Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2025 - IX ZR 95/24 von Dirk Streifler


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Authors
Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2025 - IX ZR 95/24
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juni 2024 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 17. August 2023 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1 zur Hälfte und die Klägerinnen zu 2 und 3 jeweils zu einem Viertel.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Im August 2019 buchten die Kläger und eine weitere Person (im Folgenden zusammenfassend als Fluggäste bezeichnet) einen Flug von Frankfurt am Main nach Cancún, Mexiko, für den 22. Dezember 2019 mit einer Flugstrecke von mehr als 3.500 km. Die Landung in Cancún war planmäßig für 18:05 Uhr vorgesehen. Die Fluggäste bezahlten den Flugpreis. Die Beklagte bestätigte den Flug. Am 1. Dezember 2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Die Beklagte setzte den Flugbetrieb fort. Am Abflugtag verweigerte sie nach Ausstellung der Bordkarten den Fluggästen die Beförderung wegen Überbuchung des Flugs. Sie bot ihnen eine Ersatzbeförderung auf einem anderen Flug an, die diese annahmen. Die Fluggäste erreichten den Zielflughafen Cancún am 23. Dezember 2019 um 00:15 Uhr. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten wurde, nachdem ein Insolvenzplan zustande gekommen war, mit Beschluss vom 30. November 2020 aufgehoben. Der Insolvenzplan sieht für Insolvenzforderungen eine Quote von 0,1 % und Zusatzquoten vor. Ansprüche unter 10 € sind erst mit Fälligkeit der Zusatzquote zu zahlen.
Die Kläger - der Kläger zu 1 auch aus abgetretenem Recht der weiteren Person - verlangen eine Ausgleichszahlung von 600 € pro Fluggast sowie Erstattung der Kosten der Sitzplatzreservierung für den ursprünglichen Flug von 34,99 € pro Fluggast. Zudem begehrt der Kläger zu 1 Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat auf die Berufung der Kläger die Beklagte - mit Ausnahme eines Teils des Zinslaufs - antragsgemäß verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Die Entscheidung hat infolge der Säumnis der Kläger durch Versäumnisurteil zu ergehen, beruht aber inhaltlich auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f; vom 26. Oktober 2023 - IX ZR 112/22, WM 2024, 80 Rn. 5, insoweit in BGHZ 238, 344 nicht abgedruckt).
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Bei dem Anspruch aus Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. EU L 46 S. 1; im Folgenden: Fluggastrechteverordnung oder Fluggastrechte-VO) handele es sich vorliegend um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 270 Abs. 1 InsO. Die Beklagte habe gerade nicht entschieden, den fortbestehenden Beförderungsvertrag nicht durchzuführen. Vielmehr hätten die Parteien zunächst eine konkludente, die ursprüngliche Übereinkunft bestätigende Abrede über die Erfüllung des Beförderungsanspruchs getroffen. Dies genüge, um ein Erstarken der Insolvenzforderung zu einer Masseverbindlichkeit anzunehmen. Erst danach - bei Durchführung der Masseverbindlichkeit - sei es zu der streitgegenständlichen Leistungsstörung in Form der Nichtbeförderung aufgrund Überbuchung und einer anschließenden Ersatzbeförderung gekommen. Hierdurch habe die Beklagte zum Ausdruck gebracht, dass sie sich jedenfalls nicht auf die zwischenzeitliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens berufen werde. Die Fluggäste hätten darauf aufbauend nicht nur auf die Beförderungsleistung als solche vertraut, sondern auch auf eine vertragsgemäße Leistung. Der Anspruch auf Erstattung der Sitzplatzreservierung stehe den Fluggästen aus § 284 BGB zu. Auch insoweit handele es sich um eine Masseverbindlichkeit.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
1. Grundlage des klägerischen Begehrens ist hinsichtlich der Ausgleichszahlung Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c, Abs. 2 Buchst. c Fluggastrechte-VO. Danach können Fluggäste bei Verweigerung der Beförderung zum Ausgleich der Unannehmlichkeit bei anderen als innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 3.500 km die Zahlung von 600 € verlangen; dies gilt auch dann, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen eine anderweitige Beförderung zum Endziel anbietet, die Ankunftszeit aber - wie vorliegend - später als vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Flugs liegt. Anspruchsgrundlage für frustrierte Sitzplatzreservierungen bei anderweitiger Beförderung zum Endziel ist § 284 BGB, Art. 12 Abs. 1 Satz 1 Fluggastrechte-VO.
