Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 02. Februar 2007 - 11 K 1924/06 - wird zurückgewiesen.

Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird von Amts wegen geändert: der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird auf 150.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde, mit der der Antragsgegner die Herabsetzung des vom Verwaltungsgericht auf 50.000,-- EUR festgesetzten Streitwerts auf den in § 52 Abs. 2 GKG festgelegten Wert von 5.000,-- EUR begehrt, ist zulässig. Insbesondere würde die erstrebte Reduzierung für den kostenpflichtigen Antragsgegner zu einem Beschwerdegegenstand führen, dessen Wert die in § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG benannten 200,-- EUR übersteigt. Die Beschwerde ist aber nicht begründet, weil das Verwaltungsgericht den Streitwert nicht zu hoch festgesetzt hat. Der Senat nimmt das Vorbringen im Beschwerdeverfahren zum Anlass, die Streitwertfestsetzung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu be-stimmen. Dies gilt auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO (vgl. § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG). Maßgeblich für diese Bedeutung ist regelmäßig der wirtschaftliche Wert des Klageziels, das der Kläger mit seinem Antrag unmittelbar erreichen will (vgl. BVerwG, Beschluss vom 09.04.2003 - 7 KSt 4/03 -, NVwZ-RR 2003, 904). Diesen Wert darf und muss das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen bestimmen. Der sogenannte „Auffangstreitwert“ in Höhe von 5.000,-- EUR dagegen ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG nur anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte bietet.
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze scheidet die vom Antragsgegner begehrte Festsetzung des Streitwerts auf Grundlage des Auffangwerts aus § 52 Abs. 2 GKG aus. Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, den Streitwert für Verkaufsverbote und Sicherstellungen im Lebensmittel- und Arzneimittelrecht anhand des Verkaufswerts der betroffenen Waren zu bestimmen (vgl. etwa Senatsbeschluss 02.01.2002 - 9 S 2458/01 -; OVG Saarland, Urteil vom 03.02.2006 - 3 R 7/05 -). Diese, den Vorgaben aus Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./ 08.07.2004 folgende Einordnung ermöglicht eine einheitliche Praxis und dient damit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners bietet das Vorbringen der Antragstellerin genügende Anhaltspunkte für eine Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG, auch wenn diese einen konkreten Streitwert nicht angegeben hat. Dies ergibt sich bereits aus den von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Zahlen zum Umsatzausfall. Die Beschwerde übersieht jedoch auch, dass das Verwaltungsgericht befugt war, den Wert der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache auf Basis des vorhandenen Tatsachenmaterials zu schätzen (vgl. etwa Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 52 GKG Rdnr. 14; Meyer, Gerichtskostengesetz, 8. Aufl. 2006, § 52 Rdnr. 16). Soweit mit der Beschwerde vorgetragen worden ist, es könne nur auf die sichergestellten Produkte abgestellt werden, verkennt dies den Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Denn angegriffen hatte die Antragstellerin nicht nur die Sicherstellung der von der Stadt Mannheim in Verwahrung genommenen Flaschen, sondern (insbesondere) auch die Untersagung, die streitigen Vitamin K 1-Produkte in den Verkehr zu bringen. Diese Anordnung bezog sich aber nicht nur auf die bereits sichergestellten Produkte; vielmehr sind alle - auch künftig zu produzierenden - Produkte betroffen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Verfügung bestimmt sich somit anhand des Verkaufswerts der betroffenen Waren, der sich in dem von der Antragstellerin vorgetragenen Umsatzausfall widerspiegelt.
Der Senat sieht sich angesichts der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Aufstellungen zum Umsatzausfall veranlasst, die Streitwertfestsetzung (auch) für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von Amts wegen zu ändern. Es sind keine Ermessensgesichtspunkte ersichtlich, die es sachgerecht erscheinen lassen würden, die zwischenzeitlich vorhandenen und konkretisierten Anhaltspunkte für die sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebende Bedeutung der Sache nicht zu berücksichtigen. Dies gilt um so mehr, als der Senat den Wert des Beschwerdeverfahrens auf Basis dieser Grundlage festzusetzen hat (vgl. hierzu den Senatsbeschluss vom heutigen Tage im Verfahren der Beschwerde - 9 S 509/07 -). Grundlage für die Festsetzung ist daher der von der Antragstellerin dargelegte Umsatzausfall von ca. 300.000,-- EUR/Jahr, der für das hier vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zu halbieren ist (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 07./ 08.07.2004).
Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung bezüglich des Beschwerdeverfahrens sind entbehrlich, weil das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (vgl. § 68 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 02. Feb. 2007 - 11 K 1924/06

bei uns veröffentlicht am 02.02.2007

Tenor 1. Die aufschiebende Wirkung der Klage (11 K 738/06) gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 22.02.2006 und vom 06.03.2006 wird angeordnet. 2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wi

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 08. Dez. 2010 - 9 S 783/10

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Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 1. September 2005 - 2 K 1021/03 - geändert. Die Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums Tübingen vom 7. Mai 2003 wird aufgehoben.Der Beklagte trägt di

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bei uns veröffentlicht am 11.02.2010

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 19. Februar 2008 - 3 K 2149/06 - geändert. Die Untersagungsverfügung des Regierungspräsidiums Freiburg vom 7. November 2006 wird aufgehoben.

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Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage (11 K 738/06) gegen die Verfügungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 22.02.2006 und vom 06.03.2006 wird angeordnet.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin vertreibt das Produkt Vitamin K 1 2 % Lotion und Vitamin K 1 8 % Serum Bioque als Kosmetika über das Internet. Das Produkt Vitamin K 1 2 % Lotion Bioque wird in der Werbung zur Vorbeugung von Besenreisern, Couperose und Rötungen, für ein klares Hautbild und verbesserte Blutgerinnung angepriesen. Dem Produkt Vitamin K 1 8 % Serum Bioque werden in Werbeaussagen unter anderem Wirksamkeit gegen Besenreiser, Couperose und Rötungen beigemessen.
Aufgrund von Hinweisen über den Vertrieb der genannten Produkte über das Internet führten Mitarbeiter der Stadt ... am 15.12.2005 eine Betriebskontrolle durch, bei der je zwei Flaschen Vitamin K 1 2 % Lotion und Vitamin K 1 8 % Serum für eine Untersuchung durch das Chemische Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) erhoben wurden; die verbleibenden Produkte wurden von Mitarbeitern der Stadt ... in Verwahrung genommen.
Mit Verfügung des Regierungspräsidium Karlsruhe vom 22.02.2006 wurde das Inverkehrbringen der Produkte Vitamin K 1 2 % Lotion Bioque und Vitamin K 1 8 % Serum Bioque untersagt (1.). Zugleich wurde die sofortige Vollziehbarkeit dieser Entscheidung angeordnet (Ziff. 2). Zur Begründung ist ausgeführt, bei den vertriebenen Produkten handele es sich nicht um Kosmetika, sondern um Arzneimittel.
Mit Verfügung vom 06.03.2006 ordnete das Regierungspräsidium Karlsruhe die Sicherstellung der von der Stadt ... am 15.12.2005 in Verwahrung genommenen 534 Flaschen Vitamin K 1 2 % Lotion Bioque und 48 Flaschen Vitamin K 1 8 % Serum Bioque an (1.) und ordnete zugleich die sofortige Vollziehbarkeit dieser Verfügung an (2.). Zur Begründung wird auf die für und gegen das Inverkehrbringen nicht zugelassener Fertigarzneimittel maßgebenden Erwägungen in der Entscheidung vom 22.02.2006 verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Antragstellerin habe ihr Einverständnis mit der Inverwahrungnahme durch die Stadt ... und dem sofortigen Unterlassen des weiteren Vertriebs widerrufen.
Mit der am 14.03.2006 erhobenen Klage (11 K 738/06) beantragt die Antragstellerin die Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 22.02. und 06.03.2006 sowie die Verurteilung des Beklagten, die mit Bescheid vom 06.03.2006 sichergestellten Produkte an sie herauszugeben. Über die Klage ist bislang nicht entschieden worden.
Mit dem am 03.08.2006 eingegangenen Antrag beantragt die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 22.02.2006 und vom 06.03.2006 wiederherzustellen.
Die angefochtenen Bescheide seien offensichtlich rechtswidrig. Die Untersagungsverfügung sei rechtswidrig, die von ihr betriebenen Produkte seien keine Arzneimittel, sondern kosmetische Mittel. Die Überlegungen des CVUA ... im Gutachten vom 22.12.2005 sowie in den korrigierten Versionen vom 20.01.2006 im Hinblick auf eine etwaige pharmakologische Wirkung hielten einer wissenschaftlicher Überprüfung nicht Stand. Gegenteiliges beweise das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. ... (Anlage 17). Eine Untersagungsverfügung des Antragsgegners nach § 69 AMG, gestützt auf den Vorwurf der Gefährlichkeit/Toxizität der streitgegenständlichen Produkte, könne nicht begründet werden, da es sich in diesem Fall um den Vollzug des LFGB handeln würde, für welchen die Stadt... zuständig wäre, nicht der Antragsgegner. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in den angefochtenen Bescheiden genüge nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO.
Der Antragsgegner beantragt,
10 
den Antrag abzulehnen.
11 
Er trägt im Wesentlichen vor: Bei den verfahrensgegenständlichen Produkten der Antragstellerin handele es sich um Arzneimittel. Die Sicherheitsbewertung des Sachverständigenbüros Dr. ... gehe von einer lückenhaften Tatsachengrundlage aus. Sie berücksichtige nicht, dass Frankreich bereits im Dezember 2004 mit der RAPEX-Meldung über schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen durch kosmetische Mittel mit Gehalten an Vitamin K berichtet habe. Die daraufhin erlassene Verbotsverordnung sei bis heute in Kraft. Abgesehen davon sei für die Einstufung eines Produktes die überwiegende Zweckbestimmung maßgebend, wie sie durch den durchschnittlich informierten Verbraucher wahrgenommen werde. Eindeutige Hinweise auf die überwiegende Zweckbestimmung als Arzneimittel ergäben sich aus den Angaben wie „- mit 8 % Vitamin K 1, - wirksam gegen - Besenreiser, Couperose, - Rötungen“. Bestimmend für die Verbrauchererwartung seien auch andere Werbeunterlagen, insbesondere die Aussagen im Internet. Auf die Ausführungen des CVUA und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 11.07.2006 werde verwiesen.
12 
Dem Gericht liegen Verwaltungsakten des Antragsgegners (2 Hefte) und die Verwaltungsgerichtsakten im Klageverfahren (11 K 738/06) nebst Anlagen vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf deren Inhalt und den der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
13 
Der Antrag ist zulässig und begründet.
14 
In formeller Hinsicht bestehen keine Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungs- und Sicherstellungsverfügung. In beiden Entscheidungen ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung gesondert verfügt und hinreichend schriftlich begründet (§ 80 Abs. 3 VwGO). Hinsichtlich der Untersagungsverfügung ist hierzu (S. 7) ausgeführt, im Interesse der Arzneimittelsicherheit könne es Patienten nicht zugemutet werden, bis zum rechtskräftigen Abschluss eines unter Umständen Jahre dauernden Hauptsacheverfahrens erheblich gesteigerten Gesundheitsgefahren ausgesetzt zu werden. Die Begründung der Sicherstellungsanordnung nimmt darauf Bezug (Ziff. III. der Entscheidung). Darin sieht das Gericht eine noch ausreichende Begründung.
15 
Nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Die Entscheidung erfordert eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung und dem Interesse des Antragstellers daran, dass die Verfügung bis zur unanfechtbaren Entscheidung über seinen Rechtsbehelf einstweilen nicht vollzogen wird. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, um dessen aufschiebende Wirkung es geht, zu berücksichtigen.
16 
Gemessen an diesen Anforderungen bestehen nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Überprüfung keine ernstlichen Zweifel (vgl. § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO) an der Rechtmäßigkeit der mit Bescheid vom 22.02.2006 angeordneten Untersagungsverfügung (1.) und der Sicherstellungsverfügung vom 06.03.2006 (2.). Die Erfolgsaussichten der dagegen gerichteten Klage sind als offen zu bewerten. Offen ist, ob die von der Antragstellerin vertriebenen Produkte Vitamin K 1 2 % Lotion bzw. Vitamin K 1 8 % Serum Arzneimittel (1.1.) im Sinne des AMG sind und nicht kosmetische Mittel; es fehlt ein wissenschaftlicher Nachweis dafür, dass eine für die Qualifizierung als Arzneimittel erforderliche pharmakologische Wirkung oder therapeutische Wirksamkeit der Erzeugnisse gegeben ist, deren Inverkehrbringen untersagt wurde (1.2.). Die Regelung für Zweifelsfälle in Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG ist nicht anwendbar (1.3.) Eine Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus (1.4.). Dies gilt auch für die Sicherstellung (2.).
17 
1. Gegen die durch das Regierungspräsidium Karlsruhe angeordnete Untersagung des Inverkehrbringens nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 AMG findet kein Widerspruch statt (§ 6a S. 1 AG VwGO i.V.m. § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klage war der statthafte Rechtsbehelf. Deren aufschiebende Wirkung war wiederherzustellen.
18 
Als Rechtsgrundlage der angefochtenen Untersagungsverfügung vom 22.02.2006 kommt § 69 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG in der Fassung vom 12.12.2005 (BGBl. I. S. 3394), zuletzt geändert am 14.08.2006 (BGBl. I. S. 1869) in Betracht. Sie stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar und verbietet auf der Grundlage von § 69 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG das Inverkehrbringen der Produkte Vitamin K 1 2 % Lotion Bioque und Vitamin K 1 % Serum Bioque und erschöpft sich damit nicht im Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens. Es ist allgemein anerkannt, dass die Gerichte bei der Beurteilung derartiger Dauerverwaltungsakte die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls dann zu berücksichtigen haben, wenn das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1998 - 3 C 6/97 -, BVerwGE 106, 141 = NJW 1999, 881; Urt. v. 14.04.2005 - 3 C 9/04 -, Buchholz 418.21 ApBO Nr. 16 = NVwZ 2005, 1198; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rdnr. 43). Dies ist bei dem hier in Rede stehenden Regelungskomplex nicht der Fall. Dementsprechend ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen. Es sind deshalb das Arzneimittelgesetz - AMG - in der Fassung des Gesetzes vom 12.12.2005 (BGBl. I, S. 3394), das am 01.12.2005 in Kraft getreten ist, und das seit dem 07.09.2005 geltende Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB - vom 01.09.2005 (BGBl. I, S. 2617), das an die Stelle des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) getreten ist, anzuwenden (Niedersächs. OVG, Urt. v. 23.03.2006 - 11 LC 180/05 -).
19 
Nach § 69 Abs. 1 S. 1 AMG treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Nach S. 2 können sie insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln oder Wirkstoffen untersagen, deren Rückruf anordnen und diese sicherstellen, wenn (Nr. 6) die erforderliche Erlaubnis für das Herstellen des Arzneimittels oder des Wirkstoffes oder das Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes nicht vorliegt oder ein Grund zur Rücknahme oder zum Widerruf der Erlaubnis nach § 18 Abs. 1 gegeben ist.
20 
1.1. Nach § 2 Abs. 1 AMG in der Fassung vom 12.12.2005 sind Arzneimittel Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper 1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, 2. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen, 3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen, 4. Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder 5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. § 2 Abs. 3 AMG grenzt Arzneimittel negativ gegen Lebensmittel und kosmetische Mittel ab, indem er für den hier interessierenden Zusammenhang bestimmt, Arzneimittel sind nicht 2. kosmetische Mittel im Sinne des § 2 Abs. 5 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches. Nach der bundesgesetzlichen Definition des Kosmetikmittelbegriffs in § 2 Abs. 5 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB - in der Neufassung vom 26.04.2006, gültig ab 07.09.2005, (BGBl. I 2006, 945) sind kosmetische Mittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die ausschließlich oder überwiegend dazu bestimmt sind, äußerlich am Körper des Menschen oder in seiner Mundhöhle zur Reinigung, zum Schutz, zur Erhaltung eines guten Zustandes, zur Parfümierung, zur Veränderung des Aussehens oder dazu angewendet zu werden, den Körpergeruch zu beeinflussen. Als kosmetische Mittel gelten nicht Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Beeinflussung der Körperformen bestimmt sind. Diese Definition greift in Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27.07.1976 (76/768/EWG) zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel (ABl.EG Nr. 262 S. 169) in der durch die Richtlinie 93/35/EWG vom 14.06.1993 (ABl.EG Nr. L 151 S. 32) geänderten Fassung die Abgrenzung der kosmetischen Mittel von den Arzneimitteln im Sinne des Gemeinschaftsrechtes dahin gehend auf, dass nur bei Überwiegen des kosmetischen Zweckes von einem kosmetischen Mittel im Verhältnis zu Arzneimitteln ausgegangen werden kann. Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie sind kosmetische Mittel Stoffe oder Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zwecke, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern und/oder den Körpergeruch zu beeinflussen und/oder um sie zu schützen. Die Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 5 LFGB geht davon aus, dass zwischen der bundes- und gemeinschaftsrechtlichen Begriffsbestimmung materiell kein Unterschied besteht (Zipfel, Lebensmittelrecht, Stand 2005, § 2 C 102 Rdnr. 101; Meyer/Reinhart, Wettbewerb in Recht und Praxis=WRP, 2005, 1437 ff., 1457 unter Hinweis auf amtl. Begründung, BT-Drs. 15, 3657, S. 55, 59). Bei einer Gleichgewichtigkeit von arzneilicher und kosmetischer Zweckbestimmung ist nunmehr nach § 2 AMG i.V.m. § 2 Abs. 5 LFGB in Einklang mit der europarechtlichen Rechtslage - entsprechend der Kosmetik-Richtlinie 76/768/EWG und entgegen dem früheren § 4 Abs. 1 LMBG - ein Arzneimittel gegeben (vgl. auch Meyer/Reinhart, a.a.O., 1457; im Ergebnis ebenso: VG Freiburg, Urt. v. 27.07.2006 - 3 K 1409/04 - unter Hinweis auf die Richtlinie 93/95/EWG v. 14.06.1993 [Abl. EG Nr. L 151 S. 32] u. Art. 1 der Richtlinie 76/761/EWG] u. EuGH, Urt. v. 21.03.1991 - C-369/88 - (Delattre), LRE 28, 3 (10)). Der gemeinschaftsrechtlich begründete und nicht zuletzt in der Zweifelsregelung (s. 1.3.) zum Ausdruck kommende Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften steht mit dem Sinngehalt der nationalen Vorschrift des § 2 AMG in Einklang. Die hinter der gemeinschaftsrechtlichen Vorrangregelung stehende Wertung, zum einen aus Gründen des (vorbeugenden) Gesundheitsschutzes und zum anderen aus Gründen der Rechtssicherheit in Zweifelsfällen die arzneilichen Vorschriften anzuwenden, stellt sich auch für das nationale Recht als sachgerecht und verhältnismäßig das (OVG NW, Urt. v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 - Rdnr. 39).
21 
Nach Ablauf der Umsetzungsfrist gemäß Art. 3 der Richtlinie 2004/27/EG vom 31.03.2004 am 30.10.2005 ist der nationale Arzneimittelbegriff i.S.d. § 2 AMG richtlinienkonform im Sinne des neu gefassten europarechtlichen Arzneimittelbegriffs auszulegen (BGH, Urt. v. 30.03.2006 - I ZR 24/03 -, NJW 2006, 2630 ff.).
22 
Europarechtliche Regelungen sahen in der Vergangenheit zwei getrennte Definitionen von Arzneimitteln vor, nämlich solche nach der Bestimmung, sog. Präsentationsarzneimittel und solche nach der Funktion, sog. Funktionsarzneimittel, die sich nicht streng voneinander abgrenzen ließen (vgl. EuGH, Urt. v. 21.03.1991 - C-60/89 - (Monteil und Samanni), Slg. 1991, I 1547 Rdnr. 11 f.). Der Arzneimittelbegriff ist durch Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl.EG Nr. L 136 v. 31.03.2004, S. 34) neu definiert worden. Arzneimittel sind nach Art. 1 Nr. 1 lit. a der Richtlinie 2004/27/EG Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind oder - nach Art. 1 Nr. 1 lit. b - alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Die Aufnahme der Formulierung pharmakologische (Pharmakologie = Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und dem Organismus), immunologische (= das Immunsystem betreffend) oder metabolische (= den Stoffwechsel betreffend, stoffwechselbedingt) Wirkung soll nach dem dritten Satz der siebten Begründungserwägung der Richtlinie 2004/27/EG dazu dienen, die Art der Wirkung, die das Arzneimittel auf die physiologischen Funktionen haben kann, zu spezifizieren.
23 
Bereits die Vorgängerregelungen sahen zwei getrennte Definitionen vor, nämlich Arzneimittel nach der Bezeichnung und Arzneimittel nach der Bestimmung und Funktion. Nach der Richtlinie 2001/83/EG waren Arzneimittel (Art. 1 Abs. 2) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bezeichnet werden; des weiteren galten alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden, ebenfalls als Arzneimittel. Ähnliche Formulierungen verwendete Artikel 1 Nummer 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel (ABl. Nr. 22, S. 369) in der Fassung der Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. L 214, S. 22, im Folgenden: Richtlinie 65/65); danach gab es Arzneimittel nach der Bezeichnung und solche nach der Funktion (vgl. dazu z.B. EuGH, Urt. v. 29.04.2004 - C-387/99 -).
24 
Für die Anwendung des § 2 AMG bedeutet die Änderung durch Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2004/27/EG folgendes: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die neu in die Begriffsbestimmung des Funktionsarzneimittels aufgenommenen Wirkungen (pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung) jedenfalls in größerem Umfang als die zuvor maßgebliche Definition des Art. 1 Nr. 2 II der Richtlinie 2001/83/EG auf objektive Merkmale des Produkts ab (BGH, Urt. v. 30.03.2006, a.a.O., m.w.N.). Mit der neuen Definition des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG verfolgte der europäische Gesetzgeber nach Erwägungsgrund Nr. 7 der Richtlinie „aufgrund des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts“ das Ziel, die Begriffsbestimmungen weiter zu klären und zu spezifizieren und auftretende Zweifel der Begriffsbestimmung vermeiden zu helfen. Anlass für die Änderung waren auch das „Entstehen neuer Therapien“ und die steigende Zahl von sogenannten „Grenzprodukten“. Mit der Bestimmung des Begriffs des Arzneimittels in Art. 1 Nr. 1 lit. b der Richtlinie 2004/27/EG vom 31.03.2004 ist nach Auffassung des BGH nunmehr anders als unter der Geltung des Arzneimittelbegriffs nach Art. 1 Nr. 2 in der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 2001/83/EG vom 06.11.2001 (vgl. EuGH, WRP 2005, 863 Rdnr. 56 - HLH Warenvertriebs GmbH) von einem einheitlichen europäischen Begriff des Funktionsarzneimittels und einer Vollharmonisierung in diesem Bereich auszugehen (BGH, Urt. v. 30.03.2006, a.a.O.,). Bereits nach der früheren Rechtsprechung des BGH war zum Präsentationsarzneimittelbegriff geklärt, dass auf die an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung abzustellen sei, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstelle, wobei die Verkehrsanschauung regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung anknüpfe. Anerkannt war auch, dass die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft ein die Vorstellung der Verbraucher beeinflussender Faktor sein könne (so BGH, Urt. v. 06.05.2004 - I ZR 275/01 -, LRE 48, 146 (153 f.) m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 24.11.1994 - 3 C 2.93 -, BVerwGE 97, 132, 136 ff. zu Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 RL 65/65/EWG; OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 2098/02 - Rdnr. 83 m.w.N.). Die in Werbeslogans zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen des Herstellers sind hiernach auch für den Präsentationsarzneimittelbegriff weniger entscheidend.
25 
Zum Arzneimittelbegriff nach der Richtlinie 65/65/EWG hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, beide Begriffe ließen sich nicht streng voneinander abgrenzen (EuGH, Urt. v. 21.03.1991 - C-89/60 - u. Urt. v. 03.11.1983 in der Rechtssache 227/82 Van Bennekom, Slg. 1983, 3883, Rdnr. 22). Bezüglich des Vorliegens eines Funktionsarzneimittels in Abgrenzung zu einem Lebensmittel, war nach der Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass dies von Fall zu Fall entschieden werden muss und dabei alle Merkmale eines Erzeugnisses, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften - wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, zu berücksichtigen sind (OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 09.06.2005 - C-211/03 - u.a. (HLH u. Orthica), LRE 50, 331 ff. Rdnr. 30, 51 ff. m.w.N.). Die Abgrenzung soll in Zweifelsfällen auf eine Gesamtabwägung aller im Einzelfall relevanten Merkmale mit einem Schwerpunkt bei der pharmakologischen (immunologischen, metabolischen) Wirkung hinauslaufen (OVG NW, Urteile v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - Rdnr. 61, 88 - 13 A 2098/02 - Rdnr. 60 u. - 13 A 2095/02 - Rdnr. 57 ). Diese auf eine Gesamtabwägung vor allem pharmakologischer Eigenschaften als objektives Abgrenzungskriterium abstellende Rechtsprechung des EuGH unterscheidet sich nicht wesentlich von der des Bundesgerichtshofs, wenn man berücksichtigt, dass entscheidendes Abgrenzungskriterium die Verbraucheranschauung bzw. die Verbrauchersicht ist und die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft ein die Vorstellung der Verbraucher beeinflussender Faktor sein kann (OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - Rdnr. 86, 88 unter Hinweis auf BGH, Urt. 06.05.2004, a.a.O., ).
26 
Die Abgrenzung des Arzneimittels zu kosmetischen Mitteln wurde in der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 16.04.1991 - C-112/89 - ) zur RL 76/768/EWG wie folgt beurteilt: Ein Erzeugnis ist, auch wenn es unter die Definition der kosmetischen Mittel in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 76/768 fällt, dann als Arzneimittel im Sinne des Artikels 1 Nr. 2 der Richtlinie 65/65 über Arzneispezialitäten anzusehen und - wenn es sich um eine Arzneispezialität handelt - der entsprechenden Regelung zu unterwerfen, wenn es als Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten bezeichnet wird oder dazu bestimmt ist, zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen angewandt zu werden. Diese Rechtsprechung des EuGH bezieht sich auf Fälle, in denen ein Erzeugnis im konkreten Fall mit Angaben zur kosmetischen Zweckbestimmung in den Verkehr gebracht wird, es aber nach allgemeiner Verkehrsanschauung Eigenschaften eines Arzneimittels hat. Die Qualifizierung eines solchen Erzeugnisses als Arzneimittel ist im Hinblick auf das mit beiden Richtlinien verfolgte Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit geboten, da die rechtliche Regelung für Arzneispezialitäten in Anbetracht der besonderen Gefahren, die diese Erzeugnisse für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen können und die im allgemeinen von kosmetischen Mitteln nicht ausgehen, strenger ist als die für kosmetische Mittel. Hiernach schließen sich beide Begriffe europarechtlich nicht aus, vorrangig ist das Arzneimittelrecht, wenn ein Arzneimittel begrifflich gegeben ist (Zipfel, a.a.O., Bd. 2, C 102 § 2 Rdnr. 114 m.w.N.). Diese zur RL 76/768/EWG ergangene Rechtsprechung ist auf die derzeitige Rechtslage nach der RL 2004/27/EG übertragbar.
27 
Nach der zum Arzneimittelbegriff in jüngster Zeit ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfahlen (OVG NW, Urteile v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - u. - 13 A 2098/02 - u. - 13 A 2095/02 -) ergeben sich insbesondere aus den Begründungserwägungen der Richtlinie 2004/27/EG keine Anhaltspunkte für eine inhaltliche Änderung der Definition des Präsentationsarzneimittels. Bezüglich der Präsentationsarzneimittel findet sich zwar in der (aktuellen) Fassung des Art. 1 Nr. 2 lit. a) RL 2001/83/EG jedenfalls in der deutschen Übersetzung das Wort „bestimmt“, während an dieser Stelle im vormaligen Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 das Wort „bezeichnet“ verwendet wurde. Aus dieser sprachlichen Änderung kann nach der Auffassung des OVG NW nicht auf einen inhaltlichen Änderungswillen des europäischen Gesetzgebers geschlossen werden. Denn in vielen anderen Mitgliedstaaten ist in den dortigen Fassungen des Art. 1 Nr. 2 lit. a) RL 2001/83/EG die Definition des Präsentationsarzneimittels im Verhältnis zu der davor bestehenden sprachlich nicht modifiziert worden. Durch die Definition des Funktionsarzneimittels in Art. 1 Nr. 2 lit. b) RL 2001/83/EG wird die bisherige Rechtsprechung des EuGH zur Gesamtabwägung nicht in Frage gestellt. Vom theoretischen Ansatz her ist lediglich an die Stelle der vormals herangezogenen pharmakologischen „Eigenschaften“ nunmehr primär die pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung getreten. Dies ändert in der Sache jedoch nichts, weil diese Kriterien - wenn sie im Abgrenzungsfall weiterhelfen - bereits zuvor berücksichtigt werden konnten (OVG NW, Urteile v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - Rdnr. 69 u. - 13 A 2098/02 - Rdnr. 69). Was schließlich die übrigen vom EuGH in ständiger Rechtsprechung genannten Abgrenzungskriterien - Zusammensetzung eines Produkts, Modalitäten des Gebrauchs, Umfang der Verbreitung, Bekanntheit bei den Verbrauchern, Risiken der Verwendung - anbelangt, können diese unabhängig davon, ob ihnen jemals neben den pharmakologischen Eigenschaften eine entscheidende Rolle beigemessen wurde, auch in Ansehung der neuen Definition des Funktionsarzneimittels ergänzend mit heran gezogen werden. Dass diese - wie zuvor ausgeführt - als objektiver gefasst angesehen wird, steht dem nicht entgegen, weil jedenfalls bei einem Teil der Kriterien eine stringente Zuordnung bereits zu der vormaligen (objektiven) Definition des Funktionsarzneimittels nicht möglich war (OVG NW, Urteile v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - Rdnr. 69 u. - 13 A 2098/02 - Rdnr. 67). Sowohl für die Einordnung als Präsentationsarzneimittel als auch als Funktionsarzneimittel kommt es hiernach darauf an, ob objektive Anhaltspunkte für eine der Wirkungen im Sinne des Art. 1 Nr. 1 a) der Richtlinie 2004/27/EG vorliegen.
28 
Von der in der Richtlinie 2004/27/EG genannten Art der Wirkungen kommt für die Einordnung der streitgegenständlichen Erzeugnisse als Arzneimittel die pharmakologische Wirkung in Frage. Pharmakologie ist die Lehre von der Wirkung fremder und körpereigener Stoffe auf den Organismus sowie der Nutzung bestimmter chemischer Stoffe als Heilmittel (Roche Lexikon Medizin; VG Köln, Entsch. v. 25.08.2006 - 18 K 1232/06 -). Um eine pharmakologische Wirkung zu bejahen, müssen mit der Verwendung der in Rede stehenden Erzeugnisse nicht zwingend Gesundheitsgefahren verbunden sein. Vielmehr ist das Auftreten einer Gesundheitsgefahr nach der Rechtsprechung des EuGH lediglich ein eigenständiger Faktor, der bei der Einstufung als Arzneimittel zu berücksichtigen ist (EuGH Urt. v. 09.05.2005 - C-211/03 -, WRP 2005, 863 Tz. 54 - HLH Warenvertriebs GmbH). Demgegenüber ist die pharmakologische Wirkung - neben der immunologischen oder der metabolischen Wirkung - des Erzeugnisses ein Faktor, auf dessen Grundlage die Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten zu beurteilen haben, ob das Erzeugnis i.S. von Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG dazu bestimmt ist, die menschlichen physiologischen Funktionen wieder herzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (BGH, Urt. v. 30.03.2006, a.a.O., m.w.N.).
29 
Für das gemeinschaftsrechtliche Funktionsarzneimittel galt ferner der Grundsatz, dass die Annahme eines solchen nicht an das Vorliegen einer Krankheit gebunden ist (vgl. EuGH, Urt. v. 16.04.1991 - C-112/89 - (Upjohn I), LRE 28, 19 (22)). Dies widerspricht dem Arzneimittelgesetz nicht, was die Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG zeigt (vgl. BGH, Urt. v. 11.07.2002 - I ZR 34/01 -, LRE 44, 37 (43 f.), u. - I ZR 273/99 -, LRE 44, 253 (256 f.); OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - u. - 13 A 2098/02 -).
30 
Unabhängig von den in Art. 1 RL 2004/27/EG beschriebenen Funktionen wird in der Rechtsprechung mit Hilfe der therapeutischen Wirkung eines Erzeugnisses versucht festzustellen, ob die in Art. 1 RL 2004/27/EG geforderten Funktionen vorliegen. So sieht das OVG Nordrhein-Westfahlen (OVG NW, Urteile v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 - Rdnr. 104 ff. , 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - Rdnr. 93 ff., 104 u. - 13 A 2098/02 - Rdnr. 105) eine therapeutische Wirkung im Sinne der Heilung einer Krankheit oder der Linderung ihrer Symptome nicht als zwingenden Bestandteil der Definition des Funktionsarzneimittels an. Allerdings erlaubt nach dieser Rechtsprechung die Bejahung einer therapeutischen Wirkung zur Abgrenzung eines Arzneimittels von Lebensmitteln den Rückschluss auf das Vorliegen einer pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Wirkung im Sinne des Art. 1 Nr. 2 lit. b) RL 2001/83/EG bzw. i.S.d. Art. 1 Nr. 1 der RL 2004/27/EG. Denn eine festgestellte therapeutische Wirkung in der zuvor dargestellten Weise setzt notwendig voraus, dass das Produkt eine nicht nur unwesentliche Auswirkung auf den menschlichen Organismus, sein Immunsystem oder seinen Stoffwechsel entfaltet hat, selbst wenn sich die Wirkmechanismen nicht im Einzelnen feststellen lassen (OVG NW, Urt. v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 - Rdnr. 104 ff. ). Für die Einbeziehung der therapeutischen Wirkung spricht u.a. der Erwägungsgrund Ziffer 7 zur RL 2004/27/EG, der das „Entstehen neuer Therapien“ als einen der Gründe für die Neuregelung anführt (OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - Rdnr. 104). Ob und inwieweit das Kriterium einer therapeutischen Wirkung für die Feststellung eines Arzneimittels Bedeutung erlangen kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil, wie noch ausgeführt wird, eine therapeutische Wirkung, die einen Rückschluss auf die pharmakologische Wirkung des Mittels hat, nicht glaubhaft gemacht ist (s.1.2.).
31 
1.2. In Ansehung dieser Kriterien sind die streitgegenständlichen Erzeugnisse bei summarischer Prüfung weder Präsentationsarzneimittel noch Funktionsarzneimittel. Objektive Anhaltspunkte für eine der Wirkungen im Sinne des Art. 1 Nr. 1 a) der Richtlinie 2004/27/EG sind wissenschaftlich nicht erwiesen und nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse nicht glaubhaft gemacht. Die Wirkungen von Vitamin-K 1-Produkten sind derzeit nicht hinreichend erforscht, um bei summarischer Betrachtung ein Arzneimittel anzunehmen.
32 
Als Präsentationsarzneimittel lassen sich die in Frage stehenden Präparate nicht schon aufgrund der Hinweise der Antragstellerin in Werbemaßnahmen zuordnen. Die Bezeichnung eines Erzeugnisses durch den Hersteller ist zwar ein nützlicher, aber für sich allein nicht entscheidender Anhaltspunkt bei der Abgrenzung. Der Deklaration durch den Hersteller kann im Rahmen der Abgrenzung bereits deshalb kein Gewicht beigemessen werden, weil sie offensichtlich auf Vertriebsgründen beruht, anders ausgedrückt, die Arzneimitteleigenschaft des Produkts verneinen soll, um es ohne arzneimittelrechtliche Zulassung vertreiben zu können. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH müssen die Vorstellung des Herstellers oder des Anwenders über die Wirkung oder den Verwendungszweck des Produkts und dessen äußere Darstellung in den Hintergrund treten (OVG NW, Urt. v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 - Rdnr. 125 zum Begriff Lebensmittel mit der Kennzeichnung „zur Nahrungsergänzung“ bzw. „Nahrungsergänzung“ unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 21.03.1991 - C-369/88 - (Delattre), LRE 28, 3 (10); OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 2098/02 - Rdnr. 85). Auf die vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 20.09.2006 dargestellten Herstellerangaben in Werbebroschüren der Antragstellerin kommt es demnach nicht entscheidend an, sie sind vor allem ohne den Nachweis der für ein Arzneimittel erforderlichen Wirkungen nicht ausschlaggebend. Soweit nach der dargestellten Rechtsprechung des BGH und EuGH die Verbrauchervorstellung am Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bemessen wird, handelt es sich hier nicht um ein Präsentationsarzneimittel, weil, was im Folgenden aufgezeigt wird, eine für ein Arzneimittel maßgebliche Wirkung nicht objektiv erwiesen ist.
33 
Außerdem bestehen Bedenken, ob ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und interessierter Durchschnittsverbraucher (vgl. OVG NW, Urt. v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 -Rdnr. 125 f. unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 16.07.1998 - C-210/96 -, ZLR 1998, 45, 46 nachfolgend Urteile v. 18.06.2002 - C-299/99 -, Slg. I 2002, 5475-5520 u. v. 12.02.2004 - C-218/01 -, LRE 47, 318, 326) ein als „Vitamin K 1 2 % Lotion Bioque “ bzw. „Vitamin K 1 8 % Serum Bioque “ deklariertes Produkt in der Annahme kauft, es sei ein Arzneimittel. Die Bezeichnung der Behältnisse mit dem Wort „Vitamin“ deutet für sich genommen nicht auf ein Arzneimittel hin, eher auf ein Lebensmittel. In Verbindung mit dem Wort Lotion und der empfohlenen örtlichen Anwendung kombiniert der durchschnittliche Verbraucher nahe liegender Weise ein Pflegemittel, d.h. ein Kosmetikmittel. Die Verknüpfung mit dem Wort „Serum“ mag an ein Arzneimittel anklingen. Die Kurzbezeichnung Serum steht für den Blutbestandteil Blutserum (zitiert nach wikipedia). Die Verbindung mit dem Begriff „Vitamin“ und die empfohlene äußere Anwendung lassen aber die Verwendung zu kosmetischen Zwecken zu.
34 
Nach der bisherigen Rechtsprechung ist die Einstufung von Vitaminpräparaten als Arzneimittel vor allem dann anerkannt, wenn sie, im Allgemeinen in starken Dosen, zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden, deren Ursache nicht der Vitaminmangel ist (OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 2098/02 - Rdnr. 103 unter Hinweis auf EuGH, Urt. v. 30.11.1983 - C-227/82 - (VAN Bennekom); EuGH, Urt. v. 29.04.2004 - C-387/99 -, Slg 2004, I-03751 Rdnr. 55 unter Hinweis auf Urteil Van Bennekom, Rdnrn. 26 u. 27). Daraus ergibt sich ferner, dass Stoffe wie Vitamine in der Form von Nahrungsergänzungsmitteln, die unzweifelhaft dem Bereich der Ernährung zuzuordnen sind und die jedenfalls im Umfang der mit der normalen Nahrung aufgenommenen Mengen in aller erster Linie ernährungsphysiologische Wirkungen haben, gleichwohl dem Arzneimittelbereich zugeordnet werden können, wenn eine therapeutische Wirksamkeit im Hinblick auf eine Krankheit besteht, die nicht auf einem Ernährungsmangel beruht. Im Abgrenzungsfall ist allein entscheidend, ob der Einsatz auf der Grundlage eines einigermaßen gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisstandes bezüglich der therapeutischen Wirksamkeit in der jeweiligen Konstellation erfolgt oder ob die Anwendung eher Versuchscharakter hat (wie beispielsweise der häufiger in den Medien berichtete Einsatz von Vitamin C bei Krebserkrankungen). Denn die Einstufung eines bestimmten Nährstoffs in einer bestimmten Konzentration oder - eine äußerlich anwendbare Creme mit Vitamin K 1 - als Funktionsarzneimittel ohne einen halbwegs gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisstand kommt nicht in Betracht (OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 2098/02 -). Auf den vorliegenden Fall angewendet, bedeutet dies. Selbst wenn Besenreiser, Varizen und Couperose Krankheiten wären, was in Fachkreisen kontrovers diskutiert wird (s. BfR v. 11.07.2006, S. 2) und nicht abschließend geklärt werden muss, wäre nicht nachgewiesen und nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass die streitgegenständlichen Vitamin-K-1-Präparate eine wissenschaftlich anerkannte therapeutische bzw. pharmakologische Wirkung hätten. Deshalb scheidet nach der aufgezeigten Rechtsprechung des BGH und des EuGH die Annahme eines Arzneimittels aus.
35 
Die Frage, wie die pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung feststellbar ist, ist nach Erwägungsgrund Nummer 7 zur Richtlinie 2004/27/EG nach dem „wissenschaftlichen und technischen Fortschritt“ zu beurteilen; das „Entstehen neuer Therapien“ ist mit zu berücksichtigen. Europarechtliche Vorgaben zum Begriff des wissenschaftlichen Fortschritts sind nicht ersichtlich. Für die Auslegung nationalen Rechts (§ 2 AMG) kann auf die Maßstäbe der Rechtsprechung zur wissenschaftlichen Anerkennung einer Heilmethode im Beihilferecht zurückgegriffen werden. Danach ist von Bedeutung, ob die Therapie wissenschaftlich anerkannt ist oder ob eine solche Anerkennung zu erwarten ist. Als wissenschaftlich anerkannt sind nur solche Heilmethoden anzusehen, die von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit als wirksam und geeignet angesehen werden (BVerwG, Urt. v. 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436). Um „anerkannt“ zu sein, muss einer Behandlungsmethode und den in ihrem Rahmen verwendeten Heilmitteln von - dritter Seite - also von anderen als dem Urheber - attestiert werden, zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet zu sein und wirksam eingesetzt werden zu können. Um „wissenschaftlich“ anerkannt zu sein, müssen Beurteilungen von solchen Personen vorliegen, die an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen als Wissenschaftler in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätig sind. Um „allgemein“ anerkannt zu sein, muss die Therapieform zwar nicht ausnahmslos, aber doch überwiegend in den fachlichen Beurteilungen als geeignet und wirksam eingeschätzt werden. Daher ist eine Behandlungsmethode dann „wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt“, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der mit der Methode befassten Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering beurteilt (BVerwG, Urt. v. 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, ZBR 1996, 48; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.06.2003 - 4 S 804/01 -, DÖD 2004, 109).
36 
Von einer wissenschaftlich anerkannten pharmakologischen Wirkung oder einer therapeutischen Wirksamkeit eines Vitamin K-1-Produkts der streitgegenständlichen Art kann nach der im Verfahren des § 80 Abs. 5 VwGO nur möglichen summarischen Prüfung unter Berücksichtigung der bislang vorliegenden Stellungnahmen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und des CVUA vom 22.12.2005 u. v. 20.01.2006 nicht ausgegangen werden; es finden sich zwar Anzeichen für eine therapeutische Wirksamkeit, die aber derzeit ebenfalls nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. Die Wirkung von Vitamin K 1-Produkten ist derzeit wissenschaftlich noch nicht hinreichend erforscht. In Frankreich berichtete bereits im Dezember 2004 eine RAPEX(Rapid Alert System for Non-.Food. Products)-Meldung über schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen durch kosmetische Mittel mit Gehalten an Vitamin K 1. Hierbei kam es bei zwei kosmetischen Produkten (kosmetische Cremes mit den Handelsnamen EKYCED und AURIDERM ; siehe Anlage) zu Kontaktallergien mit schweren systematischen Unverträglichkeitsreaktionen. Außerdem wurde im Jahr 2005 über den Fall einer Ekzemreaktion nach topischer Anwendung einer Vitamin K 1 Creme in Spanien berichtet. Die der RAPEX-Meldung zugrunde liegenden Fälle zeigen, dass die Häufung von Kontaktallergien nach Verwendung von Vitamin K 1-haltigen Produkten auffallend hoch war. Frankreich erließ danach eine bis heute in Kraft gebliebene nationale Verbots-Verordnung, den Beschluss der Agence de securite sanitaire des produits de sante . Schließlich wurde in der Fachzeitschrift Contact Dematitis im Jahre 2005 über den Fall einer Ekzemreaktion nach topischer Anwendung einer Vitamin K-1 Creme berichtet. Vor dem Hintergrund des Vermarktungsverbotes für kosmetische Mittel durch die französische Regierung beabsichtigt die Kommission der EU eine Bewertung dieses Stoffes durch den wissenschaftlichen Ausschuss „Konsumgüter“ (SCCP) durchführen zu lassen (siehe Bericht des Innenministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz v. 05.09.2006). Dieser Bericht steht noch aus.
37 
Das CVUA ... stellt in seiner Untersuchung der Produkte der Antragstellerin vom 22.12.2005 fest, Hautpenetrationsdaten von Vitamin K 1 lägen dem Amt nicht vor. Es führt aus, „aufgrund der Lilophilie des Moleküls ist eine nicht unerhebliche Penetration durch die Haut zu vermuten“, d.h. sie ist wissenschaftlich derzeit nicht gesichert. Die in der Anlage 1 aufgeführte Expositionsbetrachtung zeigt nach Auffassung des CVUA, dass eine pharmakologische Wirkung bei nur 10 % Penetration des Vitamin-K 1-Wirkstoffs bei ausschließlicher Anwendung im Gesicht bereits einer Verabreichung von hohen Dosen eines Vitamin-K 1-Arzneimittels bei Mangelblutungen entspräche. Eine großflächige Anwendung würde entsprechend ungünstiger ausfallen. Dies erklärt nach Meinung des CVUA, dass unerwünschte Nebenwirkungen zu beobachten seien, wie sie in der RAPEX-Meldung geschildert worden seien. Die Stellungnahme vom 20.01.2006 enthält im Vergleich zur Untersuchung vom 22.12.2005 keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse oder Aussagen. Einem wissenschaftlichen Nachweis einer pharmakologischen Wirkung entsprechen die Ausführungen der CVUA nicht.
38 
Das selbe gilt für die Beurteilung des BfR vom 11.07.2006, in der es unter anderem heißt: „Da eine wissenschaftliche Dokumentation mit Untersuchungen zur Wirksamkeit und möglicher toxikologischer Risiken von Vitamin K 1 nicht beigefügt wurde, kann aufgrund der noch ausstehenden Literatur von internationalen Datenbanken und in Anbetracht der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, vorab nur ein Zwischenbericht mit vorläufiger Beurteilung aus Sicht des BfR und der vorläufigen Kommission für kosmetische Mittel erarbeitet werden. Agens und pharmakologische Eigenschaften: Als K-Vitamine (Phyllochinone) wird eine Gruppe chemischer Verbindungen verstanden, die die Blutgerinnung fördern und die Durchlässigkeit der Blutgefäße regulieren“. Zur therapeutischen Wirksamkeit ist ausgeführt, „therapeutisch wird Vitamin K 1 als Antihämorrhagikum bei Vitamin-K-Mangelblutungen eingesetzt sowie bei Patienten mit stark erniedrigtem Quick-Wert bei drohender Blutungsneigung. Prophylaktisch erfolgt die Gabe an Neugeborene (unreife Leberfunktion) unmittelbar nach der Geburt. Bei Überdosierung von Antikoagulantien vom Cumarintyp dient Vitamin K 1 als Antidot. Die Verabreichung erfolgt systematisch entweder peroral und parenteral (I.m., s.c.), bei lebensbedrohlichen Zuständen auch i.v.“. Als unerwünschte Wirkungen im therapeutischen Bereich in Einzelfällen werden anaphylaktoide Reaktionen, das Auftreten von Kontaktdermatiden, Pigmentierungen und sklerodermiforme Infiltrationen an den Injektionsstellen beschrieben. Zur externen Anwendung führt der BfR folgendes aus: „Recherchen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfAaM) haben ergeben, dass eine arzneimittelrechtliche Zulassung für Vitamin-K-haltige Arzneimittel zur topischen Anwendung bisher nicht erteilt wurde. Aus der bisher vorliegenden Fachliteratur wird jedoch ersichtlich, dass unter anderem Vitamin-K-haltige Externa zunehmend klinisch im Bereich der plastischen Chirurgie (Face-Lifting), Lasertherapie und Phlebologie eingesetzt werden zur Linderung bzw. Reduktion postoperativer Folgeerscheinungen wie erhöhte Blutungsneigung mit Hämatombildung, Schwellungen und Rötungen nach Lasertherapie, Hyperpigmentierungen u.a.. Therapeutische Wirksamkeit kann bei den angegeben Indikationen durch klinische Untersuchungen, die hauptsächlich in den USA an chirurgischen Zentren durchgeführt wurden, angenommen werden. Dem BfR liegen die Originalstudien nicht vor (6,7)“.
39 
Das BfR gelangt zu folgender vorläufigen Beurteilung: „Eine arzneiliche Wirksamkeit von Vitamin K 1 nach topischer Anwendung kann aufgrund unterschiedlicher Berichte aus chirurgischen Kliniken angenommen werden, obwohl wissenschaftliches Erkenntnismaterial in Form klinischer Studien dem BfR nicht vorliegt. Sollte der Nachweis der Wirksamkeit auf das Gefäß- und Gerinnungssystem geführt werden können, muss davon ausgegangen werden, dass das fettlösliche Vitamin durch die Hautschichten penetriert und am Gefäßsystem Effekta ausübt, pharmakologische Wirkung zeigt und systematisch verfügbar wird. Untersuchungen zur Hautpenetration liegen dem BfR allerdings nicht vor.“... „Für eine abschließende gesundheitliche Bewertung von Vitamin K 1 als Inhaltsstoff Kosmetischer Mittel zur topischen Anwendung fehlen noch Daten zur Wirksamkeit bei den in der Auslobung empfohlenen Einsatzgebieten und den verwendeten Konzentrationen, zum Wirkungsmechanismus, zur Hautpenetration und Resorption“.
40 
Die Auswertung des Berichts des BfR vom 11.07.2006 ergibt, dass eine pharmakologische Wirkung von Vitamin-K-haltigen Produkten nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist. Das BfR räumt selbst ein, wissenschaftliches Erkenntnismaterial in Form klinischer Studien zur arzneilichen Wirksamkeit von Vitamin K 1 nach topischer (örtlicher) Anwendung liege nicht vor, bislang gäbe es dazu lediglich unterschiedliche Berichte aus chirurgischen Kliniken. Dem Bericht des BfR ist zu entnehmen, dass der Nachweis der Wirksamkeit von Vitamin K 1-Mitteln auf das Gefäß- und Gerinnungssystem derzeit wissenschaftlich nicht geführt ist. Eine therapeutische Wirksamkeit, die auf eine pharmakologische Wirkung hindeutet, kann allenfalls klinischen Erfahrungsberichten entnommen werden, die aber nicht dem Charakter einer wissenschaftlichen Untersuchung an Hochschulen oder einer vergleichbaren Forschungseinrichtung entsprechen und keinen wissenschaftlichen Nachweis darstellen. Bei dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse kann deshalb bei summarischer Betrachtung nicht vom Vorliegen eines Arzneimittels ausgegangen werden, die Qualifizierung als Arzneimittel kann aber aufgrund klinischer Erfahrungsberichte nicht ausgeschlossen werden. Der Stand der Forschungsergebnisse ist offen.
41 
1.3. Die Regelung für Zweifelsfälle in Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG in der Fassung, die er durch die Richtlinie 2004/27/EG erhalten hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Zweifelsregelung ist anwendbar, auch wenn die Aufnahme einer dem Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG entsprechenden Zweifelsregelung in das AMG nicht erfolgt ist (vgl. OVG NW, Urt. v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 - Rdnr. 49). Dort ist nunmehr geregelt, dass in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, diese Richtlinie (2001/83/EG) gilt. Die Regelung kann nicht dahin verstanden werden, dass ungeachtet objektiver Tatbestandsvoraussetzungen Abgrenzungsschwierigkeiten immer in dem Sinne zu lösen sind, dass „im Zweifel“ ein Arzneimittel vorliegt. Die Zweifelsregelung findet erst dann Anwendung, wenn unter Berücksichtigung aller Merkmale eines Produkts keine Einigkeit hinsichtlich der Arzneimitteleigenschaft besteht in dem Sinne, dass diese weder (sicher) festgestellt noch (sicher) ausgeschlossen werden kann, weil andernfalls bereits kein Zweifelsfall vorläge. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn in der Zweifelsregelung als Voraussetzung für ihre Anwendbarkeit gefordert wird, dass „das Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften ... unter die Definition von „Arzneimittel“ ... fallen kann (OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 1977/02 - Rdnrn. 147 u. 144). Der danach bestehende gemeinschaftsrechtliche Vorrang der arzneimittelrechtlichen Vorschriften ist auch bei der Anwendung nationalen Rechts zu berücksichtigen, gegebenenfalls im Wege der richtlinienkonformen Auslegung (OVG NW, Urt. v. 17.03.2006 - 13 A 2095/02 - u. 13 A 1913 A 1977/02 - Rdnr. 42, OVG NW, Urt. v. 10.11.2005 - 13 A 463/03 - ). Die Zweifelsregelung ist hier deshalb nicht anwendbar, weil nach dem derzeitigen Erkenntnisstand noch nicht alle wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten für eine umfassende Beurteilung der Wirkungen von Vitamin K 1-Produkten ausgeschöpft wurden. In dem auf eine summarische Prüfung beschränkten Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO lassen sich „Restzweifel“ nicht klären.
42 
1.4. Sind hiernach die Erfolgaussichten als offen zu bewerten, so fällt die Abwägung zu Gunsten der Antragstellerin aus. Für die Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung spricht zwar, dass Erzeugnisse, wenn sie Arzneimittel sind, erhebliche Gefahren für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen können, und deshalb strengeren staatlichen Maßnahmen unterliegen müssen als kosmetische Mittel, von denen solche Gefahren im Allgemeinen nicht ausgehen oder in geringerem Maße zu befürchten sind. Im konkreten Fall sind aber die eventuell entstehenden Gefahren, wie bereits ausgeführt, gering. Es kam in Deutschland allenfalls zu gelegentlichen allergischen Reaktionen. Allerdings dürfen die der RAPEX-Meldung zugrunde liegenden Fälle nicht außer Acht gelassen werden. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 75, 108 <154 f.>; 80, 137 <153>; 90, 145 <172>) lässt sich aber die im Bericht des BfR vom 11.07.2006 (S. 4 a.E.) aufgezeigte Gefahr von Allergien mit hoher Wahrscheinlichkeit mit anderen Mitteln als der einstweiligen Untersagung des Inverkehrbringens des Produkts beseitigen. In Frage kommen unter anderem an den Verbraucher gerichtete Aufklärungshinweise, die geeignet sind, den Verbraucher vor derartigen Gefahren zu schützen. Als geeignet und zweckmäßig zum Schutze des Verbrauchers sieht das BfR einen Hinweis auf die Möglichkeit der Auslösung einer allergischen Reaktion bei Anwendung Vitamin-K-haltiger Präparate. Gegebenenfalls können derartige Hinweise mit Testmöglichkeiten und weiteren Schutzmaßnahmen verbunden werden. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Untersagungsverfügung ist mit dem Schutzzweck des AMG und mit beiden europarechtlichen Richtlinien zu Arzneimitteln (RL 2004/27/EG) und Kosmetikmitteln (RL 76/768/EWG) vereinbar. Denn der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist gewahrt, der Gefahr von Allergien kann durch weniger einschneidende Maßnahmen als der der Untersagungsverfügung begegnet werden. Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung spricht im vorliegenden Fall insbesondere das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht der Antragstellerin, im Rahmen ihres eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ein Produkt nach Maßgabe der einschlägigen Gesetze vertreiben zu dürfen, für das nicht nachgewiesen und nicht glaubhaft gemacht ist, dass es ein Arzneimittel ist und deshalb den besonderen Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes unterliegt. Ein unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verfügtes Verbot des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Erzeugnisse würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG darstellen, weil weniger einschneidende und geeignete Maßnahmen in Frage kommen, um mögliche Gefahren abzuwenden. Unverhältnismäßige Einschränkungen sind mit Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Der Antragstellerin muss (einstweilen) gestattet werden, ihre Erzeugnisse nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften in Verkehr bringen zu dürfen. Ob und unter welchen Voraussetzungen die streitgegenständlichen Erzeugnisse als Kosmetikmittel in Verkehr gebracht werden dürfen, sofern es sich um solche handelt und das AMG oder sonstige nationale oder europarechtliche Sondervorschriften nicht eingreifen, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Dies beurteilt sich nach Maßgabe der für Kosmetikmittel einschlägigen Vorschriften.
43 
2. Lässt sich die sofortige Vollziehbarkeit der Untersagungsverfügung im einstweiligen Rechtsschutz nicht aufrechterhalten, so ist auch bezüglich der hierauf gestützten Sicherstellung die aufschiebende Wirkung des dagegen eingelegten Rechtsbehelfs wiederherzustellen. Gegen die durch das Regierungspräsidium Karlsruhe angeordnete Sicherstellung nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 AMG findet kein Widerspruch statt (§ 6a S. 1 AG VwGO, § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klage war der statthafte Rechtsbehelf.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 3, 52 Abs. 1 GKG.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin bringt ihr Produkt „W.“ - im Folgenden nur als Produkt bezeichnet - als Nahrungsergänzungsmittel und damit als Lebensmittel in Deutschland mit entsprechender Packungskennzeichnung in den Verkehr. Es handelt sich dabei um indischen Weihrauchextrakt. Die Klägerin bezieht ihr Produkt nach eigenen Angaben aus Österreich, wo es als Lebensmittel im Verkehr ist, und der österreichische Lieferant bezieht es aus Indien.

