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| Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthaften – weitgehend inhalts- und wortgleichen - Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen sind zulässig (§§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), insbesondere entsprechen sie (noch) den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Auch fehlt ihnen nicht deshalb das erforderliche Rechtsschutzinteresse, weil dem Beigeladenen unter dem 21.09.2010 eine Baugenehmigung für ein (geringfügig) verändertes Bauvorhaben erteilt wurde, mit dem im westlichen Wohnhaus nurmehr vier Wohneinheiten und eine Gewerbeeinheit vorgesehen sind. Denn auch insoweit hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und gegen den ihn versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11.10.2010 – 6 K 1778/10 – Beschwerde eingelegt (5 S 2025/10). Dass der Beigeladene ungeachtet dessen von der Verwirklichung seines ursprünglichen Bauvorhabens endgültig Abstand genommen hätte, ist nicht ersichtlich. |
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| Die Beschwerden haben auch Erfolg. |
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| Zwar rechtfertigten es die von den Beschwerdeführern innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe als solche noch nicht, die vom Verwaltungsgericht zu ihrem Nachteil getroffene Abwägungsentscheidung zu ändern (1). Jedoch geben die von den Beschwerdeführern nach Fristablauf dargelegten weiteren Gründe ungeachtet dessen, dass nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich nur die - innerhalb der Frist - dargelegten Gründe zu prüfen sind, Anlass, jene zu ändern und den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 15.03.2010 auch insoweit abzulehnen, als sie das westliche Wohnhaus mit fünf Wohneinheiten betrifft (2). |
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| 1. Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die Antragstellerin sei mit ihrer Einwendung nach § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO ausgeschlossen, das Bauvorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil eine heranrückende Wohnbebauung den weiteren Betrieb der auf ihrem Grundstück genehmigten Schreinerwerkstatt gefährde, geht dies fehl. Zwar brachte die Antragstellerin diesen Einwand im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung nicht ausdrücklich am 15.02.2010 zur Niederschrift beim Bürgermeisteramt Bodman-Ludwigshafen vor, jedoch verwies sie „im Übrigen“ auf ihre bereits im Rahmen der - die vorausgegangene Bauvoranfrage betreffenden - Angrenzerbenachrichtigung erhobenen Einwendungen, die auch gegen den nunmehr eingereichten Bauantrag „im selben Wortlaut übernommen werden sollten“. In der entsprechenden Niederschrift vom 06.08.2009 hatte sie indes ausdrücklich auf den „Bestandsschutz der Werkstatt“ und ihrer Immissionen, insbesondere auch darauf hingewiesen, dass die Höhe des Schornsteins im Bereich der Fensteröffnungen des geplanten Wohngebäudes zu liegen käme, sodass bei Westwind CO 2 unmittelbar in die nur ca. 6 m entfernte Lochfassade des geplanten westlichen Wohnhauses gelangte. Damit ist auch der möglicherweise auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme führende (auf dasselbe Vorhaben bezogene) Einwand (jedenfalls) noch als fristgerecht erhoben anzusehen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass durch den Hinweis auf Vorbringen in einem anderen Verfahren und gegenüber einem anderen Vorhaben bzw. in einem Vorstadium des eigentlichen Verfahrens dieses noch nicht Inhalt des Einwendungsschreibens wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.08.1997 – 11 A 18.96 -, Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 24; Urt. v. 29.08.1986 – 7 C 52.84 -, Buchholz 406.25 § 10 BImSchG Nr. 2; Beschl. v. 11.12.1981 – 7 B 22.81 -, Buchholz 451.171 AtG Nr. 10). Denn die vollständig in Bezug genommenen Einwendungen wurden gerade im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung über die vorausgegangene Bauvoranfrage für dasselbe Vorhaben