2. Die auf dieser Grundlage geltend gemachten Ansprüche stellen nur Insolvenzforderungen nach § 38 InsO dar. Sie können gemäß §§ 254, 254b InsO nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens nur nach Maßgabe des Insolvenzplans zuerkannt werden.
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass sich die Frage, ob Ansprüche, auch soweit Rechte nach der Fluggastrechteverordnung inmitten stehen, Insolvenzforderungen oder Masseverbindlichkeiten darstellen, nach deutschem Insolvenzrecht richtet. Er hat ferner entschieden, dass die ursprünglichen Beförderungsansprüche aus einer vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Buchung Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO darstellen und nicht dem Wahlrecht der Beklagten aus §§ 279, 103 InsO unterfallen, wenn Reisende den Flugpreis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig bezahlt haben. Beförderungsansprüche, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind, sind von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners an nicht mehr durchsetzbar. Sekundäransprüche, die aus der Nichterfüllung insolvenzbedingt nicht durchsetzbarer Ansprüche folgen, begründen keine Masseverbindlichkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2023 - IX ZR 150/21, WM 2023, 880 Rn. 11; vom 26. September 2024 - IX ZR 146/22, WM 2024, 1917 Rn. 9 ff jeweils mwN).
b) So liegt der Fall vorliegend: Die ursprünglichen Beförderungsansprüche der Fluggäste aus ihrer Buchung im August 2019 wurden vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten begründet. Die Fluggäste hatten den Flugpreis vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig bezahlt. Bei der Verweigerung der Beförderung wegen Überbuchung handelt es sich um die Nichterfüllung eines insolvenzbedingt nicht durchsetzbaren Beförderungsanspruchs. Die geltend gemachten Ansprüche auf Ausgleichszahlung und auf Erstattung der Kosten für die Sitzplatzreservierung stellen deshalb Sekundäransprüche aus der Nichterfüllung eines nicht durchsetzbaren Beförderungsanspruchs und damit grundsätzlich Insolvenzforderungen dar.
c) Die Fortsetzung des Flugbetriebs wertet weder für sich genommen noch in Verbindung mit etwaigen Erklärungen der Beklagten, der Flugbetrieb werde fortgesetzt, Insolvenzforderungen zu Masseverbindlichkeiten auf (BGH, Urteil vom 26. September 2024 - IX ZR 146/22, WM 2024, 1917 Rn. 12). Der Umstand, dass der Flug als solcher durchgeführt wird, ist daher nicht geeignet, den Beförderungsanspruch einzelner Passagiere zu Masseforderungen aufzuwerten. Die Beklagte mag andere Fluggäste, deren Beförderungsansprüche insolvenzbedingt nicht durchsetzbar waren, anstandslos befördert haben. Aus dem Verhalten gegenüber Dritten folgte jedoch keine Selbstbindung der Beklagten gegenüber den hiesigen Fluggästen (BGH, Urteil vom 9. März 2023 - IX ZR 150/21, WM 2023, 880 Rn. 12).
d) Anders als das Berufungsgericht meint, sind die Beförderungsansprüche der Fluggäste (und damit auch Sekundäransprüche wegen Nichterfüllung) vorliegend nicht durch konkludente, die ursprüngliche Übereinkunft bestätigende Vereinbarung zu Masseverbindlichkeiten geworden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Variante 1 InsO).
