Bundesarbeitsgericht Urteil, 28. Sept. 2016 - 5 AZR 188/16

ECLI:ECLI:DE:BAG:2016:280916.U.5AZR188.16.0
bei uns veröffentlicht am28.09.2016

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Februar 2016 - 2 Sa 2002/15 - wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits I. Instanz haben die Klägerin 78 % und die Beklagte 22 % zu tragen, von denen des Berufungsverfahrens und der Revision die Klägerin 66 % und die Beklagte 34 %.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen und eines tariflichen Mindestlohnanspruchs durch Sonderzahlungen und die Auswirkungen des Mindestlohns auf arbeitsvertraglich vereinbarte Entgeltbestandteile.

2

Die Klägerin ist seit 2011 als Reinigungskraft bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zunächst mit einer Arbeitszeit von 30 Stunden und seit November 2015 von 40 Stunden wöchentlich beschäftigt.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag regelt - inhaltsgleich mit weiteren Arbeitsverträgen der Arbeitnehmer der Beklagten - ua.:

        

㤠3 Lohn; Gehalt

        
        

a)    

Die Arbeitnehmerin erhält einen Monatslohn von 760,90 €. Der Lohn wird jeweils am 10. des Monats für den Vormonat … gezahlt. …

                 
        

b)    

... Die über die regelmäßige monatliche betriebsübliche Arbeitszeit hinaus angeordnete und geleistete Arbeit wird mit dem vereinbarten Stundensatz zuzüglich des nachstehenden Zuschlages berechnet. …

                 
                 

Überstundenzuschlag:

25 %   

                 
                 

…       

                          
        

c)    

Für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen wird ein Zuschlag in nachstehender in Höhe des vereinbarten Stundenlohnes gezahlt. …

                 
                 

Sonntagszuschlag:

30 %   

                 
                 

Feiertagszuschlag:

100 % 

                 
        

d)    

Für die Arbeit in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr (Nachtarbeit) erhält der Arbeitnehmer … einen Zuschlag in nachstehender in Höhe des vereinbarten Stundenlohnes.

                 
                 

Nachtzuschlag:

10 %   

                 
        

…       

        
        

§ 4 Urlaubsgeld, Zuwendung

        
        

Hat das Arbeitsverhältnis seit Beginn des laufenden Kalenderjahres bestanden, erhält der Arbeitnehmer … zur Lohnzahlung Mai ein zusätzliches Urlaubsgeld des im Fälligkeitsmonat vereinbarten Entgelts entsprechend §3 des Arbeitsvertrages und mit der Gehaltszahlung im Monat November ein Weihnachtsgeld des zu diesem Zeitpunkt vereinbarten Lohns/ Gehalts als Sonderzuwendung in nachstehender Höhe.

        
        

Urlaubsgeld:

50 %   

        

Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld):

50 %   

        

Beginnt oder endet das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr oder hat der Arbeitnehmer … nicht während des gesamten Jahres Bezüge von der Einrichtung erhalten, vermindert sich das zusätzliche Urlaubsgeld sowie die Sonderzuwendung um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem kein Arbeitsverhältnis bestanden oder für den keine Bezüge beansprucht wurden. Eventuell zuviel gezahltes Urlaubsgeld und / oder Sonderzuwendung sind zurückzuzahlen.“

        
4

Die Parteien unterzeichneten einen Änderungsvertrag vom 21. Dezember 2014, dessen Wirksamkeit nicht mehr im Streit steht. Dieser bestimmt ua.:

        

„§ 1 Vergütungserhöhung

        

Die Grundvergütung … wird mit Wirkung ab 01.01.2015 um 2% erhöht.

        

§ 2 Sonderzahlungen Urlaubsgeld/Weihnachtsgeld

        

Alle bisherigen vertraglichen Vereinbarungen über Sonderzahlungen ‚Urlaubsgeld und/oder Weihnachtsgeld‘ werden vollständig aufgehoben und durch nachfolgende Regelungen ersetzt:

        

Der Mitarbeiter erhält als Jahressonderzahlung ein 13. Gehalt in Höhe der für den Monat Dezember des Vorjahres vereinbarten Grundvergütung … ohne jegliche Zulagen und Zuschläge, ... Dieses 13. Gehalt wird in Höhe von 1/12 für jeden Kalendermonat zur betriebsüblichen Fälligkeit der Vergütung gezahlt. Der Anspruch in Höhe von 1/12 entfällt jeweils für den Kalendermonat, in dem keinerlei Anspruch auf Grundvergütung besteht.

