|
|
| Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ungeachtet des EuGH-Vorlageverfahrens Tsakouridis (Rs. C-145/09) die insbesondere vom beklagten Land im Hinblick auf die Ausführungen im Senatsurteil vom 22.03.2010 - 11 S 1626/08 (InfAuslR 2010, 281) - zeitnah für klärungsbedürftig erachtete Frage der Gültigkeit von § 6 Abs. 3 AAZuVO ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO). |
|
| Die vom Verwaltungsgericht zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 09.12.2008 zu Recht aufgehoben. Dieser Bescheid ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (vgl. BVerwG, U. v. 03.08.2004 - 1 C 30.02 - BVerwGE 121, 297) jedenfalls formell rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). |
|
| Der angefochtene Bescheid ist formell rechtswidrig. Er wurde vom Regierungspräsidium Karlsruhe ohne sachliche Zuständigkeit erlassen. Denn der für die Zuständigkeit in Anspruch genommene § 6 Abs. 3 der Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums über Zuständigkeiten nach dem Aufenthaltsgesetz, dem Asylverfahrensgesetz und dem Flüchtlingsaufnahmegesetz sowie über die Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer vom 02.12.2008 (GBl. 2008, S. 465; Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung - AAZuVO) ist mangels gesetzlicher Ermächtigung im Sinne von Art. 61 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV) nichtig. § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG scheidet als Ermächtigungsgrundlage für § 6 Abs. 3 AAZuVO aus (hierzu 1.). Andere tragfähige Ermächtigungsgrundlagen sind in der AAZuVO weder angegeben noch sonst erkennbar (hierzu 2.) Eine Heilung oder Unbeachtlichkeit des Mangels der sachlichen Zuständigkeit kommt nicht in Betracht (hierzu 3.). |
|
| 1. § 6 Abs. 3 AAZuVO entbehrt mangels gesetzlicher Ermächtigung der Rechtsgültigkeit und Rechtswirksamkeit; diese Zuständigkeitsregelung ist nichtig. Nach § 6 Abs. 3 AAZuVO sind die Regierungspräsidien bei Unionsbürgern, Staatsangehörigen der EWR-Staaten oder deren Familienangehörigen zuständig für - wie im vorliegenden Fall im Streit stehende - Maßnahmen und Entscheidungen nach § 6 Abs. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950, 1986 - FreizügG/EU), geändert durch Art. 2 des (Richtlinienumsetzungs-)Gesetzes vom 19.08.2007 (BGBl. I S. 1970). Als Rechtsverordnung bedarf § 6 Abs. 3 AAZuVO der Ermächtigung durch ein Parlamentsgesetz, das Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt (Art. 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LV). Nach der rechtsstaatlichen Schutzbestimmung des Zitiergebots in Art. 61 Abs. 1 Satz 3 LV ist in der Verordnung zudem die Rechtsgrundlage anzugeben. Fehlt es an einer tragfähigen Ermächtigungsgrundlage oder ist diese nicht in der Rechtsverordnung zitiert, hat dies die Nichtigkeit zur Folge (einhellige Meinung, vgl. Feuchte, Verfassung des Landes Bad.-Württ., 1987, Art. 61 Rn. 10 m.w.N.; ausführlich zum Verstoß gegen das Zitiergebot: VGH Bad.-Württ., B. v. 05.07.1985 - 1 S 390/85 - VBlBW 1985, 385). |
|