aa) Zwar kann eine Insolvenzforderung durch Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgläubiger zu einer Masseverbindlichkeit werden. Eine solche Vereinbarung hat nicht nur für die Parteien der schuldumschaffenden Vereinbarung Auswirkungen, sondern auch für die übrigen Beteiligten des Insolvenzverfahrens. Sie erfordert angesichts ihrer einschneidenden Wirkungen, dass die Anforderungen an eine Schuldumschaffung (Novation) erfüllt sind oder die Vereinbarung in einer der Novation vergleichbaren Weise zur Begründung einer Masseverbindlichkeit führt. Eine schuldumschaffend wirkende Novation setzt den Willen der Parteien voraus, das alte Schuldverhältnis durch ein neues zu ersetzen und damit zugleich das alte Schuldverhältnis aufzuheben, so dass die Beteiligten nicht mehr darauf zurückgreifen können. Entsprechend gilt für eine schuldumschaffende Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und einem Insolvenzgläubiger, dass diese keinen Zweifel daran lassen darf, dass eine (Neu-)Begründung der Verbindlichkeit als nunmehr gemäß § 53 InsO aus der Insolvenzmasse vorweg zu berichtigende Masseverbindlichkeit gewollt ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 2024 - IX ZR 146/22, WM 2024, 1917 Rn. 14 f). Dagegen berühren weder ein Vergleich über eine Insolvenzforderung noch ein abstraktes Anerkenntnis über eine Insolvenzforderung die Eigenschaft der jeweiligen Ansprüche als Insolvenzforderung, sofern es sich nicht um eine Novation handelt. Dass mit diesen Rechtshandlungen die Insolvenzforderungen modifiziert, verstärkt, unstreitig gestellt oder als solche neu begründet werden, hat keinen Einfluss auf ihre Qualität als Insolvenzforderung (BGH, Urteil vom 9. März 2023 - IX ZR 90/22, WM 2023, 882 Rn. 19 mwN; Schmidt/Thole, InsO, 20. Aufl., § 55 Rn. 8; Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 55 Rn. 10). Ebenso lässt die teilweise Erfüllung einer Insolvenzforderung die Rechtsnatur des nicht erfüllten Teils der Forderung unberührt; ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2023 - IX ZR 150/21, WM 2023, 880 Rn. 15).
bb) Daran gemessen sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer schuldumschaffenden Vereinbarung nicht erfüllt. Insbesondere wertet die Ausgabe von Bordkarten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Luftfahrtunternehmens einen als Insolvenzforderung zu qualifizierenden Beförderungsanspruch nicht zu einer Masseverbindlichkeit auf.
(1) Ein Beförderungsanspruch wird durch den Abschluss des Flugbeförderungsvertrags begründet. Die Bordkarte dient demgegenüber als Nachweis, dass der Check-in-Prozess abgeschlossen ist und dass die auf ihr genannte Person berechtigt ist, in das für den gebuchten Flug bereitstehende Flugzeug einzusteigen. Ein eigenständiges Rechtsgeschäft geht mit ihrer Ausstellung nicht einher. Ihrer Ausgabe kann deshalb auch nicht die Wirkung einer Umwandlung eines Insolvenzanspruchs in eine Masseverbindlichkeit beigemessen werden.
(2) Selbst wenn man in der Ausgabe der Bordkarte die rechtsgeschäftliche Erklärung sähe, der Beförderungsanspruch werde bestätigt, hätte eine solche Erklärung keinen Einfluss auf die Einordnung des Beförderungsanspruchs als Insolvenzforderung. Eine solche Bestätigung erreicht nicht die Qualität einer Schuldumschaffung (Novation).
(3) Nach der Rechtsprechung lässt die teilweise Erfüllung einer Insolvenzforderung - etwa die Durchführung des Hinflugs bei einheitlich gebuchtem Hin- und Rückflug - die Rechtsnatur des nicht erfüllten Teils der Forderung unberührt, ohne dass dem Treu und Glauben entgegensteht. Für die Ausgabe von Bordkarten, die keine teilweise Erfüllung, sondern eine bloße Vorbereitungshandlung im Vorfeld der geschuldeten Beförderungsleistung darstellt, gilt dies erst recht.
e) Die Art der Leistungserbringung löst ebenfalls keine Masseverbindlichkeiten aus. Der Streitfall ist nicht mit dem vom Senat mit Urteil vom 9. März 2023 (IX ZR 91/22, WM 2023, 820 Rn. 22 f) entschiedenen Fall vergleichbar. In jenem Fall hat der Senat Ansprüche auf Ausgleichszahlung wegen großer Verspätung des Flugs, mit dem der Fluggast tatsächlich befördert worden ist, als Masseverbindlichkeiten eingeordnet. Darum geht es im Streitfall nicht.
