40 Abs 1 Satz 2) und im SGB XII, für die die Jahresbegrenzung eingefügt worden ist, sondern auch im AsylbLG in diesem Sinn gleichartig. Das SGB II, das SGB XII und das AsylbLG sind Existenzsicherungssysteme, die alle das Ziel haben, den Leistungsberechtigten ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen (§ 1 Abs 1 SGB II; § 1 Abs 1 Satz 1 SGB XII; BT-Drucks 12/4451 Satz 1 und 3, wonach die fürsorgerischen Gesichtspunkte der Leistungen an Asylbewerber durch das AsylbLG gewahrt bleiben). Ebenso ist allen drei Existenzsicherungssystemen gemeinsam, dass die gewährten Leistungen einen aktuellen Bedarf bei aktueller Hilfebedürftigkeit decken sollen (sog Aktualitätsgrundsatz, vgl nur Pattar in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, S 136) und nicht als nachträgliche Geldleistung ausgestaltet sind (BVerfG, Beschluss vom 12.5.2005 - 1 BvR 569/05; BVerwGE 60, 236, 238; 66, 335, 338), sodass Leistungen im Rahmen eines Zugunstenverfahrens für die Vergangenheit nur zu erbringen sind, wenn die Existenzsicherungsleistungen ihre Aufgabe noch erfüllen können (BSGE 104, 213 ff RdNr 12 ff = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; SozR 4-1300 § 44 Nr 12 RdNr 14 f).

15

Dieser Gedanke war auch Beweggrund für den Gesetzgeber zur Einführung des § 116a SGB XII. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei die Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 SGB X für die Leistungen, die als steuerfinanzierte Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts dienten und dabei in besonderem Maße die Deckung gegenwärtiger Bedarfe bewirken sollten(sog Aktualitätsgrundsatz), zu lang. Eine kürzere Frist von einem Jahr sei sach- und interessengerecht (BT-Drucks 17/3404, S 114, 129). Nichts anderes kann aber angesichts der Gleichartigkeit der zu regelnden Sachverhalte für Leistungen nach dem AsylbLG gelten. Die in den Regelungen des § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II und § 116a SGB XII zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung muss deshalb für das AsylbLG übernommen werden. Erst recht gilt dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ursprüngliches Ziel der Leistungen nach dem AsylbLG eine "deutliche Absenkung" der früher nach § 120 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz gewährten Leistungen war, also eine Schlechterstellung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG(BT-Drucks 12/4451 Satz 1; vgl insoweit aber BVerfG SozR 4-3520 § 3 Nr 2). Dieses Ziel würde konterkariert, wären im Zugunstenverfahren Leistungen nach dem AsylblG (anders als nach dem SGB II bzw dem SGB XII) annähernd bis zu fünf Jahren rückwirkend zu erbringen.

16

Die Gleichartigkeit der Sachverhalte im SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLG gebietet auch eine gleiche Behandlung. Dies bestätigt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Verfassungswidrigkeit des § 3 AsylbLG(BVerfG SozR 4-3520 § 3 Nr 2), wonach das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zusteht. Umgekehrt muss das aber auch für Einschränkungen bei der Nachzahlung zu Unrecht vorenthaltener Leistungen gelten. Deshalb soll nach dem Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG (Bearbeitungsstand 4.12.2012; http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/asylblg/bverfg-asylblg-novelle.html) der Vorschrift des § 9 Abs 3 folgender Satz 2 angefügt werden(Referentenentwurf S 4): "§ 44 Abs 4 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gilt mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt." Zur Begründung wird ausgeführt, es werde den Besonderheiten des AsylbLG nicht gerecht, Bedarfe, die tatsächlich nicht mehr vorhanden seien, auch für Zeiträume, die länger in die Vergangenheit zurückreichten, rückwirkend zu gewähren. Die Vierjahresfrist des § 44 SGB X sei für steuerfinanzierte Leistungen, die der Sicherung des Lebensunterhalts und damit in besonderem Maße der Deckung gegenwärtiger Bedarfe dienten, zu lang. Eine kürzere Frist von einem Jahr sei sach- und interessengerecht. Insofern müssten dieselben Grundsätze wie in § 116a SGB XII und in § 40 Abs 1 SGB XII gelten. Entsprechend werde § 9 Abs 3 AsylbLG so abgeändert, dass § 44 SGB X zukünftig auch im AsylbLG nur mit der Maßgabe Anwendung finde, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein solcher von einem Jahr trete(Referentenentwurf S 15 f, aaO). Die Begründung im Referentenentwurf ist damit annähernd wortgleich zu der Begründung der Änderung des § 40 Abs 1 SGB II und der Einfügung des § 116a SGB XII(BT-Drucks aaO).