| § 6 Abs. 3 AAZuVO fehlt es an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne von Art. 61 Abs. 1 LV; der von dem Beklagten hierzu benannte und unter Nr. 5 der Einleitungsformel der AAZuVO zitierte § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kann diese Zuständigkeitsregelung nicht tragen. Nach der generellen Zuständigkeitsregelung des § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind die Ausländerbehörden zuständig für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz sowie nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen. Gemäß Satz 2 der Norm kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG könnte die Zuständigkeitskonzentration für Verlustfeststellungen nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU auf die vier baden-württembergischen Regierungspräsidien mithin der Sache nach durchaus abdecken, selbst wenn hier nicht (wie z.B. in § 15 a Abs. 4 Satz 5 AufenthG) von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung die Rede ist. |
|
| § 71 Abs. 1 AufenthG ist jedoch nach der speziellen Verweisungsnorm des § 11 FreizügG/EU für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht anwendbar. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU finden auf Unionsbürger und ihre Familienangehörigen entsprechende Anwendung - enumerativ und ausschließlich - § 3 Abs. 2, § 11 Abs. 2, die §§ 13, 14 Abs. 2, die §§ 36, 44 Abs. 4, § 46 Abs. 2, § 50 Abs. 3 bis 7, §§ 69, 73, 74 Abs. 2, § 77 Abs. 1, die §§ 80, 82 Abs. 5, die §§ 85 bis 88, 90, 91, 95 Abs. 1 Nr. 4 und 8, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4, die §§ 96, 97, 98 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 2a, 3 Nr. 3, Abs. 4 und 5 sowie § 99 des Aufenthaltsgesetzes. Die Verweisungsnorm des § 11 FreizügG/EU stellt die Schnittstelle des Freizügigkeitsgesetzes zum Aufenthaltsgesetz dar und muss im Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufentG gesehen werden. Danach findet das Aufenthaltsgesetz keine Anwendung auf Ausländer, deren Rechtsstellung durch das Freizügigkeitsgesetz geregelt ist, soweit nicht - wie etwa in § 11 Abs. 1 FreizügG/EU - durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Entsprechend dem Verfassungsziel der Verwirklichung eines vereinten Europas (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG), dem Verfassungsgrundsatz der Europafreundlichkeit und des Selbstverständnisses der Union als Rechtsgemeinschaft (BVerfG, B. v. 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06 - Rn. 53/59 ) sowie dem Grundsatz, dass die Union ihren Bürgerinnen und Bürgern Freizügigkeit (heute: Art. 45 Abs. 1 GRCh, Art. 21 Abs. 1 AEUV) sowie einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen bietet, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist (heute: Art. 3 Abs. 2 EUV-Liss.), sowie im Lichte der mit Anwendungsvorrang ausgestatteten Unionsbürger-Richtlinie 2004/38/EG (vgl. dort die Art. 6 ff.), deren Daueraufenthaltsrecht das Gefühl der Unionsbürgerschaft verstärken und zum sozialen Zusammenhalt beitragen soll (17. Erwägungsgrund; BVerwG, B. v. 13.07.2010 - 1 C 15.09 - Rn. 26) und deren größtmögliche praktische Wirksamkeit im Sinne des europarechtlichen „effet utile“ die Mitgliedstaaten garantieren müssen, ist das Freizügigkeitsgesetz/EU als ein die Unionsbürger privilegierendes Spezialaufenthaltsrecht zu interpretieren. Dementsprechend ist die spezifische Verweisungsnorm des § 11 FreizügG/EU als grundsätzlich abschließend zu begreifen. Für Unionsbürger soll eben nicht das allgemeine Ausländerrecht gelten; der Gesetzgeber spricht deshalb in der Gesetzesbegründung ausdrücklich vom „Grundsatz, dass Unionsbürger und ihre Angehörigen weitestgehend aus dem Geltungsbereich des allgemeinen Ausländerrechts