Amtsgericht Kehl Beschluss, 01. Juli 2008 - 2 Cs 4 Js 2360/07

published on 01/07/2008 00:00
Amtsgericht Kehl Beschluss, 01. Juli 2008 - 2 Cs 4 Js 2360/07
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Tenor

Das Amtsgericht Kehl erklärt sich zur Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls für

örtlich unzuständig.

Gründe

 
I.
Die Staatsanwaltschaft beantragt, gegen den in Straßburg/Frankreich wohnenden deutschen Staatsangehörigen L. einen Strafbefehl zu erlassen, in dem dem Angeschuldigten vorgeworfen wird, er habe Anfang des Jahres 2004 in Zürich/Schweiz der dort ansässigen Geschädigten einen Auftrag zur Suche von Mietwohnangeboten in Zürich erteilt, wobei er über seine Zahlungsfähig- und -willigkeit getäuscht habe. Tatsächlich sei auch ein Besichtigungstermin für ein passendes Mietobjekt durchgeführt worden. Die am 13.04.2004 ausgestellte Rechnung über 1.330 CHF sei der Angeschuldigte vorgefasster Absicht entsprechend schuldig geblieben. Dies sei strafbar als Betrug gemäß § 263 StGB.
Das Ermittlungsverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft zunächst in entsprechender Anwendung des § 205 StPO vorläufig eingestellt, weil der Aufenthalt des Angeschuldigten nicht bekannt war. Gleichzeitig wurde er zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben und dessen Vernehmung zur Sache erbeten, sobald er angetroffen wird. Der Angeschuldigte wurde schließlich durch die Polizei im Stadtgebiet von Kehl festgestellt und zur Sache vernommen wurde.
II.
Zunächst wird mit der Staatsanwaltschaft davon auszugehen sein, dass die Tat gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB der deutschen Strafgewalt unterliegt, weil der Angeschuldigte Deutscher ist und die Tat auch in der Schweiz mit Strafe bedroht ist (Art. 146 des Schweizerischen Strafgesetzbuches).
Allerdings besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Kehl für die Verfolgung dieser Tat:
1. Der Gerichtsstand des Tatortes (§ 7 StPO) ist nicht gegeben. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Tat im Bezirk des Amtsgerichts Kehl begangen wurde. Aus der Strafanzeige ergibt sich zwar, dass der Angeschuldigte bei der Beauftragung der Geschädigten eine Anschrift in Kehl angegeben habe. Jedoch ist völlig unklar, ob er unter dieser Anschrift tatsächlich gehandelt hat.
2. Da der Angeschuldigte in Straßburg/Frankreich wohnt, besteht ebenso wenig die Wohnsitzzuständigkeit des Amtsgerichts Kehl (§ 8 Abs. 1 StPO). Dafür, dass der Angeschuldigte sich gewöhnlich im Bezirk des Amtsgerichts Kehl aufhält (§ 8 Abs. 2 StPO), liegen keine Hinweise vor.
3. Schließlich ist in Kehl auch nicht der Gerichtsstand des Ergreifungsortes (§ 9 StPO) begründet. Die bloße Feststellung eines gesuchten Beschuldigten in Kehl und seiner anschließenden Vernehmung zur Sache ist kein „Ergreifen“ im Sinne des § 9 StPO.
a. Ein „Ergreifen“ erfordert jedenfalls solche Zwangsmaßnahmen, die die Durchführung des Ermittlungs- oder Strafverfahrens sicherstellen sollen, wobei den Ermittlungsorganen, vornehmlich der Polizei, die Befugnis eingeräumt ist, den Beschuldigten auch gegen seinen Willen festzuhalten. Es kann dahinstehen, ob darüber hinaus der Bestand eines Haftbefehls bzw. dessen Erlass in der Folge gefordert werden muss (siehe dazu Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 9, Rn. 2), da vorliegend keinerlei Zwangsmaßnahmen gegen den Angeschuldigten zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens ergriffen wurden und auch nicht zulässig gewesen wären.
Die Feststellung des Aufenthalts entsprechend der Ausschreibung erfolgte anlässlich einer anderen polizeilichen Maßnahme und hatte lediglich die Mitteilung an die ausschreibende Behörde zur Folge. Die Feststellung der Identität des Angeschuldigten geht der Feststellung, dass er gesucht wird, naturgemäß voraus; etwaige Zwangsmaßnahmen können daher nicht durch die Fahndungsmaßnahme selbst veranlasst sein. Darüber hinaus bestand für die Polizei nicht die Möglichkeit, sich des Angeschuldigten allein zum Zwecke seiner Vernehmung zur Sache, wie sie durch die Staatsanwaltschaft mit der Ausschreibung erbeten wurde, zu versichern. Der Angeschuldigte ist nämlich nicht verpflichtet, sich für die Vernehmung durch die Polizei zur Verfügung zu halten oder einer Vorladung zu folgen. Die §§ 133, 134 StPO gelten nur für die richterliche und, über den Verweis des § 163 a Abs. 3 StPO, staatsanwaltschaftliche Vernehmung (siehe auch Meyer-Goßner, StPO, 50. Auflage, § 133, Rn. 1). Letztendlich sind keine polizeilichen Maßnahmen erkennbar, die eine Flucht des Angeschuldigten zu verhindern gesucht hätten. Zumal die Ermittlungsbehörden eine Flucht bzw. Fluchtgefahr offenbar von vornherein nicht angenommen haben.
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b. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des BGH vom 20.01.1999 (NJW 1999, 1412). In dieser Entscheidung tritt der BGH der bis dahin in der Literatur herrschenden Meinung entgegen, ein „Ergreifen“ im Sinne des § 9 StPO sei nur eine gerechtfertigte Festnahme des Beschuldigten nach § 127 Abs. 1 oder 2 StPO, die zum Erlass eines Haftbefehls führt, wenn nicht schon bereits ein Haftbefehl bestand. Vielmehr genüge es, wenn der Beschuldigte wegen eines Verdachts einer Straftat kontrolliert und umgehend gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. Im Interesse einer praktikablen Handhabung der Vorschriften der Strafprozessordnung könne die Begründung des Gerichtsstandes des Ergreifungsortes nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein Haftbefehl erlassen werde oder nicht. Zur Begründung verweist der BGH auf die Bedeutung des Wortes „Ergreifen“ im allgemeinen Sprachgebrauch, wonach es als Synonym für die Worte „packen“, „festhalten“, „erfassen“, „in die Hand nehmen“, „fest-/gefangennehmen“, „verhaften“, „erwischen“, „aufgreifen“, „habhaft werden“ und „schnappen“ gebraucht werde.
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Diese Entscheidung des BGH kann auf den hier gegebenen Sachverhalt nicht angewendet werden. Im Gegensatz zu dem vom BGH zu entscheidenden Fall wurde der Angeschuldigte nicht (erstmals) nach der Begehung einer Straftat angetroffen und sodann gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Vielmehr wurden gegen den Angeschuldigten aufgrund der Anzeige der Geschädigten bereits Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft geführt, die wegen unbekannten Aufenthalts des Angeschuldigten vorläufig eingestellt werden mussten. Im Fall des BGH bestand für die Polizei die Möglichkeit, den Beschuldigten zumindest zum Zwecke der Identitätsfeststellung nach § 163 b StPO und erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81 b StPO festzuhalten, wovon die Polizei offenbar auch Gebrauch gemacht hat. Auf diese Zwangsmaßnahmen stellt der BGH aber in seiner Entscheidung ab und hält solche Maßnahmen für ausreichend und wohl auch erforderlich, um von einem „Ergreifen“ im Sinne des § 9 StPO sprechen zu können.
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Nach alldem war die örtliche Unzuständigkeit des Amtsgerichts Kehl auszusprechen.
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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt. (2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, g

