ZPO: Zur Nebenintervention des D&O-Versicherers

16.09.2015

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Eine im Versicherungsvertrag vorgesehene Prozessführungsbefugnis schließt ein Interesse des D&O-Versicherers, dem Rechtsstreit beizutreten, nicht aus.
Das OLG Frankfurt a.M. hat in seinem Beschluss vom 12.05.2015 (Az.: 11 W 28/13) folgendes entschieden:

Eine im Versicherungsvertrag vorgesehene Prozessführungsbefugnis schließt ein rechtliches Interesse des D & O-Versicherers, nach einer entsprechenden Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Seiten der versicherten Person beizutreten, jedenfalls dann nicht aus, wenn der Versicherer geltend macht, dass insoweit kein Versicherungsverhältnis bestehe.


Gründe

Die klagende GmbH macht gegen die Beklagten, ihre früheren Geschäftsführer, Schadensersatzansprüche nach § 43 GmbHG geltend.

Die Beklagten waren bis zum 27.3.2006 über die A Holding GmbH Inhaber aller Geschäftsanteile der Klägerin. Am 27.3.2006 wurde ein umfangreiches Vertragswerk protokolliert, mit dem im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung 75% der Geschäftsanteile der Klägerin an die B Trust …-gesellschaft GmbH übertragen werden sollten. Die B Trust sollte diese Geschäftsanteile treuhänderisch für die … GmbH halten; diese wiederum war eine Tochtergesellschaft der... Holding SE. Die Beklagten wurden zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt.

Mit Beschluss vom 16.7.2009 hat die Gesellschafterversammlung der Klägerin beschlossen, Ansprüche gem. § 43 Abs. 2 GmbHG gegen die Beklagten geltend zu machen.

Die Beklagten halten die Klage bereits für unzulässig. Sie meinen, die B Trust sei aus verschiedenen Gründen nie wirksam Gesellschafterin der Klägerin geworden und haben eine diesbezügliche Zwischenfeststellungsklage erhoben.

Die Nebenintervenientin ist eine D & O-Versicherung, die mit der... Holding SE in Vertragsbeziehungen stand. Nach dem hier maßgeblichen Versicherungsvertrag sollte die Nebenintervenientin Schäden versichern, die u. a. durch Geschäftsführer während ihrer Tätigkeit verursacht wurden. Dabei waren auch Tochterunternehmen versichert. Die Nebenintervenientin ist nach entsprechender Streitverkündung dem Rechtsstreit auf Beklagtenseite beigetreten. Die Klägerin bestreitet die Zulässigkeit der Nebenintervention.

Wegen der Einzelheiten und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit Zwischenurteil vom 11.6.2013 die Nebenintervention zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 66 ZPO seien erfüllt.

Ein rechtliches Interesse eines Dritten sei zu bejahen, wenn die Entscheidung des Hauptprozesses durch Inhalt oder Vollstreckung mittelbar oder unmittelbar auf seine privatrechtlichen Verhältnisse einwirkt. Die Nebenintervenientin habe als D & O-Versicherer ein Interesse am Obsiegen der Beklagten, weil diesen andernfalls möglicherweise im Deckungsprozess ein Anspruch gegen die Nebenintervenientin auf Schadloshaltung zustehe.

Dass der Nebenintervenientin bereits aufgrund des Versicherungsvertrages eine Prozessführungsbefugnis zustehe, schränke ein bestehendes Nebeninterventionsrecht nicht ein.

Gegen diese ihr am 20.06.2013 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 02.07.2013 sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie meint, die Nebenintervenientin habe aufgrund der ihr vertraglich eingeräumte Prozessführungsbefugnis ausreichende Möglichkeiten, auf den Haftpflichtprozess einzuwirken. Es bestehe daher kein rechtliches Interesse an einer Nebenintervention. Durch diese werde der Prozess unnötig aufgebläht und würden insbesondere zusätzliche Kosten verursacht. Auch werde die Versicherungssumme zulasten der Beklagten geschmälert.

Die Nebenintervenientin und die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung. Die Nebenintervenientin sei schon deshalb nicht zur Prozessführung befugt, weil sie eine Deckung ausdrücklich versagt habe.

Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 71II, 567 Abs. I Nr. 2, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin am Ausgang des Prozesses ergibt sich zunächst aus der Interventionswirkung der Streitverkündung. Würde ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten bejaht, könne sich die Nebenintervenientin nach § 68 ZPO in einem nachfolgenden Deckungsprozess weder darauf berufen, die B Trust sei nicht wirksam Gesellschafterin geworden, noch darauf, dass die sonstigen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht erfüllt seien.

Dieses rechtliche Interesse entfällt auch nicht dadurch, dass die Nebenintervenientin aufgrund der Ziff. 2.5. der Vertragsbedingungen des Versicherungsvertrages unmittelbar für die Beklagten prozessführungsbefugt ist.

Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die Nebenintervenientin ihre Einstandspflicht primär deshalb leugnet, weil sie meint, dass ein entsprechendes Versicherungsverhältnis hinsichtlich der Parteien überhaupt nicht bestehe. Wäre nämlich die B Trust, wie seitens der Beklagten und der Nebenintervenientin geltend gemacht, nicht Gesellschafterin der Klägerin geworden, so bestünde zugunsten der Beklagten als ehemalige Geschäftsführer der Klägerin auch kein Versicherungsschutz bei der Nebenintervenientin, weil es sich dann bei der Klägerin gerade nicht um eine mitversicherte Tochtergesellschaft der Versicherungsnehmerin handeln würde und die Beklagten somit auch nicht „versicherte Person“ wären. Die Nebenintervenientin würde sich daher mit der Ausübung eines auf Ziffer 2.5 HPDO 2010 gestützten Prozessführungsrechts in Widerspruch zu ihrem eigenen Vorbringen setzen, wonach ihr eben gerade kein Prozessführungsrecht zusteht.

Die Nebenintervenientin hätte demnach ohne die Zulassung gerade keine zumutbare Möglichkeit, unter Aufrechterhaltung ihres tatsächlichen und für sie günstigen Rechtsstandpunktes eine - sie infolge der Streitverkündung treffende - Interventionswirkung einer Entscheidung des Inhalts zu verhindern, dass die B Trust Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin geworden ist und sie selbst damit dem Grunde nach für etwaige Schadensersatzforderungen gegen die Beklagten einstandspflichtig ist.

Die Auffassung der Klägerin, der prozessführungsbefugte Haftpflichtversicherer sei nur bei vermutetem kollusivem Zusammenwirken von Geschädigtem und Versicherungsnehmer, wie beispielsweise Unfallmanipulationen, als Nebenintervenient zuzulassen, findet in der Rechtsprechung keine Stütze. Zwar handelt es sich bei den klägerseits zitierten Fällen, in denen eine Versicherung neben dem Versicherungsnehmer bzw. der versicherten Person als Nebenintervenientin zugelassen wurde, um Fälle eines mutmaßlich gestellten Unfalls - eine Beschränkung auf solche Fälle lässt sich diesen Entscheidungen jedoch nicht entnehmen.

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Gesetze

Gesetze

5 Gesetze werden in diesem Text zitiert

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 43 Haftung der Geschäftsführer


(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. (2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Sch

Zivilprozessordnung - ZPO | § 66 Nebenintervention


(1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. (2) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 68 Wirkung der Nebenintervention


Der Nebenintervenient wird im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, dass die Hauptpartei den Rechtsstreit mange

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Referenzen

(1) Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.

(2) Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.

(3) Insbesondere sind sie zum Ersatz verpflichtet, wenn den Bestimmungen des § 30 zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht oder den Bestimmungen des § 33 zuwider eigene Geschäftsanteile der Gesellschaft erworben worden sind. Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 9b Abs. 1 entsprechende Anwendung. Soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist, wird die Verpflichtung der Geschäftsführer dadurch nicht aufgehoben, daß dieselben in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafter gehandelt haben.

(4) Die Ansprüche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen verjähren in fünf Jahren.

(1) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten.

(2) Die Nebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung, auch in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels, erfolgen.

Der Nebenintervenient wird im Verhältnis zu der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, dass die Hauptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits zur Zeit seines Beitritts oder durch Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend zu machen, oder als Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die ihm unbekannt waren, von der Hauptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)