herausgenommen werden“ (BT-Drs. 15/420, S. 106). In § 11 Abs. 1 FreizügG/EU nicht genannte Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes sind mithin zum einen insbesondere nur nach Maßgabe der Meistbegünstigungsklausel in Satz 5 der Norm anwendbar, wonach das Aufenthaltsgesetz im Übrigen Anwendung findet, „wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als das FreizügG/EU“, so dass es nicht zu einer nach Unionsrecht unzulässigen Schlechterstellung der Unionsbürger gegenüber sonstigen Ausländern kommen kann (so die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 15/420, S. 106). Zum anderen findet das AufenthG nach § 11 Abs. 2 FreizügG/EU ausdrücklich erst dann Anwendung, wenn das Nichtbestehen oder der Verlust des Freizügigkeitsrechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU behördlich festgestellt worden ist. Auch dadurch wird im Umkehrschluss der abschließende Charakter der Verweisungsnorm des § 11 FreizügG/EU deutlich; Unionsbürger sollen erst und nur dann dem allgemeinen Ausländerrecht unterfallen, wenn sie über kein europarechtliches Freizügigkeitsrecht (mehr) verfügen. Maßnahmen und Entscheidungen bis zur bzw. über die Verlustfeststellung hingegen können grundsätzlich nicht auf der Basis des Aufenthaltsgesetzes erlassen werden. Da in § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU auch auf Verfahrensnormen (z.B. §§ 73, 77 Abs. 1 AufenthG) und sogar eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen (§ 99 AufenthG) verwiesen wird, kann es kein Redaktionsversehen sein, dass auf die Zuständigkeitsnorm des § 71 Abs. 1 AufenthG gerade nicht verwiesen wurde. Der Bund wollte den Ländern offenbar nicht die Vorgabe machen, für die Verwaltung von Angelegenheiten der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen zwingend die Ausländerbehörden einschalten zu müssen. Der abschließende Charakter des § 11 FreizügG/EU ergibt sich mithin aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte, der Systematik des deutschen Aufenthaltsrechts, aus Sinn und Zweck der Norm sowie vor allem ihrem europarechtlichen Kontext (im Ergebnis ebenso: Hailbronner, AuslR, 10/2007, § 11 FreizügG/EU Rn. 1 f.; Harms in Storr/Wenger u.a., ZuwG, § 11 FreizügG/EU Rn. 2 ff.; Epe in GK-AufenthG 11/2006, § 11 FreizügG/EU Rn. 3; Hoppe in HTK-AuslR, 2/2005, § 11 FreizügG/EU zu Abs. 1; Renner, AuslR, 8. Aufl., § 11 FreizügG/EU Rn. 2; Hofmann in HK-AuslR, § 11 FreizügG/EU Rn. 4). Der die Konzeption des ausländerrechtlichen Sonderstatus der Unionsbürger nicht hinreichend beachtende Ansatz des Beklagten, § 71 Abs. 1 AufenthG als „Gesetz“ im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG und das FreizügG/EU als „anderes Gesetz“ im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG einzustufen, überzeugt nach alledem nicht. Ebenso wenig kann vor diesem Hintergrund aus dem Umstand, dass in § 11 Abs. 2 FreizügG/EU von der „Ausländerbehörde“ die Rede ist, auf eine generelle Anwendbarkeit von § 71 Abs. 1 AufenthG auch für Unionsbürger oder jedenfalls für die Nichtbestehens- oder Verlustfeststellung geschlossen werden. Und selbst wenn § 11 Abs. 2 FreizügG/EU als bundesrechtliche Zuständigkeitsbestimmung dahingehend zu lesen wäre, dass die Nichtbestehens- oder Verlustfeststellung zwingend von der Ausländerbehörde zu erlassen ist, kann hierin jedenfalls keine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass von § 6 Abs. 3 AAZuVO erkannt werden, ganz unabhängig davon, dass § 11 Abs. 2 FreizügG/EU in der Einleitungsformel der AAZuVO auch nicht zitiert wird. |
