Arbeitsgericht Herne Urteil, 27. Jan. 2015 - 3 Ca 2173/14
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Der Streitwert wird auf 22.779,00 € festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Berechnung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld nach einem Gesamtsozialplan.
3Der Kläger wurde am 01. September 1977 auf der damaligen Schachtanlage T angelegt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Rheinisch/Westfälischen Steinkohlebergbaus Anwendung. Zuletzt war der Kläger als Aufsichtshauer auf der Schachtanlage B tätig.
4Die Beklagte ist ein Bergbauunternehmen. Aufgrund berufsgenossenschaftlicher Vorgaben ist sie verpflichtet, auf ihren Bergwerken eine Grubenwehr vorzuhalten. Die Organisation der Grubenwehr ist bei der Beklagten durch den Plan für das Grubenrettungswesen der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen I geregelt. Der Kläger war bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Mitglied der Grubenwehr.
5Unter dem 25. Juni 2003 vereinbarten die Beklagte und der gesamte Betriebsrat der E AG einen Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm der E AG. Dieser Sozialplan sah vor, dass Arbeitnehmer, die aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und Anspruch auf die Gewährung von Anpassungsgeld nach den jeweils gültigen Richtlinien über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des Steinkohle Bergbaus des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie haben, u.a. von der Beklagten einen Zuschuss zum Anpassungsgeld erhalten sollten, wenn das Anpassungsgeld ein Garantieeinkommen nicht erreicht. Das Garantieeinkommen wurde in § 2 Ziffer 7 Absatz 3 des Gesamtsozialplan wie folgt definiert:
6…
7(3) Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.
8Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das Entgelt der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsgrundvergütungen bleiben bei der Ermittlung außer Betracht. Weiterhin bleiben Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, bei der Ermittlung außer Betracht. Der so ermittelte Betrag wird durch die Anzahl der im 12-Monatszeitraum angefallenen Versicherungstage dividiert und mit dem Faktor 30 multipliziert.
9Bei der Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird das im Jahr des Ausscheidens jeweils gültige Weihnachtsgeld mit einem monatlichen Anteil von 1/12 berücksichtigt.
10…“
11Unter dem 02. Dezember 2010 vereinbarten die Beklagte und der Gesamtbetriebsrat eine Änderungsvereinbarung zum Gesamtsozialplan zum Anpassungsprogramm vom 25. Juni 2003. Hierin heißt es u.a. wörtlich:
12…
13- 1.14
§ 2 Ziffer 7 („Zuschuss zum Anpassungsgeld“) Absatz 3 des Gesamtsozialplans wird wie folgt neu gefasst:
„Das Garantieeinkommen beträgt 60 % des Brutto-Monatseinkommens, jedoch höchstens 60 % der im Zeitpunkt der Entlassung für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze.
16a) Für die Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird bei Arbeitern die während der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden bei regelmäßiger betrieblicher Arbeitszeit durchschnittlich verdiente Vergütung im Sinne des § 41 Absatz 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus zugrunde gelegt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsvergütungen bleiben dabei außer Betracht. In dem 12-Monatszeitraum erfolgte allgemeine Entwicklungen der Tariflöhne sowie individuelle Umgruppierungen werden entsprechend berücksichtigt. Der so berechnete Betrag wird mit 21,75 multipliziert und ergibt den Bruttomonatslohn.
17Zur Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens werden dem Bruttomonatslohn die während der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden durchschnittlich pro Monat verdienten sozialversicherungspflichtigen Mehrarbeitszuschläge sowie das im Jahr des Ausscheidens gültige Weihnachtsgeld und die im Jahr des Ausscheidens gültige Treueprämie, jeweils mit einem monatlichen Anteil von ½ hinzugerechnet.
18b) Bei Angestellten wird das Brutto-Monatseinkommen auf der Grundlage der während der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden bei regelmäßiger betrieblicher Arbeitszeit durchschnittlich verdienten Vergütung im Sinne des § 41 Absatz 1 Satz 1 des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus ermittelt. Einmalzahlungen und Mehrarbeitsvergütungen bleiben dabei außer Betracht. In dem 12-Monatszeitraum erfolgte allgemeine Entwicklungen der Tarifgehälter, Stufensteigerungen sowie individuelle Umgruppierungen werden entsprechend berücksichtigt. Der so berechnete Betrag ergibt das Bruttomonatsgehalt.