(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Festste

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(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

Steht der Hauptverhandlung für längere Zeit die Abwesenheit des Angeschuldigten oder ein anderes in seiner Person liegendes Hindernis entgegen, so kann das Gericht das Verfahren durch Beschluß vorläufig einstellen. Der Vorsitzende sichert, soweit nötig, die Beweise.

(1) Das deutsche Strafrecht gilt für Taten, die im Ausland gegen einen Deutschen begangen werden, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt.

(2) Für andere Taten, die im Ausland begangen werden, gilt das deutsche Strafrecht, wenn die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter

1.
zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder
2.
zur Zeit der Tat Ausländer war, im Inland betroffen und, obwohl das Auslieferungsgesetz seine Auslieferung nach der Art der Tat zuließe, nicht ausgeliefert wird, weil ein Auslieferungsersuchen innerhalb angemessener Frist nicht gestellt oder abgelehnt wird oder die Auslieferung nicht ausführbar ist.

(1) Der Gerichtsstand ist bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk die Straftat begangen ist.

(2) Wird die Straftat durch den Inhalt einer im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes erschienenen Druckschrift verwirklicht, so ist als das nach Absatz 1 zuständige Gericht nur das Gericht anzusehen, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. Jedoch ist in den Fällen der Beleidigung, sofern die Verfolgung im Wege der Privatklage stattfindet, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift verbreitet worden ist, zuständig, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(1) Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Angeschuldigte zur Zeit der Erhebung der Klage seinen Wohnsitz hat.

(2) Hat der Angeschuldigte keinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes, so wird der Gerichtsstand auch durch den gewöhnlichen Aufenthaltsort und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, durch den letzten Wohnsitz bestimmt.

Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist.

(1) Der Beschuldigte ist zur Vernehmung schriftlich zu laden.

(2) Die Ladung kann unter der Androhung geschehen, daß im Falle des Ausbleibens seine Vorführung erfolgen werde.

(1) Die sofortige Vorführung des Beschuldigten kann verfügt werden, wenn Gründe vorliegen, die den Erlaß eines Haftbefehls rechtfertigen würden.

(2) In dem Vorführungsbefehl ist der Beschuldigte genau zu bezeichnen und die ihm zur Last gelegte Straftat sowie der Grund der Vorführung anzugeben.

Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist.

(1) Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen. Die Feststellung der Identität einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes bestimmt sich nach § 163b Abs. 1.

(2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.

(3) Ist eine Straftat nur auf Antrag verfolgbar, so ist die vorläufige Festnahme auch dann zulässig, wenn ein Antrag noch nicht gestellt ist. Dies gilt entsprechend, wenn eine Straftat nur mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgbar ist.

(4) Für die vorläufige Festnahme durch die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes gelten die §§ 114a bis 114c entsprechend.

Der Gerichtsstand ist auch bei dem Gericht begründet, in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist.