ZPO: Zu den Anforderungen an die Berufungsbegründung und Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze

bei uns veröffentlicht am18.07.2011

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Ist das angefochtene Urteil hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil fristgerecht
Der BGH hat mit dem Beschluss vom 15.06.2011 (Az: XII ZB 572/10) folgendes entschieden:

Die Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal, einen fristwahrenden Schriftsatz per Telefax zu übersenden, macht die weitere Ausgangskontrolle nicht entbehrlich.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 20. Oktober 2010 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.


Gründe:

Die Parteien streiten um Räumung und Herausgabe einer Campingplatzparzelle. Das Urteil des Amtsgerichts wurde dem Beklagten am 22. Juli 2010 zugestellt. Noch am gleichen Tag legte er gegen dieses Urteil Berufung ein. Auf Antrag des Beklagten wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 6. Oktober 2010 verlängert. Im Rahmen der Begründung eines Vollstreckungsschutzantrages, der am 11. August 2010 beim Landgericht einging, wandte sich der Beklagte auch gegen den vom Amtsgericht festgestellten Zahlungsverzug als Kündigungsgrund.

Am 7. Oktober 2010, einem Donnerstag, ging die Berufungsbegründung beim Landgericht ein, in der sich der Beklagte erneut gegen den Zahlungsverzug und erstmals auch gegen die Unzumutbarkeit der Fortführung des Pachtverhältnisses aus weiteren vom Amtsgericht festgestellten Gründen wandte. Auf Hinweis des Landgerichts hat der Beklagte mit einem am 15. Oktober 2010 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und seine Berufung erneut begründet.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts ist entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verwehrt und seine Berufung als unzulässig verworfen.

Im Gegensatz zur Auffassung der Rechtsbeschwerde hat der Beklagte seine Berufung nicht rechtzeitig begründet.

Die Rechtsbeschwerde weist allerdings zutreffend darauf hin, dass der Vollstreckungsschutzantrag des Beklagten am 11. August 2010 und somit noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist beim Landgericht eingegangen ist. Dieser Schriftsatz enthält zugleich eine vorläufige Berufungsbegründung. Zwar fehlt es an einem eigenständigen Berufungsantrag. Das Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags ist aber unschädlich, wenn der Berufungsbegründung eindeutig zu entnehmen ist, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Änderungen erstrebt werden. An dieser schon früher geltenden Rechtslage hat sich durch das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Zivilprozessreformgesetz nichts geändert. Die Neufassung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO konkretisiert zwar gegenüber § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO aF die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsgründe. Dies bewirkt aber keine qualitative Änderung, sondern lediglich eine Präzisierung der Berufungsanforderungen, soweit es die Zulässigkeit der Berufung betrifft. Eine Verschärfung kann weder dem Gesetzestext noch den Materialien entnommen werden (Senatsbeschluss vom 28. Mai 2003 - XII ZB 165/).

Indem der Beklagte "das Urteil… in vollem Umfang“ zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt hat, wird sein Begehren auf Klageabweisung hinreichend deutlich. Weil der rechtzeitig eingegangene Schriftsatz neben weiteren Angriffen zum Zahlungsverzug auch die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten trägt, ist er zugleich als Berufungsbegründung aufzufassen. Umstände, die dem entgegenstehen könnten, liegen hier nicht vor. Insbesondere hat sich der Beklagte ausdrücklich eine "weitergehende Berufungsbegründung" innerhalb der Begründungsfrist vorbehalten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 140/10).

Die rechtzeitig eingegangene vorläufige Berufungsbegründung steht der Verwerfung der Berufung gleichwohl nicht entgegen, weil mit ihr nicht alle alternativen Begründungselemente angegriffen wurden.