19Zur Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens werden dem Bruttomonatsgehalt die während der letzten 12 abgerechneten Monate vor dem Ausscheiden durchschnittlich pro Monat verdienten sozialversicherungspflichtigen Mehrarbeitszuschläge sowie das im Jahr des Ausscheidens gültige Weihnachtsgeld und die im Jahr des Ausscheidens gültige Treueprämie, jeweils mit einem monatlichen Anteil von 1/12 hinzugerechnet.
20c) Bei außertariflichen Angestellten wird das Brutto-Monatseinkommen auf der Grundlage von 1/12 der individuellen arbeitsvertraglichen festen Bruttojahresbezüge vor dem Ausscheiden ermittelt. Die festen Bruttojahresbezüge errechnen sich aus dem Jahresfixeinkommen, ggfs. dem Besitzstand und sowie ggfs. dem Garantieeinkommen, jeweils ohne Einzahlungen, Zulagen und Aufwendungsersatz.
21Zur Ermittlung des Brutto-Monatseinkommens wird diesem so berechneten Betrag 1/12 der individuell vertraglich vereinbarten variablen Vergütung hinzugerechnet. Dabei wird der Gesamtzielerreichungsgrad des Vorjahres, mindestens jedoch 100 %, und ein Faktor von 1,0 zugrunde gelegt. Dieser Betrag wird auf 1/12 der im Zeitpunkt des Ausscheidens für Monatsbezüge in der knappschaftlichen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze begrenzt.“
22…
23Mit Schreiben vom 07. März 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31. März 2012. Ferner wies die Beklagte im Kündigungsschreiben darauf hin, dass sie dem Kläger betriebliche Leistungen nach Maßgabe des Gesamtsozialplanes zum Anpassungsprogramm der E AG in der jeweils gültigen Fassung zum Zeitpunkt des Ausscheidens gewähre.
24Nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bezieht der Kläger seit dem 01. April 2012 Anpassungsgeld. Zusätzlich zahlt die Beklagte an den Kläger einen Zuschuss zum Anpassungsgeld auf der Grundlage des Gesamtsozialplans zur sozialverträglich Beendigung des deutschen Steinkohlebergbaus zum 31.12.2018 vom 06.03.2012 in Höhe von 279,07 € brutto monatlich.
25Mit seiner am 20. Mai 2011 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Zahlung eines weiteren Zuschusses zum Anpassungsgeld.
26Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe bei der Berechnung des Zuschusses des Anpassungsgeldes ein zu geringes Garantieeinkommen zugrunde gelegt. Nach § 2 Ziffer 7 Absatz 3 des Gesamtsozialplans sei das gesamte vom Arbeitnehmer im Referenzzeitraum bezogene Entgelt bei der Berechnung des Garantieeinkommens zugrunde zu legen. Lediglich Mehrarbeitsvergütung, Einmalzahlungen und Lohn- und Gehaltsbestandteile, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen, dürften unberücksichtigt bleiben. Dieses gelte auch nach der Veränderungsvereinbarung zum Gesamtsozialplan vom 02. Dezember 2010 und nach Abschluss des neuen Gesamtsozialplans. Bei der Zuschussleistung zum Anpassungsgeld handele es sich um eine Versorgungsleistung der Beklagten. Eine Verschlechterung von Versorgungsleistungen sei nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die hier nicht gegeben seien. In jedem Falle habe die Beklagte bei der Berechnung des Garantieeinkommens die Lohnart 1015 Grubenwehr außerhalb zu berücksichtigen, da es sich hierbei um Arbeitsentgelt handele. Auch die Lohnart 1150 - Vergütung für entgangene Mehrarbeit Tarifurlaub – dürfe nicht unberücksichtigt bleiben.
