Vergabekammer Südbayern Beschluss, 31. Jan. 2019 - Z3-3-3194-1-35-10/18

31.01.2019

Gericht

Vergabekammer Südbayern

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Ausgestaltung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens, insbesondere durch den Ausschluss von seilgezogenen Kabelpflügen ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert, in ihren Rechten verletzt ist.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin. Der Antragsgegner ist von der Entrichtung der Gebühr befreit.

3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Gründe

I.

Der Antragsgegner beabsichtigt die Leistung „A3: Abschnitt K.-P., Neubau einer Kabelschutzrohranlage incl. LWL-Kabeln“ im Rahmen der Baumaßnahme A 3 R.- P. in 3 Losen zu vergeben. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte am 08.09.2018 im Rahmen einer europaweiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union im Wege eines offenen Verfahrens. Nach Ziffer II.1.6) der europaweiten Bekanntmachung sind Angebote nur für ein Los möglich und maximal kann nur ein Los an einen Bieter vergeben werden. Einziges Zuschlagskriterium ist jeweils der Preis. Nebenangebote wurden nicht zugelassen (Ziff. II.2.10) der Bekanntmachung.

Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde der 10.10.2018, 09.00 Uhr, in der Bekanntmachung genannt.

In der jeweiligen Baubeschreibung der einzelnen Lose unter Ziffer 3.3.1 - Angaben zu Rohrtrassen - ist unter der Überschrift Verlegung mit Kabelpflug unter anderem folgendes ausgeführt:

„… Zur KSR-Verlegung mit Kabelpflug stehen nur 2 Bauverfahren zur Verfügung:

- Der selbstfahrende Pflug mit einem am Heck einer Raupe oder Schleppers angebrachten Vibrationsschwert.

- Der selbstfahrende Baggerpflug mit dem am Ausleger angebrachten Vibrationsschwert. Dieser eignet sich besonders zur Verlegung im fahrbahnnahen Bereich.

Die Verlegung mit einem vom Zuggerät mittels Seil gezogenen Pflug ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert ist wegen der erheblichen Flurschäden und wegen der unpräzisen Steuerung zur Verlegung neben bestehenden Fernmeldekabeln nicht zulässig. Da die Breite des Arbeitsstreifens bei grenznaher Verlegung begrenzt ist, kann ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen Zaun und dem Außenrand der Reifen dieser Pflüge nicht eingehalten werden. Bei weicheren Böden werden nach bisheriger Erfahrung die Pfosten des Wildschutzzauns durch den hohen Bodendruck der Reifen verdrückt und die KSR d50 gequetscht. Wird der Leitungsgraben in diesen Bereichen mit Pflugverfahren hergestellt, entfällt die im LV für gebaggerte Leitungsgräben geltende Position. …“

Nach Erhalt der Vergabeunterlagen rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.09.2018 gegenüber dem Antragsgegner die Vorgabe in der Baubeschreibung, wonach die Verlegung von Fernmeldekabeln mittels seilgezogenem Pflug ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert nicht zulässig sei, als vergabewidrig. Mit der Rüge wurde eine Studie der Hochschule München vom Oktober 2016 übersandt.

Der Antragsgegner half mit Schreiben vom 05.10.2018 der Rüge der Antragstellerin nicht ab.

Mehrere Bieter reichten bis zum Schlusstermin Angebote ein, teilweise für mehrere Lose. Die Antragstellerin hat kein Angebot abgegeben. Nach Ausschluss mehrerer Angebote blieb in Bezug auf Los 1 und Los 3 noch je ein Angebot in der Wertung. Bei Los 2 wurden alle Angebote ausgeschlossen.

Da der Rüge der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 18.10.2018 einen Nachprüfungsantrag und beantragte,

  • 1.das Vergabeverfahren aufzuheben und dem Antragsgegner aufzugeben, die Leistungen in einem vergaberechtlich einwandfreien Vergabeverfahren zu vergeben;

  • 2.hilfsweise weitere Vergabeverstöße festzustellen und das Verfahren in den Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen;

  • 3.der Antragstellerin unverzüglich Akteneinsicht gemäß § 165 I GWB zu gewähren;

  • 4.dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;

  • 5.festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.

Nach den Vergabeunterlagen sei bei der Verlegung mit Kabelflug keine Verlegung mit einem von einem Zuggerät seilgezogenem Pflug ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert wegen der angeblichen Flurschäden und unpräzisen Steuerung zulässig. Ein seilgezogener Kabelpflug sei dagegen speziell für die am Projekt zu 70% auftretenden Hanglagen mit erheblicher Quer- und Seitenneigung geländeschonender. Zudem sei dieser auch der leichtfüßigere, da dieser erheblich präziser an Hindernissen vorbeisteuern könne. Auch bei Abständen zu Hindernissen sei der seilgezogenen Pflug günstiger (0,7 m, für kurze Bereiche 0,3 m Abstand). Zusätzlich biete er weitere vorteilhafte Eigenschaften. Bei Arbeiten auf Felsböden, was vorliegend auch gegeben sei, besitze er erheblich mehr Reißkraft als Raupenpflüge. Auch würden beim nahen Passieren von Zaunpfosten diese von den Reifen nicht beeinträchtigt, weil das entsprechende Rad bei der Vorfahrt angehoben werden könne. Das von der Antragstellerin bevorzugte System „F.“ Kabelpflug sei ein System, das sowohl die Umwelt besser schone, als auch aus Effizienzgründen besser sei. Entgegen den Behauptungen des Antragsgegners bestehe keineswegs die Gefahr, dass ein bereits in der Erde liegendes Kabel beschädigt werden könne. Auch sei im Hinblick auf die vom Antragsgegner behaupteten Flur und Umweltschäden das System „F.“ führend und habe im Jahr 1993 die bayerische Umweltmedaille erhalten.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig, insbesondere sei die Antragstellerin antragsbefugt, da sie durch ihre Rügen und die Stellung des Nachprüfungsantrags ein Interesse an dem Auftrag dokumentiert habe und ihr durch den gerügten Vergabefehler ein Schaden drohe, da sie dadurch nicht das günstigste und umweltschonendste Verfahren des Systems F. anbieten könne.

Es liege ein Verstoß gegen § 7 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A vor, da es ein ungewöhnliches Wagnis der Antragstellerin auferlege. Durch den Verzicht auf den seilgezogenen Pflug würden erhöhte Schäden an der Grasnarbe auftreten, die mit erhöhten Kosten beseitigt werden müssten, obwohl die Möglichkeit der Zulassung eines seilgezogenen Pfluges beständen.

Auch liege ein Verstoß gegen § 7 EU Abs. 2 VOB/A vor. Gehe man davon aus, dass die Herstellung auch zu dem Gesamtprojekt zähle, liege gleichermaßen ein Verstoß gegen § 7 EU Abs. 2 VOB/A vor, da ein zulässiger Hersteller, nämlich die Firma F. mit ihrem Produkt ausgeschlossen werde, ohne dass es einen sachlichen Grund hierfür gebe.

Die Argumente der Vergabestelle seien durch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse belegt. Die vorgelegte Studie der Hochschule München betreffe ausdrücklich den Rohrleitungsbau und damit auch die Verlegung der hier ausgeschriebenen Kabelverlegearbeiten. Die Argumentation, es sei mit erheblichen Bodenschäden zu rechnen, sei falsch, wie auf Seite 23 der Studie ersichtlich sei. Dies gehe auch aus der Studie des Bundesamtes für Naturschutz (S. 67-69) hervor.

Bei dem gezogenen Pflug müsse der Boden meist nur einen Teil des Gerätegewichtes tragen. Es verblieben daher an der Bodenoberfläche im nachgiebigen Boden nur leichte Spuren, welche sich glätten ließen und schnell erholten. Die Antragstellerin verwies auf Seite 74 der Studie hinsichtlich Einwirkungen auf im Boden befindlichen Versorgungs- und Infrastruktureinrichtungen. Zudem verwies die Antragstellerin noch auf Seite 25 und 27 der Studie.

Die Befürchtung, dass das Seil reißen könne und insoweit schwingend auf die Autobahn gelangen könne sei falsch. Dies sei schon deshalb falsch, da das Seil so gelagert sei, dass es im Fall des Reißens ohne Schwingung auf den Boden falle. Das Einpflügen von Leitungen mit dem Föck-Verlegepflug sei eine automatisierte Verlegetechnik im Sinne des Schlussentwurfes der europäischen Norm EN 1610 - also ein vorschriftsmäßiges, dem Stand der Technik entsprechendes Verlegeverfahren.

Die Vergabekammer Südbayern informierte den Antragsgegner mit Schreiben vom 18.10.2018 über den Nachprüfungsantrag und forderte die Vergabeunterlagen an, die bei der Vergabekammer eingereicht wurden.

Mit Schreiben vom 22.10.2018 reichte die Antragstellerin eine Stellungnahme von Herrn Prof. Dr.-Ing. P. der Hochschule … vom 18.10.2018 nach, in dem dieser zu der Rügezurückweisung des Antragsgegners vom 05.10.2018 Stellung nahm. Die Antragstellerin wies darauf hin, dass diese Stellungnahme von Prof. Dr.-Ing. P. nicht bestätige, dass das gezogene Verlegegerät selbst erhebliche Flurschäden anrichte. Zudem weise er darauf hin, dass der gezogene Pflug aufgrund seiner Laufruhe eine sehr präzise Steuerung erlaube und tatsächlich auch das bessere Gerät sei. Ferner verwies die Antragstellerin auf die weiteren Ausführungen von Prof. Dr.-Ing. P. Mit Schreiben vom 02.11.2018 beantragte der Antragsgegner Folgendes:

1. Die (auch hilfsweisen) Nachprüfungsanträge werden zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Antragstellerin auf Akteneinsicht wird abgelehnt.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners.

Der Antragsgegner teilte mit, dass aus der Bestimmung in der Baubeschreibung unter 3.3.1 folge, dass in dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren sowie in dem früheren Verfahren … folgende Vergabearten zugelassen seien:

- „Offene Grabenbauweise

- Einsatz einer Kabelgrabenfräse

- Spülbohrverfahren

- Der selbstfahrende Pflug mit einem am Heck einer Raupe oder Schleppers angebrachten Vibrationsschwert (erörtert in der Studie P., Punkt 5.1, S. 14 durch die Antragstellerin …).“

In dem früheren Verfahren …, in dem die Antragstellerin den Zuschlag erhalten habe, habe sich diese über den Ausschluss der angebotenen Verlegeart hinweggesetzt und ihr sei deshalb gekündigt worden, aufgrund der erheblichen Flurschäden, die dabei entstanden seien.

Der Antragsgegner wies die Behauptung der Antragstellerin zurück, dass die Verlegung mittels seilgezogenen Pfluges ohne Eigenantrieb und ohne Vibrationsschwert die flurschonendere oder geeignetere Variante sei. Es habe deshalb nicht der Zulassung des seilgezogenen Pfluges wegen der erheblichen Flurschäden und Gefahren bedurft. Zudem begrenze die Antragstellerin den geländeschonenden Vorteil auf Hanglagen. Der Antragsgegner teilte mit, dass tatsächlich lediglich 5% der Trasse Hanglagen seien, entgegen der Behauptung der Antragstellerin von 70% der Trasse, so dass ein behaupteter geländeschonender Vorteil in Hanglagen beim streitgegenständlichen Projekt zu vernachlässigen sei.

Ein Ausschluss entsprechend der Baubeschreibung unter 3.3.1 aufgeführten Geräte sei erforderlich, da auf weiten Teilen der Strecke in 80 cm Tiefe und parallel zur neuen Kabeltrasse ein Streckenfernmeldekabel (Kupfer) verlegt sei, das bei den Verlegearbeiten nicht beschädigt werden dürfe. Der nach der Baubeschreibung ausgeschlossene seilgezogene Pflug ohne Eigenantrieb müsse sich aber, um die Zugkraft für den Kabelpflug entwickeln zu können, mit einem Stützschild tief in den Boden einrammen. Dabei bestehe die erhebliche Gefahr, dass das bereits verlegte Kabel beschädigt werde. Als Straßenbaulastträger könne der Antragsgegner aber keine Risiken für die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs eingehen. Auch wenn das Stützschild quer zu der zu pflügenden Stelle eingestochen werden könne, sei dennoch ein Einrammen in den Boden außerhalb der zu verlegenden Trasse erforderlich. Dadurch bestünde auch die Gefahr der Beschädigung des bereits verlegten Kabels, insbesondere bei engen Stellen.

Zudem wiesen die gezogenen Pflugsysteme mit einem Stahlseil den wesentlichen Nachteil auf, dass diese mit einem leistungsstarken Zugfahrzeug arbeiten, das sich in regelmäßigen Abständen mit einem massiven Rammschild ins Erdreich rammen und abstützen müsse und über einen Seilzug den Pflug heranziehe. Diese in Folge quer zur Kabeltrasse entstehenden Schlitze könnten Tiefen von 1,5 m und Breiten von 2,0 m oder mehr erreichen. Dies könne zur Zerstörung der Kabel durch Abscheren/Kappen führen. Zudem könnten auf diese Weise Flurschäden nicht nur längs, sondern auch quer zur Kabeltrasse entstehen.

Auch solle ein umweltschonendes Verfahren eingesetzt werden. Da bei seilgezogenem Pflug ohne Eigenantrieb ein zusätzliches Zugfahrzeug gebraucht werde und dieser über kein Vibrationsschwert verfügte, seien Schäden im Erdboden erheblich größer als die Spuren, die ein ausschreibungskonformes Gerät verursache.

Selbst der Hersteller F1. F. verweise in seinem Internetauftritt auf die Methode „geländeschonende Vibrationspflüge“. Schließlich werde ein Großteil der Arbeiten in unmittelbarer Nähe zum fließenden Verkehr ausgeführt und das gespannte Seil zwischen dem Zuggerät und dem Pflug ohne Eigenantrieb stelle ein nicht unerhebliches Gefahrenpotential dar, da das ziehende Stahlseil bei Kabelpflügen vom Typ F. reißen könne.

Weiter äußerte der Antragsgegner, dass die Studie von Prof. Dr.-Ing. P., der aus dem Bereich des Gasleitungsbaus komme, nicht mit den Fernmeldekabelanlagen vergleichbar sei. Diese Studie könne die von der Antragstellerin vorgetragenen Punkte nicht belegen. Seine Ansicht begründete der Antragsgegner noch näher und legte zudem Fotoaufnahmen vor.

Zwar könnten einige gezogene Pflugsysteme in schwierigem Gelände (z.B. bei Hanglage) einen leichten Vorteil haben. Aber lediglich 5% der Strecke sei in Hanglage und weitere Punkte seien problematisch. Die Flurschäden und aufwändiges Nacharbeiten des Pflugschlitzes einschließlich des Verdichtens seien bei gezogenen Systemen größer als bei Anbaugeräten. Anbaugeräte erzeugten einen „sauberen Schnitt und die gezogenen Geräte arbeiteten rein mechanisch und erzeugten den Pflugschlitz „mit roher Gewalt“.

Weiter führte der Antragsgegner aus, dass die Seilpflugsysteme ohne Vibration in zulässiger Weise ausgeschlossen worden sei. Bei gezogenen Systemen sei der Aufwurf am Pflugschlitz höher, sodass die Notwendigkeit von Nacharbeiten größer sei als bei Vibrationssystemen. Bei Vibrationssystemen stehe auch der klare Vorteil, dass größere Steine innerhalb der Trasse stärker nach oben transportiert werden, sodass sich um die neuverlegten Schutzrohre eine positive Ummantelung von feinkörnigem Material ergebe, während Pflüge ohne Vibrationsschwert nach oberflächlichem Verdichten erhebliche Hohlräume im Untergrund hinterlassen könnten. Deshalb sei der Einsatz von Seilpflügen ohne Vibration in sog. Bermen, wie sie hier gegeben seien, unzulässig.

Der hohlraumreichere Pflugschlitz müsse in hiesigen Bereichen der Donau, durch geeignete pumpfähige Dichtmassen verfüllt werden, was zusätzliche Baukosten im Vergleich zum Einsatz von Kabelpflügen mit Vibration verursache.

Zusammenfassend könne festgehalten werden, dass beim Einsatz des Kabelverlegepfluges an der Bundesautobahn, insbesondere an Bestandsstrecken, die Schwierigkeiten den Nutzen deutlich überwiegen. Auch sei in Bayern in einigen Landkreisen wegen der schweren Schäden durch Föckersprerger Pflüge das Pflügen mit diesen Geräten verboten.

Daraufhin nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 08.11.2018 Stellung und führte aus, dass der Antragsgegner als Anlage einen Prospekt der Firma F1. F. (rote Fahrzeuge) als Anl. B3 seinem Schreiben vom 02.11.2018 vorgelegt habe. Der Prospekt betreffe aber nicht das Gerät der Firma W. F. GmbH (grüne Fahrzeuge, Markennahme F.), das die Antragstellerin verwende. Die Gerätschaften seien bauartverschieden. Deshalb könne der Internetauftritt der Fa. F1. F. nicht als Maßstab dessen gelten, was die Geräte der Firma F. (ehemals W. F.) leisten könnten. Die Vergabestelle müsse im Falle eines Ausschlusses beweisen, dass das Gerät der Antragstellerin nicht für den Einsatz geeignet sei. Soweit sie dies nicht könne, sei das Gerät zuzulassen.

Der Antragsgegner übersehe, dass das System F. die Umwelt durch geringen Ressourceneinsatz schone, da kein Aushub, keine Durchmischung des Bodens und kein Abtragen des Mutterbodens erforderlich sei. Zudem seien keine naturschädigenden Vorarbeiten erforderlich, insbesondere könne auf die Entfernung von Bäumen und Sträuchern größtenteils verzichtet werden. Das von dem Antragsgegner vorgelegte Foto gebe keinerlei Aufschluss über eine Vergleichbarkeit. Es fehle eine vergleichbare Situation, in der ein Vibrationsflug am Trassenende, wie vorliegend, angekommen sei. Hierzu bedürfe es auch noch einer vergleichbaren Bodensituation. Es könne bedingt durch Witterungseinflüsse, beeinflusst durch Hanglagen, durchaus zu Flurschäden kommen. Eine Erklärung, wie diese Flurschäden allerdings bei dem Vibrationspflug ausgegangen wären, bleibe der Antragsgegner schuldig. Das einfache Bestreiten des Antragsgegners im Hinblick auf die fluorschonendere Variante sei unerheblich. Die Vergabestelle sei Monopolist und verpflichtet alle Geräte zuzulassen, die die Leistung gleichermaßen effektiv erbringen. Selbst wenn das Gerät „F.“ nicht flurschonender, aber auch nicht schlechter als der Vibrationspflug sei, wäre das Gerät zuzulassen.

Im Hinblick auf die Hanglage bleibe die Antragstellerin dabei, dass 70% der Trasse Hanglage sei, was sich aus der Ausführungsplanung zum Projekt ergäbe. Es werde bestritten, dass der seilgezogene Pflug mit vorhandenem Eigenantrieb größere Schäden im Erdboden verursache, als ein Vibrationspflug. Zudem könne der 70%ige Anteil an Hanglage explizit nur mit Seilzugunterstützung zur Einhaltung der Zielrichtung ausgeführt werden.

Auch bestehe keine Gefahr für Fernmeldekabel oder sonstige Kabel. Der Antragsgegner ignoriere die tatsächlichen Bauabläufe. Zunächst werde die Trasse abgesucht, dann die Trassenverläufe markiert, innerhalb der Trassenverläufe werde zwischen den roten Punkten alles abgesucht und geklärt, dass diese frei von Fremdanlagen sei, und erst dann würden neue Kabel verlegt. Das Gerät von F. könne das Stützschild auch abseits der Trasse in die Erde einrammen und quer dazu die neue Rohranlage verlegen. Deshalb sei es nicht davon abhängig, direkt in dem betroffenen Bereich sein Stützschild abzustützen. Dies könne auch seitlich außerhalb des Gefahrbereichs geschehen. Es bestehe deshalb bereits seitens des Geräts keinerlei Gefahr, dass ein Streckenfernmeldekabel beschädigt werde. Auch beim Einsatz eines Vibrationspflugs müsse im Vorfeld die Trasse erkundet werden, da auch er ein danebenliegendes Fernmeldekabel beschädigen könne. Da die Seillänge bei dem Gerät der Firma F. variabel sei, könne also die beste und sicherste Position gewählt werden.

Auch sei bei dieser Methode die Zugkraft wesentlich größer, als beim selbstfahrenden Vibrationspflug (max. Einsatzgewicht des Vibrationspfluges; auf dem deutschen Markt maximal 30 Tonnen). Der seilgezogene F. -Pflug leiste dagegen eine max. Zugkraft von 140 Tonnen.

Die Vergabestelle meine, dass seilgezogene Pflugsysteme einen wesentlichen Nachteil aufwiesen, weil sie ein Rammschild in das Erdreich einrammen müssten und über eine Winde den Pflug heranzögen. Dies sei aber gerade der Vorteil, da durch das Seilziehen eine wesentlich größere Zugkraft als bei einem Vibrationspflug entstehe.

Auch bestünden keine Gefahren durch das Seil, wie der Antragsgegner meine, wenn die Ablegereife des Seiles beachtet werde. Zudem sei der Trassenverlauf in der Regel an der Außengrenze des Autobahngrundes (in der Nähe des Wildzauns). Im gesamten Bauabschnitt von ca. 80 km befänden sich lediglich einige 100 m der Trasse im Abstand von ca. 2 m zur Standspur der Autobahn. Letztlich bestünde auch bei einem Seilbruch keinerlei Gefahren für das Umfeld, weil machart- und eigengewichtsbedingt das Spezialseil ohne Richtungsänderung zu Boden falle. Zusätzlich bestehe eine direkte Sichtverbindung für den Bediener zwischen Pflug und Winde entlang des Seiles.

Der vom Antragsgegner genannte Vorfall eines gerissenen Seils könne aufgrund mangelnder Informationen nicht bewertet werden. Auf Nachfrage bei der Firma W. F., habe diese ihr mitgeteilt, dass ein derartiger Vorfall nicht bekannt sei. Der Firma sei kein einziger Fall bekannt, in dem jemals ein Seil gerissen sei.

Hinsichtlich der Stellungnahme von Prof. P. könne diesem die Kompetenz nicht abgesprochen werden. Die Studie beziehe sich eindeutig auf die Grundlagen der Rohr-Pflüge-Technik, es komme nicht darauf an, dass dieser nicht aus dem Fernmeldebau komme. Im Übrigen verkenne die Vergabestelle, dass das Vibrationsverfahren sogar teilweise für die Kabel wesentlich gefährlicher sei, da die Vibration Steine in benachbarte Kabel drücken könne.

Auch bestünde eine zwingende Notwendigkeit an starken Hanglagen mit zusätzlicher Seitenneigung mit einem seilgezogenen Pflug zu arbeiten, um die erforderliche Einhaltung einer Zielrichtung wirksam zu überstützen. Diese Bauabschnitte könnten nicht mit Vibrationspflügen ohne Seilzugunterstützung bearbeitet werden.

Auch werde bestritten, dass Flurschäden und aufwändige Nacharbeiten des Pflugschlitzes einschließlich des Verdichtens mit dem seilgezogenen System generell größer seien als bei Anbaugeräten. Ebenso sei unzutreffend, dass Anbaugeräte einen saubereren Schnitt erzeugen.

Zudem sei unzutreffend, dass bei gezogenen Systemen der Aufwurf am Pflugschlitz höher sei, weil der Bodenaufwurf vorrangig durch die geologischen Gegebenheiten und den Feuchtigkeitsgrad des Bodens verursacht werde.

Auch der Vorteil, den die Vergabestelle in den Vibrationssystemen sehe, nämlich dass größere Steine innerhalb der Trasse stärker nach oben transportiert werden, so dass sich um die neuverlegten Schutzrohre eine positive Umwandlung von feinkörnigem Material ergebe, sei falsch, da durch die Vibration mehr Steine gelockert und im Pflugschlitz nach unten gelangten und bei der Rückverdichtung des Bodens einen Druck auf die Kabel- und Rohranlage ausübten.

Zudem werde bestritten, dass die in Anlage B8 zu sehende Trasse durch einen Vibrationspflug hergestellt worden sei. Dieser Trassenabschnitt sei im Jahre 2017 mit dem seilgezogenen F.-Pflug nachweislich auf der A 3 hergestellt worden. Beide Trassen der Anlage B8 und B9 seien mit demselben Gerät hergestellt worden. Ursache des großen Bodenaufwurfs bei Anlage B9 sei eine vorhandene, eingebaute Bodenstabilisierung mit Flussbettsteinen gewesen.

Die Ausbildung von Hohlräumen sei wiederum stark von den geologischen Bodenverhältnissen in der Verlegezone abhängig und betreffe beide Pflugsysteme in ähnlichem Umfang.

Auch die Behauptung des Antragsgegners zur Lage des Warnbandes sei unzutreffend. Die Vibrationspflüge verlegten das Warnband meist direkt über den Kabeln. Die Geräte der Firma W. F. GmbH hätten ein Patent, in dem das Warnband oberhalb seitlich neben die Rohre bzw. Kabel verlegt werde und damit die behaupteten Vorwürfe nicht eintreten können.

Bei den F. -Geräten werde das Zugseil über das Pflugpendel abgesenkt und angehoben, dadurch werde eine Beschädigung der Leitplanken verhindert. Auch werde bestritten, dass es in einigen Landkreisen verboten sei, Pflüge der Firma W. F. einzusetzen, dies habe eine Nachfrage ergeben. Ob dies bei Pflügen der Firma F1. F. anders sei, sei der Antragstellerin nicht bekannt. Auch würden in den genannten Landkreisen regelmäßig Pflugleistungen mit seilgezogenen F. -Pflügen ausgeführt. Diese Aussage stelle unzweifelhaft eine kartellrechtlich relevante Diskriminierung der F.-Pflugsysteme dar.

Der Antragsgegner habe keine besonderen Nachteile oder Vorteile der Systeme herausstellen können, die den Ausschluss rechtfertigen könnten. Der F.-Pflug könne auch bei schlechtem Wetter eingesetzt werden, da die Winde des Pflugs einen festen Stand habe und den Pflug selbst mittels seilgezogener Kraft heranziehe. Vibrationspflüge, die mit einer Raupe durchgeführt würden, würden abrutschen, wenn der Untergrund feucht und nass sei.

Entweder gehe man davon aus, dass es sich um ein verkapptes Leitfabrikat handle, in dem der Vibrationspflug vorgeschrieben sei oder es handle sich bei der strittigen Vorgabe um eine Umweltvorgabe, bei der die Vorgaben nicht klar und eindeutig erläutert worden sei. Der Ausschluss des seilgezogenen Pfluges sei unzulässig und das ausgeschlossene Gerät sei nicht nur gleichwertig, sondern besser als die geforderten Geräte. Es liege ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor, da alle Bieter, die über seilgezogene Pflüge verfügten, ausgeschlossen werden. Letztlich liege auch ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor, da die Verlegung mit dem System Föck deutlich günstiger sei, als mit vergleichbaren Systemen.

Mit Verfügung vom 13.11.2018 wurde die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer bis 31.01.2019 verlängert.

Mit Schreiben vom 13.11.2018 wurden die Antragstellerin und der Antragsgegner zur mündlichen Verhandlung am 18.12.2018 um 10.00 Uhr geladen.

Der ehrenamtliche Beisitzer hat mit Schreiben vom 13.11.2018 die Entscheidung über den Umfang der Akteneinsicht, über Beiladungen und Verfahrenseinstellungen nach Rücknahme oder anderweitiger Erledigung auf den Vorsitzenden und den hauptamtlichen Beisitzer übertragen.

Mit Schreiben vom 19.11.2018 nahm der Antragsgegner nochmals Stellung und führte aus, dass lediglich eine bestimmte Verlegeart ausgeschlossen worden sei und nicht ein bestimmter Hersteller. Es komme nicht darauf an, ob die Antragstellerin Verlegegeräte der Firma W. F. oder der Firma F1. F. zum Einsatz bringen möchte.

Insbesondere sei der Antragsgegner kein Monopolist, da er nicht der einzige Abnehmer von Kabelverlegeleistungen im süddeutschen Raum sei.

Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin seien lediglich 5% der Trasse in Hanglage zu verlegen.

Das vorhandene Fernmeldekabel sei nicht immer geradlinig verlegt, insbesondere weil Muffen und Reserven ausgebogen worden seien. Zwar seien die Trassenverläufe markiert. Die Abweichungen mit der erforderlichen Genauigkeit zu orten, sei allerdings aufwendig und es müsse bezweifelt werden, dass eine solche genaue Ortung unter Baustellenbedingungen hinreichend gut ausgeführt werden könne. Präzise Untersuchungen würden das Verfahren zudem unwirtschaftlich machen. In diesen Bereichen sei sogar eine pfluglose Verlegeart zu wählen.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, dass es darauf ankomme, dass von einem gerissenen Seil grundsätzlich eine Gefahr ausgehe und dies nicht vom Hersteller abhängig sei.

Dem Antragsgegner sei kein Fall bekannt, in dem Steine in benachbarte Kabel gedrückt hätten, wodurch das Vibrationsverfahren gemäß Ansicht der Antragstellerin wesentlich gefährlicher sein solle. Bei zu geringem Abstand zum bereits verlegten Streckenfernmeldekabel sei gerade in den Vergabeunterlagen zwingend auf pfluglose Verlegearten in der Bauschreibung verwiesen worden. In Bereichen, in denen zusätzlich zum Bestandskabel noch weitere Kabelschutzrohre verlegt werden müssten, solle der Leitungsgraben mittels Bagger oder Bodenfräse hergestellt werden. Gleiches gelte für beengte Verhältnisse, wenn wegen Zwangspunkten der Sicherheitsabstand von 1,00 m zwischen dem geplanten Leitungsgraben und dem bestehenden Streckenfernmeldekabel nicht eingehalten werden könne.