|
| 2. Andere tragfähige Ermächtigungsgrundlagen für die Zuständigkeitsregelung des § 6 Abs. 3 AAZuVO sind in der AAZuVO selbst nicht angegeben; sie werden vom beklagten Land nicht behauptet und sind auch sonst nicht erkennbar. Die in der Einleitungsformel der AAZuVO weiter zitierten § 4 Abs. 2 LVwVG (Nr. 2), § 15 a Abs. 1 Satz 5 und Abs. 3 Satz 4 AufenthG i.V.m. § 46 Abs. 5 AsylVfG (Nr. 3), § 15 a Abs. 4 Satz 5 und 6 AufenthG (Nr. 4), § 2 Abs. 5 FlüAG (Nr. 6) sowie § 22 Abs. 2 Satz 1, § 46 Abs. 5 und § 88 Abs. 3 AsylVfG (Nr. 7) scheiden aufgrund ihrer anderen sachlichen Anwendungsbereiche offenkundig aus. Der unter Nr. 1 zitierte § 12 Abs. 1 Satz 2 des Landesverwaltungsgesetzes i.d.F. vom 03.02.2005 (GBl. S. 159 - LVG a.F.), wonach einem Regierungspräsidium Aufgaben auch in anderen Regierungsbezirken zugewiesen werden können, betrifft bei einer an sich bestehenden Zuständigkeit der Regierungspräsidien nur den Fall der Konzentration auf ein einziges Regierungspräsidium. Auf § 12 Abs. 1 Satz 1 LVG a.F., wonach die Regierungspräsidien zuständig sind für die ihnen (…) „durch Gesetz, Rechtsverordnung oder eine Anordnung nach § 5 Abs. 3 und 4 (LVG a.F.) zugewiesenen Aufgaben“, wird in der Einleitungsformel der AAZuVO nicht verwiesen; diese Norm enthielte im Übrigen wohl auch keine eigenständige und originäre Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung. Der in der Einleitungsformel unter Nr. 1 zitierte § 5 Abs. 4 LVG a.F., wonach bestimmte Aufgaben nachgeordneter Verwaltungsbehörden auf andere nachgeordnete Behörden übertragen werden können, passt hier ebenso wenig wie § 5 Abs. 3 LVG a.F., wonach die Ministerien ermächtigt sind, eigene bestimmte Aufgaben nachgeordneten Behörden zu übertragen. Denn das bezüglich der am 02.12.2008 erlassenen AAZuVO anwendbare, bis 31.12.2008 gültig gewesene Landesverwaltungsgesetz a.F. unterschied in § 12 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 und § 18 sowie in § 30 zwischen Gesetz, Rechtsverordnung und „Anordnungen“ („nach § 5 Abs. 3 und 4“), d.h. Verwaltungsvorschriften. Da das Gesetz an anderer Stelle ausdrücklich zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigte (vgl. etwa §§ 5 a Abs. 3, 13 Abs. 2, 16 Abs. 2, 25 a Abs. 1, 25 a Abs. 2 Satz 1 LVG a.F. - ebenso die Neufassung in § 4 Abs. 1 LVG 2009), konnte dies bei „Anordnungen nach § 5 Abs. 3 und 4“ nicht gemeint sein. § 5 LVG a.F. kann jedenfalls die unionsbürgerrechtliche Zuständigkeitsregelung des § 6 Abs. 3 AAZuVO nicht tragen. |
|
| 3. Eine Heilung (§ 45 LVwVfG) oder Unbeachtlichkeit (§ 46 LVwVfG) des Mangels der sachlichen Zuständigkeit kommt generell nicht in Betracht (ganz h.M., vgl. VGH Bad.-Württ., U. v. 17.06.2003 - 1 S 2025/01 - VBlBW 2004, 213; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 45 Rn. 10 m.w.N.). Die Verlustfeststellung ist mithin formell rechtswidrig angeordnet worden, so dass es auf die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit - und insbesondere den Ausgang des Vorlageverfahrens Tsakouridis auch zur Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Sicherheit“ gemäß Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG (vgl. EuGH, Schlussantrag Bot v. 08.06.2010, Rs. C-145/09) - nicht mehr ankommt. |
|