erhoben. Die entsprechenden Verwaltungsakten waren entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer schon deshalb beizuziehen, weil der Regelungsgehalt des bereits erteilten, wenn auch noch nicht bestandskräftigen Bauvorbescheids maßgeblich dafür ist, inwieweit die Antragsgegnerin gegenüber dem Beigeladenen gebunden war, dort vorab getroffene Feststellungen in die Baugenehmigung zu übernehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.03.1989 – 4 C 14.85 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 88). Abgesehen davon übersehen die Beschwerdeführer, dass die von ihnen geltend gemachte Präklusionswirkung voraussetzt, dass auf diese Rechtsfolge in der Angrenzerbenachrichtigung hingewiesen wurde (vgl. § 55 Abs. 3 Satz LBO; Sauter, Komm. Z. LBO, 3. A. 29. Lfg. 2007, § 55 Rn. 28 f.). Dass dies der Fall gewesen wäre, lässt sich indes den einschlägigen Baugenehmigungsakten nicht entnehmen. In diesen findet sich lediglich ein Zustellungsnachweis ( /29 ), nicht jedoch ein dem Bauantrag beigefügtes Begleitschreiben der Gemeinde mit einem entsprechenden Hinweis. |
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| Soweit die Beschwerdeführer weiter rügen, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der „offensichtlichen Problematik“ auseinandergesetzt, ob es sich bei der in Rede stehenden Schreinerei nicht um einen „atypischen, von dem branchenüblichen Erscheinungsbild abweichenden Gewerbebetrieb“ handelte, lassen ihre weiteren Ausführungen schon nicht erkennen, inwiefern ein solcher vorläge. Für die Frage, ob ein Gewerbebetrieb das Wohnen (auch in einem Mischgebiet) nicht wesentlich störte (vgl. § 6 Abs. 1 u. 2 Nr. 4 BauNVO), ist eine Vorausschau erforderlich, die nicht nur die aktuellen Störwirkungen eines Betriebs für seine Umgebung, sondern auch die Beeinträchtigungen einbezieht, die künftig auch bei funktionsgerechter Nutzung der Anlage eines entsprechenden Betriebs nicht auszuschließen sind. Nur durch eine solche – begrenzte – typisierende Betrachtungsweise lassen sich Konflikte vermeiden oder doch bewältigen, die in dem Nebeneinander von Gewerbe- und Wohnnutzung angelegt sind. Anders verhält es sich dann, wenn der jeweilige Betrieb in der Weise atypisch ist, dass er nach seiner Art und Betriebsweise v o n v o r n h e r e i n keine Störungen befürchten lässt und damit seine Gebietsverträglichkeit d a u e r h a f t und z u v e r l ä s s i g sichergestellt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1992 – 7 C 7.92 -, Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22; Urt. v. 07.05.1971 - IV C 76.68 -, Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 7). Holzverarbeitende Betriebe mit maschineller Ausrüstung wie Kreissägen und Hobelmaschinen, wie sie auch hier eingesetzt werden (vgl. bereits die Baubeschreibung v. Juni 1956 und nunmehr auch die gutachtliche Stellungnahme v. 16.06.2010, S. 5), sind danach (auch) in einem Mischgebiet im Regelfall unzulässig (vgl. BayVGH, Urt. v. 22.07.2004 - 26 B 04.931 - m.w.N.; OVG Saarland, Urt. v. 30.11.1999 - 2 R 2/99 -; BVerwG, Urt. v. 07.05.1971, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.10.1993 - 8 S 2693/92 -, BWGZ 1994, 87). Dafür, dass die in Rede stehende Schreinerwerkstatt aufgrund der gebotenen eingeschränkten typisierenden Betrachtungsweise (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1992, a.a.O.) auch in einem Mischgebiet zulässig wäre, spricht wenig. Allein daraus, dass seitens der Nachbarschaft - soweit ersichtlich - bisher keine unzumutbaren Immissionswirkungen geltend gemacht wurden und sich an der bisherigen Betriebsweise in absehbarer Zeit nichts zum Nachteil der umliegenden Wohnbebauung ändern dürfte, folgt dies nicht. Auch der Umstand, dass es sich inzwischen um einen „Ein-Mann-Betrieb“ handeln mag (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 22.07.2004, a.a.O.; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. A. 2008, § 6 Rn. 23.3), die Maschinen über mehrere Wochen in Folge nicht benutzt werden und die Montagearbeiten typischerweise erst vor