17

Es fehlt auch nicht deshalb an der vergleichbaren Interessenlage, weil die Anträge nach § 44 SGB X auch die Überprüfung der Leistungsgewährung nach §§ 1a und 3 AsylbLG betreffen und das System des AsylbLG in erster Linie als Sachleistungssystem ausgestattet ist. Zum einen sind hier solche Leistungen nicht betroffen, sondern Leistungen nach § 2 AsylbLG, die in entsprechender Anwendung des SGB XII erbracht werden, sodass es nicht einzusehen ist, weshalb insoweit eine Besserstellung des Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG erfolgen soll; zum anderen wären Sachleistungen für die Vergangenheit nicht zu erbringen, sondern allenfalls ohnehin Geldleistungen im Sinne eines Sekundäranspruchs. Im Übrigen sehen auch das SGB II und das SGB XII die - allerdings eingeschränkte - Möglichkeit vor, Sachleistungen zu erbringen. Bei der Prüfung, ob die beiden verglichenen Sachverhalte in einer die Analogie ermöglichenden Weise "gleich" bzw "ähnlich" sind, ist die Grenze (erst) dort zu ziehen, wo durch die entsprechende Anwendung die Regelungsabsicht des Gesetzgebers vereitelt würde. Dies ist zwar schon dann zu bejahen, wenn es nur zweifelhaft ist, ob der Unterschied zwischen den verglichenen Sachverhalten nicht doch so groß ist, dass durch eine Gleichstellung die gesetzliche Wertung in Frage gestellt sein könnte (BSGE 57, 195 ff = SozR 1500 § 149 Nr 7). Derartige Zweifel bestehen aber nach oben Gesagtem gerade nicht. So sieht auch der Referentenentwurf (aaO) eine § 116a SGB XII identische Regelung bei annähernd identischer Begründung vor, ohne zwischen den jeweiligen Leistungen nach dem AsylbLG zu unterscheiden.

18

Dies rechtfertigt auch die Folgerung einer durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch entstandenen (unbewussten) planwidrigen Regelungslücke (vgl auch: Greiser in jurisPK-SGB XII, § 116a SGB XII RdNr 27; Scheider in Hohm, AsylbLG, § 9 RdNr 73, Stand Dezember 2012, der ein gesetzgeberisches Versehen wegen unterschiedlicher ministerieller Zuständigkeiten vermutet). Diese hat der Gesetzgeber mittlerweile selbst erkannt, der, wie die beabsichtigte Ergänzung von § 9 Abs 3 AsylbLG und insbesondere die Begründung im Referentenentwurf zeigen, die Gesetzeslücke nachträglich schließen will. Die Annahme einer Gesetzeslücke verbietet sich - anders als der Kläger meint - nicht etwa deshalb, weil in der BT-Drucks 17/3404 die Leistungen nach dem AsylbLG bei der Bewertung der finanziellen Auswirkungen des Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch ausdrücklich genannt werden (S 45 und 47) und in der dritten Beratung des Gesetzentwurfs (Plenarprotokoll 17/79) über den Entschließungsantrag der Fraktion "Die Linke" zur Ergänzung des Kreises der Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII um bisherige Leistungsberechtigte nach dem dann aufzuhebenden AsylbLG (BT-Drucks 17/4106) abgestimmt wurde. Denn die Ausführungen in der BT-Drucks 17/3404 betreffen nur die finanziellen Auswirkungen des Regelbedarfsermittlungsgesetzes, die natürlich auch Asylbewerber betreffen, die Leistungen entsprechend dem SGB XII erhalten. Auch der Entschließungsantrag der Fraktion "Die Linke" betrifft allein die Höhe der Leistungen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch war eine Reaktion des Gesetzgebers auf die den Regelbedarf nach dem SGB II und dem SGB XII betreffende Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12). Die zitierten amtlichen Drucksachen und Protokolle betreffen ebenfalls unmittelbar oder mittelbar nur den Regelbedarf bzw die Höhe der Leistungsgewährung, haben jedoch keinen Bezug zur Ergänzung des § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II bzw des § 116a SGB XII. Sie sind deshalb weder Beleg dafür, dass Leistungen nach dem AsylbLG bewusst ausgeklammert worden sind, noch begründen sie einen solchen Zweifel. Der Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des AsylbLG belegt insoweit sogar das Gegenteil (dazu oben).