Mit dem streitigen Untersagungsbescheid vom 23.1.2002 erließ der Beklagte nach Anhörung der Klägerin ein Verkehrsverbot für ihr Produkt auf der Grundlage des § 69 I AMG. Zur Begründung berief sich der Beklagte darauf, Fertigpräparate aus Weihrauchextrakt seien in Indien als Arzneimittel zugelassen und die Verkehrsauffassung sei durch das Fertigarzneimittel aus Indien geprägt mit der Konsequenz, dass ein zulassungspflichtiges Arzneimittel ohne Zulassung vorliege.

Gegen den am 25.1.2002 bekannt gegebenen Untersagungsbescheid hat die Klägerin am 29.1.2002 Klage erhoben.

Die Klägerin hat den Rechtsstandpunkt vertreten, ihr Produkt sei sowohl nach der Einordnung gemäß dem materiell geltenden Lebensmittelrecht ein Lebensmittel als auch auf Grund des freien europäischen Marktes als Importprodukt verkehrsfähig, das sowohl der Importerleichterung des § 47 a LMBG als importiertes Lebensmittel unterliege als auch der verbindlichen Zolltarifauskunft der EG vom 16.9.2002 mit der Einstufung ebenfalls als Lebensmittel.

Bei materieller Betrachtung liege ein Ernährungszweck im Sinne eines Nahrungsergänzungsmittels vor. Nach der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG sei für Nahrungsergänzungsmittel eine breite Palette von Nährstoffen und anderen Zutaten einschließlich Ballaststoffen, Pflanzen und Kräuterextrakten - und damit auch aus der Weihrauchpflanze - zugelassen und die dosierte Form beispielsweise in Tabletten normativ vorgesehen. Dagegen liege ein Arzneimittel im Sinne des europäischen Arzneimittelbegriffs nicht vor. Insbesondere fehle es für ein Funktionsarzneimittel an der pharmakologischen Wirkung in der vorgeschriebenen Dosierung von 400 mg täglich. Der Beklagte habe eine pharmakologische Wirkung nicht erwiesen, sie, die Klägerin, habe dagegen mit den Gutachten Bertram und Reuss den Gegenbeweis geführt, dass eine pharmakologische Wirkung auszuschließen sei. Zumindest fehle es an einem überwiegenden arzneilichen Zweck.

Unabhängig von der materiellen Zusammensetzung sei der Weihrauchextrakt als Lebensmittelimport aus dem EU-Land Österreich gemäß § 47 a LMBG ein verkehrsfähiges Erzeugnis. Aufgrund der verbindlichen Zolltarifauskunft der Gemeinschaft vom 16.9.2002 mit der Einstufung als Lebensmittelzubereitung stehe weiter fest, dass ihr Produkt überall in der EU als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden könne, was auch in Österreich und England der Fall sei. Die Frage der Verkehrsfähigkeit aufgrund der verbindlichen Zolltarifauskunft sei erforderlichenfalls dem EuGH vorzulegen.

Die Klägerin hat beantragt (VG-Akte Bl. 167),

den Untersagungsbescheid des Beklagten vom 23.1.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

dem Europäischen Gerichtshof dieses Verfahren mit der folgenden Frage vorzulegen: „Wenn ein Produkt nach einer verbindlichen Zolltarifauskunft für die Europäische Gemeinschaft als Lebensmittel eingestuft worden ist und darüber hinaus in den EU-Mitgliedstaaten Großbritannien und Österreich rechtmäßig im Verkehr ist, darf dann ein Vertriebsverbot von der zuständigen Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen werden, wenn diese nicht nachweist, dass das Produkt konkret gegen Vorschriften des Gesundheitsschutzes verstößt, sondern die Behörde das Vertriebsverbot mit der Ansicht begründet, dass der Inhalt grundsätzlich als Arzneimittel anzusehen ist, obwohl eine pharmakologische Wirkung erst bei einer Dosierung nachgewiesen werden konnte, die die empfohlene Tagesverzehrmenge des beanstandeten Produktes um das 3-fache übersteigt. Unstreitig wird das Produkt nach der Packungskennzeichnung als „Nahrungsergänzungsmittel“ in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht,

hilfsweise,

die Akte mit der folgenden Frage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen: „Kann eine Landesbehörde in der Bundesrepublik Deutschland ein Produkt, das in den EU-Mitgliedstaaten Österreich und England als verkehrsfähiges Lebensmittel im Verkehr ist, eine verbindliche Zolltarifauskunft der Europäischen Gemeinschaft die Lebensmittel-Eigenschaft bestätigt hat, mit dem Hinweis, dass dort keine arzneilichen Angaben auf der Packung enthalten sind, noch als Arzneimittel einstufen, auch wenn die Behörde eine pharmakologische Wirkung in der angegebenen Tagesdosierung nicht nachweisen kann.“

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten. Das Produkt stamme aus der traditionellen indischen Ayurveda-Medizin. Ein Ernährungszweck sei nicht nachzuweisen. Stattdessen sei ein Arzneimittelzweck gegeben. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen liege ein Funktionsarzneimittel mit Auswirkungen auf Entzündungsprozesse auch in niedriger Dosis vor. Als Arzneimittel sei Weihrauchextrakt den Verbrauchern insbesondere aus dem Internet bekannt. Die Importerleichterung nach § 47 a LMBG sei hier nicht einschlägig. Auch die Zolltarifauskunft beschränke sich ausschließlich auf den Zolltarif, um den es hier nicht gehe.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 20.5.2003 - 3 K 47/02 - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es sich den Rechtsstandpunkt des Beklagten unter Bezugnahme zu Eigen gemacht. Maßgebend sei die überwiegende Zweckbestimmung nach der Verkehrsauffassung. Das Produkt sei nach Aufmachung, Verpackung und Vertrieb wie ein Arzneimittel aufgemacht und werde auch in der Apotheke vertrieben. Die Klägerin mache für ihr Produkt zwar selbst keine Werbung, indessen werde von anderer Seite für ein Konkurrenzprodukt im Internet Werbung als Arzneimittel betrieben. Nach den Verbrauchererwartungen werde das Produkt also als Arzneimittel gekauft. Die Importerleichterung des § 47 a LMBG sei auf Arzneimittel nicht anwendbar und die Zolltarifauskunft binde nicht die Gesundheitsbehörden der deutschen Bundesländer. Angesichts dieser klaren Rechtslage bedürfe es keiner Vorlage an den EuGH, zu der das Verwaltungsgericht ohnedies nicht verpflichtet sei. Nach allem sei die Klage abzuweisen.

Gegen das am 10.6.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 4.7.2003 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat durch Zulassungsbeschluss vom 16.1.2004 (Berufungsakte Bl. 108) mit Blick auf schwierige Fragen des Gemeinschaftsrechts unter der seinerzeitigen Geschäftsnummer 3 R 1/04 stattgegeben hat. Mit Blick auf eine bevorstehende EuGH-Entscheidung zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln hat der Senat das Verfahren vorübergehend durch Beschluss vom 16.4.2004 ausgesetzt (Berufungsakte Bl. 164). Nach dem Ergehen der EuGH-Entscheidung vom 9.6.2005 - C-211/03 - (Lactobact-Urteil) haben beide Beteiligten das Urteil für ihren Rechtsstandpunkt in Anspruch genommen und halten im fortgesetzten Rechtsstreit 3 R 7/05 an ihrer Rechtsauffassung fest.

Die Klägerin trägt vor: Das Lactobact-Urteil des EuGH stütze ihre Rechtsansicht. Im Bereich der allgemeinen Lebensmittel und der Arzneimittel sei nach dem EuGH-Urteil eine Harmonisierung des Gemeinschaftsrechts noch nicht vorgenommen worden (Rz. 56). Dagegen sei es zu einer europaweiten Harmonisierung bei der hier einschlägigen Untergruppe der Lebensmittel, der Nahrungsergänzungsmittel, gekommen (Rz. 70 ff.). Nachdem der EuGH (Rz. 44) dargelegt habe, dass in Zweifelsfällen bei vollständigen Feststellungen die Arzneimittelrichtlinie gelte, habe er sodann (Rz. 70 ff.) darauf hingewiesen, dass im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel eine weitgehende Harmonisierung eingetreten sei; bei den Nahrungsergänzungsmitteln blieben den Mitgliedstaaten nur begrenzte Möglichkeiten, das Inverkehrbringen solcher Nahrungsergänzungsmittel zu beschränken, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat wie hier in Österreich und in Großbritannien rechtmäßig im Verkehr seien. Solche Verkehrsbeschränkungen setzten voraus, dass der Beklagte konkrete Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung nachweise, was nicht geschehen sei.

Ihr Produkt sei bei materieller Betrachtung nach dem fortgeschrittenen Gemeinschaftsrecht als Lebensmittel und als Nahrungsergänzungsmittel einzustufen. Art. 2 der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung 178/2002 sei weiter gefasst und stelle nicht mehr auf den Ernährungs- oder Genusszweck des Produkts ab. Ein Nahrungsergänzungsmittel im Sinne des weitgehend harmonisierten Gemeinschaftsrechts liege hier vor. Nach dem Erwägungsgrund 3 gehe es um die Erhaltung einer guten Gesundheit und nach dem Erwägungsgrund 6 handele es sich um eine breite Palette von Stoffen einschließlich Kräuterextrakten. Art. 2 a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie erfordere nicht notwendig Nährstoffe, sondern lasse sonstige Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung genügen. Dies sei hier zu bejahen. Aus dem vorgelegten Zusatzgutachten Reuss ergebe sich, dass Weihrauch ein gesundes, natürliches Gewürz darstelle mit der ernährungsspezifischen Wirkung, die Lebensmittel bekömmlicher zu machen. Weihrauchextrakt wirke sich auch positiv auf den Lipoprotein-Haushalt und den Cholesterin-Haushalt aus. Er sei nicht nur in Österreich und Großbritannien, sondern auch in Deutschland abgesehen von dem Produkt der Klägerin als Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt. Nach dem zentralen Bestellsystem der deutschen Apotheken, der Lauer-Taxe, seien 11 verschiedene Weihrauchprodukte anderer Firmen als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt. Insofern sei Weihrauch bei dem Verbraucher als Nahrungsergänzungsmittel bekannt. Demgegenüber müsse die Internetwerbung für die Arzneiwirkung anderer Weihrauchprodukte nach der vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigen BGH-Rechtsprechung außer Betracht bleiben (BGH, Urteil vom 11.7.2002 - I ZR 273/99 -). Darüber hinaus sei die Einfuhr von Weihrauchprodukten als Arzneimitteln aus der Schweiz oder Indien unzulässig, da es dort an einer staatlichen, mit der deutschen Arzneimittelzulassung vergleichbaren Zulassung fehle. In Indien sei Weihrauchextrakt ein Lebensmittel und unterliege der Lebensmittelüberwachung. Nach allem sei ihr Produkt ein Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel, das nicht durch das Nadelöhr der Arzneimittelüberwachung müsse.

Entgegen der Annahme des Beklagten sei das Vorliegen eines Arzneimittels auszuschließen. Sowohl der EuGH als auch der BGH unterschieden beim europäischen Arzneimittelbegriff zwischen einem Präsentationsarzneimittel und einem Funktionsarzneimittel. Ein Präsentationsarzneimittel liege nach der Rechtsprechung des BGH nur dann vor, wenn es so auf den Verkaufspackungen, nicht lediglich in Werbeangaben in Medien, präsentiert werde. Dies sei eindeutig nicht der Fall. Die Verpackung enthalte eine deutliche Präsentation als Nahrungsergänzungsmittel, eine Verzehrempfehlung und neuerdings den Hinweis, die täglich empfohlene Verzehrempfehlung nicht zu überschreiten.

Ebenso wenig sei ihr Produkt ein Funktionsarzneimittel. Stoffe könnten wie das Vitamin C je nach Dosis eine Doppelfunktion als Lebensmittel und Arzneimittel haben. Dann komme es allein auf die Dosis an. Maßgebend für die Beurteilung sei die Empfehlung, nur ein Mal täglich eine Tablette einzunehmen. Eine Mehrfacheinnahme - wie vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angenommen - nur zur Begründung pharmakologischer Eigenschaften sei eine nicht wissenschaftliche Unterstellung. Ausgehend von der maßgebenden Dosis habe der Beklagte mit allen vorgelegten Unterlagen den Beweis einer pharmakologischen Wirkung nicht erbracht, dagegen habe sie den Gegenbeweis durch die Gutachten Bertram und Reuss geführt. Soweit der Beklagte sich mit seinen Unterlagen auf die Ayurvedische Medizin aus Indien berufe, liege darin nach neuerer Erkenntnis eher eine Empfehlung für eine gesunde Lebensweise im Sinne einer Nahrungsergänzung als die Behandlung von Krankheiten. Auch die vom Beklagten vorgetragene Bemühung der deutschen Firma P. um eine europäische Zulassung als Arzneimittel sei bisher wegen fehlender Nachweise gescheitert. Eine pharmakologische Wirkung in der vorgeschriebenen Dosis lasse sich nach allem nicht begründen. Der Beklagte habe den Beweis dafür nicht erbracht. Deshalb führten die stofflichen Eigenschaften ihres Produkts dazu, dass allein ein Nahrungsergänzungsmittel vorliege und mangels konkreter Gesundheitsgefahren keine Verbotsgrundlage bestehe.

Wesentlich sei weiter, dass ein EG-Lebensmittelimport vorliege. Der freie Handelsverkehr innerhalb der Gemeinschaft sei nach dem EG-Vertrag geschützt und die Auffassung des Beklagten führe zu unzulässigen Handelshindernissen bei dem Import von Lebensmitteln. Das Produkt werde unmittelbar aus Österreich eingeführt und sei dort rechtmäßig als Lebensmittel im Verkehr. Auf der Grundlage des § 47 a LMBG sei das Produkt aus der Sicht von Österreich einzuordnen und sei damit ein verkehrsfähiges Lebensmittel und kein Arzneimittel. Bezogen auf die Gemeinschaft insgesamt bedeute darüber hinaus die vorgelegte Zolltarifauskunft vom 16.9.2002 mit der Einordnung als Lebensmittelzubereitung den Verkehrsfähigkeitsnachweis für die gesamte Gemeinschaft.

Nach allem sei das Vertriebsverbot aufzuheben; hilfsweise komme eine Vorlage der Sache an den EuGH in Betracht.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20.5.2003 - 3 K 47/02 - den Untersagungsbescheid des Beklagten vom 23.1.2002 aufzuheben.

Die Klägerin regt hilfsweise an,

dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage vorzulegen:

„Kann eine Landesbehörde in der Bundesrepublik Deutschland ein Produkt, das in den EU-Mitgliedstaaten Österreich und England als verkehrsfähiges Lebensmittel im Verkehr ist, dem eine verbindliche Zolltarifauskunft der Europäischen Gemeinschaft die Lebensmittel-Eigenschaft bestätigt hat, mit dem Hinweis, dass dort keine arzneilichen Angaben auf der Packung enthalten sind, noch als Arzneimittel einstufen, auch wenn die Behörde eine pharmakologische Wirkung in der angegebenen Tagesdosierung nicht nachweisen kann.“

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, das Lactobact-Urteil des EuGH vom 9.6.2005 stütze seinen Standpunkt. Aus dem Tenor des EuGH-Urteils ergebe sich, dass die Einstufung als Arzneimittel oder als Nahrungsmittel unabhängig von der Einstufung in anderen EU-Mitgliedstaaten erfolge und in Zweifelsfällen die Arzneimittelrichtlinie einschlägig sei.