Bei einem gespannten Stahlseil könne die Gefahr für die Verzinkung der Schutzplanken grundsätzlich, aber insbesondere in engen Arbeitsbereichen, nicht ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der Arbeiten an Böschungen habe der Antragsgegner nur zum Ausdruck bringen wollen, dass für den Fall von Verlegearbeiten in der Böschung ein Pflugverfahren nicht zur Anwendung kommen könne, da die Böschung nicht mit einem Gespann befahren werden dürfe. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass an den genannten Landratsämtern kein Verbot ausgesprochen worden sei, diese jedoch aus den von dem Antragsgegner angeführten Gründen die Verlegeart „seilgezogener Pflug ohne Vibration“ ebenfalls ausschlössen.

Wie ausgeführt, handle es sich bei dem Ausschluss der Verlegart „Seilpflug ohne Vibration“ um eine eindeutige Umweltvorgabe, da die ausgeschlossene Verlegeart nicht geländeschonend sei. Die Antragstellerin habe hierfür in dem Vergabeverfahren … selbst den Beweis geliefert. Die Kündigung dieses Vertrags lasse im Übrigen an der Zuverlässigkeit der Antragstellerin zweifeln. Der Ausschluss der streitgegenständlichen Verlegeart sei zulässig. Eine Bevorzugung von Vibrationspflügen bestehe nicht. Im Übrigen verwies der Antragsgegner auf seine früheren Ausführungen.

Mit Schreiben vom 22.11.2018 führte die Antragstellerin aus, dass der Antragsgegner hinsichtlich der Hersteller sachlich nicht differenziert habe, da es bei der Verlegeart unterschiedliche Geräte gebe. Das Gerät der Firma W. F. sei ein umweltschonendes Gerät und weise zum Gerät der Firma F1. F. technische Unterschiede auf. Es sei unverhältnismäßig, eine gesamte Verlegeart auszuschließen, weil möglicherweise ein Gerät nicht den Anforderungen der Vergabestelle entspreche.

Es stelle sich die vergaberechtliche Frage, ob die Vergabestelle im vorliegenden Fall nicht rechtsfehlerhaft Zuschlagskriterien in das Leistungsverzeichnis ausgelagert habe. Nach § 127 GWB sei es der Vergabestelle möglich, auch umweltbezogene Aspekte zu berücksichtigen. Es könnte nämlich eine Diskriminierung derjenigen Unternehmen eintreten, die mit den Geräten der Firma W. F. arbeiten. Damit habe die Antragsgegnerin auch das Verfahren verletzt.

Die Vergabestelle unterliege auch einem laufenden Widerspruch in ihren Ausführungen, so sei der Einsatz eines seilgezogenen Pfluges ohne Eigenantrieb ausgeschlossen. Der Pflug der Antragstellerin besitze allerdings einen Eigenantrieb.

Entgegen der Darstellung des Antragsgegners handle es sich um ca. 61,2% Hanglage, in der die neu zu errichtende Trasse zu verlegen sei. Anzumerken sei, dass den Plänen lediglich die Querneigungen, nicht aber die Steigungen im Gelände zu entnehmen seien. Entsprechend könne auch nur die Querneigung berücksichtigt werden. Unter Einbezug der tatsächlich vorherrschenden Längssteigerungen im Gelände handle es sich um die bereits mehrmals geschilderte ca. 70%ige Hanglage. Dies lasse sich durch die nachfolgend beigefügten Ausführungspläne ersehen.

Der Antragsgegner könne nicht den Vorteil der von ihm präferierten Kabelpflüge darzustellen. Bei allen Verlegearten komme es auf eine sorgfältige Überprüfung an. Die Behauptung man könne Leitungen nicht mit der erforderlichen Genauigkeit orten, sei falsch. Mit modernen Leitungsortungsgeräte sei dies möglich. Moderne Geräte hätten automatische Bedienelemente mit Auto-Modus die speziell dafür ausgelegt seien, menschliche Fehler während des Ortungsprozesses zu reduzieren. Dadurch verhinderten die Geräte das Beschädigen unterirdischer Leitungen während der Grabungsarbeiten. Zudem werde verkannt, dass das Orten der Fernmeldekabel als Nebenleistung (Baubeschreibung 3.3.1 Angabe zur Rohrtrasse, Allgemeines Abs. 4) vom Auftragnehmer zu leisten sei.

Der vom Antragsgegner geschilderte Vorfall habe offensichtlich nicht einmal stattgefunden. Die genannten Zeugen könnten sich nicht erinnern. Die Seile hätten eine so erhebliche Sicherheit, dass sie selbst unmittelbar nach Ablegereife nicht rissen.

Hinsichtlich der Leitplanken verfüge das System W. F. über eine geeignete Hebevorrichtung, in der das Seil gerade nicht die Leitplanke berühre.

Hinsichtlich der Arbeiten an Böschungen teilte die Antragstellerin noch mit, dass es weder Sinn mache noch die Notwendigkeit bestehe mit einem Gespann (LKW + Anhänger) eine Böschung zu befahren. Ferner sei die erforderliche Verlegegenauigkeit gegeben.

Auch gebe es bei den Ausschreibungsunterlagen „Allgemeinen Spezifikation für den Neubau von LWL-Kabelschutzrohranlagen“ unter 3.1.4 „Verlegen von Kabelschutzrohren mittels Kabelpflug“ Widersprüchlichkeiten, da die in Absatz 2 geforderte Verlegetiefe von 1,2 m mit auf dem deutschen Markt befindlichen Vibrationspflügen ausschließlich mit Zugkraftunterstützung mittels Seilwinde möglich sei. Abs. 4 stehe im Widerspruch zur Argumentation der Vergabestelle vom 02.11.2018, da der Antragsgegner grundsätzlich davon ausgehe, dass beim Vibrationspflug von einer Hohlraumbildung auszugehen sei.

Die Auslagerung der Zuschlagskriterien in das Leistungsverzeichnis führe zu einer ungerechtfertigten Diskriminierung einzelner Unternehmen, obwohl diese hochwertigere Leistungen erbringen könnten. Dadurch dass zwei namhafte Seilpflughersteller ausgeschlossen würden, würden mehr als 50% der Wettbewerber ausgeschlossen. Der pauschale Ausschluss bestimmter Herstellungsmethoden führe zu einer Vermischung von Verfahrens- und materiellen Vorgaben, die zu einer Ungleichbehandlung nach § 97 Abs. 2 GWB führten.

Die Vergabekammer teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 10.12.2018 mit, dass Akteneinsicht derzeit nicht gewährt werden könne, da eine über die Angaben in Nr. 3.3.1 der Baubeschreibung hinausgehende Begründung in den vorliegenden Vergabeunterlagen nicht vorliege. Auf eine entsprechende Anfrage der Vergabekammer habe der Antragsgegner nicht reagiert. Die Vergabekammer gehe deshalb derzeit davon aus, dass eine weitere Begründung in den Vergabeunterlagen nicht vorhanden sei.

Mit E-Mail vom 11.12.2018 teilte der Antragsgegner mit, dass er das Vergabeverfahren wegen zwingenden Änderungen der Vergabeunterlagen aufgehoben habe.

Daraufhin beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.12.2018: 1) Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Aufhebung der Ausschreibung in ihren Rechten verletzt ist.

2) Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3) Der Antragsgegner hat die Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin zu tragen.

Es bestehe vorliegend ein Feststellungsinteresse, da zum einen der Beschluss der Vergabekammer Bindungswirkung für einen Schadensersatzprozess habe und zum anderen zum wiederholten Male seitens der Vergabestelle derselbe Fehler Inhalt des Vergabeverfahrens geworden sei, sodass in diesem Falle auch eine drohende Wiederholungsgefahr dies rechtfertige. Der Antragsgegner habe das Verfahren wegen grundlegender Überarbeitung der Vergabeunterlagen und nicht wegen des Wegfalls des Beschaffungsinteresses aufgehoben, so dass die Gefahr eines neuerlichen Verstoßes nicht ausgeschlossen werden könne. Die beantragte Feststellung sei auch geeignet, die Rechtsposition der Antragstellerin zu verbessern und eine Beeinträchtigung ihrer Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern. Jedenfalls seien Schadensersatzansprüche nicht offensichtlich aussichtslos, da bereits erste Kosten der Angebotserstellung angefallen seien. Ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens sei gegeben. Der Nachprüfungsantrag sei in Bezug auf den nunmehrigen sowie auch den ursprünglichen Antrag begründet, da die Antragstellerin aufgrund der Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt worden sei. Durch die Aufhebungsentscheidung habe der Antragsgegner anerkannt, dass die von ihm erstellten Vergabeunterlagen fehlerhaft gewesen seien und damit ein Verstoß gegen § 97 GWB vorliege. Die Aufhebung selbst werde nicht angegriffen. Der Grund für die Aufhebung nach § 17 VOB/A EU dürfte nach Auffassung der Antragstellerin darin liegen, dass die Vergabeunterlagen einer grundsätzlichen Änderung bedürften und dieser Grund sei vom Antragsgegner zu vertreten.

Mit E-Mail vom 17.12.2018 korrigierte der Antragsgegner sein Aufhebungsschreiben. Gemäß der Mitteilung an die Bieter vom 17.12.2018 wurde das Verfahren aufgehoben, weil die Vergabeunterlagen grundlegend geändert werden müssten. Diese Mitteilung ersetze die Mitteilung vom 11.12.2018.

Der Antragsgegner teilte auf Anfrage der Vergabekammer mit E-Mail vom 17.12.2018 mit, dass in den Vergabeunterlagen eine über die Angaben in Nr. 3.3.1 der Baubeschreibung S. 33 hinausgehende Begründung des Ausschlusses seilgezogener Pflüge ohne Eigenantrieb nicht vorhanden sei.

Am 18.12.2018 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Zudem wurden die Anlagen AG1 bis AG8 und Anlage AG10 erörtert.

Der Antragsgegner äußerte auf Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer, dass es keine konkreten Auflagen der Naturschutzbehörde zum Erhalt bestimmter schützenswerter Strukturen gebe. Ziel sei es, die Kabel möglichst nachhaltig und schonend einbringen zu lassen. Weiter äußerte der Antragsgegner, dass es vorliegend noch keine Ausführungspläne gebe. Die Anl. ASt 12 ff. seien keine aktuellen Ausführungspläne, sondern gehörten zu einem früheren aufgehobenen Verfahren. Aus den Ausführungsplänen ergebe sich nicht ganz exakt, wo gepflügt werden darf und wo nicht. Dies werde - wie auch der genaue Verlauf der Kabelgräben - erst vom Auftraggeber mit dem Auftragnehmer nach Begehung mit der Naturschutzbehörde festgelegt.

Hinsichtlich der Vergabe Nr. … (Verlegeleistungen an A3 im Abschnitt R. bis Sch… - Los 1 - 2) wurde seitens des Antragsgegners vorgetragen, dass derzeit ein Rechtsstreit mit der Antragstellerin wegen der Kündigung dieses Auftrags beim Landgericht anhängig sei. Kündigungsgrund sei, dass die Qualität nicht den Vorgaben entsprochen habe und es Probleme bei der zeitlichen Umsetzung gegeben habe.

Die Antragstellerin beantragte - in Änderung des Antrags Nr. 1 vom 12.12.2018 - die Rechtswidrigkeit des Ausschlusses seilgezogener Pflüge ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert festzustellen und hielt im Übrigen an ihren Anträgen Nr. 2 und 3 im Schreiben vom 12.12.2018 fest. Der Antragsgegner beantragte den Antrag abzuweisen. Im Übrigen wird auf das Protokoll verwiesen.

II.

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

1. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.

Gegenstand der Vergabe ist ein Bauauftrag i.S.d. § 103 Abs. 1, 3 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der Auftrag ist Teil einer Gesamtmaßnahme deren geschätzter Gesamtauftragswert den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 5.248.000 Euro überschreitet.

Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 - 109 GWB liegt nicht vor.

2. Der Fortsetzungsfeststellungsantrag ist zulässig. Neben einer Erledigung liegen die Zulässigkeit des ursprünglichen Nachprüfungsantrags sowie ein Feststellungsinteresse der Antragstellerin vor. Durch die Erklärung der Antragsgegnerin, dass sie das Vergabeverfahren aufhebt, hat sich der ursprüngliche Nachprüfungsantrag erledigt.

Der Nachprüfungsantrag war zulässig. Insbesondere war auch die Antragsbefugnis der Antragstellerin gem. § 160 Abs. 2 GWB gegeben. Danach ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem zu vergebenden öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Nach § 160 Abs. 2 GWB ist weiter darzulegen, ob hierdurch ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Durch den Ausschluss der Leistungserbringung durch einen seilgezogenen Pflug im LV war die Abgabe eines derartigen Angebots durch die Antragstellerin von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Schaden besteht darin, dass die Antragstellerin keine Chance erhalten hat ein zuschlagfähiges Angebot abzugeben.

Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB entgegen, da die Antragstellerin bereits vor Angebotsabgabe mit Schreiben vom 27.09.2018 gerügt hat, dass in der Baubeschreibung unter Titel 3.3.1 die Verlegung mit einem von einem Zuggerät mittels Seil gezogenem Pflug ohne Eigenantrieb und ohne Vibrationsschwert wegen erheblicher Flurschäden und wegen der unpräzisen Steuerung zur Verlegung neben bestehender Fernmeldekabeln als unzulässig ausgeschlossen wurde.

Die Antragstellerin kann auch das erforderliche Feststellungsinteresse geltend machen. Ein Feststellungsantrag nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB setzt nach allgemeiner Auffassung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Feststellungsinteresse voraus (z.B. OLG München, Beschluss vom 19.07.2012, Verg 8/12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2013, VII-Verg 55/12; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.02.2009, 1 Verg 4/08). Dies ergibt sich bereits aus den allgemeinen prozessualen Grundsätzen, nach denen die Inanspruchnahme eines Gerichts bzw. der Vergabekammer nicht zulässig ist, wenn kein berechtigtes Interesse vorliegt. Zur Bestimmung eines solchen Feststellungsinteresses kann auf die Grundsätze anderer Verfahrensordnungen, insbesondere zur Fortsetzungsfeststellungsklage nach der Verwaltungsgerichtsordnung zurückgegriffen werden (VK Hessen, Beschluss vom 31.7.2002, 69d-VK-14/2002; VK Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25.01.2012, VK-SH 24/11).

Ein solches Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falls anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition der Antragstellerin in einem der genannten Bereiche zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern.

Das erforderliche Feststellungsinteresse ist aufgrund einer drohenden Wiederholungsgefahr zuzubilligen. Eine Wiederholungsgefahr ist dann gegeben, wenn sich die Antragstellerin auf Rechtsverletzungen berufen hat, die ihrer Art nach eine gleichartige Wiederholung besorgen lassen. Da die Antragsgegnerin - wenn sie auch das streitgegenständliche Vergabeverfahren aufgehoben hat, weil die Vergabeunterlagen grundlegend überarbeitet werden müssen - bis zuletzt den Ausschluss der Leistungserbringung mittels seilgezogenem Pflug gerechtfertigt hat, lässt dies eine gleichartige Wiederholung besorgen.

3. Der Feststellungsantrag ist auch begründet

3.1 Der Antragsgegner hat seinen Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der Ausführungsart im Rahmen der Leistungsbestimmung nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Er hat dieses Versäumnis im Vergabeverfahren auch nicht behoben. Durch den pauschalen Ausschluss der Verlegung mit einem von einem Zuggerät mittels Seil gezogenen Pflug ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert wurden die Grundsätze der Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit durch den Antragsgegner verletzt.

Die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers umfasst nicht nur die Frage, ob und was beschafft werden soll (die eigentliche Leistungsbestimmung - hier der Neubau der Kabelschutzrohranlage incl. LWL-Kabeln entlang der A3). Der öffentliche Auftraggeber kann im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts auch festlegen, wie die Leistung auszuführen ist. Allerdings muss gerade in diesen Fällen die Bestimmung der Art der Leistungsausführung sachlich gerechtfertigt sein und es müssen dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe vorliegen. Die Festlegung muss willkür- und diskriminierungsfrei erfolgen (vgl. OLG Düsseldorf vom 07.06.2017, Verg 53/16). Eine ordnungsgemäße Ausübung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen setzt voraus, dass der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt wurde, dass Verfahrensgrundsätze eingehalten wurden, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind, die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte angemessen und vertretbar gewichtet wurden und der gesetzliche bzw. ein selbst von der Vergabestelle vorgegebener Rahmen bzw. Maßstab beachtet wurde (OLG München, Beschluss vom 09.03.2018, Verg 10/17; vgl. auch OLG München, Beschluss vom 07.04.2011, Verg 5/11).

Der EuGH hat jüngst nochmals betont, dass die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz bei der Festlegung technischer Spezifikationen aufgrund der Gefahren einer Diskriminierung im Zusammenhang mit deren Auswahl oder der Art und Weise ihrer Formulierung eine entscheidende Bedeutung haben (EuGH Urteil vom 25.10.2018 Rs. C-413/17; so auch schon EuGH, Urteil vom 10. Mai 2012, Kommission/Niederlande, C-368/10, Rn. 62 zur Richtlinie 2004/18). Da Art. 42 Abs. 1 UA 2 der Richtlinie 2014/24/EU und die nationale Umsetzungsnorm § 31 Abs. 3 Satz 2 VgV auch den Prozess oder die Methode zur Erbringung der Leistung als technische Spezifikation ansehen, gilt dies gerade auch für Vorgaben zur Ausführung der Leistung.

Nach den Vorgaben des EuGH sind die Art. 18 und 42 der Richtlinie 2014/24/EU dahin auszulegen, dass sie von dem öffentlichen Auftraggeber verlangen, dass die technischen Spezifikationen insgesamt die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit wahren (EuGH Urteil vom 25.10.2018 Rs. C-413/17). Die Nachprüfungsinstanzen haben zu prüfen, ob die Detailliertheit der in Rede stehenden technischen Spezifikationen unter Berücksichtigung des Ermessens, über das der öffentliche Auftraggeber verfügt, um die technischen Spezifikationen nach qualitativen Anforderungen anhand des Auftragsgegenstands festzulegen, nicht dazu führt, einen Bieter mittelbar zu begünstigen. Erforderlich ist weiterhin, dass der Detaillierungsgrad der technischen Spezifikationen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt, was insbesondere eine Prüfung der Frage erfordert, ob dieser Detaillierungsgrad zur Erreichung der verfolgten Ziele notwendig ist (EuGH, a.a.O.).

Diesen Anforderungen hat der Antragsgegner vorliegend nicht genügt.

3.2 Grundsätzlich bietet im Vergabeverfahren die Dokumentation die Informationsgrundlage dafür, ob diese Vorgaben eingehalten wurden (§ 8 VgV). Vorliegend enthält die vorgelegte Vergabeakte jedoch nur minimale Dokumentation dazu, aufgrund welcher Erwägungen und unter Berücksichtigung welcher Aspekte die Vergabestelle die Verlegung mit einem vom Zuggerät mittels Seil gezogenen Pflug ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert ausgeschlossen hat. Die Ausschreibung selbst enthält als Begründung in Ziffer 3.3.1 der Baubeschreibung (S. 37) nur, dass Verlegung mit einem vom Zuggerät mittels Seil gezogenen Pflug ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert wegen der erheblichen Flurschäden und wegen der unpräzisen Steuerung zur Verlegung neben bestehenden Fernmeldekabeln nicht zulässig sei. Da die Breite des Arbeitsstreifens bei grenznaher Verlegung begrenzt sei, könne ein Mindestabstand von 1,5 m zwischen Zaun und dem Außenrand der Reifen dieser Pflüge nicht eingehalten werden und bei weicheren Böden würden nach bisheriger Erfahrung die Pfosten des Wildschutzzauns durch den hohen Bodendruck der Reifen verdrückt und die KSR d50 gequetscht.

Der Antragsgegner teilte auf Anfrage der Vergabekammer mit E-Mail vom 17.12.2018 mit, dass in den Vergabeunterlagen eine über die Angaben in Nr. 3.3.1 der Baubeschreibung S. 37 hinausgehende Begründung des Ausschlusses seilgezogener Pflüge ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert nicht vorhanden ist.

Die rudimentäre Begründung in Nr. 3.3.1 der Baubeschreibung S. 37 sowie die Ausführungen in der Zurückweisung der Rüge der Antragstellerin durch das Schreiben des Antragsgegners vom 05.10.2018 sind unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin und insbesondere der als Anlage zum Rügeschreiben vom 27.09.2018 beigefügten fachlichen Ausarbeitung von Prof. Dr. Ing. Hartmut P. „Grundlagen der Rohr-Pflüge-Technik“ vom Oktober 2016 sowie der auf die Zurückweisung der Rüge vom 05.10.2018 erfolgten Erwiderung durch Prof. Dr. Ing. P. vom 18.10.2018 keine taugliche Grundlage für den Ausschluss seilgezogener Pflüge ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert.

Es ist auf Grund der fehlenden Dokumentation nicht nachvollziehbar, ob sich der Antragsgegner im Vorfeld seiner Entscheidung, seilgezogene Pflüge ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert auszuschließen, mit den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Kabelpflugsysteme bei sachgerechter Anwendung auseinandergesetzt hat. Es ist nicht belegt, dass dem Antragsgegner die verschiedenen für und gegen einzelne Systeme sprechenden Aspekte überhaupt vollständig bekannt waren. Genauso wenig ist erkennbar, ob der Antragsgegner die nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (siehe Urteil vom 25.10.2018 Rs. C-413/17) erforderliche Prüfung vorgenommen hat, ob die technischen Spezifikationen seiner Ausführungsvorgaben zur Erreichung der verfolgten Ziele notwendig und verhältnismäßig waren, sowie kein Unternehmen diskriminierten.

Hinzu kommt, dass die Entscheidung des Antragsgegners wohl zumindest auch durch vergangene schlechte Erfahrungen mit der Leistungserbringung durch die Antragstellerin motiviert war. Im Rahmen der Leistungsbestimmung sind die Vor- und Nachteile verschiedener Systeme umfassend und unter Berücksichtigung der Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit zu bewerten, dabei ist grundsätzlich von einer sachgerechten Anwendung der jeweiligen Systeme auszugehen. Eine an sich mögliche technische Lösung darf nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil der Auftraggeber befürchtet, sie könnte mangelhaft ausgeführt werden. Die Leistungsbestimmung darf insbesondere nicht dazu dienen, Unternehmen vom Anbieten abzuhalten, mit denen der Auftraggeber in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hat.

3.3 Auch die im Nachprüfungsverfahren nachgereichten Begründungen und der Vortrag des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung ändern daran nichts.

Dies gilt ungeachtet der Frage, ob diese bei der Entscheidung der Vergabekammer überhaupt Berücksichtigung finden durften. Zwar führt nicht jeder Dokumentationsmangel dazu, dass eine Wiederholung der betreffenden Verfahrensabschnitte anzuordnen ist, weil anderenfalls der Ablauf des Vergabeverfahrens unangemessen beeinträchtigt werden könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.2011, X ZB 4/10). Es ist vielmehr möglich, dass Dokumentationsmängel nachträglich geheilt werden können, etwa wenn der Auftraggeber die Dokumentation nachholt und Gründe dartut, die er nach Aufhebung in einem wiederholten Verfahren ohne Weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen kann (BGH, a. a. O.). Dies ist aber dann anders zu beurteilen, wenn zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten (BGH, a. a. O.). Die Vergabestelle hat im Verfahren nicht eine „versäumte“ Dokumentation nachgeholt, sondern sie hat zu den Einwänden der Antragstellerin Stellung bezogen und sich in diesem Zusammenhang erstmals mit einzelnen Aspekten befasst. Sie hat dargelegt, aus welchen Gründen sie bei einer Abwägung der Vor- und Nachteile dennoch ihre Festlegung für vertretbar erachtet. Ein derartiges „Nachschieben“ nicht dokumentierter und auch nicht vorab vorgenommener Ermessens- bzw. Beurteilungserwägungen birgt die Gefahr, dass die Rechtfertigung der Entscheidung im Streitfall - bewusst oder unterbewusst - die Argumentation beeinflusst, mithin nicht mehr eine ergebnisoffene, sondern eine ergebnisorientierte Bewertung der Tatsachen erfolgt (OLG München, Beschluss vom 09.03.2018 - Verg 10/17). So beurteilt die Vergabekammer das Vorbringen des Antragsgegners auch hier; es handelt sich um die - menschlich grundsätzlich nachvollziehbare - Rechtfertigung bzw. Verteidigung der getroffenen Entscheidung, die getragen ist von der vorab getroffenen Entscheidung gegen die Zulassung. Eine neue und offene Bewertung der Vor- und Nachteile beider Verfahren vermag die Vergabekammer nicht zu erkennen.

Auch unter Berücksichtigung der im Nachprüfungsverfahren nachgereichten Begründungen und des Vortrags des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung ist nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern nicht hinreichend dargelegt, dass das Verlegeverfahren mit seilgezogenen Pflügen ohne Eigenantrieb generell und insbesondere auch bei sachgerechtem Vorgehen größere Flurschäden verursacht als andere Pflügeverfahren und dass von den gespannten Seilen eine untragbare Gefahr für den Verkehr auf der Autobahn ausgeht.

In der Gegendarstellung vom 18.10.2018 zu Ziffer 1 der Rügezurückweisung, weist Prof. Dr. Ing. P. darauf hin, dass im Abschnitt 7.1 der „Grundlagen der Rohr-Pflüge-Technik“ klar dargelegt ist, dass auch das Trägergerät eines angebauten Pfluges erhebliche Kräfte über den Boden entwickeln muss, welche besonders bei feuchtem Untergrund erhebliche Flurschäden verursachen können. Der Fahrwiderstand des gezogenen Gerätes führe dagegen bei gleichen Bedingungen mehr zu Bodenverformungen wie Eindrückungen, nicht aber zu Bodenabtragungen. Beide Systeme müssen den Boden verdrängen. Dies wird der Vibrationseinrichtung durch ihre „Sägewirkung“ leicht gelingen, ohne Vibration ist gegebenenfalls eine höhere Lockerung und eine rauere Öffnung an der Grasnarbe zu erwarten. Es spricht viel dafür, dass die Ausführungen der Antragstellerin zutreffen, dass es immer von der Bodenbeschaffenheit, der Feuchtigkeit und anderen Faktoren abhängt, welches Pflügeverfahren zu größeren Flurschäden führt.

Auch aus den in der mündlichen Verhandlung erörterten Fotos in den Anlagen AG1 bis AG8 und Anlage AG10 ergibt sich nicht, dass ein Verlegeverfahren mit seilgezogenen Pflügen ohne Eigenantrieb generell und auch bei sachgerechtem Vorgehen größere Flurschäden verursacht als andere Pflügeverfahren. Teilweise konnten die auf den Fotos sichtbaren Auswirkungen von Kabelverlegungen mittels Kabelpflug nicht einmal unstreitig einem System zuordnet werden, teilweise konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die dargestellten Flurschäden auf unsachgemäßer Ausführung beruhten.

3.4 Die Vergabekammer Südbayern kann auch nicht nachvollziehen, dass von einem seilgezogenen Verlegepflug bei sachgerechtem Vorgehen generell eine größere Gefahr für bestehende Kabel und Rohre ausgeht als von anderen Pflugsystemen. Prof. Dr. Ing. H. P. führt in der Gegendarstellung vom 18.10.2018 zu Ziffer 3 der Rügezurückweisung aus, dass „die Streckenfernmeldekabel in 0,80 m Tiefe beim Einsatz beider Gerätearten ohnehin geortet und deren Lage an der Oberfläche durch Farbe markiert werden müssen.“ Die Notwendigkeit der vorherigen Ortung der Bestandskabel ist zwischen den Parteien auch unstrittig und das LV der streitgegenständlichen Ausschreibung enthält unter den Ziffern 1.5.6 ff. die Verpflichtung zur Ortung und Markierung von Kabelmarkern, Kabeln und Rohren, wobei die Kabel durch Besenden unter Zuhilfenahme der Kabeldokumentation geortet und markiert werden und der Bereich der Ortung durch den Bauüberwacher vorgegeben wird. Ohne ausreichende Ortung der bestehenden Anlagen kann jegliches Kabelpfluggerät erhebliche Schäden an vorhandenen Leitungen und Rohren verursachen.

Im Übrigen hat die Antragstellerin auf die gute Lenkbarkeit eines seilgezogenen Kabelpflugs hingewiesen, mit der Schäden an bestehender Infrastruktur vermieden werden können. Prof. Dr. Ing. H. P. führt in der Gegendarstellung vom 18.10.2018 zu Ziffer 5 der Rügezurückweisung aus, dass die Beweglichkeit des Laufwerkes, die ruhige Einbettung des Verlegeteils in den Boden und die Führung des Fahrzeugs durch den gerichteten Seilzug eine äußerst präzise Lenkung ergeben, verbunden mit der Verlegung in Kurven bis herab zu einem Radius von drei Metern. Dazu kommt die absolute Anpassung des Gerätes an Hang- und Schräglagen des Geländes und an Böschungen. Damit sei das Gerät wegen seiner Anpassungsmöglichkeit an Gelände und Arbeitsbreite bestens geeignet, um in schmalen Korridoren zu arbeiten.

3.5 Nach den Vorgaben auf Seite 36 der Baubeschreibung ist zudem bei beengten Verhältnissen ohnehin der Leitungsgraben mittels Bagger oder Bodenfräse herzustellen (Seite 36 der Baubeschreibung), so dass mit diesen beengten Verhältnissen ein Ausschluss lediglich eines Pflügeverfahrens nicht begründet werden kann, da dort mit keinem Verfahren gepflügt werden darf.

3.6 Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass dem Auftraggeber im vorliegenden Fall - auch wenn ihm ein Interesse an der primären Vermeidung von Flurschäden zugebilligt werden kann - durch etwaige größere Flurschäden kein wirtschaftlicher Nachteil entstehen sollte, da die Behebung von Schäden nach Ziffer 2.1 (Reprofilierung des Geländes wie vorgefunden, Rasenansaat, Auflockerung von Verdichtung etc.) und 7.2 (Nacharbeiten) des LV dem Auftragnehmer obliegt. Zudem hat der Antragsgegner auf Nachfrage des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass es im vorliegenden Fall keine konkreten Auflagen der Naturschutzbehörde zum Erhalt bestimmter schützenswerter Strukturen in der Verlegetrasse gebe. Diese Aspekte sind vom Auftraggeber bei seiner Entscheidung, seilgezogene Verlegepflüge ohne Eigenantrieb und Vibrationsschwert nicht zuzulassen, offenbar nicht gesehen worden. Sie spielen aber gerade im Rahmen der Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses einer technischen Lösung eine Rolle.