27Der Kläger beantragt zuletzt,
28- 29
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 19.615,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 632,75 €, erstmals ab dem 1. Mai 2012, letztmals ab dem 01. November 2014, zu zahlen;
- 31
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm beginnend ab Dezember 2014 bis März 2017 über den Zuschuss zum Anpassungsgeld in Höhe von 279,02 € hinaus einen weiteren Zuschuss in Höhe von 632,75 € monatlich nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 632,75 €, erstmals ab dem 01.12.2014 und letztmals ab dem 01.05.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Sie ist der Ansicht, der Zuschuss zum Anpassungsgeld sei auf der Grundlage des Gesamtsozialplans zur sozialverträglichen Beendigung des deutschen Steinkohlebergbaus zum 31.12.2018 vom 06.03.2012 zu ermitteln, da der Kläger nach dem Inkrafttreten des neuen Gesamtsozialplans aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. In jedem Fall finde aber die Änderungsvereinbarung vom 02.12.2010 zum Gesamtsozialplan vom 25.06.2003 Anwendung, da diese am 01.01.2011 in Kraft getreten sei. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Schon aufgrund der klarstellenden Protokollnotiz vom 27. Mai 2010 habe er nicht ernsthaft davon ausgehen können, dass bei der Ermittlung des Garantieeinkommens Zulagen für Grubenwehrübungen außerhalb der Arbeitszeit berücksichtigt würden. Zudem habe der Kläger in dem Beratungsgespräch im März 2011 die mitgeteilten Daten beanstandungslos hingenommen und nicht moniert, dass sein ermitteltes Einkommen erheblich von seinem bisherigen abweiche. Der Kläger habe auch nach Zugang der Kündigung ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, den Sachverhalt noch überprüfen zu lassen und entsprechenden Rechtsrat einzuholen. Als er die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses akzeptiert habe, habe er nicht davon ausgehen können, dass die Vergütung für die Teilnahme an Grubenwehrübungen außerhalb der Arbeitszeit berücksichtigt würden.
35Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf die wechselseitigen schriftsätzlichen Ausführungen der Parteien einschließlich der Anlagen Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe:
37I.
38Die zulässige Klage ist unbegründet.
39Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Zuschusses zum Anpassungsgeld. Soweit der Kläger unstreitig einen Anspruch auf Leistungen erworben hat, werden diese durch die monatlichen Leistungen der Beklagten erfüllt. Ein darüber hinaus gehenden Anspruch hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger nicht schlüssig dargelegt.
401.
41Der an den Kläger zu zahlende Zuschuss zum Anpassungsgeld ist auf der Grundlage des Gesamtsozialplans vom 25. Juni 2003 in der Fassung der Änderungsvereinbarung vom 02. Dezember 2010 zu ermitteln. Durch die Änderungsvereinbarung vom 02. Dezember 2010 wurde § 2 Ziffer 7 des Gesamtsozialplans wirksam für Arbeitnehmer geändert, die ab dem 01. Januar 2011 aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten ausscheiden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf des 31. März 2012 beendet worden ist. Keiner abschließenden Erklärung bedarf hier die Frage, ob die Ansicht des Klägers zutreffend ist, dass zwischen Abkehr und Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu unterscheiden sei. Auch nach dem Vortrag des Klägers würden sowohl Abkehr als auch Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf den 31. März 2012 fallen.
42a)
43Die Änderungsvereinbarung vom 02. Dezember 2010 ist wirksam. Die Parteien eines Sozialplanes können die von ihnen getroffene Regelung wie auch bei anderen Betriebsvereinbarungen grundsätzlich jederzeit für die Zukunft abändern. Der neue Sozialplan kann auch Regelungen enthalten, die für die Arbeitnehmer ungünstiger sind. Im Verhältnis zweier gleichrangiger Normen gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, sondern die Zeitkollisionsregel (Ablöseprinzip). Danach geht die jüngere Norm der älteren vor (BAG, Urteil vom 23. Januar 2008 – 1 AZR 988/06 – EZA § 77 BetrVG 2001 Nr. 24; Urteil vom 02. Oktober 2007 – 1 AZR 815/06 – EZA § 77 BetrVG 2001 Nr. 20; LAG, Urteil vom 14. Februar 2013 – 11 SA 1439/12 – juris).