Der Beklagte ist der Auffassung, es liege kein Lebensmittel und kein Nahrungsergänzungsmittel vor. Die Nahrungseigenschaft sei nicht nachvollziehbar begründet. Allenfalls liege ein Zweifelsfall vor, der damit als Arzneimittel zu behandeln sei.

Der Arzneimittelbegriff werde durch das Produkt der Klägerin erfüllt. Zwar präsentiere die Klägerin ihr Produkt nicht als Arzneimittel, so dass ein Präsentationsarzneimittel ausscheide. Dagegen liege wegen der pharmakologischen Wirkung ein Funktionsarzneimittel vor. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen nehme indischer Weihrauchextrakt Einfluss auf Entzündungsprozesse im Körper. Bei der Einstufung als Arzneimittel sei nach Auffassung des Bundesinstituts die Möglichkeit einer Mehrfacheinnahme der Tagesdosis zu berücksichtigen. Therapeutische Wirkungen seien bereits in einer Tagesdosis von 900 mg möglich und könnten durch Mehrfacheinnahme erreicht werden. Darüber hinaus ergebe sich aus den Forschungsergebnissen von Prof. Dr. Ammon, dass bei niedriger Dosierung eine Stimulierung der Leukotriensynthese eintreten könne.

Die Einstufung als Arzneimittel ergebe sich auch daraus, dass die europäische Behörde EMEA am 21.10.2002 für die Behandlung von Ödemen bei Gehirntumoren indischem Weihrauchextrakt zugunsten der deutschen Firma P. den Orphan-Drug-Status zuerkannt habe. Nur bei einer Einstufung als Arzneimittel und nicht als Lebensmittel könne ein Präparat einen solchen Status erhalten. Dagegen sei die von der Klägerin vorgelegte Zolltarifauskunft vom 16.9.2002 nicht entscheidungserheblich, da sie sich nach Sinn und Zweck auf die Zollkalkulation beschränke.

Nach allem sei das Weihrauchpräparat der Klägerin ein Funktionsarzneimittel, das zulassungsbedürftig sei, aber keine Zulassung als Arzneimittel habe. Mithin sei der Untersagungsbescheid rechtmäßig.

Zur Ergänzung des Sachverhalts insbesondere mit Blick auf die vorgelegten Unterlagen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten (2 Hefter) Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung bleibt erfolglos.

Der Streit der Beteiligten betrifft die richtige rechtliche Einordnung des Produkts der Klägerin, der W., das sie von Österreich nach Deutschland einführt. Handelt es sich inhaltlich um ein Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels oder um einen rechtlich maßgebenden Lebensmittelimport, wie die Klägerin annimmt, unterliegt es unstreitig grundsätzlich dem freien Warenverkehr und mithin nicht dem vom Beklagten ausgesprochenen Verkehrsverbot nach § 69 AMG. Handelt es sich dagegen rechtlich um ein Fertigarzneimittel, fehlt ihm die erforderliche Zulassung, da es unstreitig weder in Deutschland noch sonst im Bereich der Europäischen Union eine Verkehrsgenehmigung als Arzneimittel hat.

Angesichts der fortgeschrittenen EG-Harmonisierung des Arzneimittelrechts und des Lebensmittelrechts ist zunächst klarzustellen, wer die Qualifizierungszuständigkeit bei der grenzüberschreitenden Verbringung eines Produkts innerhalb der EG hat. Abgesehen von der hier nicht gegebenen Ausnahme einer gemeinschaftsrechtlichen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22.7.1993 für das Produkt verbleibt die Qualifizierung den nationalen Behörden und Gerichten. Auf eine Vorlage des OVG Münster hin mit dem Ziel einer EG-weiten Qualifizierung eines Produkts durch den EuGH hat der EuGH nach seinem Rechtsverständnis das Europarecht auszulegen, ist aber nicht befugt, über den Sachverhalt zu entscheiden und die Einstufung von Produkten als Arzneimittel oder Lebensmittel gemeinschaftsweit selbst vorzunehmen.

EuGH, Urteil vom 9.6.2005 – u.a. C – 211/03 -, betreffend die Einfuhr streitiger Nahrungsergänzungsmittel von den Niederlanden nach Deutschland auf eine Vorlage des OVG Münster, im Folgenden als Lactobact-Urteil bezeichnet.

Zuständig für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist, sind nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Behörden.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 30; ebenso schon EuGH, Urteil vom 16.4.1991 – Upjohn – Rz 35.

Die Einfuhr eines Produkts berührt zwar sowohl den Ausfuhrmitgliedstaat als auch den Einfuhrmitgliedstaat. Bei streitiger Zulässigkeit der Marktverwertung nach Einfuhr entscheidet indessen der jeweilige Einfuhrmitgliedstaat über die Einstufung als Arzneimittel oder Lebensmittel ohne Bindung an die Auffassung des Ausfuhrmitgliedstaats.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 56; ebenso EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz 53.

Die nationalen Behörden des Einfuhrmitgliedstaates, hier der Beklagte, haben mithin die Einstufung des streitigen Produkts mit Wirkung nur für ihren Staat vorzunehmen. Die Kontrolle der richtigen Einstufung ist sodann Sache der nationalen Gerichte.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 96 und 97; ebenso EuGH, Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Delattre-Urteil, Rz 35.

Mithin hat der Senat in dem vorliegenden Berufungsverfahren über die Einstufung des streitigen Produkts in Deutschland ohne Vorlage an den EuGH selbst zu entscheiden.

Die Anfechtungsklage hat Erfolg, wenn noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts besteht.

Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 34.

Der hier streitige Untersagungsbescheid vom 23.1.2002 auf der Grundlage von § 69 I Nr. 1 AMG verbietet das Inverkehrbringen des streitigen Produkts ab Bekanntgabe (25.1.2002) auf Dauer. Dauerverwaltungsakte sind häufig – so auch hier – als sich ständig aktualisierende Verwaltungsakte anzusehen, für die sodann verändertes neues Recht ebenfalls zu beachten ist.

Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 43; Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 34.

Der Senat legt seiner Entscheidung das im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende neue Recht zugrunde und geht auf älteres Recht seit 25.1.2002 (Bescheidbekanntgabe) zusätzlich ein.

Die Klägerin begehrt die Einstufung ihres Produkts als Lebensmittel.

Nach dem ab 7.9.2005 geltenden deutschen Recht werden Lebensmittel in § 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches – LFGB – vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618) wie folgt definiert:

Lebensmittel sind Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

Mit Blick auf älteres Recht galt zwar bis zum 6.9.2005 formell noch die Lebensmitteldefinition des § 1 I LMBG in der Fassung vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296) mit folgendem Wortlaut:

Lebensmittel im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden.

Diese Definitionsvorschrift musste aber bereits seit 21.2.2002 wegen des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts unangewendet bleiben. Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002, in Kraft getreten nach Artikel 65 am 21.2.2002, ist nach Artikel 65 der Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Einer Umsetzung bedurfte es mithin nicht. Das Gemeinschaftsrecht hat gegenüber dem nationalen Recht einen Anwendungsvorrang.

Vgl. mit näherer Begründung sowohl aus dem Gemeinschaftsrecht als auch aus dem deutschen Recht mit Blick auf Artikel 23 GG Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnrn. 27 bis 29.

Für die Lebensmitteldefinition ist mithin auszugehen von der Gesamtdefinition (positive und negative Abgrenzung) nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 – im Folgenden Lebensmittelverordnung -, die insoweit nicht abgeändert worden ist durch die Änderungsverordnung (EG) Nr. 1642/2003 vom 22.7.2003. Die europäische Lebensmitteldefinition enthält in Artikel 2 I eine Positivdefinition und in Artikel 2 III eine Negativdefinition, auf die nacheinander einzugehen ist. Die Positivdefinition in Artikel 2 I Lebensmittelverordnung lautet:

Im Sinne dieser Verordnung sind „Lebensmittel“ alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.

Wie die Klägerin zu Recht hervorhebt, stellt die europäische Definition nicht mehr wie die deutsche Definition ausdrücklich auf den Ernährungs- oder Genusszweck ab. Sie ist von dem europäischen Verordnungsgeber bewusst weit gefasst. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Erwägungsgrund 11 der Lebensmittelverordnung, wonach die Definition für ein hinreichend umfassendes einheitliches Konzept der Lebensmittelsicherheit weit gefasst werden müsse.

Das Produkt der Klägerin fällt nach der Auffassung des Senats bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung unter die weite europäische Positivdefinition eines Lebensmittels. Normativ vorausgesetzt sind zunächst einmal „Stoffe“. Das Produkt der Klägerin enthält ausweislich der in Fotokopie vorgelegten Faltschachtel sowohl nach dem jetzigen Stand von 2005 als auch dem von 2002 als einzigen Inhaltsstoff 400 mg indischen Weihrauchtrockenextrakt pro Tablette. Weiterhin ist der Stoff dazu bestimmt, in verarbeitetem Zustand – als Trockenextrakt und mit den Bindemitteln einer Tablette – von Menschen aufgenommen zu werden. Dies ist der Fall, denn nach der Verzehrempfehlung soll täglich eine Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit verzehrt werden. Zugunsten der Klägerin ist damit die weite europäische Positivdefinition der Lebensmittel erfüllt.

Weiter geht der Senat noch mit Blick auf den Zeitabschnitt Januar/Februar 2002 auf den Streit der Beteiligten um die engere deutsche Positivdefinition ein, die nach § 1 I des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes – LMBG – vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296) noch zusätzlich einen Ernährungs- oder Genusszweck verlangt. Die Klägerin hat den Genusszweck einleuchtend mit drei Gutachten begründet, wonach Weihrauch seit Jahrtausenden verwendet wird, einen bitterlichen, eigenartigen Geschmack hat, sich für Gewürzzwecke eignet und ein gesundes, natürliches Gewürz darstellt.

Gutachten von Prof. Dr. Bertram vom 22.2.2001, Behördenakte Bl. 50, im Folgenden zitiert als Gutachten Bertram, dort S. 1 und S. 4; ebenso das Erstgutachten des Dipl.-Chemikers Reuss vom 10.1.2001, Behördenakte Blatt 3, im Folgenden zitiert als Gutachten Reuss, dort S. 1 zu Aromaeffekten und S. 3 zur Gewürzfunktion, sowie eingehender zu Genusszweck und ernährungsspezifischer Wirkung das weitere Gutachten des Dipl.-Chemikers Reuss vom 15.6.2003, in der Berufungsakte 3 R 7/05, im Folgenden zitiert als Zusatzgutachten Reuss.

Der Beklagte hat dem in einer relativ engen Betrachtungsweise entgegengehalten, der Weihrauch werde nach der Anwendungsvorschrift nicht als Gewürz gestreut und erfülle insofern nicht den Lebensmittelbegriff. Das überzeugt nicht, denn die deutsche Lebensmitteldefinition stellt in § 1 I LMBG auf den Verzehr selbst und nicht auf besondere Formen des Verzehrs wie etwa die Anwendung von Gewürzen nur als Streumittel ab. In der Kommentierung zur deutschen Lebensmitteldefinition ist anerkannt, dass Stoffe, die einen spezifischen Geruchs- oder Geschmackswert aufweisen wie Gewürze oder Aromastoffe, jedenfalls dem Lebensmittelbegriff unterliegen.

Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 42, zum bisherigen deutschen Recht.

Mithin liegt nachweislich ein Aromastoff vor, der auch nach der engeren deutschen Positivdefinition als Lebensmittel anzusehen ist. Für die weitere europäische Positivdefinition genügt wie bereits dargelegt bereits die Bestimmung zur Aufnahme durch Menschen. Genussmittel und Aromastoffe sind von der europäischen Definition ohne Weiteres umfasst, was sich zusätzlich noch durch die besondere Bestimmung des Artikel 2 II Lebensmittelverordnung ergibt, wonach Kaugummi – und damit ein Genussmittel - ausdrücklich zu den Lebensmitteln gerechnet wird.

Vgl. zur deutschen Lebensmitteldefinition Zipfel/Rathke § 1 LMBG Rdnr. 31, wonach Kaugummi wegen des Genusszwecks ein Lebensmittel darstellt.

Nach allem erfüllt das Produkt der Klägerin nach der Auffassung des Senats die europäische Positivdefinition eines Lebensmittels, die bereits seit 21.2.2002 gilt, und zuvor (25.1.-20.2.2002) die deutsche Positivdefinition.

Rein vorsorglich geht der Senat noch auf den Streit der Beteiligten um die derzeitige europäische Zusatzeinstufung als Nahrungsergänzungsmittel ein. Bereits die dosierte Abgabe des Produkts in Tablettenform spricht dafür, dass zusätzlich zu der allgemeinen Lebensmitteldefinition derzeit auch die Positivdefinition eines Nahrungsergänzungsmittels erfüllt ist. Nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG vom 10.6.2002 lautet die europäische Positivdefinition wie folgt:

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Nahrungsergänzungsmittel“ Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d.h. in Form von z.B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen (es folgen weitere Darreichungsformen).

Damit ist im Jahr 2002 erstmals eine gemeinschaftsrechtliche Regelung der Nahrungsergänzungsmittel erfolgt. Die deutsche Umsetzung ist durch die Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24.5.2004 mit Wirkung vom 28.5.2004 erfolgt, die in § 1 eine inhaltsgleiche Definition enthält. Der EuGH hat die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie nach dem zutreffenden Hinweis der Klägerin dahingehend gewürdigt, dass sie eine gewisse Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften für die dort definierten Nahrungsergänzungsmittel vornimmt.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 70.

Nahrungsergänzungsmittel müssen sowohl nach der europäischen Definition als nach der umgesetzten inhaltsgleichen deutschen Definition zunächst einmal Lebensmittel sein. Insofern ist nach den bisherigen Darlegungen des Senats – allein – die positive Lebensmitteldefinition erfüllt. Weiter kommt es auf den Nahrungsergänzungszweck an. Darauf weist die Faltschachtel des Produkts der Klägerin ausdrücklich hin; insofern bestehen keine Bedenken. Die Frage, ob Weihrauch ein Nährstoff oder ein sonstiger Stoff ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ein Nährstoff liegt zwar nicht vor, da das Produkt keine der nach Artikel 4 I in Verbindung mit Anhang I der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe enthält und dies in gleicher Weise für das umgesetzte Recht nach § 3 I und Anlage 1 der deutschen Nahrungsmittelergänzungsverordnung gilt. Mit sonstigen Stoffen ist nach dem Erwägungsgrund 6 der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie eine breite Palette von Stoffen gemeint, die auch Kräuterextrakte einschließt und damit erkennbar auch Aromastoffe. Ein Aromastoff liegt wie dargelegt vor.

Weiterhin müssen nach der Definition die sonstigen Stoffe eine ernährungsspezifische oder physiologische Wirkung haben. Mit dem Ausdruck physiologisch sind sprachlich die Lebensvorgänge im Organismus gemeint.

Duden, Das Fremdwörterbuch, 7. Auflage 2001, Stichwort Physiologie; ebenso im Sinne der Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Physiologie.

Demgegenüber bezieht sich die ernährungsspezifische Wirkung speziell auf die Lebensvorgänge bei der Ernährung. Dazu mag die von der Klägerin aufgestellte Behauptung der Auswirkungen etwa auf den Cholesterin-Haushalt gehören. Entscheidungserheblich ist das nicht. Ernährungsspezifische Bedeutung kann bereits ein Stoff mit bitterem Geschmack – wie hier - haben.

Vgl. Zipfel/Rathke, § 1 LMBG Rdnr. 37, dort im Zusammenhang mit der Verwendung von bitterem Chinin aus ernährungsphysiologischen Gründen.

Die Klägerin hat nunmehr mit der Vorlage des Zusatzgutachtens Reuss einleuchtend nachgewiesen, dass Weihrauchextrakt aus ernährungsspezifischer Sicht die Lebensmittel bekömmlicher macht und die Freisetzung von Verdauungssekreten vorbereitet.

Zusatzgutachten Reuss vom 15.6.2003, in der Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 97.

Mindestens liegt aber als physiologische Wirkung die Geschmackswirkung eines Aromastoffs vor. Das genügt der Richtlinie.

Weiter muss nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie und § 1 I Nr. 3 der deutschen Nahrungsergänzungsmittelverordnung ein Produkt in dosierter Form, insbesondere in Form von Tabletten vorliegen. Dies trifft auf das Produkt der Klägerin zu.

Nach dem vom Senat gefundenen Zwischenergebnis erfüllt das streitige Produkt der Klägerin entgegen der Meinung des Beklagten von Anfang an und auch jetzt die europäische und deutsche Positivdefinition eines Lebensmittels und die europäische Positivdefinition eines Nahrungsergänzungsmittels seit Erlass der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie.

Nach der Positivdefinition ist die Negativdefinition zu beachten.

Die als Verordnung unmittelbar verbindliche europäische Lebensmittelverordnung enthält neben der positiven Definition der Lebensmittel in Artikel 2 Abs. 3 auch eine Negativdefinition. Artikel 2 Abs. 3 lit. d lautete:

Nicht zu „Lebensmitteln“ gehören: Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG (21) und 92/73/EWG (22) des Rates.

Durch Artikel 128 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83 EG vom 6.11.2001 sind alle Bezugnahmen auf die bereits aufgehobenen älteren Arzneimittelrichtlinien durch die Bezugnahme auf die Humanarzneimittelrichtlinie ersetzt. Nicht zu den Lebensmitteln gehören mithin nach der Norm seit 2001 Arzneimittel im Sinne der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83 EG.

Wesentlich ist für die weitere Subsumtion, dass die Negativdefinition allein auf Gemeinschaftsrecht verweist, die Umsetzung des Arzneimittelbegriffs aus den Richtlinien in nationales Recht mithin nach der Verordnung für die Negativabgrenzung außer Betracht bleiben muss.

Die dargelegte europäische Negativabgrenzung zu einem Arzneimittel ist systemgleich für Lebensmittel im Allgemeinen und für die Untergruppe der Nahrungsergänzungsmittel. Die Klägerin meint zwar (Schriftsatz vom 6.10.2005), die Untergruppe der Nahrungsergänzungsmittel sei wegen der besonderen Harmonisierung anders zu beurteilen als die übrigen Lebensmittel und bezieht dies möglicherweise auch auf die Abgrenzung zu Arzneimitteln. Die Abgrenzung ist aber für Lebensmittel im Allgemeinen und Nahrungsergänzungsmittel systemgleich. Dies ergibt sich sowohl aus dem Normvergleich als auch der Rechtsprechung des EuGH. Die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG führt die Negativabgrenzung in Artikel 1 II wie folgt durch:

Diese Richtlinie gilt nicht für Arzneimittel, die in der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel definiert sind.

Eine „synchrone“ Abgrenzung von Nahrungsergänzungsmitteln und allgemeinen Lebensmitteln einerseits gegenüber Arzneimitteln andererseits wird vom Richtliniengeber zusätzlich dadurch erreicht, dass er in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie Nahrungsergänzungsmittel ausdrücklich als Lebensmittel mit näher gekennzeichneten Eigenschaften definiert, mithin bereits die Lebensmitteldefinition in Artikel 2 der europäischen Lebensmittelverordnung erfüllt sein muss.

Die normativ angelegte synchrone Abgrenzung wird auch deutlich in dem Lactobact-Urteil des EuGH vom 9.6.2005. In dem Vorabentscheidungsverfahren ging es in dem Ausgangsverfahren des OVG Münster um Produkte, die von den Niederlanden nach Deutschland eingeführt und dort als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht werden sollten (Lactobact-Urteil Rz. 20). Der EuGH hat in diesem Urteil (Rz. 41 und 42) die beiden Abgrenzungsregelungen in Artikel 2 Abs. 3 Buchstabe d der Lebensmittelverordnung und Artikel 1 Abs. 2 der Nahrungsergänzungsrichtlinie synchron behandelt und als inhaltsgleich angesehen. Für die weitere gemeinschaftsrechtliche Prüfung kommt es ohne Differenzierung zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln mithin nur darauf an, ob das Produkt der Klägerin gleichzeitig ein Arzneimittel nach dem europäischen Arzneimittelbegriff ist.

Der Senat prüft nunmehr das Vorliegen eines Arzneimittels. Maßgebend ist dafür das Gemeinschaftsrecht.

Normativ war der europäische Arzneimittelbegriff von vornherein (seit 1965) doppelt angelegt und ist es auch jetzt. Arzneimittel sind sowohl Präsentationsarzneimittel als auch Funktionsarzneimittel.

Vgl. für die ursprüngliche Rechtslage Artikel 1 Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965; sodann Artikel 1 Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001; nunmehr in der geänderten Fassung von Artikel 1 der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 30.10.2005.

Die beiden Arzneimitteldefinitionen sollen sich nach der Rechtsprechung des EuGH ergänzen.

Urteil des EuGH Upjohn vom 16.4.1991 – C 112/89 -, Rz. 15 bis 18.

Mit der Definition des Präsentationsarzneimittels, das lediglich als Arzneimittel bezeichnet ist, sollen nicht nur Arzneimittel erfasst werden, die tatsächlich therapeutische oder medizinische Wirkung haben, sondern auch die Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind. Die zweite Definition der Funktionsarzneimittel betrifft Erzeugnisse, die zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt sind und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben können. Durch die zweite Definition sollen auch Stoffe erfasst werden, die Heilungswirkung haben, aber nicht als Arzneimittel bezeichnet werden. Auf die formelle Zulassung kommt es nach beiden Definitionen nicht an.

Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Produkt der Klägerin kein Präsentationsarzneimittel ist. Bereits auf der im Jahr 2002 verwendeten Faltschachtel (Fotokopie VG-Akte Bl. 93) wird das Mittel als Nahrungsergänzung bezeichnet mit einer Verzehrempfehlung. Auf der neuen 2005 verwendeten Faltschachtel (Fotokopie Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 51) wird das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet und sie enthält den Hinweis, es sei kein vollständiges Lebensmittel und daher nicht als einzige Nahrungsquelle geeignet. Wesentlich für die Subsumtion ist noch, dass die Faltschachtel keinerlei Hinweis auf pharmazeutische Forschung enthält oder auf von Ärzten entwickelte Methoden oder Zeugnisse bestimmter Ärzte zugunsten der Eigenschaften des Produkts.

Zu diesen Kriterien eines Präsentationsarzneimittels vgl. das Delattre-Urteil des EuGH vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 41.

Auch der Beklagte meint, die Klägerin habe eine Präsentation als Arzneimittel vermieden. Mithin ist der Ausschluss eines Präsentationsarzneimittels übereinstimmend mit der Meinung der Beteiligten unproblematisch.

Schwieriger ist die Streitfrage zwischen den Beteiligten zu entscheiden, ob inhaltlich ein Funktionsarzneimittel vorliegt. Die Klägerin verneint dies für die maßgebende Tagesdosis von 400 mg Weihrauch, der Beklagte bejaht die Eigenschaft als Funktionsarzneimittel. Beide haben dafür wissenschaftliche Unterlagen und Gutachten vorgelegt.

Vorweg ist klarzustellen, dass der Inhaltsstoff Weihrauch unstreitig weder in der EG noch in einem Staat der EG über eine Marktgenehmigung als Arzneimittel verfügt und damit auch nicht im Ausfuhrland Österreich (vgl. insbesondere Schriftsatz der Klägerin vom 6.10.2005, S. 4/5, Gerichtsakte 3 R 7/05, Bl. 49/50). Die fehlende Zulassung steht aber der Einstufung als Funktionsarzneimittel von vornherein nicht entgegen, denn nach der Rechtsprechung des EuGH müssen Funktionsarzneimittel nicht als Arzneimittel bezeichnet sein.

EuGH im Upjohn-Urteil vom 16.4.1991, Rz. 18.

Da sie in einer solchen Aufmachung nicht zugelassen werden könnten, ist die Zulassung schon deshalb kein Definitionselement des Funktionsarzneimittels.

Zum begrifflichen Verständnis des europäischen Funktionsarzneimittels geht der Senat auf die Normentwicklung ein.

Die ursprüngliche Definition in Artikel 1 Nr. 2 Abs. 2 der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965 lautete:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden.

Innerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des streitigen Untersagungsbescheides vom 23.1.2002 galt zunächst die Arzneimitteldefinition nach Artikel 1 Nr. 2 Abs. 2 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001 in der ursprünglichen Fassung mit folgendem Wortlaut:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden, gelten ebenfalls als Arzneimittel.

Dem entspricht im Übrigen die ab 2002 geltende Umsetzung in § 2 I Nr. 5 AMG in der Fassung vom 20.6.2002 (BGBl. I. S. 2076) mit folgendem Wortlaut:

Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.

Nunmehr wird das europäische Funktionsarzneimittel nach Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b der Humanarzneimittelrichtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 wie folgt definiert:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

Die letztgenannte aktuelle Definition des Funktionsarzneimittels erschließt sich wegen der zahlreichen medizinischen Fachausdrücke auch bei Hinzuziehung von Fachlexika nicht ohne weiteres, wird aber durch die dargelegte Normgeschichte und die insbesondere noch darzulegende Rechtsprechung des EuGH insgesamt verständlicher. Die Definition soll zunächst wissenschaftsbezogen und alsdann an Hand der Rechtsprechung des EuGH verständlich gemacht werden.

Nach der aktuellen Definition muss ein Funktionsarzneimittel physiologische Funktionen wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen. Das Wort Physiologie bezeichnet die Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen.

Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Stichwort Physiologie; Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Physiologie.

Bei der Physiologie geht es wissenschaftsbezogen insbesondere um die physikalischen Funktionen des Organismus.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, Stichwort Physiologie.

Die bereits zitierte ursprüngliche Definition in der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG hatte dafür den allgemein verständlichen Ausdruck Körperfunktionen verwendet, der die Bedeutung auch in der aktuellen Fassung zutreffend wiedergibt. Auch der EuGH verwendet in einem neueren Urteil von 2004 noch den Ausdruck Körperfunktionen mit Blick auf Funktionsarzneimittel.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58.

Nach der neuesten Definitionsfassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG wird die Art der Beeinflussung noch präzisiert. Es muss sich um eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung handeln. Bei der Immunologie geht es um die Erkennungs- und Abwehrmechanismen des Organismus gegenüber körperfremden Substanzen und metabolisch bedeutet den Stoffwechsel betreffend.

Beide Definitionen aus Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwörter Immunologie und metabolisch.

Fallbezogen von Bedeutung ist nur die pharmakologische Wirkung eines Stoffes. Aus wissenschaftlicher Sicht ist unter Pharmakologie die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und Organismus zu verstehen einschließlich dem Untergebiet Toxikologie.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakologie.

Die Pharmakologie betrifft ambivalent sowohl die Heilwirkung als auch die Giftwirkung eines Stoffes. Auch die Klägerin bezieht in ihrem Schriftsatz vom 6.12.2005 die toxische Dosierung in die pharmakologische Wirkung ein. Aus wissenschaftlicher Sicht bedeutet ein Pharmakon einen körperfremden oder körpereigenen Stoff, der nach Aufnahme im Körper oder an dessen Oberfläche erwünschte oder schädliche Wirkungen hervorruft.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakon.

Aus der Sicht der Pharmakologie wirken viele Pharmaka dosisabhängig entweder als Arzneimittel oder als Gift.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakon.

Quantitativ wird das in der Dosis-Wirkungs-Kurve erfasst.

Hunnius, Stichwort Dosis-Wirkungs-Kurve.

Bei diesem wissenschaftlichen Verständnis umfasst das Funktionsarzneimittel mit seiner pharmakologischen Wirkung nicht nur den Bereich einer positiven, therapeutischen Beeinflussung der Körperfunktionen, sondern auch den Bereich einer negativen, schädlichen Beeinflussung der Körperfunktionen. Kurz gesagt umfasst ein Funktionsarzneimittel positive und negative Auswirkungen auf die Gesundheit.

Das dargelegte wissenschaftsbezogene Verständnis der Definition entspricht auch dem praktischen Verständnis der europäischen Definition nach der Rechtsprechung des EuGH.

Der EuGH hat in einer neueren Entscheidung vom 29.4.2004 – C – 387/99 – betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58, eine allgemein verständliche Definition des europäischen Funktionsarzneimittels gegeben:

Für die Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion müssen sich die Behörden daher vergewissern, dass es zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt ist und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben kann.

Aus demselben Urteil des EuGH vom 29.4.2004 ergibt sich auch, dass er die Auswirkungen auf die Gesundheit ambivalent, als sowohl positiv als auch negativ versteht, da er im Rz. 56 die positive Wirkung der Vitamine zu therapeutischen Zwecken und in Rz. 60 die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Gesundheit einschließlich etwaiger Schädlichkeitsgrade anspricht.

Die ambivalenten heilenden oder schädigenden Gesundheitswirkungen machen wie dargelegt die Besonderheit eines Pharmakons aus. Auf der Normebene hat erst die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG die pharmakologische Wirkung ausdrücklich in die Definition des Funktionsarzneimittels aufgenommen. Damit hat der Richtliniengeber aber kein Neuland betreten, sondern die bisherige Rechtsprechung des EuGH übernommen, der in ständiger Rechtsprechung auf die pharmakologischen Eigenschaften des abzugrenzenden Produkts abstellt.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 – betreffend Vitaminpräparate Rz. 62; Upjohn Urteil vom 16.4.1991 – C – 112/89 -, Rz. 23, 24; Delattre-Urteile vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 26.

Die pharmakologischen Eigenschaften des Produkts werden damit als wesentlicher Gesichtspunkt für die Abgrenzung betrachtet. In der Rechtsprechung des EuGH drücken die pharmakologischen Eigenschaften zusammenfassend das aus, was mit der Beeinflussung der Körperfunktionen und somit Auswirkungen auf die Gesundheit konkreter umrissen ist. Deutlich wird der Zusammenhang insbesondere in dem Urteil Upjohn vom 16.4.1991 – C – 112/89 -, Rz. 17-24, in dem zunächst die Beeinflussung der Körperfunktionen mit Auswirkungen auf die Gesundheit dargelegt wird (Rz. 17), im Folgenden die Beeinflussung der Körperfunktionen näher erläutert wird (Rz. 19-22) und im unmittelbaren Anschluss daran (Rz. 23 und 24) zusammenfassend entschieden wird, dass das nationale Gericht auf die pharmakologischen Eigenschaften des betreffenden Erzeugnisses abstellen muss.

Übereinstimmend mit der bisherigen Rechtsprechung definiert der EuGH in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 52, den Rechtsprechungsbegriff der pharmakologischen Eigenschaften wirkungsbezogen wie folgt:

Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage die mitgliedstaatlichen Behörden ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten dieses Erzeugnisses zu beurteilen haben, ob es im Sinne des Artikels 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden.

Die dargelegte Definition der pharmakologischen Eigenschaften klingt etwas kompliziert, fasst aber nur die bisherige Rechtsprechung zusammen, wonach der Begriff der pharmakologischen Eigenschaften konkret die Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen (Körperfunktionen) bedeutet. Die pharmakologischen Eigenschaften entsprechen also den pharmakologischen Wirkungen im Sinne des neuen Rechts.

Nach dem dargelegten Gesamtzusammenhang ist der bisherige Rechtsprechungsbegriff der pharmakologischen Eigenschaften von dem Richtliniengeber in der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG in Form einer pharmakologischen Wirkung in den Normtext aufgenommen worden. Die im Jahr 2004 geänderte Definition des Funktionsarzneimittels führt mithin nicht zu einer substanziellen Rechtsänderung.

In der Substanz der europäischen Arzneimitteldefinition geht es nach wie vor darum, ob ein Produkt zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt ist und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben kann.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58.

Klar zu unterscheiden von der Auslegung der europäischen Normen, die der EuGH vorgenommen hat, ist die Rechtsanwendung. Im Lactobactfall des EuGH zielte die Vorlagefrage 1 a des OVG Münster, vgl. in der Wiedergabe des EuGH Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 25, unmittelbar auf die Feststellung, ob das Produkt Lactobact Lebensmittel oder Arzneimittel ist mit gegebenenfalls Verbindlichkeit für alle Mitgliedstaaten. Der EuGH hat in dem Lactobact-Urteil (Rz. 96) mit Blick auf die klare Aufgabentrennung zwischen nationalen Gerichten und Gerichtshof klargestellt, dass er im Vorlageverfahren nicht befugt ist über den Sachverhalt zu entscheiden und dass es vielmehr Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Einstufung selbst vorzunehmen (Rz. 97). Ungeachtet dessen hat der EuGH in dem Lactobact-Urteil sowie schon zuvor Rechtsanwendungshinweise gegeben, die sich im Sinne einer Vollständigkeitsanforderung zusammenfassen lassen. Bei der Beurteilung eines Erzeugnisses müssen die Behörden (Lactobact-Urteil Rz. 51), alle seine Merkmale, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, berücksichtigen.

Zur Klarstellung weist der Senat aber darauf hin, dass die Berücksichtigung sämtlicher Merkmale nicht deren Gleichrangigkeit bedeutet. Während die Wirkungen des Produkts auf die Körperfunktionen und damit die Gesundheitsauswirkungen als pharmakologische Eigenschaften schon definitionsgemäß wesentliche Bedeutung haben, hat der EuGH im Lauf seiner Rechtsprechung die Bedeutung der anderen Merkmale zu Hilfsmerkmalen herabgestuft. So hat er entschieden, dass etwa die äußere Form des Produkts kein allein ausschlaggebendes Indiz ist und die Modalitäten des Gebrauchs ein nicht an sich ausschlaggebender Umstand sind.

Vgl. zum Ersteren Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 38 und zum Letzteren Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 31.

Weiterhin hat eine unterschiedliche Verbreitung und Verbraucherbekanntheit des Produkts als Arzneimittel oder Lebensmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten keine unmittelbar ausschlaggebende Wirkung, da der EuGH die unterschiedliche Einstufung von Erzeugnissen als Arzneimittel oder Lebensmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten als rechtlich zulässig betrachtet.

EuGH im Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 56.

Nach der BGH-Rechtsprechung haben für die Produkteinstufung nach dem gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff Werbeangaben in Zeitschriften verglichen mit den pharmakologischen Wirkungen keine ausschlaggebende Bedeutung.

BGH, Urteil vom 11.7.2002 – I ZR 273/99 -, Juris-Ausdruck Rz. 23.

Der BGH gewichtet die pharmakologische Wirkung der Präparate deutlich stärker als die Verbraucherkenntnisse aus den Medien, was auch dem Sinn der EuGH-Rechtsprechung entspricht. Der EuGH schließt nicht aus, dass ein Produkt im Verkehr im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, aber dennoch ein Arzneimittel im Sinne des europäischen Rechts ist.

EuGH, Urteil Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 21.

Die allgemeine Verkehrsauffassung ist also nicht ausschlaggebend.

Damit sind die Grundlagen der Einstufung eines Produkts als europäisches Funktionsarzneimittel geklärt.

Auf der dargelegten Grundlage bedarf es einer konkreten Prüfung, ob das Produkt der Klägerin ein Funktionsarzneimittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts ist.

Der Senat nimmt diese Prüfung von Amts wegen vor, worauf die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind. Dabei sind die von den Beteiligten vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen und Gutachten gleichrangig heranzuziehen.

Nach der vom EuGH geforderten Berücksichtigung aller Merkmale des Produkts ist zunächst die Zusammensetzung zu betrachten. Ausweislich der fotokopierten Faltschachteln von 2002 und 2005 (VG-Akte Bl. 93/94 und OVG-Akte 3 R 7/05 Bl. 51) besteht das Mittel abgesehen von hier nicht interessierenden Tablettenhilfsstoffen nur aus einem Inhaltsstoff, nämlich indischem Weihrauchtrockenextrakt von 400 mg pro Tablette; die Verzehrempfehlung lautet:

Täglich 1 Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit verzehren.

Die neue Faltschachtel von 2005 enthält zusätzlich den Hinweis, dass die täglich empfohlene Verzehrempfehlung nicht überschritten werden soll. Aus der Verzehrempfehlung ergibt sich zugleich, dass der Inhaltsstoff im menschlichen Körper verwendet werden soll.

Sodann sind im Sinne des EuGH Prüfungsschwerpunkt die pharmakologischen Eigenschaften des Inhaltsstoffs Weihrauch. Es kommt darauf an, ob Weihrauchextrakt physiologische Funktionen beeinflusst, und zwar durch eine pharmakologische Wirkung. Wie bereits dargelegt bedeutet die Prüfung einfacher ausgedrückt, ob Weihrauchextrakt Körperfunktionen beeinflusst mit positiven oder negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.