Ort erfolgen mögen, vermag noch auf keine Atypik zu führen (vgl. OVG Saarland, Urt. v. BayVGH, Urt. v. 22.07.2004, a.a.O., Rn. 29); denn es ist keineswegs gewiss, dass es dabei bleiben wird. Soweit die Beschwerdeführer eine „Atypik“ damit zu begründen versuchen, dass die Schreinerei in einem Gebäude betrieben werde, dessen Standsicherheit (angeblich) „größten Bedenken“ begegne bzw. das „nahezu abbruchreif“ sei bzw. „gravierende bauliche Mängel“ aufweise, was freilich nicht näher belegt wird, und das nicht über die im Falle einer Beschäftigung von Angestellten notwendigen sanitären Anlagen verfüge, geht dies fehl. All dies mag Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten geben, führte aber ersichtlich noch nicht zur Unwirksamkeit der Baugenehmigung und zum Erlöschen des Bestandsschutzes oder dazu, dass die Schreinerwerkstatt nicht auch mit Angestellten betrieben werden dürfte. Nachdem im Hinblick auf die Größe des Bauvorhabens seinerzeit mit der Beschäftigung fremder Arbeitskräfte gerechnet worden war, war der baupolizeilichen Genehmigung auch eigens die vom Gewerbeaufsichtsamt mitgeteilte Auflage (Nr. 11) beigefügt worden, noch eine „Abortanlage mit Waschgelegenheit“ einzubauen. |
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| Im Übrigen kommt es auf eine „Atypik“ nicht entscheidend an, da es nicht um die Genehmigungsfähigkeit der bereits am 30.07.1956 bzw. am 05.03.1964 baupolizeilich genehmigten Schreinerwerkstatt, sondern um diejenige des an sie heranrückenden Wohnbauvorhabens geht. Im Rahmen des im Erfordernis des Einfügens i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB verankerten Rücksichtnahme-gebots ist vielmehr maßgeblich, was dem zur Rücksichtnahme Begünstigten einerseits und dem zur Rücksichtnahme Verpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.01.2003 - 4 C 19.90 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155). Insofern ist für die Schutzwürdigkeit der Bestandsschutz genießenden Schreinerwerkstatt zwar durchaus von Bedeutung, wie diese in den letzten Jahren tatsächlich betrieben wurde. Jedoch lassen die von den Beschwerdeführern fristgerecht vorgetragenen Gründe noch nicht erkennen, dass deren Betreiber jedenfalls nicht zu befürchten hätte, bei einer Verwirklichung des Bauvorhabens des Beigeladenen aus Gründen des Immissionsschutzes mit zusätzlichen, nicht nur unerheblichen Anforderungen an den genehmigten Betrieb überzogen zu werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.03.1984 – 4 B 171.73 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 98; Beschl. v. 25.11.1985 – 4 B 202.85 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 67; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.10.1991 – 3 S 2087/91 -, BauR 1992, 45). Denn wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hatte die Antragsgegnerin vor Erteilung der angefochtenen Genehmigung keine entsprechenden Feststellungen getroffen, obwohl hierzu nicht zuletzt aufgrund des Schreibens der Handwerkskammer K. vom 18.02.2010 hinreichend Anlass bestand; darauf, ob diese „Einwendungen“ erhoben hatte, kam es insofern nicht an. Inwiefern die Antragsgegnerin aufgrund der „tatsächlichen Gegebenheiten“ gleichwohl zu dem Ergebnis hätte kommen dürfen, dass kein Nutzungskonflikt entstünde, erschließt sich aus den Akten nicht. Fehl geht der Hinweis, dass die Schreinerei seit Jahrzehnten von Wohnbebauung „umzingelt“ sei, ohne dass es je zu Nutzungskonflikten gekommen sei. Denn schon aufgrund der nunmehr geringeren Abstände zu den im Maschinenraum der Werkstatt eingesetzten, für eine Schreinerei typischen immissionsträchtigen Maschinen und zum Kamin des das Werkstattgebäude beheizenden Ofens ließ sich nicht feststellen, dass sich das vorhandene bodenrechtliche Spannungsverhältnis bei Verwirklichung des Bauvorhabens nicht doch wesentlich verstärkte, zumal das Obergeschoss eben in Höhe des Kamins zu liegen käme und eine vorherrschende Westwindlage nicht ausgeschlossen schien. Dass das Betriebsgebäude zu dem Wohnhaus auf dem nordöstlich angrenzenden Grundstück