3.7 Der Ausschluss seilgezogener Pflüge ohne Eigenantrieb ist auch nicht deshalb vom Leistungsbestimmungsrecht des Antragsgegners gedeckt, weil von diesen erhebliche Gefahren für den laufenden Verkehr auf der angrenzenden Autobahn ausgehen würde.

In den „Grundlagen der Rohr-Pflüge-Technik“ vom Oktober 2016 wird unter Ziffer 6.1 ausgeführt, dass „die Zugseile bei gezogenen Kabelzügen keine Gefahr bei Arbeiten in Fahrbahnnähe darstellen, da „die Zugseile -wie z.B. bei den Seilbahnen und deren Betriebsordnung - mit 2.5-facher Sicherheit ausgelegt und in regelmäßigen Fristen untersucht werden. Dazu sind magnetinduktive Geräte im Einsatz, welche Zahl und Lage von Drahtbrüchen feststellen, deren erlaubte Anzahl den Vorschriften entsprechen müssen.“ In der Gegendarstellung vom 18.10.2018 zu Ziffer 6 wird ergänzt, dass die Seile der Zuggeräte - wie die Zugseile von Seilschwebebahnen - mit 2,5-facher Sicherheit ausgelegt sind und wiederkehrend auf Drahtbrüche nach ISO 4309-2012 geprüft werden müssen. Diese Feststellung wird bestätigt durch die Stellungnahme der Antragstellerin vom 21.11.2018, in der ausgeführt wird, dass für den Seilwindenbetrieb nur das Original-Zugseil der Fa. W. F. verwendet werden darf. Diese Spezialdrahtseile seien für ihren Einsatz, eigens entwickelt. Beim Seil dieses Typs handele es sich um ein Spezialdrahtseil, das nach den entsprechenden Normen (DIN 15020 Teil 1, ISO 16625 bzw. FEM 9.661) ausgelegt, konstruiert und gefertigt ist. Der Einsatz auf den Winden erfolge gemäß den Bestimmungen der DIN 14492-1, wobei der dort (Abschnitt 5.16.5) geforderte Sicherheitsfaktor 2,0 noch übertroffen wird (Faktor ca. 2,4). Um einen Abriss des Seils sicher zu verhindern, werden im laufenden Betrieb die Seile gemäß ISO 4309 überprüft und bei Vorliegen der dort genannten Ablegekriterien abgelegt und nicht weiterverwendet. Durch die konsequente Anwendung der genannten Normen werde erreicht, dass eine angemessene Sicherheitsreserve der Seile gewährleistet ist und ein Seilriss nach menschlichen Ermessen verhindert wird. Selbst nach dem Bruch einer Litze habe das Seil noch ausreichend Sicherheit gegen Seilriss und stelle keine Gefahr dar. In diesem Falle entspanne es sich leicht und falle ohne sonst übliche gefährliche Schlagbewegungen (bei Standardseilen zu beobachten) geradewegs und gefahrlos auf den Boden.

3.8 Für die Vergabekammer bestehen keine Zweifel daran, dass sowohl der selbstfahrende als auch der seilgezogene Pflug bei sachgerechter Handhabung für die Herstellung von Teilstrecken der ausgeschriebenen Leistung geeignet sind, sofern auf den entsprechenden Teilstrecken nach den Vorgaben des Antragsgegners überhaupt ein Kabelpflug eingesetzt werden darf. Beide Verlegesysteme haben auf bestimmten Streckenabschnitten Vor- und Nachteile. Der gänzliche Ausschluss eines Systems ist im vorliegenden Fall sachlich nicht ausreichend begründet, zudem unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

Es ist die Aufgabe des Auftraggebers - fachlich begründet - festzulegen auf welchen Verlegeabschnitten beide Geräte eingesetzt werden können, auf welchen Strecken eines der beiden Verlegesysteme tatsächlich nachweisbare Vorteile bietet und auf welchen Abschnitten mit keinem der beiden Systeme sondern mit anderen Mitteln gearbeitet werden muss.

Die Vergabekammer weist nochmals darauf hin, dass die Vorstellungen von Antragstellerin und Antragsgegner, in welchem Ausmaß überhaupt mit Kabelpflügen gearbeitet werden kann, in der mündlichen Verhandlung weit auseinandergingen und kein einheitliches Verständnis der Leistungsbeschreibung bestand. Während die Antragstellerin davon ausging, dass abgesehen von kurzen Streckenabschnitten der wesentliche Teil der Strecke mittels Kabelpflug hergestellt werden könne, betrug nach den Vorstellungen des Antragsgegners bei Los 1 der Anteil, der nicht gepflügt werden darf, ca. 12 km von insgesamt 21 km und bei Los 2 ca. 11,5 km von insgesamt 14 km.

3.9 Der Ausschluss der Verlegung mittels seilgezogenem Pflug im Rahmen der Leistungsbestimmung ist kein geeignetes Mittel, um Konsequenzen aus einer nach Auffassung des Antragsgegners mangelhaften Vertragsdurchführung durch die Antragstellerin in einem vorangegangen Auftrag (Vergabenummer …) zu ziehen. Hierfür gibt es als vergaberechtliches Mittel nur den fakultativen Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB, falls dessen Voraussetzungen vorliegen. Der wettbewerbsbeschränkende generelle Ausschluss eines Verlegesystems im Rahmen der Leistungsbestimmung kann dagegen keinesfalls damit gerechtfertigt werden, ein Unternehmen vom Anbieten abzuhalten, das dieses System bekanntlich einsetzt und mit dem der Auftraggeber schlechte Erfahrungen gemacht hat und sich in einem Rechtsstreit befindet.

4. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend der Antragsgegner.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Aus Gründen der Billigkeit (keine Beiladung) wird die Gebühr vorliegend auf …,00 € festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.

Der Antragsgegner ist als Bundesland von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S.2 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr.2 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.4 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte ist die Antragstellerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen.

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(1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 127 Zuschlag


(1) Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 156 Vergabekammern


(1) Die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Vergabe von Konzessionen nehmen die Vergabekammern des Bundes für die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen, die Vergabekammern der Länder für die diesen zuzurechn

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 168 Entscheidung der Vergabekammer


(1) Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist an die Anträge ni

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 155 Grundsatz


Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammern.

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 8 Dokumentation und Vergabevermerk


(1) Der öffentliche Auftraggeber dokumentiert das Vergabeverfahren von Beginn an fortlaufend in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit dies für die Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens erforderlich is

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 31 Leistungsbeschreibung


(1) Der öffentliche Auftraggeber fasst die Leistungsbeschreibung (§ 121 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) in einer Weise, dass sie allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt und die Öffnung des nationalen Beschaffu

Referenzen - Urteile

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Vergabekammer Südbayern Beschluss, 31. Jan. 2019 - Z3-3-3194-1-35-10/18 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Vergabekammer Südbayern Beschluss, 31. Jan. 2019 - Z3-3-3194-1-35-10/18 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2011 - X ZB 4/10

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 4/10 Verkündet am: 8. Februar 2011 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Vergabenachprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

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Tenor I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern vom 06.11.2017, Az.: RMF-SG21-31941048, in den Ziffern 1 und 2 aufgehoben. II. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Ve

Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 04. Feb. 2009 - 1 Verg 4/08

bei uns veröffentlicht am 04.02.2009

Tenor 1. Das Nachprüfungsverfahren und damit auch die gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 10. November 2008 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin haben sich durch Erteilung des Zuschlags erledigt. 2.

Referenzen

(1) Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden.

(2) Verbindliche Vorschriften zur Preisgestaltung sind bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots zu beachten.

(3) Die Zuschlagskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Diese Verbindung ist auch dann anzunehmen, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht, auch wenn sich diese Faktoren nicht auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken.

(4) Die Zuschlagskriterien müssen so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Lassen öffentliche Auftraggeber Nebenangebote zu, legen sie die Zuschlagskriterien so fest, dass sie sowohl auf Hauptangebote als auch auf Nebenangebote anwendbar sind.

(5) Die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung müssen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammern.

(1) Die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Vergabe von Konzessionen nehmen die Vergabekammern des Bundes für die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen, die Vergabekammern der Länder für die diesen zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen wahr.

(2) Rechte aus § 97 Absatz 6 sowie sonstige Ansprüche gegen Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, können nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden.

(3) Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Befugnisse der Kartellbehörden zur Verfolgung von Verstößen insbesondere gegen die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

(2) Lieferaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Mietverhältnisse oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen.

(3) Bauaufträge sind Verträge über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung

1.
von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der Tätigkeiten, die in Anhang II der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65) und Anhang I der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243) genannt sind, oder
2.
eines Bauwerkes für den öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll.
Ein Bauauftrag liegt auch vor, wenn ein Dritter eine Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber genannten Erfordernissen erbringt, die Bauleistung dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und dieser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat.

(4) Als Dienstleistungsaufträge gelten die Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht unter die Absätze 2 und 3 fallen.

(5) Rahmenvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis. Für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, dieselben Vorschriften wie für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge.

(6) Wettbewerbe sind Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. § 114 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Der jeweilige Schwellenwert ergibt sich

1.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, aus Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der jeweils geltenden Fassung; der sich hieraus für zentrale Regierungsbehörden ergebende Schwellenwert ist von allen obersten Bundesbehörden sowie allen oberen Bundesbehörden und vergleichbaren Bundeseinrichtungen anzuwenden,
2.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von Sektorenauftraggebern zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben werden, aus Artikel 15 der Richtlinie 2014/25/EU in der jeweils geltenden Fassung,
3.
für verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge aus Artikel 8 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. L 216 vom 20.8.2009, S. 76) in der jeweils geltenden Fassung,
4.
für Konzessionen aus Artikel 8 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt die geltenden Schwellenwerte unverzüglich, nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Die Vergabekammer entscheidet, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.

(2) Ein wirksam erteilter Zuschlag kann nicht aufgehoben werden. Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder durch Einstellung des Vergabeverfahrens oder in sonstiger Weise erledigt, stellt die Vergabekammer auf Antrag eines Beteiligten fest, ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat. § 167 Absatz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(3) Die Entscheidung der Vergabekammer ergeht durch Verwaltungsakt. Die Vollstreckung richtet sich, auch gegen einen Hoheitsträger, nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder. Die Höhe des Zwangsgeldes beträgt mindestens 1 000 Euro und höchstens 10 Millionen Euro. § 61 Absatz 1 und 2 gilt entsprechend.


Tenor

1. Das Nachprüfungsverfahren und damit auch die gegen den Beschluss der Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 10. November 2008 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin haben sich durch Erteilung des Zuschlags erledigt.

2. Die Fortsetzungsfeststellungsantrag der Antragstellerin wird als unzulässig verworfen.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Senat und die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen.

4. Der Gegenstandswert wird auf 218.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

1. Die Vergabestelle (Antragsgegnerin) hatte in 3 Lose aufgegliederte Tiefbauarbeiten mit einem von ihr mit rund 4,6 Mio. € angesetzten Gesamtauftragswert in Anwendung der Basisparagraphen der VOB/A national ausgeschrieben.

2

Die Antragsstellerin erfuhr durch die Öffentliche Ausschreibung von der Vergabeabsicht, forderte die Verdingungsunterlagen an, die ihr auch übersandt wurden, und gab fristgerecht ein Angebot mit einer Angebotssumme von ca. 4, 36 Mio. € ab, das von der Vergabestelle wegen des Fehlens geforderter Unterlagen und unvollständiger Angaben zu mehreren Leistungspositionen aus der Wertung genommen werden musste.

3

2. Der Angebotsausschluss wurde von der Antragstellerin nicht beanstandet. Mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 2. Oktober 2008 strebte sie vielmehr eine Aufhebung der Ausschreibung und eine EU-weite Neuausschreibung im Offenen Verfahren an: Der Auftragswert sei von der Vergabestelle falsch geschätzt worden, tatsächlich liege er über dem Schwellenwert von 5,15 Mio. €. Außerdem seien bei den in den Losen 1 und 3 ausgeschriebenen Leistungen die Grenzwerte des § 2 Nr. 7 VgV deutlich überschritten worden. Diese Norm sei hier anwendbar, weil diese Teilleistungen in einem untrennbaren sachlichen und funktionalen Zusammenhang mit einem Großbauvorhaben (Hochwasserschutz) mit einem Auftragswert in zweistelliger Millionenhöhe stünden. Wegen der fehlerhaften Wahl der Verfahrensart müsse die Ausschreibung aufgehoben und ihr damit die Chance gegeben werden, in einem neuen Verfahren ein zuschlagsfähiges Angebot abzugeben.

4

3. Die Vergabekammer verwarf den Nachprüfungsantrag als unzulässig mit der Begründung, die Antragstellerin sei ihrer Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 GWB) nicht nachgekommen.

5

Hiergegen legte die Antragstellerin form- und fristgerecht sofortige Beschwerde ein, die sie mit einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB) verband.

II.

6

Mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 hat der Senat den Eilantrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt:

7

„1. Der Eilantrag ist abzulehnen, weil die sofortige Beschwerde aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die Anfechtung vor dem Senat ist zwar ungeachtet der Frage des Auftragswerts zulässig, weil sie sich gegen eine Entscheidung der Vergabekammer richtet (§ 116 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Satz 1 GWB). In der Sache hat das Rechtsmittel wahrscheinlich aber keine Aussicht auf Erfolg: Entweder ist der Nachprüfungsantrag schon wegen Unterschreitung des Schwellenwerts und damit wegen Unanwendbarkeit des 4. Teils des GWB (§ 100 Abs. 1 GWB) unzulässig oder die Unzulässigkeit ergibt sich aus der fehlenden Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB). Auf eine (wahrscheinliche) Rügepräklusion (§ 107 Abs. 3 GWB) kommt es nicht mehr an.

8

2. Mit Blick auf die Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB) ist es für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags erforderlich, dass der Antragsteller schlüssig darlegt, dass und welche vergaberechtliche Vorschrift verletzt worden sein soll und dass er ohne diese Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf diesen Vergaberechtsverstoß zurückzuführen ist. Daran fehlt es hier.

9

3. Die Weigerung einer Vergabestelle, eine Ausschreibung aufzuheben, kann allein noch keine Verletzung subjektiver Rechte eines Bieters begründen, weil es keinen isolierten Aufhebungsanspruch und auch keinen generellen Anspruch auf eine „zweite Chance“ gibt. Die Vergabestelle ist vielmehr dann, aber auch nur dann zugunsten eines Bieters zur Aufhebung verpflichtet, wenn diese Maßnahme zur Beseitigung einer Rechtsverletzung und Abwendung eines durch diese Rechtsverletzung dem Bieter drohenden Schadens als ultima ratio geboten ist. Ob ein öffentlicher Auftraggeber, der die Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung missachtet, im eigenen Interesse – etwa zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen oder eines Vertragsverletzungsverfahrens – gehalten ist, die Ausschreibung aufzuheben, ist hier unerheblich.

10

4. Die Antragstellerin hat weder in der Begründung des Nachprüfungsantrags noch in der Beschwerdeschrift einen (potentiell) schadensträchtigen Vergaberechtsverstoß zu ihrem Nachteil dargelegt, der die Aufhebung der Ausschreibung geböte. Die bloße Behauptung, der fragliche Auftrag hätte EU-weit ausgeschrieben werden müssen, reichte selbst dann nicht aus, wenn sie zuträfe.

11

a) Die Bekanntmachung der Vergabeabsicht ist kein Selbstzweck. Sie stellt vielmehr die Publizität sicher und gewährleistet, dass potentielle Auftragnehmer von der bevorstehenden Auftragsvergabe erfahren und ihr Interesse bekunden können. Außerdem wird durch die Bekanntmachung sichergestellt, dass alle Interessenten die gleichen Informationen erhalten.

12

b) Ab einer durch Schwellenwerte definierten Größenordnung werden die Binnenmarktrelevanz eines Auftrages und damit ein grenzüberschreitendes Interesse an der Auftragsvergabe unwiderlegbar vermutet. Deshalb ist die Bekanntmachung der Vergabeabsicht grenzüberschreitend so zu gestalten, dass jedes in einem der Mitgliedsstaaten der EU ansässige Unternehmen davon Kenntnis erlangen kann. Dies ist bei einer „europaweiten Ausschreibung“ durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (§ 17a Nr. 2 Abs. 2 VOB/A) gewährleistet.

13

c) Ein Verstoß gegen die Pflicht zur EU-weiten Ausschreibung verletzt aber nicht ohne weiteres auf eine (potentiell) schadenskausale Weise die Rechte eines (in- oder ausländischen) Bieters, der nicht nur durch eine andere Form der Veröffentlichung über die Vergabeabsicht informiert und deshalb die Lage versetzt wird, durch Anforderung der Verdingungsunterlagen sein Interesse an der Auftragsvergabe zu bekunden, sondern auch ein Angebot abgibt.

14

aa) Dass der Antragstellerin durch die Nichtanwendung des § 17a VOB/A Informationen entgangen sein könnten, die geeignet gewesen wären, ihre Wettbewerbsposition zu verbessern oder gar die Fehler zu vermeiden, die Ursache für den Ausschluss ihres Angebots gewesen waren, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

15

bb) Es ist auch nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass die Wahl der Öffentlichen Ausschreibung anstelle eines Offenen Verfahrens mit europaweiter Bekanntmachung und damit die Nichtanwendung der bei einer Schwellenwertvergabe zu beachtenden sonstigen Vorschriften des 2. Abschnitts der VOB/A („a-Paragraphen“) die Chancen der Antragstellerin nachteilig beeinflusst haben könnte oder (mit-)ursächlich für den Ausschluss ihres Angebots gewesen wäre (siehe dazu auch OLG Düsseldorf v. 16.02.2006 - VII-Verg 6/06 - juris; Thür. OLG v. 08.05.2008 - 9 Verg 2/08 - IBR 2008, 605).“

III.

16

1. Die Vergabestelle hat inzwischen der Beigeladenen den Auftrag erteilt.

17

2. Die Antragstellerin beantragt nunmehr festzustellen, dass sie durch die Antragsgegnerin in ihren Rechten verletzt wurde (§§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Sätze 3 u. 4 GWB):

18

a) Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtsverletzung in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Insbesondere diene die beantragte Feststellung der Vorbereitung eines Schadenersatzprozesses gegen die Antragsgegnerin, so dass schon aus diesem Grunde nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung gegeben sei.

19

b) Die vom Senat vorgenommene Differenzierung danach, ob es sich um Informationsüberlassung aufgrund nationalrechtlicher Verpflichtung oder EU-rechtlicher Vorgabe handele, sei nicht möglich und widerspreche im Kern dem Willen des Gesetzgebers. Dieser habe nämlich bewusst davon abgesehen, den Primärrechtsschutz auf Verstöße gegen solche Vorgaben des Vergaberechts zu begrenzen, die auf die europäischen Vergaberichtlinien zurückzuführen sind. Dem Senat sei zuzugestehen, dass eine Verletzung subjektiver Bieterrechte unter anderem dann vorliegen könne, wenn dem Bieter Informationen vorenthalten worden sind. Die Frage der Informationsüberlassung sei jedoch nicht die einzig in Betracht kommende Rechtsverletzung. Vielmehr stelle auch die Wahl der zutreffenden Vergabeart ein subjektives Bieterrecht dar. Dieses Recht sei unabhängig davon verletzt worden, ob der Antragstellerin Informationen vorenthalten wurden oder nicht.

20

c) Tatsächlich seien der Antragstellerin auch Informationen vorenthalten worden, nämlich

21

- dass die streitgegenständliche Baumaßnahme in funktionalem Zusammenhang mit einer bereits EU-weit ausgeschriebenen Hochwasserschutzmaßnahme stehe;

22

- dass den Bietern die Rechtsschutzmöglichkeiten nach dem 4. Teil des GWB mit dem Recht zur Anrufung von Vergabeprüfstellen, Vergabekammern und gegebenenfalls Vergabesenat zustehen.

23

Durch diese Unterlassung sei sie ebenfalls in ihren Rechten verletzt worden. Sie könne nicht nachzuvollziehen, wie der Senat zu der Ansicht gelangt sei, dazu sei nichts vorgetragen worden. Vielmehr habe sie umfangreich und unter Beweisantritt vorgetragen, dass die vorgenannten Informationen in der streitgegenständlichen Vergabebekanntmachung und den streitgegenständlichen Ausschreibungsunterlagen gerade nicht enthalten waren, und zwar deswegen, weil sich die Antragsgegnerin und die SGD Nord darauf verständigt hätten, die Maßnahme entgegen besseren Wissens nur national auszuschreiben. Diese Behauptung stelle sozusagen den Kern ihres gesamten Vortrags dar.

24

d) Zudem ergebe sich eine Rechtsverletzung nach § 97 Abs. 7 GWB auch daraus, dass der Zuschlag aus einem „anderen Grund“ (BGH v. 26..09.2006 - X ZB 14/06) unzulässig gewesen sei. Dieser „andere Grund“ sei hier, dass die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 c VOB/A wegen des schwerwiegenden Verstoßes gegen das Gebot der EU-weiten Ausschreibung hätte aufgehoben werden müssen.

25

e) Im Übrigen sei der zwischenzeitlich abgeschlossene Vertrag gemäß § 138 GWB nichtig, weil die SGD Nord und die Antragsgegnerin zur Umgehung des Schwellenwertes kollusiv zusammengewirkt hätten. Da dies zu ihrem Nachteil geschehen sei, sei sie auch antragsbefugt.

IV.

26

Der Feststellungsantrag ist zwar statthaft, jedoch wegen fehlenden Feststellungsinteresses unzulässig.

27

1. Das Nachprüfungsverfahren i.e.S. hat sich durch Zuschlagserteilung erledigt (§ 114 Abs. 2 GWB). Eine Nichtigkeit des zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen geschlossenen Vertrages ist nicht gegeben (zu den hier offensichtlich zu verneinenden Voraussetzungen des § 138 BGB siehe Wendtland in: BeckOK BGB § 138, Rn. 20 f.). Im Übrigen könnte die Nichtigkeit mit dem von der Antragstellerin jetzt gestellten (Fortsetzungs-)Feststellungsantrag überhaupt nicht geltend gemacht werden, weil dessen Statthaftigkeit einen wirksamen Zuschlag voraussetzt.

28

2. Ungeschriebene, weil selbstverständliche Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag nach §§ 114 Abs. 2 Satz 2, 123 Sätze 3 u. 4 GWB ist ein Feststellungsinteresse, dass vom Antragsteller darzulegen ist (OLG Düsseldorf v. 02.03.2005 - VII-Verg 70/04). Praktisch kommen die Vorbereitung eines Schadensersatzanspruches und Wiederholungsgefahr in Betracht.

29

a) In der Regel genügt es, dass der Antragsteller vorträgt, er beabsichtige, Schadensersatzansprüche gegen den Auftraggeber geltend zu machen. Allerdings ist ein Feststellungsinteresse zu verneinen, wenn eine entsprechende Klage aussichtslos wäre (VK Sachsen v. 17.01.2007 - 1/SVK / 002 – 05 - veris m.w.N.). Das ist hier der Fall.

30

(1) Bei Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB – gleichgültig ob auf positives oder negatives Interesse gerichtet – könnte die Antragstellerin bei Beachtung des § 138 Abs. 1 ZPO noch nicht einmal behaupten, geschweige denn schlüssig darlegen, sie hätte mit ihrem nicht wertungsfähigen Angebot eine reelle Chance gehabt, wenn die Vergabestelle das Offene Verfahren statt der Öffentlichen Ausschreibung gewählt hätte. § 25 Nr. 1 VOB/A findet in beide Verfahrensarten Anwendung; ihr Angebot hätte also auf jeden Fall ausgeschlossen werden müssen (siehe auch BGH v. 07.06.2005 - X ZR 19/02 - juris: Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines durch die Ausschreibung begründeten vorvertraglichen schutzwürdigen Vertrauensverhältnisses kommen nicht in Betracht, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters zwingend von der Wertung der Angebote auszuschließen war.“ )

31

(2) Es spricht auch nichts dafür, dass die Antragstellerin gänzlich von der Bewerbung um den Auftrag Abstand genommen – und sich damit die Angebotskosten erspart – hätte, wenn sie vor Angebotsangabe von der Notwendigkeit einer EU-weiten Ausschreibung ausgegangen wäre. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war ihr die Wahl der Verfahrensart durch die Vergabestelle solange völlig gleichgültig, wie sie die Chance sah, den Zuschlag zu erhalten.

32

(3) Ob sie in einem neuen, mit einer EU-weiten Ausschreibung eingeleiteten Verfahren mit möglichen ausländischen Konkurrenten den Zuschlag erhalten hätte, ist völlig ungewiss, sodass ein Schadensersatz auch insoweit ausscheidet (BGH v. 01.08.2006 - X ZR 115/04 - juris Rn. 17).

33

(4) Ein Schadensersatzanspruch nach § 126 GWB setzt voraus, dass in einem vergaberechtskonformen Verfahren eine echte Chance auf den Zuschlag bestanden hätte. Dies ist nur der Fall, wenn das Angebot besonders qualifizierte Aussichten auf die Zuschlagserteilung gehabt hätte; es genügt nicht, dass das Angebot in die engere Wahl gelangt wäre (BGH v. 27.11.2007 - X ZR 18/07). Auch diese Voraussetzung liegt bei einem Bieter, der aus eigenem Verschulden ein mangelhaftes Angebot abgehen hat, offensichtlich nicht vor, und zwar völlig unabhängig davon, ob national oder EU-weit ausgeschrieben wurde.

34

b) Auf eine Wiederholungsgefahr hat sich die Antragstellerin nicht berufen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Vergabestelle in absehbarer Zeit weitere Aufträge ausschreiben könnte, bei denen es zu der von der Antragstellerin vermuteten rechtswidrigen Umgehung der a-Paragraphen der VOB/A kommen könnte.

35

c) Zu einem Feststellungsinteresse aus sonstigen Gründen fehlt jeglicher Vortrag der Antragstellerin.

V.

36

Dem Erfolg des Feststellungsantrags steht auch entgegen, dass der ursprüngliche Nachprüfungsantrag unzulässig gewesen war (OLG Koblenz v. 06.09.2006 - 1 Verg 6/06 - juris). Insoweit kann auf den oben auszugsweise zitierten Beschluss vom 8. Dezember 2008 Bezug genommen werden. Ergänzend ist anzumerken:

37

1. Das Nachprüfungsverfahren dient nicht der allgemeinen Rechtmäßigkeitskontrolle und der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens an sich. Sein einziger Zweck ist es, einem am Auftrag interessierten Unternehmen die Möglichkeit zu geben, den Auftraggeber zu einem Tun oder Unterlassen zu zwingen, das notwendig ist, um einen wegen eines Fehlers des Auftraggebers dem Antragsteller entstandenen oder drohenden Schaden zu beseitigen bzw. zu verhindern.

38

2. Dementsprechend steht in § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB unmissverständlich, der Antragsteller habe dazulegen (also nicht nur zu behaupten), „dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht “.Der grundsätzliche Anspruch eines Bieters auf ein fehlerfreies Vergabeverfahren wird in seiner Durchsetzbarkeit im Nachprüfungsverfahren also kraft Gesetzes auf (potentiell) schadenskausale Vergaberechtsverstöße begrenzt. Zur Darlegung der Antragsbefugnis ist deshalb ein Sachvortrag erforderlich, aus dem sich schlüssig und nachvollziehbar ergibt, dass gerade durch den gerügten Vergaberechtsverstoß die Aussichten des Antragstellers auf eine Berücksichtigung seiner Bewerbung oder die Erteilung des Zuschlags beeinträchtigt worden sein könnten (siehe zu einem vergleichbaren Fall OLG Düsseldorf v. 16.02.2006 - VII-Verg 6/06 - juris; VK Schleswig-Holstein v. 28.01.2009 - VK-SH 18/08 - juris m.w.N.).

39

3. An einem den Anforderungen des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB genügenden Vortrag fehlt es im vorliegenden Verfahren nach wie vor gänzlich. Die Antragstellerin rügt(e) zwar die Wahl der Verfahrensart „Öffentliche Ausschreibung“ statt des nach ihrer Auffassung notwendigen Offenen Verfahrens. Es ist aber nicht ersichtlich und schon gar nicht vorgetragen, dass dieser – für die Zulässigkeitsprüfung als gegeben unterstellte – Vergaberechtsverstoß irgendeine nachteilige Folge für sie gehabt haben könnte. Ihr gesamtes Vorbringen geht völlig an der Sache vorbei.

40

a) Eine ordnungsgemäße Ausschreibung beginnt mit der Bekanntmachung, deren vom Auftragswert unabhängiger Inhalt (siehe dazu Lausen in jurisPK-VergR, 2. Aufl. 2008, § 17a VOB/A Rn. 41) in § 17 VOB/A geregelt ist. § 17a Nr. 2 VOB/A schreibt für Schwellenwertvergaben zwar die Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vor. Wieso sich die Aussichten der Antragstellerin auf Erteilung des Zuschlags aber dadurch verschlechtert haben könnten, dass sie die Bekanntmachung „nur“ in einem der in § 17 Nr. 1 Abs. 1, 17a Nr. 2 Abs. 5 VOB/A genannten inländischen Publikationsorganen nachlesen konnte und potentielle ausländische Konkurrenten überhaupt nichts von der Vergabeabsicht erfuhren, ist unerfindlich.

41

b) Soweit § 17a Nr. 3 VOB/A für EU-weite Ausschreibungen zusätzliche Informationen in der Bekanntmachung verlangt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass deren Fehlen irgendwie nachteilig für die Antragstellerin oder gar ursächlich für ihr Unvermögen, ein wertungsfähiges Angebot abzugeben, gewesen sein könnte. Gleiches gilt auch für alle anderen a-Paragraphen, die bei Durchführung eines Offenen Verfahrens anzuwenden sind.