44Die ablösende Betriebsvereinbarung muss sich aber an die Grenzen von Recht und Billigkeit halten (§ 75 Absatz 1 BetrVG). Betriebsvereinbarungen unterliegen deshalb einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle.
45b)
46Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Billigkeitskontrolle nicht auf der Grundlage des vom Bundesarbeitsgericht für die Ablösung von Versorgungszusagen entwickelten Prüfungsschemas zu erfolgen (z.B. BAG, Urteil vom 12. Februar 2013 – 3 AZR 414/12 – juris). Die streitgegenständliche Zahlung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld ist keine Versorgungsleistung im Sinne des Betriebsrentengesetztes.
47Ob eine versprochene Leistung als betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 1 Absatz 1 BetrVG einzuordnen ist, richtet sich allein danach, ob die im Betriebsrentengesetz abschließend aufgezählten Voraussetzungen einer betrieblichen Altersversorgung erfüllt sind. Die Zusage muss einem Versorgungszweck dienen, die Leistungspflicht muss nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis (Alter, Invalidität oder Tod) ausgelöst werden und es muss sich um die Zusage eines Arbeitgebers aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses handeln (z.B. BAG, Urteil vom 14. Februar 2012 – 3 AZR 260/10 – EZA § 1 BetrVG Nr. 94; Urteil vom 10. Februar 2009 – 3 AZR 783,07 – juris; Urteil vom 28. Oktober 2008 – 3 AZR 317/03 – EZA § 1 BetrVG Nr. 92). Ein betriebsrentenrechtlicher Versorgungszweck wird erfüllt, wenn durch die vorgesehene Leistung ein im Betriebsrentengesetz angesprochenes Risiko teilweise übernommen wird. Die Altersversorgung deckt einen Teil der „Langlebigkeitsrisiken“, die Hinterbliebenenversorgung einen Teil der Todesfallrisiken und die Invaliditätsversorgung einen Teil der Invaliditätsrisiken (vgl. BAG, Urteil vom 12. Dezember 2006 – 3 AZR 476/05 – EZA § 1 BetrVG Nr. 89). Eine Altersversorgung setzt demgemäß voraus, dass die vereinbarte Leistung auf das Alter zugeschnitten ist und nicht einem anderen Zweck dient. Von der Altersversorgung sind Übergangsgelder abzugrenzen, durch deren Zahlung die Zeit bis zum Eintritt in den Ruhestand oder in ein neues Arbeitsverhältnis überbrückt werden soll. Entscheidend ist der objektive Inhalt der zugesagten Leistungen. Er ist den Leistungsvoraussetzungen zu entnehmen, wobei insbesondere eine Anknüpfung mit einem betriebsrentlichen Versorgungsfall zu berücksichtigen ist. Dabei kommt dem Leistungsbeginn große Bedeutung zu (BAG, Urteil vom 10. Februar 2009 – 3 AZR 783/07 – a.a.O., m.w.N.).
48Der Zuschuss zum Anpassungsgeld knüpft nach § 2 des Gesamtsozialplans nicht an den Eintritt in den Ruhestand an. Er setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten ausscheidet und Anspruch auf die Gewährung von Anpassungsgeld nach den jeweils gültigen Richtlinien hat. Der Zuschuss soll demnach die mit dem Arbeitsplatzverlust verbundenen Nachteile der Arbeitnehmer abmildern. Dabei handelt es sich nicht um ein „Langlebigkeitsrisiko“, sondern um ein Arbeitsplatzrisiko. Der Zuschuss wird ergänzend zum Anpassungsgeld geleistet, welches seinerseits nach den gültigen Richtlinien die geordnete Durchführung des Anpassungsprogramms im Steinkohlebergbau sozial flankieren soll. Beide Leistungen sind so ausgestaltet, dass sie lediglich den Übergang in den Ruhestand erleichtern und mit dem Bezug der gesetzlichen Altersrente entfallen. Der Zuschuss zum Anpassungsgeld ist mithin lediglich eine Übergangsversorgung und keine betriebliche Altersversorgung (vgl. BAG, a.a.O., m.w.N.).