Nach den dem Senat vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten zum Wirkstoff Weihrauch handelte es sich ursprünglich um ein traditionelles Mittel in Indien.

Vgl. umfassend die auf Anregung der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) durchgeführte Veröffentlichung von Privatdozent Safayhi und Prof. Dr. Ammon, Pharmakologische Aspekte von Weihrauch und Boswelliasäuren, im Folgenden zitiert als Safayhi/Ammon, in: Sonderdruck der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 39, 142. Jahrgang 1997, S. 1 ff., dort S. 1 und S. 2; weiter Ammon Kurzbericht, Salai-Guggal – (Indischer Weihrauch), Gummiharz aus Boswellia serrata, in: Deutsches Ärzteblatt 95, Januar 1998, S. A-30 ff, im folgenden zitiert als Kurzbericht Ammon, dort S. A-30; zur traditionellen therapeutischen Verwendung in Asien und zur Herstellung des Therapeutikums in Indien; vgl. das von der Klägerin vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Bertram vom 22.2.2001 zur pharmakologischen Wirkung von Weihrauch, im Folgenden zitiert als Gutachten Bertram, dort S. 1 und S. 2.

Der Klägerin ist zuzustimmen, dass die Zuordnung eines Produkts zur traditionellen Ayurveda-Medizin ganzheitlich auch im Sinne einer gesunden Lebensweise mit geeigneten Lebensmitteln zu verstehen sein kann und für sich genommen nicht eine pharmakologische Wirkung nach modernen Wissenschaftsmaßstäben indiziert, vgl. zum ganzheitlichen Konzept der Ayurveda (Wissen vom Leben) Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Stichwort Ayurveda.

Die pharmakologischen Wirkungen der Hauptinhaltsstoffe von Weihrauch wurden indes in jüngster Zeit wissenschaftlich erforscht, und zwar in Untersuchungen ab 1986.

Gutachten Bertram, S. 1, und Jahreszahl bei Safayhi/Ammon, S. 2.

Das Hauptergebnis der bisherigen Forschung liegt nach der Angabe von Fachlexika sowie nach den von beiden Beteiligten vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen und Gutachten darin, dass Weihrauchextrakt mit seinem Gehalt an Boswelliasäuren Entzündungsprozesse beeinflusst.

Safayhi/Ammon, mit ausführlicher Darlegung der Entzündungsmodelle, S. 2 – S. 5; Kurzbericht Ammon, S. A-30; Gutachten Bertram, S. 2, wobei die Bezeichnung antiphlogistische Wirkungen entzündungshemmende Wirkungen bedeutet; Roche Lexikon Medizin, 5. Aufl. 2003, Stichwort Boswellia serrata, mit Hinweis auf die nachgewiesene Wirkung bei den Entzündungskrankheiten Colitis ulcerosa und Enteritis regionalis (Crohn-Krankheit) sowie unterstützend bei Polyarthritis; zurückhaltender im Sinne zugeschriebener Wirkungen bei Entzündungskrankheiten Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Aufl. 2004, Stichwort Boswellia serata unter Weiterverweisung auf das Stichwort Boswellia bhaw-dajiana; zurückhaltend ebenfalls das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Reuss, S. 1, wonach Weihrauch nach vorliegenden wissenschaftlichen Publikationen eine arzneiliche Wirkung haben soll und es (S. 2) für entzündliche Erkrankungen einen therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich gibt, positiv Bertsche/Schulz, Kurzbewertung, 2002, Berufungsakte 3 R 7/05 Bl. 71 R.; ebenso Gupta u.a., 2001, Zusammenfassung einer Forschungsarbeit zur Colitis, Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 75.

Die bei chronischen Entzündungen ablaufenden soweit hier einschlägigen Körperprozesse sind bei Safayhi/Ammon S. 2 und 3, als Kausalketten im Sinne eines Entzündungsmodells zusammengefasst. Danach ist die 5 – Lipoxygenase das Schlüsselenzym der Leukotrienbiosynthese. Die Produkte der 5 – Lipoxygenase, die Leukotriene, sind hochwirksame Mediatoren (Förderer) chronischer Entzündungen. Pharmazeutisch gesucht zur Entzündungsbekämpfung werden mithin Inhibitoren (Hemmstoffe), die bereits das Schlüsselenzym, die 5 – Lipoxygenase, hemmen. Solche Hemmstoffe sind zwar in der Forschung bekannt, haben aber regelmäßig reduzierende oder oxidierende Eigenschaften und wirken sich deshalb toxisch aus. Pharmazeutisch gesucht werden deshalb Inhibitoren der chronischen Entzündungen mit besserer Verträglichkeit. Die Boswelliasäuren – chemisch Triterpene - als Inhaltsstoffe des Weihrauchs erweisen sich nach den Forschungsergebnissen als nicht reduzierende oder oxidierende und insofern einmalige Hemmstoffe der Leukotriensynthese und damit chronischer Entzündungen (Safayhi/Ammon S. 4 mit einem Diagramm). Der bei Safayhi/Ammon eingehend dargelegte Wirkungsmechanismus der Leukotrienhemmung wird in anderen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und im Gutachten Bertram der Klägerin kurz dargestellt oder erwähnt.

Kurzbericht Ammon, a.a.O., S. A-31; Kurzbewertung Bertsche/Schulz, S. 1; das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Bertram, S. 2/3; zurückhaltend Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, Stichwort Boswellia serrata unter Weiterverweisung auf Boswellya bhaw-dajiana, positiv Bertsche/Schulz, S. 1; Gupta u.a., Zusammenfassung S. 1.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Boswelliasäuren, allerdings in wesentlich höheren Konzentrationen, auch zur Behandlung von Hirnödemen bei Tumoren eingesetzt werden.

Safayhi/Ammon, S. 7, dort zu einer täglichen Dosis von 3600 mg, Bertsche/Schulz, S. 2: mindestens 3600 mg.

Begrenzt auf die Behandlung von Ödemen bei Gehirntumoren und damit auf diesen hoch dosierten Anwendungsbereich ist der vorgelegte Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 (Berufungsakte Bl. 69 R) ergangen, der Weihrauchextrakt als potenzielles Arzneimittel für diese seltene Krankheit ausweist; auf die Rechtswirkung dieses Bescheides ist noch einzugehen.

Vorliegend ist wesentlich, dass Weihrauchextrakt abgesehen von diesem seltenen Anwendungsbereich ganz allgemein Entzündungen beeinflusst.

Der dargelegte Wirkungsmechanismus bei Entzündungen bedeutet im Sinne der Definition des EuGH, dass die Körperfunktionen beeinflusst werden, und zwar mit Auswirkungen auf die Gesundheit. Chronische Entzündungen werden mit positiver Gesundheitswirkung gehemmt. Bei dem Eingriff in die bei Entzündungen ablaufenden Körperprozesse handelt es sich um eine pharmakologische Wirkung hier im Sinne einer positiven therapeutischen Einwirkung. Eine pharmakologische Wirkung von Weihrauch wird in der Veröffentlichung von Safayhi/Ammon (S. 8) ausdrücklich bejaht. Auch das von der Klägerin selbst vorgelegte Gutachten Bertram gibt an, dass die pharmakologischen Wirkungen der Hauptinhaltsstoffe von Weihrauch erst in jüngster Zeit systematisch beforscht wurden (S. 1), weist auf antientzündliche Wirkungen hin und gibt dazu den wahrscheinlichen Wirkmechanismus an (S. 2).

Damit ist aber nach den vorliegenden Forschungsergebnissen die Wirkung von Weihrauchextrakt auf Entzündungsprozesse noch nicht erschöpft. Weihrauchextrakt kann auch den umgekehrten Effekt haben, dass er – nunmehr in niedriger Konzentration – Entzündungsprozesse fördert. Die pharmakologische Wirkung soll vom Sinn her - dem Gesundheitsschutz des Verbrauchers - die ambivalenten Gesundheitswirkungen insgesamt erfassen. Insofern greift die Argumentation der Klägerin zu kurz, die negative Gesundheitsauswirkungen nur bei Überdosierung, nicht bei Unterdosierung in den Blick nimmt. Ergeben wie hier beim Weihrauchextrakt Forschungsergebnisse eine negative Gesundheitsauswirkung ausnahmsweise bei Unterdosierung, muss sie zum Gesundheitsschutz auch rechtlich als pharmakologische Wirkung beachtet werden.

Das „Umkippen“ der Wirkung erklärt sich aus der chemischen Vielfalt von Weihrauchextrakt. Es gibt keinen einheitlichen Wirkstoff Boswelliasäure, sondern unterschiedliche Boswelliasäuren mit unterschiedlichen pharmazeutischen Wirkungen.

Bertsche/Schulz, S. 1; konkreter zu den unterschiedlichen Boswelliasäuren und ihren Wirkungen vgl. bei Safayhi/Ammon, S. 4, die Tabelle 1; zum Gehalt von indischem Weihrauch an pentazyklischen (fünfringigen) Triterpensäuren und tetrazyklischen (vierringigen) Triterpensäuren Gutachten Bertram, S. 2.

Wesentlich ist das Zusammenwirken der Inhaltsstoffe, die auch antagonistisch (im Sinne der Gegenwirkung) wirken können.

Safayhi/Ammon S. 5 und S. 8, Bertsche/Schulz, S. 1.

Eine hinreichend starke Gegenwirkung bedeutet konkret, dass Weihrauchextrakt dann die Leukotriensynthese und damit den chronischen Entzündungsprozess verstärkt. Gerade für einen solchen Umkehreffekt liegen Forschungsergebnisse vor.

Schlusswort Ammon als Ergänzung des Kurzberichts in: Deutsches Ärzteblatt 95, Oktober 1998, S. A-2482, im Folgenden zitiert als Schlusswort Ammon; ebenso als Forschungsergebnis berücksichtigt in dem von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten Bertram vom 22.2.2001, S. 3; Bertsche/Schulz, S. 1.

Verantwortlich gemacht für den Umkehreffekt werden die Tirucallsäuren.

So als positive Feststellung Bertsche/Schulz, S. 1; als Möglichkeit Gutachten Bertram, S. 3.

Konsequenterweise sehen Bertsche/Schulz die im Weihrauchextrakt enthaltenen Tirucallsäuren als pharmakologisch wirksame Substanzen an.

Bertsche/Schulz, S. 1.

Die Tirucallsäuren wirken bereits bei niedriger Dosierung des Stoffgemischs, die Boswelliasäuren erst bei höherer Dosierung.

In dem zitierten Schlusswort von Ammon (S. A-2482) wird nochmals hervorgehoben, dass Weihrauchextrakte nicht eine einzelne Wirksubstanz enthalten, sondern ein Gemisch von Wirksubstanzen mit nicht einheitlichem Wirkungsmechanismus. Sodann ist ausgeführt, dass die richtige Dosierung eine wesentliche Rolle spielt. Das räumt auch die Klägerin ein. Danach heißt es wörtlich:

Bei niedriger Dosierung eines Extraktes kann es sogar zu einer Stimulierung der Leukotriensynthese kommen.

Wie bereits dargelegt bedeutet die Stimulierung der Leukotriensynthese auch eine Verstärkung der chronischen Entzündungsprozesse und damit eine pharmakologisch negative Wirkung. Das von der Klägerin selbst vorgelegte Gutachten Bertram, S. 3, bestätigt dieses Forschungsergebnis, dass in niedriger Dosierung die Bildung von 5 – Lipoxygenaseprodukten erhöht sein kann und fügt hinzu, diesem Befund müsse weiter nachgegangen werden. Die im Gutachten Bertram genannten 5 – Lipoxygenaseprodukte sind gerade die Leukotriene und fördern als Mediatoren chronische Entzündungen.

Ausführlich zu der gesamten Kausalkette Safayhi/Ammon, S. 3, und kurz zusammengefasst Gutachten Bertram, S. 2.

Das einleuchtend mit der antagonistischen Wirkung und damit mit der Wirkung einzelner Wirkstoffe des Stoffgemischs Weihrauch – Tirucallsäuren - erklärte Forschungsergebnis muss bei den pharmakologischen Wirkungen von Weihrauch beachtet werden.

Die vom Senat aus Verständnisgründen zunächst nur qualitativ dargelegte pharmakologische Wirkung bedarf mit Blick darauf, dass das Produkt der Klägerin eine Tagesdosis von 400 mg Weihrauch in Form einer Tablette empfiehlt, nun auch einer quantitativen Darlegung. Von dieser empfohlenen Menge – die nach der neuen Packungsangabe auch nicht überschritten werden soll – ist vernünftigerweise auszugehen. Die von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in seiner Stellungnahme vom 29.9.2005 erwähnte Möglichkeit einer Mehrfacheinnahme würde im Grunde jede Dosierungsvorschrift bei anerkannten Arzneimitteln entwerten und überzeugt schon deshalb nicht. Die Kritik der Klägerin an dieser Stellungnahme trifft zu.

Nach den vorliegenden Forschungsergebnissen ist das quantitative Spektrum pharmakologischer Wirkungen (positiv und negativ) des Weihrauchs relativ weit. Nach übereinstimmenden Feststellungen von Safayhi/Ammon, S. 7, und dem Bertramgutachten, S. 3, werden insbesondere Tumorpatienten mit der hohen Tagesdosis von 3600 mg Weihrauch-Trockenextrakt in wissenschaftlichen Studien behandelt. In diesem hoch dosierten Bereich ist auch der positive Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 zur Ausweisung als Forschungsarzneimittel ergangen. Die Grenze guter Verträglichkeit von Weihrauchextrakt liegt in der Regel bei 1200 mg pro Tag, während hohe Dosen von 3600 mg pro Tag zu Nebenwirkungen führen können.

Safayhi/Ammon, S. 7, zu relativ seltenen Nebenwirkungen Bertsche/Schulz, S. 2.

Für die im vorliegenden Rechtsstreit erhebliche Hauptwirkung von Weihrauch, die antientzündliche Wirkung, wird nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Veröffentlichungen und Gutachten eine Tagesdosis von ungefähr 800 bis 1600 mg verabreicht.

So Gutachten Reuss vom 10.1.2001, S. 2, mit Blick auf die publizierten Studien; ähnlich Safayhi/Ammon mit der Tagesdosis von 800 bis 2000 mg in einer Pilotstudie (S. 5) und der Verabreichung von 1050 mg bei Colitis ulcerosa (S. 7); das Gutachten Bertram kommt allerdings unter Einschluss der sehr hohen Dosierungen bei Tumorpatienten (S. 3) zu einer höheren pharmakologischen Dosis zwischen insgesamt 900 und 3600 mg am Tag (S. 4); Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 29.9.2005: ab 900 mg; Bertsche/Schulz, S. 1 und 2: 900 mg bei Asthma, mindestens 3600 mg bei Ödemen.

Eine positive Wirkung auf Entzündungen ist nach dem Forschungsstand, wie er dem Senat aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich ist, mithin ungefähr bei einer Tagesdosis von 800 bis 1600 mg gegeben.

Von der regelmäßigen pharmakologischen Tagesdosis von 800 bis 1600 mg ist der tiefer liegende untere Dosisbereich bei Weihrauch zu unterscheiden. Den unteren Dosisbereich siedelt das Gutachten Bertram bei einer Tagesdosis unter 500 mg an, wie sie hier vorliegt.

Gutachten Bertram vom 22.2.2001, S. 1 (unterer Dosisbereich) im Zusammenhang mit S. 4 (Tagesdosis unter 500 mg).

Da die Untergrenze des positiven therapeutischen Einsatzes von Weihrauchextrakt nach den vorliegenden Veröffentlichungen und Gutachten wie dargelegt bei 800 bis 900 mg Tagesdosis liegt, ist die Hälfte der Untergrenze (ca. 450 mg) sicherlich als niedrige Dosierung anzusehen.

Gerade bei einer niedrigen Dosierung von Weihrauchextrakt kommen nach den dargelegten Forschungsergebnissen aber die antagonistischen Wirkungen des Stoffgemischs aus Boswelliasäuren und Tirucallsäuren zur Geltung. Das Forschungsergebnis der Stimulierung der Leukotriensynthese und damit der Verstärkung von Entzündungsprozessen betrifft den Fall der niedrigen Dosierung des Weihrauchextraktes.

Übereinstimmend Schlusswort Ammon, S. A-2482, Gutachten Bertram, S. 3, und Bertsche/Schulz, S. 1 und 2.

Die dem Gericht vorliegenden Forschungsunterlagen und Gutachten enthalten keine Gegenfeststellung, die dieser antagonistischen Wirkung konkret widerspricht. Konsequenterweise kommen Bertsche/Schulz (S. 1) zu dem Ergebnis, dass die im Weihrauchextrakt enthaltenen Tirucallsäuren als Verursacher des Umkehreffekts in niedriger Konzentration des Weihrauchextrakts pharmakologisch wirksame Substanzen sind.

Diese Konsequenz ziehen die von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten zwar nicht. Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten Bertram und Reuss kommen nur deshalb zum Ausschluss einer pharmakologischen Wirkung in niedriger Dosis, weil sie die maßgebende pharmakologische Wirkung auf die therapeutische Wirkung einengen.

Das Gutachten Reuss (S. 2) nimmt von vornherein nur den therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich in den Blick und schließt die therapeutisch verstandene pharmakologische Wirkung bei einer niedrigen Dosis von 30 % beziehungsweise 50 % der üblichen Dosis aus. Nichts anderes gilt für das Gutachten Bertram (S. 4). Die Bewertung der Dosisbereiche wird mit Blick auf den ausdrücklich angeführten therapeutischen Erfolg vorgenommen, und insoweit einer Tagesdosis unter 500 mg keine pharmakologische Wirkung mehr beigemessen. Nur bei dieser aus dem Gutachtentext ersichtlichen Auslegung bleibt das Gutachten widerspruchsfrei, denn der Gutachter Bertram hat bei der Betrachtung des Wirkmechanismus durchaus gesehen (S. 3), dass bei niedrigerer Dosierung die Bildung von Entzündungsverstärkern erhöht sein kann.

Nach allem ist ersichtlich, dass beide von der Klägerin vorgelegten Gutachten Bertram und Reuss nur den therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich bei niedriger Dosierung ausschließen. Eine positive Wirkung fehlt nach den Gutachten in diesem Bereich und eine negative Wirkung wird ausgeblendet.

Entscheidend sind aber die Forschungsergebnisse über einen Umkehreffekt bei niedriger Dosis. Die Hauptwirkung auf Entzündungsprozesse kehrt sich um. Diese Forschungsergebnisse werden in den vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten an keiner Stelle konkret angegriffen. Die Forschungsergebnisse sind auch mit Blick auf den dargelegten antagonistischen Effekt des Stoffgemischs für das Gericht einleuchtend nachvollziehbar und überzeugend. Die Tirucallsäuren wirken bereits bei niedriger Dosierung des Stoffgemischs, die Boswelliasäuren erst bei höherer Dosierung. Mithin besteht zwischen den Gutachten und den wissenschaftlichen Veröffentlichungen insgesamt kein konkreter fachlicher Widerspruch, der die Einholung eines Obergutachtens durch den Senat bei der von Amts wegen durchgeführten Prüfung aufdrängen würde.

Nach der dargelegten Würdigung hat das Wirkstoffgemisch Weihrauch bei einer Gesamtbetrachtung der positiven und negativen pharmakologischen Wirkungen ein weites Spektrum der pharmakologisch wirksamen Tagesdosis.

Eine hohe Tagesdosis von etwa 3600 mg entspricht der Ödembehandlung von Tumorpatienten und ist Gegenstand einer europäischen Ausweisung als Forschungsarzneimittel.

Die positive pharmakologische Wirkung im Sinne einer Therapie von Entzündungen besteht in einem Dosisbereich etwa zwischen 800 und 1600 mg Tagesdosis.

Bei einer niedrigen Tagesdosis von 400 bis 500 mg gibt es unwidersprochene Forschungsergebnisse im Sinne einer Verstärkung von Entzündungen insbesondere durch Tirucallsäuren und damit einer negativen pharmakologischen Wirkung. Eine Gesundheitsgefahr ist hier dem Grunde nach zu bejahen. Mit Blick auch auf die antagonistischen Wirkungen kommt auch die wissenschaftliche Veröffentlichung Safayhi/Ammon (S. 8) zu dem Ergebnis, von einer freizügigen Abgabe von Weihrauch sei abzuraten. Bertsche/Schulz warnen mit Blick auf den Umkehreffekt vor nicht ausreichend hoher Dosierung und befürworten sogar die Hochdosierung von 3600 mg.

Bertsche/Schulz, S. 2.

Daran gemessen fällt die tägliche Einnahme von 400 mg Weihrauchextrakt erkennbar in den zu vermeidenden niedrigen Dosisbereich.

Nach allem ist eine Beeinflussung von Körperfunktionen mit pharmakologischer Wirkung und damit positiven oder negativen Auswirkungen auf die Gesundheit für Weihrauchextrakt nicht nur in hohen, sondern auch in niedrigen Tagesdosen wie hier von 400 mg aufgrund der Forschungsergebnisse zu bejahen.

Gesundheitsgefahren sind bei einem Funktionsarzneimittel in jedem Fall zu berücksichtigen.

EuGH, Urteil vom 9.6.2005 - C-211/03 -, Rz. 53, dort als eigenständiger Faktor hervorgehoben.

Die bereits dargelegte gemeinschaftsrechtliche Definition des Funktionsarzneimittels in der Arzneimittelrichtlinie ist erfüllt, da eine Beeinflussung physiologischer Funktionen durch pharmakologische Wirkungen nach dem Forschungsstand zu bejahen ist. Weihrauch hat die pharmakologische Wirkung, dass er die Körperfunktionen bei Entzündungsprozessen mit Auswirkungen auf die Gesundheit beeinflusst.

Mit der Betrachtung der pharmakologischen Eigenschaften des Wirkstoffs in dem streitigen Produkt der Klägerin ist die Subsumtion erst im Schwerpunkt abgeschlossen.

Wie dargelegt bedarf es nach der Rechtsprechung des EuGH für die Einstufung eines Produkts der Berücksichtigung aller seiner Merkmale. Dazu gehören über die geprüfte Zusammensetzung, die pharmakologischen Eigenschaften und die Risiken hinaus noch die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung und die Bekanntheit bei den Verbrauchern.

EuGH im Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 51.

Mithin sind noch diese Hilfsmerkmale nachfolgend zu berücksichtigen.

Zu beginnen ist mit den Modalitäten des Gebrauchs. Nach der Anweisung auf der Faltschachtel ist täglich eine Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit zu verzehren. Darin liegt einerseits die für Arzneimittel übliche Einnahme, andererseits werden nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG Nahrungsergänzungsmittel ebenfalls in dosierter Form unter anderem in Tablettenform eingenommen. Das Merkmal ist also nicht trennscharf. Auch der EuGH hat dem Umstand, dass ein streitiges Erzeugnis nach der Gebrauchsanweisung in Wasser oder Joghurt verrührt werden sollte, keine an sich ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 31.

Als nächster Gesichtspunkt ist die Verbreitung des weihrauchhaltigen Produkts der Klägerin in den Blick zu nehmen. Die Klägerin importiert ihr Produkt aus Österreich und bringt es als Nahrungsergänzungsmittel auf den deutschen Markt. Werbung für ihr Produkt wie für ein Arzneimittel betreibt sie nach der insoweit unwidersprochenen Klagebegründung (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 15) nicht. Das namensgleiche Produkt wird in Österreich selbst ebenfalls als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht, indessen nicht von der Klägerin, sondern von der Firma G. Die Firma G hat das namensgleiche Produkt in Österreich als Verzehrprodukt angemeldet (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 27) und betreibt in Österreich nach dem belegten Vortrag des Beklagten Werbung für die entzündungshemmende Wirkung der namensgleichen Weihrauchtabletten ebenfalls mit dem Inhalt von 400 mg Weihrauch.

Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 17.10.2002, S. 2 (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 111) und Auszug aus der Homepage der österreichischen Firma (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 113).

Weiterhin ist das namensgleiche Produkt nach dem belegten Vortrag der Klägerin in Großbritannien als Nahrungsmittel im freien Verkehr.

Bescheinigung des britischen Agrarministers vom 9.8.2001, Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 28.

Ergänzend ist noch die Verbreitung von nicht namensgleichen Konkurrenzprodukten mit dem identischen Inhaltsstoff Weihrauch in den Blick zu nehmen. Insoweit hat die Klägerin nachgewiesen, dass auf dem deutschen Apothekenmarkt ausweislich des zentralen Bestellsystems der Lauer-Taxe insgesamt 11 nicht namensgleiche Weihrauchprodukte als Nahrungsergänzungsmittel bestellt werden können.

Schriftsatz vom 11.8.2005, S. 3/4, OVG Akte 3 R 7/05 Bl. 20/21 mit Anlage K 22, OVG Akte Bl. 23 ff..

Bei einer Würdigung der Verbreitung des namensgleichen Produkts der Klägerin muss gesehen werden, dass das Produkt in drei Staaten der EU – Österreich, Deutschland und Großbritannien - als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt ist. In Österreich wird es – allerdings nicht von der Klägerin – von der vertreibenden Firma als entzündungshemmend und damit wie ein Arzneimittel beworben.

Zur rechtlichen Qualifizierung vgl. das Urteil des EuGH Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 – Rz. 27, wonach eine Veröffentlichung des Herstellers oder Verkäufers mit der Bezeichnung therapeutischer Wirkungen als entscheidendes Indiz für die Absicht des Herstellers oder Verkäufers anzusehen ist, das Erzeugnis als Präsentationsarzneimittel in den Verkehr zu bringen.

Eine Verkehrsgenehmigung auf EU-Ebene hat hoch dosierter Weihrauchextrakt als Mittel gegen Gehirnödeme noch nicht, wohl aber den Status eines Forschungsarzneimittels.

Den vom Beklagten vorgetragenen Import von Weihrauchextrakt als Fertigarzneimittel aus der Schweiz und aus Indien hält die Klägerin für unzulässig, da es im Fall der Schweiz an einer landesweiten Arzneimittelzulassung und im Fall Indiens an einer mit deutschem Recht vergleichbaren Zulassung fehle, vielmehr Weihrauchextrakt in Indien ein Lebensmittel sei und der Lebensmittelüberwachung unterliege. Dieser Vortrag kann zugunsten der Klägerin als richtig unterstellt werden.

In diesem Fall spricht der Gesichtspunkt der Verbreitung eher für die Einordnung als Lebensmittel. Er hat aber verglichen mit den festgestellten pharmakologischen Wirkungen des Produkts keine für sich entscheidende Bedeutung.

Sodann ist als weiteres Merkmal noch wie dargelegt die Bekanntheit des Produkts bei den Verbrauchern zu würdigen.

Die Klägerin nimmt an, ihr Weihrauchprodukt sei insbesondere mit Blick auf das deutsche Apothekensortiment mit zahlreichen weiteren Weihrauchprodukten als Nahrungsergänzungsmittel dem informierten deutschen Verbraucher als Lebensmittel bekannt. Demgegenüber nimmt der Beklagte an, dem informierten deutschen Verbraucher sei abgesehen von der speziellen Arzneimittelwerbung im Internet für das namensgleiche Produkt in Österreich auch ansonsten durch das Internet die Arzneimitteleigenschaft bekannt, was die Klägerin mit rechtlichen Gesichtspunkten zur Unmaßgeblichkeit von Medienwerbung bekämpft.

Bei der Würdigung der konkreten Verbraucherkenntnisse schließt sich der Senat weder dem Standpunkt der Klägerin noch dem des Beklagten an. Überzeugender erscheint vielmehr das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Reuss vom 10.1.2001 (S. 2), wonach die Verkehrsauffassung als mögliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln im Fall Weihrauch ohne wesentliche Bedeutung ist. Der Gutachter begründet dies damit, dass eine arzneiliche Wirkung beim durchschnittlich informierten deutschen Verbraucher kaum bekannt ist. Eine Bekanntheit von Weihrauch als Nahrungsmittel nimmt der Gutachter aber ersichtlich ebenfalls nicht an, weil anderenfalls die Verkehrsauffassung entgegen seiner Fachmeinung zu einem eindeutigen Ergebnis führte. Die richtige Einordnung von Weihrauch, der eher als Kultmittel bekannt ist, wird einen durchschnittlich informierten Verbraucher kaum berühren. Konkrete Verbraucherkenntnisse über die Lebensmittel- oder Arzneimitteleigenschaft können also nicht erwartet werden.

Der Gesichtspunkt der Verbraucherkenntnisse ist jedenfalls gegenüber den festgestellten pharmakologischen Eigenschaften nicht ausschlaggebend.

Zu den beiden zuletzt genannten Gesichtspunkten der Verbreitung und der Verbraucherkenntnisse führt der Senat noch eine Hilfserwägung durch. Im günstigsten Fall könnte die gerichtliche Würdigung dieser Gesichtspunkte zu dem Ergebnis führen, dass ein Weihrauchprodukt im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird. Selbst diese allgemeine Ansicht würde es aber nicht hindern, dass ein solches Produkt dennoch nach dem europäischen Arzneimittelbegriff als Arzneimittel einzuordnen ist.

So das Urteil des EuGH Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 21, für aus Südamerika eingeführte Kräutertees.

Damit kann der Prüfungsabschnitt über die Einstufung des Produkts der Klägerin als Arzneimittel abgeschlossen werden.

Nach der Überzeugung des Senats ist das weihrauchhaltige Produkt der Klägerin unter Berücksichtigung aller seiner Merkmale, insbesondere seiner Zusammensetzung, seiner pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen – der Modalitäten seines Gebrauchs, des Umfangs seiner Verbreitung, seiner Bekanntheit bei den Verbrauchern und der Risiken nach dem maßgebenden Gemeinschaftsrecht als Funktionsarzneimittel im Sinne sowohl der ursprünglichen Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG als auch der dargelegten Änderungsfassung durch die Arzneimittelrichtlinie 2004/27/EG anzusehen.

Damit führen die bisherigen Prüfungsschritte des Urteils zu dem Doppelergebnis, dass das Produkt der Klägerin mit 400 mg Weihrauchextrakt Tagesdosis nach den europäischen Definitionen sowohl ein Aromastoff und damit ein Lebensmittel ist als auch ein Funktionsarzneimittel mit Blick auf seine antagonistische Wirkung auf Entzündungsprozesse. Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts unterliegt das Produkt mithin nach vollständiger Subsumtion einerseits der Lebensmittelverordnung 178/2002 und zusätzlich der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG, andererseits auch der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG in der ursprünglichen Form und gleichermaßen in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG.

Dieses Doppelergebnis auf der europäischen Rechtsebene bedarf aber einer juristischen Auflösung wegen seiner widersprüchlichen Konsequenzen.

Ein Lebensmittel fällt unstreitig grundsätzlich unter den freien Handelsverkehr der Mitgliedstaaten (vgl. zum Grundsatz Artikel 28 EGV). Anderes gilt für Arzneimittel. Ausnahmen vom Grundsatz der Handelsfreiheit bestehen nach Artikel 30 EGV insbesondere zum Gesundheitsschutz, worunter das Arzneimittelrecht fällt.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 30 Rdnr. 8.

Nach Artikel 6 I der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG bedarf ein Arzneimittel grundsätzlich abgesehen von dem nicht einschlägigen Fall einer unmittelbaren europäischen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung Nr. 2309/93 in jedem Mitgliedstaat einzeln einer Zulassung. Umgesetzt ist diese Regelung im deutschen Recht in § 21 AMG. Unstreitig hat das Produkt der Klägerin weder in der EG noch in einem EG-Staat eine Zulassung als Arzneimittel. Deshalb bedarf das festgestellte Doppelergebnis einer Auflösung.

Nach dem dargelegten Zwischenergebnis bedarf es auf Gemeinschaftsebene einer Entscheidungsregel, ob beim Zusammentreffen beider Definitionen das Arzneimittelrecht oder das Lebensmittelrecht Vorrang hat.

Zusammengefasst kommt der Senat zu der Entscheidung, dass nach dem aktuellen Recht bei der Produktbehandlung das Arzneimittelrecht vor dem Lebensmittelrecht Vorrang aufgrund ausdrücklicher normativer Regelung hat. Für die vorausgehenden Zeitabschnitte ergibt sich dasselbe Ergebnis aus der Beachtung der Rechtsprechung des EuGH, der in ständiger Rechtsprechung bereits seit 1992 eine Art „Strenge-Regel“ aufgestellt hat, wonach das strengere Arzneimittelrecht in der Anwendung Vorrang vor weniger strengen Regelungen anderer Rechtsgebiete hat. Dies ist nunmehr im Einzelnen auszuführen.

Beginnend mit dem neuesten Zeitabschnitt ab 30.10.2005 ist der Anwendungsvorrang des Arzneimittelrechts bereits nach deutschem Recht normativ eindeutig bestimmt. Das deutsche Recht verweist in § 2 III Nr. 1 des ArzneimittelgesetzesAMG – in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3586) sowie in der jetzigen Fassung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394) zur Abgrenzung auf den Lebensmittelbegriff nach dem deutschen Lebensmittelgesetz. § 2 II LFGB in der Fassung vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618), gültig ab 7.9.2005, verweist für die Lebensmitteldefinition seinerseits unmittelbar auf Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Die europäische Lebensmittelverordnung 178/2002 verweist in ihrer Negativabgrenzung in Art. 2 Abs. 3 d wiederum auf die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG. Die Humanarzneimittelrichtlinie enthält in der Fassung der Änderungsrichtlinie vom 31.3.2004 mit einer Umsetzungsfrist bis 30.10.2005 in Art. 2 Abs. 2 ausdrücklich eine Vorrangregel des Arzneimittelrechts mit folgendem Inhalt:

In Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, gilt diese Richtlinie.

Mit dieser Richtlinie ist die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG gemeint, was mithin zum Vorrang des Arzneimittelrechts führt. Der EuGH hat die klar formulierte Vorrangregel auch in diesem Sinn verstanden.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 44.

Nach dem aktuell geltenden Gemeinschaftsrecht ist auf das Produkt der Klägerin mithin nur das Arzneimittelrecht anzuwenden. Das aktuelle deutsche Recht verweist darauf.

Für das vorausgehende Recht innerhalb der zeitlichen Reichweite des Dauerverwaltungsaktes vom 23.1.2002 geht der Senat aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Zeitabschnitte zunächst nach dem wie dargelegt maßgeblichen Gemeinschaftsrecht und erst dann nach dem deutschen Recht ein.

Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts war im vorausgehenden Zeitabschnitt vom 31.3.2004 bis zum 29.10.2005 die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 mit der normativen Vorrangregel des Arzneimittelrechts zwar bereits erlassen, indessen war die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Richtlinien setzen zwar ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren mit Erlass auf Gemeinschaftsebene und Umsetzung in nationales Recht voraus.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 249 EGV Rdnr. 8.

Richtlinien sind aber auch als Auslegungsmaßstab heranzuziehen.

Geiger, EUV/EGV, Artikel 249 EGV Rdnr. 12.

Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung, und zwar gerade für die Vorrangregel in der hier vorliegenden Änderungsrichtlinie 2004/27/EG, entschieden, dass eine Richtlinie schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist als Auslegungsmaßstab heranzuziehen ist.

Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 44.

Auch für diesen Zeitraum galt als Auslegungsergebnis der Rechtsprechung des EuGH ein normativer Vorrang des Arzneimittelrechts.

Auf Gemeinschaftsebene galt in dem davor liegenden Zeitraum vom 6.11.2001 (mithin vor Erlass des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002) bis zum 30.3.2004 die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG noch ohne eine normative Vorrangregelung. Die Abgrenzung des gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriffs gegenüber den Konkurrenzbegriffen bedurfte mithin richterlicher Auslegung. Eine solche ständige Rechtsprechung des EuGH liegt vor, die von den Jahren 1991 bis 2005 reicht und damit den Entscheidungszeitraum (Januar 2002 bis Februar 2006) erfasst. Dies ist jetzt darzulegen.

Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung ist einfach. Er besteht darin, dass das strengere Arzneimittelrecht wegen der besonderen Gefahren Anwendungsvorrang vor weniger strengem Recht anderer Gebiete besitzt. Erstmals hat der EuGH diesen Gedanken im Urteil Delattre vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 21, zur Abgrenzung von Arzneimitteln gegenüber seinerzeit Kosmetika (Schlankheitsmitteln) geäußert. Zur Begründung hat er (Rz. 21) ausgeführt:

Diese Schlussfolgerung ist im Übrigen die Einzige, die dem mit beiden Richtlinien verfolgten Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entspricht, da die rechtliche Regelung für Arzneispezialitäten in Anbetracht der besonderen Gefahren, die diese Erzeugnisse für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen können und die im Allgemeinen von kosmetischen Mitteln nicht ausgehen, strenger ist als die für kosmetische Mittel.

