Beschluß des VG München vom 13. 1. 2005 - M 6b S 04.5843 zur Wirkung der Entziehung der Fahrerlaubnis hinsichtlich zweiter EU-Fahrerlaubnis

published on 30/03/2007 18:38
Beschluß des VG München vom 13. 1. 2005 - M 6b S 04.5843 zur Wirkung der Entziehung der Fahrerlaubnis hinsichtlich zweiter EU-Fahrerlaubnis
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, Straßenverkehrsrecht, Europarecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB


VG München hat in seinem Beschluß vom 13. 1. 2005 zum Az: M 6b S 04.5843 ausgeführt, dass die Entziehung einer Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht gleichzeitig die Aberkennung des Rechts, von ausländischen Fahrerlaubnissen im Inland Gebrauch zu machen beinhalten würde, wenn dem Gericht die Existenz einer ausländischen Fahrerlaubnis nicht bekannt war.

Auch sollten ausländische Fahrerlaubnisse, die vor einer strafrichterlichen Entziehung erteilt worden wären, auch nach Ablauf der Sperrfrist nicht (mehr) zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigen. Eine erneute Aberkennung des Rechts, von ausländischen Fahrerlaubnissen im Inland Gebrauch zu machen soll daher überflüssig sein.


Zum Sachverhalt:
Der Ast. erwarb erstmals 1985 bzw. 1986 eine italienische Fahrerlaubnis. 1990 wurde die Fahrerlaubnis des Ast. in eine deutsche Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt) „umgeschrieben“. Nach Verlegung des Wohnsitzes nach Rom stellte die Republik Italien dem Ast. 1998 einen bis zum Jahr 2008 gültigen Führerschein für die Klassen A und B aus. Seit dem Jahr 2003 lebt der Ast. im Zuständigkeitsbereich des Ag.

Mit Urteil des AG München ist der Ast. unter anderem der Trunkenheit im Verkehr in drei selbstständigen Fällen schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist; weiterhin ist dem Ast. die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen worden, ihm vor Ablauf von noch drei Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Anlässlich einer Verkehrskontrolle stellten Polizeibeamte fest, dass der Ast. ohne deutsche Fahrerlaubnis am Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug teilnahm. Daraufhin erkannte der Ag. dem Ast. unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Recht ab, von seiner italienischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Nr. 1) und forderte ihn auf, seinen Führerschein binnen sieben Tagen nach „Rechtskraft“ des Bescheids bei der Führerscheinstelle abzugeben (Nr. 2). Für den Fall der Nichtbefolgung der Aufforderung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro angedroht (Nr. 3).

Den hiergegen gerichteten Eilantrag lehnt das VG ab.

Aus den Gründen:
Der Antrag war gem. § 88 VwGO dahin gehend auszulegen, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nur hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids begehrt wird. Hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids bedarf es keines vorläufigen Rechtsschutzes, weil der Führerschein gegenwärtig mangels „Rechtskraft“ (gemeint: Bestandskraft) des Bescheids ohnehin nicht abgegeben werden muss.

1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die verfügte Aberkennung des Rechts, von der italienischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für einen im Rechtsweg geltend gemachten Rechtsbehelf fehlt unter anderem, wenn der Rechtsschutzsuchende mit einer Klage oder mit einem Antrag keine Verbesserung seiner Rechtsstellung erreichen kann, der eingelegte Rechtsbehelf also mit anderen Worten nutzlos ist.

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Auf Grund des Urteils des AG München ist der Ast. nicht mehr berechtigt, im Bundesgebiet ein Kraftfahrzeug zu führen. Die verfügte Aberkennung des Rechts, von der italienischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu dürfen, geht damit - ebenso wie die Anordnung der sofortigen Vollziehung - ins Leere; die begehrte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen diese Anordnung würde am Verlust der Fahrerlaubnis nichts ändern. Im Einzelnen:

a) Nach der Grundregel des § 28 I 1 FeV dürfen Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis (wie vorliegend der Ast.) oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz i.S. von § 7 I oder II FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, grundsätzlich im Umfang der erteilten Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge im Inland führen. Seit 2003 hat der Ast. (unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbs des italienischen Führerscheins) seinen ordentlichen Wohnsitz i.S. von § 7 FeV im Inland (zur weitgehend vergleichbaren Rechtslage für Inhaber einer von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erteilten Fahrerlaubnis, die keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland i.S. von § 7 FeV begründet haben, vgl. § 4 der Verordnung über Internationalen Kraftfahrzeugverkehr - VOInt - in der derzeit gültigen Fassung).

§ 28 I 1 FeV setzt Art. 1 II der Richtlinie 91/439/EWG in nationales Recht um. Nach dieser gemeinschaftsrechtlichen Regelung, die trotz ihres formalen Richtliniencharakters die Voraussetzungen der so genannten unmittelbaren Wirkung erfüllt, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine

VG München: Wirkung der Entziehung der Fahrerlaubnis hinsichtlich zweiter EU-Fahrerlaubnis NZV 2005 Heft 8 440
 

gegenseitig anzuerkennen. Auf Grund von Art. 1 II der Richtlinie 91/439/EWG in der derzeit gültigen Fassung und auf Grund § 28 I FeV sind die Inhaber einer gültigen EU- bzw. EWR-Fahrerlaubnis mit Wohnsitz im Inland daher ohne weiteres befugt, im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Berechtigung des ausländischen Führerscheins bzw. der ausländischen Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge zu führen. Es bedarf auch keiner förmlichen Umschreibung des EU- bzw. EWR-Führerscheins, weil die Inhaber von in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnissen allein auf Grund der Innehabung der EU- bzw. EWR-Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen in den anderen Mitgliedstaaten berechtigt sind.

b) Die grundsätzliche Berechtigung nach § 28 I 1 FeV steht aber unter dem ausdrücklichen Vorbehalt von Einschränkungen nach § 28 II-IV FeV.