Hat das erstinstanzliche Gericht sein Urteil hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen und daher für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt, anderenfalls das Rechtsmittel unzulässig ist.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Das Amtsgericht hatte den Räumungsanspruch auf eine berechtigte außerordentliche Kündigung gestützt, die es aus zwei alternativen Gründen für wirksam erachtet hat. Zum einen hatte das Amtsgericht einen zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Zahlungsverzug angenommen. Daneben hat es auch das Verhalten des Beklagten, nämlich mehrfache und nachhaltige Beleidigungen der Klägerin und ihrer Verwandten, sowie den Vorwurf eines strafbaren Verhaltens für "mitentscheidend" erachtet. Auch dieser Umstand lasse erkennen, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Pachtverhältnisses nicht weiter zumutbar sei. Darin liegt eine Alternativbegründung, die der Beklagte zwar in seiner verspätet eingegangen Berufungsbegründung, nicht aber bereits in dem rechtzeitig eingegangenen Schriftsatz vom 11. August 2010 angegriffen hat.

Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt, weil auf der Grundlage seines Vortrags ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden. Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen. Eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal, einen Frist wahrenden Schriftsatz per Telefax zu übersenden, macht die weitere Ausgangskontrolle somit nicht entbehrlich.

Mit seinem Wiedereinsetzungsantrag hat der Beklagte vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe die Kanzleiangestellte noch am Tag des Fristablaufs angewiesen, die Berufungsbegründung umgehend per Telefax an das Berufungsgericht zu senden. Dieser Weisung sei die Mitarbeiterin aus nicht erklärbaren Gründen nicht nachgekommen. Damit ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht ausgeschlossen. Das Wiedereinsetzungsgesuch verhält sich schon nicht zu der Frage, ob zur wirksamen Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten ein Fristenbuch geführt wird. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass die darin eingetragenen Fristen- wie es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt wird - erst dann gelöscht werden dürfen, wenn die Versendung am gleichen Tag gesichert ist oder - bei Versendung per Telefax - der Zugang durch Kontrolle des Sendeberichts überprüft worden ist. Im vorgetragenen Umfang genügt die Organisation im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beklagten mithin nicht der notwendigen Ausgangskontrolle, was dem Beklagten als Verschulden seines Rechtsanwalts gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Berufungsgericht auch nicht verpflichtet, den Beklagten nach § 139 Abs. 1 ZPO auf seinen unzureichenden Vortrag zur Ausgangskontrolle hinzuweisen. Nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags besteht kein Anhaltspunkt für die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangte Ausgangskontrolle durch Führung eines Fristenkalenders. Ob der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist im vorliegenden Fall mittels eines gesondert geführten Kalenders kontrolliert wurde und die Frist erst nach einer Ausgangskontrolle gestrichen werden durfte, ist weder innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen noch sonst ersichtlich. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der dem Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 (XII ZB 232/06) zugrunde lag. Wenn die insoweit darlegungspflichtige Prozesspartei nichts zur Ausgangskontrolle vorgetragen hat, ist das Gericht nicht nach§ 139 Abs. 1 ZPO verpflichtet, auf den insoweit notwendigen Vortrag hinzuweisen. Der Vortrag des Beklagten zur Einzelanweisung genügt diesen Anforderungen nicht.


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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 572/10
vom
15. Juni 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 85 Abs. 2, 139 Abs. 1, 233 Fd, 520 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2

a) Ist das angefochtene Urteil hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere
voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt
, muss die Berufungsbegründung das Urteil fristgerecht in allen diesen Punkten
angreifen und daher für jede der Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung
nicht trägt; anderenfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (im Anschluss
an BGH Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04 - NJW-RR 2006, 285).