Flst. Nr. 143/1 einen geringeren Abstand einhalten mag, ist vorliegend nicht von Bedeutung. Inwiefern Beeinträchtigungen aufgrund des Kamins von vornherein deshalb ausgeschlossen sein sollen, weil die Aufenthaltsräume nach Westen ausgerichtet seien, der Schreinerei gegenüber „nur“ Schlaf- und Küchenräume lägen, ein Kamin nur während der Betriebszeit am Tage genutzt werde, Emissionen nur in den Wintermonaten zu erwarten seien, in denen die gegenüberliegenden Fenster grundsätzlich geschlossen seien bzw. lediglich „stoßweise“ gelüftet werde und bislang keine Beanstandungen erhoben worden seien, erschließt sich dem Senat nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.10.1991 - 3 S 2087/91 -, BauR 1992, 45). Inwiefern der Ofen aus „gewerbe- und brandschutzrechtlichen Gründen“ gar unzulässig sein sollte, zeigen die Beschwerdeführer nicht auf. |
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| Soweit der Beigeladene noch geltend macht, die Aussetzung der sofortigen Vollziehung habe für ihn „existenzgefährdende Auswirkungen“, rechtfertigt auch dies noch keine andere Abwägungsentscheidung. Solche sind schon nicht ansatzweise dargetan. |
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| Nach alledem wären die Beschwerden nach der bei Ablauf der Begründungsfrist gegebenen Sachlage zurückzuweisen gewesen. |
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| 2. Anlass zu einer abweichenden Abwägungsentscheidung zugunsten der Beschwerdeführer geben indes nunmehr die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegende gutachtliche Stellungnahme des Ingenieurbüros für Schall- und Wärmeschutz (isw) vom 16.06.2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 30.07.2010, die hierzu abgegebene Stellungnahme des Landratsamtes Konstanz - Amt für Abfallrecht und Gewerbeaufsicht - vom 14.09.2010, die beigebrachte Stellungnahme des Bezirksschornsteinfegermeisters vom 05.10.2010 sowie nicht zuletzt die unter dem 07.10.2010 abgegebene Erklärung des Beigeladenen, die Kosten für zur Vermeidung von dem Kamin etwa ausgehender erheblicher Belästigungen erforderlich werdende Maßnahmen zu übernehmen. Zwar sind all diese Gründe, mit denen das bisherige Vorbringen auch nicht lediglich konkretisiert und vertieft wurde, erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungfrist entstanden, doch konnten sie vom Senat ungeachtet dessen, dass nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die - innerhalb der Frist - dargelegten Gründe zu prüfen sind, ausnahmsweise zu Gunsten der Beschwerdeführer berücksichtigt werden. So sind neue Tatsachen – hierzu gehören auch neue Beweismittel – zumindest dann berücksichtigungsfähig, wenn sie – wie hier – offensichtlich sind und nicht zu einem neuen - das Verfahren verzögernden - Streitstand führen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 08.07.2008 – 11 S 1041/08 -, VBlBW 2009, 109; BayVGH, Beschl. v. 11.06.2007 - 11 CS 06.2244 -; SächsOVG, Beschl. v. 29.03.2007 - 5 BS 295/06 -; HessVGH, Beschl. v. 07.09.2004 - 10 TG 1498/04 -). Denn § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zwingt das Beschwerdegericht nicht zu einer prozessunwirtschaftlichen und dem Gebot effektiven - zeitnahen - Rechtsschutzes widersprechenden Bestätigung einer Eilentscheidung erster Instanz, wenn diese Entscheidung in einem weiteren Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO - gegebenenfalls auch von Amts wegen - wieder zu ändern wäre, was auf eine bloße Förmelei hinausliefe. Die strikte Bindung an die innerhalb der Monatsfrist vorgebrachten Gründe gilt nach Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 VwGO in derartigen Fällen nicht (vgl. hierzu auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.01.2006 - 6 S 1860/05 - VBlBW 2006, 323). Dies gilt insbesondere dann, wenn letztlich nur neue präsente Beweismittel den fristgerecht dargelegten Gründen zum Erfolg verhelfen. Es wäre schwerlich mit dem grundsätzlich auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.11.2004 - 8 S 1870/04 -, VBlBW 2005, 282) und dem