Nach § 28 IV Nr. 3 FeV gilt die Berechtigung des § 28 I FeV, im Umfang der ausländischen Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben.

Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Ast. erfüllt: Ihm ist mit Urteil des AG München die Fahrerlaubnis rechtskräftig entzogen worden. Damit hat der Ast. sowohl die 1990 ausgestellte deutsche Fahrerlaubnis als auch die 1998 ausgestellte italienische Fahrerlaubnis verloren. Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch das AG München hat nämlich hinsichtlich der italienischen Fahrerlaubnis die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der italienischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 69b I 1 StGB). Bis heute wurde dem Ast. von keiner deutschen Behörde eine Fahrerlaubnis oder das Recht wiedererteilt, von der italienischen Fahrerlaubnis im Inland (wieder) Gebrauch machen zu dürfen. Deshalb geht die verfügte Aberkennung des Rechts, von der italienischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch machen zu dürfen, ins Leere.

c) Europäisches Gemeinschaftsrecht steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

aa) Zwar verbürgt Art. 1 II der Richtlinie 91/439/EWG das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine. Dieses Prinzip darf nicht unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht eingeschränkt werden. Das Gemeinschaftsrecht ist jedoch nicht auf vollständige Harmonisierung hinsichtlich der Führerscheinerteilung und Führerscheinentziehung ausgerichtet, sondern enthält zum Teil nur Mindestanforderungen, die einer strikteren Ausformung im Recht des einzelnen Mitgliedstaats jedenfalls nicht grundsätzlich entgegenstehen.

Dies zeigt Art. 8 II der Richtlinie 91/439/EWG, der es - vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips - dem Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes gestattet, auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anzuwenden. Ergänzend ist in Art. 8 IV der Richtlinie 91/439/EWG ausgeführt, dass es ein Mitgliedstaat ablehnen kann, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in Art. 8 der Richtlinie 91/439/EWG genannten Maßnahmen - Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis - angewendet wurde.

Diese Regelungen bewirken, dass die durch das AG München ausgesprochene Aberkennung des Rechts, von der italienischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, mit vorrangigem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

bb) Das Urteil des EuGH vom 29. 4. 2004 steht dem nicht entgegen.

Gegenstand der Entscheidung war in erster Linie die Frage, ob ein Mitgliedstaat der EU prüfen darf, ob ein Führerscheininhaber, dem ein anderer Mitgliedstaat eine EU-Fahrerlaubnis ausgestellt hat, dort seinen ordentlichen Wohnsitz hatte. Dies hat der Gerichtshof verneint. Weiter wurde entschieden, „dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins nicht deshalb ablehnen darf, weil im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats für den Inhaber des Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Staat erteilten Fahrerlaubnis angewendet wurde, wenn die zusammen mit dieser Maßnahme angeordnete Sperrfrist für die Neuerteilung abgelaufen war, bevor der Führerschein von dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist“. In dem vom EuGH entschiedenen Fall ging es somit um die Frage, ob einer Person die Anerkennung der Gültigkeit einer Fahrerlaubnis versagt werden kann, die nach bestandskräftiger Entziehung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der angeordneten Sperrfrist von einem anderen Mitgliedstaat erworben wurde.

Damit unterscheidet sich der vom EuGH beurteilte Sachverhalt jedoch grundlegend von der vorliegenden Fallkonstellation der Entziehung einer früher erworbenen EU-Fahrerlaubnis. Zu der im vorliegenden Fall maßgeblichen Frage der Fortgeltung einer bereits früher erteilten EU-Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer inländischen Fahrerlaubnis ist aus dem genannten Urteil somit nichts abzuleiten.

2. Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Antrag - wäre der Ast. vor Erlass des Bescheids noch berechtigt gewesen, von seiner italienischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen - insoweit jedenfalls unbegründet gewesen wäre. (Wird ausgeführt.)

 

 

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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Eine Fahrerlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Bewerber seinen ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat. Dies wird angenommen, wenn der Bewerber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden berufliche
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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Eine Fahrerlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Bewerber seinen ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat. Dies wird angenommen, wenn der Bewerber wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, das heißt während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt. Ein Bewerber, dessen persönliche Bindungen im Inland liegen, der sich aber aus beruflichen Gründen in einem oder mehreren anderen Staaten aufhält, hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne dieser Vorschrift im Inland, sofern er regelmäßig hierhin zurückkehrt. Die Voraussetzung entfällt, wenn sich der Bewerber zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer in einem solchen Staat aufhält.

(2) Bewerber, die bislang ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten und die sich ausschließlich zum Zwecke des Besuchs einer Hochschule oder Schule in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufhalten, behalten ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland.

(3) Bewerber, die bislang ihren ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hatten und die sich ausschließlich wegen des Besuchs einer Hochschule oder Schule im Inland aufhalten, begründen keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland. Ihnen wird die Fahrerlaubnis erteilt, wenn die Dauer des Aufenthalts mindestens sechs Monate beträgt.