b) Die Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze muss sich entweder - für alle
Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer
konkreten Einzelanweisung ergeben. Eine konkrete Einzelanweisung des
Rechtsanwalts an sein Büropersonal, einen fristwahrenden Schriftsatz per Telefax
zu übersenden, macht die weitere Ausgangskontrolle nicht entbehrlich (im Anschluss
an den Senatsbeschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10 - NJW-RR 2010,
1648 Rn. 12 ff.).
BGH, Beschluss vom 15. Juni 2011 - XII ZB 572/10 - LG Dortmund
AG Dortmund
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Juni 2011 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dose, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 20. Oktober 2010 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 940 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um Räumung und Herausgabe einer Campingplatzparzelle. Das Urteil des Amtsgerichts wurde dem Beklagten am 22. Juli 2010 zugestellt. Noch am gleichen Tag legte er gegen dieses Urteil Berufung ein. Auf Antrag des Beklagten wurde die Berufungsbegründungsfrist bis zum 6. Oktober 2010 verlängert. Im Rahmen der Begründung eines Vollstreckungsschutzantrages , der am 11. August 2010 beim Landgericht einging, wandte sich der Beklagte auch gegen den vom Amtsgericht festgestellten Zahlungsverzug als Kündigungsgrund.
2
Am 7. Oktober 2010, einem Donnerstag, ging die Berufungsbegründung beim Landgericht ein, in der sich der Beklagte erneut gegen den Zahlungsverzug und erstmals auch gegen die Unzumutbarkeit der Fortführung des Pacht- verhältnisses aus weiteren vom Amtsgericht festgestellten Gründen wandte. Auf Hinweis des Landgerichts hat der Beklagte mit einem am 15. Oktober 2010 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und seine Berufung erneut begründet.
3
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts ist entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
5
Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist verwehrt und seine Berufung als unzulässig verworfen.
6
1. Im Gegensatz zur Auffassung der Rechtsbeschwerde hat der Beklagte seine Berufung nicht rechtzeitig begründet.
7
a) Die Rechtsbeschwerde weist allerdings zutreffend darauf hin, dass der Vollstreckungsschutzantrag des Beklagten am 11. August 2010 und somit noch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist beim Landgericht eingegangen ist. Dieser Schriftsatz enthält zugleich eine vorläufige Berufungsbegründung. Zwar fehlt es an einem eigenständigen Berufungsantrag. Das Fehlen eines förmlichen Berufungsantrags ist aber unschädlich, wenn der Berufungsbegründung eindeutig zu entnehmen ist, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Änderungen erstrebt werden (BGH Beschluss vom 19. November 1987 - VII ZB 10/87 - BGHR ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 1 Berufungsantrag 1). An dieser schon früher geltenden Rechtslage hat sich durch das zum 1. Januar 2002 in Kraft getretene Zivilprozessreformgesetz nichts geändert. Die Neufassung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO konkretisiert zwar gegenüber § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO aF die inhaltlichen Anforderungen an die Berufungsgründe. Dies bewirkt aber keine qualitative Änderung, sondern lediglich eine Präzisierung der Berufungsanforderungen, soweit es die Zulässigkeit der Berufung betrifft. Eine Verschärfung kann weder dem Gesetzestext noch den Materialien entnommen werden (Senatsbeschluss vom 28. Mai 2003 - XII ZB 165/02 - FamRZ 2003,

1271).

