Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss, 30. Dez. 2015 - L 3 AS 341/15 B

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2015:1230.L3AS341.15B.0A
bei uns veröffentlicht am30.12.2015

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 4. November 2015 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

In dem bei dem Sozialgericht Itzehoe unter dem Az. S 2 AS 692/15 geführten Klageverfahren streiten die Beteiligten um Kosten der Unterkunft und Heizung im Leistungszeitraum Mai bis Oktober 2015. Dabei geht es vorrangig um die Übernahme des Betriebsstroms für den Betrieb der Heizungsanlage in dem Haus der Kläger. Mit Schriftsatz vom 9. September 2015 wies der Prozessbevollmächtigte der Kläger darauf hin, dass die maßgebende Rechtsfrage derzeit Gegenstand eines Revisionsverfahrens vor dem Bundessozialgericht (BSG) sei, so dass es ggf. sinnvoll sei, die grundsätzliche Klärung durch das BSG abzuwarten. Eine Ruhendstellung erscheine im Hinblick auf die Verfahrenslaufzeiten des Sozialgerichts nicht erforderlich. Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2015 die Ruhendstellung des Verfahrens beantragt hatte, führte der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 aus, dass es – aus bestimmten Gründen – in der Tat sachdienlich erscheine, das Verfahren ruhend zu stellen. Bevor jedoch eine abschließende Äußerung zur Ruhendstellung erfolge, werde um Entscheidung über den gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) gebeten.

2

Mit Beschluss vom 4. November 2015 hat das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet und ausgeführt, dass diese Anordnung auf Antrag der Beteiligten erfolge. Gegen den Ruhensbeschluss richtet sich die am 12. November 2015 eingegangene Beschwerde, mit der unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 ausgeführt wird, eine klägerseitige Zustimmung zur Ruhensanordnung liege – noch – nicht vor. Eine Zustimmung sei lediglich für den Fall der gerichtlichen Entscheidung über den PKH-Antrag in Aussicht gestellt worden. Der Beklagte tritt der Beschwerde entgegen und verweist darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Ruhendstellung sehr wohl als sachdienlich bezeichnet habe. Eine Verknüpfung der Zustimmung mit einer Entscheidung über den PKH-Antrag sei nicht zulässig.

II.

3

Die Beschwerde der Kläger gegen die Ruhensanordnung des Sozialgerichts vom 4. November 2015 ist unzulässig. Zwar ist die Beschwerde gegen einen das Ruhen des Verfahrens anordnenden Beschluss des Sozialgerichts nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Grundsatz statthaft. In Fällen wie dem vorliegenden fehlt indessen das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung. Denn ein (Haupt-) Beteiligter kann jederzeit durch einseitigen Antrag die Fortsetzung ruhend gestellter Verfahren beantragen (§ 202 SGG i.V.m. §§ 250, 251 Zivilprozessordnung). Einer Aufhebung der Ruhensanordnung im Rechtsmittelverfahren bedarf es insoweit nicht (so auch Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 15. April 2014, L 20 R 259/14 B; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juni 2012, L 6 AS 940/12 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2011, L 6 VK 3403/11 B, jeweils zitiert nach juris).

4

Unabhängig von Vorstehendem weist der Senat darauf hin, dass er den Beschluss vom 4. November 2015 für rechtswidrig hält, weil das für eine Ruhensanordnung erforderliche Einverständnis beider Beteiligter (vgl. dazu allg. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., Vor § 114 Rz 4 m.w.N.) hier nicht vorgelegen hat. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 ausdrücklich (noch) keine abschließende Erklärung zur Ruhendstellung abgegeben, sondern zunächst um Bescheidung des PKH-Antrags gebeten. Warum dies – wie der Beklagte meint – unzulässig sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht.

5

Zu einer Kostenentscheidung sieht der Senat keinen Anlass, weil es hier um die Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung in einem anhängigen Rechtsstreit geht. Ein selbständiger Verfahrensabschnitt liegt insoweit nicht vor (vgl. allg. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).

6

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Zivilprozessordnung - ZPO | § 251 Ruhen des Verfahrens


Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf d

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Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes.

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Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 15. Apr. 2014 - L 20 R 259/14 B

bei uns veröffentlicht am 15.04.2014

Tenor Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.01.2014 wird als unzulässig verworfen. Gründe I. Streitig ist die Aufhebung einer Ruhensanordnung. In dem beim Sozialgeric

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes.