19

An diesem Ergebnis ändert die beabsichtigte Übergangsregelung in § 14 AsylbLG des Referentenentwurfs(Referentenentwurf S 5) nichts, wonach § 9 Abs 3 Satz 2 AsylbLG nicht bei Anträgen nach § 44 SGB X anwendbar sein soll, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung gestellt worden sind. Damit ist bereits keine die Analogie verbietende Regelung beabsichtigt. Ohnedies verbleibt es bis zum möglichen Inkrafttreten bei der Gesetzeslücke, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen ist.

20

Schließlich besteht im öffentlichen Recht auch kein allgemeines Analogieverbot zum Nachteil von Bürgern, also der analogen Anwendung einer "belastenden" Norm (BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2; BSG SozR 3-4100 § 59e Nr 1 S 6; SozR 4-1300 § 44 Nr 22 RdNr 23). Aus der Bindung an "Gesetz und Recht" (Art 20 Abs 3 Grundgesetz ) ergibt sich, dass Exekutive und Judikative bei der Normanwendung - von speziellen verfassungsrechtlichen Analogieverboten wie Art 103 Abs 2 GG abgesehen - nicht auf den ausdrücklich bestimmten Anwendungsbereich der gesetzlichen Bestimmungen beschränkt sind, sondern das Recht insgesamt anwenden müssen (BSGE 104, 285 ff = SozR 4-4300 § 335 Nr 2). Infolgedessen sind auch belastende Normen des öffentlichen Rechts analog anzuwenden, sofern sich die Übertragung auf einen gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Fall - wie hier - wegen der Gleichartigkeit der Sachverhalte gebietet und die Regelungsabsicht des Gesetzgebers sicherstellt.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 2008 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 28.1. bis zum 5.5.2005.

2

Der 1965 geborene Kläger wehrte sich vor dem Arbeitsgericht (ArbG) gegen eine seitens seines ehemaligen Arbeitgebers zum 2.2.2004 ausgesprochene Kündigung. Er meldete sich aber gleichwohl am 3.2.2004 bei der beigeladenen Bundesagentur für Arbeit arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Ab dem 3.2.2004 bewilligte die Beigeladene dem Kläger Alg für eine Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen.

3

Mit Urteil vom 12.10.2004 stellte das vom Kläger eingeschaltete ArbG fest, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 2.2.2004 aufgelöst worden sei. Hiergegen legte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers Berufung ein.

4

Mit Schreiben vom 17.12.2004 teilte die Beigeladene dem Kläger mit, sein Anspruch auf Alg ende voraussichtlich am 27.1.2005. Zugleich enthielt das Schreiben den Hinweis, dass die bisherige Arbeitslosenhilfe (Alhi) zum 1.1.2005 wegfalle und durch das Arbeitslosengeld II (Alg II) ersetzt werde, dessen Gewährung von einem Antrag abhänge. Es folgten Angaben darüber, wo der Antrag zu stellen sei und der Hinweis, dass weitere Informationen auf Anfrage von der Agentur für Arbeit zu erhalten seien. Mit Änderungsbescheid vom 2.1.2005 setzte die Beigeladene das Alg des Klägers ab dem 1.1.2005 hinsichtlich der Höhe neu fest, hinsichtlich der Anspruchsdauer verblieb es bei der früheren Bewilligungsentscheidung.