8
Indem der Beklagte "das Urteil… in vollem Umfang“ zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt hat, wird sein Begehren auf Klageabweisung hinreichend deutlich. Weil der rechtzeitig eingegangene Schriftsatz neben weiteren Angriffen zum Zahlungsverzug auch die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten trägt, ist er zugleich als Berufungsbegründung aufzufassen. Umstände, die dem entgegenstehen könnten, liegen hier nicht vor. Insbesondere hat sich der Beklagte ausdrücklich eine "weitergehende Berufungsbegründung" innerhalb der Begründungsfrist vorbehalten (vgl. Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 140/10 - FamRZ 2011, 366 Rn. 6 und vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - FamRZ 2007, 1726 Rn. 10).
9
b) Die rechtzeitig eingegangene vorläufige Berufungsbegründung steht der Verwerfung der Berufung gleichwohl nicht entgegen, weil mit ihr nicht alle alternativen Begründungselemente angegriffen wurden.
10
Hat das erstinstanzliche Gericht sein Urteil hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen und daher für jede der mehreren Erwägungen darlegen, warum sie die Entscheidung nicht trägt, anderenfalls das Rechtsmittel unzulässig ist (BGH Beschluss vom 18. Oktober 2005 - VI ZB 81/04 - NJW-RR 2006, 285 Rn. 8 und Urteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05 - NJW-RR 2007, 414 Rn. 10).
11
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Das Amtsgericht hatte den Räumungsanspruch auf eine berechtigte außerordentliche Kündigung gestützt , die es aus zwei alternativen Gründen für wirksam erachtet hat. Zum einen hatte das Amtsgericht einen zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Zahlungsverzug angenommen. Daneben hat es auch das Verhalten des Beklagten, nämlich mehrfache und nachhaltige Beleidigungen der Klägerin und ihrer Verwandten, sowie den Vorwurf eines strafbaren Verhaltens für "mitentscheidend" erachtet. Auch dieser Umstand lasse erkennen, dass der Klägerin eine Fortsetzung des Pachtverhältnisses nicht weiter zumutbar sei. Darin liegt eine Alternativbegründung, die der Beklagte zwar in seiner verspätet eingegangen Berufungsbegründung, nicht aber bereits in dem rechtzeitig eingegangenen Schriftsatz vom 11. August 2010 angegriffen hat.
12
2. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht dem Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt, weil auf der Grundlage seines Vortrags ein ihm nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Anwaltsverschulden nicht ausgeräumt ist.
13
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu prüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 22. September 2010 - XII ZB 117/10 - FamRZ 2010, 2063 Rn. 11 und vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - FamRZ 2008, 1515 Rn. 11 jeweils mwN). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen (Senatsbeschlüsse vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07 - FamRZ 2008, 1515 Rn. 12 und vom 18. Juli 2007 - XII ZB 32/07 - FamRZ 2007, 1722 Rn. 6). Eine konkrete Einzelanweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal , einen Frist wahrenden Schriftsatz per Telefax zu übersenden, macht die weitere Ausgangskontrolle somit nicht entbehrlich (Senatsbeschluss vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10 - NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12 ff.).
14
Mit seinem Wiedereinsetzungsantrag hat der Beklagte vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe die Kanzleiangestellte noch am Tag des Fristablaufs angewiesen, die Berufungsbegründung umgehend per Telefax an das Berufungsgericht zu senden. Dieser Weisung sei die Mitarbeiterin aus nicht erklärbaren Gründen nicht nachgekommen. Damit ist ein Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht ausgeschlossen. Das Wiedereinsetzungsgesuch verhält sich schon nicht zu der Frage, ob zur wirksamen Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten ein Fristenbuch geführt wird. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass die darin eingetragenen Fristen - wie es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt wird - erst dann gelöscht werden dürfen, wenn die Versendung am gleichen Tag gesichert ist oder - bei Versendung per Telefax - der Zugang durch Kontrolle des Sendeberichts überprüft worden ist. Im vorgetragenen Umfang genügt die Organisation im Büro des Prozessbevollmächtigten des Beklagten mithin nicht der notwendigen Ausgangskontrolle, was dem Beklagten als Verschulden seines Rechtsanwalts gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
15
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Berufungsgericht auch nicht verpflichtet, den Beklagten nach § 139 Abs. 1 ZPO auf seinen unzureichenden Vortrag zur Ausgangskontrolle hinzuweisen. Nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags besteht kein Anhaltspunkt für die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangte Ausgangskontrolle durch Führung eines Fristenkalenders. Ob der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist im vorliegenden Fall mittels eines gesondert geführten Kalenders kontrolliert wurde und die Frist erst nach einer Ausgangskontrolle gestrichen werden durfte, ist weder innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgetragen noch sonst ersichtlich. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt , der dem Senatsbeschluss vom 13. Juni 2007 (XII ZB 232/06 - FamRZ 2007, 1458) zugrunde lag. Wenn die insoweit darlegungspflichtige Prozesspartei nichts zur Ausgangskontrolle vorgetragen hat, ist das Gericht nicht nach § 139 Abs. 1 ZPO verpflichtet, auf den insoweit notwendigen Vortrag hinzuweisen. Der Vortrag des Beklagten zur Einzelanweisung genügt diesen Anforderungen nicht.
Hahne Weber-Monecke Dose Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Dortmund, Entscheidung vom 15.07.2010 - 405 C 8675/09 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 20.10.2010 - 1 S 189/10 -