Das Gericht hat das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Anordnung hat auf den Lauf der im § 233 bezeichneten Fristen keinen Einfluss.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.01.2014 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Streitig ist die Aufhebung einer Ruhensanordnung.

In dem beim Sozialgericht (SG) Bayreuth unter dem Az. S 3 R 347/11 anhängigen Klageverfahren erging in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.12.2013 der Beschluss, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Die Beklagte erhalte Gelegenheit zur Klärung der Frage, wann bei der Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig erfüllt waren.

Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 15.01.2014 auf die Notwendigkeit, ein Kontenklärungsverfahren durchzuführen. Dieses Schreiben ist beim Sozialgericht am 16.01.2014 eingegangen.

Am 17.01.2014 hat das Sozialgericht wie folgt ohne Begründung durch Beschluss entschieden: Das Ruhen des Verfahrens wird angeordnet bis zur Klärung der rechtlich vorgreiflichen Frage, ob und wann die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 114 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Hiergegen hat die Beklagte am 07.02.2014 Beschwerde erhoben. Sie beantragt, den Beschluss vom 17.01.2014 aufzuheben oder insoweit abzuändern, als das Ruhen des Verfahrens bis zum Abschluss des Kontenklärungsverfahrens angeordnet wird.

Die Klägerin schließt sich dem Antrag der Beklagten an, das sozialgerichtliche Verfahren bis zum Abschluss des Kontenklärungsverfahrens ruhen zu lassen.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichtsaktenakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.

Die Beschwerde ist bereits wegen fehlendem Rechtsschutzinteresse unstatthaft. Die Beklagte kann ihr Fortsetzungsbegehren durch einen Antrag auf Aufnahme des durch den angefochtenen Beschluss ruhend gestellten Verfahrens beim Sozialgericht nach § 202 SGG i.V.m. §§ 251, 250 Zivilprozessordnung (ZPO) verfolgen. Ein (Haupt-) Beteiligter kann nämlich jederzeit durch diesen einseitigen Antrag die Fortsetzung ruhend gestellter Verfahren beantragen. Das Sozialgericht hat über diesen Antrag durch rechtsbehelfsfähigen Beschluss zu befinden (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 21.06.2012 - L 6 AS 940/12 B - juris, mwN)

Der Senat weist darauf hin, dass bei Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens dem Sozialgericht nur die Entscheidungsmöglichkeit bleibt, den Beschluss vom 17.01.2014 aufzuheben. Denn der Beschluss ist ohne Zweifel rechtswidrig, da das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens ohne Zustimmung der Beteiligten angeordnet hatte. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 251 S 1 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen. Ein Antrag des Klägers und des Beklagten ist notwendig; ohne Einverständnis beider Hauptbeteiligter kann das Gericht das Ruhen nicht anordnen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., Vor § 114 Rz 4; BSG Beschluss vom 08.09.1976 - 11 RK 10/76 - SozR 1750 § 251 Nr 1).

Eine inhaltliche Abänderung der beanstandeten Ruhensentscheidung kann durch das Beschwerdegericht nicht erfolgen. Zwar haben die Beteiligten nunmehr im Beschwerdeverfahren ihr Einverständnis zum Ruhen des Klageverfahrens nach bestimmter Maßgabe erteilt. Die Prozesserklärungen können jedoch nicht nachträglich abgegeben werden. Auch ist die Beschwerde bereits unstatthaft, so dass nicht zu prüfen ist, ob die Rechtswidrigkeit der Ruhensanordnung durch eine Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Sache geheilt werden kann.

Abschließend ist noch auszuführen, dass der angefochtene Beschluss nicht als Aussetzungsbeschluss zu verstehen ist. Es wurde ausdrücklich das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Eine Begründung des Beschlusses fehlt (§ 142 Abs 2 S 1 SGG), so dass nicht auf eine gewollte Aussetzung geschlossen werden kann. Im Übrigen wären bei einer Aussetzung des Verfahrens zumindest die vorherige Anhörung der Beteiligten und eine erkennbare Ermessensausübung zu fordern.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da es sich es sich vorliegend um eine Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung in einem anhängigen Rechtsstreit handelt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.