        

…       

        

§ 4 Schlussbestimmungen

        

Der Änderungsvertrag gilt ab 01.01.2015. Alle weiteren bisherigen Vereinbarungen gelten unverändert fort.

        

…“    

5

Der allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 8. Juli 2014, gültig vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2015, (im Folgenden TV Mindestlohn) bestimmt ua.:

        

㤠1

                 

...     

        

2.    

Betrieblicher Geltungsbereich

                 

Betriebe, die unter den betrieblichen Geltungsbereich des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (RTV Gebäudereinigung) in der jeweils geltenden Fassung (Anhang 1)) fallen.

        

3.    

Persönlicher Geltungsbereich

                 

Gewerbliche Arbeitnehmer …

        

§ 2

        
        

Mindestlöhne

        
        

1.    

Die Mindestlöhne betragen ab 1. Januar 2015

                          

Lohngruppe 1

…       

                 

…       

                 
                 

Brandenburg, …

8,50 €

…       

        

2.    

Zu den Lohngruppen 1 … gehören folgende Tätigkeiten:

                 

Lohngruppe 1

                 

Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten, …

        

…       

        
                 

§ 3

                 

Geringfügig Beschäftigte der Lohngruppe 1 - Mindestlohn

        

1.    

Bei geringfügig Beschäftigten (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 SGB IV) der Lohngruppe 1 … kann … ein verstetigter Monatslohn gezahlt werden. …

        

2.    

Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, zusätzliches Urlaubsgeld, … sowie sonstige von der geleisteten Arbeitszeit unabhängige … Ansprüche sind gesondert zu vergüten …

        

…       

        
        

Anhang

        

Auszug aus dem Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung … (RTV Gebäudereinigung) …

        

§ 1

        

Geltungsbereich

        

II. Betrieblich

        

Alle Betriebe, die folgende, der Gebäudereinigung zuzurechnenden Tätigkeiten ausüben:

                 

…       

                 

2.    

Reinigung, …

                 

…       

        

Die Betriebe fallen, soweit von ihnen oder in ihnen Gebäudereinigungsleistungen überwiegend erbracht werden, als Ganzes unter diesen Tarifvertrag. Betriebe im Sinne dieses Tarifvertrags sind auch selbstständige Betriebsabteilungen.

        

…“    

6

Letztlich zahlte die Beklagte der Klägerin von Januar bis Oktober 2015 neben dem Bruttogehalt iHv. 1.043,52 Euro monatlich weitere jeweils 43,48 Euro brutto, die sie mit „Urlaubsgeld 1/12“ und „Sonderzuwendung 1/12“ abrechnete, insgesamt 1.130,48 Euro brutto. Nach Erhöhung der Arbeitszeit zahlte die Beklagte im November 2015 ein Bruttogehalt von 1.391,36 Euro sowie Sonderzahlungen iHv. jeweils 57,97 Euro brutto. Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen legte die Beklagte den vertraglichen Bruttostundenlohn iHv. 8,00 Euro zugrunde. Im Mai bis Juli und Oktober 2015 angefallene Überstunden vergütete die Beklagte ebenfalls auf der Basis von 8,00 Euro brutto/Stunde.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin Zahlungs- und Feststellungsklage erhoben. Sie fordert weitere Vergütung für den Zeitraum von Januar bis November 2015.

8

Die Klägerin meint, die Beklagte zahle den gesetzlichen Mindestlohn nicht in voller Höhe. Bei durchschnittlich 130 Stunden bzw. ab November 173,33 Stunden im Monat müsse das Bruttomonatsgehalt 1.105,00 Euro bzw. 1.473,33 Euro betragen. Die Jahressonderzahlungen seien nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn anrechenbar. Alle Entgeltbestandteile seien auf der Grundlage des Mindestlohns von 8,50 Euro/Stunde zu berechnen. Sämtliche Ansprüche ergäben sich auch aus dem TV Mindestlohn, der auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbar sei.

9

Die Klägerin hat - soweit für die Revision relevant - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 733,58 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

2.    

festzustellen, dass die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte von 1/12 Urlaubsgeld iHv. 43,48 Euro brutto und 1/12 Sonderzuwendung iHv. 43,48 Euro brutto durch Entgeltabrechnung für den jeweiligen Kalendermonat seit Januar bis Oktober 2015 und von 1/12 Urlaubsgeld iHv. 57,97 Euro brutto und 1/12 Sonderzuwendung iHv. 57,97 Euro brutto seit November 2015 unwirksam ist,

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Urlaubsgeld iHv. 552,50 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 550,74 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen,