42

c) Die Auffassung der Antragstellerin, die Wahl der falschen Vergabeart sei (hier) ein „anderer“, der Zuschlagserteilung an jeden anderen Bieter entgegenstehender Grund i.S.d. BGH-Entscheidung vom 26. September 2006 (X ZB 14/06 - juris), teilt der Senat nicht. Gemeint ist dort ein anderer bieterbezogener Grund. Die entsprechende Passage der Entscheidungsgründe (juris Rn. 52) befasst sich mit dem Gebot der Gleichbehandlung aller Bieter, das es nicht zulässt, das Angebot eines Bieters auszuschließen und den Auftrag einem anderen Bieter zu erteilen, der ebenfalls ein nicht wertungsfähiges Angebot eingereicht hat oder aus einen anderen Grund – wie Unzuverlässigkeit oder Mitwirkung an einer Submissionsabsprache – nicht „zuschlagswürdig“ ist.

43

d) Die von der Antragstellerin in der Begründung ihres Feststellungsantrags als fehlend gerügten Informationen haben mit den Erfolgsausichten ihres Angebots nicht das Geringste zu tun, sondern betreffen den Rechtsschutz, vom dem sie auch ohne diese Informationen offensichtlich Gebrauch macht.

44

4. Die Weigerung der Vergabestelle, die Ausschreibung aufzuheben, ist kein selbständiger Vergabeverstoß, der zum Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens gemacht werden könnte. Aus dem Blickwinkel des Bieterschutzes ist die Aufhebung vielmehr eine Rechtsfolge, die als ultima ratio in Betracht kommt, wenn dies zur Beseitigung oder Abwendung eines wegen einer Rechtsverletzung dem Bieter entstandenen oder drohenden Schadens unerlässlich ist. Dies ist hier nicht der Fall.

VI.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO analog, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf § 50 Abs. 2 GKG.

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern vom 06.11.2017, Az.: RMF-SG21-31941048, in den Ziffern 1 und 2 aufgehoben.

II. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Vergabeverfahren bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht in das Stadium vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen, und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Vorgaben für die Beschaffungsmaßnahme „Entsorgung von teer- und pechhaltigem Straßenaufbruch" (EU-Bekanntmachung 2017/S 154-319701) zu entscheiden.

III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerde Verfahrens sowie die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin. Die durch das Verfahren nach § 173 GWB verursachten Kosten und die diesbezüglichen, zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners trägt die Antragstellerin.

IV. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor der Vergabekammer durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner beabsichtigt die gemeinsame Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen für das Jahr 2018 für drei unterfränkische Bezirke. Beauftragt werden soll die Abholung bzw. Annahme des bei allen Straßenbaumaßnahmen der staatlichen Bauämter anfallenden teer- und pechhaltigen Straßenaufbruchs in einem vom Auftragnehmer bereitzustellenden Zwischenlager, der Transport und die anschließende thermische Verwertung des Aufbruchs in einer geeigneten Verwertungsanlage.

Die Vergabestelle hat am 12.08.2017 eine europaweite Ausschreibung des Auftrags im nichtoffenen Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb nach §§ 119 Abs. 4 GWB, 16 VgV durchgeführt (EU-Bekanntmachung 2017/S. 154-319701).

In der Auftragsbekanntmachung heißt es unter der Überschrift „Kurze Beschreibung“ in Ziffer 11.1.4):

„Transport und thermische Verwertung von teer- und pechhaltigem Straßenaufbruch.

Der … strebt eine weitestgehend, langfristige bzw. dauerhafte und sichere Ausschleusung des Schadstoffpotentials des teer-/pechhaltigen Straßenaufbruchs sowie eine hochwertige und ressourcenschonende Verwertung der mineralischen Fraktion an. Der im Rahmen von Straßenbaumaßnahmen durch die Staatlichen Bauämter S … und B anfallende teer-/pechhaltige Straßenaufbruch soll einer thermischen Behandlung (vollständige Verbrennung der Schadstoffe und Wiederverwendung der enthaltenen Gesteinskörnungen) zugeführt werden.“

Ziffer II.2.4) (Beschreibung der Beschaffung) der Bekanntmachung lautet:

„Transport und thermische Verwertung von teer- und pechhaltigem Straßenaufbruch, ca. 36.0001 teer-/pechhaltiger Straßenaufbruch mit Fremdstoffanteile. Der Auftrag umfasst die Annahme inkl. Abholung von teer-/pechhaltigem Straßenaufbruch an den Zwischenlagern des Auftragnehmers und die rechtskonforme Verwertung des teer-/pechhaltigen Straßenaufbruchs durch thermische Behandlung. Der Straßenaufbruch geht in das Eigentum und die Verantwortung des AN über.“

Diese Vorgaben werden in der mit einem Link zur Ausschreibungsdatenbank elektronisch bereitgestellten Leistungsbeschreibung in Ziffer 1.1. nochmals wiederholt. Ausweislich Ziffer 2.4 der Leistungsbeschreibung (Behandlungs-/Verwertungsanlage für teer-/pechhaltigen Straßenaufbruch) ist „Ziel die umweltverträgliche Entsorgung mit einer dauerhaften und sicheren Ausschleusung des Schadstoffpotentials des Straßenaufbruchs aus der Umwelt, so dass eine ordnungsgemäße, möglichst hochwertige Verwertung des schadstoffentfrachteten Materials (Mineralik) eröffnet wird.“.

Die Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden, beträgt mindestens 5 und höchstens 10. Als Schlusstermin für den Teilnahmeantrag war der 12.09.2017 vorgesehen. Die Frist zur Einreichung von Teilnahmeanträgen wurde bis 20.09.2017 verlängert.

Zuschlagskriterien sind nach der Bekanntmachung der Preis (60%) und die Entfernung zum Zwischenlager (40%).

Mit Schreiben vom 25.08.2017 (vorgelegt als Anlage Bf 6) rügte die Antragstellerin Vorgaben der Ausschreibung als vergaberechtswidrig. Insbesondere beanstandete sie die Pflicht, den Straßenaufbruch zu 100% der thermischen Verwertung/Behandlung zuführen zu müssen. Sie meint, die zwingende thermische Verwertung des Materials stehe nicht im Einklang mit den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG). Bei der vorgesehenen Entsorgung handele es sich nicht um die umweltschonendste Maßnahme, damit missachte die Vergabestelle die zwingend vorgeschriebene Abfallhierarchie. Der Auftragnehmer werde somit dazu verpflichtet, sich nicht gesetzeskonform zu verhalten. Auch sei verabsäumt worden, die im KrWG vorgesehene Ökobilanz zu erstellen. Es müsse zumindest auch gestattet sein, den Straßenaufbruch im Deponiebau verwerten zu können.

Die Vergabestelle hat die Rüge unter Hinweis auf ihr Leistungsbestimmungsrecht sowie gestützt auf das Merkblatt Nr. 3.4/1 des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) mit Schreiben vom 06.09.2017 zurückgewiesen (Anlage Bf 9). Mit Schreiben vom 11.09.2017 erhob die Antragstellerin weitere Rügen.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.09.2017 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingereicht. Fristgerecht hat die Antragstellerin auch einen Teilnahmeantrag abgegeben. Sie liegt nach der Auswertung der Anträge auf Platz 1 und soll zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.

Im Verfahren vor der Vergabekammer haben die Verfahrensbeteiligten ihre Argumente wiederholt und vertieft. Die Antragstellerin stützt sich, wie bereits im Rügeschreiben, auf eine Ökoeffizienzanalyse zu Entsorgungsoptionen von pech-/ teerhaltigem Straßenaufbruch aus dem Jahr 2007 (Anlage Bf 7) sowie ein weiteres Gutachten aus dem Jahr 2017 (Anlage Bf 8). Die Vergabestelle hat in mehreren Stellungnahmen dargelegt, dass sie sich aus Gründen der Vorsorge und im Sinne einer nachhaltigen Lösung für die thermische Behandlung des Straßenaufbruchs entschieden habe. Es sei ihr maßgeblich darauf angekommen, dass die im teer- und pechhaltigen Straßenaufbruch enthaltenen Schadstoffe möglichst rasch ohne Gefahr für Mensch und Umwelt zerstört werden. Hierbei seien die relevanten Aspekte umfassend gewürdigt worden. Die Erstellung einer „ökobilanz“ sei nicht erforderlich gewesen, zumal man sich auf die fundierte Einschätzung des Landesamtes für Umwelt habe stützen können.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 06.11.2017, per Fax übermittelt am 07.11.2017, als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt:

Die Vorgaben in der Ausschreibung seien hinreichend transparent, da für die beteiligten Fachkreise der Begriff der „thermischen Verwertung“ eindeutig sei. Die Pflicht, den anfallenden pechhaltigen Straßenaufbruch der thermischen Verwertung zuzuführen, verstoße nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben des KrWG und verpflichte den Auftragnehmer auch nicht zu einem rechtswidrigen Handeln. Die Vergabestelle bewege sich innerhalb des ihr zustehenden Leistungsbestimmungsrechts. Ihr komme ein Beurteilungsspielraum zu, der auch gewahrt worden sei. Das KrWG eröffne der Verwaltung erhebliche Spielräume, die nur eingeschränkt kontrolliert werden können. Aus Sicht der Vergabekammer habe sich die Vergabestelle im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums bewegt.

Ergänzend wird für die Einzelheiten der Entscheidung auf den Beschluss der Vergabekammer vom 06.11.2017 (vorgelegt als Anlage Bf 2) Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 21.11.2017.

Sie beanstandet weiterhin die Vorgabe der Vergabestelle, wonach der anfallende Straßenaufbruch zwingend einer thermischen Verwertung/Behandlung zuzuführen sei. Sie wiederholt und vertieft ihre Argumentation, wonach die Ausschreibung nicht mit den Anforderungen des KrWG in Einklang stehe. Die Vergabestelle würde die Bieter zu einer rechtswidrigen Auftragsausführung verpflichten, was zu einem unzumutbaren wirtschaftlichen Wagnis führen würde. Auch werde der Grundsatz des Wettbewerbs und der Transparenz verletzt. Die von der Antragstellerin vorgelegten Studien würden belegen, dass es sich bei der thermischen Behandlung gerade nicht um die ökoeffizienteste Methode handele. Den Bietern müsse zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden, den Straßenaufbruch im Deponiebau zu verwerten. Die Vergabestelle habe die Umweltverträglichkeit der Entsorgungsmöglichkeiten weder hinreichend geprüft noch die Vor- und Nachteile - wie im Gesetz vorgesehen - abgewogen, sondern sich nur auf das Schreiben des LfU gestützt. Dies könne eine Ökobilanzierung nicht ersetzen. Die Vergabestelle habe damit ihr Ermessen bzw. ihren Beurteilungsspielraum gerade nicht korrekt ausgeübt.

Soweit die Antragstellerin vor der Vergabekammer noch andere, nicht mit dieser Thematik zusammenhängende Rügen geltend gemacht hat, verfolgt sie diese in der Beschwerde nicht weiter.

Die Antragstellerin beantragt,

  • 1.die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern vom 06.11.2017 (Aktenzeichen: RMF-SG21-319410-48) aufzuheben;

  • 2.den Beschwerdegegner zu verpflichten, die Ausschreibung aufzuheben;

  • 3.hilfsweise zu 2. den Beschwerdegegner zu verpflichten, die Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zu überarbeiten und die am Auftrag interessierten Unternehmen anschließend unter Gewährung einer angemessenen Bewerbungsfrist erneut zur Teilnahmeantragsabgabe aufzufordern;

  • 4.hilfsweise zu 1. bis 3. die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden.

Der Antragsgegner beantragt,

die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Vorgabe, dass der Auftragnehmer den teer-/pechhaltigen Straßenaufbruch einer thermischen Behandlung-/Verwertung zuführen müsse, verstoße weder gegen das Abfallrecht noch sei dies vergaberechtlich zu beanstanden. Es gebe keinen Anlass, zu befürchten, dass die Abfallbehörden diesbezüglich Beanstandungen vornehmen.

Ausgangspunkt sei das allgemein anerkannte Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers, von dem vorliegend in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht worden sei. Dieses Recht gelte auch im Bereich der Beschaffung abfallrechtlicher Leistungen, wie auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 01.08.2012 konstatiert habe. Die vergaberechtliche Nachprüfung beschränke sich auf eine Ermessens- und Beurteilungskontrolle. Die Vergabestelle habe sich zulässigerweise von dem auf Bundes- und Landesebene dokumentierten Bestreben leiten lassen, die thermische Behandlung des belasteten Materials als umweltfachlich vorzugswürden Entsorgungsweg zu wählen. Die Erholung eines gesonderten Sachverständigengutachtens sei damit entbehrlich, ebenso die Erstellung einer Ökobilanz, zumal das Vergabeverfahren ein beschleunigtes Verfahren sei. Die Vergabestelle habe auch, wie die Erwägungen in der Leistungsbeschreibung zeigen würden, die verschiedenen Methoden gegeneinander abgewogen. Sie bevorzuge zulässigerweise die dauerhafte und sichere Ausschleusung der gesundheitsschädlichen Stoffe sowie eine hochwertige und ressourcenschonende Verwertung der mineralischen Fraktionen. Ergänzend stützt sich der Antragsgegner auf eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vom 01.12.2017/19.12.2017.

Auch die von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten würden nicht den Schluss rechtfertigen, dass die vorgegebene Verwertungsmethode unzulässig sei. Zudem sei eine der beiden Studien mehr als 10 Jahre alt, damit auch zeitlich überholt. In den Studien werde außerdem nicht berücksichtigt, dass das Schadstoffpotential des Aufbruchs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe = PAK) erhalten bleibe. Vorrang habe die Entsorgungsmaßnahme, die den Schutz von Mensch und Umwelt unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips im Einzelfall am besten gewährleiste. Es gebe keinen generellen Vorrang für eine der beiden Verwertungsmöglichkeiten, damit aber habe die Vergabestelle zulässigerweise eine Wahl treffen können. Die Gründe für die Festlegung auf die thermische Verwertung seien in der Ausschreibung festgehalten, darüber hinaus seien die Ermessenserwägungen im Verfahren erläutert worden.

Ohnehin gebe das Vorbringen der Antragstellerin Anlass zu zweifeln, dass sie an dem Auftrag interessiert sei und/oder die Vorgaben einhalten wolle.

Mit Schreiben vom 06.12.2017 hat die Vergabestelle allen Bewerbern mitgeteilt, dass aufgrund des anhängigen Verfahrens der Termin zur Angebotsabgabe und Öffnung auf unbestimmte Zeit verschoben ist.

Der Senat hat mit Beschluss vom 04.01.2018 den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB mangels Rechtschutzbedürfnisses abgelehnt.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Sie führt - abgesehen von der Festsetzung der Höhe der Gebühren - zur Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer und Stattgabe des Nachprüfungsantrags.

Sofern der Antragsgegner an seiner Beschaffungsabsicht festhält, hat er das Verfahren auf den Stand vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen, die verschiedenen in Betracht kommenden Möglichkeiten der Behandlung des Straßenaufbruchs eingehender in Bezug auf ihre Vor- und Nachteile sowie unter Berücksichtigung des Risikopotentials des Abfalls zu prüfen und zu bewerten und dann neu zu entscheiden, ob er bei der Ausschreibung an der Vorgabe einer ausschließlichen thermischen Verwertung festhält oder (auch) andere Verwertungsarten zulässt.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a) Die Antragstellerin hat die Vergabeverstöße, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, rechtzeitig gerügt und auch fristgerecht nach Zurückweisung der Rüge Nachprüfungsantrag gestellt, § 160 Abs. 3 GWB.

b) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie hat fristgerecht einen Teilnahmeantrag abgegeben. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin kein echtes Interesse an einer Beauftragung hat, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig kann aus der Tatsache, dass die Antragstellerin eine Überprüfung der Vorgaben in der Ausschreibung durch die Nachprüfungsinstanzen begehrt, geschlossen werden, dass sie sich im Falle einer Beauftragung nicht vertragstreu verhalten wird.

c) Im Nachprüfungsverfahren kann ein Bieter zulässigerweise geltend machen, dass bei der Bestimmung des Auftragsgegenstandes und den Bedingungen für die Auftragsdurchführung entsorgungsrechtliche Vorschriften nicht hinreichend berücksichtigt wurden und dadurch der Auftraggeber die vergaberechtlichen Grenzen seiner Bestimmungsfreiheit überschritten habe. Zwar zählen die §§ 6 ff KrWG nicht unmittelbar zu den Normen des Vergaberechts, sie sind jedoch anerkanntermaßen inzident im Rahmen der vergaberechtlichen Brückennormen (u.a. § 97 Abs. 6 GWB) zu prüfen (vgl. BGH vom 18.06.2012, X ZB 9/11; OLG Düsseldorf vom 01.08.2012, Verg 105/11, Rn. 32 f zitiert nach juris).

2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.

Denn der Antragsgegner hat seinen Ermessensbzw. Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der Art der Entsorgung des anfallenden Straßenaufbruchs nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Dieses Versäumnis ist im Falle eines Festhaltens an der Beschaffungsabsicht zu beheben.

Im Einzelnen:

Der zentrale Streitpunkt des Verfahrens ist die Frage, ob die Vergabestelle bei der Festlegung des Entsorgungskonzeptes (zwingende thermische Verwertung des Straßenaufbruchs) die Vorschriften des KrWG hinreichend beachtet hat, insbesondere ob sie die bei der Abfallbewirtschaftung zu beachtende Rangfolge der Maßnahmen in vertretbarer Weise berücksichtigt hat.

a) § 6 KfWG regelt als Grundsatznorm abstrakt die generelle Rangfolge von Maßnahmen (Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, Recycling, sonstige Verwertung und auf der letzten Stufe die Beseitigung). § 6 Abs. 2 KrWG spezifiziert die in Absatz 1 genannte Prioritätenfolge. Demnach soll nach Maßgabe der §§ 7 und 8 KrWG diejenige Maßnahme Vorrang haben, die den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips am besten gewährleistet. Dabei ist der gesamte Lebenszyklus des Abfalls zugrunde zu legen und insbesondere die zu erwartenden Emissionen, das Maß der Schonung der natürlichen Ressourcen, die einzusetzende und zu gewinnende Energie sowie die Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen, in Abfällen zur Verwertung oder in daraus gewonnenen Erzeugnissen zu berücksichtigen. Ebenfalls sind die technischen Möglichkeiten, die wirtschaftliche Zumutbarkeit und die sozialen Folgen der Maßnahme zu beachten. Absatz .2 ermöglicht damit eine Abweichung von der Rangfolge gemäß Absatz 1, die allerdings als Ausnahme von der Regel rechtfertigungsbedürftig ist (vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Beckmann KrWG § 6 Rn. 45,46, beck-online). § 7 Abs. 2 KfWG und § 8 KrWG setzen diese Grundsätze weiter um. Auch hier findet sich zum einen der Vorrang der Verwertung von Abfällen vor deren Beseitigung, andererseits entfällt dieser Vorrang, wenn die Beseitigung der Abfälle den Schutz von Mensch und Natur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 KrWG am besten gewährleistet. § 8 KrWG konkretisiert die Verwertungspflicht und legt diesbezüglich eine Rangfolge fest. Auch hier findet sich der Aspekt eines Vorrangs für den Schutz von Mensch und Natur, zugleich sind aber auch die in § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 KrWG festgelegten Kriterien zu berücksichtigen und es ist eine hochwertige Verwertung anzustreben. Bei gleichrangigen Verwertungsmaßnahmen hat der Erzeuger bzw. Besitzer ein Wahlrecht, welche Maßnahme er ergreift.

Es ist nicht zu verkennen, dass das KrWG damit eine komplexe Prüfung und Abwägung sehr unterschiedlicher Ziele und Folgen vorsieht, um die bestmögliche Verwertung bzw. Entsorgung anfallenden Abfalls zu gewährleisten. Weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der von der Antragstellerin zitierten (teils auch vorgelegten) Kommentarliteratur lässt sich allerdings schlussfolgern, dass eine Vergabestelle im Zuge der Ausschreibung von Entsorgungsleistungen nur dann bestimmte Verwertungsmaßnahmen vorgeben kann, wenn sie vorab - ggf. mit sachverständiger Beratung - eine umfassende Ökobilanz entsprechend den im Verfahren von der Antragstellerin vorgelegten Fachgutachten erstellt hat. Allerdings wird man von einer Vergabestelle verlangen können und müssen, dass sie dann, wenn sie einen ganz bestimmten Umgang mit dem Abfall vorschreibt und alle sonstigen (nicht von vorneherein offensichtlich nachrangigen) Möglichkeiten der Verwertung/Entsorgung zwingend ausschließt, die zentralen Aspekte, die für bzw. gegen die beabsichtigte Festlegung sprechen, gegenüberstellt und bewertet und dabei die grundlegende Konzeption des KrWG berücksichtigt. Nur so kann im Zuge eines Nachprüfungsverfahrens festgestellt werden, ob die Vergabestelle den ihr zustehenden Ermessensbzw. Beurteilungsspielraum auch ordnungsgemäß ausgeübt hat.

b) Abgesehen davon unterliegt auch die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers, ob und was beschafft werden soll, und damit auch die Frage, welche Anforderungen an die zu beschaffenden Leistungen gestellt werden dürfen, allgemeinen vergaberechtlichen Grenzen, mag auch der nunmehr in § 97 Abs. 1 S. 2 GWB ausdrücklich aufgenommene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine engeren Schranken für das recht weitgehende Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers begründen, als bisher (vgl. Schneevogl in Heiermann/Zeiss/Summa, juris-PK Vergaberecht, 2016, § 97 GWB, Rn. 30). Die Bestimmung des Auftragsgegenstandes muss nach einhelliger Rechtsprechung sachlich gerechtfertigt sein und es müssen dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe vorliegen. Die Festlegung muss Willkür- und diskriminierungsfrei erfolgen (vgl. OLG Düsseldorf vom 07.06.2017, Verg 53/16). Eine weitere Beschränkung enthält § 31 Abs. 6 VgV für hersteller- oder produktbezogene Leistungsspezifikationen, die einer besonderen Rechtfertigung bedürfen.

c) Anders als die Vergabekammer vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Vergabestelle ihren Ermessens- und Beurteilungsspielraum ordnungsgemäß ausgeübt hat. Sie hat dieses Versäumnis im Verfahren auch nicht behoben.

Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass eine ordnungsgemäße Ausübung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen voraussetzt, dass der Sach verhalt zutreffend und vollständig ermittelt wurde, dass Verfahrensgrundsätze eingehalten wurden, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind, die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte angemessen und vertretbar gewichtet wurden und der gesetzliche bzw. ein selbst von der Vergabestelle vorgegebene Rahmen bzw. Maßstab beachtet wurde (vgl. auch OLG München vom 07.04.2011, Verg 5/11).

Grundsätzlich bietet im Vergabeverfahren die Dokumentation die Informationsgrundlage dafür, ob diese Vorgaben eingehalten wurden (§ 8 VgV). Vorliegend enthält die vorgelegte Vergabeakte jedoch keinerlei Dokumentation dazu, aufgrund welcher Erwägungen und unter Berücksichtigung welcher Aspekte sich die Vergabestelle auf die thermische Verwertung als einzig zulässige Maßnahme festgelegt hat. Die Ausschreibung selbst lässt nur erkennen, dass die Vergabestelle sich an umweitbzw. gesundheitspolitischen Zielsetzungen auf Landesbzw. Bundesebene orientiert hat. Im Antwortschreiben auf die Rüge bezieht sich die Vergabestelle im Wesentlichen auf das Schreiben des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz aus dem Jahr 2017. Das von der Antragstellerin vorgelegte Merkblatt Nr. 3.4/1 des LfU in der im August aktualisierten Fassung enthält zwar unter Ziffer. 5.2.4 eine Präferenz für die thermische Behandlung von Straßenaufbruch, nennt aber auch die Verwertung des Abfalls auf Deponien als zulässige Entsorgungsmaßnahme.

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Antwort der Vergabestelle auf das Rügeschreiben erkennen lässt, dass die Vergabestelle als mögliche Alternative zu der von ihr gewählten Verwertungsart nur die - in der Rangfolge des KrWG prinzipiell nachrangige - Beseitigung des Abfalls auf Deponien im Blick hatte, nicht dagegen die von der Antragstellerin im Verfahren dargelegte „Verwertung“ durch Nutzung des Materials für deponieeigene Straßen oder die Modellierung von Anlagen auf Deponien (Deponiebauersatzstoff). Auf die ausführlichen Argumente der Antragstellerin, die bereits im ersten Rügeschreiben alle zentralen Aspekte (u.a. Emissionsproblematik, Fehlen einer umfassenden Abwägung, konkrete Nachteile der thermischen Verwertung ggü. einer Verwendung im Deponiebau) vorgetragen hat, ist die Vergabestelle nicht eingegangen.

Ersichtlich hat die Vergabestelle damit eine wesentliche zulässige Verwertungsoption bei der Erstellung der Vergabe unterlagen nicht in ihre Überlegungen mit einbezogen, mithin den Sachverhalt vorab nicht ausreichend ermittelt und damit auch nicht in eine nach dem KrWG gebotene vergleichende Bewertung der Vor- und Nachteile der Alternativen einbezogen.

Richtig ist zwar, dass die Vergabestelle im Laufe des Verfahrens noch weitere Ausführungen zu ihren Motiven und den Überlegungen gemacht hat und auch zu den Argumenten der Gegenseite Stellung bezogen hat. Dies genügt jedoch nicht, das festgestellte Defizit im Vorfeld der Ausschreibung zu kompensieren, Zwar führt nicht jeder Dokumentationsmangel dazu, dass eine Wiederholung der betreffenden Verfahrensabschnitte anzuordnen ist, weil anderenfalls der Ablauf des Vergabeverfahren unangemessen beeinträchtigt werden könnte (vgl. BGH vom 08.02.2011, X ZB 4/10 = BGHZ 188, 200 ff). Es ist vielmehr möglich, dass Dokumentationsmängel nachträglich geheilt werden können, etwa wenn der Auftraggeber die Dokumentation nachholt und Gründe dartut, die er nach Aufhebung in einem wiederholten Verfahren ohne Weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen kann (BGH, a. a. O.) Dies ist aber dann anders zu beurteilen, wenn zu besorgen ist dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten (BGH, a. a. O.).

Die Vergabestelle hat im Verfahren nicht eine „versäumte“ Dokumentation nachgeholt, sondern sie hat zu den Einwänden der Antragstellerin Stellung bezogen und sich in diesem Zusammenhang erstmals mit einzelnen Aspekten befasst. Sie hat dargelegt, aus welchen Gründen sie bei einer Abwägung der Vor- und Nachteile dennoch ihre Festlegung für vertretbar erachtet. Ein derartiges „Nachschieben“ nicht dokumentierter und auch nicht vorab vorgenommener Ermessensbzw. Beurteilungserwägungen birgt die Gefahr, dass die Rechtfertigung der Entscheidung im Streitfall - bewusst oder unterbewusst - die Argumentation beeinflusst, mithin nicht mehr eine ergebnisoffene, sondern eine ergebnisorientierte Bewertung der Tatsachen erfolgt. So beurteilt der Senat das Vorbringen des Antragsgegners auch hier; es handelt sich um die - grundsätzlich nachvollziehbare - Rechtfertigung bzw. Verteidigung der getroffenen Entscheidung, die getragen ist von der vorab getroffenen Präferenz für eine sofortige Eliminierung der in pech- und teer-haltigem Straßenaufbruch enthaltenen PAK-Schadstoffe. Eine neue und offene Bewertung der Vor- und Nachteile beider Verfahren vermag der Senat nicht zu erkennen.

Auch die vom Antragsgegner in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des EuGH vom 20.12.2017, Rs. C-677/15 P befasst sich nicht mit dieser Problematik. Dort ging es nicht um eine Ermessensentscheidung, die im Verfahren ergänzend begründet wurde, sondern darum, dass eine von mehreren Begründungen, die eine Vergabestelle für eine Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter herangezogen hat, tragfähig war. Dass es dann nicht darauf ankommt, ob sich die Vergabestelle daneben noch auf andere Erwägungen gestützt hat, versteht sich von selbst.

Aber auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Vergabestelle bzw. des Antragsgegners im Verfahren fehlt aus Sicht des Senats bislang eine ausreichende Abwägung aller relevanten Aspekte für und gegen beide Verfahren.

Ausgehend von den im Verfahren vorgelegten fachlichen Stellungnahmen spricht vieles dafür, dass die beiden Alternativen des Umgangs mit dem Straßenaufbruch in ihrer Bewertung sehr eng beieinander liegen. Hierfür sprechen zum einen die von der Antragstellerin vorgelegten ausführlichen Gutachten. Aber auch die Fachbehörden des Antragsgegners (Oberste Baubehörde/Umweltschutzministerium) beurteilen in aktuellen Schreiben beide Möglichkeiten als vertretbare Optionen nach dem KrWG. Zwar hat die thermische Verwertung den Vorteil einer zeitnahen, endgültigen Beseitigung potentiell gefährlicher Schadstoffe, andererseits gibt es unstreitig in Deutschland aktuell keine größere Anlage, in der eine solche thermische Verwertung stattfindet. Die vorgesehene Verwertung erfordert vielmehr den Transport des Abfalls zu einer Anlage in den Niederlanden, was entsprechende Umweltfolgen nach sich zieht. Inhaltlich eingehender geprüft werden müsste auch der Aspekt, dass die thermische Verwertung vor Ort zu weiteren Emissionen führt, welcher Energieeinsatzes nötig ist, um bestimmte Inhaltsstoffe zu beseitigen und stattdessen nutzbares Material (in welcher Größenordnung?) zu gewinnen. Eine ausreichende Abwägung und Beurteilung all dieser Aspekte lässt sich aus dem pauschalen Vorbringen der Vergabestelle, sie habe all dies bedacht, wegen der Gefahren der PAK-Verbindungen wolle sie dennoch nur eine thermische Verwertung, nicht schließen.