5

Am 28.1.2005, dem Tag nach Erschöpfung des Alg-Anspruchs, wurde der Kläger bei der Beigeladenen vorstellig. Dort fand ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beigeladenen statt, das sich allein auf die Frage der Dauer des Alg-Anspruchs bezog. Ein evtl bestehender Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II war nicht Gegenstand des Gesprächs.

6

Am 31.1.2005 stellte der Kläger wegen der Frage der Dauer seines Alg-Anspruchs einen Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Änderung des bestandskräftigen Bewilligungsbescheids vom 1.4.2004. Diesen Antrag lehnte die Beigeladene mit Bescheid vom 24.3.2005 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde am 23.5.2005 zurückgenommen.

7

Mit Urteil vom 12.4.2005 hob in dem parallel laufenden Arbeitsgerichtsprozess das Landesarbeitsgericht das Urteil des ArbG wieder auf und wies die Kündigungsschutzklage des Klägers ab.

8

Am 6.5.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, diese wurden ihm mit Bescheid vom 6.6.2005 ab dem 6.5.2005 bewilligt. Gegen den Bescheid vom 6.6.2005 legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.7.2005 zurückwies. Die dagegen erhobene Klage ist vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) ohne Erfolg geblieben (Urteile vom 31.1.2007 und vom 18.3.2008). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dem Kläger könnten vor Antragstellung am 6.5.2005 keine Leistungen gewährt werden. Auch könne er nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so gestellt werden, als hätte er seinen Antrag bereits am 28.1.2005 gestellt. Ein Beratungsfehler liege nicht vor. Vorliegend habe über das Informationsschreiben der Beigeladenen vom 17.12.2004 hinaus kein Anlass bestanden, den Kläger erneut über die Notwendigkeit einer Antragstellung zur Gewährung von Alg II zu unterrichten.

9

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Revision. Er rügt, das LSG habe die zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht beachtet. Er ist der Ansicht, die Beigeladene habe im Rahmen der persönlichen Vorsprache die Pflicht gehabt, ihn über die Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Sicherung des Lebensunterhalts durch Leistungen nach dem SGB II zu beraten. Die Beigeladene treffe vor dem Hintergrund des engen Sachzusammenhangs zwischen Alg und Leistungen nach dem SGB II eine erweiterte Beratungspflicht.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Koblenz vom 31. Januar 2007 und das Berufungsurteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18. März 2008 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2005 zu ändern und ihm auch für die Zeit vom 28. Januar bis zum 5. Mai 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

13

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne einer Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

15

Der Senat konnte auf Grund der vom LSG festgestellten Tatsachen nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger im Zeitraum vom 28.1. bis zum 5.5.2005 einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hatte. Zwar haben SG und LSG zutreffend entschieden, dass der Kläger vor dem 6.5.2005 keinen Antrag auf solche Leistungen gestellt hat (dazu unter 1.). Sie haben aber nicht geprüft, ob der am 6.5.2005 gestellte Antrag nach § 28 SGB X zurückwirkt(dazu unter 2.). Dies bedarf der abschließenden Klärung, bevor auf das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zurückgegriffen werden kann (dazu unter 3.).

16

1. Der Kläger hat vor dem 6.5.2005 weder bei der Beklagten noch bei der Beigeladenen einen Antrag gestellt. Die Antragstellung wird aber neben den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für alle Leistungen nach dem SGB II vorausgesetzt.

17

Nach § 37 Abs 1 SGB II werden die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Antrag erbracht, nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB II aber nicht für Zeiten vor der Antragstellung. Nach § 16 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sind Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger, bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, so gilt dieser als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er bei einer der genannten Stellen eingegangen ist.