aa) Masseverbindlichkeiten entstehen, wenn der Insolvenzverwalter oder der eigenverwaltende Schuldner bei der Erfüllung der Insolvenzforderung die Rechte des Insolvenzgläubigers verletzt, diesen schädigt oder in anderer Weise zusätzliche Rechte für die Insolvenzmasse auf Kosten des Insolvenzgläubigers in Anspruch nimmt. Entscheidend ist, dass der Insolvenzgläubiger nicht nur die insolvenzbedingten, aus §§ 38, 87, 174 ff InsO folgenden Einschränkungen bei der Durchsetzung seiner Forderung hinzunehmen hat, sondern zusätzliche Nachteile erleidet, die in keinem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stehen. Dann fällt das Verhalten des Insolvenzverwalters oder des eigenverwaltenden Schuldners unter § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO und begründet Ansprüche des geschädigten oder in seinen Rechten verletzten Insolvenzgläubigers, die gemäß § 53 InsO vorab aus der Masse zu erfüllen sind (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2023 - IX ZR 91/22, WM 2023, 820 Rn. 21 f). Eine solche Verletzung von Rechten des Insolvenzgläubigers, die in keinem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten stand, hat der Senat bei einer großen, das heißt mindestens dreistündigen Verspätung des Flugs, auf dem ein Fluggast ohne durchsetzbaren Anspruch befördert worden ist, bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2023 - IX ZR 91/22, aaO Rn. 23).
bb) Vorliegend haben die Fluggäste jedoch keine zusätzlichen Nachteile, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren stehen, erlitten. Vielmehr mussten sie allein insolvenzbedingte Einschränkungen bei der Durchsetzung ihrer Forderung hinnehmen: Insolvenzbedingt war ihr Anspruch auf Beförderung nicht durchsetzbar; deshalb stellten auch der mit der Verweigerung der Beförderung entstandene (Sekundär-)Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c Fluggastrechte-VO und der (Sekundär-)Anspruch auf Erstattung frustrierter Reservierungskosten bloße Insolvenzforderungen dar, die allein durch Anmeldung zur Tabelle gemäß §§ 174 ff InsO geltend gemacht werden konnten.
Wenn die Beklagte gleichwohl den ebenfalls eine Insolvenzforderung darstellenden Sekundäranspruch auf anderweitige Beförderung zum Endziel gemäß Art. 4 Abs. 3, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Fluggastrechte-VO erfüllte, ohne dass die Kläger hierauf einen durchsetzbaren Anspruch hatten, stellte sie die Fluggäste besser, als sie insolvenzrechtlich eigentlich stünden. Die anderweitige Beförderung wurde ordnungsgemäß durchgeführt; eine Verspätung dieses Flugs ist nicht behauptet. Die Beklagte hat daher bei der Erfüllung einer Insolvenzforderung weder die Kläger geschädigt noch hat sie ihre Rechte verletzt.
f) Soweit das Amtsgericht angenommen hat, dass die Voraussetzungen, unter denen der Insolvenzplan eine Auszahlung der Quote vorsieht, derzeit nicht erfüllt sind, wird dies von den Parteien nicht angegriffen.
III.
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Er weist die Berufung der Kläger gegen das amtsgerichtliche Urteil zurück.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Es wurde am 2.5.2025 durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers und Rechtsmittelgegners Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 10.4.2025 eingelegt.
Kernaussagen des Urteils
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Sekundäransprüche bleiben „alt“. Sekundäransprüche, die nur die Nichterfüllung insolvenzbedingt nicht (mehr) durchsetzbarer Primäransprüche kompensieren sollen, begründen keine Masseverbindlichkeiten(§ 55 InsO), sondernbleiben Insolvenzforderungen (§ 38 InsO). Dies gilt auch in Branchen mit Massenkundenbeziehungen (hier: Luftbeförderung).