Darüber hinaus fehlt aus Sicht des Senats eine korrespondierende Betrachtung und substantielle Bewertung der Gefährlichkeit des Abfalls, insbesondere der effektiven Risiken bzw. der Nachteile für Mensch und Umwelt bei der Verwertungsart, wie sie die Antragstellerin anwenden will. So bestehen ausweislich eines Schreibens der Obersten Baubehörde vom 29.11.2017 auf Seiten des Antragsgegners keine Bedenken, das Ausbaumaterial in aufbereiteter Form bei derselben oder einer zeitnah laufenden Staatsstraßen-Baumaßnahmen zu verwerten, einen Verbau in einer Deponie hält die Vergabestelle dennoch wegen etwaiger Restrisiken nicht für akzeptabel. Hier sieht der Senat auf Antragsgegnerseite eine Diskrepanz, die sachlich zu begründen wäre.

Aus den dargelegten Gründen ist es nicht vergaberechtskonform, das Verfahren mit den strittigen Festlegungen fortzusetzen. Vielmehr hat die Vergabestelle bei Festhalten an der Beschaffungsabsicht den aufgezeigten Erwägungen Rechnung zu tragen. Sie hat unter Berücksichtigung der Informationen und Erkenntnisse aus dem streitgegenständlichen Verfahren eine erneute Prüfung vorzunehmen und zu beurteilen, ob eine ausschließliche Beschränkung auf die thermische Verwertung sachlich gerechtfertigt ist oder nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 und 4, § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB. Der unterlegene Antragsgegner hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu tragen. Billigkeitsgesichtspunkte, die eine abweichende Kostenverteilung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Davon ausgenommen sind die Kosten und notwendigen Auslagen infolge des Verfahrens nach § 173 GWB, in dem die Antragstellerin unterlegen ist. Insoweit trifft die Antragstellerin die Pflicht zur Kostentragung. Aufgrund der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen war die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters auf Seiten der Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer notwendig, § 182 Abs. 4 GWB.

(1) Der öffentliche Auftraggeber fasst die Leistungsbeschreibung (§ 121 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) in einer Weise, dass sie allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt und die Öffnung des nationalen Beschaffungsmarkts für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindert.

(2) In der Leistungsbeschreibung sind die Merkmale des Auftragsgegenstands zu beschreiben:

1.
in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen oder einer Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, die so genau wie möglich zu fassen sind, dass sie ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und hinreichend vergleichbare Angebote erwarten lassen, die dem öffentlichen Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen,
2.
unter Bezugnahme auf die in Anlage 1 definierten technischen Anforderungen in der Rangfolge:
a)
nationale Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden,
b)
Europäische Technische Bewertungen,
c)
gemeinsame technische Spezifikationen,
d)
internationale Normen und andere technische Bezugssysteme, die von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurden oder,
e)
falls solche Normen und Spezifikationen fehlen, nationale Normen, nationale technische Zulassungen oder nationale technische Spezifikationen für die Planung, Berechnung und Ausführung von Bauwerken und den Einsatz von Produkten oder
3.
als Kombination von den Nummern 1 und 2
a)
in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen unter Bezugnahme auf die technischen Anforderungen gemäß Nummer 2 als Mittel zur Vermutung der Konformität mit diesen Leistungs- und Funktionsanforderungen oder
b)
mit Bezugnahme auf die technischen Anforderungen gemäß Nummer 2 hinsichtlich bestimmter Merkmale und mit Bezugnahme auf die Leistungs- und Funktionsanforderungen gemäß Nummer 1 hinsichtlich anderer Merkmale.
Jede Bezugnahme auf eine Anforderung nach Nummer 2 Buchstabe a bis e ist mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

(3) Die Merkmale können auch Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen. Sie können sich auch auf den Prozess oder die Methode zur Herstellung oder Erbringung der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus des Auftragsgegenstands einschließlich der Produktions- und Lieferkette beziehen, auch wenn derartige Faktoren keine materiellen Bestandteile der Leistung sind, sofern diese Merkmale in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Beschaffungszielen verhältnismäßig sind.

(4) In der Leistungsbeschreibung kann ferner festgelegt werden, ob Rechte des geistigen Eigentums übertragen oder dem öffentlichen Auftraggeber daran Nutzungsrechte eingeräumt werden müssen.

(5) Werden verpflichtende Zugänglichkeitserfordernisse im Sinne des § 121 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit einem Rechtsakt der Europäischen Union erlassen, so muss die Leistungsbeschreibung, soweit die Kriterien der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen oder der Konzeption für alle Nutzer betroffen sind, darauf Bezug nehmen.

(6) In der Leistungsbeschreibung darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die Erzeugnisse oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichnet, oder auf gewerbliche Schutzrechte, Typen oder einen bestimmten Ursprung verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt. Solche Verweise sind ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand anderenfalls nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; diese Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

(1) Der öffentliche Auftraggeber dokumentiert das Vergabeverfahren von Beginn an fortlaufend in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs, soweit dies für die Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens erforderlich ist. Dazu gehört zum Beispiel die Dokumentation der Kommunikation mit Unternehmen und interner Beratungen, der Vorbereitung der Auftragsbekanntmachung und der Vergabeunterlagen, der Öffnung der Angebote, Teilnahmeanträge und Interessensbestätigungen, der Verhandlungen und der Dialoge mit den teilnehmenden Unternehmen sowie der Gründe für Auswahlentscheidungen und den Zuschlag.

(2) Der öffentliche Auftraggeber fertigt über jedes Vergabeverfahren einen Vermerk in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs an. Dieser Vergabevermerk umfasst mindestens Folgendes:

1.
den Namen und die Anschrift des öffentlichen Auftraggebers sowie Gegenstand und Wert des Auftrags, der Rahmenvereinbarung oder des dynamischen Beschaffungssystems,
2.
die Namen der berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Auswahl,
3.
die nicht berücksichtigten Angebote und Teilnahmeanträge sowie die Namen der nicht berücksichtigten Bewerber oder Bieter und die Gründe für ihre Nichtberücksichtigung,
4.
die Gründe für die Ablehnung von Angeboten, die für ungewöhnlich niedrig befunden wurden,
5.
den Namen des erfolgreichen Bieters und die Gründe für die Auswahl seines Angebots sowie, falls bekannt, den Anteil am Auftrag oder an der Rahmenvereinbarung, den der Zuschlagsempfänger an Dritte weiterzugeben beabsichtigt, und gegebenenfalls, soweit zu jenem Zeitpunkt bekannt, die Namen der Unterauftragnehmer des Hauptauftragnehmers,
6.
bei Verhandlungsverfahren und wettbewerblichen Dialogen die in § 14 Absatz 3 genannten Umstände, die die Anwendung dieser Verfahren rechtfertigen,
7.
bei Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb die in § 14 Absatz 4 genannten Umstände, die die Anwendung dieses Verfahrens rechtfertigen,
8.
gegebenenfalls die Gründe, aus denen der öffentliche Auftraggeber auf die Vergabe eines Auftrags, den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Einrichtung eines dynamischen Beschaffungssystems verzichtet hat,
9.
gegebenenfalls die Gründe, aus denen andere als elektronische Mittel für die Einreichung der Angebote verwendet wurden,
10.
gegebenenfalls Angaben zu aufgedeckten Interessenkonflikten und getroffenen Abhilfemaßnahmen,
11.
gegebenenfalls die Gründe, aufgrund derer mehrere Teil- oder Fachlose zusammen vergeben wurden, und
12.
gegebenenfalls die Gründe für die Nichtangabe der Gewichtung von Zuschlagskriterien.

(3) Der Vergabevermerk ist nicht erforderlich für Aufträge auf der Grundlage von Rahmenvereinbarungen, sofern diese gemäß § 21 Absatz 3 oder gemäß § 21 Absatz 4 Nummer 1 geschlossen wurden. Soweit die Vergabebekanntmachung die geforderten Informationen enthält, kann sich der öffentliche Auftraggeber auf diese beziehen.

(4) Die Dokumentation, der Vergabevermerk sowie die Angebote, die Teilnahmeanträge, die Interessensbekundungen, die Interessensbestätigungen und ihre Anlagen sind bis zum Ende der Laufzeit des Vertrags oder der Rahmenvereinbarung aufzubewahren, mindestens jedoch für drei Jahre ab dem Tag des Zuschlags. Gleiches gilt für Kopien aller abgeschlossenen Verträge, die mindestens den folgenden Auftragswert haben:

1.
1 Million Euro im Falle von Liefer- oder Dienstleistungsaufträgen,
2.
10 Millionen Euro im Falle von Bauaufträgen.

(5) Der Vergabevermerk oder dessen Hauptelemente sowie die abgeschlossenen Verträge sind der Europäischen Kommission sowie den zuständigen Aufsichts-oder Prüfbehörden auf deren Anforderung hin zu übermitteln.

(6) § 5 bleibt unberührt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 4/10 Verkündet am:
8. Februar 2011
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr

a) Die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch Eisenbahnverkehrsunternehmen
ist nicht vom Anwendungsbereich der Vergabevorschriften
ausgenommen.

b) Die Prüfung, ob die für eine Dienstleistungskonzession charakteristische
Übernahme zumindest eines wesentlichen Teils des Betriebsrisikos vorliegt
, erfordert eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls einschließlich
der für den Vertragsgegenstand maßgeblichen Marktbedingungen
und der gesamten vertraglichen Vereinbarungen. Ist neben dem Nutzungsrecht
eine Zuzahlung vorgesehen, hängt die Einordnung als Dienstleistungskonzession
auch davon ab, ob die Zuzahlung bloßen Zuschusscharakter
hat oder die aus dem Nutzungsrecht möglichen Einkünfte als alleiniges
Entgelt bei weitem keine äquivalente Gegenleistung darstellten.
BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10 - OLG Düsseldorf
Vergabekammer Münster
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Berger und Hoffmann und die
Richterin Schuster
b e s c h l o s s e n :
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss
der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster
vom 18. März 2010 - VK 1/10 - unter Zurückweisung der Rechtsmittel
der Antragsgegnerin und der Beigeladenen in den Aussprüchen
zu 2 sowie 4 und 5 abgeändert und insgesamt wie folgt neu
gefasst:
Der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen
am 24. November 2009 geschlossene und am 9. Dezember
2009 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen
Union - 2009/S 237-340159 - bekannt gemachte Änderungsvertrag
zum Verkehrsvertrag vom 12. Juli 2004 wird
für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin wird für den Fall, dass sie an dem Beschaffungsvorhaben
festhält, verpflichtet, den Auftrag über
diese Leistungen in den Kooperationsräumen 1 (VRR) und
9 (Niederrhein) nur im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens
zu vergeben.
Die Gebühr wird auf 50.000 € festgesetzt.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten
des erstinstanzlichen Verfahrens als Gesamtschuldner
und die der Antragstellerin zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen
je zur Hälfte. Im Übrigen sind Aufwendungen nicht zu
erstatten.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin
war notwendig.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten
des Beschwerdeverfahrens und haben der Antragstellerin deren
außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
7.476.000 € festgesetzt.

Gründe:


A.


1
Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf eine zwischen der Antragsgegnerin (im Folgenden: VRR) und der Beigeladenen (im Folgenden : DB Regio) getroffene Änderungsvereinbarung vom 24. November 2009 (im Folgenden: Änderungsvertrag) zum Verkehrsvertrag vom 12. Juli 2004 (im Folgenden nur: Verkehrsvertrag), den der VRR mit der Rechtsvorgängerin von DB Regio, die inzwischen auf Letztere verschmolzen wurde, geschlossen hatte.
Dieser Vertrag verpflichtete DB Regio zur Erbringung von Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) über anfänglich 44,04 Millionen Zugkilometer. Im Fahrplanjahr 2003/2004 entfielen davon 26,33 Millionen Zugkilometer auf Regional-Express- bzw. Regionalbahn-Leistungen und 17,71 Millionen Zugkilometer auf S-Bahn-Leistungen. Während Letztere über die gesamte Dauer des Vertrags (bis Dezember 2018) jährlich konstant in gleicher Höhe zu erbringen waren, sollten die RE- und RB-Leistungen bereits während der Vertragslaufzeit abgebaut und insoweit jeweils neu im Wettbewerb vergeben werden. Bis Anfang 2009 waren dementsprechend rund 7 Millionen Zugkilometer aus dem Vertrag herausgelöst worden. DB Regio hatte sich im Verkehrsvertrag zur Erneuerung ihres Fahrzeugparks, insbesondere zur Beschaffung von 84 neuen S-Bahn-Zügen verpflichtet, wovon die letzten noch ausstehenden Wagen bis Ende 2010 ausgeliefert und zum Einsatz gebracht werden sollten.
2
DB Regio bezieht über den VRR einen Zuschuss pro gefahrenem Zugkilometer , dessen Höhe nach Maßgabe diesbezüglicher vertraglicher Regelungen fortgeschrieben wird. Die dafür erforderlichen Geldmittel erhält der VRR vom Land Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNVG NRW). Aufgrund des Regionalisierungsgesetzes erhält das Land Nordrhein-Westfalen in diesem Zusammenhang überwiegend für die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs vorgesehene Bundeszuwendungen. Für den Fall, dass sich diese Mittel reduzieren, enthält der Verkehrsvertrag eine Revisionsklausel (§ 39 Abs. 5 des Vertrags), derzufolge der VRR bei entsprechenden Mittelkürzungen berechtigt ist, eine angemessene Anpassung des SPNV-Angebots zu verlangen. Außerdem vereinnahmt DB Regio den vertraglichen Regelungen zufolge für die Erbringung der Verkehrsdienstleistungen die Fahrscheinerlöse und de- ren Surrogate bei gesetzlich vorgesehener unentgeltlicher Fahrgastbeförderung (z.B. nach dem SGB IX).
3
Nachdem die Mittel für Zuwendungen an die Länder auf der Grundlage des Regionalisierungsgesetzes 2006 gekürzt worden waren, entstand zwischen den Parteien des Verkehrsvertrages Streit über die gegenseitigen Pflichten, die zur Kündigung des Vertrages seitens des VRR und zu verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten, aber auch zu Vergleichsverhandlungen zwischen den Vertragspartnern führten. Am 21./25. Juli 2009 gab der VRR die Absicht, mit DB Regio den Änderungsvertrag abschließen zu wollen, im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union bekannt. Zu den vertraglichen Regelungen sollte danach gehören, dass DB Regio im Bereich der S-Bahn die Linien S 1 bis S 11 über das Ende des ursprünglichen Verkehrsvertrags hinaus bis Dezember 2023 bedient. Entsprechend wurde der Änderungsvertrag am 24. November 2009 geschlossen und der Vertragsschluss am 9. Dezember 2009 im Supplement zum Amtsblatt der EU bekannt gemacht.
4
Die Antragstellerin (im Folgenden: A. R.), die an der Übernahme des Betriebs vornehmlich der S-Bahn-Linie 5 ab Dezember 2018 interessiert ist, meint, die Übertragung des S-Bahn-Betriebs über den Zeitraum nach Dezember 2018 hinaus auf DB Regio sei ein vergaberechtlich ausschreibungspflichtiger Vorgang. Sie hat bei der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster mit dort am 6. Januar 2010 eingegangenem Antrag ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet und in der Sache beantragt, 1. festzustellen, dass der Änderungsvertrag über Leistungen im SPNV in den Kooperationsräumen 1 (VRR) und 9 (Niederrhein ) im Hinblick auf den Leistungsteil der Linie S 5 von Anfang an unwirksam ist; hilfsweise, 2. festzustellen, dass der Änderungsvertrag (insgesamt) von Anfang an unwirksam ist, 3. die Antragsgegnerin für den Fall, dass sie an dem Beschaffungsvorhaben für die Linie S 5 festhält, zu verpflichten, den Auftrag über diese Leistungen in den Kooperationsräumen 1 (VRR) und 9 (Niederrhein) nur im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens mit vorheriger europaweiter Bekanntmachung zu vergeben.
5
Der VRR und DB Regio haben beantragt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Die Vergabekammer hat den Änderungsvertrag für unwirksam erklärt und außerdem ausgesprochen: Der Antrag der Antragstellerin auf Teilausschreibung der Linie S 5 und der Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, soweit sie an dem Beschaffungsvorhaben festhält, den Auftrag über diese Leistungen im SPNV in den Kooperationsräumen 1 und 9 im Rahmen eines förmlichen Vergabeverfahrens mit vorheriger europaweiter Bekanntmachung vor Ablauf der Vertragslaufzeit aus dem Verkehrsvertrag im Jahre 2018 zu vergeben, werden zurückgewiesen.
6
Gegen den Beschluss der Vergabekammer haben A. R., DB Regio und nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf auch der VRR sofortige Beschwerde eingelegt. Der VRR und DB Regio begehren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Vergabekammer und die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags. A. R. beantragt, das Rechtsmittel des VRR als unzuläs- sig zu verwerfen, hilfsweise, es - ebenso wie die Beschwerde von DB Regio - zurückzuweisen. A. R. verfolgt mit dem Rechtsmittel ihren Antrag zu 3 weiter, jedoch mit der Maßgabe, dass die Worte "für die Linie S 5" entfallen und sich der Antrag somit auf das gesamte Vorhaben bezieht. Der VRR und DB Regio beantragen, die sofortige Beschwerde von A. R. zurückzuweisen.
7
Das Oberlandesgericht erachtet den Nachprüfungsantrag von A. R. für zulässig und in weitem Umfang auch für begründet. Es sieht sich an einer eigenen Sachentscheidung aber durch entgegenstehende Rechtsprechung anderer Vergabesenate gehindert. Diese Divergenz betrifft in erster Linie die Frage, ob bei der Vergabe von Dienstleistungen des SPNV ein Nachprüfungsverfahren nach dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen überhaupt zulässig ist, was das Brandenburgische Oberlandesgericht in einer Entscheidung vom 2. September 2003 (VergabeR 2003, 654) verneint hat.

B.


8
Die Vorlage ist zulässig.
9
Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der sich mit einem die Entscheidung eines anderen Obergerichts tragenden Rechtssatz nicht in Einklang bringen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2008 - X ZB 31/08, BGHZ 179, 84 - Rettungsdienstleistungen). So verhält es sich hier. Das vorlegende Oberlandesgericht bejaht die Kompetenz der Nachprüfungsinstanzen des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (§§ 102 ff., § 116 Abs. 3 GWB) zur vergaberechtlichen Überprüfung des Änderungsvertrags. Es meint des Weiteren, dass der Vertrag nach § 101 Abs. 7 Satz 1 GWB, § 4 Abs. 1 VgV, § 1a Nr. 2 Abs. 2, § 3 VOL/A öffentlich hätte ausgeschrieben werden müssen. Damit würde das Oberlandesgericht seiner Entscheidung Rechtssätze zugrunde legen, die mit denjenigen nicht zu vereinbaren wären, auf denen der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. September 2003 beruht. Dieses vertritt die Ansicht, die Aufgabenträger der Eisenbahnverkehrsleistungen seien nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) berechtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie öffentlich ausschreiben oder die Leistungserbringung ohne förmliches Vergabeverfahren frei mit Eisenbahnverkehrsunternehmen vereinbaren wollen. Dieses Ermessen habe der Gesetzgeber des Vergaberechtsänderungsgesetzes vom 28. August 1998 (VgRÄG, BGBl. I S. 2512) nicht einschränken, sondern er habe den vom Allgemeinen Eisenbahngesetz erfassten Anwendungsbereich aus Gründen der Spezialität unverändert fortgelten lassen wollen.
10
Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber, wie im Streitfall, für eine Beauftragung ohne Ausschreibung, ist auf der Grundlage der vom Brandenburgischen Oberlandesgericht vertretenen Rechtsauffassung von vornherein kein Raum für die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens. Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung wäre der vorliegende Nachprüfungsantrag unzulässig.
11
Da die Vorlage hiernach zulässig ist, bedarf die vom vorlegenden Gericht außerdem ausgeführte Divergenz zur Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle (VergabeR 2010, 669) zu den vergaberechtlichen Konsequenzen einer zeitversetzten Dokumentation des Vergabeverfahrens an dieser Stelle keiner Erörterung.

C.


12
Die sofortigen Beschwerden von DB Regio und des VRR bleiben in der Sache ohne Erfolg.
13
I. Das Oberlandesgericht hat zu Recht angenommen, dass auch der VRR in zulässiger Weise sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer eingelegt hat, auch wenn in dem dafür maßgeblichen Schriftsatz vom 8. April 2010 nicht ausdrücklich erklärt wird, dass gegen die Entscheidung der Vergabekammer "sofortige Beschwerde" eingelegt werde. Soweit die Berufungsschrift nach § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - dessen analoge Anwendung A. R. verficht - die Erklärung enthalten muss, dass gegen das angefochtene Urteil Berufung eingelegt wird, ist zu bedenken, dass die Frage, ob ein Rechtsmittel eingelegt ist, nach ständiger Rechtsprechung erforderlichenfalls im Wege der Auslegung der Rechtsmittelschrift und der sonst heranzuziehenden Unterlagen zu beurteilen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 24. März 2009 - VI ZB 89/08 Rn. 8). Das gilt auch für die nach § 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgesehene Erklärung. Dementsprechend reicht es aus, wenn sich der unbedingte Wille des Antragsgegners , selbst sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer einzulegen, aus den gesamten Umständen ergibt. Dies ist der Fall. Zweifel daran können überhaupt nur aufkommen, weil zuvor bereits die Beigeladene dieses Rechtsmittel eingelegt hat, deren rechtliche Interessen sich nach Lage der Dinge mit denen des VRR decken. Dass mit dem Schriftsatz vom 8. April 2010 nur die bereits eingelegte Beschwerde von DB Regio unterstützt werden sollte, wie das vorlegende Gericht vorsorglich erwogen hat, liegt aber schon deshalb fern, weil der VRR im Verhältnis zu DB Regio Hauptpartei ist und jedenfalls nicht ohne Weiteres anzunehmen ist, dass der VRR ungeachtet dieser Parteirolle lediglich das Rechtsmittel der Beigeladenen unterstützen wollte.
Hinzu kommt, dass, worauf das vorlegende Gericht zu Recht auch abgestellt hat, der VRR im Rubrum des Schriftsatzes vom 8. April 2010 als Beschwerdeführerin bezeichnet ist und als solche die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags beantragt hat, während DB Regio in diesem Schriftsatz nicht als Beschwerdeführerin bezeichnet ist.
14
II. Die Vergabekammer hat die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags von A. R. im Ergebnis und auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des VRR und von DB Regio zu Recht bejaht.
15
1. Der DB Regio im Änderungsvertrag übertragene Betrieb der S-BahnLinien 1 bis 11 über den Dezember 2018 hinaus, bis 2023, fällt in den Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.
16
a) Dieser Anwendungsbereich ist im Gesetz nach Vertragsarten und -gegenständen prinzipiell umfassend bestimmt (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2008 - X ZB 31/08, BGHZ 179, 84 Rn. 21 - Rettungsdienstleistungen; aA Prieß, NZBau 2002, 539 ff.). Von ihm sind - unter der im Streitfall nicht umstrittenen Voraussetzung, dass der jeweils einschlägige Schwellenwert erreicht ist - lediglich Arbeitsverträge und die Aufträge ausgenommen, die in § 100 Abs. 2 lit. a bis t GWB bezeichnet sind. Dieser Ausnahmekatalog ist grundsätzlich als abschließend anzusehen (vgl. BGHZ 179, 84 Rn. 21 - Rettungsdienstleistungen

).


17
Bei den im von DB Regio vorgelegten Rechtsgutachten (im Folgenden: Privatgutachten) gegen den abschließenden Charakter der Regelung angeführten Beispielen der In-House-Geschäfte, der interkommunalen Zusammenarbeit und bei den sozialrechtlichen Beschaffungen handelt es sich nur um vermeintli- che Durchbrechungen des Ausnahmekatalogs von § 100 Abs. 2 GWB. In dieser Bestimmung sind bestimmte Aufträge wegen des jeweiligen Vertragsgegenstands bzw. wegen damit oder mit dem Auftraggeber zusammenhängenden Umständen vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Die für InHouse -Geschäfte und die interkommunale Kooperation anerkannten Ausnahmen beruhen auf einer Rechtsfortbildung im Sinne einer teleologischen Reduktion durch den Gerichtshof der Europäischen Union, die nicht im Auftragsgegenstand oder in Merkmalen des Auftraggebers, sondern im rechtlichen Verhältnis der jeweiligen Vertragspartner zueinander ihren Grund hat. Soweit es Beschaffungen im Gesundheitssektor betrifft, war deren Zuweisung zum Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den ordentlichen Gerichten und denjenigen der Sozialgerichtsbarkeit umstritten, wurde vom Senat in einem obiter dictum bejaht (vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2008 - X ZB 17/08, VergabeR 2008, 787 - Rabattvereinbarungen mwN) und ist erst danach vom Gesetzgeber abweichend geregelt worden (vgl. Art. 1 Nr. 1e und 2b Nr. 2 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 15. Dezember 2008, GKV-OrgWG, BGBl. I S. 2426). Ob gemeinschaftsrechtliche Sonderregelungen in ganz speziellen Bereichen - wie etwa bei der im Privatgutachten angesprochenen Beschaffung von Euro-Banknoten gemäß der Leitlinie der Europäischen Zentralbank vom 16. September 2004 - im Einzelfall ausnahmsweise eine Relativierung der Auslegung von § 100 Abs. 2 GWB erforderlich machen könnten, bedarf im Streitfall keiner Beantwortung, weil hier eine solche Kollision entgegen den Annahmen des Privatgutachtens nicht besteht (insbesondere unten C II 1 d).
18
b) Die Dienstleistungen, um deren Erbringung im SPNV durch DB Regio es hier geht, sind nicht infolge der Regelung in § 15 Abs. 2 AEG vom Geltungs- bereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen. Auch diese (ältere) Regelung, nach der die zuständigen Behörden , die beabsichtigen, die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch Eisenbahnverkehrsunternehmen zu vereinbaren, diese Leistungen ausschreiben können, begründet keine Ausnahme von dem im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen definierten Anwendungsbereich seiner Vergabevorschriften.
19
aa) Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat bei seiner gegenteiligen Auslegung auf den geäußerten Willen des Gesetzgebers zum Zeitpunkt der Schaffung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (1993) und des Vergaberechtsänderungsgesetzes (1998) abgestellt und gemeint, es sei dem deutschen Gesetzgeber bei Schaffung des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen allein darum gegangen, die gemeinschaftsrechtlich eingeforderte Einräumung einklagbarer Rechtspositionen für Bieter zu schaffen und den fehlenden effektiven Rechtsschutz in laufenden Vergabeverfahren zu verbessern, während nicht ersichtlich sei, dass er darüber hinaus gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen einer Ausschreibungspflicht habe unterwerfen wollen. Dafür hätte er sich aber bewusst entscheiden müssen, weil seinerzeit eine Ausschreibungspflicht nach den Vergaberichtlinien der Europäischen Gemeinschaft nicht bestanden habe (Brandenburgisches OLG, aaO, S. 664).
20
bb) Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Nicht entscheidend ist demgegenüber die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung (BVerfGE 1, 299, 312). Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden (BGH, Beschluss vom 21. Februar 1995 - KVR 4/94, BGHZ 129, 38, 50 - Weiterverteiler ). Im Übrigen hat der Senat bereits am Beispiel der Regelung in § 126 GWB aufgezeigt, dass gerade der objektive Regelungsgehalt des den Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beinhaltenden Art. 1 des Vergaberechtsänderungsgesetzes vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2512) auch in anderem Sachzusammenhang über den subjektiven Willen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe hinausgeht (BGHZ 179, 84 Rn. 24 - Rettungsdienstleistungen

).