Im nachfolgenden Jahr 1992 hat der EuGH in seinem Urteil Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 19, diese „Strenge-Regel“ auf die hier einschlägige Abgrenzung von Arzneimittelrecht gegenüber Lebensmittelrecht übertragen. Zur Begründung hat er ausgeführt (Rz. 19), ein Produkt sei selbst dann als Arzneimittel anzusehen und der entsprechenden Regelung zu unterwerfen, wenn es in den Anwendungsbereich einer anderen weniger strengen Gemeinschaftsregelung falle.

Sodann hat der EuGH aktuell in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 43, nochmals seine Rechtsprechung bestätigt, dass die für Arzneimittel geltenden Bestimmungen auf ein Erzeugnis anzuwenden sind, das sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch eines Arzneimittels erfülle. Zur Begründung hat er sich (Rz. 43) ausdrücklich auf sein Ter Voort-Urteil C – 219/91 – berufen, dort insbesondere auf die Rz. 19 verwiesen und damit wie dargelegt den Grundsatz, dass ein Produkt auch dann als Arzneimittel anzusehen ist, wenn es dem Anwendungsbereich einer weniger strengen Regelung unterfällt. Zwischen 1991 und jetzt hat der EuGH mithin in ständiger Rechtsprechung die „Strenge-Regel“ seiner Abgrenzung zwischen Arzneimittelrecht und weniger strengem Recht zugrunde gelegt.

Die dargelegte normative Vorrangregel der Richtlinie 2004/27/EG entspricht mithin inhaltlich der ständigen Rechtsprechung des EuGH. Dementsprechend hat sich der EuGH in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 - sowohl vergangenheitsbezogen auf seine ständige bisherige Rechtsprechung (Rz. 43) als auch zukunftsbezogen auf die neue Richtlinie 2004/27/EG (Rz. 44) berufen. Das Ergebnis der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist mithin der Vorrang des Arzneimittelrechts bei der Abgrenzung gegenüber dem Lebensmittelrecht. Dies steht für den Zeitraum von 1992 bis jetzt fest. Bezogen auf den hier entscheidungserheblichen Zeitraum vom 25.1.2002 (Bekanntgabe des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002) bis jetzt (Februar 2006) ist die Abgrenzungsfrage auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts mithin immer gleich zu beantworten. Maßgebend für die rechtliche Behandlung ist das strengere Arzneimittelrecht gegenüber dem weniger strengen Lebensmittelrecht.

Für die vorsorglich vorzunehmende Abgrenzungsprüfung nach dem deutschen Recht sind andere Zeitabschnitte zu bilden. Unproblematisch ist der bereits behandelte aktuelle Zeitabschnitt ab dem 7.9.2005. Ab diesem Zeitpunkt verweist wie dargelegt § 2 II LFGB in der Fassung vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618) für die Lebensmitteldefinition ausdrücklich auf Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, und damit auch auf die in Artikel 2 Abs. 3 der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung vorgenommene Abgrenzung zu Lebensmitteln, für die die EuGH-Rechtsprechung maßgebend ist. Die einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts für die Abgrenzung ist vom deutschen Gesetzgeber sichergestellt, da auch § 2 III Nr. 1 AMG für die Abgrenzung auf die Lebensmitteldefinition verweist mit der Konsequenz, dass nach der ausdrücklichen Anordnung des deutschen Gesetzgebers für die Abgrenzung der beiden Rechtsgebiete einheitlich das Gemeinschaftsrecht gilt.

Für den vorausgehenden Zeitabschnitt vom 21.2.2002 bis zum 6.9.2005 hat der deutsche Gesetzgeber zwar nicht ausdrücklich für Rechtsklarheit gesorgt. Die Rechtsklarheit ergibt sich aber aus dem gemeinschaftlichen Verordnungsrecht. Die gemeinschaftsrechtliche Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln in Artikel 2 der Lebensmittelverordnung galt bereits in diesem Zeitabschnitt. Die Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002 trat nach Artikel 65 am 21.2.2002 in Kraft. Sie ist nach Artikel 65 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Anders als bei Richtlinien bedarf es keines zweistufigen Rechtsetzungsverfahrens, vielmehr gilt die Verordnung unmittelbar in jedem Mitgliedstaat ohne Transformation.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 249 EGV, Rdnrn. 6 und 8.

Der deutsche Gesetzgeber hatte aber in diesem Zeitraum der verbindlichen Regelung noch nicht formell Rechnung getragen. Vielmehr war in § 1 LMBG in der Fassung vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296), gültig vom 1.8.1997 bis 6.9.2005, eine formell abweichende Regelung bestimmt. Produkte waren nach § 1 I LMBG nur dann keine Lebensmitteln, wenn sie überwiegend zu anderen Zwecken als dem der Ernährung oder des Genusses bestimmt waren. Das ältere deutsche Recht legte die Auslegung nahe, dass ein Lebensmittel auch dann vorlag, wenn sich kein überwiegender Verwendungszweck feststellen ließ.

So noch die Kommentierung von Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 35 und die ältere BGH-Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 6.2.1976 – I ZR 125/74 -.

Die deutsche Regelung ließ sich mithin in nahe liegender Auslegung als Vorrang des weniger strengen Lebensmittelrechts vor dem strengeren Arzneimittelrecht verstehen.

Bei diesem Ergebnis kann es aber nicht verbleiben. Das Gemeinschaftsrecht hat grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnr. 31.

Gerichte und Behörden haben den Vorrang des Gemeinschaftsrechts ohne weiteres zu beachten, und innerstaatliche Vorlageverfahren etwa an ein Verfassungsgericht müssen außer Betracht bleiben.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnr. 31.

Mithin musste die inhaltlich anders gefasste Abgrenzung des deutschen Rechts zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln gegenüber der bindenden europäischen Verordnung außer Betracht bleiben. Vielmehr galt nach der bereits dargelegten Rechtsprechung des EuGH die „Strenge-Regel“, wonach für die Produktbehandlung das strengere Arzneimittelrecht vor weniger strengem Recht in der Anwendung Vorrang hat. Auch für diesen Zeitabschnitt verbleibt es mithin bei dem gefundenen Ergebnis.

In einem vorausgehenden kurzen Zeitabschnitt des Dauerverwaltungsakts knapp einen Monat zwischen seiner Bekanntgabe am 25.1.2002 bis zum 20.2.2002 galt auf der Gemeinschaftsrechtsebene allerdings noch nicht die Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002, in Kraft ab 21.2.2002. Der Anwendungsvorrang der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung muss mithin für diesen kurzen Zeitabschnitt außer Betracht bleiben.

Auch für diese Zeit blieb der Vorrang des Arzneimittelrechts unverändert. Maßgebend ist hier nicht der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, sondern der Grundsatz der europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts.

Im Zeitraum Januar/Februar 2002 stellte sich die Vorrangfrage vom Arzneimittelrecht her, das im Gegensatz zum seinerzeitigen Lebensmittelrecht schon gemeinschaftsrechtlich normiert war. Wie bereits dargelegt war das gemeinschaftliche Arzneimittelrecht bereits seit 1965 fortlaufend durch Richtlinien kodifiziert, die in nationales Recht umzusetzen waren.

Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965, sodann als Nachfolgerichtlinie die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG sowie deren Änderungsrichtlinie 2004/27/EG.

Das deutsche Arzneimittelgesetz war also bereits in der in diesem Zeitabschnitt (Januar/Februar 2002) maßgebenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3586) Umsetzung des europäischen Richtlinienrechts. Zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln verwies § 2 III Nr. 1 AMG 2001 auf § 1 LMBG und damit die bereits dargelegte Regelung, wonach nur eine überwiegende Bestimmung zu anderen Zwecken als dem der Ernährung oder des Genusses maßgebend ist. Auch unabhängig von der Direktwirkung von Richtlinien zu Gunsten Einzelner, vgl. EuGH, Urteil vom 26.9.2000 – C- 443/98 -, Rz. 50; Urteil vom 4.12.1997 – C – 97/96 -, NJW 1998, 129, ist umgesetztes nationales Recht nach der EuGH-Rechtsprechung so auszulegen, dass das mit der Richtlinie verfolgte Ziel erreicht werden kann. EuGH, Urteil vom 11.7.2002 – C – 62/00 -, Rz. 41.

Eine solche europarechtskonforme Auslegung des § 1 LMBG 1997 ist aber möglich und deshalb auch geboten. Zwar ist die Auslegung nahe liegend, dass die überwiegende Zweckbestimmung rein faktisch im Sinne der allgemeinen Verkehrsauffassung zu verstehen ist.

So Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 34.

Zwingend ist diese Auslegung aber nicht. Die überwiegende Zweckbestimmung kann statt faktisch auch normativ verstanden werden. Die überwiegende Zweckbestimmung ergibt sich dann normativ nach dem strengeren Recht; das strengere Recht prägt die Zweckbestimmung. Das Ziel der einschlägigen Arzneimittelrichtlinie ist nach der Rechtsprechung des EuGH gerade der Schutz vor den besonderen Gefahren, die Arzneimittel mit sich bringen.

EuGH, Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 21, und Ter Voort-Urteil vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 19.

Das umgesetzte deutsche Arzneimittelrecht ist mithin europarechtskonform so auszulegen, dass das dargelegte Ziel der Arzneimittelrichtlinie mit Blick auf den Vorrang des strengeren Rechts erreicht wird. Mithin ist die deutsche Abgrenzungsregelung in den §§ 2 AMG 2001 und 1 LMBG 1997 europarechtskonform auch in dem hier interessierenden Zeitabschnitt vom 25.1.2002 bis zum 20.2.2002 im Sinne einer normativen überwiegenden Zweckbestimmung durch das strengere Arzneimittelrecht auszulegen. Dieser Gesichtspunkt gilt im Übrigen auch für die nachfolgende Zeit, für die aber der Anwendungsvorrang der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung hinzukommt.

Mithin ist die Geltung der europäischen Arzneimittelabgrenzung für den gesamten in Anspruch genommenen Zeitraum des angegriffenen Dauerverwaltungsakts seit 25.1.2002 bis jetzt zu beachten.

Für den Zeitraum des Dauerverwaltungsakts ist nach dem Ergebnis der Prüfung des europäischen und des deutschen Rechts einheitlich von dem Vorrang des Arzneimittelrechts gegenüber dem Lebensmittelrecht bei der Produktbehandlung auszugehen.

Die von der Klägerin gegen den Vorrang vorgebrachten Gründe überzeugen nicht.

Soweit die Klägerin eine vollständige Subsumierung als Voraussetzung der Vorrangregelung ansieht, hat der Senat sie vorgenommen.

Soweit die Klägerin meint, für Nahrungsergänzungsmittel gelte eine günstigere Behandlung, trifft dies nicht zu. Sie hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der neuen Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel die Richtlinie 2002/46 eine gewisse Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften vorgenommen hat.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 70.

Nahrungsergänzungsmittel, die den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen, dürfen in der Gemeinschaft grundsätzlich frei in den Verkehr gebracht werden.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C- 211/03 -, Rz. 71.

Die der Klägerin günstige Folge tritt aber nur ein, wenn die Voraussetzungen der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie überhaupt erfüllt sind. Dies ist aber nicht der Fall, weil die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG ausdrücklich nicht für Arzneimittel gilt (Artikel 1 Abs. 2 der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie) und darüber hinaus Nahrungsergänzungsmittel nach Artikel 2 der Richtlinie 2002/46/EG bereits Lebensmittel sein müssen, mithin auch für Nahrungsergänzungsmittel die allgemeine Abgrenzungsvorschrift von Artikel 2 der Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt. Dementsprechend führt der EuGH wie dargelegt in seinem Lactobact-Urteil (Rz. 41 und 42) eine synchrone Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln einerseits und Arzneimitteln andererseits durch. Für eine anderweitige Abgrenzung mit einer günstigeren Behandlung von Nahrungsergänzungsmitteln ist mithin aus Gründen des Gemeinschaftsrechts kein Raum.

Weiterhin beruft sich die Klägerin zu ihren Gunsten auf eine spezielle deutsche Liberalisierungsvorschrift für die Einfuhr von Lebensmitteln aus EU-Staaten im deutschen Lebensmittelrecht. Ausgehend zunächst von dem neuesten Rechtsstand der Einfuhrliberalisierung begünstigt § 54 LFGB mit Geltung ab dem 7.9.2005 Lebensmittelimporte aus anderen EU-Staaten. Danach dürfen Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände, die entweder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden oder aus einem Drittstaat stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig im Verkehr befinden, auch dann in das Inland verbracht und in Verkehr gebracht werden, wenn sie den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände nicht entsprechen. Eine Ausnahme von der Liberalisierung besteht insbesondere dann, wenn gemäß § 54 I LFGB in Verbindung mit § 54 II zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen, über die durch Allgemeinverfügungen entschieden wird. Die verbleibenden Unterschiede des nationalen Lebensmittelrechts der Mitgliedstaaten stehen mithin dem Import eines Lebensmittels grundsätzlich nicht entgegen.

Diese Liberalisierungsregelung trifft aber nach dem geltenden Recht ausdrücklich nur für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände zu, von vorneherein nicht für Arzneimittel. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 54 LFGB und aus dem systematischen Zusammenhang innerhalb der Gesamtregelung des Lebensmittelrechts, nicht des Arzneimittelrechts.

Nichts anderes gilt innerhalb der Zeitdauer des Dauerverwaltungsakts für die im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerreglung des § 47 a LMBG in den insoweit übereinstimmenden vorausgehenden Fassungen vom 29.10.2001 (BGBl. I S. 2785) sowie vom 6.8.2002 (BGBl. I S. 3082). Die Liberalisierung von Importen aus anderen Mitgliedstaaten bezieht sich nach dem übereinstimmenden Wortlaut auf „Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes“. Maßgebend ist also die deutsche Einordnung des Produkts. Durch eine Klammerdefinition ist in § 35 LMBG klargestellt, dass Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes Lebensmittel, Zusatzstoffe, mit Lebensmittel verwechselbare Erzeugnisse, Tabakerzeugnisse, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände sind. Arzneimittel gehören nicht dazu. Die Klägerin kommt nur insofern zu einem anderen Ergebnis, als sie behauptet, ihr Nahrungsergänzungsmittel könne mit einem Arzneimittel verwechselt werden. Insoweit stellt aber § 8 LMBG klar, dass die Ausdehnung des Lebensmittelrechts auf verwechselbare Erzeugnisse gerade nicht für zulassungspflichtige Arzneimittel gilt.

Zur generellen einschlägigen Zulassungspflicht von Fertigarzneimitteln § 21 AMG mit hier nicht gegebenen Ausnahmen insbesondere einer gemeinschaftsrechtlichen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 und einer Anwendung zur klinischen Prüfung.

Die Vorschrift zielt erkennbar darauf ab, dass die Zulassungspflicht von Arzneimitteln als Marktschranke nicht etwa in dem ungünstigen Fall, dass importierte Arzneimittel verwechslungsfähig aufgemacht sind, entfällt. Dies wäre auch offensichtlich gefahrenbezogen sachwidrig. Nach den dargelegten Vorschriften gilt die Liberalisierung nach Wortlaut und Sinn nicht für Arzneimittel, und zwar insbesondere auch nicht für mit Lebensmitteln verwechslungsfähig aufgemachte Arzneimittel.

Das Gemeinschaftsrecht bietet sowohl nach den in Betracht kommenden Normen als auch nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH keinen Anlass zu einer weiter gehenden Auslegung dieser lebensmittelrechtlichen Liberalisierungsregelung.

Wie dargelegt fällt ein Lebensmittel zwar grundsätzlich unter den freien Handelsverkehr der Mitgliedstaaten (Artikel 28 EGV). Anderes gilt für Arzneimittel, denn Ausnahmen vom Grundsatz der Handelsfreiheit bestehen nach Artikel 30 EGV insbesondere zum Gesundheitsschutz, worunter das Arzneimittelrecht fällt.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 30 Rdnr. 8.

Nach Artikel 6 I der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG bedarf ein Arzneimittel grundsätzlich abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall einer unmittelbaren europäischen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22.7.1993 in jedem Mitgliedstaat einzeln einer Zulassung. Diese Rechtslage nach dem Gemeinschaftsrecht führt allerdings dazu, dass ein Produkt im Exportstaat (hier Österreich) als Lebensmittel und im Importstaat (hier Deutschland) als Arzneimittel eingeordnet werden kann. Gerade diese Divergenz ist nach der ständigen bis heute geltenden Rechtsprechung des EuGH mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

EuGH, Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 27; EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 – Rz. 52 und 53, betreffend Vitaminpräparate; EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 56.

In seinem Lactobact-Urteil (Rz. 56) hat der EuGH seine ständige Rechtsprechung wie folgt zusammengefasst:

Dass ein Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel eingestuft ist, hindert somit nicht daran, ihm im Einfuhrmitgliedstaat die Eigenschaft eines Arzneimittels zuzuerkennen, wenn es die entsprechenden Merkmale aufweist.

Die Tatsache, dass das Produkt der Klägerin in Österreich rechtmäßig als Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr ist, führt mithin nicht zu einer Bindung des Einfuhrstaates an österreichisches Recht. Dem nach dem Gemeinschaftsrecht bestehenden Vorrang des strengeren Arzneimittelrechts vor dem weniger strengen Lebensmittelrecht muss in Deutschland selbstständig, ohne Bindung an die Rechtsauffassung in Österreich, Geltung verschafft werden.

Nach allem führt die deutsche Liberalisierungsregelung nicht zur Anerkennung der österreichischen Produkteinordnung und ist deshalb nicht entscheidungserheblich.

Im Folgenden hat der Senat noch die beiden von den Beteiligten vorgelegten europäischen Verwaltungsakte zu würdigen, die eine Einstufung von Weihrauchextrakt in demselben Jahr – 2002 – als Arzneimittel beziehungsweise als Lebensmittel betreffen.

Zusammengefasst sind beide Verwaltungsakte nicht unmittelbar einschlägig für den vorliegenden Verwaltungsrechtsstreit über ein Marktverbot und geben keinen Anlass, von der vom EuGH aufgestellten „Strenge-Regel“ abzuweichen.

Der Beklagte hat einen Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 vorgelegt, den die EMEA, die Europäische Agentur für Arzneimittel, am 11.12.2002 veröffentlicht hat (Berufungsakte 3 R 7/05, Blatt 69 R). Der Beklagte hat dazu vorgetragen, der Weihrauchextrakt aus Boswellia serrata habe damit den Orphan-drug-Status erhalten (Berufungsakte Blatt 66). Mit dieser Bezeichnung hat es Folgendes auf sich. Die in dem Bescheid der EG-Kommission auch genannte Rechtsgrundlage ist die Verordnung (EG) Nr. 141/2000 vom 16.12.1999 über Arzneimittel für seltene Leiden. Sinn und Regelungszusammenhang der Verordnung sind in dem Erwägungsgrund 1 zusammengefasst. Danach treten bestimmte Leiden EU-weit so selten auf, dass die Entwicklungskosten von Arzneimitteln durch den zu erwartenden Umsatz nicht mehr gedeckt werden. Die pharmazeutische Industrie wäre in diesen Fällen nicht bereit, das Arzneimittel unter normalen Marktbedingungen zu entwickeln. Diese Arzneimittel werden im englischen Sprachraum als „Orphan medicinal products“, das heißt als Waisenkinder unter den Arzneimitteln bezeichnet. Vor diesem Hintergrund bezweckt die Verordnung nach dem Erwägungsgrund 4, durch die Einführung eines Gemeinschaftsverfahrens potenzielle Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden auszuweisen. Die Förderung erfolgt durch Forschungshilfe bei der Entwicklung (Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung) und durch ein späteres Marktexklusivitätsrecht (Artikel 8 der Verordnung). Der Antrag auf Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden kann grundsätzlich in jedem Entwicklungsstadium des Arzneimittels gestellt werden, indessen nur vor dem Antrag auf Verkehrsgenehmigung (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung). Zusammengefasst bedeutet der Bescheid mithin eine Ausweisung von Weihrauchextrakt als Forschungsarzneimittel für die Behandlung der seltenen Krankheit der Gehirnödeme bei Gehirntumor; eine Verkehrsgenehmigung als Arzneimittel bedeutet der Bescheid nicht, wie im letzten Absatz ausdrücklich hervorgehoben ist. Der Bescheid betrifft also keine Marktzulassung.

Der Verordnung über Arzneimittel für seltene Leiden liegt nach Artikel 2 a der Humanarzneimittelbegriff nach der Richtlinie 65/65/EWG zugrunde, wobei diese Bezugnahme nunmehr durch eine Bezugnahme auf die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG ersetzt ist (Artikel 128 der Humanarzneimittelrichtlinie). Da die Ödembehandlung bei Tumoren nach den dem Senat vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen ausschließlich den hoch dosierten Bereich von Weihrauchextrakt betrifft,

Safayhi-Ammon, Seite 7; Gutachten Bertram, Seite 3; Bertsche/Schulz, Seite 2

steht damit in diesem Bereich gemeinschaftsrechtlich die Einordnung als Arzneimittel fest.

Zwingend ist dies für die hier maßgebende niedrige Dosis von Weihrauch nicht. Einen Doppelcharakter nach der Dosis hat der EuGH bei Vitaminen anerkannt, die in ganz geringer Menge für die tägliche Ernährung unbedingt erforderlich sind, in starken Dosen aber zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, Rz. 56.

Deshalb bedeutet die im Jahr 2002 erfolgte Ausweisung von indischem Weihrauchextrakt als Forschungsarzneimittel für seltene Krankheiten ein - nicht zwingendes - Indiz für die gemeinschaftsrechtliche Einstufung von Weihrauchextrakt insgesamt als Arzneimittel. Der Gegenschluss der Klägerin, die angestrebte Marktzulassung sei bereits gescheitert, überzeugt nicht, da die Zulassungsreife einschließlich Standardisierung eines Stoffgemischs schwer erreichbar und langwierig sein kann.

Ebenso wie der Beklagte hat die Klägerin im Rechtsstreit einen Verwaltungsakt der Europäischen Gemeinschaft vorgelegt, den sie zu ihren Gunsten verwerten will (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 75). Dabei handelt es sich um die verbindliche Zolltarifauskunft vom 16.9.2002. Der Bescheid ist im Namen der Europäischen Gemeinschaft erlassen, die erteilende Zollbehörde ist das Bundesministerium für Finanzen in Wien. Als Berechtigter ist angegeben die österreichische Firma G.. Gegenstand des Bescheides ist das namensidentische Produkt der Klägerin. Inhaltlich betrifft der Bescheid die Einreihung in die Zollnomenklatur als Lebensmittel und zur Begründung ist angegeben, aufgrund des Fehlens einer Ankündigung zur Verwendung bei spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, sowie der exakten Dosierungsvorschrift, liege keine näher gekennzeichnete Arzneiware vor.

Die Klägerin hat aus dieser verbindlichen Zolltarifauskunft von Anfang an den Schluss gezogen,

Schriftsatz vom 7.10.2002, VG-Akte Bl. 78

das streitige Produkt dürfe in der gesamten Europäischen Union aufgrund der verbindlichen Zolltarifauskunft als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden. Die Verkehrsfähigkeit des von ihr vertriebenen Produktes in Deutschland ergebe sich damit schon aus der amtlichen Bestätigung der Europäischen Union. Zur Bekräftigung ihres Vortrags hat sie erstinstanzlich zwei verschiedene Vorlageanträge an den EuGH angeregt (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 91 und Bl. 133), die jeweils die Auswirkungen der verbindlichen Zolltarifauskunft auf die Zulässigkeit der Vermarktung betreffen. Zweitinstanzlich hat sie ausweislich des Protokolls eine entsprechende Vorlage an den EuGH hilfsweise angeregt.

Das Begehren der Klägerin entspricht offenkundig nicht dem Gemeinschaftsrecht, das eine Auslegung im Sinne der Klägerin nicht zulässt. Es entspricht auch nicht der dargelegten Rechtsprechung des EuGH zur selbstständigen Sachverhaltsbeurteilung der nationalen Behörden und Gerichte im Vermarktungsstreit.

Dafür ist zunächst auf die Rechtsgrundlage der verbindlichen Zolltarifauskunft einzugehen. Wie im Bescheid auch ausdrücklich angegeben, beruht die Zolltarifauskunft auf Art. 12 der – insoweit nicht geänderten - Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – Zollkodexverordnung -. Nach dem Erwägungsgrund 1 geht es bei der Verordnung um die Kodifizierung der bisherigen Zollvorschriften der Gemeinschaft als Zollunion. Betroffen von dem Zollrecht ist nach Art. 1 der Verordnung der Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern. Nach Art. 2 gilt das gemeinschaftliche Zollrecht einheitlich im gesamten Zollgebiet der Gemeinschaft. Richtig ist damit der Standpunkt der Klägerin, dass die Zollverwaltungsakte die gesamte Gemeinschaft betreffen. Sodann werden nach Art. 12 Abs. 1 der Zollkodexverordnung auf schriftlichen Antrag von den Zollbehörden verbindliche Zolltarifauskünfte erteilt. Verbindliche Zolltarifauskünfte sind nach der Definitionsvorschrift des Art. 4 Nr. 5 der Zollkodexverordnung hoheitliche Maßnahmen auf dem Gebiet des Zollrechts.

Die Klägerin begehrt eine Vorlage des Sachverhalts zur Entscheidung an den EuGH. Sie hält es nach ihrem Rechtsstandpunkt für eine klärungsbedürftige Auslegungsfrage, wie weit die Verbindlichkeit der Zolltarifauskunft reicht. Sie meint, die Verbindlichkeit betreffe nicht nur den Zolltarif, sondern auch die anschließende Vermarktung. In Wirklichkeit ist aber die Verbindlichkeitsfrage in Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung ohne Auslegungsspielraum wie folgt geregelt:

Die verbindliche Zolltarifauskunft bindet die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung der Waren.

Das Wort „nur“ lässt keinen Auslegungsspielraum dahingehend zu, die Bindungswirkung erstrecke sich über die zolltarifliche Einreihung der Waren hinaus auch auf die anschließende Vermarktung und die Anwendung des Gesundheitsrechts. Ist mithin die Einschränkung der Verbindlichkeit auf das Zollrecht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, scheidet eine Vorlagepflicht an den EuGH nach Art. 234 EGV selbst nach den Maßstäben für ein letztinstanzliches Gericht – die hier nicht erfüllt sind – aus.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 EGV Rdnr. 16.

Im Übrigen hat das nationale Gericht über die Entscheidungserheblichkeit einer Vorlagefrage selbst zu befinden.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 EGV Rdnr. 12.

Darüber hinaus hat das nationale Gericht über die Vorlage von Amts wegen, unabhängig von der Auffassung der Beteiligten zu entscheiden.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 Rdnr. 11.

Entsprechende Anträge der Beteiligten bedeuten prozessual mithin nur die Anregung zu einer Vorlageentscheidung.

Von Amts wegen scheidet eine Vorlage schon deshalb aus, weil Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung auch unabhängig von dem streitigen objektiven Anwendungsbereich auch nach den subjektiven Merkmalen nicht entscheidungserheblich ist.

Vorliegend sind die subjektiven Voraussetzungen der Verbindlichkeitsbestimmung des Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung nicht gegeben. Die verbindliche Zolltarifauskunft bindet nach der Verordnung nur die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten. Zollbehörde ist nach Art. 4 Nr. 3 der Zollkodexverordnung eine für die Anwendung des Zollrechts zuständige Behörde. Der Beklagte als oberste Gesundheitsbehörde ist ebenso wenig eine Zollbehörde im Sinne der Gemeinschaftsvorschrift wie die Klägerin Berechtigte des Bescheides ist, da in dem Bescheid als Berechtigte ausdrücklich die österreichische Firma G. genannt ist. Mithin verbleibt es dabei, dass die Vorschrift des Art. 12 II der Zollkodexverordnung auf den vorliegenden Fall zweifelsfrei subjektiv nicht anwendbar ist.

Unabhängig von der normativen Rechtslage entspricht es auch nicht der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zu gesundheitsbezogenen Marktverboten gegenüber importierten Produkten, dass das Gesundheitsrecht bindend an das Zollrecht gekoppelt wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH haben die nationalen Behörden und zu deren Kontrolle die nationalen Gerichte bei der Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Vermarktung in ihrem Staat auch bei importierten Erzeugnissen selbst die Qualifizierungszuständigkeit für den Einzelfall, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist.

EuGH Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 30 für die Zuständigkeit der nationalen Behörden und Rz. 97 für die Zuständigkeit des nationalen Gerichts; ebenso schon EuGH, Ter-Voort-Urteil vom 28.10.1992 – C – 219/91 – betreffend die Zulässigkeit der Vermarktung von Kräutertee aus Südamerika, dort zur fallbezogenen Einstufungszuständigkeit der nationalen Gerichte Rz. 32; EuGH Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, dort Rz. 35 zur Einstufungszuständigkeit der nationalen Behörden unter Kontrolle der nationalen Gerichte.

In einem entschiedenen Fall – dem Ter-Voort-Urteil des EuGH von 1992 – betraf die Einstufung die Vermarktung von aus Südamerika eingeführten Produkten. Nach der seinerzeit schon bestehenden Zollunion unterlagen diese Produkte einer Außenzollerhebung und damit einer Zolltarifeinordnung. Die seinerzeitige Vorlagefrage (Rz. 13), ob ein Erzeugnis, das im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, als Arzneimittel eingestuft werden kann, hätte vom Rechtsstandpunkt der Klägerin damit beantwortet werden müssen, dass die Antwort aus dem Zollrecht folge. Stattdessen lautet die Antwort des EuGH (Rz. 21), dass ein Arzneimittel selbst dann vorliegen kann, wenn es im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, und (Rz. 32) es Sache der nationalen Gerichte ist, unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles die Einordnung vorzunehmen. Auch der Grundgedanke in dem Ter-Voort-Urteil des EuGH, dass (Rz. 19) im Gesundheitsrecht die strengere Gemeinschaftsregelung anzuwenden ist, verträgt sich nicht damit, dass die der Einnahmeerzielung dienende Zolltarifregelung stattdessen einschlägig sein soll. Damit könnten die Gesundheitsgefahren nicht hinlänglich berücksichtigt werden. Mithin scheidet eine Vorlage an den EuGH auch deshalb aus, weil die Rechtsansicht der Klägerin zur Bindung der Vermarktung an das Zollrecht der vorliegenden Rechtsprechung des EuGH widerspricht.

Der Bescheid ist für den vorliegenden Vermarktungsprozess offensichtlich rechtsunerheblich.

Unabhängig von der fehlenden Bindungswirkung kann auch die Begründung der Zolltarifauskunft für den vorliegenden Fall nicht fruchtbar gemacht werden. Begründet ist die Ablehnung einer Arzneiware mit dem Gesichtspunkt des Fehlens einer Ankündigung zur Verwendung bei spezifischen Krankheiten und einer entsprechenden exakten krankheitsbezogenen Dosierungsvorschrift. Mit dieser Überlegung lässt sich aber allein ein Präsentationsarzneimittel ausschließen, was ohnedies unstreitig ist. Dagegen enthält die Begründung keinerlei Gesichtspunkte zu einem Funktionsarzneimittel, da die pharmakologische Wirkung von vornherein nicht behandelt wird. Für den Hauptstreit der Beteiligten über das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels lässt sich aus der Begründung des Bescheides nichts gewinnen.

Nach dem Prüfungsergebnis des Senats haben die von den Beteiligten vorgelegten Bescheide nach dem Gemeinschaftsrecht für den vorliegenden Fall keine Bindungswirkung und führen zu keinem anderen Ergebnis.

Mithin hat es bei einer selbstständigen sachverhaltsbezogenen Einstufung des Produkts der Klägerin für die Vermarktung durch die nationalen Behörden und die nationalen Gerichte ohne Vorlagepflicht an den EuGH zu verbleiben.

Nach allem ist der Senat davon überzeugt, dass das Produkt der Klägerin ein Funktionsarzneimittel ist und damit dem strengen Zulassungsrecht für Fertigarzneimittel unterliegt. Der Klägerin ist zwar Recht zu geben, dass in dieser Rechtsanwendung ein Hemmnis für den freien Warenverkehr liegt. Das Produkt muss also nach der plastischen Formulierung der Klägerin durch das „Nadelöhr“ des Arzneimittelrechts. Der Grund dafür liegt aber letztlich in der eindeutigen Weichenstellung des EuGH zu Gunsten des strengeren Gesundheitsrechts. Der EuGH hat dem nunmehr im Gemeinschaftsrecht kodifizierten Gedanken Bedeutung beigemessen, dass die besonderen Gesundheitsgefahren gerade von Arzneimitteln im Zweifel die Anwendung des strengeren Gesundheitsrechts gegenüber dem weniger strengen Lebensmittelrecht erfordern. Diese Gefahrabwägung führt letztlich zu dem Ergebnis, dass hier wegen der festgestellten – negativen - pharmakologischen Wirkung des Produkts in der empfohlenen niedrigen Dosis ein Funktionsarzneimittel vorliegt.

Die Prüfung des Senats führt mithin zu dem Gesamtergebnis, dass gemeinschaftsrechtlich und nach deutschem Recht für die gesamte Geltungszeit des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002 rechtlich maßgebend ein Funktionsarzneimittel vorliegt, das als Fertigarzneimittel für den Verbraucher gemäß § 21 AMG einer Zulassung bedarf, die aber unstreitig weder nach Gemeinschaftsrecht noch nach deutschem Recht vorhanden ist.

Damit liegt aber zur Überzeugung des Senats der Untersagungstatbestand des § 69 I Nr. 1 AMG in den insoweit übereinstimmenden Fassungen vom 11.12.1998 (BGBl. I Bl. 3586), vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 2031), vom 29.8.2005 (BGBl. I S. 2555) sowie der Bekanntmachung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394) vor. Die im Gesetz eingeräumte Ermessensausübung ist von der Klägerin nicht problematisiert worden. Ein Ermessensfehler wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn die für das Arzneimittel erforderliche Zulassung ausschließlich aus formellen Gründen fehlte, materiell aber die therapeutische Wirksamkeit mit vertretbaren Nebenwirkungen bereits feststünde. Schon die nicht geklärte therapeutische Wirksamkeit würde die Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung rechtfertigen. Erst recht gilt das hier, da nach den vorliegenden Forschungsergebnissen für niedrig dosierten Weihrauchextrakt zwar keine positiven pharmakologischen Wirkungen, wohl aber negative pharmakologische Wirkungen in Form der Förderung von Entzündungsprozessen wissenschaftlich festgestellt sind. Bei dieser Sachlage ist allein die Untersagung ermessensgerecht.

Nach allem ist der angefochtene Dauerverwaltungsakt vom 23.1.2002 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Mithin ist ihre Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO und die Nichtzulassung der Revision auf § 132 II VwGO.

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt erfolglos.

Der Streit der Beteiligten betrifft die richtige rechtliche Einordnung des Produkts der Klägerin, der W., das sie von Österreich nach Deutschland einführt. Handelt es sich inhaltlich um ein Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels oder um einen rechtlich maßgebenden Lebensmittelimport, wie die Klägerin annimmt, unterliegt es unstreitig grundsätzlich dem freien Warenverkehr und mithin nicht dem vom Beklagten ausgesprochenen Verkehrsverbot nach § 69 AMG. Handelt es sich dagegen rechtlich um ein Fertigarzneimittel, fehlt ihm die erforderliche Zulassung, da es unstreitig weder in Deutschland noch sonst im Bereich der Europäischen Union eine Verkehrsgenehmigung als Arzneimittel hat.

Angesichts der fortgeschrittenen EG-Harmonisierung des Arzneimittelrechts und des Lebensmittelrechts ist zunächst klarzustellen, wer die Qualifizierungszuständigkeit bei der grenzüberschreitenden Verbringung eines Produkts innerhalb der EG hat. Abgesehen von der hier nicht gegebenen Ausnahme einer gemeinschaftsrechtlichen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22.7.1993 für das Produkt verbleibt die Qualifizierung den nationalen Behörden und Gerichten. Auf eine Vorlage des OVG Münster hin mit dem Ziel einer EG-weiten Qualifizierung eines Produkts durch den EuGH hat der EuGH nach seinem Rechtsverständnis das Europarecht auszulegen, ist aber nicht befugt, über den Sachverhalt zu entscheiden und die Einstufung von Produkten als Arzneimittel oder Lebensmittel gemeinschaftsweit selbst vorzunehmen.