| Dieser Verstoß gegen die Zuständigkeitsordnung verletzt den Kläger im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten, denn es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass hier abweichend von allgemeinen Grundsätzen die Zuständigkeitsregeln nicht auch dem Schutz des Betroffenen dienen (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.1996 - 1 C 19.94 - InfAuslR 1997, 239), insbesondere, weil es bei der Verlustfeststellung um eine in Freiheitsrechte eingreifende Ermessensentscheidung geht (Harms in Storr/Wenger u.a., ZuwG, 2. Aufl., § 6 FreizügG/EU Rn. 10). Vor diesem Hintergrund kommt auch die weitere Anwendbarkeit des § 6 Abs. 3 AAZuVO für eine Übergangszeit nicht in Betracht (vgl. die Ausnahme zur Leistungsverwaltung im Beihilferecht in BVerwG, U. v. 28.05.2008 - 2 C 1.07 - NVwZ 2008, 1380). |
|
| 4. Mangels spezieller bundes- oder landesrechtlicher Zuständigkeitsregelung greift damit der Grundsatz, dass das materielle Unionsrecht nach den Regeln des nationalen Rechts vollzogen wird (stRspr, vgl. EuGH, U. v. 21.09.1983, Rs. C-205/82 - Slg. 1983, S. 2633 ; BVerwG, B. v. 26.02.2010 - 3 B 4.10 - juris Rn. 6). Für die Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU war im Zeitpunkt des Bescheiderlasses (vgl. § 5 Abs. 2 LVG a.F.) und ist heute gemäß Art. 83, 84 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 3 LVG 2009 i.V.m. Art. 1 III. der Bekanntmachung der Landesregierung über die Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Ministerien vom 24.07.2001 (GBl. S. 590) das Innenministerium zuständig. Da das Unionsbürgerrecht nicht aus der Perspektive der Gefahrenabwehr, sondern von dem Grundgedanken des „Europas der - freizügigkeitsberechtigten - Bürger“ her vollzogen werden muss (vgl. Art. 2 EUV-Liss., Art. 20 AEUV), ist die Anwendung der Zuständigkeitsregeln des Polizeirechts, insbesondere § 66 Abs. 2 PolG, ausgeschlossen (hierzu: Storr/Wenger, ZuwG, § 71 AufenthG Rn. 4, m.w.N.; Thym, Migrationsverwaltungsrecht, 2010, S. 211 ff.). Eine an die Gefahrenabwehr anknüpfende Ausgestaltung des aufenthaltsrechtlichen Status des Unionsbürgers wäre mit dem Geist des EU-Vertrags nicht in Einklang zu bringen (ausführlich: Bast, Aufenthaltsrechtliche Steuerung der Migration, i.E., Kap. 2 B.). |
|
| Dem Innenministerium ist es selbstredend unbenommen, die Zuständigkeitsregelung des § 6 Abs. 3 AAZuVO, besser: gemeinsam mit der Landesregierung die gesamte AAZuVO (ggf. wortgleich) auch auf der voraussichtlich hierfür nunmehr tragfähigen gesetzlichen Ermächtigung des § 4 Abs. 1 Alt. 1 LVG 2009 erneut zu erlassen. Allein das nachträgliche Inkrafttreten des neuen Landesverwaltungsgesetzes am 01.01.2009 (GBl. 2008, S. 313) kann § 6 Abs. 3 AAZuVO hingegen nicht heilen, weil im Zeitpunkt der Ausfertigung einer Norm die Kompetenz zu ihrem Erlass in Geltung gestanden haben muss (BVerfG, U. v. 26.07.1972 - 2 BvF 1/71 - BVerfGE 34, 9 <21, 24>; BVerwG, U. v. 29.04.2010 - 2 C 77/08 - juris Rn. 20). |
|
|
|
| Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die zwischen den Beteiligten umstrittene und entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob § 11 FreizügG/EU die Anwendbarkeit von § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG sperrt, ist grundsätzlich klärungsbedürftig und klärungsfähig. |
|
| Beschluss vom 14. September 2010 |
|
| Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt. |
|