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Weihnachtsgeld iHv. 552,50 Euro brutto abzüglich bereits gezahlter 550,74 Euro brutto zuzüglich Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn sei erfüllt. Zuschläge und Sonderzahlungen würden durch die gesetzliche Mindestlohnregelung nicht berührt.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Wesentlichen zurückgewiesen und ihr (rechtskräftig) nur Nachtarbeitszuschläge iHv. 7,98 Euro brutto zugesprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge im Übrigen weiter. In der Revisionsinstanz haben die Parteien einen Teilvergleich über die Zahlung der im Änderungsvertrag geregelten Lohnerhöhung geschlossen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zu Recht im Wesentlichen zurückgewiesen. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn ist erfüllt. Das Mindestlohngesetz hat die arbeitsvertraglich vereinbarten Entgeltbestandteile nicht erhöht. Die Anwendbarkeit des TV Mindestlohn ist nicht dargelegt.

13

I. Die Klage ist in den Zahlungsanträgen zulässig. Dagegen ist der Feststellungsantrag unzulässig.

14

1. Die Zahlungsanträge sind zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie sind auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von elf Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 - 5 AZR 626/13 - Rn. 12).

15

2. Der Feststellungsantrag ist unzulässig.

16

Die von der Klägerin begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Abrechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds betrifft kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO(zu den Anforderungen vgl. BAG 24. Februar 2016 - 7 ABR 23/14 - Rn. 12 mwN). Zwar sind die Gerichte gehalten, Anträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird (BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 12 mwN). Doch scheitert jede Auslegung - etwa dahingehend, die Fälligkeit der Jahressonderzahlungen solle geklärt werden - am Wortlaut des Antrags.

17

II. Die Zahlungsanträge sind unbegründet.

18

1. Die Klagebegründung ist bereits unschlüssig, weil die Klägerin ihre Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand eines monatlichen Stundendurchschnitts begründet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 19). Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags der Klägerin hinzuwirken, weil die Zahlungsanträge in jedem Fall unbegründet sind.

19

2. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.

20

a) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch der Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit jedenfalls durch allmonatliche Zahlung des Bruttogehalts und eines Zwölftels der Jahressonderzahlungen erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

21

aa) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt(BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 22 mwN). § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch. Dabei scheiden längere Berechnungszeiträume als ein Kalendermonat für die Frage, ob ein Anspruch auf Differenzvergütung entstanden ist, aus (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 25 mwN).

22

Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn haben alle Arbeitnehmer, auch wenn ihre durch Arbeits- oder Tarifvertrag geregelte Vergütung über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 23 mwN).

23

bb) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 26).

24

Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn ein mit Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt(vgl. zur Auslegung des Begriffs Mindestlohn BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 28 ff.).

25

Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers fehlt nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung (zB § 6 Abs. 5 ArbZG) beruhen (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 32).

26

b) Danach sind die Mindestlohnansprüche der Klägerin in den Kalendermonaten Januar bis November 2015 erfüllt. Denn neben dem monatlichen Bruttogehalt kommt auch den vorbehaltlos und unwiderruflich in jedem Kalendermonat zu 1/12 geleisteten Jahressonderzahlungen Erfüllungswirkung zu. Sie sind eine im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis stehende Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit. Denn nach § 2 Änderungsvertrag mindern sie sich um jeweils ein Zwölftel für Kalendermonate ohne Entgeltanspruch. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegen die Jahressonderzahlungen nicht.

27

3. Auf § 2 Nr. 1 TV Mindestlohn kann die Klägerin den von ihr geltend gemachten Lohnanspruch nicht stützen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Klägerin sei ihrer Darlegungslast zur Anwendbarkeit der tariflichen Regelungen nicht nachgekommen.

28

a) Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht verletze § 286 ZPO, indem es den Anspruch aus dem TV Mindestlohn „unberücksichtigt“ lasse, ist sachlich nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht setzt sich in den Entscheidungsgründen mit der streitigen Frage der Anwendbarkeit des Tarifvertrags auseinander.

29

b) Eine Tarifgebundenheit nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG scheidet aus. Die Parteien sind unstreitig keine tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien des TV Mindestlohn iSv. § 3 Abs. 1 TVG.

30

c) Zwar ist der TV Mindestlohn im hier streitgegenständlichen Zeitraum für allgemeinverbindlich erklärt, womit gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 TVG seine Rechtsnormen auch bisher nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfassen. Doch ist die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungslast zur Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs nicht nachgekommen.

31

Die Würdigung des Parteivortrags durch das Landesarbeitsgericht begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Würdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Revisionsrechtlich ist diese Würdigung allein daraufhin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht Denk- und Erfahrungsgrundsätze verletzt wurden (vgl. BAG 16. Juli 2015 - 2 AZR 85/15 - Rn. 35 mwN).