EuGH, Urteil vom 9.6.2005 – u.a. C – 211/03 -, betreffend die Einfuhr streitiger Nahrungsergänzungsmittel von den Niederlanden nach Deutschland auf eine Vorlage des OVG Münster, im Folgenden als Lactobact-Urteil bezeichnet.

Zuständig für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist, sind nach der Rechtsprechung des EuGH die nationalen Behörden.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 30; ebenso schon EuGH, Urteil vom 16.4.1991 – Upjohn – Rz 35.

Die Einfuhr eines Produkts berührt zwar sowohl den Ausfuhrmitgliedstaat als auch den Einfuhrmitgliedstaat. Bei streitiger Zulässigkeit der Marktverwertung nach Einfuhr entscheidet indessen der jeweilige Einfuhrmitgliedstaat über die Einstufung als Arzneimittel oder Lebensmittel ohne Bindung an die Auffassung des Ausfuhrmitgliedstaats.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 56; ebenso EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz 53.

Die nationalen Behörden des Einfuhrmitgliedstaates, hier der Beklagte, haben mithin die Einstufung des streitigen Produkts mit Wirkung nur für ihren Staat vorzunehmen. Die Kontrolle der richtigen Einstufung ist sodann Sache der nationalen Gerichte.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 96 und 97; ebenso EuGH, Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Delattre-Urteil, Rz 35.

Mithin hat der Senat in dem vorliegenden Berufungsverfahren über die Einstufung des streitigen Produkts in Deutschland ohne Vorlage an den EuGH selbst zu entscheiden.

Die Anfechtungsklage hat Erfolg, wenn noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts besteht.

Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 34.

Der hier streitige Untersagungsbescheid vom 23.1.2002 auf der Grundlage von § 69 I Nr. 1 AMG verbietet das Inverkehrbringen des streitigen Produkts ab Bekanntgabe (25.1.2002) auf Dauer. Dauerverwaltungsakte sind häufig – so auch hier – als sich ständig aktualisierende Verwaltungsakte anzusehen, für die sodann verändertes neues Recht ebenfalls zu beachten ist.

Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 43; Bader u.a., VwGO, 3. Auflage 2005, § 113 Rdnr. 34.

Der Senat legt seiner Entscheidung das im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltende neue Recht zugrunde und geht auf älteres Recht seit 25.1.2002 (Bescheidbekanntgabe) zusätzlich ein.

Die Klägerin begehrt die Einstufung ihres Produkts als Lebensmittel.

Nach dem ab 7.9.2005 geltenden deutschen Recht werden Lebensmittel in § 2 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches – LFGB – vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618) wie folgt definiert:

Lebensmittel sind Lebensmittel im Sinne des Artikels 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.

Mit Blick auf älteres Recht galt zwar bis zum 6.9.2005 formell noch die Lebensmitteldefinition des § 1 I LMBG in der Fassung vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296) mit folgendem Wortlaut:

Lebensmittel im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, in unverändertem, zubereitetem oder verarbeitetem Zustand von Menschen verzehrt zu werden; ausgenommen sind Stoffe, die überwiegend dazu bestimmt sind, zu anderen Zwecken als zur Ernährung oder zum Genuss verzehrt zu werden.

Diese Definitionsvorschrift musste aber bereits seit 21.2.2002 wegen des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts unangewendet bleiben. Die Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002, in Kraft getreten nach Artikel 65 am 21.2.2002, ist nach Artikel 65 der Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Einer Umsetzung bedurfte es mithin nicht. Das Gemeinschaftsrecht hat gegenüber dem nationalen Recht einen Anwendungsvorrang.

Vgl. mit näherer Begründung sowohl aus dem Gemeinschaftsrecht als auch aus dem deutschen Recht mit Blick auf Artikel 23 GG Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnrn. 27 bis 29.

Für die Lebensmitteldefinition ist mithin auszugehen von der Gesamtdefinition (positive und negative Abgrenzung) nach Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 – im Folgenden Lebensmittelverordnung -, die insoweit nicht abgeändert worden ist durch die Änderungsverordnung (EG) Nr. 1642/2003 vom 22.7.2003. Die europäische Lebensmitteldefinition enthält in Artikel 2 I eine Positivdefinition und in Artikel 2 III eine Negativdefinition, auf die nacheinander einzugehen ist. Die Positivdefinition in Artikel 2 I Lebensmittelverordnung lautet:

Im Sinne dieser Verordnung sind „Lebensmittel“ alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.

Wie die Klägerin zu Recht hervorhebt, stellt die europäische Definition nicht mehr wie die deutsche Definition ausdrücklich auf den Ernährungs- oder Genusszweck ab. Sie ist von dem europäischen Verordnungsgeber bewusst weit gefasst. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem Erwägungsgrund 11 der Lebensmittelverordnung, wonach die Definition für ein hinreichend umfassendes einheitliches Konzept der Lebensmittelsicherheit weit gefasst werden müsse.

Das Produkt der Klägerin fällt nach der Auffassung des Senats bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung unter die weite europäische Positivdefinition eines Lebensmittels. Normativ vorausgesetzt sind zunächst einmal „Stoffe“. Das Produkt der Klägerin enthält ausweislich der in Fotokopie vorgelegten Faltschachtel sowohl nach dem jetzigen Stand von 2005 als auch dem von 2002 als einzigen Inhaltsstoff 400 mg indischen Weihrauchtrockenextrakt pro Tablette. Weiterhin ist der Stoff dazu bestimmt, in verarbeitetem Zustand – als Trockenextrakt und mit den Bindemitteln einer Tablette – von Menschen aufgenommen zu werden. Dies ist der Fall, denn nach der Verzehrempfehlung soll täglich eine Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit verzehrt werden. Zugunsten der Klägerin ist damit die weite europäische Positivdefinition der Lebensmittel erfüllt.

Weiter geht der Senat noch mit Blick auf den Zeitabschnitt Januar/Februar 2002 auf den Streit der Beteiligten um die engere deutsche Positivdefinition ein, die nach § 1 I des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes – LMBG – vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296) noch zusätzlich einen Ernährungs- oder Genusszweck verlangt. Die Klägerin hat den Genusszweck einleuchtend mit drei Gutachten begründet, wonach Weihrauch seit Jahrtausenden verwendet wird, einen bitterlichen, eigenartigen Geschmack hat, sich für Gewürzzwecke eignet und ein gesundes, natürliches Gewürz darstellt.

Gutachten von Prof. Dr. Bertram vom 22.2.2001, Behördenakte Bl. 50, im Folgenden zitiert als Gutachten Bertram, dort S. 1 und S. 4; ebenso das Erstgutachten des Dipl.-Chemikers Reuss vom 10.1.2001, Behördenakte Blatt 3, im Folgenden zitiert als Gutachten Reuss, dort S. 1 zu Aromaeffekten und S. 3 zur Gewürzfunktion, sowie eingehender zu Genusszweck und ernährungsspezifischer Wirkung das weitere Gutachten des Dipl.-Chemikers Reuss vom 15.6.2003, in der Berufungsakte 3 R 7/05, im Folgenden zitiert als Zusatzgutachten Reuss.

Der Beklagte hat dem in einer relativ engen Betrachtungsweise entgegengehalten, der Weihrauch werde nach der Anwendungsvorschrift nicht als Gewürz gestreut und erfülle insofern nicht den Lebensmittelbegriff. Das überzeugt nicht, denn die deutsche Lebensmitteldefinition stellt in § 1 I LMBG auf den Verzehr selbst und nicht auf besondere Formen des Verzehrs wie etwa die Anwendung von Gewürzen nur als Streumittel ab. In der Kommentierung zur deutschen Lebensmitteldefinition ist anerkannt, dass Stoffe, die einen spezifischen Geruchs- oder Geschmackswert aufweisen wie Gewürze oder Aromastoffe, jedenfalls dem Lebensmittelbegriff unterliegen.

Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 42, zum bisherigen deutschen Recht.

Mithin liegt nachweislich ein Aromastoff vor, der auch nach der engeren deutschen Positivdefinition als Lebensmittel anzusehen ist. Für die weitere europäische Positivdefinition genügt wie bereits dargelegt bereits die Bestimmung zur Aufnahme durch Menschen. Genussmittel und Aromastoffe sind von der europäischen Definition ohne Weiteres umfasst, was sich zusätzlich noch durch die besondere Bestimmung des Artikel 2 II Lebensmittelverordnung ergibt, wonach Kaugummi – und damit ein Genussmittel - ausdrücklich zu den Lebensmitteln gerechnet wird.

Vgl. zur deutschen Lebensmitteldefinition Zipfel/Rathke § 1 LMBG Rdnr. 31, wonach Kaugummi wegen des Genusszwecks ein Lebensmittel darstellt.

Nach allem erfüllt das Produkt der Klägerin nach der Auffassung des Senats die europäische Positivdefinition eines Lebensmittels, die bereits seit 21.2.2002 gilt, und zuvor (25.1.-20.2.2002) die deutsche Positivdefinition.

Rein vorsorglich geht der Senat noch auf den Streit der Beteiligten um die derzeitige europäische Zusatzeinstufung als Nahrungsergänzungsmittel ein. Bereits die dosierte Abgabe des Produkts in Tablettenform spricht dafür, dass zusätzlich zu der allgemeinen Lebensmitteldefinition derzeit auch die Positivdefinition eines Nahrungsergänzungsmittels erfüllt ist. Nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG vom 10.6.2002 lautet die europäische Positivdefinition wie folgt:

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck „Nahrungsergänzungsmittel“ Lebensmittel, die dazu bestimmt sind, die normale Ernährung zu ergänzen und die aus Einfach- oder Mehrfachkonzentraten von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung bestehen und in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, d.h. in Form von z.B. Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen (es folgen weitere Darreichungsformen).

Damit ist im Jahr 2002 erstmals eine gemeinschaftsrechtliche Regelung der Nahrungsergänzungsmittel erfolgt. Die deutsche Umsetzung ist durch die Nahrungsergänzungsmittelverordnung vom 24.5.2004 mit Wirkung vom 28.5.2004 erfolgt, die in § 1 eine inhaltsgleiche Definition enthält. Der EuGH hat die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie nach dem zutreffenden Hinweis der Klägerin dahingehend gewürdigt, dass sie eine gewisse Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften für die dort definierten Nahrungsergänzungsmittel vornimmt.

EuGH, Lactobact-Urteil Rz 70.

Nahrungsergänzungsmittel müssen sowohl nach der europäischen Definition als nach der umgesetzten inhaltsgleichen deutschen Definition zunächst einmal Lebensmittel sein. Insofern ist nach den bisherigen Darlegungen des Senats – allein – die positive Lebensmitteldefinition erfüllt. Weiter kommt es auf den Nahrungsergänzungszweck an. Darauf weist die Faltschachtel des Produkts der Klägerin ausdrücklich hin; insofern bestehen keine Bedenken. Die Frage, ob Weihrauch ein Nährstoff oder ein sonstiger Stoff ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ein Nährstoff liegt zwar nicht vor, da das Produkt keine der nach Artikel 4 I in Verbindung mit Anhang I der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe enthält und dies in gleicher Weise für das umgesetzte Recht nach § 3 I und Anlage 1 der deutschen Nahrungsmittelergänzungsverordnung gilt. Mit sonstigen Stoffen ist nach dem Erwägungsgrund 6 der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie eine breite Palette von Stoffen gemeint, die auch Kräuterextrakte einschließt und damit erkennbar auch Aromastoffe. Ein Aromastoff liegt wie dargelegt vor.

Weiterhin müssen nach der Definition die sonstigen Stoffe eine ernährungsspezifische oder physiologische Wirkung haben. Mit dem Ausdruck physiologisch sind sprachlich die Lebensvorgänge im Organismus gemeint.

Duden, Das Fremdwörterbuch, 7. Auflage 2001, Stichwort Physiologie; ebenso im Sinne der Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Physiologie.

Demgegenüber bezieht sich die ernährungsspezifische Wirkung speziell auf die Lebensvorgänge bei der Ernährung. Dazu mag die von der Klägerin aufgestellte Behauptung der Auswirkungen etwa auf den Cholesterin-Haushalt gehören. Entscheidungserheblich ist das nicht. Ernährungsspezifische Bedeutung kann bereits ein Stoff mit bitterem Geschmack – wie hier - haben.

Vgl. Zipfel/Rathke, § 1 LMBG Rdnr. 37, dort im Zusammenhang mit der Verwendung von bitterem Chinin aus ernährungsphysiologischen Gründen.

Die Klägerin hat nunmehr mit der Vorlage des Zusatzgutachtens Reuss einleuchtend nachgewiesen, dass Weihrauchextrakt aus ernährungsspezifischer Sicht die Lebensmittel bekömmlicher macht und die Freisetzung von Verdauungssekreten vorbereitet.

Zusatzgutachten Reuss vom 15.6.2003, in der Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 97.

Mindestens liegt aber als physiologische Wirkung die Geschmackswirkung eines Aromastoffs vor. Das genügt der Richtlinie.

Weiter muss nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie und § 1 I Nr. 3 der deutschen Nahrungsergänzungsmittelverordnung ein Produkt in dosierter Form, insbesondere in Form von Tabletten vorliegen. Dies trifft auf das Produkt der Klägerin zu.

Nach dem vom Senat gefundenen Zwischenergebnis erfüllt das streitige Produkt der Klägerin entgegen der Meinung des Beklagten von Anfang an und auch jetzt die europäische und deutsche Positivdefinition eines Lebensmittels und die europäische Positivdefinition eines Nahrungsergänzungsmittels seit Erlass der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie.

Nach der Positivdefinition ist die Negativdefinition zu beachten.

Die als Verordnung unmittelbar verbindliche europäische Lebensmittelverordnung enthält neben der positiven Definition der Lebensmittel in Artikel 2 Abs. 3 auch eine Negativdefinition. Artikel 2 Abs. 3 lit. d lautete:

Nicht zu „Lebensmitteln“ gehören: Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG (21) und 92/73/EWG (22) des Rates.

Durch Artikel 128 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83 EG vom 6.11.2001 sind alle Bezugnahmen auf die bereits aufgehobenen älteren Arzneimittelrichtlinien durch die Bezugnahme auf die Humanarzneimittelrichtlinie ersetzt. Nicht zu den Lebensmitteln gehören mithin nach der Norm seit 2001 Arzneimittel im Sinne der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83 EG.

Wesentlich ist für die weitere Subsumtion, dass die Negativdefinition allein auf Gemeinschaftsrecht verweist, die Umsetzung des Arzneimittelbegriffs aus den Richtlinien in nationales Recht mithin nach der Verordnung für die Negativabgrenzung außer Betracht bleiben muss.

Die dargelegte europäische Negativabgrenzung zu einem Arzneimittel ist systemgleich für Lebensmittel im Allgemeinen und für die Untergruppe der Nahrungsergänzungsmittel. Die Klägerin meint zwar (Schriftsatz vom 6.10.2005), die Untergruppe der Nahrungsergänzungsmittel sei wegen der besonderen Harmonisierung anders zu beurteilen als die übrigen Lebensmittel und bezieht dies möglicherweise auch auf die Abgrenzung zu Arzneimitteln. Die Abgrenzung ist aber für Lebensmittel im Allgemeinen und Nahrungsergänzungsmittel systemgleich. Dies ergibt sich sowohl aus dem Normvergleich als auch der Rechtsprechung des EuGH. Die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG führt die Negativabgrenzung in Artikel 1 II wie folgt durch:

Diese Richtlinie gilt nicht für Arzneimittel, die in der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel definiert sind.

Eine „synchrone“ Abgrenzung von Nahrungsergänzungsmitteln und allgemeinen Lebensmitteln einerseits gegenüber Arzneimitteln andererseits wird vom Richtliniengeber zusätzlich dadurch erreicht, dass er in Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie Nahrungsergänzungsmittel ausdrücklich als Lebensmittel mit näher gekennzeichneten Eigenschaften definiert, mithin bereits die Lebensmitteldefinition in Artikel 2 der europäischen Lebensmittelverordnung erfüllt sein muss.

Die normativ angelegte synchrone Abgrenzung wird auch deutlich in dem Lactobact-Urteil des EuGH vom 9.6.2005. In dem Vorabentscheidungsverfahren ging es in dem Ausgangsverfahren des OVG Münster um Produkte, die von den Niederlanden nach Deutschland eingeführt und dort als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht werden sollten (Lactobact-Urteil Rz. 20). Der EuGH hat in diesem Urteil (Rz. 41 und 42) die beiden Abgrenzungsregelungen in Artikel 2 Abs. 3 Buchstabe d der Lebensmittelverordnung und Artikel 1 Abs. 2 der Nahrungsergänzungsrichtlinie synchron behandelt und als inhaltsgleich angesehen. Für die weitere gemeinschaftsrechtliche Prüfung kommt es ohne Differenzierung zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln mithin nur darauf an, ob das Produkt der Klägerin gleichzeitig ein Arzneimittel nach dem europäischen Arzneimittelbegriff ist.

Der Senat prüft nunmehr das Vorliegen eines Arzneimittels. Maßgebend ist dafür das Gemeinschaftsrecht.

Normativ war der europäische Arzneimittelbegriff von vornherein (seit 1965) doppelt angelegt und ist es auch jetzt. Arzneimittel sind sowohl Präsentationsarzneimittel als auch Funktionsarzneimittel.

Vgl. für die ursprüngliche Rechtslage Artikel 1 Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965; sodann Artikel 1 Nr. 2 Abs. 1 und 2 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001; nunmehr in der geänderten Fassung von Artikel 1 der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 30.10.2005.

Die beiden Arzneimitteldefinitionen sollen sich nach der Rechtsprechung des EuGH ergänzen.

Urteil des EuGH Upjohn vom 16.4.1991 – C 112/89 -, Rz. 15 bis 18.

Mit der Definition des Präsentationsarzneimittels, das lediglich als Arzneimittel bezeichnet ist, sollen nicht nur Arzneimittel erfasst werden, die tatsächlich therapeutische oder medizinische Wirkung haben, sondern auch die Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind. Die zweite Definition der Funktionsarzneimittel betrifft Erzeugnisse, die zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt sind und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben können. Durch die zweite Definition sollen auch Stoffe erfasst werden, die Heilungswirkung haben, aber nicht als Arzneimittel bezeichnet werden. Auf die formelle Zulassung kommt es nach beiden Definitionen nicht an.

Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Produkt der Klägerin kein Präsentationsarzneimittel ist. Bereits auf der im Jahr 2002 verwendeten Faltschachtel (Fotokopie VG-Akte Bl. 93) wird das Mittel als Nahrungsergänzung bezeichnet mit einer Verzehrempfehlung. Auf der neuen 2005 verwendeten Faltschachtel (Fotokopie Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 51) wird das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet und sie enthält den Hinweis, es sei kein vollständiges Lebensmittel und daher nicht als einzige Nahrungsquelle geeignet. Wesentlich für die Subsumtion ist noch, dass die Faltschachtel keinerlei Hinweis auf pharmazeutische Forschung enthält oder auf von Ärzten entwickelte Methoden oder Zeugnisse bestimmter Ärzte zugunsten der Eigenschaften des Produkts.

Zu diesen Kriterien eines Präsentationsarzneimittels vgl. das Delattre-Urteil des EuGH vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 41.

Auch der Beklagte meint, die Klägerin habe eine Präsentation als Arzneimittel vermieden. Mithin ist der Ausschluss eines Präsentationsarzneimittels übereinstimmend mit der Meinung der Beteiligten unproblematisch.

Schwieriger ist die Streitfrage zwischen den Beteiligten zu entscheiden, ob inhaltlich ein Funktionsarzneimittel vorliegt. Die Klägerin verneint dies für die maßgebende Tagesdosis von 400 mg Weihrauch, der Beklagte bejaht die Eigenschaft als Funktionsarzneimittel. Beide haben dafür wissenschaftliche Unterlagen und Gutachten vorgelegt.

Vorweg ist klarzustellen, dass der Inhaltsstoff Weihrauch unstreitig weder in der EG noch in einem Staat der EG über eine Marktgenehmigung als Arzneimittel verfügt und damit auch nicht im Ausfuhrland Österreich (vgl. insbesondere Schriftsatz der Klägerin vom 6.10.2005, S. 4/5, Gerichtsakte 3 R 7/05, Bl. 49/50). Die fehlende Zulassung steht aber der Einstufung als Funktionsarzneimittel von vornherein nicht entgegen, denn nach der Rechtsprechung des EuGH müssen Funktionsarzneimittel nicht als Arzneimittel bezeichnet sein.

EuGH im Upjohn-Urteil vom 16.4.1991, Rz. 18.

Da sie in einer solchen Aufmachung nicht zugelassen werden könnten, ist die Zulassung schon deshalb kein Definitionselement des Funktionsarzneimittels.

Zum begrifflichen Verständnis des europäischen Funktionsarzneimittels geht der Senat auf die Normentwicklung ein.

Die ursprüngliche Definition in Artikel 1 Nr. 2 Abs. 2 der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965 lautete:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktionen angewandt zu werden.

Innerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des streitigen Untersagungsbescheides vom 23.1.2002 galt zunächst die Arzneimitteldefinition nach Artikel 1 Nr. 2 Abs. 2 der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001 in der ursprünglichen Fassung mit folgendem Wortlaut:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden, gelten ebenfalls als Arzneimittel.

Dem entspricht im Übrigen die ab 2002 geltende Umsetzung in § 2 I Nr. 5 AMG in der Fassung vom 20.6.2002 (BGBl. I. S. 2076) mit folgendem Wortlaut:

Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.

Nunmehr wird das europäische Funktionsarzneimittel nach Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe b der Humanarzneimittelrichtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 wie folgt definiert:

Alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

Die letztgenannte aktuelle Definition des Funktionsarzneimittels erschließt sich wegen der zahlreichen medizinischen Fachausdrücke auch bei Hinzuziehung von Fachlexika nicht ohne weiteres, wird aber durch die dargelegte Normgeschichte und die insbesondere noch darzulegende Rechtsprechung des EuGH insgesamt verständlicher. Die Definition soll zunächst wissenschaftsbezogen und alsdann an Hand der Rechtsprechung des EuGH verständlich gemacht werden.

Nach der aktuellen Definition muss ein Funktionsarzneimittel physiologische Funktionen wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen. Das Wort Physiologie bezeichnet die Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen.

Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Stichwort Physiologie; Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Physiologie.

Bei der Physiologie geht es wissenschaftsbezogen insbesondere um die physikalischen Funktionen des Organismus.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, Stichwort Physiologie.

Die bereits zitierte ursprüngliche Definition in der Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG hatte dafür den allgemein verständlichen Ausdruck Körperfunktionen verwendet, der die Bedeutung auch in der aktuellen Fassung zutreffend wiedergibt. Auch der EuGH verwendet in einem neueren Urteil von 2004 noch den Ausdruck Körperfunktionen mit Blick auf Funktionsarzneimittel.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58.

Nach der neuesten Definitionsfassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG wird die Art der Beeinflussung noch präzisiert. Es muss sich um eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung handeln. Bei der Immunologie geht es um die Erkennungs- und Abwehrmechanismen des Organismus gegenüber körperfremden Substanzen und metabolisch bedeutet den Stoffwechsel betreffend.

Beide Definitionen aus Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwörter Immunologie und metabolisch.

Fallbezogen von Bedeutung ist nur die pharmakologische Wirkung eines Stoffes. Aus wissenschaftlicher Sicht ist unter Pharmakologie die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen und Organismus zu verstehen einschließlich dem Untergebiet Toxikologie.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakologie.

Die Pharmakologie betrifft ambivalent sowohl die Heilwirkung als auch die Giftwirkung eines Stoffes. Auch die Klägerin bezieht in ihrem Schriftsatz vom 6.12.2005 die toxische Dosierung in die pharmakologische Wirkung ein. Aus wissenschaftlicher Sicht bedeutet ein Pharmakon einen körperfremden oder körpereigenen Stoff, der nach Aufnahme im Körper oder an dessen Oberfläche erwünschte oder schädliche Wirkungen hervorruft.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakon.

Aus der Sicht der Pharmakologie wirken viele Pharmaka dosisabhängig entweder als Arzneimittel oder als Gift.

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004, Stichwort Pharmakon.

Quantitativ wird das in der Dosis-Wirkungs-Kurve erfasst.

Hunnius, Stichwort Dosis-Wirkungs-Kurve.

Bei diesem wissenschaftlichen Verständnis umfasst das Funktionsarzneimittel mit seiner pharmakologischen Wirkung nicht nur den Bereich einer positiven, therapeutischen Beeinflussung der Körperfunktionen, sondern auch den Bereich einer negativen, schädlichen Beeinflussung der Körperfunktionen. Kurz gesagt umfasst ein Funktionsarzneimittel positive und negative Auswirkungen auf die Gesundheit.

Das dargelegte wissenschaftsbezogene Verständnis der Definition entspricht auch dem praktischen Verständnis der europäischen Definition nach der Rechtsprechung des EuGH.

Der EuGH hat in einer neueren Entscheidung vom 29.4.2004 – C – 387/99 – betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58, eine allgemein verständliche Definition des europäischen Funktionsarzneimittels gegeben:

Für die Einstufung eines Erzeugnisses als Arzneimittel nach der Funktion müssen sich die Behörden daher vergewissern, dass es zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt ist und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben kann.

Aus demselben Urteil des EuGH vom 29.4.2004 ergibt sich auch, dass er die Auswirkungen auf die Gesundheit ambivalent, als sowohl positiv als auch negativ versteht, da er im Rz. 56 die positive Wirkung der Vitamine zu therapeutischen Zwecken und in Rz. 60 die unterschiedlichen Auswirkungen auf die Gesundheit einschließlich etwaiger Schädlichkeitsgrade anspricht.

Die ambivalenten heilenden oder schädigenden Gesundheitswirkungen machen wie dargelegt die Besonderheit eines Pharmakons aus. Auf der Normebene hat erst die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG die pharmakologische Wirkung ausdrücklich in die Definition des Funktionsarzneimittels aufgenommen. Damit hat der Richtliniengeber aber kein Neuland betreten, sondern die bisherige Rechtsprechung des EuGH übernommen, der in ständiger Rechtsprechung auf die pharmakologischen Eigenschaften des abzugrenzenden Produkts abstellt.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 – betreffend Vitaminpräparate Rz. 62; Upjohn Urteil vom 16.4.1991 – C – 112/89 -, Rz. 23, 24; Delattre-Urteile vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 26.

Die pharmakologischen Eigenschaften des Produkts werden damit als wesentlicher Gesichtspunkt für die Abgrenzung betrachtet. In der Rechtsprechung des EuGH drücken die pharmakologischen Eigenschaften zusammenfassend das aus, was mit der Beeinflussung der Körperfunktionen und somit Auswirkungen auf die Gesundheit konkreter umrissen ist. Deutlich wird der Zusammenhang insbesondere in dem Urteil Upjohn vom 16.4.1991 – C – 112/89 -, Rz. 17-24, in dem zunächst die Beeinflussung der Körperfunktionen mit Auswirkungen auf die Gesundheit dargelegt wird (Rz. 17), im Folgenden die Beeinflussung der Körperfunktionen näher erläutert wird (Rz. 19-22) und im unmittelbaren Anschluss daran (Rz. 23 und 24) zusammenfassend entschieden wird, dass das nationale Gericht auf die pharmakologischen Eigenschaften des betreffenden Erzeugnisses abstellen muss.

Übereinstimmend mit der bisherigen Rechtsprechung definiert der EuGH in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 52, den Rechtsprechungsbegriff der pharmakologischen Eigenschaften wirkungsbezogen wie folgt:

Die pharmakologischen Eigenschaften eines Erzeugnisses sind der Faktor, auf dessen Grundlage die mitgliedstaatlichen Behörden ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten dieses Erzeugnisses zu beurteilen haben, ob es im Sinne des Artikels 1 Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83 dazu bestimmt ist, im oder am menschlichen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen angewandt zu werden.

Die dargelegte Definition der pharmakologischen Eigenschaften klingt etwas kompliziert, fasst aber nur die bisherige Rechtsprechung zusammen, wonach der Begriff der pharmakologischen Eigenschaften konkret die Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der menschlichen physiologischen Funktionen (Körperfunktionen) bedeutet. Die pharmakologischen Eigenschaften entsprechen also den pharmakologischen Wirkungen im Sinne des neuen Rechts.

Nach dem dargelegten Gesamtzusammenhang ist der bisherige Rechtsprechungsbegriff der pharmakologischen Eigenschaften von dem Richtliniengeber in der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG in Form einer pharmakologischen Wirkung in den Normtext aufgenommen worden. Die im Jahr 2004 geänderte Definition des Funktionsarzneimittels führt mithin nicht zu einer substanziellen Rechtsänderung.

In der Substanz der europäischen Arzneimitteldefinition geht es nach wie vor darum, ob ein Produkt zur Wiederherstellung, Besserung oder Beeinflussung der Körperfunktionen bestimmt ist und somit Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen haben kann.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, betreffend Vitaminpräparate, Rz. 58.

Klar zu unterscheiden von der Auslegung der europäischen Normen, die der EuGH vorgenommen hat, ist die Rechtsanwendung. Im Lactobactfall des EuGH zielte die Vorlagefrage 1 a des OVG Münster, vgl. in der Wiedergabe des EuGH Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 25, unmittelbar auf die Feststellung, ob das Produkt Lactobact Lebensmittel oder Arzneimittel ist mit gegebenenfalls Verbindlichkeit für alle Mitgliedstaaten. Der EuGH hat in dem Lactobact-Urteil (Rz. 96) mit Blick auf die klare Aufgabentrennung zwischen nationalen Gerichten und Gerichtshof klargestellt, dass er im Vorlageverfahren nicht befugt ist über den Sachverhalt zu entscheiden und dass es vielmehr Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Einstufung selbst vorzunehmen (Rz. 97). Ungeachtet dessen hat der EuGH in dem Lactobact-Urteil sowie schon zuvor Rechtsanwendungshinweise gegeben, die sich im Sinne einer Vollständigkeitsanforderung zusammenfassen lassen. Bei der Beurteilung eines Erzeugnisses müssen die Behörden (Lactobact-Urteil Rz. 51), alle seine Merkmale, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen -, die Modalitäten seines Gebrauchs, den Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann, berücksichtigen.

Zur Klarstellung weist der Senat aber darauf hin, dass die Berücksichtigung sämtlicher Merkmale nicht deren Gleichrangigkeit bedeutet. Während die Wirkungen des Produkts auf die Körperfunktionen und damit die Gesundheitsauswirkungen als pharmakologische Eigenschaften schon definitionsgemäß wesentliche Bedeutung haben, hat der EuGH im Lauf seiner Rechtsprechung die Bedeutung der anderen Merkmale zu Hilfsmerkmalen herabgestuft. So hat er entschieden, dass etwa die äußere Form des Produkts kein allein ausschlaggebendes Indiz ist und die Modalitäten des Gebrauchs ein nicht an sich ausschlaggebender Umstand sind.

Vgl. zum Ersteren Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 38 und zum Letzteren Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 31.

Weiterhin hat eine unterschiedliche Verbreitung und Verbraucherbekanntheit des Produkts als Arzneimittel oder Lebensmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten keine unmittelbar ausschlaggebende Wirkung, da der EuGH die unterschiedliche Einstufung von Erzeugnissen als Arzneimittel oder Lebensmittel in verschiedenen Mitgliedstaaten als rechtlich zulässig betrachtet.

EuGH im Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 56.

Nach der BGH-Rechtsprechung haben für die Produkteinstufung nach dem gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff Werbeangaben in Zeitschriften verglichen mit den pharmakologischen Wirkungen keine ausschlaggebende Bedeutung.

BGH, Urteil vom 11.7.2002 – I ZR 273/99 -, Juris-Ausdruck Rz. 23.

Der BGH gewichtet die pharmakologische Wirkung der Präparate deutlich stärker als die Verbraucherkenntnisse aus den Medien, was auch dem Sinn der EuGH-Rechtsprechung entspricht. Der EuGH schließt nicht aus, dass ein Produkt im Verkehr im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, aber dennoch ein Arzneimittel im Sinne des europäischen Rechts ist.

EuGH, Urteil Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 21.

Die allgemeine Verkehrsauffassung ist also nicht ausschlaggebend.

Damit sind die Grundlagen der Einstufung eines Produkts als europäisches Funktionsarzneimittel geklärt.

Auf der dargelegten Grundlage bedarf es einer konkreten Prüfung, ob das Produkt der Klägerin ein Funktionsarzneimittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts ist.

Der Senat nimmt diese Prüfung von Amts wegen vor, worauf die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden sind. Dabei sind die von den Beteiligten vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen und Gutachten gleichrangig heranzuziehen.

Nach der vom EuGH geforderten Berücksichtigung aller Merkmale des Produkts ist zunächst die Zusammensetzung zu betrachten. Ausweislich der fotokopierten Faltschachteln von 2002 und 2005 (VG-Akte Bl. 93/94 und OVG-Akte 3 R 7/05 Bl. 51) besteht das Mittel abgesehen von hier nicht interessierenden Tablettenhilfsstoffen nur aus einem Inhaltsstoff, nämlich indischem Weihrauchtrockenextrakt von 400 mg pro Tablette; die Verzehrempfehlung lautet:

Täglich 1 Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit verzehren.

Die neue Faltschachtel von 2005 enthält zusätzlich den Hinweis, dass die täglich empfohlene Verzehrempfehlung nicht überschritten werden soll. Aus der Verzehrempfehlung ergibt sich zugleich, dass der Inhaltsstoff im menschlichen Körper verwendet werden soll.

Sodann sind im Sinne des EuGH Prüfungsschwerpunkt die pharmakologischen Eigenschaften des Inhaltsstoffs Weihrauch. Es kommt darauf an, ob Weihrauchextrakt physiologische Funktionen beeinflusst, und zwar durch eine pharmakologische Wirkung. Wie bereits dargelegt bedeutet die Prüfung einfacher ausgedrückt, ob Weihrauchextrakt Körperfunktionen beeinflusst mit positiven oder negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.

Nach den dem Senat vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten zum Wirkstoff Weihrauch handelte es sich ursprünglich um ein traditionelles Mittel in Indien.

Vgl. umfassend die auf Anregung der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) durchgeführte Veröffentlichung von Privatdozent Safayhi und Prof. Dr. Ammon, Pharmakologische Aspekte von Weihrauch und Boswelliasäuren, im Folgenden zitiert als Safayhi/Ammon, in: Sonderdruck der Pharmazeutischen Zeitung Nr. 39, 142. Jahrgang 1997, S. 1 ff., dort S. 1 und S. 2; weiter Ammon Kurzbericht, Salai-Guggal – (Indischer Weihrauch), Gummiharz aus Boswellia serrata, in: Deutsches Ärzteblatt 95, Januar 1998, S. A-30 ff, im folgenden zitiert als Kurzbericht Ammon, dort S. A-30; zur traditionellen therapeutischen Verwendung in Asien und zur Herstellung des Therapeutikums in Indien; vgl. das von der Klägerin vorgelegte Gutachten von Prof. Dr. Bertram vom 22.2.2001 zur pharmakologischen Wirkung von Weihrauch, im Folgenden zitiert als Gutachten Bertram, dort S. 1 und S. 2.

Der Klägerin ist zuzustimmen, dass die Zuordnung eines Produkts zur traditionellen Ayurveda-Medizin ganzheitlich auch im Sinne einer gesunden Lebensweise mit geeigneten Lebensmitteln zu verstehen sein kann und für sich genommen nicht eine pharmakologische Wirkung nach modernen Wissenschaftsmaßstäben indiziert, vgl. zum ganzheitlichen Konzept der Ayurveda (Wissen vom Leben) Roche Lexikon Medizin, 5. Auflage 2003, Stichwort Ayurveda.

Die pharmakologischen Wirkungen der Hauptinhaltsstoffe von Weihrauch wurden indes in jüngster Zeit wissenschaftlich erforscht, und zwar in Untersuchungen ab 1986.

Gutachten Bertram, S. 1, und Jahreszahl bei Safayhi/Ammon, S. 2.

Das Hauptergebnis der bisherigen Forschung liegt nach der Angabe von Fachlexika sowie nach den von beiden Beteiligten vorgelegten wissenschaftlichen Unterlagen und Gutachten darin, dass Weihrauchextrakt mit seinem Gehalt an Boswelliasäuren Entzündungsprozesse beeinflusst.