21
cc) Die Regelung in § 15 Abs. 2 AEG, wonach die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch Eisenbahnverkehrsunternehmen auf der Grundlage von Art. 1 Abs. 4, Art. 14 der VO (EWG) 1191/69 von den zuständigen Behörden ausgeschrieben werden können, hat gegenüber dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen keinen Vorrang unter dem Gesichtspunkt der Spezialität.
22
(1) Die Regelung mag Vorbehalten gegen die Zweckmäßigkeit von Ausschreibungsverfahren und befürchteten negativen Auswirkungen eines verbes- serten Rechtsschutzes auf die Investitionstätigkeit im Allgemeinen geschuldet gewesen sein, wie das Brandenburgische Oberlandesgericht ausführt (aaO, S. 661 f.; vgl. insoweit auch BGH, Beschluss vom 15. August 2008 - X ZB 17/08, VergabeR 2008, 787 Rn. 13 - Rabattvereinbarungen mwN). Auch wenn solche Vorbehalte grundsätzlich gerade auch dem an der Schwelle zur Öffnung für den Wettbewerb stehenden Schienenverkehr gegolten haben können , so herrschte darüber zwischen den beteiligten Gesetzgebungsorganen doch keineswegs Konsens. Die Gesetzgebungsmaterialien offenbaren diesbezüglich kontroverse Vorstellungen zwischen dem von den Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und der FDP, den damaligen Regierungsfraktionen, sowie von weiteren Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf einerseits und dem Bundesrat andererseits. Nach dem Entwurf für § 13 Abs. 2 AEG (später: § 15 Abs. 2 AEG) sollten die fraglichen Leistungen obligatorisch ausgeschrieben werden. Die verabschiedete Fassung hat zwar den dagegen gerichteten Vorbehalten des Bundesrats (BR-Drucks. 131/93 S. 47) Rechnung getragen. Dies ist jedoch nach dem Wortlaut des Allgemeinen Eisenbahngesetzes nicht in der Weise geschehen, dass es den zuständigen Behörden freigestellt worden ist, solche Leistungen direkt zu vergeben. Vielmehr ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Verpflichtung zur Ausschreibung lediglich zu einer Kann-Regelung abgeschwächt worden. Dies bietet schon mit Blick auf die gleichwohl bestehenden Meinungsverschiedenheiten unter den Organen des Gesetzgebungsverfahrens über die Wettbewerbsöffnung des Schienenverkehrs keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass die in § 15 Abs. 2 AEG beschriebenen Leistungen nach dem rund vier Jahre später geschaffenen Vergaberechtsänderungsgesetz nicht in den Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fallen sollten, obwohl sie nicht unter den Ausnahmekatalog von § 100 Abs. 2 GWB gehören und auch die Materialien des Vergaberechtsänderungsgesetzes keinen Hinweis darauf enthalten, dass der Gesetz- geber des Vergaberechtsänderungsgesetzes in § 15 Abs. 2 AEG eine Spezialregelung gesehen hat, die eine außerhalb dieses Gesetzes formulierte Ausnahme vom Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen begründen und damit aus der eisenbahnrechtlichen Möglichkeit zur Ausschreibung die Möglichkeit zur Direktvergabe machen sollte.
23
(2) Von DB Regio wird unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien zu § 100 Abs. 2 GWB109 RegE GWB, BT-Drucks. 13/9340 S. 15 rechte Spalte vor "Zu § 110") und im Anschluss an das Privatgutachten eine Lesart des Ausnahmetatbestands vertreten, derzufolge dieser nicht so zu verstehen sein soll, dass außer den dort genannten Ausnahmen keine anderen möglich seien, sondern dass damit lediglich zum Ausdruck gebracht sei, dass alle Ausnahmen aus den umzusetzenden Richtlinien in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen übernommen worden seien, und der Katalog nur insofern abschließend sei, als keine weiteren Ausnahmen in der einschlägigen Richtlinie genannt seien. Dem kann nicht beigetreten werden. Die seinerzeit einschlägige Richtlinie 92/50/EWG (ABl. Nr. L 209 vom 24. Juli 1992, S. 1), deren Umsetzung auch Gegenstand des Vergaberechtsänderungsgesetzes war, bezog sich auch auf die hier interessierenden Dienstleistungen im Bereich "Eisenbahnen". Als im Anhang I B katalogisiert unterfielen diese Leistungen allerdings nur sehr begrenzten Regulierungen (Art. 9 i.V.m. 14 und 16 der Richtlinie ). Zu dieser Differenzierung verhalten sich die Gesetzgebungsmaterialien zum Vergaberechtsänderungsgesetz nicht. Aus dem Schweigen der Materialien zu diesen Regelungszusammenhängen der Richtlinie 92/50/EWG kann nicht pauschal auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, dass diese Leistungen nicht dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterstellt werden sollten. Das gilt umso mehr, als diese Leistungen bereits vor Verabschiedung des Vergaberechtsänderungsgesetzes Gegenstand von Maßnahmen zur Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vergaberichtlinien gewesen waren. Der durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes (HGrG) vom 26. November 1993 (BGBl. I S. 1928) in das HGrG eingefügte § 57a Abs. 1 HGrG hatte die Bundesregierung ermächtigt , zur Erfüllung der Verpflichtungen aus Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften die Vergabe unter anderem von Dienstleistungsaufträgen durch Rechtsverordnung zu regeln. Nach § 1 der auf dieser Rechtsgrundlage erlassenen Vergabeverordnung vom 22. Februar 1994 (BGBl. I S. 321) in der Fassung der ersten Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung vom 29. September 1997 (BGBl. I 2384) hatten die "klassischen" öffentlichen Auftraggeber (§ 57a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 HGrG, jetzt: § 98 Nr. 1 bis 3 GWB) bei der Vergabe von Dienstleistungen und Erreichen der festgelegten Schwellenwerte die Bestimmungen des Abschnitts 2 der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Mai 1997 (BAnz Nr. 163a vom 2. September 1997) anzuwenden. In Bezug auf die im Anhang I B der VOL/A aufgeführten , den Eisenbahnbereich einschließenden Dienstleistungen war gemäß § 1a VOL/A unter anderem die Ausschreibung nach dem ersten Abschnitt der VOL/A vorgeschrieben. Damit hatte § 1a VOL/A nicht nur haushaltsrechtlichen Charakter, sondern beinhaltete Wettbewerbsrecht, auf das sich die Unternehmen vor der Vergabekammer und den Vergabesenaten berufen konnten (Marx in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Komm. zur VOL/A (2006), 1. Aufl., § 1a Rn. 43). War die Vergabe von Dienstleistungen im Eisenbahnbereich bereits Gegenstand von Umsetzungsmaßnahmen, hätte der Gesetzgeber des Vergaberechtsänderungsgesetzes umso mehr Anlass gehabt, den etwaigen Willen, sie dessen Anwendungsbereich zu entziehen, kundzutun.
24
c) Für einen Vorrang von § 15 Abs. 2 Satz 2 AEG spricht auch nicht, dass der Gesetzgeber Änderungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes nach Inkrafttreten des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht zum Anlass genommen hat, § 15 Abs. 2 AEG zu ändern bzw. aufzuheben (aA Prieß, NZBau 2002, 539, S. 542).
25
Zwar kann es bei der Auslegung einer gesetzlichen Bestimmung durchaus zu berücksichtigen sein, wenn der Gesetzgeber die Änderung anderer Bestimmungen eines Gesetzes nicht zum Anlass nimmt, (auch) eine konkrete weitere Regelung aufzuheben oder zu ändern. Daraus kann indes regelmäßig nicht ohne zusätzliche konkrete Anhaltspunkte die Schlussfolgerung gezogen werden , dass der unberührt gebliebenen Norm deshalb nur ein ganz bestimmtes Verständnis beigelegt werden kann. An entsprechenden Anhaltspunkten dafür, dass § 15 Abs. 2 AEG als lex specialis vom Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen bleiben sollte, fehlt es. Die Regelung in § 15 Abs. 2 AEG bedurfte angesichts ihrer die Ausschreibung ausdrücklich ermöglichenden Formulierung und nach dem Grundsatz, dass das ältere Gesetz von einer jüngeren Norm gleichen Rangs verdrängt wird, nicht der förmlichen Aufhebung. Zudem deutet der Erlass von § 4 Abs. 3 VgV durch die Erste Verordnung zur Veränderung der Vergabeverordnung vom 7. November 2002 (BGBl. I S. 4338) umgekehrt darauf hin, dass mit der Bundesregierung und dem Bundesrat zwei Gesetzgebungsorgane vom generellen Vorrang des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgegangen sind und die daraus resultierenden, von einer Vergabekammer ausgesprochenen Konsequenzen (VK Magdeburg, ZfBR 2002, 706 ff.) zum Anlass für eine modifizierende Regelung genommen haben (vgl. dazu BR-Drucks. 727/02).
26
d) Verträge über die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung im SPNV sind nicht aufgrund einer durch die Verordnung (EG) 1191/69 vom 26. Juni 1969 (ABl. L 156 vom 28. Juni 1969, S. 1, geändert unter ande- rem durch die Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 des Rates vom 20. Juni 1991, ABl. Nr. L 169 vom 29. Juni 1991, S. 1) begründeten Sonderrechtsordnung der Geltung der Vergaberichtlinien entzogen. Dem im Privatgutachten vertretenen Verständnis dazu, wie sich diese Regelungsmaterie zum gemeinschaftsrechtlichen Vergaberecht verhält, kann nicht nähergetreten werden. In jener Verordnung ging es um den Schutz der Eisenbahnunternehmen vor unkompensierten finanziellen Lasten und auch um den Abbau von Wettbewerbsverfälschungen (vgl. Fehling in: Kaufmann/Lübbig/Prieß/Pünder, Komm. zur VO (EG) 1370/2007 Einl. Rn. 18). Es sollten die Unterschiede beseitigt werden, die sich dadurch ergaben, dass die Mitgliedstaaten den Verkehrsunternehmen mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundene Verpflichtungen auferlegen; diese Unterschiede führten zu einer erheblichen Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen (Erwägungsgrund 1). Dazu sollten im Grundsatz die den Verkehrsunternehmen auferlegten, mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf Antrag aufgehoben werden können (Art. 1 Abs. 3 VO 1191/69). Jedoch sollten die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, um insbesondere unter Berücksichtigung sozialer, umweltpolitischer und landesplanerischer Faktoren eine ausreichende Verkehrsbedienung sicherzustellen, mit einem Verkehrsunternehmen Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes abschließen können. Von einem durch die Verordnung begründeten, die Anwendung des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf den Eisenbahnbereich ausschließenden Sonderrecht könnte nur ausgegangen werden, wenn der Abschluss von entsprechenden Verträgen zwischen öffentlichen Auftraggebern und Eisenbahnverkehrsunternehmen im Wege förmlicher Vergabeverfahren sich schlechthin nicht in Einklang mit den Zielen der Verordnung bringen ließe. Davon kann keine Rede sein. Verträge über Dienstleistungen im Eisenbahnbereich konnten, ohne dass die Regelungsziele der Verordnung dadurch untergraben wurden, nicht allein im Wege von - wie es im Privatgutachten heißt - "formloskonsensualen Vertragsverhandlungen" verwirklicht werden. Das durch die Verordnung geschaffene Recht schloss eine vergaberechtlich geprägte Sicherstellung der Verkehrsbedienung nicht aus. Das ergibt sich auch daraus, dass die die Verordnung 1191/69 ersetzende Verordnung über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (VO (EG) 1370/2007 (im Folgenden: VO 1370/2007)) ausweislich ihres 6. Erwägungsgrundes und Art. 5 Abs. 6 selbst davon ausgeht, dass vor ihrem Inkrafttreten, also unter Geltung der VO 1191/69, nationale Regelungen zur Vergabe von Eisenbahndienstleistungen existierten (und weiter Bestand haben können). Auch deshalb war es einem nationalen Gesetzgeber nicht verwehrt, den Eisenbahnbereich in die nationalen vergaberechtlichen Regelungen einzubeziehen. Die von DB Regio vertretene Ansicht, Art. 5 Abs. 6 VO 1370/2007 gelte nur für diesbezüglich neu geschaffenes nationales Recht, entbehrt der nachvollziehbaren Herleitung.
27
2. Der Nachprüfungsantrag ist nicht deshalb unzulässig, weil der über den Dezember 2018 hinausgehende S-Bahn-Betrieb DB Regio durch eine - vom Anwendungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommene - Dienstleistungskonzession übertragen worden wäre. Die Vertragsleistungen sind vielmehr als gewöhnliche entgeltliche Dienstleistungen i.S.v. § 99 Abs. 2 bis 4 GWB Gegenstand des Änderungsvertrages.
28
a) Das Oberlandesgericht Düsseldorf und die Verfahrensbeteiligten gehen zu Recht davon aus, dass auf den Streitfall das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der seit dem 24. April 2009 geltenden Fassung anzuwenden ist. Nach der Übergangsbestimmung in § 131 Abs. 8 GWB (in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009, BGBl. I S. 790) sind Vergabeverfahren, die vor dem 24. April 2009 begonnen haben, nach den bisher hierfür geltenden Vorschriften zu beenden. Für ein vor dem maßgeblichen Stichtag begonnenes Vergabeverfahren ist hier nichts ersichtlich. Zwar hatten der VRR und DB Regio schon geraume Zeit zuvor mit Vergleichsverhandlungen zur Beilegung ihrer Streitigkeiten aus dem Verkehrsvertrag begonnen. Solche einseitigen Verhandlungen eines öffentlichen Auftraggebers mit dem bisherigen Vertragspartner stellen jedoch kein Vergabeverfahren im Sinne der genannten Übergangsvorschrift dar. Davon kann nur die Rede sein, wenn der Auftraggeber ein konzeptionell auf die wettbewerbliche Auswahl eines Vertragspartners ausgerichtetes Verfahren in die Wege leitet. Daran fehlt es hier vor dem Stichtag. Als ein mögliches Ereignis, das als Publizitätsakt den Anforderungen der Übergangsvorschrift in § 131 Abs. 8 GWB in entsprechender Anwendung eventuell genügen könnte, kommt allenfalls die Bekanntgabe der Absicht des VRR im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 21./25. Juli 2009 in Betracht, mit DB Regio einen Vergleichsvertrag abzuschließen. Dieser Zeitpunkt liegt nach dem maßgeblichen Stichtag.
29
b) Soweit dem Beschluss des Senats vom 1. Dezember 2008 (BGHZ 179, 84 Rn. 20 - Rettungsdienstleistungen) Zweifel daran entnommen werden können, dass Dienstleistungskonzessionen vom Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen waren, bezog sich diese Entscheidung auf die bis zum 23. April 2009 geltende Fassung des Gesetzes. Jedenfalls seither ist das Gesetz nicht auf Dienstleistungskonzessionen anzuwenden. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit daraus, dass das Gesetz Baukonzessionen nunmehr ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezieht (§ 99 Abs. 6 GWB) und ergänzend in den Gesetzgebungsmaterialien durch positive Erklärung klargestellt worden ist, dass das Gesetz nicht auf Dienstleistungskonzessionen anzuwenden sein soll (vgl. BT-Drucks. 16/10117 S. 17). Wird in Gesetzgebungsmaterialien positiv zum Ausdruck gebracht, dass das geplante Gesetz auf einen bestimmten Gegenstand nicht anzuwenden sein soll, ist dem bei der Auslegung ein anderes Gewicht beizumessen, als im entgegengesetzten Fall, in dem trotz generellen Schweigens der Materialien zum Problempunkt und einer umfassenden Ausnahmeregelung auf die Weitergeltung älteren entgegenstehenden Rechts geschlossen werden soll, wie hier in Bezug auf Dienstleistungen im SPNV geltend gemacht wird (oben C II 1 cc).
30
c) Das deutsche Recht definiert den Begriff der Baukonzession (§ 99 Abs. 6 GWB), nicht aber den der Dienstleistungskonzession. In den Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates 2004/17/EG und 2004/18/EG sind Dienstleistungskonzessionen übereinstimmend als Verträge definiert, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zu ihrer Nutzung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.
31
In Anlehnung an den Begriff der Baukonzession in § 99 Abs. 6 GWB und die gemeinschaftsrechtliche Definition der Dienstleistungskonzession, die der Gesetzgeber bei seiner Entschließung, solche Konzessionen vom Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen, vor Augen gehabt hat (BT-Drucks. 16/10117 S. 17 rechte Sp.), sind unter Dienstleistungskonzessionen vertragliche Konstruktionen zu verstehen, die sich von einem Dienstleistungsauftrag nur dadurch unterscheiden, dass der Konzessionär das zeitweilige Recht zur Nutzung der ihm übertragenen Dienstleistung enthält und gegebenenfalls die zusätzliche Zahlung eines Preises vorgesehen ist. Der Begriff der Zuzahlung eines Preises ist unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten weit zu verstehen; es kommt lediglich darauf an, dass der Konzessionär zusätzlich zum Verwertungs- recht geldwerte Zuwendungen erhält (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 1. Februar 2005 - X ZB 27/05, BGHZ 162, 116 ff.).
32
d) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für die Dienstleistungskonzession charakteristisch, dass der Konzessionär bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung in der Weise den Risiken des Marktes ausgesetzt ist, dass er das damit einhergehende Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt (EuGH, VergabeR 2007, 604 Rn. 34 mwN; VergabeR 2010, 48 Rn. 77 - WAZV Gotha).
33
Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Abgrenzung von Dienstleistungskonzessionen und öffentlichen Dienstaufträgen ist für die nationalen Gesetzgeber und Gerichte in dem Maße verbindlich, als dadurch positiv die materielle Reichweite der Richtlinien 2004/17/EG bzw. 2004/18/EG konkretisiert wird. Verträge dürfen nicht entgegen dieser Rechtsprechung als Dienstleistungskonzessionen eingeordnet und dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entzogen werden, wenn der Konzessionär das Betriebsrisiko nur zu einem unwesentlichen Teil im Sinne dieser Rechtsprechung übernimmt. Das ergibt sich aus den den Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 EUV obliegenden Verpflichtungen.
34
Ob und inwieweit der Konzessionär bei der Verwertung der ihm übertragenen Leistung tatsächlich den Risiken des Marktes ausgesetzt ist und er das Betriebsrisiko ganz oder zumindest zu einem wesentlichen Teil übernimmt, hängt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Beantwortung dieser Frage ist folgerichtig in die Hände des nationalen Richters gelegt (EuGH, VergabeR 2010, 48 Rn. 78 - WAZV Gotha).
35
e) Bei der hierfür erforderlichen Gesamtbetrachtung aller Umstände sind insbesondere die in Bezug auf den Vertragsgegenstand herrschenden Marktbedingungen und die vertraglichen Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen , die beide ganz unterschiedlich gestaltet sein können. So kann die Dienstleistung sich, wie in dem vom Gerichtshof der Europäischen Union entschiedenen Fall des Wasser- und Abwasserzweckverbands Gotha beispielsweise auf einen Markt beziehen, bei dem einerseits das Risiko des Konzessionärs infolge der dafür bestehenden öffentlichrechtlichen Bestimmungen (Anschluss - und Benutzungszwang) von vornherein herabgesetzt erscheint, der Konzessionär aber andererseits sein Auskommen allein in den ihm seitens der Abnehmer zufließenden Einnahmen finden muss, weil eine Zuzahlung seitens des Konzessionsgebers nicht vorgesehen ist. Da marktregulierende rechtliche Rahmenbedingungen wie etwa ein Anschluss- und Benutzungszwang nach der auch vom Senat befürworteten Rechtsprechung des Gerichtshofs für die Risikofrage außer Betracht zu bleiben haben, wird in Fällen, in denen keinerlei Zuzahlung erfolgt, regelmäßig eine Dienstleistungskonzession anzunehmen sein, weil jeder Bewerber das Risiko der Auskömmlichkeit der möglichen Einnahmen übernimmt.
36
Soll, wie auch im Streitfall, neben dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung zusätzlich ein Preis gezahlt werden, kann demgegenüber, da die Zahlung eines Preises charakteristisch für einen - der Pflicht zur Ausschreibung unterliegenden - öffentlichen Dienstleistungsauftrag ist, je nach den Umständen des Einzelfalls zweifelhaft sein, ob der jeweilige Vertrag trotz dieser Zuzahlung als Dienstleistungskonzession einzuordnen und nicht als öffentlicher Dienstleistungsauftrag zu bewerten ist.
37
f) Ist eine Zuzahlung vorgesehen, kann der Vertrag jedenfalls dann nicht als Dienstleistungskonzession vom Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen werden, wenn die zusätzliche Vergütung oder (Aufwands-)Entschädigung ein solches Gewicht hat, dass ihr bei wertender Betrachtung kein bloßer Zuschusscharakter mehr beigemessen werden kann, sondern sich darin zeigt, dass die aus der Erbringung der Dienstleistung möglichen Einkünfte allein ein Entgelt darstellen würden , das weitab von einer äquivalenten Gegenleistung läge.
38
aa) Stehen die beiden Vergütungselemente in einem solchen Verhältnis zueinander, liegt kein Vertrag vor, bei dem die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen in dem Recht zu ihrer Nutzung zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht, sondern gleichsam umgekehrt ein Vertrag, bei dem eine Zahlung zuzüglich der Einräumung eines Nutzungsrechts erfolgt, was als Dienstleistungsauftrag zu behandeln ist. Zugleich wird die Übernahme der Dienstleistung bei einem solchen Verhältnis von auftraggeberseitigen Zahlungen auf der einen und den Verwertungsmöglichkeiten auf der anderen Seite regelmäßig auch indizieren, dass die Interessen des Vertragspartners des öffentlichen Auftraggebers durch die Zahlungen in einem Maße gesichert sind, dass mit der Übernahme der Dienstleistung für ihn kein wesentliches Vertragsrisiko im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union einhergeht. Ein betriebswirtschaftlichen Grundsätzen verpflichtetes Unternehmen wird in einem von Beihilfen und Zuschüssen geprägten Geschäftsverkehr, in dem folglich die regulären Einnahmen aus dem Nutzungsrecht Auskömmlichkeit bei weitem nicht erwarten lassen, Verpflichtungen nur übernehmen, wenn die Auskömmlichkeit durch derlei Förderungsmaßnahmen gesichert erscheint.
39
bb) Dieses Verständnis wird bereits durch die Auslegung des nationalen Rechts nahegelegt. Die Präposition "zuzüglich" impliziert einen Zusatz oder Annex , also eine Leistung bzw. Verpflichtung, die zu einer (Haupt-)Leistung hinzukommt und diese ergänzt und die dementsprechend auch quantitativ die im Verhältnis zur Hauptleistung geringere ist. Unterstützt wird dieses Verständnis durch die Verwendung des Adverbs "gegebenenfalls" in § 99 Abs. 6 GWB, das unterstreicht, dass die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung im Rahmen einer Dienstleistungskonzession an sich in der Verwertung der Dienstleistung besteht und nur dann, wenn dies unter Äquivalenzgesichtspunkten erforderlich ist, ausnahmsweise eine Zuzahlung seitens des öffentlichen Auftraggebers erfolgen kann, die aber schon deshalb nicht zu hoch ausfallen darf, weil ansonsten der Bereich zum entgeltlichen Dienstleistungsauftrag überschritten wird.
40
g) Wann eine Zuzahlung im vorgenannten Sinne im Vordergrund steht und überwiegt, lässt sich wegen der Unterschiedlichkeit der möglichen Fallgestaltungen ebenso wenig einheitlich durch eine rechnerische Quote festlegen, wie sich auch sonst eine schematische Lösung verbietet. Es bedarf auch insoweit stets einer alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Gesamtschau. Dazu kann insbesondere gehören, ob der Konzessionär bei Nutzung der Dienstleistung monopolistisch oder sonst aus einer überlegenen Position heraus am Markt agieren kann bzw. inwieweit er dem Risiko ausgesetzt ist, seine Leistung im Wettbewerb mit Konkurrenten absetzen zu müssen. Ist Letzteres der Fall, kann es im Einzelfall unbedenklich sein, wenn der Auftraggeber die gleichwohl bestehende Bereitschaft zur Übernahme der Dienstleistung mit einer Zuzahlung prämiert, die vergleichsweise höher ausfällt, als sie unter monopolistisch geprägten Marktstrukturen angemessen wäre. Dagegen kann es für eine Einordnung als Dienstleistungsauftrag sprechen, wenn Dienstleistungen in ei- nem von öffentlichen Zuschüssen bzw. staatlichen Beihilfen geprägten geschäftlichen Verkehr erbracht werden sollen und diese einen wesentlichen Teil der Gegenleistung ausmachen. Dies kann ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass das beauftragte Privatunternehmen so weit abgesichert ist, dass ein eigenes wesentliches Risiko im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht anzunehmen ist.
41
h) Im Streitfall liegt danach keine Dienstleistungskonzession vor.
42
aa) DB Regio erhält nicht allein das Recht, die Dienstleistung zu verwerten , sondern Zuwendungen pro gefahrenem Zugkilometer, die zugestandenermaßen und ohne dass A. R. dies substanziell hätte überprüfen können, weil DB Regio die Höhe dieser aus öffentlichen Mitteln stammenden Pauschale und weitere betriebswirtschaftliche Daten als Geschäftsgeheimnisse deklariert hat, circa 64 % der bei Vertragsdurchführung anfallenden Gesamtkosten abdecken. Damit überwiegt die Zuzahlung seitens des VRR im Verhältnis zu den durch die Nutzung der Dienstleistung von DB Regio erzielten Einnahmen von vornherein ganz erheblich.
43
bb) Hinzu kommt, dass DB Regio bei Verwertung der Dienstleistung keinem direkten Wettbewerb ausgesetzt ist, weil nicht vorgesehen ist, dass auch ein anderes Unternehmen gleichzeitig S-Bahn-Dienstleistungen im Vertragsgebiet anbietet. Aus welchen Gründen, wie DB Regio anführt, zusätzlich eine nennenswerte Verschiebung zu Gunsten anderer Verkehrsmittel im Linienverkehr zu besorgen sein könnte, als sie den Kalkulationen des Verkehrsvertrages und des Änderungsvertrages ohnehin zugrunde liegt, ist weder substanziiert vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr verbleibt den Fahrgästen als Handlungsalternative im Wesentlichen nur, auf den Individualverkehr auszuweichen. Damit erscheint das Risiko der Abwanderung von Fahrgästen in einer erheblichen Größenordnung - und damit zugleich auch das Vertragsrisiko von DB Regio - von vornherein als gering.
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cc) Soweit DB Regio mit einer jährlichen Fahrpreis- und Einnahmenerhöhung von 2,75 % kalkuliert, ergeben sich daraus keine zureichenden Anhaltspunkte für unzulängliche Einnahmeentwicklungen. Gegen ein erhebliches Marktrisiko spricht dabei, dass DB Regio sich im Gegenzug zu einer eigenen "Zuzahlung" in Gestalt einer weiteren - gewinnmindernden - Investitionszusage über bis zu 215 Mio. € für S-Bahn-Züge verpflichtet und in das "Kick-BackModell" nach Maßgabe von Anlage 39.2.3 zum Änderungsvertrag eingewilligt hat, durch das der VRR an die dort zugrunde gelegten Referenzwerte übersteigenden Einnahmen hälftig beteiligt wird.
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dd) Die weiteren von DB Regio als risikoerhöhend angeführten Faktoren (insbesondere Beschwerdebegründung S. 49 ff.) rechtfertigen nicht die Annahme realistischer Vertragsrisiken in einer Größenordnung, die die Einordnung als Dienstleistungsauftrag auch nach Maßgabe der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union infrage stellen könnte.
46
Ob bestimmte ungewisse Umstände geeignet sein können, Zweifel am Charakter einer Vereinbarung als Dienstleistungsauftrag aufkommen lassen können, kann nur durch eine Bewertung dieser Umstände geklärt werden, welche die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts berücksichtigt. Diese Wahrscheinlichkeit ist bei einigen angeführten Gesichtspunkten gering (Risiko von erheblichen und nachhaltigen Fahrgeldmindereinnahmen infolge von Attentaten wie in der Moskauer U-Bahn vom 28. März 2010, von Epidemien bzw. Pandemien oder von Stürmen). Ebenfalls wenig überzeugend erscheint die Hochrechnung der Verluste aus einer verschobenen Fahrpreiserhöhung von August 2010 auf Januar 2011 über die gesamte Laufzeit unter der Prämisse, dass diese nicht durch spätere überproportionale Erhöhungen aufgefangen werden können. DB Regio stellt nämlich gleichzeitig Modellrechnungen an, die von einer Steigerung von 4 % im Jahre 2012 ausgehen. Hinzu kommt, dass die Kick-Back-Regelung in Anlage 39.2.3 des Änderungsvertrages für den VRR nachhaltig Anreiz zu Fahrpreiserhöhungen in einer Höhe bieten kann, bei der der Verbund an den daraus resultierenden Einnahmesteigerungen teilhat. Mit Nachfrageeinbrüchen von 5 % im Jahr 2014 zu rechnen erscheint nicht nur spekulativ, sondern auch deshalb unerheblich, weil dies nicht repräsentativ für das Risiko von Einnahmenminderungen über die gesamte Laufzeit ist.
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3. Der Änderungsvertrag konnte auch nicht deshalb ohne Weiteres geschlossen werden, weil mit seinem Abschluss der zwischen den Vertragsparteien herrschende Streit über die Durchführung des Verkehrsvertrages beigelegt werden sollte. Das Anliegen, im Wege beiderseitigen Nachgebens den Streit über die Abwicklung dieses Vertrages auszuräumen, berechtigt den öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich nicht zur vergaberechtsfreien Disposition über Dienstleistungen, die jenseits der Laufzeit des abgeschlossenen Vertrages zu erbringen sind, auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass der Vergleichsvertrag nur mit dem bisherigen Leistungserbringer geschlossen werden kann. Ob eine Ausnahme davon zuzulassen ist, wenn es sich dabei um einen unbedeutenden Nachtrag handelt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. EuGH, VergabeR 2008, 758 - pressetext Nachrichtenagentur; VergabeR 2010, 643, insbesondere Rn. 36 Satz 1 - Wall AG). Die zum Gegenstand des Änderungsvertrags gemachte Verlängerung des S-Bahn-Betriebs im Verkehrsverbund über fünf Jahre kann nach Volumen und Wert dieser Leistungen nicht als unbedeutender Nachtrag angesehen werden.
48
Im Übrigen kann auch die Bereitschaft von DB Regio zu nicht unerheblichen Investitionen, die dem Leistungsangebot im Verkehrsverbund zugute kommen sollen, aus Rechtsgründen nicht von der Anwendung der Regeln des nationalen Vergaberechts entbinden. Diese Bereitschaft kann nach dem gesetzlichen Regelungsrahmen für die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht außerhalb von wettbewerblichen Verfahren geregelt werden, indem der Zeitraum für die Leistungserbringung so verlängert wird, wie dies für eine hinreichende Amortisation der nachträglichen Investitionen erforderlich erscheint. Deshalb kann DB Regio als bisherige Leistungserbringerin auch nicht als ein nach § 3 Abs. 5 lit. l VOL/A (2009) zu privilegierendes Unternehmen behandelt und die Notwendigkeit einer Ausschreibung aus diesem Grunde verneint werden. Ebenso wenig können Bedürfnisse der Praxis nach einem fakultativen Einsatz einer Auftragsvergabe im Wettbewerb, auf die sich insbesondere DB Regio beruft, eine Abweichung von dem vom nationalen Vergaberecht vorgesehenen Rechtsrahmen rechtfertigen.
49
4. A. R. kann das für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags erforderliche Interesse am Auftrag (§ 107 Abs. 2 GWB) nicht abgesprochen werden, auch wenn sich dieses Interesse auf den Betrieb der S-Bahn-Linie 5, gegebenenfalls in Verbindung mit dem der Linie 8, beschränkt.
50
a) Für die Antragsbefugnis von A. R. kommt es nicht darauf an, dass der VRR im Änderungsvertrag DB Regio das gesamte S-Bahn-Linienbündel des Verkehrsverbundes en bloc außerhalb eines geordneten Vergabeverfahrens übertragen hat und A. R. dieses insgesamt nicht bedienen kann und will. Entscheidend ist vielmehr, ob der VRR ohne Verstoß gegen Vergaberecht so verfahren dürfte. Ein ihre Antragsbefugnis ausschließendes Interesse am Auftrag könnte A. R. allenfalls abgesprochen werden, wenn der VRR für den Fall der Vergabe der Leistungen im Wettbewerb unter keinen Umständen verpflichtet sein könnte, die Leistungen losweise so zu vergeben, dass sich A. R. um ein Teillos bewerben könnte. Dass der VRR berechtigt sein könnte, von einer losweisen Vergabe gänzlich Abstand zu nehmen, ist jedoch nicht anzunehmen, insbesondere rechtfertigen dies der Vergleichscharakter des Änderungsvertrages und der Wunsch, zusätzliche Fahrzeuge anzuschaffen und entsprechende Amortisationsmöglichkeiten durch Verlängerung der Vertragslaufzeit zu schaffen , nicht (oben C II 3).
51
Das vorlegende Oberlandesgericht meint, die Vergabe des gesamten S-Bahn-Netzes ohne Losaufteilung verstoße gegen § 97 Abs. 1, Abs. 3 GWB und § 5 VOL/A (aF). Sachlich gegen diese Auffassung sprechende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Auf ein Vergabeverfahren werden aus gegenwärtiger Sicht die Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 2009 (VOL/A 2009) anzuwenden sein (§ 4 Abs. 4 VgV). In dieser Fassung ist nur noch bestimmt, dass Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben sind und darauf nur aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen verzichtet werden kann (§ 2 Abs. 2; § 2 Abs. 2 VOL/A-EG). Der in § 5 Nr. 1 VOL/A aF enthaltene funktionale Hinweis auf die mit der Losvergabe bezweckte Ermöglichung der Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen ist entfallen. Soweit in § 2 Abs. 2 VOL/A-EG vorangestellt ist, mittelständische Interessen seien bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen, soll damit lediglich betont werden, dass der Mittelstand gerade auch bei den gemeinschaftsweiten Vergaben über eine Losvergabe vornehmlich berücksichtigen werden soll (vgl. Kus/Marx in: Kulartz/Marx/ Portz/Prieß, Komm. zur VOL/A, 2. Aufl., § 3 Rn. 62 f.). Daraus folgt jedenfalls nicht, dass sich nur mittelständische Unternehmen - wie auch immer dieser Be- griff vergaberechtlich in diesem Zusammenhang zu verstehen sein mag - auf eine Losvergabe berufen können. Es bedarf vor diesem Hintergrund keiner vertieften Erörterung, ob die Regelung in § 97 Abs. 3 Satz 1 GWB, wonach "mittelständische Interessen" bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen sind, speziell auf kleine und mittlere Unternehmen zu beziehen ist und unter welchen Gesichtspunkten insoweit eine Abgrenzung von anderen Unternehmen vorzunehmen ist. Wie das vorlegende Oberlandesgericht zutreffend und unter Hinweis auf die Materialien zu § 4 Abs. 3 VgV (BR-Drucks. 727/02), das Sondergutachten 55 der Monopolkommission und das Schrifttum ausführt, kann Wettbewerb im Schienenpersonennahverkehr nur im Wege der Bildung von Losen gefördert werden (vgl. zur Auslegung von § 97 Abs. 3 GWB speziell unter ökonomischen Gesichtspunkten Kirchner, VergabeR 2010, 725, 730 f.).
52
b) Zweifel an der Antragsbefugnis von A. R. unter dem Gesichtspunkt des Interesses am Auftrag (§ 107 Abs. 2 GWB) ergeben sich auch nicht daraus, dass das Unternehmen anfangs nur Interesse an der Bedienung der Linie S 5 bekundet hat. Der VRR hat dazu dargelegt, dass eine isolierte Vergabe dieser Linie als Teillos aus betriebstechnischen Gründen nicht in Betracht komme. Die Linie S 5 verkehrt im S-Bahn-System Rhein-Ruhr zwischen Dortmund und Hagen. Zwischen Dortmund und Witten besteht ein 30-Minuten-Takt. Eine Fahrt pro Stunde wird weiter nach Hagen geführt. Dieses Fahrzeug fährt von dort weiter auf der Linie S 8 Richtung Düsseldorf/Mönchengladbach; Gleiches gilt für die Gegenrichtung. Durch diese so genannte Durchbindung der Linien S 5 und S 8 wird die Linie S 5 in das gesamte S-Bahn-System Rhein-Ruhr integriert. Mit diesen Erläuterungen konfrontiert, hat A. R. erklärt, sich auch um ein ein Linienbündel betreffendes Teillos bewerben zu wollen. Damit ist das Interesse am Auftrag hinreichend dargetan. Wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, können A. R. weitergehende Darlegungen zu ihrer Leistungsfähigkeit in Bezug auf denkbare Teillose nicht abverlangt werden, bevor der VRR nicht selbst ein Konzept zur Vergabe des S-Bahn-Betriebs für den Zeitraum nach Auslaufen des Verkehrsvertrages entwickelt und publik gemacht hat.
53
5. Entgegen der Auffassung von DB Regio kann A. R. das Interesse an einer Sachentscheidung auch nicht mit Blick darauf abgesprochen werden, dass inzwischen die VO 1370/2007 in Kraft getreten ist und den zuständigen Behörden gestattet, öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr, worunter der hier interessierende S-Bahn-Betrieb fällt, unter bestimmten Voraussetzungen direkt zu vergeben (Art. 5 Abs. 6 VO 1370/2007). Die Verordnung lässt nämlich einer Direktvergabe entgegenstehendes nationales Recht unberührt.
54
Wie bereits ausgeführt, steht das deutsche Recht der Direktvergabe insoweit entgegen, als die Vergabe der hier interessierenden Leistungen in den Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fällt. Ob die Übertragung ihrer Erbringung durch den Änderungsvertrag rechtsbeständig ist, ist keine Frage der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags , sondern der Begründetheit.
55
6. Der Nachprüfungsantrag ist nicht infolge der Übergangsregelung in Art. 8 Abs. 3 VO 1370/2007 unzulässig. Nach dieser Regelung können bestimmte vor dem 3. Dezember 2019 vergebene Aufträge für ihre vorgesehene Laufzeit gültig bleiben. Diese Regelung berührt nicht die Frage, ob eine geschlossene Vereinbarung in Anwendung des nationalen Rechts gar keine Gültigkeit erlangt hat und die Unwirksamkeit nach nationalem Recht geltend gemacht werden kann.
56
III. Die Vergabekammer hat den Änderungsvertrag zu Recht für unwirksam erklärt (§ 101b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 GWB).
57
1. Der S-Bahn-Betrieb konnte DB Regio im Umfang des Änderungsvertrages nicht gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV wirksam übertragen werden.
58
a) Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV ist bei Verträgen, welche die Übertragung von mehr als einer einzelnen Linie bei einer Laufzeit von bis zu drei Jahren vorsehen , eine freihändige Vergabe ohne sonstige Voraussetzungen im Rahmen von § 15 Abs. 2 AEG zulässig, wenn ein wesentlicher Teil der durch den Vertrag bestellten Leistungen während der Vertragslaufzeit ausläuft und anschließend im Wettbewerb vergeben wird, wobei die Laufzeit des Vertrages zwölf Jahre nicht überschreiten soll.
59
b) § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV ist dahin auszulegen, dass Leistungen, die einmal zum Gegenstand einer freihändigen Vergabe über eine Laufzeit von zwölf Jahren gemacht worden sind, grundsätzlich nicht abermals durch eine entsprechende Vereinbarung in dieser Weise vergeben werden können. Bereits die Vergabe einer einzelnen Linie ist nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 VgV nur einmalig und selbst dann nur für nicht länger als drei Jahre zulässig. In Anbetracht dieser Regelung kann nicht angenommen werden, dass § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV ermöglichen will, Aufträge für den Betrieb einer Linie über mehr als drei Jahre oder für mehrere Linien über mehr als 12 Jahre durch Kettenverträge im Wege freihändiger Vergabe zu erteilen. Dies gilt umso mehr, als die Laufzeit einer entsprechenden Vereinbarung konsequenterweise erneut zwölf Jahre müsste betragen können. Dadurch würde der betreffende Dienstleistungsverkehr auf unannehmbar lange Zeit dem Wettbewerb vorenthalten. Einem solchen Normverständnis stünde unter diesem Gesichtspunkt ferner entgegen, dass § 4 Abs. 3 VgV gemäß Art. 2 der Ersten Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung vom 7. November 2002 am 31. Dezember 2014 außer Kraft tritt. Diese zeitliche Befristung der Regelung durch den Verordnungsgeber spricht ebenfalls dafür, dass mehrere aufeinander folgende Vereinbarungen nicht möglich sein sollen.
60
c) Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Vorschrift es erlaubt hätte, im Rahmen einer zwischen dem VRR und DB Regio zur Beilegung der entstandenen Streitigkeiten getroffenen Vereinbarungen die Regelungen des Verkehrsvertrags sachgerecht zu modifizieren und dabei gegebenenfalls auch die Gesamtlaufzeit von zwölf Jahren in gewissem Umfang zu überschreiten, wie DB Regio unter Hinweis auf die Regelung in Art. 4 Abs. 3 und 4 VO 1370/2007 meint. Denn jedenfalls durfte eine solche vergleichsweise Änderung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV nicht in der Weise erfolgen, wie dies im Änderungsvertrag geschehen ist,
61
Um den Tatbestandsmerkmalen der Norm wenigstens sinngemäß zu genügen , wäre erforderlich gewesen, auch bei einer Verlängerung der Laufzeit dem Grundgedanken der Vorschrift zu entsprechen, dass die freihändige Vergabe voraussetzt, dass ein wesentlicher Teil der vorgesehenen Leistungen während der Vertragslaufzeit in den Wettbewerb gegeben wird. Eine substanzielle Verlängerung der Laufzeit ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn nicht gleichzeitig auch die wettbewerbsfördernde Komponente des Vertrages verstärkt wird. An einer solchen Verstärkung fehlt es. Soweit es die Leistungen im Regionalbahn- und -expressverkehr betrifft, verbleibt es im Wesentlichen bei den bereits im Verkehrsvertrag getroffenen Regelungen (vgl. Anlage 16 zur Beschwerdebegründung von DB Regio und hierzu Beschwerdebegründung von DB Regio S. 17). Es werden nur im Interesse der Kompatibilität mit den Anschlussleistungen in angrenzenden Verkehrsräumen die Fahrpläne angepasst, was nicht ausreicht, um den Anforderungen von § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV zu genü- gen. Auch die S-Bahn-Leistungen laufen nicht während des Verlängerungszeitraums teilweise aus, sondern sollen nach dem Vertrag bis 2023 in vollem Umfang von DB Regio erbracht werden. Unter diesen Umständen steht jedenfalls eine Verlängerung der Laufzeit des Verkehrsvertrags um fünf Jahre mit § 4 Abs. 3 Nr. 2 VgV nicht in Einklang.
62
2. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag nach allem zu Recht für begründet erachtet, soweit A. R. die Feststellung der Unwirksamkeit des Änderungsvertrags insgesamt begehrt hat. Nach dem auf den Vertrag anwendbaren § 101b GWB (siehe oben C II 2 b) kann im Nachprüfungsverfahren die anfängliche Unwirksamkeit eines Vertrags festgestellt werden, wenn der Auftraggeber einen öffentlichen Auftrag unmittelbar an ein Unternehmen erteilt, ohne andere Unternehmen am Vergabeverfahren zu beteiligen und ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist. Wie ausgeführt, liegen diese Voraussetzungen vor. Der für die Feststellung der Unwirksamkeit nach § 101b Abs. 2 GWB vorgegebene zeitliche Rahmen ist gewahrt; A. R. hat den Nachprüfungsantrag vor Ablauf von 30 Kalendertagen nach Veröffentlichung der Bekanntmachung der Auftragsvergabe im Amtsblatt der Europäischen Union gestellt. Dass sie vornehmlich allein am Betrieb der Linie S 5 interessiert ist, ist für die Rechtsfolge der Unwirksamkeit entgegen der Auffassung von DB Regio (Beschwerdebegründung S. 22 ff.) unerheblich (vgl. oben C II 4).
63
3. DB Regio rügt, dass die Vergabekammer die Gesamtnichtigkeit des Vertrags gemäß dem Hilfsantrag von A. R. ausgesprochen und die Unwirksamkeit des Vertrags nicht gemäß deren Hauptantrag isoliert auf den Leistungsteil der Linie S 5 beschränkt hat.
64
Diese Rüge ist als das hilfsweise Begehren zu verstehen, dem Nachprüfungsantrag nach dem Hauptantrag von A. R. stattzugeben. Dem ist kein Erfolg beschieden. Dafür bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, inwieweit die Rechtsfolge der Unwirksamkeit gemäß § 101b GWB generell auf Teile des geschlossenen Vertrags beschränkt werden kann. Im Streitfall wäre dies - in entsprechender Anwendung der aus § 139 BGB ersichtlichen Grundsätze - allenfalls vorstellbar, wenn angenommen werden könnte, dass der VRR und DB Regio den Änderungsvertrag auch unter Ausklammerung des Betriebs der Linie S 5 geschlossen hätten. Diese Annahme ist indes nicht gerechtfertigt. Der VRR macht noch in der sofortigen Beschwerde und insoweit in Widerspruch zu dem hilfsweisen Begehren von DB Regio geltend, sowohl aus wirtschaftlichen als auch technischen Gründen hätte von einer Ausschreibung der Linie S 5 als Teillos abgesehen werden können, weil der isolie rte Betrieb nicht praktikabel sei (vgl. oben C II 4 b). In Anbetracht dieses Vorbringens kann nicht entsprechend § 139 BGB davon ausgegangen werden, dass der VRR und DB Regio den Änderungsvertrag unter Ausgliederung allein der Linie S 5 geschlossen hätten.