32

Danach kann eine Verletzung von § 286 ZPO nicht festgestellt werden. Das Landesarbeitsgericht durfte auf die bloße Behauptung der Klägerin, der Betrieb der Beklagten erbringe überwiegend Gebäudereinigungsdienstleistungen, und dem substantiierten Bestreiten der Beklagten, von mangelnder Darlegung der Klägerin ausgehen.

33

4. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erhöhte Jahressonderzahlungen. Diese sind nicht auf Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen.

34

Nach § 2 Änderungsvertrag bemisst sich die Jahressonderzahlung nach der vereinbarten Grundvergütung des Monats Dezember des Vorjahres ohne Zulagen und Zuschläge. Die Berechnung richtet sich daher nach der in § 3 Arbeitsvertrag bestimmten Vergütung. Der Wortlaut der Vereinbarung lässt keinen anderen Schluss zu. Das Mindestlohngesetz hat daran nichts geändert. Eine bestimmte Höhe von Sonderzahlungen sieht das Mindestlohngesetz nicht vor (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 34).

35

Der vertraglichen Regelung stehen zwingende Tarifnormen iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG nicht entgegen. Die Erfüllung eines (tariflichen) Mindestlohnanspruchs durch Sonderzahlungen ist jedenfalls nicht nach § 3 Nr. 2 TV Mindestlohn ausgeschlossen. Die Regelung gilt nach ihrer Überschrift für „Geringfügig Beschäftigte der Lohngruppe 1“. Damit sind nach § 3 Nr. 1 TV Mindestlohn Beschäftigte iSd. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV gemeint, zu denen die Klägerin unstreitig nicht gehört.

36

5. Die Klägerin kann einen Anspruch auf erhöhte Jahressonderzahlungen auch nicht auf § 2 Nr. 1 TV Mindestlohn stützen.

37

Die Klägerin hat die Anwendbarkeit der tariflichen Regelungen nicht dargelegt. Überdies enthält der Tarifvertrag ebenso wenig wie das Mindestlohngesetz Regelungen zur Höhe von Sonderzahlungen.

38

6. Die Klägerin kann keine höheren als die arbeitsvertraglich vereinbarten Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit verlangen.

39

a) Die Zuschläge sind nicht auf der Grundlage der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten 8,50 Euro, sondern des vertraglich vereinbarten Bruttostundenentgelts zu berechnen.

40

Die Zuschlagspflicht für Arbeit an Sonn- und Feiertagen folgt allein aus § 3 Buchst. c Arbeitsvertrag iVm. § 4 Satz 2 Änderungsvertrag. Die Regelung knüpft an den „vereinbarten Stundenlohn“ an. Damit bezieht sie sich auf eine arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung. Der Wortlaut lässt nur diesen Schluss zu, auch wenn in § 3 Buchst. a Arbeitsvertrag kein Stunden-, sondern ein Monatslohn genannt wird. Jedenfalls soll die Berechnungsgrundlage der Zuschläge einer zwischen den Parteien vereinbarten Vergütung folgen. Daran hat das Mindestlohngesetz nichts geändert (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16 - Rn. 36).

41

b) Mangels Darlegung der Anwendbarkeit kann die Klägerin einen Anspruch auf erhöhte Zuschläge nicht auf § 2 Nr. 1 TV Mindestlohn stützen.

42

7. Die Klägerin hat aufgrund des Mindestlohngesetzes keinen Anspruch auf weitere Überstundenvergütungen.

43

In den Monaten mit Überstundenleistung hat die Beklagte den Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn durch Zahlung des Bruttomonatsgehalts, der in Zwölfteln geleisteten Jahressonderzahlungen und der jeweiligen Überstundenvergütung iHv. 8,00 Euro brutto/Stunde erfüllt.

44

Im Mai und Juni 2015 leistete die Klägerin jeweils zehn Überstunden, für die sie neben der Vergütung je weitere 80,00 Euro brutto, mithin jeweils 1.210,48 Euro brutto erhalten hat. Im Juli 2015 erbrachte die Klägerin sechseinhalb Überstunden, für die die Beklagte neben der Vergütung weitere 52,00 Euro brutto, mithin 1.182,48 Euro brutto geleistet hat. Im Oktober 2015 erbrachte die Klägerin zehn Überstunden, für die sie neben der Vergütung weitere 80,00 Euro brutto, mithin 1.210,48 Euro brutto erhalten hat. Die Klägerin hat in keinem der Fälle vorgetragen, sie habe über die damit jedenfalls in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns abgegoltenen 142,41 bzw. 139,12 Arbeitsstunden im Monat weitere Arbeit erbracht.