Safayhi/Ammon, mit ausführlicher Darlegung der Entzündungsmodelle, S. 2 – S. 5; Kurzbericht Ammon, S. A-30; Gutachten Bertram, S. 2, wobei die Bezeichnung antiphlogistische Wirkungen entzündungshemmende Wirkungen bedeutet; Roche Lexikon Medizin, 5. Aufl. 2003, Stichwort Boswellia serrata, mit Hinweis auf die nachgewiesene Wirkung bei den Entzündungskrankheiten Colitis ulcerosa und Enteritis regionalis (Crohn-Krankheit) sowie unterstützend bei Polyarthritis; zurückhaltender im Sinne zugeschriebener Wirkungen bei Entzündungskrankheiten Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Aufl. 2004, Stichwort Boswellia serata unter Weiterverweisung auf das Stichwort Boswellia bhaw-dajiana; zurückhaltend ebenfalls das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Reuss, S. 1, wonach Weihrauch nach vorliegenden wissenschaftlichen Publikationen eine arzneiliche Wirkung haben soll und es (S. 2) für entzündliche Erkrankungen einen therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich gibt, positiv Bertsche/Schulz, Kurzbewertung, 2002, Berufungsakte 3 R 7/05 Bl. 71 R.; ebenso Gupta u.a., 2001, Zusammenfassung einer Forschungsarbeit zur Colitis, Berufungsakte 3 R 7/05, Bl. 75.

Die bei chronischen Entzündungen ablaufenden soweit hier einschlägigen Körperprozesse sind bei Safayhi/Ammon S. 2 und 3, als Kausalketten im Sinne eines Entzündungsmodells zusammengefasst. Danach ist die 5 – Lipoxygenase das Schlüsselenzym der Leukotrienbiosynthese. Die Produkte der 5 – Lipoxygenase, die Leukotriene, sind hochwirksame Mediatoren (Förderer) chronischer Entzündungen. Pharmazeutisch gesucht zur Entzündungsbekämpfung werden mithin Inhibitoren (Hemmstoffe), die bereits das Schlüsselenzym, die 5 – Lipoxygenase, hemmen. Solche Hemmstoffe sind zwar in der Forschung bekannt, haben aber regelmäßig reduzierende oder oxidierende Eigenschaften und wirken sich deshalb toxisch aus. Pharmazeutisch gesucht werden deshalb Inhibitoren der chronischen Entzündungen mit besserer Verträglichkeit. Die Boswelliasäuren – chemisch Triterpene - als Inhaltsstoffe des Weihrauchs erweisen sich nach den Forschungsergebnissen als nicht reduzierende oder oxidierende und insofern einmalige Hemmstoffe der Leukotriensynthese und damit chronischer Entzündungen (Safayhi/Ammon S. 4 mit einem Diagramm). Der bei Safayhi/Ammon eingehend dargelegte Wirkungsmechanismus der Leukotrienhemmung wird in anderen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und im Gutachten Bertram der Klägerin kurz dargestellt oder erwähnt.

Kurzbericht Ammon, a.a.O., S. A-31; Kurzbewertung Bertsche/Schulz, S. 1; das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Bertram, S. 2/3; zurückhaltend Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, Stichwort Boswellia serrata unter Weiterverweisung auf Boswellya bhaw-dajiana, positiv Bertsche/Schulz, S. 1; Gupta u.a., Zusammenfassung S. 1.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Boswelliasäuren, allerdings in wesentlich höheren Konzentrationen, auch zur Behandlung von Hirnödemen bei Tumoren eingesetzt werden.

Safayhi/Ammon, S. 7, dort zu einer täglichen Dosis von 3600 mg, Bertsche/Schulz, S. 2: mindestens 3600 mg.

Begrenzt auf die Behandlung von Ödemen bei Gehirntumoren und damit auf diesen hoch dosierten Anwendungsbereich ist der vorgelegte Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 (Berufungsakte Bl. 69 R) ergangen, der Weihrauchextrakt als potenzielles Arzneimittel für diese seltene Krankheit ausweist; auf die Rechtswirkung dieses Bescheides ist noch einzugehen.

Vorliegend ist wesentlich, dass Weihrauchextrakt abgesehen von diesem seltenen Anwendungsbereich ganz allgemein Entzündungen beeinflusst.

Der dargelegte Wirkungsmechanismus bei Entzündungen bedeutet im Sinne der Definition des EuGH, dass die Körperfunktionen beeinflusst werden, und zwar mit Auswirkungen auf die Gesundheit. Chronische Entzündungen werden mit positiver Gesundheitswirkung gehemmt. Bei dem Eingriff in die bei Entzündungen ablaufenden Körperprozesse handelt es sich um eine pharmakologische Wirkung hier im Sinne einer positiven therapeutischen Einwirkung. Eine pharmakologische Wirkung von Weihrauch wird in der Veröffentlichung von Safayhi/Ammon (S. 8) ausdrücklich bejaht. Auch das von der Klägerin selbst vorgelegte Gutachten Bertram gibt an, dass die pharmakologischen Wirkungen der Hauptinhaltsstoffe von Weihrauch erst in jüngster Zeit systematisch beforscht wurden (S. 1), weist auf antientzündliche Wirkungen hin und gibt dazu den wahrscheinlichen Wirkmechanismus an (S. 2).

Damit ist aber nach den vorliegenden Forschungsergebnissen die Wirkung von Weihrauchextrakt auf Entzündungsprozesse noch nicht erschöpft. Weihrauchextrakt kann auch den umgekehrten Effekt haben, dass er – nunmehr in niedriger Konzentration – Entzündungsprozesse fördert. Die pharmakologische Wirkung soll vom Sinn her - dem Gesundheitsschutz des Verbrauchers - die ambivalenten Gesundheitswirkungen insgesamt erfassen. Insofern greift die Argumentation der Klägerin zu kurz, die negative Gesundheitsauswirkungen nur bei Überdosierung, nicht bei Unterdosierung in den Blick nimmt. Ergeben wie hier beim Weihrauchextrakt Forschungsergebnisse eine negative Gesundheitsauswirkung ausnahmsweise bei Unterdosierung, muss sie zum Gesundheitsschutz auch rechtlich als pharmakologische Wirkung beachtet werden.

Das „Umkippen“ der Wirkung erklärt sich aus der chemischen Vielfalt von Weihrauchextrakt. Es gibt keinen einheitlichen Wirkstoff Boswelliasäure, sondern unterschiedliche Boswelliasäuren mit unterschiedlichen pharmazeutischen Wirkungen.

Bertsche/Schulz, S. 1; konkreter zu den unterschiedlichen Boswelliasäuren und ihren Wirkungen vgl. bei Safayhi/Ammon, S. 4, die Tabelle 1; zum Gehalt von indischem Weihrauch an pentazyklischen (fünfringigen) Triterpensäuren und tetrazyklischen (vierringigen) Triterpensäuren Gutachten Bertram, S. 2.

Wesentlich ist das Zusammenwirken der Inhaltsstoffe, die auch antagonistisch (im Sinne der Gegenwirkung) wirken können.

Safayhi/Ammon S. 5 und S. 8, Bertsche/Schulz, S. 1.

Eine hinreichend starke Gegenwirkung bedeutet konkret, dass Weihrauchextrakt dann die Leukotriensynthese und damit den chronischen Entzündungsprozess verstärkt. Gerade für einen solchen Umkehreffekt liegen Forschungsergebnisse vor.

Schlusswort Ammon als Ergänzung des Kurzberichts in: Deutsches Ärzteblatt 95, Oktober 1998, S. A-2482, im Folgenden zitiert als Schlusswort Ammon; ebenso als Forschungsergebnis berücksichtigt in dem von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten Bertram vom 22.2.2001, S. 3; Bertsche/Schulz, S. 1.

Verantwortlich gemacht für den Umkehreffekt werden die Tirucallsäuren.

So als positive Feststellung Bertsche/Schulz, S. 1; als Möglichkeit Gutachten Bertram, S. 3.

Konsequenterweise sehen Bertsche/Schulz die im Weihrauchextrakt enthaltenen Tirucallsäuren als pharmakologisch wirksame Substanzen an.

Bertsche/Schulz, S. 1.

Die Tirucallsäuren wirken bereits bei niedriger Dosierung des Stoffgemischs, die Boswelliasäuren erst bei höherer Dosierung.

In dem zitierten Schlusswort von Ammon (S. A-2482) wird nochmals hervorgehoben, dass Weihrauchextrakte nicht eine einzelne Wirksubstanz enthalten, sondern ein Gemisch von Wirksubstanzen mit nicht einheitlichem Wirkungsmechanismus. Sodann ist ausgeführt, dass die richtige Dosierung eine wesentliche Rolle spielt. Das räumt auch die Klägerin ein. Danach heißt es wörtlich:

Bei niedriger Dosierung eines Extraktes kann es sogar zu einer Stimulierung der Leukotriensynthese kommen.

Wie bereits dargelegt bedeutet die Stimulierung der Leukotriensynthese auch eine Verstärkung der chronischen Entzündungsprozesse und damit eine pharmakologisch negative Wirkung. Das von der Klägerin selbst vorgelegte Gutachten Bertram, S. 3, bestätigt dieses Forschungsergebnis, dass in niedriger Dosierung die Bildung von 5 – Lipoxygenaseprodukten erhöht sein kann und fügt hinzu, diesem Befund müsse weiter nachgegangen werden. Die im Gutachten Bertram genannten 5 – Lipoxygenaseprodukte sind gerade die Leukotriene und fördern als Mediatoren chronische Entzündungen.

Ausführlich zu der gesamten Kausalkette Safayhi/Ammon, S. 3, und kurz zusammengefasst Gutachten Bertram, S. 2.

Das einleuchtend mit der antagonistischen Wirkung und damit mit der Wirkung einzelner Wirkstoffe des Stoffgemischs Weihrauch – Tirucallsäuren - erklärte Forschungsergebnis muss bei den pharmakologischen Wirkungen von Weihrauch beachtet werden.

Die vom Senat aus Verständnisgründen zunächst nur qualitativ dargelegte pharmakologische Wirkung bedarf mit Blick darauf, dass das Produkt der Klägerin eine Tagesdosis von 400 mg Weihrauch in Form einer Tablette empfiehlt, nun auch einer quantitativen Darlegung. Von dieser empfohlenen Menge – die nach der neuen Packungsangabe auch nicht überschritten werden soll – ist vernünftigerweise auszugehen. Die von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in seiner Stellungnahme vom 29.9.2005 erwähnte Möglichkeit einer Mehrfacheinnahme würde im Grunde jede Dosierungsvorschrift bei anerkannten Arzneimitteln entwerten und überzeugt schon deshalb nicht. Die Kritik der Klägerin an dieser Stellungnahme trifft zu.

Nach den vorliegenden Forschungsergebnissen ist das quantitative Spektrum pharmakologischer Wirkungen (positiv und negativ) des Weihrauchs relativ weit. Nach übereinstimmenden Feststellungen von Safayhi/Ammon, S. 7, und dem Bertramgutachten, S. 3, werden insbesondere Tumorpatienten mit der hohen Tagesdosis von 3600 mg Weihrauch-Trockenextrakt in wissenschaftlichen Studien behandelt. In diesem hoch dosierten Bereich ist auch der positive Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 zur Ausweisung als Forschungsarzneimittel ergangen. Die Grenze guter Verträglichkeit von Weihrauchextrakt liegt in der Regel bei 1200 mg pro Tag, während hohe Dosen von 3600 mg pro Tag zu Nebenwirkungen führen können.

Safayhi/Ammon, S. 7, zu relativ seltenen Nebenwirkungen Bertsche/Schulz, S. 2.

Für die im vorliegenden Rechtsstreit erhebliche Hauptwirkung von Weihrauch, die antientzündliche Wirkung, wird nach den im Wesentlichen übereinstimmenden Veröffentlichungen und Gutachten eine Tagesdosis von ungefähr 800 bis 1600 mg verabreicht.

So Gutachten Reuss vom 10.1.2001, S. 2, mit Blick auf die publizierten Studien; ähnlich Safayhi/Ammon mit der Tagesdosis von 800 bis 2000 mg in einer Pilotstudie (S. 5) und der Verabreichung von 1050 mg bei Colitis ulcerosa (S. 7); das Gutachten Bertram kommt allerdings unter Einschluss der sehr hohen Dosierungen bei Tumorpatienten (S. 3) zu einer höheren pharmakologischen Dosis zwischen insgesamt 900 und 3600 mg am Tag (S. 4); Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 29.9.2005: ab 900 mg; Bertsche/Schulz, S. 1 und 2: 900 mg bei Asthma, mindestens 3600 mg bei Ödemen.

Eine positive Wirkung auf Entzündungen ist nach dem Forschungsstand, wie er dem Senat aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich ist, mithin ungefähr bei einer Tagesdosis von 800 bis 1600 mg gegeben.

Von der regelmäßigen pharmakologischen Tagesdosis von 800 bis 1600 mg ist der tiefer liegende untere Dosisbereich bei Weihrauch zu unterscheiden. Den unteren Dosisbereich siedelt das Gutachten Bertram bei einer Tagesdosis unter 500 mg an, wie sie hier vorliegt.

Gutachten Bertram vom 22.2.2001, S. 1 (unterer Dosisbereich) im Zusammenhang mit S. 4 (Tagesdosis unter 500 mg).

Da die Untergrenze des positiven therapeutischen Einsatzes von Weihrauchextrakt nach den vorliegenden Veröffentlichungen und Gutachten wie dargelegt bei 800 bis 900 mg Tagesdosis liegt, ist die Hälfte der Untergrenze (ca. 450 mg) sicherlich als niedrige Dosierung anzusehen.

Gerade bei einer niedrigen Dosierung von Weihrauchextrakt kommen nach den dargelegten Forschungsergebnissen aber die antagonistischen Wirkungen des Stoffgemischs aus Boswelliasäuren und Tirucallsäuren zur Geltung. Das Forschungsergebnis der Stimulierung der Leukotriensynthese und damit der Verstärkung von Entzündungsprozessen betrifft den Fall der niedrigen Dosierung des Weihrauchextraktes.

Übereinstimmend Schlusswort Ammon, S. A-2482, Gutachten Bertram, S. 3, und Bertsche/Schulz, S. 1 und 2.

Die dem Gericht vorliegenden Forschungsunterlagen und Gutachten enthalten keine Gegenfeststellung, die dieser antagonistischen Wirkung konkret widerspricht. Konsequenterweise kommen Bertsche/Schulz (S. 1) zu dem Ergebnis, dass die im Weihrauchextrakt enthaltenen Tirucallsäuren als Verursacher des Umkehreffekts in niedriger Konzentration des Weihrauchextrakts pharmakologisch wirksame Substanzen sind.

Diese Konsequenz ziehen die von der Klägerin selbst vorgelegten Gutachten zwar nicht. Die von der Klägerin vorgelegten Gutachten Bertram und Reuss kommen nur deshalb zum Ausschluss einer pharmakologischen Wirkung in niedriger Dosis, weil sie die maßgebende pharmakologische Wirkung auf die therapeutische Wirkung einengen.

Das Gutachten Reuss (S. 2) nimmt von vornherein nur den therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich in den Blick und schließt die therapeutisch verstandene pharmakologische Wirkung bei einer niedrigen Dosis von 30 % beziehungsweise 50 % der üblichen Dosis aus. Nichts anderes gilt für das Gutachten Bertram (S. 4). Die Bewertung der Dosisbereiche wird mit Blick auf den ausdrücklich angeführten therapeutischen Erfolg vorgenommen, und insoweit einer Tagesdosis unter 500 mg keine pharmakologische Wirkung mehr beigemessen. Nur bei dieser aus dem Gutachtentext ersichtlichen Auslegung bleibt das Gutachten widerspruchsfrei, denn der Gutachter Bertram hat bei der Betrachtung des Wirkmechanismus durchaus gesehen (S. 3), dass bei niedrigerer Dosierung die Bildung von Entzündungsverstärkern erhöht sein kann.

Nach allem ist ersichtlich, dass beide von der Klägerin vorgelegten Gutachten Bertram und Reuss nur den therapeutisch beanspruchten Anwendungsbereich bei niedriger Dosierung ausschließen. Eine positive Wirkung fehlt nach den Gutachten in diesem Bereich und eine negative Wirkung wird ausgeblendet.

Entscheidend sind aber die Forschungsergebnisse über einen Umkehreffekt bei niedriger Dosis. Die Hauptwirkung auf Entzündungsprozesse kehrt sich um. Diese Forschungsergebnisse werden in den vorliegenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Gutachten an keiner Stelle konkret angegriffen. Die Forschungsergebnisse sind auch mit Blick auf den dargelegten antagonistischen Effekt des Stoffgemischs für das Gericht einleuchtend nachvollziehbar und überzeugend. Die Tirucallsäuren wirken bereits bei niedriger Dosierung des Stoffgemischs, die Boswelliasäuren erst bei höherer Dosierung. Mithin besteht zwischen den Gutachten und den wissenschaftlichen Veröffentlichungen insgesamt kein konkreter fachlicher Widerspruch, der die Einholung eines Obergutachtens durch den Senat bei der von Amts wegen durchgeführten Prüfung aufdrängen würde.

Nach der dargelegten Würdigung hat das Wirkstoffgemisch Weihrauch bei einer Gesamtbetrachtung der positiven und negativen pharmakologischen Wirkungen ein weites Spektrum der pharmakologisch wirksamen Tagesdosis.

Eine hohe Tagesdosis von etwa 3600 mg entspricht der Ödembehandlung von Tumorpatienten und ist Gegenstand einer europäischen Ausweisung als Forschungsarzneimittel.

Die positive pharmakologische Wirkung im Sinne einer Therapie von Entzündungen besteht in einem Dosisbereich etwa zwischen 800 und 1600 mg Tagesdosis.

Bei einer niedrigen Tagesdosis von 400 bis 500 mg gibt es unwidersprochene Forschungsergebnisse im Sinne einer Verstärkung von Entzündungen insbesondere durch Tirucallsäuren und damit einer negativen pharmakologischen Wirkung. Eine Gesundheitsgefahr ist hier dem Grunde nach zu bejahen. Mit Blick auch auf die antagonistischen Wirkungen kommt auch die wissenschaftliche Veröffentlichung Safayhi/Ammon (S. 8) zu dem Ergebnis, von einer freizügigen Abgabe von Weihrauch sei abzuraten. Bertsche/Schulz warnen mit Blick auf den Umkehreffekt vor nicht ausreichend hoher Dosierung und befürworten sogar die Hochdosierung von 3600 mg.

Bertsche/Schulz, S. 2.

Daran gemessen fällt die tägliche Einnahme von 400 mg Weihrauchextrakt erkennbar in den zu vermeidenden niedrigen Dosisbereich.

Nach allem ist eine Beeinflussung von Körperfunktionen mit pharmakologischer Wirkung und damit positiven oder negativen Auswirkungen auf die Gesundheit für Weihrauchextrakt nicht nur in hohen, sondern auch in niedrigen Tagesdosen wie hier von 400 mg aufgrund der Forschungsergebnisse zu bejahen.

Gesundheitsgefahren sind bei einem Funktionsarzneimittel in jedem Fall zu berücksichtigen.

EuGH, Urteil vom 9.6.2005 - C-211/03 -, Rz. 53, dort als eigenständiger Faktor hervorgehoben.

Die bereits dargelegte gemeinschaftsrechtliche Definition des Funktionsarzneimittels in der Arzneimittelrichtlinie ist erfüllt, da eine Beeinflussung physiologischer Funktionen durch pharmakologische Wirkungen nach dem Forschungsstand zu bejahen ist. Weihrauch hat die pharmakologische Wirkung, dass er die Körperfunktionen bei Entzündungsprozessen mit Auswirkungen auf die Gesundheit beeinflusst.

Mit der Betrachtung der pharmakologischen Eigenschaften des Wirkstoffs in dem streitigen Produkt der Klägerin ist die Subsumtion erst im Schwerpunkt abgeschlossen.

Wie dargelegt bedarf es nach der Rechtsprechung des EuGH für die Einstufung eines Produkts der Berücksichtigung aller seiner Merkmale. Dazu gehören über die geprüfte Zusammensetzung, die pharmakologischen Eigenschaften und die Risiken hinaus noch die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung und die Bekanntheit bei den Verbrauchern.

EuGH im Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 51.

Mithin sind noch diese Hilfsmerkmale nachfolgend zu berücksichtigen.

Zu beginnen ist mit den Modalitäten des Gebrauchs. Nach der Anweisung auf der Faltschachtel ist täglich eine Tablette nach dem Essen mit etwas Flüssigkeit zu verzehren. Darin liegt einerseits die für Arzneimittel übliche Einnahme, andererseits werden nach Artikel 2 Buchstabe a der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG Nahrungsergänzungsmittel ebenfalls in dosierter Form unter anderem in Tablettenform eingenommen. Das Merkmal ist also nicht trennscharf. Auch der EuGH hat dem Umstand, dass ein streitiges Erzeugnis nach der Gebrauchsanweisung in Wasser oder Joghurt verrührt werden sollte, keine an sich ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 31.

Als nächster Gesichtspunkt ist die Verbreitung des weihrauchhaltigen Produkts der Klägerin in den Blick zu nehmen. Die Klägerin importiert ihr Produkt aus Österreich und bringt es als Nahrungsergänzungsmittel auf den deutschen Markt. Werbung für ihr Produkt wie für ein Arzneimittel betreibt sie nach der insoweit unwidersprochenen Klagebegründung (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 15) nicht. Das namensgleiche Produkt wird in Österreich selbst ebenfalls als Nahrungsergänzungsmittel in den Verkehr gebracht, indessen nicht von der Klägerin, sondern von der Firma G. Die Firma G hat das namensgleiche Produkt in Österreich als Verzehrprodukt angemeldet (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 27) und betreibt in Österreich nach dem belegten Vortrag des Beklagten Werbung für die entzündungshemmende Wirkung der namensgleichen Weihrauchtabletten ebenfalls mit dem Inhalt von 400 mg Weihrauch.

Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 17.10.2002, S. 2 (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 111) und Auszug aus der Homepage der österreichischen Firma (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 113).

Weiterhin ist das namensgleiche Produkt nach dem belegten Vortrag der Klägerin in Großbritannien als Nahrungsmittel im freien Verkehr.

Bescheinigung des britischen Agrarministers vom 9.8.2001, Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 28.

Ergänzend ist noch die Verbreitung von nicht namensgleichen Konkurrenzprodukten mit dem identischen Inhaltsstoff Weihrauch in den Blick zu nehmen. Insoweit hat die Klägerin nachgewiesen, dass auf dem deutschen Apothekenmarkt ausweislich des zentralen Bestellsystems der Lauer-Taxe insgesamt 11 nicht namensgleiche Weihrauchprodukte als Nahrungsergänzungsmittel bestellt werden können.

Schriftsatz vom 11.8.2005, S. 3/4, OVG Akte 3 R 7/05 Bl. 20/21 mit Anlage K 22, OVG Akte Bl. 23 ff..

Bei einer Würdigung der Verbreitung des namensgleichen Produkts der Klägerin muss gesehen werden, dass das Produkt in drei Staaten der EU – Österreich, Deutschland und Großbritannien - als Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt ist. In Österreich wird es – allerdings nicht von der Klägerin – von der vertreibenden Firma als entzündungshemmend und damit wie ein Arzneimittel beworben.

Zur rechtlichen Qualifizierung vgl. das Urteil des EuGH Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 – Rz. 27, wonach eine Veröffentlichung des Herstellers oder Verkäufers mit der Bezeichnung therapeutischer Wirkungen als entscheidendes Indiz für die Absicht des Herstellers oder Verkäufers anzusehen ist, das Erzeugnis als Präsentationsarzneimittel in den Verkehr zu bringen.

Eine Verkehrsgenehmigung auf EU-Ebene hat hoch dosierter Weihrauchextrakt als Mittel gegen Gehirnödeme noch nicht, wohl aber den Status eines Forschungsarzneimittels.

Den vom Beklagten vorgetragenen Import von Weihrauchextrakt als Fertigarzneimittel aus der Schweiz und aus Indien hält die Klägerin für unzulässig, da es im Fall der Schweiz an einer landesweiten Arzneimittelzulassung und im Fall Indiens an einer mit deutschem Recht vergleichbaren Zulassung fehle, vielmehr Weihrauchextrakt in Indien ein Lebensmittel sei und der Lebensmittelüberwachung unterliege. Dieser Vortrag kann zugunsten der Klägerin als richtig unterstellt werden.

In diesem Fall spricht der Gesichtspunkt der Verbreitung eher für die Einordnung als Lebensmittel. Er hat aber verglichen mit den festgestellten pharmakologischen Wirkungen des Produkts keine für sich entscheidende Bedeutung.

Sodann ist als weiteres Merkmal noch wie dargelegt die Bekanntheit des Produkts bei den Verbrauchern zu würdigen.

Die Klägerin nimmt an, ihr Weihrauchprodukt sei insbesondere mit Blick auf das deutsche Apothekensortiment mit zahlreichen weiteren Weihrauchprodukten als Nahrungsergänzungsmittel dem informierten deutschen Verbraucher als Lebensmittel bekannt. Demgegenüber nimmt der Beklagte an, dem informierten deutschen Verbraucher sei abgesehen von der speziellen Arzneimittelwerbung im Internet für das namensgleiche Produkt in Österreich auch ansonsten durch das Internet die Arzneimitteleigenschaft bekannt, was die Klägerin mit rechtlichen Gesichtspunkten zur Unmaßgeblichkeit von Medienwerbung bekämpft.

Bei der Würdigung der konkreten Verbraucherkenntnisse schließt sich der Senat weder dem Standpunkt der Klägerin noch dem des Beklagten an. Überzeugender erscheint vielmehr das von der Klägerin vorgelegte Gutachten Reuss vom 10.1.2001 (S. 2), wonach die Verkehrsauffassung als mögliches Kriterium für die Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln im Fall Weihrauch ohne wesentliche Bedeutung ist. Der Gutachter begründet dies damit, dass eine arzneiliche Wirkung beim durchschnittlich informierten deutschen Verbraucher kaum bekannt ist. Eine Bekanntheit von Weihrauch als Nahrungsmittel nimmt der Gutachter aber ersichtlich ebenfalls nicht an, weil anderenfalls die Verkehrsauffassung entgegen seiner Fachmeinung zu einem eindeutigen Ergebnis führte. Die richtige Einordnung von Weihrauch, der eher als Kultmittel bekannt ist, wird einen durchschnittlich informierten Verbraucher kaum berühren. Konkrete Verbraucherkenntnisse über die Lebensmittel- oder Arzneimitteleigenschaft können also nicht erwartet werden.

Der Gesichtspunkt der Verbraucherkenntnisse ist jedenfalls gegenüber den festgestellten pharmakologischen Eigenschaften nicht ausschlaggebend.

Zu den beiden zuletzt genannten Gesichtspunkten der Verbreitung und der Verbraucherkenntnisse führt der Senat noch eine Hilfserwägung durch. Im günstigsten Fall könnte die gerichtliche Würdigung dieser Gesichtspunkte zu dem Ergebnis führen, dass ein Weihrauchprodukt im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird. Selbst diese allgemeine Ansicht würde es aber nicht hindern, dass ein solches Produkt dennoch nach dem europäischen Arzneimittelbegriff als Arzneimittel einzuordnen ist.

So das Urteil des EuGH Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 21, für aus Südamerika eingeführte Kräutertees.

Damit kann der Prüfungsabschnitt über die Einstufung des Produkts der Klägerin als Arzneimittel abgeschlossen werden.

Nach der Überzeugung des Senats ist das weihrauchhaltige Produkt der Klägerin unter Berücksichtigung aller seiner Merkmale, insbesondere seiner Zusammensetzung, seiner pharmakologischen Eigenschaften – wie sie sich beim jeweiligen Stand der Wissenschaft feststellen lassen – der Modalitäten seines Gebrauchs, des Umfangs seiner Verbreitung, seiner Bekanntheit bei den Verbrauchern und der Risiken nach dem maßgebenden Gemeinschaftsrecht als Funktionsarzneimittel im Sinne sowohl der ursprünglichen Arzneimittelrichtlinie 2001/83/EG als auch der dargelegten Änderungsfassung durch die Arzneimittelrichtlinie 2004/27/EG anzusehen.

Damit führen die bisherigen Prüfungsschritte des Urteils zu dem Doppelergebnis, dass das Produkt der Klägerin mit 400 mg Weihrauchextrakt Tagesdosis nach den europäischen Definitionen sowohl ein Aromastoff und damit ein Lebensmittel ist als auch ein Funktionsarzneimittel mit Blick auf seine antagonistische Wirkung auf Entzündungsprozesse. Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts unterliegt das Produkt mithin nach vollständiger Subsumtion einerseits der Lebensmittelverordnung 178/2002 und zusätzlich der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG, andererseits auch der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG in der ursprünglichen Form und gleichermaßen in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2004/27/EG.

Dieses Doppelergebnis auf der europäischen Rechtsebene bedarf aber einer juristischen Auflösung wegen seiner widersprüchlichen Konsequenzen.

Ein Lebensmittel fällt unstreitig grundsätzlich unter den freien Handelsverkehr der Mitgliedstaaten (vgl. zum Grundsatz Artikel 28 EGV). Anderes gilt für Arzneimittel. Ausnahmen vom Grundsatz der Handelsfreiheit bestehen nach Artikel 30 EGV insbesondere zum Gesundheitsschutz, worunter das Arzneimittelrecht fällt.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 30 Rdnr. 8.

Nach Artikel 6 I der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG bedarf ein Arzneimittel grundsätzlich abgesehen von dem nicht einschlägigen Fall einer unmittelbaren europäischen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung Nr. 2309/93 in jedem Mitgliedstaat einzeln einer Zulassung. Umgesetzt ist diese Regelung im deutschen Recht in § 21 AMG. Unstreitig hat das Produkt der Klägerin weder in der EG noch in einem EG-Staat eine Zulassung als Arzneimittel. Deshalb bedarf das festgestellte Doppelergebnis einer Auflösung.

Nach dem dargelegten Zwischenergebnis bedarf es auf Gemeinschaftsebene einer Entscheidungsregel, ob beim Zusammentreffen beider Definitionen das Arzneimittelrecht oder das Lebensmittelrecht Vorrang hat.

Zusammengefasst kommt der Senat zu der Entscheidung, dass nach dem aktuellen Recht bei der Produktbehandlung das Arzneimittelrecht vor dem Lebensmittelrecht Vorrang aufgrund ausdrücklicher normativer Regelung hat. Für die vorausgehenden Zeitabschnitte ergibt sich dasselbe Ergebnis aus der Beachtung der Rechtsprechung des EuGH, der in ständiger Rechtsprechung bereits seit 1992 eine Art „Strenge-Regel“ aufgestellt hat, wonach das strengere Arzneimittelrecht in der Anwendung Vorrang vor weniger strengen Regelungen anderer Rechtsgebiete hat. Dies ist nunmehr im Einzelnen auszuführen.

Beginnend mit dem neuesten Zeitabschnitt ab 30.10.2005 ist der Anwendungsvorrang des Arzneimittelrechts bereits nach deutschem Recht normativ eindeutig bestimmt. Das deutsche Recht verweist in § 2 III Nr. 1 des ArzneimittelgesetzesAMG – in der Fassung des Gesetzes vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3586) sowie in der jetzigen Fassung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394) zur Abgrenzung auf den Lebensmittelbegriff nach dem deutschen Lebensmittelgesetz. § 2 II LFGB in der Fassung vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618), gültig ab 7.9.2005, verweist für die Lebensmitteldefinition seinerseits unmittelbar auf Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Die europäische Lebensmittelverordnung 178/2002 verweist in ihrer Negativabgrenzung in Art. 2 Abs. 3 d wiederum auf die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG. Die Humanarzneimittelrichtlinie enthält in der Fassung der Änderungsrichtlinie vom 31.3.2004 mit einer Umsetzungsfrist bis 30.10.2005 in Art. 2 Abs. 2 ausdrücklich eine Vorrangregel des Arzneimittelrechts mit folgendem Inhalt:

In Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von „Arzneimittel“ als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist, gilt diese Richtlinie.

Mit dieser Richtlinie ist die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG gemeint, was mithin zum Vorrang des Arzneimittelrechts führt. Der EuGH hat die klar formulierte Vorrangregel auch in diesem Sinn verstanden.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 44.

Nach dem aktuell geltenden Gemeinschaftsrecht ist auf das Produkt der Klägerin mithin nur das Arzneimittelrecht anzuwenden. Das aktuelle deutsche Recht verweist darauf.

Für das vorausgehende Recht innerhalb der zeitlichen Reichweite des Dauerverwaltungsaktes vom 23.1.2002 geht der Senat aus Gründen der Übersichtlichkeit auf die Zeitabschnitte zunächst nach dem wie dargelegt maßgeblichen Gemeinschaftsrecht und erst dann nach dem deutschen Recht ein.

Auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts war im vorausgehenden Zeitabschnitt vom 31.3.2004 bis zum 29.10.2005 die Änderungsrichtlinie 2004/27/EG vom 31.3.2004 mit der normativen Vorrangregel des Arzneimittelrechts zwar bereits erlassen, indessen war die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Richtlinien setzen zwar ein zweistufiges Rechtsetzungsverfahren mit Erlass auf Gemeinschaftsebene und Umsetzung in nationales Recht voraus.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 249 EGV Rdnr. 8.

Richtlinien sind aber auch als Auslegungsmaßstab heranzuziehen.

Geiger, EUV/EGV, Artikel 249 EGV Rdnr. 12.

Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung, und zwar gerade für die Vorrangregel in der hier vorliegenden Änderungsrichtlinie 2004/27/EG, entschieden, dass eine Richtlinie schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist als Auslegungsmaßstab heranzuziehen ist.

Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 44.

Auch für diesen Zeitraum galt als Auslegungsergebnis der Rechtsprechung des EuGH ein normativer Vorrang des Arzneimittelrechts.

Auf Gemeinschaftsebene galt in dem davor liegenden Zeitraum vom 6.11.2001 (mithin vor Erlass des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002) bis zum 30.3.2004 die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG noch ohne eine normative Vorrangregelung. Die Abgrenzung des gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriffs gegenüber den Konkurrenzbegriffen bedurfte mithin richterlicher Auslegung. Eine solche ständige Rechtsprechung des EuGH liegt vor, die von den Jahren 1991 bis 2005 reicht und damit den Entscheidungszeitraum (Januar 2002 bis Februar 2006) erfasst. Dies ist jetzt darzulegen.

Der Grundgedanke dieser Rechtsprechung ist einfach. Er besteht darin, dass das strengere Arzneimittelrecht wegen der besonderen Gefahren Anwendungsvorrang vor weniger strengem Recht anderer Gebiete besitzt. Erstmals hat der EuGH diesen Gedanken im Urteil Delattre vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 21, zur Abgrenzung von Arzneimitteln gegenüber seinerzeit Kosmetika (Schlankheitsmitteln) geäußert. Zur Begründung hat er (Rz. 21) ausgeführt:

Diese Schlussfolgerung ist im Übrigen die Einzige, die dem mit beiden Richtlinien verfolgten Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entspricht, da die rechtliche Regelung für Arzneispezialitäten in Anbetracht der besonderen Gefahren, die diese Erzeugnisse für die öffentliche Gesundheit mit sich bringen können und die im Allgemeinen von kosmetischen Mitteln nicht ausgehen, strenger ist als die für kosmetische Mittel.

Im nachfolgenden Jahr 1992 hat der EuGH in seinem Urteil Ter Voort vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 19, diese „Strenge-Regel“ auf die hier einschlägige Abgrenzung von Arzneimittelrecht gegenüber Lebensmittelrecht übertragen. Zur Begründung hat er ausgeführt (Rz. 19), ein Produkt sei selbst dann als Arzneimittel anzusehen und der entsprechenden Regelung zu unterwerfen, wenn es in den Anwendungsbereich einer anderen weniger strengen Gemeinschaftsregelung falle.

Sodann hat der EuGH aktuell in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 43, nochmals seine Rechtsprechung bestätigt, dass die für Arzneimittel geltenden Bestimmungen auf ein Erzeugnis anzuwenden sind, das sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch eines Arzneimittels erfülle. Zur Begründung hat er sich (Rz. 43) ausdrücklich auf sein Ter Voort-Urteil C – 219/91 – berufen, dort insbesondere auf die Rz. 19 verwiesen und damit wie dargelegt den Grundsatz, dass ein Produkt auch dann als Arzneimittel anzusehen ist, wenn es dem Anwendungsbereich einer weniger strengen Regelung unterfällt. Zwischen 1991 und jetzt hat der EuGH mithin in ständiger Rechtsprechung die „Strenge-Regel“ seiner Abgrenzung zwischen Arzneimittelrecht und weniger strengem Recht zugrunde gelegt.