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Kein „Masse‑Upgrade“ durch Verfahrenskommunikation. Die Ausstellung einer Bordkarte nach Eröffnungändert an der Qualifikation nichts: Allein der operative Vollzug im Massengeschäft führt nicht zu einem neuen, masseverbindlichen Schuldgrund.
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Vergleich/Anerkenntnis ≠ Novation. Vergleiche oder abstrakte Anerkenntnisse über „alte“ Forderungen verändern deren rechtliche Qualität nicht, sofern keine Novation gewollt und klargestellt ist (Stichwort: schuldumschaffende Vereinbarung, eindeutige Neubegründung einer Masseverbindlichkeit).
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Kontinuität der Linie. Der Senat knüpft damit an seine Vorentscheidungen (u. a. IX ZR 150/21, IX ZR 146/22) an: Es gibt keine Aufwertung insolvenzbedingter Nichterfüllungsfolgen zu Masseschulden allein durch betriebspraktische Handlungen im eröffneten Verfahren.
Einordnung
Dogmatisch bestätigt der BGH die strikte Trennung zwischen Alt‑ und Neuverbindlichkeiten: Masseverbindlichkeiten entstehen nur aufgrund gesetzlicher Anordnung oder eigenständiger Handlungen des Verwalters/Masse, die nach Eröffnung einen neuen Schuldgrund schaffen (z. B. Erfüllungswahl, Massegeschäft, unberechtigte Bereicherung der Masse). Kommunikative/organisatorische Handlungen (Bordkarte, Standardmails etc.) ohne schuldrechtliche Neubegründung genügen nicht.
Für Vergleiche/Anerkenntnisse gilt: Wer eine Masseverbindlichkeit begründen will, muss sprachlich und inhaltlichunmissverständlich Novation/Neu‑Begründung regeln (z. B. „Die Parteien sind sich einig, dass die bisherige Insolvenzforderung im Wege der Novation erlischt und als Masseverbindlichkeit i. S. d. § 53 InsO neu begründet wird“), flankiert durchZuständigkeits‑ und Budgetnachweise des Verwalters.
Praxisfolgen & To‑dos
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Verwalter/Distressed‑Counsel: Templates für Vergleiche/Anerkenntnisse prüfen: Novations‑Klauseln nur, wenn bewusst gewollt; ansonsten klarer Ausschluss jeder Massebegründung. Kommunikationsbausteine (z. B. Bordkarten‑/Voucher‑Prozesse) rechtssicher standardisieren.
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Gläubiger mit Massenforderungen (Airlines, Ticketing, E‑Com): Beweislast beachten: Wer Massequalität reklamieren will, braucht klare Novationsdokumente. Operative Kulanz gegenüber Dritten begründet keine Selbstbindung gegenüber dem konkreten Gläubiger.
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Prozessual: Ansprüche präzise qualifizieren (Anmeldung vs. Leistungsklage gegen die Masse). Bei bestehenden Vergleichen Auslegung auf Novationswillen; im Zweifel bleibt die Forderung Insolvenzforderung.
Take‑away: Alte Forderung bleibt alt – es sei denn, man sagt und will ausdrücklich etwas anderes. Für die Vertrags‑ und Prozesspraxis bringt das Urteil Klarheit und reduziert Streit über „versteckte“ Massebegründungen.


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(1) Masseverbindlichkeiten sind weiter die Verbindlichkeiten:
- 1.
die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören; - 2.
aus gegenseitigen Verträgen, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muß; - 3.
aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse.
(2) Verbindlichkeiten, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter begründet worden sind, auf den die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners übergegangen ist, gelten nach der Eröffnung des Verfahrens als Masseverbindlichkeiten. Gleiches gilt für Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, soweit der vorläufige Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Gegenleistung in Anspruch genommen hat.
(3) Gehen nach Absatz 2 begründete Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach § 169 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch auf die Bundesagentur für Arbeit über, so kann die Bundesagentur diese nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Satz 1 gilt entsprechend für die in § 175 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Ansprüche, soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben.
(4) Umsatzsteuerverbindlichkeiten des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Den Umsatzsteuerverbindlichkeiten stehen die folgenden Verbindlichkeiten gleich:
Die Insolvenzmasse dient zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (Insolvenzgläubiger).