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 140/10
vom
8. Dezember 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wenn die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift oder eine Berufungsbegründung
erfüllt sind, kommt die Deutung, dass der Schriftsatz nicht als
zugleich eingelegte Berufung oder Berufungsbegründung bestimmt war, nur
dann in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden
vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (im Anschluss an die
Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - FamRZ 2007, 1726 und
vom 20. Juli 2005 - XII ZB 31/05 - FamRZ 2005, 1537).
BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - XII ZB 140/10 - LG Rostock
AG Rostock
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Dezember 2010 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz, Dose und Dr. Günter

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 4. März 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Streitwert: 900 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um Mietzinsforderungen. Das Urteil des Amtsgerichts wurde der Klägerin am 11. Dezember 2009 zugestellt. Am 11. Januar 2010 ging beim Berufungsgericht ein Schriftsatz des Klägervertreters ein, der als "Berufung" überschrieben ist. Nach dem vollständigen Rubrum sowie der Angabe der Beschwer folgt folgende Formulierung: "… lege ich namens und in Vollmacht der Klägerin und Berufungsklägerin gegen das am 09.12.2009 verkündete Urteil … vorbehaltlich PKH-Bewilligung für die II. Instanz Berufung ein mit dem Antrag, …"
2
Es folgen dann der Berufungsantrag der Klägerin sowie eine mehrseitige Begründung, die mit folgendem Satz endet: "Dem PKH-Antrag wie auch der Berufung wird stattzugeben sein." Der Schriftsatz war vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin unterzeichnet.
3
Das Landgericht hat die Berufung dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis zugestellt "mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zum PKH-Antrag binnen zwei Wochen". Nach einem rechtlichen Hinweis vom 15. Februar 2010 hat es die Berufung mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen, weil sie unter der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegt sei. Über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe hat das Berufungsgericht nicht entschieden. Dem am letzten Tag der Berufungsfrist eingegangenen Schriftsatz war keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin beigefügt. Gegen die Verwerfung ihrer Berufung richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V.m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
5
Das Berufungsgericht hat die zugleich begründete Berufung der Klägerin zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil sie nicht rechtzeitig beim Berufungsgericht eingelegt worden sei.
6
1. Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus, wonach ein Schriftsatz , der alle formellen Anforderungen an ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung erfüllt, regelmäßig als wirksam eingelegte Prozesserklärung zu behandeln ist. Eine Deutung dahin, dass er gleichwohl nicht unbedingt als Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründung bestimmt ist, kommt nur in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - FamRZ 2007, 1726 Rn. 10; vom 20. Juli 2005 - XII ZB 31/05 - FamRZ 2005, 1537 und vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 - FamRZ 2004, 1553, 1554). Dabei ist im Zweifel zugunsten eines Rechtsmittelführers anzunehmen, dass er eher das Kostenrisiko einer ganz oder teilweise erfolglosen Berufung auf sich nimmt als von vornherein zu riskieren, dass seine Berufung als unzulässig verworfen wird (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - XII ZB 31/07 - FamRZ 2007, 1726 Rn. 10 und vom 5. März 2008 - XII ZB 182/04 - FamRZ 2008, 1063 Rn. 12).
7