mit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verfolgten Zweck vereinbar, einen offensichtlich eingetretenen Erkenntnisfortschritt, der in der Hauptsache zu berücksichtigen wäre, allein deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil er nicht für, sondern gegen die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung spricht. Die nunmehr vorgebrachten Gründe waren, ungeachtet dessen, dass die Antragsgegnerin den Sachverhalt bereits vor Erteilung der Baugenehmigung von Amts wegen aufzuklären gehabt hätte und sie bzw. der Beigeladene die Stellungnahmen eingeholt hatten, auch keineswegs für die Beschwerdeinstanz aufgespart worden (vgl. hierzu VGH Bad,-Württ., Beschl. v. 08.11.2004 - 9 S 1536/04 -, NVwZ-RR 2006, 74; OVG LSA, Beschl. v. 18.09.2008 - 3 M 511/08 -). Denn im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht konnten die nunmehr präsenten Beweismittel tatsächlich noch nicht vorgelegt werden. |
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| Nach der nunmehr vorliegenden gutachtlichen Stellungnahme des isw vom 16.06.2010 wird auch unter „schalltechnisch ungünstigen betrieblichen Gegebenheiten“ bezüglich der Einsatzdauer stationärer Werkzeugmaschinen sowie der Werkstattlüftung durch Öffnen von Fensterflügeln selbst der zur Beurteilung der Lärmwirkung vorsorglich herangezogene, für allgemeine Wohngebiete maßgebende (Lärm-)Immissionswert „tags“ vor der nordwestlichen Hausfassade des westlichen Hauses unterschritten. In Ermangelung entsprechender technischer Daten blieben lediglich die Immissionsanteile der Späneabsaugung sowie eines (nur selten betriebenen) Wandventilators rechnerisch außer Ansatz. Insofern wurde in der Stellungnahme jedoch klargestellt, dass, sollten diese Gebläse wider Erwarten einen wesentlichen Beitrag zur Lärmeinwirkung auf das Bauvorhaben aufweisen, eine hinreichende Lärmminderung mit überschaubarem technischen (und wirtschaftlichem) Aufwand kurzfristig erreicht werden könnte. Entsprechende Maßnahmen wären nach dem Gebot der Rücksichtnahme auch ohne Weiteres zumutbar (vgl. auch § 22 Abs. 1 BImSchG; BVerwG, Urt. v. 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BVerwGE 109, 314; Urt. v. 18.05.1995 - 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235). |
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| Die Richtigkeit des Ergebnisses der nunmehr vorliegenden gutachtlichen Stellungnahme wird auch nicht durch die nicht näher substantiierten Einwände der Antragstellerin in Frage gestellt. Soweit sie geltend macht, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass „die Maschinen manchmal auch gleichzeitig liefen“, geht dies fehl. Denn davon, dass entgegen der Annahme in der gutachtlichen Stellungnahme auch ein zeitgleicher Betrieb mehrerer Werkzeugmaschinen im Last lauf stattfände (Abschnitt 3.3), war weder aufgrund der bisherigen Angaben des Betriebsinhabers vom 01.06.2010 noch aufgrund derer vom 15.07.2010 (AS 249) auszugehen. Soweit die Antragstellerin unter dem 24.08.2010 nunmehr erstmals geltend macht, dass der gelegentlich eingesetzte Mitarbeiter, der die Werkzeugmaschinen nicht selbständig bedienen dürfe, nach deren vorheriger Einstellung „durchaus auch alleine bestimmte Materialien mit dem Vorschub durchlassen dürfe“, ist auch nicht ansatzweise zu erkennen, dass dieser Umstand trotz der im Übrigen angenommenen ungünstigen Bedingungen dazu führen könnte, dass die für die hier wohl vorliegende Gemengelage nach der sog. Mittelwertrechtsprechung voraussichtlich maßgeblichen Werte (eines Mischgebiets) überschritten würden (vgl. TA Lärm 1998, Abschn. 6.7; BVerwG, Urt. v. 18.05.1995 - 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235; Senat, Beschl. v. 11.01.2005 - 5 S 1444/04 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.10.1991 - 3 S 2087/91 -, BauR 1992, 45, Urt. v. 21.04.1995 - 3 S 2514/94 -, VBlBW 1995, 481). |