49c)
50Die Änderungsvereinbarung vom 02. Dezember 2010 hat auch nicht in unzulässiger Weise in die rechtlich geschützte Position des Klägers eingegriffen.
51Neue Betriebsvereinbarungen bzw. Sozialpläne können bereits entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht schmälern oder entfallen lassen. Die Möglichkeit einer Rückwirkung normativer Regelungen ist durch das Vertrauensschutz- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip beschränkt (BAG, Urteil vom 02. Oktober 2007 – 1 AZR 815/06 – EZA § 77 BetrVG 2001 Nr. 20; Urteil vom 19. Juni 2007 – 1 AZR 340/06 – EZA § 1 a KSchG Nr. 2).
52Die Änderungsvereinbarung vom 02. Dezember 2010 entfaltet im Verhältnis zum Kläger keine Rückwirkung. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung am 02. Dezember 2010 war der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Zuschusses zum Anpassungsgeld noch nicht entstanden; nach § 2 Ziffer 7 Absatz 1 des Gesamtsozialplans entsteht der Zahlungsanspruch erstmals mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem Bezug von Anpassungsgeld. Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger erst zum 01. März 2012.
53Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Änderungsvereinbarung war der Anspruch des Klägers auch noch nicht im Sinne einer Anwartschaft angelegt. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers erfolgte erst nach Abschluss der Änderungsvereinbarung mit Schreiben der Beklagten vom 7. März 2011. Sofern der Kläger irrtümlich davon ausgegangen sein sollte, dass der Zuschuss zum Anpassungsgeld noch auf der Grundlage der alten Fassung des Gesamtsozialplans berechnet würde, wäre dieses Vertrauen nicht schutzwürdig, da es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen wäre, sich in diesem Zeitraum selbst Klarheit über die Rechtslage zu verschaffen. Demnach entfaltet die Änderungsvereinbarung vom 02. Dezember 2010 jedenfalls im Verhältnis zum Kläger keine echte oder unechte Rückwirkung.
542.
55Der an den Kläger zu zahlende Zuschuss zum Anpassungsgeld wurde von der Beklagten auf der Grundlage von § 2 Nr. 7 Absatz 3 des Gesamtsozialplans vom 26. Juni 2003 in der Fassung vom 02. Dezember 2010 zutreffend berechnet. Hiervon geht die Kammer mit dem Vortrag der Beklagten aus, da es dem insoweit darlegungspflichtigen Kläger nicht gelungen ist, seine gegenteilige Auffassung schlüssig darzulegen.
56a)
57Entgegen der Ansicht des Klägers sind nach § 2 Ziffer 7 Absatz 3 Buchstabe b des Gesamtsozialplans bei der Berechnung des Garantieeinkommens nicht alle im Referenzzeitraum an den Kläger erbrachten Leistungen der Beklagten zu berücksichtigen, soweit es sich nicht um Mehrarbeitsvergütung, Einmalzahlung oder Lohn- und Gehaltsbestandteile handelt, die nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Diese Auffassung findet in dem Gesamtsozialplan keine hinreichende Stütze. § 2 Ziffer 7 Absatz 3 b bezieht sich ausdrücklich auf die Vergütung im Sinne des § 41 Absatz 1 Satz 1 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des rheinisch-westfälischen Steinkohle Bergbaus. § 41 Absatz 1 MTV stellt dabei maßgeblich auf die durchschnittliche Grundvergütung (§ 31 Absatz 2 MTV) ab. Nach § 31 Absatz 2 MTV ist die Grundvergütung der Schichtlohn oder das Gehalt, ggfs. einschließlich Leistungszulage. Daraus folgt, dass Vergütungsbestandteile nur dann gemäß § 2 Ziffer 7 Absatz 3 b des Gesamtsozialplans bei der Ermittlung des Garantieeinkommens berücksichtigt werden können, wenn sie der Grundvergütung im Sinne der tarifrechtlichen Vorschriften zuzuordnen sind. Diese anspruchsbegründenden Umstände hat der Kläger darzulegen.