18

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger auch bei der Beigeladenen, etwa anlässlich seines dortigen Vorsprechens am 28.1.2005, keinen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt hat. Die Auslegung eines Antrags auf Gewährung von Sozialleistungen folgt dem Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl Urteile des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - und vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13). Sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Leistungsberechtigte die Sozialleistungen begehrt, die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen (vgl Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 37 RdNr 21; Kretschmer in GK-SGB I, 3. Aufl 1996, § 16 RdNr 17). Dabei kann in einem Antrag auf Gewährung von Alg nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) auch zugleich ein Antrag auf Gewährung von Alg II liegen. Ob dies bereits dann gilt, wenn der Betroffene nur deutlich macht, er begehre Leistungen bei Arbeitslosigkeit (so zB Oberverwaltungsgericht Bremen Urteil vom 8.6.2010 - S 2 A 492/07 - im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Alhi, vgl etwa BSGE 44, 164, 166 f = SozR 4100 § 134 Nr 3)oder ob - wie das SG meint - zusätzlich erforderlich ist, dass der Antragsteller zumindest zu erkennen gibt, er sei wegen fehlenden Einkommens und Vermögens hilfebedürftig und deshalb auf Sozialleistungen angewiesen, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn nach den Feststellungen im angegriffenen Urteil beschränkte sich der Kläger zunächst allein auf die Beanspruchung von Alg nach dem SGB III. Dies wird - wie das LSG hervorhebt - insbesondere vor dem Hintergrund des Überprüfungsantrags vom 31.1.2005 deutlich, mit dem er eine Weitergewährung des Alg erreichen wollte, weil sein Anspruch noch nicht erschöpft sei. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger vor dem 6.5.2005 bei der Beigeladenen als unzuständigem Leistungsträger einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt hat.

19

2. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass der Antrag des Klägers vom 6.5.2005 nach § 28 SGB X zurückwirkt, insofern bedarf es weiterer Feststellungen durch das LSG.

20

§ 28 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Antrag auf eine Sozialleistung bis zu einem Jahr zurückwirkt, wenn der Leistungsberechtigte von der Stellung eines Antrags auf diese Sozialleistung deshalb abgesehen hat, weil er einen Antrag auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht hat, die ihm "versagt"(im Sinne von "abgelehnt", vgl Eicher in Eicher/Spellbrink, aaO, § 40 RdNr 106f) wurde oder die er zu erstatten hat. Dies gilt allerdings grundsätzlich nur, wenn der nachgeholte Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats gestellt ist, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist. Zu einer solchen Rückwirkung nach § 28 Satz 1 SGB X kommt es gemäß § 28 Satz 2 SGB X auch dann, wenn der rechtzeitige Antrag auf eine andere Leistung aus Unkenntnis über deren Anspruchsvoraussetzungen unterlassen wurde und die zweite Leistung gegenüber der ersten Leistung, wenn diese erbracht worden wäre, nachrangig gewesen wäre.

21

§ 28 SGB X ist auch im Rahmen des SGB II anwendbar(dazu unter a). Der Kläger hat auch durch seinen Überprüfungsantrag einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung geltend gemacht (dazu unter b) und innerhalb der sich aus § 28 SGB X ergebenden Frist den Antrag auf die von ihm nunmehr beanspruchte Sozialleistung nachgeholt(dazu unter c). Es fehlen jedoch Feststellungen des LSG hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 28 SGB X und die Prüfung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 28.1. bis zum 5.5.2005 (dazu unter d).

22

a) Die Vorschrift des § 28 SGB X über die Zurückwirkung eines Antrags findet auch auf das Antragserfordernis nach § 37 Abs 1 SGB II Anwendung(vgl § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II). Davon geht auch der Gesetzgeber aus, wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 40 Abs 3 SGB II entnehmen lässt(vgl BT-Drucks 16/1410 S 27). Der dort eingefügten Einschränkung hätte es nicht bedurft, wenn § 28 SGB X ohnehin keine Anwendung im SGB II fände. Dagegen spricht nicht, dass der Antrag auf Leistungen nach § 37 Abs 1 SGB II konstitutive Wirkung hat(BT-Drucks 15/1516 S 62) und deshalb Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden (§ 37 Abs 2 Satz 1 SGB II, vgl oben). § 28 SGB X befreit nämlich nicht von dem Antragserfordernis als solchem, sondern lässt nur den nachgeholten Antrag zurückwirken. Die Anwendung des § 28 SGB X führt demnach nicht dazu, dass Leistungenvor Antragstellung erbracht werden.