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| Inwiefern in der gutachtlichen Stellungnahme keine Berücksichtigung gefunden hätte, dass die Fenster im Sommer oft mehrere Stunden sowohl am Vor- und Nachmittag geöffnet würden, ist ebenso wenig zu erkennen. So ist rechnerisch berücksichtigt worden, dass ein Fensterflügel in der Nordwestfassade ständig und das Fenster im Maschinenraum in der Südostfassade intermittierend geöffnet würde. Die zum Bauvorhaben des Beigeladenen hin orientierten „großen“ Fenster sind ohnedies festverglast. Soweit die Antragstellerin neuerdings geltend macht, auch die (nach Nordwesten ausgerichteten) Fenster im Bankraum würden bei Bedarf gekippt, ist gänzlich unwahrscheinlich, dass dies zu qualitativ anderen Ergebnissen führte. |
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| Auch mit dem Einwand, dass vor Ort keine Messungen durchgeführt worden waren, lässt sich die gutachtliche Stellungnahme nicht in Frage stellen. Darauf, dass eine auf der Grundlage einschlägiger Emissionskennwerte und unter Berücksichtigung schalltechnisch ungünstiger betrieblicher Randbedingungen durchgeführte rechnerische Ermittlung der Lärmeinwirkung auf die Umgebung Ergebnisse mit deutlich größerer Sicherheit als kurzdauernde Schallpegelmessungen erbringen, hat bereits das Ingenieurbüro iws in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.07.2010 hingewiesen (vgl. AS 255 ff.); dies leuchtet unmittelbar ein und ist dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt. |
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| Spricht vor diesem Hintergrund nicht nur nichts dafür, dass bei der derzeit üblichen Betriebsweise die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte für die hier wohl vorliegende Gemengelage überschritten, sondern sogar die Immissionsgrenzwerte für allgemeine Wohngebiete eingehalten würden, liegt der vom Verwaltungsgericht seinerzeit noch zu Recht für möglich gehaltene Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nunmehr eher fern. |
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| Soweit die Antragstellerin demgegenüber darauf verweist, dass die Schreinerei ihren Betrieb jederzeit wieder in dem ursprünglich betriebenen Umfang aufnehmen, insbesondere weitere Mitarbeiter beschäftigt werden könnten, führt auch dies nicht auf einen Mangel der gutachtlichen Stellungnahme und einen nicht von der Hand zu weisenden Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. |
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| Zwar wäre die Antragstellerin in bauordnungsrechtlicher Hinsicht nicht auf die derzeitige Betriebsweise festgelegt, nachdem eine neuerliche Ausweitung der Schreinerwerkstatt von den ihrem Rechtsvorgänger erteilten Baugenehmigungen im Hinblick auf die seinerzeit vorliegende Baubeschreibung - ggf. nach Erfüllung der Auflage Nr. 11 - ohne Weiteres gedeckt wäre. Dass auf diese Genehmigung von der Antragstellerin oder ihrem Rechtsvorgänger teilweise verzichtet worden wäre, sodass sie sich teilweise erledigt hätte (vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG), ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 20.02.2003 - 15 B 00.1363 -, NVwZ-RR 2003, 726). Auch infolge der jahrelangen eingeschränkten Nutzung („Ein-Mann-Betrieb“) ihres Pächters ist die Baugenehmigung noch nicht (teilweise) unwirksam geworden (vgl. zu dieser Möglichkeit bei zeitweiliger Nichtausnutzung einer Baugenehmigung weiterhin BVerwG, Beschl. v. 05.06.2007 - 4 B 20.07 -, BauR 2007, 1697). Insbesondere kann darin kein die Antragstellerin bindender Teilverzicht gesehen werden (vgl. Nieders. OVG, Beschl. v. 20.07.2009 - 1 LA 103/07 -, NVwZ-RR 2009, 910). Aus den Urteilen des beschließenden Gerichtshofs vom 04.03.2009 - 3 S 1467/07 - (BauR 2009, 1881) und 19.10.2009 - 5 S 347/09 - (VBlBW 2010, 111) können die Beschwerdeführer nichts anderes herleiten. |