2. Den Schriftsatz des Klägervertreters vom 11. Januar 2010 hat das Berufungsgericht allerdings zu Unrecht als lediglich bedingt eingelegte Berufung behandelt.
8
a) Der Schriftsatz der Klägerin erfüllt sämtliche formellen Anforderungen an einen Berufungsschriftsatz und eine Berufungsbegründung. Entsprechend § 519 Abs. 2 ZPO wurde das angefochtene Urteil unter Angabe des vollständigen Rubrums konkret bezeichnet und es wurde gegen dieses Urteil "Berufung" eingelegt. Der Schriftsatz enthält außerdem einen Berufungsantrag und dessen Begründung (§ 520 Abs. 3 Ziff. 1 bis 4 ZPO). Schließlich ist er von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin eigenhändig unterschrieben.
9
b) Dem Berufungsgericht ist einzuräumen, dass der Formulierung im Berufungsschriftsatz , die Berufung werde "vorbehaltlich PKH-Bewilligung für die II. Instanz" eingelegt, Zweifel entnehmen lassen, ob das Rechtsmittel schon mit Eingang beim Berufungsgericht erhoben und begründet werden sollte. Wie das Berufungsgericht weiter zutreffend ausführt, kommt dem Umstand, dass diese Formulierung vom übrigen Text durch einen Absatz abgetrennt und fett gedruckt ist, besondere Bedeutung zu.
10
Unter Berücksichtigung der weiteren Einzelheiten lässt sich der Formulierung allerdings keine jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Deutlichkeit für eine lediglich bedingt eingelegte und somit unwirksame Berufung entnehmen. Denn der Schriftsatz ist als "Berufung" überschrieben und auch dies ist im Schriftbild hervorgehoben und fett gedruckt. Die Klägerin wird in dem Schriftsatz zugleich als Berufungsklägerin bezeichnet und hat nach dem weiteren Wortlaut des Schriftsatzes Berufung eingelegt mit dem Antrag: "Die Beklagte … unter Aufhebung des abweisenden Teils des erstinstanzlichen Urteils" zu verurteilen , an sie weitere 900 € zu zahlen. Dieser Antrag ist im Folgenden bereits begründet, was für den ernstlichen Willen zur Durchführung der Berufung spricht. Schließlich deutet auch der Schlusssatz der Rechtsmittelbegründung, dem Prozesskostenantrag "wie auch der Berufung" werde stattzugeben sein, auf ein bereits unbedingt eingelegtes Rechtsmittel hin. Zwar ist nicht auszuschließen , dass die weiteren Formulierungen im Schriftsatz vom 11. Januar 2010 sämtlich von der vorbehaltlichen PKH-Bewilligung als Obersatz erfasst und somit nur für den Fall der Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgestellt worden sind. Insoweit verbleiben aber Zweifel, zumal der Schriftsatz als "Berufung" überschrieben ist.
11
Hinzu kommt, dass das Landgericht den Schriftsatz zunächst selbst als Berufung behandelt und an den Beklagtenvertreter zugestellt hat. Schließlich hat das Berufungsgericht nicht über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe entschieden , weil es der Formulierung im Schriftsatz vom 11. Januar 2010 offensichtlich keinen solchen ausdrücklichen Antrag entnommen hat. Enthält der am letzten Tag der Berufungsfrist eingegangene Schriftsatz allerdings keinen wirksamen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, spricht dies zusätzlich dafür, dass stattdessen das vollständig vorliegende Rechtsmittel nebst Begründung wirksam und somit unbedingt eingelegt werden sollte.
12
c) Weil der Schriftsatz vom 11. Januar 2010 sämtliche formellen Voraussetzungen an eine Berufung und Berufungsbegründung enthält und jedenfalls Zweifel verbleiben, ob das Rechtsmittel lediglich bedingt eingelegt und begründet werden sollte, liegt ein unbedingt eingelegtes und begründetes Rechtsmittel vor. Die Rechtsmittelfrist ist damit gewahrt. Auf die Rechtsbeschwerde der Klä- gerin ist die angefochtene Entscheidung deswegen aufzuheben und das Verfahren zur Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
Hahne Weber-Monecke Wagenitz Dose Günter
Vorinstanzen:
AG Rostock, Entscheidung vom 09.12.2009 - 47 C 287/09 -
LG Rostock, Entscheidung vom 04.03.2010 - 1 S 8/10 -

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.