23

b) Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 28 SGB X auch insofern, als er zunächst einen Anspruch auf eine andere Sozialleistung, nämlich auf Alg gemäß §§ 117 ff SGB III geltend gemacht hat. Dagegen spricht nicht, dass der Kläger für den Zeitraum ab dem 28.1.2005 keinen (Neu-)Antrag auf Gewährung von Alg gestellt hat, der sodann abgelehnt wurde, sondern seinen Leistungsanspruch ab dem genannten Zeitpunkt im Wege eines Antrags auf Überprüfung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids gemäß § 44 SGB X im Hinblick auf die bestandskräftig festgesetzte Anspruchsdauer verfolgt hat. Ein solcher Fall, in dem im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Bewilligung einer laufenden Sozialleistung begehrt wird, ist jedenfalls von § 28 SGB X mit umfasst.

24

Für diese Auslegung spricht zunächst der Wortlaut der Vorschrift, die hinsichtlich der Anforderungen an die Geltendmachung der zunächst beanspruchten Sozialleistungen offen formuliert ist und weder einen Antrag iS von § 16 Abs 1 Satz 1 SGB I noch Personenidentität zwischen den Antragstellern der beiden Sozialleistungen voraussetzt(vgl dazu Schneider-Danwitz, SGB X, § 28 Anm 12; Eicher, aaO, § 40 RdNr 106d). Soweit die Überschrift zu § 28 SGB X in scheinbarem Widerspruch dazu von einer "wiederholten" (und nicht nur von einer "nachgeholten") Antragstellung ausgeht, ist dies irreführend formuliert(vgl Eicher, aaO, § 40 RdNr 106c; Schneider-Danwitz, aaO, Anm 5a).

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Für die Anwendbarkeit des § 28 SGB X im vorliegenden Fall spricht auch die Regelungsabsicht des damaligen Gesetzgebers. In dem Abschlussbericht zur Einfügung der Vorschrift heißt es, in Zukunft sollten dann Rechtsnachteile vermieden werden, wenn ein Berechtigter in Erwartung eines positiven Bescheides einen Antrag auf andere Sozialleistungen nicht gestellt habe (BT-Drucks 8/4022 S 81 f). Der Wunsch, Mehrfachprüfungen zu vermeiden sowie den Leistungsberechtigten in einem gegliederten Sozialleistungssystem insoweit zu schützen, als seinem Anspruch auf eine weitere Sozialleistung ein erst später gestellter Antrag nicht entgegengehalten wird, zeigt, dass § 28 SGB X auch in Fällen wie dem vorliegenden gelten soll. Hierfür spricht auch, dass es oftmals von Zufälligkeiten abhängt, ob bei Beanspruchung einer laufenden Sozialleistung diese zunächst bewilligt und dann eingestellt wird, sodass die Weitergewährung durch einen Überprüfungsantrag geltend gemacht werden muss, oder ob ein neuer Antrag gestellt werden kann. Vor dem Hintergrund des offenen Wortlauts der Vorschrift kann zwischen beiden Fällen im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 28 SGB X nicht differenziert werden.

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c) Der Kläger hat auch den erforderlichen Antrag nach § 37 Abs 1 SGB II innerhalb der in § 28 Satz 1 SGB X genannten Frist nachgeholt. Danach ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Monats zu stellen, in dem die Ablehnung der anderen Leistung bindend geworden ist. § 40 Abs 3 SGB II, der diese Frist insoweit einschränkt, als nur noch der unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Entscheidung bindend geworden ist, nachgeholte Antrag ausreicht, greift hier nicht, denn die genannte Vorschrift wurde erst mit Wirkung vom 1.8.2006 durch das Fortentwicklungsgesetz vom 20.7.2006 (BGBl I 1706, 1712) eingefügt und ist daher auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Im Übrigen hat der Kläger hier am 6.5.2005 und damit vor der am 23.5.2005 eingetretenen Bestandskraft des ablehnenden Überprüfungsbescheids, auf den hier konsequenterweise abzustellen ist, den Antrag auf Gewährung von Alg II gestellt.