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| Jedoch richtetet sich das Maß an Rücksichtnahme, welches das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Rücksichtnahmegebot dem Bauinteressenten abverlangt, maßgeblich nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Nach § 34 Abs. 1 BBauG bildet die Eigenart der näheren Umgebung den für das Einfügen maßgeblichen Bezugsrahmen. Ihr städtebauliches Gepräge erhält diese Umgebung durch die tatsächlich vorhandene Bebauung bzw. tatsächlich ausgeübte Nutzung. Diese bestimmt daher auch den Inhalt des Rücksichtnahmegebots (vgl. BVerwG, Urt.v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155). Dies schließt zwar nicht aus, dass die einer Schreinerei eigene Variationsbreite bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen ist, welchen Beeinträchtigungen der Rücksichtnahmeverpflichtete im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB als Folge der prägenden Wirkung der in der Umgebung vorhandenen Bebauung ausgesetzt werden soll (vgl. BVerwG, Urt.v. 14.01.1993, a.a.O.). Ob die von ihr ausgehenden Wirkungen den Rahmen des Zumutbaren überschreiten, richtet sich jedoch nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die sich ihrerseits nach der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.01.1993, a.a.O.). Insofern kann die seit einigen Jahren bestehende Betriebsweise der Schreinerwerkstatt nicht außer Ansatz bleiben, zumal keine Hinweise vorliegen, dass sich an dieser in absehbarer Zeit etwas änderte (vgl. Senat, Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, ESVGH 53, 212). |
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| Insofern liegt es vor dem Hintergrund der nunmehr vorliegenden Stellungnahmen eher fern, dass das Wohnbauvorhaben des Beigeladenen gegenüber der Schreinerwerkstatt nicht den Abstand wahrte, durch den sichergestellt ist, dass es bei der gebotenen Berücksichtigung der Situationsgebundenheit des Baugrundstücks einerseits und etwa zu ergreifender Lärmminderungsmaßnahmen andererseits keinen unzumutbaren Immissionen ausgesetzt würde. Bei einer etwaigen, nicht ausgeschlossenen Ausweitung des Betriebs der Schreinerwerkstatt hätte diese ihrerseits Rücksicht auf die an sie näher herangerückte Wohnbebauung zu nehmen und zu gewährleisten, dass von dem Betrieb auch künftig keine unzumutbaren Lärmwirkungen ausgehen (vgl. auch § 22 Abs. 1 BImSchG). |
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| Auch die allein noch in Rede stehenden, über das Kamin abgeleiteten Rauchemissionen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Nach der Stellungnahme des Bezirksschornsteinfegermeisters vom 05.10.2010 rühren diese von einem Warmluftofen mit einer Leistung von lediglich 45 KW her, der allein zur Beheizung der Werkstatt betrieben wird. Dass mit dessen Betrieb auch bei Beachtung der sich aus der 1. BImSchV (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen) ergebenden Anforderungen schädliche Umwelteinwirkungen für das geplante Wohnbauvorhaben verbunden wären, erscheint insofern eher fernliegend (vgl. zu Hausfeuerungsanlagen VGH Bad.-Württ., Urt. v. 05.09.1989 - 10 S 1712/88 -, NJW 1990,1930). Zwar mag dies mit Blick auf die derzeitige Höhe der Austrittsöffnung des Schornsteins bei nicht auszuschließendem Westwind nicht von der Hand zu weisen sein, doch wäre es dem Betreiber und Rücksichtnahmebegünstigten vor dem Hintergrund der inzwischen erklärten Kostenübernahme durch den Beigeladenen ggf. seinerseits zuzumuten, den Kamin zu erhöhen (vgl. § 22 Abs. 1 BImSchG, § 19 Abs. 1 Nr. 2 1. BImSchV n.F.; BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, a.a.O.; Urt. v. 23.09.1999, a.a.O.), nachdem jener immerhin durch eine entsprechende Grundrissgestaltung und Ausrichtung der Außenwohnbereiche nach Südwesten Rücksicht genommen hat. Dass die Schreinerwerkstatt vor der heranrückenden Wohnbebauung errichtet worden war, ändert nichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BVerwGE 109, 314). |
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| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 9, 19.1. u. 16.1.6 des Streitwertkatalogs vom Juli 2004 (vgl. zum Streitwert bei einer störungspräventiven Nachbarklage Senat, Beschl. v. 24.02.2010 - 5 S 1777/09 -, NVwZ-RR 2010, 542). |
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| Dieser Beschluss ist unanfechtbar. |
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