Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 15. Apr. 2014 - L 20 R 259/14 B

bei uns veröffentlicht am15.04.2014
vorgehend
Sozialgericht Bayreuth, S 3 R 347/11, 17.01.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.01.2014 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Streitig ist die Aufhebung einer Ruhensanordnung.

In dem beim Sozialgericht (SG) Bayreuth unter dem Az. S 3 R 347/11 anhängigen Klageverfahren erging in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.12.2013 der Beschluss, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Die Beklagte erhalte Gelegenheit zur Klärung der Frage, wann bei der Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig erfüllt waren.

Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 15.01.2014 auf die Notwendigkeit, ein Kontenklärungsverfahren durchzuführen. Dieses Schreiben ist beim Sozialgericht am 16.01.2014 eingegangen.

Am 17.01.2014 hat das Sozialgericht wie folgt ohne Begründung durch Beschluss entschieden: Das Ruhen des Verfahrens wird angeordnet bis zur Klärung der rechtlich vorgreiflichen Frage, ob und wann die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 114 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Hiergegen hat die Beklagte am 07.02.2014 Beschwerde erhoben. Sie beantragt, den Beschluss vom 17.01.2014 aufzuheben oder insoweit abzuändern, als das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Kontenklärungsverfahrens angeordnet wird.

Die Klägerin schließt sich dem Antrag der Beklagten an, das sozialgerichtliche Verfahren bis zum Abschluss des Kontenklärungsverfahrens ruhen zu lassen.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichtsaktenakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.

Die Beschwerde ist bereits wegen fehlendem Rechtsschutzinteresse unstatthaft. Die Beklagte kann ihr Fortsetzungsbegehren durch einen Antrag auf Aufnahme des durch den angefochtenen Beschluss ruhend gestellten Verfahrens beim Sozialgericht nach § 202 SGG i.V.m. §§ 251, 250 Zivilprozessordnung (ZPO) verfolgen. Ein (Haupt-) Beteiligter kann nämlich jederzeit durch diesen einseitigen Antrag die Fortsetzung ruhend gestellter Verfahren beantragen. Das Sozialgericht hat über diesen Antrag durch rechtsbehelfsfähigen Beschluss zu befinden (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21.06.2012 - L 6 AS 940/12 B - juris, mwN)

Der Senat weist darauf hin, dass bei Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens dem Sozialgericht nur die Entscheidungsmöglichkeit bleibt, den Beschluss vom 17.01.2014 aufzuheben. Denn der Beschluss ist ohne Zweifel rechtswidrig, da das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens ohne Zustimmung der Beteiligten angeordnet hatte. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 251 S 1 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen. Ein Antrag des Klägers und des Beklagten ist notwendig; ohne Einverständnis beider Hauptbeteiligter kann das Gericht das Ruhen nicht anordnen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., Vor § 114 Rz 4; BSG Beschluss vom 08.09.1976 - 11 RK 10/76 - SozR 1750 § 251 Nr 1).

Eine inhaltliche Abänderung der beanstandeten Ruhensentscheidung kann durch das Beschwerdegericht nicht erfolgen. Zwar haben die Beteiligten nunmehr im Beschwerdeverfahren ihr Einverständnis zum Ruhen des Klageverfahrens nach bestimmter Maßgabe erteilt. Die Prozesserklärungen können jedoch nicht nachträglich abgegeben werden. Auch ist die Beschwerde bereits unstatthaft, so dass nicht zu prüfen ist, ob die Rechtswidrigkeit der Ruhensanordnung durch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Sache geheilt werden kann.

Abschließend ist noch auszuführen, dass der angefochtene Beschluss nicht als Aussetzungsbeschluss zu verstehen ist. Es wurde ausdrücklich das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Eine Begründung des Beschlusses fehlt (§ 142 Abs 2 S 1 SGG), so dass nicht auf eine gewollte Aussetzung geschlossen werden kann. Im Übrigen wären bei einer Aussetzung des Verfahrens zumindest die vorherige Anhörung der Beteiligten und eine erkennbare Ermessensausübung zu fordern.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da es sich es sich vorliegend um eine Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung in einem anhängigen Rechtsstreit handelt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 15. Apr. 2014 - L 20 R 259/14 B

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 15. Apr. 2014 - L 20 R 259/14 B

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 15. Apr. 2014 - L 20 R 259/14 B zitiert 8 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 142


(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 251 Ruhen des Verfahrens


Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf d

Zivilprozessordnung - ZPO | § 250 Form von Aufnahme und Anzeige


Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 15. Apr. 2014 - L 20 R 259/14 B zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 15. Apr. 2014 - L 20 R 259/14 B.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 30. März 2017 - L 19 R 1118/14

bei uns veröffentlicht am 30.03.2017

Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 08.12.2014 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbesta

Sozialgericht Bayreuth Gerichtsbescheid, 08. Dez. 2014 - S 3 R 347/11

bei uns veröffentlicht am 08.12.2014

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites sind nicht zu erstatten. Tatbestand Die Beteiligten streiten erneut um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss, 30. Dez. 2015 - L 3 AS 341/15 B

bei uns veröffentlicht am 30.12.2015

Tenor Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 4. November 2015 wird als unzulässig verworfen. Gründe I. 1 In dem bei dem Sozialgericht Itzehoe unter dem Az. S 2 AS 692/15 geführten Klageverfahren streit

Referenzen

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.

Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.