27

d) Nach dem Wortlaut des § 28 Satz 1 SGB X ("weil") muss der Leistungsempfänger aber deshalb von der Stellung eines Antrags abgesehen haben, weil er sich die Gewährung einer anderen Sozialleistung versprochen hat. Dies setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte bewusst von einer Antragstellung abgesehen hat und ein Kausalzusammenhang zwischen der Nichtbeantragung der einen und der Geltendmachung der anderen Sozialleistung bestand (vgl Schneider-Danwitz, aaO, Anm 9). Allerdings kann nach § 28 Satz 2 SGB X auch Unkenntnis zu einer Antragsrückwirkung führen, wenn beide Sozialleistungen in einem Vor- und Nachrangverhältnis zueinander stehen, was beim Alg und der Grundsicherung für Arbeitsuchende der Fall ist(vgl § 3 Abs 3, § 9 Abs 1, § 11 Abs 1 Satz 1, § 12a Satz 1 SGB II).

28

Aus den Feststellungen des LSG kann nicht nachvollzogen werden, ob eine und ggf welche der genannten Varianten vorliegend tatsächlich eingreift, insoweit wird das LSG weitere Ermittlungen zu tätigen haben. Sollten diese - wofür viel spricht - zu einer Bejahung der Voraussetzungen des § 28 SGB X führen, so wäre Rechtsfolge der nachgeholten Antragstellung vom 6.5.2005 ihre Rückwirkung bis zum 28.1.2005. § 28 Satz 1 SGB X begrenzt die maximale Rückwirkung des nachgeholten Antrags auf ein Jahr. Die Rückwirkung erfolgt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die abgelehnte oder zu erstattende Sozialleistung begehrt wurde. Dies ist in der Regel die erste Antragstellung, wobei es im Rahmen von § 28 Satz 1 SGB X ausreicht, dass eine Sozialleistung - auf welche Weise auch immer - geltend gemacht wird(vgl oben). Im vorliegenden Fall, in dem durch den Überprüfungsantrag vom 31.1.2005 die nahtlose Weiterbewilligung des Alg ab dem 28.1.2005 begehrt wurde, kommt eine Rückwirkung bis zu diesem Tag in Betracht, denn insoweit besteht die der genannten Norm zu Grunde liegende Deckungsgleichheit in zeitlicher Hinsicht zwischen der zunächst geltend gemachten und der später beantragten Sozialleistung.

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Kann nach den genannten Maßgaben der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 6.5.2005 auf den 28.1.2005 zurückwirken, so besagt dies aber noch nichts bezüglich des Bestehens eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 28.1.2005 bis zum 5.5.2005, denn § 28 SGB X ersetzt nicht die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen eines Leistungsanspruchs(vgl BSG Urteil vom 19.3.1986 - 7 RAr 17/84 - SozR 1300 § 28 Nr 1; Urteil vom 10.10.2002 - B 2 U 10/02 R -). Vorliegend fehlt es bislang insbesondere an Feststellungen hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit des Klägers gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II sowie §§ 9, 11 und 12 SGB II zum oben genannten maßgeblichen Zeitpunkt.

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3. Ob neben der möglichen Anwendung des § 28 SGB X die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorliegen, kann nicht entschieden werden, solange die Anwendbarkeit des § 28 SGB X nicht geklärt ist. Das folgt daraus, dass das (richterrechtlich entwickelte) Rechtsinstitut des Herstellungsanspruchs subsidiär ist und eine Regelungslücke voraussetzt (vgl BSG Urteil vom 15.12.1994 - 4 RA 64/93 - SozR 3-2600 § 58 Nr 2; BSG Urteil vom 23.7.1986 - 1 RA 31/85 - BSGE 60, 158 ff = SozR 1300 § 44 Nr 23; BVerwG Urteil vom 18.4.1997 - 8 C 38/95 - Buchholz 454.71 § 27 WoGG Nr 2; speziell zu § 28 SGB X Werhahn in Estelmann, SGB II, Stand September 2010, § 40 RdNr 140).

31

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.