Die dargelegte normative Vorrangregel der Richtlinie 2004/27/EG entspricht mithin inhaltlich der ständigen Rechtsprechung des EuGH. Dementsprechend hat sich der EuGH in seinem Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 - sowohl vergangenheitsbezogen auf seine ständige bisherige Rechtsprechung (Rz. 43) als auch zukunftsbezogen auf die neue Richtlinie 2004/27/EG (Rz. 44) berufen. Das Ergebnis der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist mithin der Vorrang des Arzneimittelrechts bei der Abgrenzung gegenüber dem Lebensmittelrecht. Dies steht für den Zeitraum von 1992 bis jetzt fest. Bezogen auf den hier entscheidungserheblichen Zeitraum vom 25.1.2002 (Bekanntgabe des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002) bis jetzt (Februar 2006) ist die Abgrenzungsfrage auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts mithin immer gleich zu beantworten. Maßgebend für die rechtliche Behandlung ist das strengere Arzneimittelrecht gegenüber dem weniger strengen Lebensmittelrecht.

Für die vorsorglich vorzunehmende Abgrenzungsprüfung nach dem deutschen Recht sind andere Zeitabschnitte zu bilden. Unproblematisch ist der bereits behandelte aktuelle Zeitabschnitt ab dem 7.9.2005. Ab diesem Zeitpunkt verweist wie dargelegt § 2 II LFGB in der Fassung vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2618) für die Lebensmitteldefinition ausdrücklich auf Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, und damit auch auf die in Artikel 2 Abs. 3 der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung vorgenommene Abgrenzung zu Lebensmitteln, für die die EuGH-Rechtsprechung maßgebend ist. Die einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts für die Abgrenzung ist vom deutschen Gesetzgeber sichergestellt, da auch § 2 III Nr. 1 AMG für die Abgrenzung auf die Lebensmitteldefinition verweist mit der Konsequenz, dass nach der ausdrücklichen Anordnung des deutschen Gesetzgebers für die Abgrenzung der beiden Rechtsgebiete einheitlich das Gemeinschaftsrecht gilt.

Für den vorausgehenden Zeitabschnitt vom 21.2.2002 bis zum 6.9.2005 hat der deutsche Gesetzgeber zwar nicht ausdrücklich für Rechtsklarheit gesorgt. Die Rechtsklarheit ergibt sich aber aus dem gemeinschaftlichen Verordnungsrecht. Die gemeinschaftsrechtliche Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln in Artikel 2 der Lebensmittelverordnung galt bereits in diesem Zeitabschnitt. Die Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002 trat nach Artikel 65 am 21.2.2002 in Kraft. Sie ist nach Artikel 65 in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Anders als bei Richtlinien bedarf es keines zweistufigen Rechtsetzungsverfahrens, vielmehr gilt die Verordnung unmittelbar in jedem Mitgliedstaat ohne Transformation.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 249 EGV, Rdnrn. 6 und 8.

Der deutsche Gesetzgeber hatte aber in diesem Zeitraum der verbindlichen Regelung noch nicht formell Rechnung getragen. Vielmehr war in § 1 LMBG in der Fassung vom 9.9.1997 (BGBl. I S. 2296), gültig vom 1.8.1997 bis 6.9.2005, eine formell abweichende Regelung bestimmt. Produkte waren nach § 1 I LMBG nur dann keine Lebensmitteln, wenn sie überwiegend zu anderen Zwecken als dem der Ernährung oder des Genusses bestimmt waren. Das ältere deutsche Recht legte die Auslegung nahe, dass ein Lebensmittel auch dann vorlag, wenn sich kein überwiegender Verwendungszweck feststellen ließ.

So noch die Kommentierung von Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 35 und die ältere BGH-Rechtsprechung: BGH, Urteil vom 6.2.1976 – I ZR 125/74 -.

Die deutsche Regelung ließ sich mithin in nahe liegender Auslegung als Vorrang des weniger strengen Lebensmittelrechts vor dem strengeren Arzneimittelrecht verstehen.

Bei diesem Ergebnis kann es aber nicht verbleiben. Das Gemeinschaftsrecht hat grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnr. 31.

Gerichte und Behörden haben den Vorrang des Gemeinschaftsrechts ohne weiteres zu beachten, und innerstaatliche Vorlageverfahren etwa an ein Verfassungsgericht müssen außer Betracht bleiben.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 10 EGV Rdnr. 31.

Mithin musste die inhaltlich anders gefasste Abgrenzung des deutschen Rechts zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln gegenüber der bindenden europäischen Verordnung außer Betracht bleiben. Vielmehr galt nach der bereits dargelegten Rechtsprechung des EuGH die „Strenge-Regel“, wonach für die Produktbehandlung das strengere Arzneimittelrecht vor weniger strengem Recht in der Anwendung Vorrang hat. Auch für diesen Zeitabschnitt verbleibt es mithin bei dem gefundenen Ergebnis.

In einem vorausgehenden kurzen Zeitabschnitt des Dauerverwaltungsakts knapp einen Monat zwischen seiner Bekanntgabe am 25.1.2002 bis zum 20.2.2002 galt auf der Gemeinschaftsrechtsebene allerdings noch nicht die Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28.1.2002, in Kraft ab 21.2.2002. Der Anwendungsvorrang der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung muss mithin für diesen kurzen Zeitabschnitt außer Betracht bleiben.

Auch für diese Zeit blieb der Vorrang des Arzneimittelrechts unverändert. Maßgebend ist hier nicht der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, sondern der Grundsatz der europarechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts.

Im Zeitraum Januar/Februar 2002 stellte sich die Vorrangfrage vom Arzneimittelrecht her, das im Gegensatz zum seinerzeitigen Lebensmittelrecht schon gemeinschaftsrechtlich normiert war. Wie bereits dargelegt war das gemeinschaftliche Arzneimittelrecht bereits seit 1965 fortlaufend durch Richtlinien kodifiziert, die in nationales Recht umzusetzen waren.

Arzneispezialitätenrichtlinie 65/65/EWG vom 26.1.1965, sodann als Nachfolgerichtlinie die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG sowie deren Änderungsrichtlinie 2004/27/EG.

Das deutsche Arzneimittelgesetz war also bereits in der in diesem Zeitabschnitt (Januar/Februar 2002) maßgebenden Fassung des Änderungsgesetzes vom 13.12.2001 (BGBl. I S. 3586) Umsetzung des europäischen Richtlinienrechts. Zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Lebensmitteln verwies § 2 III Nr. 1 AMG 2001 auf § 1 LMBG und damit die bereits dargelegte Regelung, wonach nur eine überwiegende Bestimmung zu anderen Zwecken als dem der Ernährung oder des Genusses maßgebend ist. Auch unabhängig von der Direktwirkung von Richtlinien zu Gunsten Einzelner, vgl. EuGH, Urteil vom 26.9.2000 – C- 443/98 -, Rz. 50; Urteil vom 4.12.1997 – C – 97/96 -, NJW 1998, 129, ist umgesetztes nationales Recht nach der EuGH-Rechtsprechung so auszulegen, dass das mit der Richtlinie verfolgte Ziel erreicht werden kann. EuGH, Urteil vom 11.7.2002 – C – 62/00 -, Rz. 41.

Eine solche europarechtskonforme Auslegung des § 1 LMBG 1997 ist aber möglich und deshalb auch geboten. Zwar ist die Auslegung nahe liegend, dass die überwiegende Zweckbestimmung rein faktisch im Sinne der allgemeinen Verkehrsauffassung zu verstehen ist.

So Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand März 2005, § 1 LMBG Rdnr. 34.

Zwingend ist diese Auslegung aber nicht. Die überwiegende Zweckbestimmung kann statt faktisch auch normativ verstanden werden. Die überwiegende Zweckbestimmung ergibt sich dann normativ nach dem strengeren Recht; das strengere Recht prägt die Zweckbestimmung. Das Ziel der einschlägigen Arzneimittelrichtlinie ist nach der Rechtsprechung des EuGH gerade der Schutz vor den besonderen Gefahren, die Arzneimittel mit sich bringen.

EuGH, Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 21, und Ter Voort-Urteil vom 28.10.1992 – C – 219/91 -, Rz. 19.

Das umgesetzte deutsche Arzneimittelrecht ist mithin europarechtskonform so auszulegen, dass das dargelegte Ziel der Arzneimittelrichtlinie mit Blick auf den Vorrang des strengeren Rechts erreicht wird. Mithin ist die deutsche Abgrenzungsregelung in den §§ 2 AMG 2001 und 1 LMBG 1997 europarechtskonform auch in dem hier interessierenden Zeitabschnitt vom 25.1.2002 bis zum 20.2.2002 im Sinne einer normativen überwiegenden Zweckbestimmung durch das strengere Arzneimittelrecht auszulegen. Dieser Gesichtspunkt gilt im Übrigen auch für die nachfolgende Zeit, für die aber der Anwendungsvorrang der gemeinschaftsrechtlichen Lebensmittelverordnung hinzukommt.

Mithin ist die Geltung der europäischen Arzneimittelabgrenzung für den gesamten in Anspruch genommenen Zeitraum des angegriffenen Dauerverwaltungsakts seit 25.1.2002 bis jetzt zu beachten.

Für den Zeitraum des Dauerverwaltungsakts ist nach dem Ergebnis der Prüfung des europäischen und des deutschen Rechts einheitlich von dem Vorrang des Arzneimittelrechts gegenüber dem Lebensmittelrecht bei der Produktbehandlung auszugehen.

Die von der Klägerin gegen den Vorrang vorgebrachten Gründe überzeugen nicht.

Soweit die Klägerin eine vollständige Subsumierung als Voraussetzung der Vorrangregelung ansieht, hat der Senat sie vorgenommen.

Soweit die Klägerin meint, für Nahrungsergänzungsmittel gelte eine günstigere Behandlung, trifft dies nicht zu. Sie hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der neuen Rechtsprechung des EuGH auf dem Gebiet der Nahrungsergänzungsmittel die Richtlinie 2002/46 eine gewisse Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften vorgenommen hat.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 70.

Nahrungsergänzungsmittel, die den Vorschriften dieser Richtlinie entsprechen, dürfen in der Gemeinschaft grundsätzlich frei in den Verkehr gebracht werden.

EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C- 211/03 -, Rz. 71.

Die der Klägerin günstige Folge tritt aber nur ein, wenn die Voraussetzungen der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie überhaupt erfüllt sind. Dies ist aber nicht der Fall, weil die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie 2002/46/EG ausdrücklich nicht für Arzneimittel gilt (Artikel 1 Abs. 2 der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie) und darüber hinaus Nahrungsergänzungsmittel nach Artikel 2 der Richtlinie 2002/46/EG bereits Lebensmittel sein müssen, mithin auch für Nahrungsergänzungsmittel die allgemeine Abgrenzungsvorschrift von Artikel 2 der Lebensmittelverordnung (EG) Nr. 178/2002 gilt. Dementsprechend führt der EuGH wie dargelegt in seinem Lactobact-Urteil (Rz. 41 und 42) eine synchrone Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln einerseits und Arzneimitteln andererseits durch. Für eine anderweitige Abgrenzung mit einer günstigeren Behandlung von Nahrungsergänzungsmitteln ist mithin aus Gründen des Gemeinschaftsrechts kein Raum.

Weiterhin beruft sich die Klägerin zu ihren Gunsten auf eine spezielle deutsche Liberalisierungsvorschrift für die Einfuhr von Lebensmitteln aus EU-Staaten im deutschen Lebensmittelrecht. Ausgehend zunächst von dem neuesten Rechtsstand der Einfuhrliberalisierung begünstigt § 54 LFGB mit Geltung ab dem 7.9.2005 Lebensmittelimporte aus anderen EU-Staaten. Danach dürfen Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände, die entweder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden oder aus einem Drittstaat stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig im Verkehr befinden, auch dann in das Inland verbracht und in Verkehr gebracht werden, wenn sie den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände nicht entsprechen. Eine Ausnahme von der Liberalisierung besteht insbesondere dann, wenn gemäß § 54 I LFGB in Verbindung mit § 54 II zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen, über die durch Allgemeinverfügungen entschieden wird. Die verbleibenden Unterschiede des nationalen Lebensmittelrechts der Mitgliedstaaten stehen mithin dem Import eines Lebensmittels grundsätzlich nicht entgegen.

Diese Liberalisierungsregelung trifft aber nach dem geltenden Recht ausdrücklich nur für Lebensmittel, kosmetische Mittel oder Bedarfsgegenstände zu, von vorneherein nicht für Arzneimittel. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 54 LFGB und aus dem systematischen Zusammenhang innerhalb der Gesamtregelung des Lebensmittelrechts, nicht des Arzneimittelrechts.

Nichts anderes gilt innerhalb der Zeitdauer des Dauerverwaltungsakts für die im Wesentlichen inhaltsgleiche Vorgängerreglung des § 47 a LMBG in den insoweit übereinstimmenden vorausgehenden Fassungen vom 29.10.2001 (BGBl. I S. 2785) sowie vom 6.8.2002 (BGBl. I S. 3082). Die Liberalisierung von Importen aus anderen Mitgliedstaaten bezieht sich nach dem übereinstimmenden Wortlaut auf „Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes“. Maßgebend ist also die deutsche Einordnung des Produkts. Durch eine Klammerdefinition ist in § 35 LMBG klargestellt, dass Erzeugnisse im Sinne dieses Gesetzes Lebensmittel, Zusatzstoffe, mit Lebensmittel verwechselbare Erzeugnisse, Tabakerzeugnisse, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände sind. Arzneimittel gehören nicht dazu. Die Klägerin kommt nur insofern zu einem anderen Ergebnis, als sie behauptet, ihr Nahrungsergänzungsmittel könne mit einem Arzneimittel verwechselt werden. Insoweit stellt aber § 8 LMBG klar, dass die Ausdehnung des Lebensmittelrechts auf verwechselbare Erzeugnisse gerade nicht für zulassungspflichtige Arzneimittel gilt.

Zur generellen einschlägigen Zulassungspflicht von Fertigarzneimitteln § 21 AMG mit hier nicht gegebenen Ausnahmen insbesondere einer gemeinschaftsrechtlichen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 und einer Anwendung zur klinischen Prüfung.

Die Vorschrift zielt erkennbar darauf ab, dass die Zulassungspflicht von Arzneimitteln als Marktschranke nicht etwa in dem ungünstigen Fall, dass importierte Arzneimittel verwechslungsfähig aufgemacht sind, entfällt. Dies wäre auch offensichtlich gefahrenbezogen sachwidrig. Nach den dargelegten Vorschriften gilt die Liberalisierung nach Wortlaut und Sinn nicht für Arzneimittel, und zwar insbesondere auch nicht für mit Lebensmitteln verwechslungsfähig aufgemachte Arzneimittel.

Das Gemeinschaftsrecht bietet sowohl nach den in Betracht kommenden Normen als auch nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH keinen Anlass zu einer weiter gehenden Auslegung dieser lebensmittelrechtlichen Liberalisierungsregelung.

Wie dargelegt fällt ein Lebensmittel zwar grundsätzlich unter den freien Handelsverkehr der Mitgliedstaaten (Artikel 28 EGV). Anderes gilt für Arzneimittel, denn Ausnahmen vom Grundsatz der Handelsfreiheit bestehen nach Artikel 30 EGV insbesondere zum Gesundheitsschutz, worunter das Arzneimittelrecht fällt.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Artikel 30 Rdnr. 8.

Nach Artikel 6 I der Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG bedarf ein Arzneimittel grundsätzlich abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall einer unmittelbaren europäischen Verkehrsgenehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22.7.1993 in jedem Mitgliedstaat einzeln einer Zulassung. Diese Rechtslage nach dem Gemeinschaftsrecht führt allerdings dazu, dass ein Produkt im Exportstaat (hier Österreich) als Lebensmittel und im Importstaat (hier Deutschland) als Arzneimittel eingeordnet werden kann. Gerade diese Divergenz ist nach der ständigen bis heute geltenden Rechtsprechung des EuGH mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

EuGH, Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, Rz. 27; EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 – Rz. 52 und 53, betreffend Vitaminpräparate; EuGH, Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 56.

In seinem Lactobact-Urteil (Rz. 56) hat der EuGH seine ständige Rechtsprechung wie folgt zusammengefasst:

Dass ein Erzeugnis in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel eingestuft ist, hindert somit nicht daran, ihm im Einfuhrmitgliedstaat die Eigenschaft eines Arzneimittels zuzuerkennen, wenn es die entsprechenden Merkmale aufweist.

Die Tatsache, dass das Produkt der Klägerin in Österreich rechtmäßig als Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr ist, führt mithin nicht zu einer Bindung des Einfuhrstaates an österreichisches Recht. Dem nach dem Gemeinschaftsrecht bestehenden Vorrang des strengeren Arzneimittelrechts vor dem weniger strengen Lebensmittelrecht muss in Deutschland selbstständig, ohne Bindung an die Rechtsauffassung in Österreich, Geltung verschafft werden.

Nach allem führt die deutsche Liberalisierungsregelung nicht zur Anerkennung der österreichischen Produkteinordnung und ist deshalb nicht entscheidungserheblich.

Im Folgenden hat der Senat noch die beiden von den Beteiligten vorgelegten europäischen Verwaltungsakte zu würdigen, die eine Einstufung von Weihrauchextrakt in demselben Jahr – 2002 – als Arzneimittel beziehungsweise als Lebensmittel betreffen.

Zusammengefasst sind beide Verwaltungsakte nicht unmittelbar einschlägig für den vorliegenden Verwaltungsrechtsstreit über ein Marktverbot und geben keinen Anlass, von der vom EuGH aufgestellten „Strenge-Regel“ abzuweichen.

Der Beklagte hat einen Bescheid der Europäischen Kommission vom 21.10.2002 vorgelegt, den die EMEA, die Europäische Agentur für Arzneimittel, am 11.12.2002 veröffentlicht hat (Berufungsakte 3 R 7/05, Blatt 69 R). Der Beklagte hat dazu vorgetragen, der Weihrauchextrakt aus Boswellia serrata habe damit den Orphan-drug-Status erhalten (Berufungsakte Blatt 66). Mit dieser Bezeichnung hat es Folgendes auf sich. Die in dem Bescheid der EG-Kommission auch genannte Rechtsgrundlage ist die Verordnung (EG) Nr. 141/2000 vom 16.12.1999 über Arzneimittel für seltene Leiden. Sinn und Regelungszusammenhang der Verordnung sind in dem Erwägungsgrund 1 zusammengefasst. Danach treten bestimmte Leiden EU-weit so selten auf, dass die Entwicklungskosten von Arzneimitteln durch den zu erwartenden Umsatz nicht mehr gedeckt werden. Die pharmazeutische Industrie wäre in diesen Fällen nicht bereit, das Arzneimittel unter normalen Marktbedingungen zu entwickeln. Diese Arzneimittel werden im englischen Sprachraum als „Orphan medicinal products“, das heißt als Waisenkinder unter den Arzneimitteln bezeichnet. Vor diesem Hintergrund bezweckt die Verordnung nach dem Erwägungsgrund 4, durch die Einführung eines Gemeinschaftsverfahrens potenzielle Arzneimittel als Arzneimittel für seltene Leiden auszuweisen. Die Förderung erfolgt durch Forschungshilfe bei der Entwicklung (Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung) und durch ein späteres Marktexklusivitätsrecht (Artikel 8 der Verordnung). Der Antrag auf Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden kann grundsätzlich in jedem Entwicklungsstadium des Arzneimittels gestellt werden, indessen nur vor dem Antrag auf Verkehrsgenehmigung (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung). Zusammengefasst bedeutet der Bescheid mithin eine Ausweisung von Weihrauchextrakt als Forschungsarzneimittel für die Behandlung der seltenen Krankheit der Gehirnödeme bei Gehirntumor; eine Verkehrsgenehmigung als Arzneimittel bedeutet der Bescheid nicht, wie im letzten Absatz ausdrücklich hervorgehoben ist. Der Bescheid betrifft also keine Marktzulassung.

Der Verordnung über Arzneimittel für seltene Leiden liegt nach Artikel 2 a der Humanarzneimittelbegriff nach der Richtlinie 65/65/EWG zugrunde, wobei diese Bezugnahme nunmehr durch eine Bezugnahme auf die Humanarzneimittelrichtlinie 2001/83/EG ersetzt ist (Artikel 128 der Humanarzneimittelrichtlinie). Da die Ödembehandlung bei Tumoren nach den dem Senat vorliegenden wissenschaftlichen Unterlagen ausschließlich den hoch dosierten Bereich von Weihrauchextrakt betrifft,

Safayhi-Ammon, Seite 7; Gutachten Bertram, Seite 3; Bertsche/Schulz, Seite 2

steht damit in diesem Bereich gemeinschaftsrechtlich die Einordnung als Arzneimittel fest.

Zwingend ist dies für die hier maßgebende niedrige Dosis von Weihrauch nicht. Einen Doppelcharakter nach der Dosis hat der EuGH bei Vitaminen anerkannt, die in ganz geringer Menge für die tägliche Ernährung unbedingt erforderlich sind, in starken Dosen aber zu therapeutischen Zwecken bei bestimmten Krankheiten verwendet werden.

EuGH, Urteil vom 29.4.2004 – C – 387/99 -, Rz. 56.

Deshalb bedeutet die im Jahr 2002 erfolgte Ausweisung von indischem Weihrauchextrakt als Forschungsarzneimittel für seltene Krankheiten ein - nicht zwingendes - Indiz für die gemeinschaftsrechtliche Einstufung von Weihrauchextrakt insgesamt als Arzneimittel. Der Gegenschluss der Klägerin, die angestrebte Marktzulassung sei bereits gescheitert, überzeugt nicht, da die Zulassungsreife einschließlich Standardisierung eines Stoffgemischs schwer erreichbar und langwierig sein kann.

Ebenso wie der Beklagte hat die Klägerin im Rechtsstreit einen Verwaltungsakt der Europäischen Gemeinschaft vorgelegt, den sie zu ihren Gunsten verwerten will (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 75). Dabei handelt es sich um die verbindliche Zolltarifauskunft vom 16.9.2002. Der Bescheid ist im Namen der Europäischen Gemeinschaft erlassen, die erteilende Zollbehörde ist das Bundesministerium für Finanzen in Wien. Als Berechtigter ist angegeben die österreichische Firma G.. Gegenstand des Bescheides ist das namensidentische Produkt der Klägerin. Inhaltlich betrifft der Bescheid die Einreihung in die Zollnomenklatur als Lebensmittel und zur Begründung ist angegeben, aufgrund des Fehlens einer Ankündigung zur Verwendung bei spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, sowie der exakten Dosierungsvorschrift, liege keine näher gekennzeichnete Arzneiware vor.

Die Klägerin hat aus dieser verbindlichen Zolltarifauskunft von Anfang an den Schluss gezogen,

Schriftsatz vom 7.10.2002, VG-Akte Bl. 78

das streitige Produkt dürfe in der gesamten Europäischen Union aufgrund der verbindlichen Zolltarifauskunft als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden. Die Verkehrsfähigkeit des von ihr vertriebenen Produktes in Deutschland ergebe sich damit schon aus der amtlichen Bestätigung der Europäischen Union. Zur Bekräftigung ihres Vortrags hat sie erstinstanzlich zwei verschiedene Vorlageanträge an den EuGH angeregt (Akte des Verwaltungsgerichts Bl. 91 und Bl. 133), die jeweils die Auswirkungen der verbindlichen Zolltarifauskunft auf die Zulässigkeit der Vermarktung betreffen. Zweitinstanzlich hat sie ausweislich des Protokolls eine entsprechende Vorlage an den EuGH hilfsweise angeregt.

Das Begehren der Klägerin entspricht offenkundig nicht dem Gemeinschaftsrecht, das eine Auslegung im Sinne der Klägerin nicht zulässt. Es entspricht auch nicht der dargelegten Rechtsprechung des EuGH zur selbstständigen Sachverhaltsbeurteilung der nationalen Behörden und Gerichte im Vermarktungsstreit.

Dafür ist zunächst auf die Rechtsgrundlage der verbindlichen Zolltarifauskunft einzugehen. Wie im Bescheid auch ausdrücklich angegeben, beruht die Zolltarifauskunft auf Art. 12 der – insoweit nicht geänderten - Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 vom 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften – Zollkodexverordnung -. Nach dem Erwägungsgrund 1 geht es bei der Verordnung um die Kodifizierung der bisherigen Zollvorschriften der Gemeinschaft als Zollunion. Betroffen von dem Zollrecht ist nach Art. 1 der Verordnung der Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern. Nach Art. 2 gilt das gemeinschaftliche Zollrecht einheitlich im gesamten Zollgebiet der Gemeinschaft. Richtig ist damit der Standpunkt der Klägerin, dass die Zollverwaltungsakte die gesamte Gemeinschaft betreffen. Sodann werden nach Art. 12 Abs. 1 der Zollkodexverordnung auf schriftlichen Antrag von den Zollbehörden verbindliche Zolltarifauskünfte erteilt. Verbindliche Zolltarifauskünfte sind nach der Definitionsvorschrift des Art. 4 Nr. 5 der Zollkodexverordnung hoheitliche Maßnahmen auf dem Gebiet des Zollrechts.

Die Klägerin begehrt eine Vorlage des Sachverhalts zur Entscheidung an den EuGH. Sie hält es nach ihrem Rechtsstandpunkt für eine klärungsbedürftige Auslegungsfrage, wie weit die Verbindlichkeit der Zolltarifauskunft reicht. Sie meint, die Verbindlichkeit betreffe nicht nur den Zolltarif, sondern auch die anschließende Vermarktung. In Wirklichkeit ist aber die Verbindlichkeitsfrage in Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung ohne Auslegungsspielraum wie folgt geregelt:

Die verbindliche Zolltarifauskunft bindet die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten nur hinsichtlich der zolltariflichen Einreihung der Waren.

Das Wort „nur“ lässt keinen Auslegungsspielraum dahingehend zu, die Bindungswirkung erstrecke sich über die zolltarifliche Einreihung der Waren hinaus auch auf die anschließende Vermarktung und die Anwendung des Gesundheitsrechts. Ist mithin die Einschränkung der Verbindlichkeit auf das Zollrecht derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, scheidet eine Vorlagepflicht an den EuGH nach Art. 234 EGV selbst nach den Maßstäben für ein letztinstanzliches Gericht – die hier nicht erfüllt sind – aus.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 EGV Rdnr. 16.

Im Übrigen hat das nationale Gericht über die Entscheidungserheblichkeit einer Vorlagefrage selbst zu befinden.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 EGV Rdnr. 12.

Darüber hinaus hat das nationale Gericht über die Vorlage von Amts wegen, unabhängig von der Auffassung der Beteiligten zu entscheiden.

Geiger, EUV/EGV, 4. Auflage 2004, Art. 234 Rdnr. 11.

Entsprechende Anträge der Beteiligten bedeuten prozessual mithin nur die Anregung zu einer Vorlageentscheidung.

Von Amts wegen scheidet eine Vorlage schon deshalb aus, weil Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung auch unabhängig von dem streitigen objektiven Anwendungsbereich auch nach den subjektiven Merkmalen nicht entscheidungserheblich ist.

Vorliegend sind die subjektiven Voraussetzungen der Verbindlichkeitsbestimmung des Art. 12 Abs. 2 der Zollkodexverordnung nicht gegeben. Die verbindliche Zolltarifauskunft bindet nach der Verordnung nur die Zollbehörden gegenüber dem Berechtigten. Zollbehörde ist nach Art. 4 Nr. 3 der Zollkodexverordnung eine für die Anwendung des Zollrechts zuständige Behörde. Der Beklagte als oberste Gesundheitsbehörde ist ebenso wenig eine Zollbehörde im Sinne der Gemeinschaftsvorschrift wie die Klägerin Berechtigte des Bescheides ist, da in dem Bescheid als Berechtigte ausdrücklich die österreichische Firma G. genannt ist. Mithin verbleibt es dabei, dass die Vorschrift des Art. 12 II der Zollkodexverordnung auf den vorliegenden Fall zweifelsfrei subjektiv nicht anwendbar ist.

Unabhängig von der normativen Rechtslage entspricht es auch nicht der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zu gesundheitsbezogenen Marktverboten gegenüber importierten Produkten, dass das Gesundheitsrecht bindend an das Zollrecht gekoppelt wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH haben die nationalen Behörden und zu deren Kontrolle die nationalen Gerichte bei der Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Vermarktung in ihrem Staat auch bei importierten Erzeugnissen selbst die Qualifizierungszuständigkeit für den Einzelfall, ob ein Erzeugnis als Arzneimittel oder als Lebensmittel im Sinne des Gemeinschaftsrechts einzustufen ist.

EuGH Lactobact-Urteil vom 9.6.2005 – C – 211/03 -, Rz. 30 für die Zuständigkeit der nationalen Behörden und Rz. 97 für die Zuständigkeit des nationalen Gerichts; ebenso schon EuGH, Ter-Voort-Urteil vom 28.10.1992 – C – 219/91 – betreffend die Zulässigkeit der Vermarktung von Kräutertee aus Südamerika, dort zur fallbezogenen Einstufungszuständigkeit der nationalen Gerichte Rz. 32; EuGH Delattre-Urteil vom 21.3.1991 – C – 369/88 -, dort Rz. 35 zur Einstufungszuständigkeit der nationalen Behörden unter Kontrolle der nationalen Gerichte.

In einem entschiedenen Fall – dem Ter-Voort-Urteil des EuGH von 1992 – betraf die Einstufung die Vermarktung von aus Südamerika eingeführten Produkten. Nach der seinerzeit schon bestehenden Zollunion unterlagen diese Produkte einer Außenzollerhebung und damit einer Zolltarifeinordnung. Die seinerzeitige Vorlagefrage (Rz. 13), ob ein Erzeugnis, das im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, als Arzneimittel eingestuft werden kann, hätte vom Rechtsstandpunkt der Klägerin damit beantwortet werden müssen, dass die Antwort aus dem Zollrecht folge. Stattdessen lautet die Antwort des EuGH (Rz. 21), dass ein Arzneimittel selbst dann vorliegen kann, wenn es im Allgemeinen als Lebensmittel angesehen wird, und (Rz. 32) es Sache der nationalen Gerichte ist, unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles die Einordnung vorzunehmen. Auch der Grundgedanke in dem Ter-Voort-Urteil des EuGH, dass (Rz. 19) im Gesundheitsrecht die strengere Gemeinschaftsregelung anzuwenden ist, verträgt sich nicht damit, dass die der Einnahmeerzielung dienende Zolltarifregelung stattdessen einschlägig sein soll. Damit könnten die Gesundheitsgefahren nicht hinlänglich berücksichtigt werden. Mithin scheidet eine Vorlage an den EuGH auch deshalb aus, weil die Rechtsansicht der Klägerin zur Bindung der Vermarktung an das Zollrecht der vorliegenden Rechtsprechung des EuGH widerspricht.

Der Bescheid ist für den vorliegenden Vermarktungsprozess offensichtlich rechtsunerheblich.

Unabhängig von der fehlenden Bindungswirkung kann auch die Begründung der Zolltarifauskunft für den vorliegenden Fall nicht fruchtbar gemacht werden. Begründet ist die Ablehnung einer Arzneiware mit dem Gesichtspunkt des Fehlens einer Ankündigung zur Verwendung bei spezifischen Krankheiten und einer entsprechenden exakten krankheitsbezogenen Dosierungsvorschrift. Mit dieser Überlegung lässt sich aber allein ein Präsentationsarzneimittel ausschließen, was ohnedies unstreitig ist. Dagegen enthält die Begründung keinerlei Gesichtspunkte zu einem Funktionsarzneimittel, da die pharmakologische Wirkung von vornherein nicht behandelt wird. Für den Hauptstreit der Beteiligten über das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels lässt sich aus der Begründung des Bescheides nichts gewinnen.

Nach dem Prüfungsergebnis des Senats haben die von den Beteiligten vorgelegten Bescheide nach dem Gemeinschaftsrecht für den vorliegenden Fall keine Bindungswirkung und führen zu keinem anderen Ergebnis.

Mithin hat es bei einer selbstständigen sachverhaltsbezogenen Einstufung des Produkts der Klägerin für die Vermarktung durch die nationalen Behörden und die nationalen Gerichte ohne Vorlagepflicht an den EuGH zu verbleiben.

Nach allem ist der Senat davon überzeugt, dass das Produkt der Klägerin ein Funktionsarzneimittel ist und damit dem strengen Zulassungsrecht für Fertigarzneimittel unterliegt. Der Klägerin ist zwar Recht zu geben, dass in dieser Rechtsanwendung ein Hemmnis für den freien Warenverkehr liegt. Das Produkt muss also nach der plastischen Formulierung der Klägerin durch das „Nadelöhr“ des Arzneimittelrechts. Der Grund dafür liegt aber letztlich in der eindeutigen Weichenstellung des EuGH zu Gunsten des strengeren Gesundheitsrechts. Der EuGH hat dem nunmehr im Gemeinschaftsrecht kodifizierten Gedanken Bedeutung beigemessen, dass die besonderen Gesundheitsgefahren gerade von Arzneimitteln im Zweifel die Anwendung des strengeren Gesundheitsrechts gegenüber dem weniger strengen Lebensmittelrecht erfordern. Diese Gefahrabwägung führt letztlich zu dem Ergebnis, dass hier wegen der festgestellten – negativen - pharmakologischen Wirkung des Produkts in der empfohlenen niedrigen Dosis ein Funktionsarzneimittel vorliegt.

Die Prüfung des Senats führt mithin zu dem Gesamtergebnis, dass gemeinschaftsrechtlich und nach deutschem Recht für die gesamte Geltungszeit des Dauerverwaltungsakts vom 23.1.2002 rechtlich maßgebend ein Funktionsarzneimittel vorliegt, das als Fertigarzneimittel für den Verbraucher gemäß § 21 AMG einer Zulassung bedarf, die aber unstreitig weder nach Gemeinschaftsrecht noch nach deutschem Recht vorhanden ist.

Damit liegt aber zur Überzeugung des Senats der Untersagungstatbestand des § 69 I Nr. 1 AMG in den insoweit übereinstimmenden Fassungen vom 11.12.1998 (BGBl. I Bl. 3586), vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 2031), vom 29.8.2005 (BGBl. I S. 2555) sowie der Bekanntmachung vom 12.12.2005 (BGBl. I S. 3394) vor. Die im Gesetz eingeräumte Ermessensausübung ist von der Klägerin nicht problematisiert worden. Ein Ermessensfehler wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn die für das Arzneimittel erforderliche Zulassung ausschließlich aus formellen Gründen fehlte, materiell aber die therapeutische Wirksamkeit mit vertretbaren Nebenwirkungen bereits feststünde. Schon die nicht geklärte therapeutische Wirksamkeit würde die Ermessensausübung im Sinne einer Untersagung rechtfertigen. Erst recht gilt das hier, da nach den vorliegenden Forschungsergebnissen für niedrig dosierten Weihrauchextrakt zwar keine positiven pharmakologischen Wirkungen, wohl aber negative pharmakologische Wirkungen in Form der Förderung von Entzündungsprozessen wissenschaftlich festgestellt sind. Bei dieser Sachlage ist allein die Untersagung ermessensgerecht.

Nach allem ist der angefochtene Dauerverwaltungsakt vom 23.1.2002 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Mithin ist ihre Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO und die Nichtzulassung der Revision auf § 132 II VwGO.

Sonstige Literatur

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründung ist ebenfalls bei dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (Hausadresse: Kaiser-Wilhelm-Straße 15, 66740 Saarlouis/Postanschrift: 66724 Saarlouis) einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der das Urteil abweicht, oder ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen kann, bezeichnet werden.

Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 40.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die streitige Vermarktung des Produkts der Klägerin auf dem deutschen Markt ist bedeutungsangemessen jahresbezogen gemäß den §§ 52 I, 63 II GKG unter Mitberücksichtigung der Nummern 4, 25.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8.7.2004 mit 40.000,-- Euro zu bewerten (vgl. auch die Streitwertfestsetzung im Urteil des OVG Münster vom 10.11.2005 – 13 A 463/03 – ebenfalls auf 40.000,-- Euro für ein vergleichbares Produkt).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.