45

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Volk    

        

        

        

    Buschmann    

        

    Feldmeier    

                 

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(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sind verpflichtet, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Absatz 2 spätestens zu dem in § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Zeitpunkt zu zahlen.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.

(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.

(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.

(1) Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen.

(2) Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Für Zeiträume, in denen Nachtarbeitnehmer im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 2 nicht zur Nachtarbeit herangezogen werden, findet § 3 Satz 2 Anwendung.

(3) Nachtarbeitnehmer sind berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres steht Nachtarbeitnehmern dieses Recht in Zeitabständen von einem Jahr zu. Die Kosten der Untersuchungen hat der Arbeitgeber zu tragen, sofern er die Untersuchungen den Nachtarbeitnehmern nicht kostenlos durch einen Betriebsarzt oder einen überbetrieblichen Dienst von Betriebsärzten anbietet.

(4) Der Arbeitgeber hat den Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz umzusetzen, wenn

a)
nach arbeitsmedizinischer Feststellung die weitere Verrichtung von Nachtarbeit den Arbeitnehmer in seiner Gesundheit gefährdet oder
b)
im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht von einer anderen im Haushalt lebenden Person betreut werden kann, oder
c)
der Arbeitnehmer einen schwerpflegebedürftigen Angehörigen zu versorgen hat, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann,
sofern dem nicht dringende betriebliche Erfordernisse entgegenstehen. Stehen der Umsetzung des Nachtarbeitnehmers auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz nach Auffassung des Arbeitgebers dringende betriebliche Erfordernisse entgegen, so ist der Betriebs- oder Personalrat zu hören. Der Betriebs- oder Personalrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für eine Umsetzung unterbreiten.

(5) Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren.

(6) Es ist sicherzustellen, daß Nachtarbeitnehmer den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen haben wie die übrigen Arbeitnehmer.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.

(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.

(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.

(1) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Allgemeinverbindlicherklärung erscheint in der Regel im öffentlichen Interesse geboten, wenn

1.
der Tarifvertrag in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder
2.
die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine Allgemeinverbindlicherklärung verlangt.

(1a) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann einen Tarifvertrag über eine gemeinsame Einrichtung zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklären, wenn der Tarifvertrag die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch eine gemeinsame Einrichtung mit folgenden Gegenständen regelt:

1.
den Erholungsurlaub, ein Urlaubsgeld oder ein zusätzliches Urlaubsgeld,
2.
eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
3.
die Vergütung der Auszubildenden oder die Ausbildung in überbetrieblichen Bildungsstätten,
4.
eine zusätzliche betriebliche oder überbetriebliche Vermögensbildung der Arbeitnehmer,
5.
Lohnausgleich bei Arbeitszeitausfall, Arbeitszeitverkürzung oder Arbeitszeitverlängerung.
Der Tarifvertrag kann alle mit dem Beitragseinzug und der Leistungsgewährung in Zusammenhang stehenden Rechte und Pflichten einschließlich der dem Verfahren zugrunde liegenden Ansprüche der Arbeitnehmer und Pflichten der Arbeitgeber regeln. § 7 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes findet entsprechende Anwendung.

(2) Vor der Entscheidung über den Antrag ist Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von der Allgemeinverbindlicherklärung betroffen werden würden, den am Ausgang des Verfahrens interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben. In begründeten Fällen kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Teilnahme an der Verhandlung mittels Video- oder Telefonkonferenz vorsehen.

(3) Erhebt die oberste Arbeitsbehörde eines beteiligten Landes Einspruch gegen die beantragte Allgemeinverbindlicherklärung, so kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales dem Antrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung stattgeben.

(4) Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ein nach Absatz 1a für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag ist vom Arbeitgeber auch dann einzuhalten, wenn er nach § 3 an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist.

(5) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags im Einvernehmen mit dem in Absatz 1 genannten Ausschuß aufheben, wenn die Aufhebung im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. Im übrigen endet die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags mit dessen Ablauf.

(6) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann der obersten Arbeitsbehörde eines Landes für einzelne Fälle das Recht zur Allgemeinverbindlicherklärung sowie zur Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit übertragen.

(7) Die Allgemeinverbindlicherklärung und die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit bedürfen der öffentlichen Bekanntmachung. Die Bekanntmachung umfasst auch die von der Allgemeinverbindlicherklärung erfassten Rechtsnormen des Tarifvertrages.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Oktober 2022 brutto 12 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.