58b)
59Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Lohnart 1015 – Grubenwehr-Übung außerhalb – nicht bei der Berechnung des Garantieeinkommens zu berücksichtigen. Dabei teilt die Kammer zwar die Auffassung des Klägers, dass es sich bei dieser Zulage um Arbeitsentgelt handele. Keine abschließende Entscheidung bedarf hier die Frage, ob dieses Entgelt die Grundvergütung im Sinne der tarifvertraglichen Vorschriften zuzuordnen ist. Denn das Entgelt kann bereits deshalb nicht berücksichtigt werden, weil die Zulage nicht während der regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit verdient wurde. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Lohnart 1015 vom Kläger nur dann in Verdienst gebracht wurde, wenn er während des Referenzzeitraums an einer Übung der Grubenwehr außerhalb der regelmäßigen betrieblichen Arbeitszeit teilgenommen hat.
60c)
61Entgegen der Ansicht des Klägers war auch die Lohnart 1150 – Vergütung für entgangene Mehrarbeit – Tarifurlaub – nicht bei der Berechnung des Garantieeinkommens zu berücksichtigen. Nach § 2 Ziffer 7 Absatz 3 b des Gesamtsozialplans ist bei der Ermittlung des Garantieeinkommens nur die Vergütung im Sinne des § 41 Absatz 1 Satz 1 MTV zu berücksichtigen. Grundlage der Lohnart 1150 ist hingegen § 41 Absatz 2 MTV. Aus der systematischen Erstellung der Tarifvertragsnorm wird deutlich, dass die Vergütung für entgangene Mehrarbeit eine Leistung der Beklagten ist, die zusätzlich zur Grundvergütung nach § 41 Absatz 1 MTV bei der Berechnung des Urlaubsentgeltes zu berücksichtigen ist, die Vergütung für entgangene Mehrarbeit ist mithin nicht bereits Bestandteil der Grundvergütung.
622.
63Auch die weitergehende Klage auf zukünftig wiederkehrende Leistung (§ 258 ZPO) ist unbegründet.
64Wie oben dargelegt hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung eines weiteren Zuschusses zum Anpassungsgeld aus § 2 Ziffer 7 Abs. 1 und 3 des Gesamtsozialplans.
65II.
66Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO. Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
67Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Absatz 1 ArbGG i.V.m. § 3 ff. ZPO.
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(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.
(2) Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen zu fördern.
(1) In Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt. Dies gilt auch für gemeinsame Betriebe mehrerer Unternehmen.
(2) Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen wird vermutet, wenn
- 1.
zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke die Betriebsmittel sowie die Arbeitnehmer von den Unternehmen gemeinsam eingesetzt werden oder - 2.
die Spaltung eines Unternehmens zur Folge hat, dass von einem Betrieb ein oder mehrere Betriebsteile einem an der Spaltung beteiligten anderen Unternehmen zugeordnet werden, ohne dass sich dabei die Organisation des betroffenen Betriebs wesentlich ändert.
(1) Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, auch soweit sie auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen, führt der Arbeitgeber durch, es sei denn, dass im Einzelfall etwas anderes vereinbart ist. Der Betriebsrat darf nicht durch einseitige Handlungen in die Leitung des Betriebs eingreifen.
(2) Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. Sie sind von beiden Seiten zu unterzeichnen; dies gilt nicht, soweit Betriebsvereinbarungen auf einem Spruch der Einigungsstelle beruhen. Werden Betriebsvereinbarungen in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren. Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen.
(3) Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt.
(4) Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Arbeitnehmern durch die Betriebsvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Die Verwirkung dieser Rechte ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für ihre Geltendmachung sind nur insoweit zulässig, als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden; dasselbe gilt für die Abkürzung der Verjährungsfristen.
(5) Betriebsvereinbarungen können, soweit nichts anderes vereinbart ist, mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.
(6) Nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung gelten ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
Bei wiederkehrenden Leistungen kann auch wegen der erst nach Erlass des Urteils fällig werdenden Leistungen Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.
(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.
(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.