D.


65
I. Die sofortige Beschwerde von A. R. ist zulässig. Dem Antragsteller im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren steht das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu, wenn seinen Anträgen nicht voll entsprochen worden und er dementsprechend formell beschwert ist (vgl. Kuhlig in: Vergaberecht Kompaktkommentar , 12. Los, § 116 Rn. 29). Diese Voraussetzung ist erfüllt, nachdem die Vergabekammer den im tatbestandlichen Teil dieser Beschlussgründe unter Nummer 3 mitgeteilten Antrag von A. R. abschlägig beschieden hat.
66
II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
67
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für dieses Begehren kann A. R. nicht abgesprochen werden. Es ist zwar richtig, dass die von A. R. in erster Linie begehrte Unwirksamkeitserklärung des Änderungsvertrages faktisch darauf hinausläuft , dass ein förmliches Vergabeverfahren zu erfolgen hat. Das Rechtsschutzbedürfnis dafür, dass die Verpflichtung zur Ausschreibung ausgesprochen wird, ergibt sich für den Antragsteller im Nachprüfungsverfahren indes bereits aus dem vorangegangenen Verstoß des Auftraggebers gegen diese Verpflichtung.
68
2. Der zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemachte Antrag weicht sprachlich von dem vor der Vergabekammer gestellten insoweit ab, als er nicht mehr auf das Beschaffungsvorhaben für die Linie S 5 bezogen ist. Indes war schon der Antrag in der vor der Vergabekammer gestellten Fassung nicht so zu verstehen, dass der VRR verpflichtet werden sollte, die Linie S 5 isoliert auszuschreiben. A. R. hat mehrfach erklärt, einen Anspruch auf Ausschreibung eines auf die Linie S 5 beschränkten Einzelloses nicht erheben, sondern sich auch auf die Übernahme des Betriebs der kombinierten Linien S 5 und S 8 bewerben zu wollen, nachdem der VRR die gegen einen alleinigen Betrieb der Linie S 5 sprechenden betriebstechnischen Gründe dargelegt hat. Für einen ihrem Interesse am Auftrag entsprechenden prozessualen Erfolg musste A. R. aus den bereits dargelegten Gründen die gesamte Änderungsvereinbarung zu Fall bringen. So war ihr erstinstanzliches Begehren zu verstehen und so ist es im Beschwerdeantrag nunmehr auch ausdrücklich formuliert, wobei die begehrte Verpflichtung zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens antragsgemäß unter der Bedingung steht, dass der S-Bahn-Betrieb nach Dezember 2018 durch ein Beschaffungsvorhaben sichergestellt wird, also der VRR den Betrieb nicht in einer wie auch immer gestalteten Form von vergaberechtsfreier Eigenregie übernimmt, was nicht zu erwarten sein dürfte.
69
3. Der so verstandene Antrag ist schon deshalb begründet, weil der VRR die Erbringung der fraglichen Leistungen DB Regio vergaberechtswidrig übertragen hat. Die Vergabekammer hat dem Antrag ersichtlich auch nur deshalb nicht stattgegeben, weil sie ihn fälschlich dahin ausgelegt hat, dass A. R. die "umgehende" Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens begehre, worauf kein Anspruch bestehe. Diesem Verständnis des Antrags kann nicht beigetreten werden. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass A. R. jenseits des Antragswortlauts auf eine besonders beschleunigte Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens hinaus wolle, sind dem Vorbringen des Unternehmens im Nachprüfungsverfahren jedenfalls nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen.
70
4. Soweit es die vorherige europaweite Bekanntmachung betrifft, will A. R., wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt, ihren Antrag dahin verstanden wissen, dass eine Vergabe nach Maßgabe des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erfolgen soll. Dieser Zusatz bedarf keiner Erwähnung in der Beschlussformel, weil ein förmliches Vergabeverfahren ohnehin entsprechend den jeweils geltenden gesetzlichen Bedingungen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung bestehender Ausnahmetatbestände, durchzuführen ist.

E.


71
Für ein durchzuführendes Vergabeverfahren erscheinen noch folgende Hinweise angezeigt.
72
Das vorlegende Oberlandesgericht meint, eine Ausschreibung werde im offenen Verfahren zu erfolgen haben. Die Wahl der etwa zulässigen Art der Vergabe (§ 3 VOL/A) bedarf indes im gegenwärtigen Stadium keiner näheren Erörterung. Mit Blick auf die von DB Regio erhobenen Einwendungen ist jedoch vorsorglich darauf hinzuweisen, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 3 und 4 VOL/A 2009 bei beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben mehrere - grundsätzlich mindestens drei - Bewerber zur Angebotsaufgabe aufgefordert werden sollen. Demzufolge wäre selbst eine freihändige Vergabe im Wege der Direktvergabe ohne Berücksichtigung weiterer geeigneter Anbieter unstatthaft.
73
Das vorlegende Oberlandesgericht erörtert mit Blick auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle (VergabeR 2010, 669) zur notwendigerweise zeitnahen Dokumentation (Vergabevermerk), inwieweit es unter dem Gesichtspunkt unzureichender Dokumentation vergaberechtlichen Bedenken ausgesetzt sein könnte, dass der VRR lediglich zeitversetzt, erst im Nachprüfungsverfahren , dargelegt hat, dass nur eine gemeinsame Vergabe der Linien S 5 und S 8 in Betracht komme. Die Frage der vergaberechtlichen Zulässigkeit einer nachträglichen Dokumentation stellt sich indes nicht. Da der VRR gar kein förmliches Vergabeverfahren und insbesondere kein solches mit einer losweisen Vergabe durchgeführt hat, dürfte der Einwand, die Linie S 5 könne nicht isoliert, sondern nur im Verbund mit der Linie S 8 vergeben werden, nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender Dokumentation unberücksichtigt bleiben. Im Übrigen ist mit Blick auf die Dokumentationspflichten im Allgemeinen zu unterschei- den zwischen dem, was nach § 20 Abs. 1 und 2 VOB/A 2009 oder § 24 VOL/AEG im Vergabevermerk mindestens niederzulegen ist, und Umständen oder Gesichtspunkten, mit denen die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung außerdem nachträglich verteidigt werden soll. Solche vorgetragenen Überlegungen auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen, kann der Vergabestelle schwerlich generell unter dem Gesichtspunkt fehlender Dokumentation verwehrt werden. Der Auftraggeber kann im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. Vielmehr ist, soweit es die Frage der möglichen Heilung von Dokumentationsmängeln im Vergabevermerk betrifft, einerseits zu berücksichtigen, dass insbesondere die zeitnahe Führung des Vergabevermerks die Transparenz des Vergabeverfahrens schützen und Manipulationsmöglichkeiten entgegenwirken soll (vgl. Thüringer OLG, VergabeR 2010, 96, 100). Andererseits gibt das Gesetz der Vergabekammer - was für die Beschwerdeinstanz entsprechend zu gelten hat - vor, bei ihrer gesamten Tätigkeit darauf zu achten, dass der Ablauf des Vergabeverfahrens nicht unangemessen beeinträchtigt wird (§ 110 Abs. 1 Satz 4 GWB). Mit dieser dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz verpflichteten Regelung wäre es, wofür ersichtlich auch das vorlegende Oberlandesgericht hält (in diese Richtung auch OLG München, VergabeR 2010, 992, 1006), nicht vereinbar, bei Mängeln der Dokumentation im Vergabevermerk generell und unabhängig von deren Gewicht und Stellenwert von einer Berücksichtigung im Nachprüfungsverfahren abzusehen und stattdessen eine Wiederholung der betroffenen Abschnitte des Vergabeverfahrens anzuordnen. Dieser Schritt sollte vielmehr Fällen vorbehalten bleiben, in denen zu besorgen ist, dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten.

F.


74
Die im Verfahren vor der Vergabekammer angefallenen Gebühren und Auslagen (§ 128 Abs. 1 GWB) haben der VRR und DB Regio als Unterliegende gesamtschuldnerisch zu tragen (§§ 109, 128 Abs. 3 Satz 1, 2 GWB). DB Regio ist als Beigeladene Verfahrensbeteiligte (§ 109) und ebenfalls unterlegen. Als unterlegener Beteiligter ist ein Beigeladener jedenfalls dann anzusehen, wenn er vor der Vergabekammer zur Hauptsache einen Antrag gestellt hat und damit nicht durchgedrungen ist (BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, BGHZ 169, 131 Rn. 58; OLG Düsseldorf VergabeR 2004, 126 f.).
75
Der VRR und DB Regio haben als Beteiligte ferner A. R. deren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen zu erstatten (§ 128 Abs. 4 Satz 1 GWB). Die Mithaftung auch eines unterlegenen Beigeladenen entspricht der Rechtsprechung des Senats zu § 128 Abs. 4 GWB aF (BGHZ 169, 131 Rn. 58). Daran hat sich durch die Modifikation, die die Bestimmung durch das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts erfahren hat, nichts geändert. Das Gesetz sieht nunmehr ausdrücklich vor, dass die Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, soweit die Vergabekammer sie aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Diese Klarstellung, die es den Vergabekammern nach den Gesetzgebungsmaterialien ermöglichen soll zu berücksichtigen, wie sich ein Beigeladener am Verfahren beteiligt hat, stellt die Kostenhaftung des den Auftraggeber unterstützenden Beigeladenen gegenüber dem obsiegenden Antragsteller nicht infrage (ebenso Summa in: jurisPK-VergR, 2. Aufl., § 128 Rn. 26 i.V.m. Rn. 23.2). Da das Gesetz insoweit nicht ausdrücklich gesamtschuldnerische Haftung vorsieht, haften diese Beteiligten als Teilschuldner (BGHZ 169, 131 Rn. 58; ebenso OLG Düsseldorf VergabeR 2001, 38, 40; OLG München NZBau 2006, 135 f.). Im vorliegenden Fall ist es nach der Interessenlage angezeigt, VRR und DB Regio die Aufwendungen von A. R. je zur Hälfte aufzuerlegen.
76
Eine anteilige Haftung von A R. wegen Teilunterliegens ist nicht angezeigt. Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass für die Kostentragung nicht schematisch auf die gestellten Anträge abzustellen ist, weil die Vergabekammer daran nicht gebunden ist (§ 114 Abs. 1 Satz 2 GWB), sondern darauf, ob der Antragsteller sein Ziel materiell erreicht hat (vgl. Noelle in: Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl. Rn. 1396; Brauer in: Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum GWB-Vergaberecht, 2. Aufl., § 128 Rn. 16).
77
Materiell ist A. R. nicht teilweise unterlegen. Soweit es das Ziel, den Änderungsvertrag für unwirksam zu erklären, mit dem Hilfsantrag erreicht hat, ist zu bedenken, dass mit der Fassung des Hauptantrags bezweckt wurde, den Vertrag nur insoweit anzufechten, als es dem (begrenzten) Interesse von A R. am Auftrag entsprach. Diese Beschränkung kam den mutmaßlichen Interessen des VRR und DB Regio am weitestmöglichen Erhalt des Vertrages entgegen, ändert aber nichts daran, dass A. R. sein Rechtsschutzziel in diesem Punkt voll erreicht hat.
78
Darüber hinaus ist die Kostenentscheidung der Vergabekammer zulasten von A. R. ersichtlich von ihrer unrichtigen Auslegung des Antrags zu 2 beeinflusst.
79
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts unter entsprechender Anwendung von § 78 GWB zu treffen (vgl. § 120 Abs. 2 GWB). Diese Bestimmung findet, was im Wortlaut nicht ganz klar zum Ausdruck kommt, auch auf die Gerichtskosten Anwendung (vgl. Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, aaO, § 128 Rn. 78 mwN). Soweit das Gesetz bei seinem Verweis auf § 78 GWB nicht zwischen Satz 1 und Satz 2 der Bestimmung unterscheidet, bedarf die für das Kartellverwaltungsverfahren umstrittene Frage, ob § 78 Satz 2 GWB nur für das Rechtsbeschwerdeverfahren gilt (vgl. Bechtold, Kartellgesetz, 5. Aufl. § 78 Rn. 5 ff.), auch in dem im Streitfall betriebenen Beschwerdeverfahren nach §§ 116 ff. GWB keiner Beantwortung. Denn jedenfalls entspräche es auch im Kartellbeschwerdeverfahren der Billigkeit, dem Beigeladenen, der selbst Beschwerde gegen die Verfügung der Kartellbehörde eingelegt hat und damit unterlegen ist, mit den Gerichtskosten und grundsätzlich auch mit den außergerichtlichen Kosten anderer Verfahrensbeteiligter zu belasten, soweit nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls gemäß § 78 GWB ausnahmsweise eine abweichende Entscheidung geböten. Dementsprechend entspricht es vorliegend der Billigkeit, DB Regio als Beschwerdeführerin Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten von A. R. aufzuerlegen. Es entspricht in Anbetracht der Interessen des VRR und von DB Regio des Weiteren der Billigkeit, diesen Beteiligten die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten von A. R. je zur Hälfe aufzuerlegen.
80
Die Festsetzung des Gegenstandswerts geht von einem jährlichen geschätzten Auftragsvolumen für die Linien S 5 und S 8 von 37.380.000 € aus, das in entsprechender Anwendung der Grundsätze in § 3 VgV für einen Zeitraum von 48 Monaten zugrunde zu legen (vgl. Kühnen in: Byok/Jaeger, Komm. zum Vergaberecht, 2. Aufl. Rn. 1512) und in diesem Rahmen nach § 50 Abs. 2 GKG zu begrenzen ist.
Meier-Beck Gröning Berger
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.07.2010 - VII-Verg 19/10 -

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern vom 06.11.2017, Az.: RMF-SG21-31941048, in den Ziffern 1 und 2 aufgehoben.

II. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, das Vergabeverfahren bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht in das Stadium vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen, und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Vorgaben für die Beschaffungsmaßnahme „Entsorgung von teer- und pechhaltigem Straßenaufbruch" (EU-Bekanntmachung 2017/S 154-319701) zu entscheiden.

III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerde Verfahrens sowie die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin. Die durch das Verfahren nach § 173 GWB verursachten Kosten und die diesbezüglichen, zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners trägt die Antragstellerin.

IV. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor der Vergabekammer durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner beabsichtigt die gemeinsame Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen für das Jahr 2018 für drei unterfränkische Bezirke. Beauftragt werden soll die Abholung bzw. Annahme des bei allen Straßenbaumaßnahmen der staatlichen Bauämter anfallenden teer- und pechhaltigen Straßenaufbruchs in einem vom Auftragnehmer bereitzustellenden Zwischenlager, der Transport und die anschließende thermische Verwertung des Aufbruchs in einer geeigneten Verwertungsanlage.

Die Vergabestelle hat am 12.08.2017 eine europaweite Ausschreibung des Auftrags im nichtoffenen Verfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb nach §§ 119 Abs. 4 GWB, 16 VgV durchgeführt (EU-Bekanntmachung 2017/S. 154-319701).

In der Auftragsbekanntmachung heißt es unter der Überschrift „Kurze Beschreibung“ in Ziffer 11.1.4):

„Transport und thermische Verwertung von teer- und pechhaltigem Straßenaufbruch.

Der … strebt eine weitestgehend, langfristige bzw. dauerhafte und sichere Ausschleusung des Schadstoffpotentials des teer-/pechhaltigen Straßenaufbruchs sowie eine hochwertige und ressourcenschonende Verwertung der mineralischen Fraktion an. Der im Rahmen von Straßenbaumaßnahmen durch die Staatlichen Bauämter S … und B anfallende teer-/pechhaltige Straßenaufbruch soll einer thermischen Behandlung (vollständige Verbrennung der Schadstoffe und Wiederverwendung der enthaltenen Gesteinskörnungen) zugeführt werden.“

Ziffer II.2.4) (Beschreibung der Beschaffung) der Bekanntmachung lautet:

„Transport und thermische Verwertung von teer- und pechhaltigem Straßenaufbruch, ca. 36.0001 teer-/pechhaltiger Straßenaufbruch mit Fremdstoffanteile. Der Auftrag umfasst die Annahme inkl. Abholung von teer-/pechhaltigem Straßenaufbruch an den Zwischenlagern des Auftragnehmers und die rechtskonforme Verwertung des teer-/pechhaltigen Straßenaufbruchs durch thermische Behandlung. Der Straßenaufbruch geht in das Eigentum und die Verantwortung des AN über.“

Diese Vorgaben werden in der mit einem Link zur Ausschreibungsdatenbank elektronisch bereitgestellten Leistungsbeschreibung in Ziffer 1.1. nochmals wiederholt. Ausweislich Ziffer 2.4 der Leistungsbeschreibung (Behandlungs-/Verwertungsanlage für teer-/pechhaltigen Straßenaufbruch) ist „Ziel die umweltverträgliche Entsorgung mit einer dauerhaften und sicheren Ausschleusung des Schadstoffpotentials des Straßenaufbruchs aus der Umwelt, so dass eine ordnungsgemäße, möglichst hochwertige Verwertung des schadstoffentfrachteten Materials (Mineralik) eröffnet wird.“.

Die Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden, beträgt mindestens 5 und höchstens 10. Als Schlusstermin für den Teilnahmeantrag war der 12.09.2017 vorgesehen. Die Frist zur Einreichung von Teilnahmeanträgen wurde bis 20.09.2017 verlängert.

Zuschlagskriterien sind nach der Bekanntmachung der Preis (60%) und die Entfernung zum Zwischenlager (40%).

Mit Schreiben vom 25.08.2017 (vorgelegt als Anlage Bf 6) rügte die Antragstellerin Vorgaben der Ausschreibung als vergaberechtswidrig. Insbesondere beanstandete sie die Pflicht, den Straßenaufbruch zu 100% der thermischen Verwertung/Behandlung zuführen zu müssen. Sie meint, die zwingende thermische Verwertung des Materials stehe nicht im Einklang mit den Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG). Bei der vorgesehenen Entsorgung handele es sich nicht um die umweltschonendste Maßnahme, damit missachte die Vergabestelle die zwingend vorgeschriebene Abfallhierarchie. Der Auftragnehmer werde somit dazu verpflichtet, sich nicht gesetzeskonform zu verhalten. Auch sei verabsäumt worden, die im KrWG vorgesehene Ökobilanz zu erstellen. Es müsse zumindest auch gestattet sein, den Straßenaufbruch im Deponiebau verwerten zu können.

Die Vergabestelle hat die Rüge unter Hinweis auf ihr Leistungsbestimmungsrecht sowie gestützt auf das Merkblatt Nr. 3.4/1 des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) mit Schreiben vom 06.09.2017 zurückgewiesen (Anlage Bf 9). Mit Schreiben vom 11.09.2017 erhob die Antragstellerin weitere Rügen.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.09.2017 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingereicht. Fristgerecht hat die Antragstellerin auch einen Teilnahmeantrag abgegeben. Sie liegt nach der Auswertung der Anträge auf Platz 1 und soll zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.

Im Verfahren vor der Vergabekammer haben die Verfahrensbeteiligten ihre Argumente wiederholt und vertieft. Die Antragstellerin stützt sich, wie bereits im Rügeschreiben, auf eine Ökoeffizienzanalyse zu Entsorgungsoptionen von pech-/ teerhaltigem Straßenaufbruch aus dem Jahr 2007 (Anlage Bf 7) sowie ein weiteres Gutachten aus dem Jahr 2017 (Anlage Bf 8). Die Vergabestelle hat in mehreren Stellungnahmen dargelegt, dass sie sich aus Gründen der Vorsorge und im Sinne einer nachhaltigen Lösung für die thermische Behandlung des Straßenaufbruchs entschieden habe. Es sei ihr maßgeblich darauf angekommen, dass die im teer- und pechhaltigen Straßenaufbruch enthaltenen Schadstoffe möglichst rasch ohne Gefahr für Mensch und Umwelt zerstört werden. Hierbei seien die relevanten Aspekte umfassend gewürdigt worden. Die Erstellung einer „ökobilanz“ sei nicht erforderlich gewesen, zumal man sich auf die fundierte Einschätzung des Landesamtes für Umwelt habe stützen können.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 06.11.2017, per Fax übermittelt am 07.11.2017, als unbegründet zurückgewiesen.

Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt:

Die Vorgaben in der Ausschreibung seien hinreichend transparent, da für die beteiligten Fachkreise der Begriff der „thermischen Verwertung“ eindeutig sei. Die Pflicht, den anfallenden pechhaltigen Straßenaufbruch der thermischen Verwertung zuzuführen, verstoße nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben des KrWG und verpflichte den Auftragnehmer auch nicht zu einem rechtswidrigen Handeln. Die Vergabestelle bewege sich innerhalb des ihr zustehenden Leistungsbestimmungsrechts. Ihr komme ein Beurteilungsspielraum zu, der auch gewahrt worden sei. Das KrWG eröffne der Verwaltung erhebliche Spielräume, die nur eingeschränkt kontrolliert werden können. Aus Sicht der Vergabekammer habe sich die Vergabestelle im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums bewegt.

Ergänzend wird für die Einzelheiten der Entscheidung auf den Beschluss der Vergabekammer vom 06.11.2017 (vorgelegt als Anlage Bf 2) Bezug genommen.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 21.11.2017.

Sie beanstandet weiterhin die Vorgabe der Vergabestelle, wonach der anfallende Straßenaufbruch zwingend einer thermischen Verwertung/Behandlung zuzuführen sei. Sie wiederholt und vertieft ihre Argumentation, wonach die Ausschreibung nicht mit den Anforderungen des KrWG in Einklang stehe. Die Vergabestelle würde die Bieter zu einer rechtswidrigen Auftragsausführung verpflichten, was zu einem unzumutbaren wirtschaftlichen Wagnis führen würde. Auch werde der Grundsatz des Wettbewerbs und der Transparenz verletzt. Die von der Antragstellerin vorgelegten Studien würden belegen, dass es sich bei der thermischen Behandlung gerade nicht um die ökoeffizienteste Methode handele. Den Bietern müsse zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden, den Straßenaufbruch im Deponiebau zu verwerten. Die Vergabestelle habe die Umweltverträglichkeit der Entsorgungsmöglichkeiten weder hinreichend geprüft noch die Vor- und Nachteile - wie im Gesetz vorgesehen - abgewogen, sondern sich nur auf das Schreiben des LfU gestützt. Dies könne eine Ökobilanzierung nicht ersetzen. Die Vergabestelle habe damit ihr Ermessen bzw. ihren Beurteilungsspielraum gerade nicht korrekt ausgeübt.

Soweit die Antragstellerin vor der Vergabekammer noch andere, nicht mit dieser Thematik zusammenhängende Rügen geltend gemacht hat, verfolgt sie diese in der Beschwerde nicht weiter.

Die Antragstellerin beantragt,

  • 1.die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern vom 06.11.2017 (Aktenzeichen: RMF-SG21-319410-48) aufzuheben;

  • 2.den Beschwerdegegner zu verpflichten, die Ausschreibung aufzuheben;

  • 3.hilfsweise zu 2. den Beschwerdegegner zu verpflichten, die Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats zu überarbeiten und die am Auftrag interessierten Unternehmen anschließend unter Gewährung einer angemessenen Bewerbungsfrist erneut zur Teilnahmeantragsabgabe aufzufordern;

  • 4.hilfsweise zu 1. bis 3. die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden.

Der Antragsgegner beantragt,

die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Vorgabe, dass der Auftragnehmer den teer-/pechhaltigen Straßenaufbruch einer thermischen Behandlung-/Verwertung zuführen müsse, verstoße weder gegen das Abfallrecht noch sei dies vergaberechtlich zu beanstanden. Es gebe keinen Anlass, zu befürchten, dass die Abfallbehörden diesbezüglich Beanstandungen vornehmen.

Ausgangspunkt sei das allgemein anerkannte Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers, von dem vorliegend in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht worden sei. Dieses Recht gelte auch im Bereich der Beschaffung abfallrechtlicher Leistungen, wie auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 01.08.2012 konstatiert habe. Die vergaberechtliche Nachprüfung beschränke sich auf eine Ermessens- und Beurteilungskontrolle. Die Vergabestelle habe sich zulässigerweise von dem auf Bundes- und Landesebene dokumentierten Bestreben leiten lassen, die thermische Behandlung des belasteten Materials als umweltfachlich vorzugswürden Entsorgungsweg zu wählen. Die Erholung eines gesonderten Sachverständigengutachtens sei damit entbehrlich, ebenso die Erstellung einer Ökobilanz, zumal das Vergabeverfahren ein beschleunigtes Verfahren sei. Die Vergabestelle habe auch, wie die Erwägungen in der Leistungsbeschreibung zeigen würden, die verschiedenen Methoden gegeneinander abgewogen. Sie bevorzuge zulässigerweise die dauerhafte und sichere Ausschleusung der gesundheitsschädlichen Stoffe sowie eine hochwertige und ressourcenschonende Verwertung der mineralischen Fraktionen. Ergänzend stützt sich der Antragsgegner auf eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Umwelt vom 01.12.2017/19.12.2017.

Auch die von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten würden nicht den Schluss rechtfertigen, dass die vorgegebene Verwertungsmethode unzulässig sei. Zudem sei eine der beiden Studien mehr als 10 Jahre alt, damit auch zeitlich überholt. In den Studien werde außerdem nicht berücksichtigt, dass das Schadstoffpotential des Aufbruchs (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe = PAK) erhalten bleibe. Vorrang habe die Entsorgungsmaßnahme, die den Schutz von Mensch und Umwelt unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips im Einzelfall am besten gewährleiste. Es gebe keinen generellen Vorrang für eine der beiden Verwertungsmöglichkeiten, damit aber habe die Vergabestelle zulässigerweise eine Wahl treffen können. Die Gründe für die Festlegung auf die thermische Verwertung seien in der Ausschreibung festgehalten, darüber hinaus seien die Ermessenserwägungen im Verfahren erläutert worden.

Ohnehin gebe das Vorbringen der Antragstellerin Anlass zu zweifeln, dass sie an dem Auftrag interessiert sei und/oder die Vorgaben einhalten wolle.

Mit Schreiben vom 06.12.2017 hat die Vergabestelle allen Bewerbern mitgeteilt, dass aufgrund des anhängigen Verfahrens der Termin zur Angebotsabgabe und Öffnung auf unbestimmte Zeit verschoben ist.

Der Senat hat mit Beschluss vom 04.01.2018 den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB mangels Rechtschutzbedürfnisses abgelehnt.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Sie führt - abgesehen von der Festsetzung der Höhe der Gebühren - zur Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer und Stattgabe des Nachprüfungsantrags.

Sofern der Antragsgegner an seiner Beschaffungsabsicht festhält, hat er das Verfahren auf den Stand vor der Bekanntmachung zurückzuversetzen, die verschiedenen in Betracht kommenden Möglichkeiten der Behandlung des Straßenaufbruchs eingehender in Bezug auf ihre Vor- und Nachteile sowie unter Berücksichtigung des Risikopotentials des Abfalls zu prüfen und zu bewerten und dann neu zu entscheiden, ob er bei der Ausschreibung an der Vorgabe einer ausschließlichen thermischen Verwertung festhält oder (auch) andere Verwertungsarten zulässt.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a) Die Antragstellerin hat die Vergabeverstöße, die Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, rechtzeitig gerügt und auch fristgerecht nach Zurückweisung der Rüge Nachprüfungsantrag gestellt, § 160 Abs. 3 GWB.

b) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie hat fristgerecht einen Teilnahmeantrag abgegeben. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin kein echtes Interesse an einer Beauftragung hat, sind nicht ersichtlich. Ebenso wenig kann aus der Tatsache, dass die Antragstellerin eine Überprüfung der Vorgaben in der Ausschreibung durch die Nachprüfungsinstanzen begehrt, geschlossen werden, dass sie sich im Falle einer Beauftragung nicht vertragstreu verhalten wird.

c) Im Nachprüfungsverfahren kann ein Bieter zulässigerweise geltend machen, dass bei der Bestimmung des Auftragsgegenstandes und den Bedingungen für die Auftragsdurchführung entsorgungsrechtliche Vorschriften nicht hinreichend berücksichtigt wurden und dadurch der Auftraggeber die vergaberechtlichen Grenzen seiner Bestimmungsfreiheit überschritten habe. Zwar zählen die §§ 6 ff KrWG nicht unmittelbar zu den Normen des Vergaberechts, sie sind jedoch anerkanntermaßen inzident im Rahmen der vergaberechtlichen Brückennormen (u.a. § 97 Abs. 6 GWB) zu prüfen (vgl. BGH vom 18.06.2012, X ZB 9/11; OLG Düsseldorf vom 01.08.2012, Verg 105/11, Rn. 32 f zitiert nach juris).

2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet.

Denn der Antragsgegner hat seinen Ermessensbzw. Beurteilungsspielraum bei der Festlegung der Art der Entsorgung des anfallenden Straßenaufbruchs nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Dieses Versäumnis ist im Falle eines Festhaltens an der Beschaffungsabsicht zu beheben.

Im Einzelnen:

Der zentrale Streitpunkt des Verfahrens ist die Frage, ob die Vergabestelle bei der Festlegung des Entsorgungskonzeptes (zwingende thermische Verwertung des Straßenaufbruchs) die Vorschriften des KrWG hinreichend beachtet hat, insbesondere ob sie die bei der Abfallbewirtschaftung zu beachtende Rangfolge der Maßnahmen in vertretbarer Weise berücksichtigt hat.

a) § 6 KfWG regelt als Grundsatznorm abstrakt die generelle Rangfolge von Maßnahmen (Vermeidung, Vorbereitung zur Wiederverwendung, Recycling, sonstige Verwertung und auf der letzten Stufe die Beseitigung). § 6 Abs. 2 KrWG spezifiziert die in Absatz 1 genannte Prioritätenfolge. Demnach soll nach Maßgabe der §§ 7 und 8 KrWG diejenige Maßnahme Vorrang haben, die den Schutz von Mensch und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips am besten gewährleistet. Dabei ist der gesamte Lebenszyklus des Abfalls zugrunde zu legen und insbesondere die zu erwartenden Emissionen, das Maß der Schonung der natürlichen Ressourcen, die einzusetzende und zu gewinnende Energie sowie die Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen, in Abfällen zur Verwertung oder in daraus gewonnenen Erzeugnissen zu berücksichtigen. Ebenfalls sind die technischen Möglichkeiten, die wirtschaftliche Zumutbarkeit und die sozialen Folgen der Maßnahme zu beachten. Absatz .2 ermöglicht damit eine Abweichung von der Rangfolge gemäß Absatz 1, die allerdings als Ausnahme von der Regel rechtfertigungsbedürftig ist (vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Beckmann KrWG § 6 Rn. 45,46, beck-online). § 7 Abs. 2 KfWG und § 8 KrWG setzen diese Grundsätze weiter um. Auch hier findet sich zum einen der Vorrang der Verwertung von Abfällen vor deren Beseitigung, andererseits entfällt dieser Vorrang, wenn die Beseitigung der Abfälle den Schutz von Mensch und Natur nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 KrWG am besten gewährleistet. § 8 KrWG konkretisiert die Verwertungspflicht und legt diesbezüglich eine Rangfolge fest. Auch hier findet sich der Aspekt eines Vorrangs für den Schutz von Mensch und Natur, zugleich sind aber auch die in § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 KrWG festgelegten Kriterien zu berücksichtigen und es ist eine hochwertige Verwertung anzustreben. Bei gleichrangigen Verwertungsmaßnahmen hat der Erzeuger bzw. Besitzer ein Wahlrecht, welche Maßnahme er ergreift.

Es ist nicht zu verkennen, dass das KrWG damit eine komplexe Prüfung und Abwägung sehr unterschiedlicher Ziele und Folgen vorsieht, um die bestmögliche Verwertung bzw. Entsorgung anfallenden Abfalls zu gewährleisten. Weder aus der Gesetzesbegründung noch aus der von der Antragstellerin zitierten (teils auch vorgelegten) Kommentarliteratur lässt sich allerdings schlussfolgern, dass eine Vergabestelle im Zuge der Ausschreibung von Entsorgungsleistungen nur dann bestimmte Verwertungsmaßnahmen vorgeben kann, wenn sie vorab - ggf. mit sachverständiger Beratung - eine umfassende Ökobilanz entsprechend den im Verfahren von der Antragstellerin vorgelegten Fachgutachten erstellt hat. Allerdings wird man von einer Vergabestelle verlangen können und müssen, dass sie dann, wenn sie einen ganz bestimmten Umgang mit dem Abfall vorschreibt und alle sonstigen (nicht von vorneherein offensichtlich nachrangigen) Möglichkeiten der Verwertung/Entsorgung zwingend ausschließt, die zentralen Aspekte, die für bzw. gegen die beabsichtigte Festlegung sprechen, gegenüberstellt und bewertet und dabei die grundlegende Konzeption des KrWG berücksichtigt. Nur so kann im Zuge eines Nachprüfungsverfahrens festgestellt werden, ob die Vergabestelle den ihr zustehenden Ermessensbzw. Beurteilungsspielraum auch ordnungsgemäß ausgeübt hat.

b) Abgesehen davon unterliegt auch die Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers, ob und was beschafft werden soll, und damit auch die Frage, welche Anforderungen an die zu beschaffenden Leistungen gestellt werden dürfen, allgemeinen vergaberechtlichen Grenzen, mag auch der nunmehr in § 97 Abs. 1 S. 2 GWB ausdrücklich aufgenommene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine engeren Schranken für das recht weitgehende Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers begründen, als bisher (vgl. Schneevogl in Heiermann/Zeiss/Summa, juris-PK Vergaberecht, 2016, § 97 GWB, Rn. 30). Die Bestimmung des Auftragsgegenstandes muss nach einhelliger Rechtsprechung sachlich gerechtfertigt sein und es müssen dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe vorliegen. Die Festlegung muss Willkür- und diskriminierungsfrei erfolgen (vgl. OLG Düsseldorf vom 07.06.2017, Verg 53/16). Eine weitere Beschränkung enthält § 31 Abs. 6 VgV für hersteller- oder produktbezogene Leistungsspezifikationen, die einer besonderen Rechtfertigung bedürfen.

c) Anders als die Vergabekammer vermag der Senat nicht festzustellen, dass die Vergabestelle ihren Ermessens- und Beurteilungsspielraum ordnungsgemäß ausgeübt hat. Sie hat dieses Versäumnis im Verfahren auch nicht behoben.

Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass eine ordnungsgemäße Ausübung von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen voraussetzt, dass der Sach verhalt zutreffend und vollständig ermittelt wurde, dass Verfahrensgrundsätze eingehalten wurden, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind, die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte angemessen und vertretbar gewichtet wurden und der gesetzliche bzw. ein selbst von der Vergabestelle vorgegebene Rahmen bzw. Maßstab beachtet wurde (vgl. auch OLG München vom 07.04.2011, Verg 5/11).

Grundsätzlich bietet im Vergabeverfahren die Dokumentation die Informationsgrundlage dafür, ob diese Vorgaben eingehalten wurden (§ 8 VgV). Vorliegend enthält die vorgelegte Vergabeakte jedoch keinerlei Dokumentation dazu, aufgrund welcher Erwägungen und unter Berücksichtigung welcher Aspekte sich die Vergabestelle auf die thermische Verwertung als einzig zulässige Maßnahme festgelegt hat. Die Ausschreibung selbst lässt nur erkennen, dass die Vergabestelle sich an umweitbzw. gesundheitspolitischen Zielsetzungen auf Landesbzw. Bundesebene orientiert hat. Im Antwortschreiben auf die Rüge bezieht sich die Vergabestelle im Wesentlichen auf das Schreiben des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz aus dem Jahr 2017. Das von der Antragstellerin vorgelegte Merkblatt Nr. 3.4/1 des LfU in der im August aktualisierten Fassung enthält zwar unter Ziffer. 5.2.4 eine Präferenz für die thermische Behandlung von Straßenaufbruch, nennt aber auch die Verwertung des Abfalls auf Deponien als zulässige Entsorgungsmaßnahme.

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass die Antwort der Vergabestelle auf das Rügeschreiben erkennen lässt, dass die Vergabestelle als mögliche Alternative zu der von ihr gewählten Verwertungsart nur die - in der Rangfolge des KrWG prinzipiell nachrangige - Beseitigung des Abfalls auf Deponien im Blick hatte, nicht dagegen die von der Antragstellerin im Verfahren dargelegte „Verwertung“ durch Nutzung des Materials für deponieeigene Straßen oder die Modellierung von Anlagen auf Deponien (Deponiebauersatzstoff). Auf die ausführlichen Argumente der Antragstellerin, die bereits im ersten Rügeschreiben alle zentralen Aspekte (u.a. Emissionsproblematik, Fehlen einer umfassenden Abwägung, konkrete Nachteile der thermischen Verwertung ggü. einer Verwendung im Deponiebau) vorgetragen hat, ist die Vergabestelle nicht eingegangen.

Ersichtlich hat die Vergabestelle damit eine wesentliche zulässige Verwertungsoption bei der Erstellung der Vergabe unterlagen nicht in ihre Überlegungen mit einbezogen, mithin den Sachverhalt vorab nicht ausreichend ermittelt und damit auch nicht in eine nach dem KrWG gebotene vergleichende Bewertung der Vor- und Nachteile der Alternativen einbezogen.

Richtig ist zwar, dass die Vergabestelle im Laufe des Verfahrens noch weitere Ausführungen zu ihren Motiven und den Überlegungen gemacht hat und auch zu den Argumenten der Gegenseite Stellung bezogen hat. Dies genügt jedoch nicht, das festgestellte Defizit im Vorfeld der Ausschreibung zu kompensieren, Zwar führt nicht jeder Dokumentationsmangel dazu, dass eine Wiederholung der betreffenden Verfahrensabschnitte anzuordnen ist, weil anderenfalls der Ablauf des Vergabeverfahren unangemessen beeinträchtigt werden könnte (vgl. BGH vom 08.02.2011, X ZB 4/10 = BGHZ 188, 200 ff). Es ist vielmehr möglich, dass Dokumentationsmängel nachträglich geheilt werden können, etwa wenn der Auftraggeber die Dokumentation nachholt und Gründe dartut, die er nach Aufhebung in einem wiederholten Verfahren ohne Weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen kann (BGH, a. a. O.) Dies ist aber dann anders zu beurteilen, wenn zu besorgen ist dass die Berücksichtigung der nachgeschobenen Dokumentation lediglich im Nachprüfungsverfahren nicht ausreichen könnte, um eine wettbewerbskonforme Auftragserteilung zu gewährleisten (BGH, a. a. O.).

Die Vergabestelle hat im Verfahren nicht eine „versäumte“ Dokumentation nachgeholt, sondern sie hat zu den Einwänden der Antragstellerin Stellung bezogen und sich in diesem Zusammenhang erstmals mit einzelnen Aspekten befasst. Sie hat dargelegt, aus welchen Gründen sie bei einer Abwägung der Vor- und Nachteile dennoch ihre Festlegung für vertretbar erachtet. Ein derartiges „Nachschieben“ nicht dokumentierter und auch nicht vorab vorgenommener Ermessensbzw. Beurteilungserwägungen birgt die Gefahr, dass die Rechtfertigung der Entscheidung im Streitfall - bewusst oder unterbewusst - die Argumentation beeinflusst, mithin nicht mehr eine ergebnisoffene, sondern eine ergebnisorientierte Bewertung der Tatsachen erfolgt. So beurteilt der Senat das Vorbringen des Antragsgegners auch hier; es handelt sich um die - grundsätzlich nachvollziehbare - Rechtfertigung bzw. Verteidigung der getroffenen Entscheidung, die getragen ist von der vorab getroffenen Präferenz für eine sofortige Eliminierung der in pech- und teer-haltigem Straßenaufbruch enthaltenen PAK-Schadstoffe. Eine neue und offene Bewertung der Vor- und Nachteile beider Verfahren vermag der Senat nicht zu erkennen.

Auch die vom Antragsgegner in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des EuGH vom 20.12.2017, Rs. C-677/15 P befasst sich nicht mit dieser Problematik. Dort ging es nicht um eine Ermessensentscheidung, die im Verfahren ergänzend begründet wurde, sondern darum, dass eine von mehreren Begründungen, die eine Vergabestelle für eine Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter herangezogen hat, tragfähig war. Dass es dann nicht darauf ankommt, ob sich die Vergabestelle daneben noch auf andere Erwägungen gestützt hat, versteht sich von selbst.

Aber auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Vergabestelle bzw. des Antragsgegners im Verfahren fehlt aus Sicht des Senats bislang eine ausreichende Abwägung aller relevanten Aspekte für und gegen beide Verfahren.

Ausgehend von den im Verfahren vorgelegten fachlichen Stellungnahmen spricht vieles dafür, dass die beiden Alternativen des Umgangs mit dem Straßenaufbruch in ihrer Bewertung sehr eng beieinander liegen. Hierfür sprechen zum einen die von der Antragstellerin vorgelegten ausführlichen Gutachten. Aber auch die Fachbehörden des Antragsgegners (Oberste Baubehörde/Umweltschutzministerium) beurteilen in aktuellen Schreiben beide Möglichkeiten als vertretbare Optionen nach dem KrWG. Zwar hat die thermische Verwertung den Vorteil einer zeitnahen, endgültigen Beseitigung potentiell gefährlicher Schadstoffe, andererseits gibt es unstreitig in Deutschland aktuell keine größere Anlage, in der eine solche thermische Verwertung stattfindet. Die vorgesehene Verwertung erfordert vielmehr den Transport des Abfalls zu einer Anlage in den Niederlanden, was entsprechende Umweltfolgen nach sich zieht. Inhaltlich eingehender geprüft werden müsste auch der Aspekt, dass die thermische Verwertung vor Ort zu weiteren Emissionen führt, welcher Energieeinsatzes nötig ist, um bestimmte Inhaltsstoffe zu beseitigen und stattdessen nutzbares Material (in welcher Größenordnung?) zu gewinnen. Eine ausreichende Abwägung und Beurteilung all dieser Aspekte lässt sich aus dem pauschalen Vorbringen der Vergabestelle, sie habe all dies bedacht, wegen der Gefahren der PAK-Verbindungen wolle sie dennoch nur eine thermische Verwertung, nicht schließen.

Darüber hinaus fehlt aus Sicht des Senats eine korrespondierende Betrachtung und substantielle Bewertung der Gefährlichkeit des Abfalls, insbesondere der effektiven Risiken bzw. der Nachteile für Mensch und Umwelt bei der Verwertungsart, wie sie die Antragstellerin anwenden will. So bestehen ausweislich eines Schreibens der Obersten Baubehörde vom 29.11.2017 auf Seiten des Antragsgegners keine Bedenken, das Ausbaumaterial in aufbereiteter Form bei derselben oder einer zeitnah laufenden Staatsstraßen-Baumaßnahmen zu verwerten, einen Verbau in einer Deponie hält die Vergabestelle dennoch wegen etwaiger Restrisiken nicht für akzeptabel. Hier sieht der Senat auf Antragsgegnerseite eine Diskrepanz, die sachlich zu begründen wäre.

Aus den dargelegten Gründen ist es nicht vergaberechtskonform, das Verfahren mit den strittigen Festlegungen fortzusetzen. Vielmehr hat die Vergabestelle bei Festhalten an der Beschaffungsabsicht den aufgezeigten Erwägungen Rechnung zu tragen. Sie hat unter Berücksichtigung der Informationen und Erkenntnisse aus dem streitgegenständlichen Verfahren eine erneute Prüfung vorzunehmen und zu beurteilen, ob eine ausschließliche Beschränkung auf die thermische Verwertung sachlich gerechtfertigt ist oder nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 und 4, § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB. Der unterlegene Antragsgegner hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens zu tragen. Billigkeitsgesichtspunkte, die eine abweichende Kostenverteilung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Davon ausgenommen sind die Kosten und notwendigen Auslagen infolge des Verfahrens nach § 173 GWB, in dem die Antragstellerin unterlegen ist. Insoweit trifft die Antragstellerin die Pflicht zur Kostentragung. Aufgrund der Komplexität der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen war die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters auf Seiten der Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer notwendig, § 182 Abs. 4 GWB.

(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn

1.
das Unternehmen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat,
2.
das Unternehmen zahlungsunfähig ist, über das Vermögen des Unternehmens ein Insolvenzverfahren oder ein vergleichbares Verfahren beantragt oder eröffnet worden ist, die Eröffnung eines solchen Verfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, sich das Unternehmen im Verfahren der Liquidation befindet oder seine Tätigkeit eingestellt hat,
3.
das Unternehmen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit nachweislich eine schwere Verfehlung begangen hat, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird; § 123 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden,
4.
der öffentliche Auftraggeber über hinreichende Anhaltspunkte dafür verfügt, dass das Unternehmen mit anderen Unternehmen Vereinbarungen getroffen oder Verhaltensweisen aufeinander abgestimmt hat, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken,
5.
ein Interessenkonflikt bei der Durchführung des Vergabeverfahrens besteht, der die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit einer für den öffentlichen Auftraggeber tätigen Person bei der Durchführung des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte und der durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam beseitigt werden kann,
6.
eine Wettbewerbsverzerrung daraus resultiert, dass das Unternehmen bereits in die Vorbereitung des Vergabeverfahrens einbezogen war, und diese Wettbewerbsverzerrung nicht durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen beseitigt werden kann,
7.
das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags oder Konzessionsvertrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies zu einer vorzeitigen Beendigung, zu Schadensersatz oder zu einer vergleichbaren Rechtsfolge geführt hat,
8.
das Unternehmen in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen oder Auskünfte zurückgehalten hat oder nicht in der Lage ist, die erforderlichen Nachweise zu übermitteln, oder
9.
das Unternehmen
a)
versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen,
b)
versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die es unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte, oder
c)
fahrlässig oder vorsätzlich irreführende Informationen übermittelt hat, die die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich beeinflussen könnten, oder versucht hat, solche Informationen zu übermitteln.

(2) § 21 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, § 98c des Aufenthaltsgesetzes, § 19 des Mindestlohngesetzes, § 21 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 22 des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2959) bleiben unberührt.

(1) Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

(2) Die Gebühr beträgt mindestens 2 500 Euro; dieser Betrag kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Die Gebühr soll den Betrag von 50 000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100 000 Euro erhöht werden.

(3) Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die Kosten zu tragen. Mehrere Kostenschuldner haften als Gesamtschuldner. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden. Hat sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, ist die Hälfte der Gebühr zu entrichten. Die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, erfolgt nach billigem Ermessen. Aus Gründen der Billigkeit kann von der Erhebung von Gebühren ganz oder teilweise abgesehen werden.

(4) Soweit ein Beteiligter im Nachprüfungsverfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Hat sich der Antrag durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, erfolgt die Entscheidung, wer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen anderer Beteiligter zu tragen hat, nach billigem Ermessen; in Bezug auf die Erstattung der Aufwendungen der Beigeladenen gilt im Übrigen Satz 2 entsprechend. § 80 Absatz 1, 2 und 3 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend. Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt.