Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 29. Dez. 2010 - 1 S 2322/10

bei uns veröffentlicht am29.12.2010

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15. September 2010 - 1 K 2170/10 - teilweise geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Nr. 4 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 19. März 2010 wird wiederhergestellt. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Nr. 8 der Verfügung wird angeordnet, soweit darin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Nr. 4 der Verfügung ein Zwangsgeld angedroht wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt ¾, die Antragsgegnerin ¼ der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.
1. Das Beschwerdevorbringen gibt dem Senat keinen Anlass, über den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen Nr. 1 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 19.03.2010, mit der die von dem Antragsteller gehaltene Australian Shepherd-Hündin „Aika“ - unter Anordnung des Sofortvollzugs - als gefährlicher Hund i.S.v. § 2 PolVOgH eingestuft wurde, abweichend vom Verwaltungsgericht zu entscheiden. Gleiches gilt für die unter den Nrn. 2, 3, 5 und 6 der Verfügung angeordneten Halterpflichten, die sich auch bereits unmittelbar aus § 4 PolVOgH ergeben, und für die Zwangsgeldandrohung, soweit sie sich hierauf bezieht.
a) Die Prüfung des Senats erstreckt sich dabei nicht nur auf die innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe; vielmehr sind auch die nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist neu eingetretenen Tatsachen (Ablegen der Begleithundeprüfung am 09.10. und am 14.11.2010; Bestehen der Prüfung als Rettungshund) und die hierzu vorgelegten Urkunden zu berücksichtigen. Neue Tatsachen und Beweismittel sind jedenfalls dann berücksichtigungsfähig, wenn sie - wie hier - offensichtlich sind und nicht zu einem neuen - das Verfahren verzögernden - Streitstand führen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 08.07.2008 - 11 S 1041/08 - VBlBW 2009, 109 und Beschl. v. 30.11.2010 - 5 S 933/10 - juris; BayVGH, Beschl. v. 11.06.2007 - 11 CS 06.2244 - juris; SächsOVG, Beschl. v. 29.03.2007 - 5 BS 295/06 - SächsVBl 2007, 167). Denn § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zwingt das Beschwerdegericht nicht zu einer prozessunwirtschaftlichen und dem Gebot effektiven - zeitnahen - Rechtsschutzes widersprechenden Bestätigung einer Eilentscheidung erster Instanz, wenn diese Entscheidung in einem weiteren Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO - gegebenenfalls auch von Amts wegen - wieder zu ändern wäre, was auf eine bloße Förmelei hinausliefe. Die strikte Bindung an die innerhalb der Monatsfrist vorgebrachten Gründe gilt nach Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 VwGO in derartigen Fällen nicht (vgl. hierzu auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.01.2006 - 6 S 1860/05 - VBlBW 2006, 323).
b) Die Aufhebung der Sofortvollzugsanordnung kommt nicht in Betracht. Entgegen der Ansicht des Antragstellers wird sie mit den fallbezogenen Ausführungen den formellen Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht.
c) Auch hält der Senat es bei Würdigung des Vortrags des Antragstellers nicht für geboten, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Einstufung seiner Hündin „Aika“ als gefährlicher Hund wiederherzustellen. Denn die Einwände des Antragstellers gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Verfügung insoweit aller Voraussicht nach rechtmäßig ist, greifen nicht durch.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Einstufung der Australian Shepherd-Hündin des Antragstellers als „gefährlich“ i.S. des § 2 PolVOgH bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keinen ernstlichen Zweifeln begegnet. Als gefährliche Hunde i.S. der Polizeiverordnung gelten gem. § 2 Satz 1 PolVOgH Hunde, die - ohne Kampfhunde gemäß § 1 PolVOgH zu sein - aufgrund ihres Verhaltens die Annahme rechtfertigen, dass durch sie eine Gefahr für Leben und Gesundheit von Menschen oder Tieren besteht. Gefährliche Hunde sind nach § 2 Satz 2 PolVOgH insbesondere Hunde, die bissig sind (Nr. 1), in aggressiver oder gefahrdrohender Weise Menschen oder Tiere anspringen (Nr. 2) oder zum unkontrollierten Hetzen oder Reißen von Wild oder Vieh oder anderen Tieren neigen (Nr. 3). Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Hund, der bereits einmal im Beisein seines Halters oder einer Person, der der Hund überlassen wurde, einen Menschen gebissen und dabei verletzt hat, regelmäßig als bissig anzusehen (VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 03.03.1993 - 1 S 986/92 - NVwZ-RR 1993, 411, und vom 11.10.1999 - 1 S 2279/99 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2000 - 11 K 1896/00 - juris). So stellt sich der Sachverhalt hier dar. Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestehen an den zwei Beißvorfällen vom 23.09. und 24.09.2009 keine durchgreifenden Zweifel. Anhaltspunkte für eine Ausnahmesituation wie etwa eine Reaktion des Hundes auf einen Angriff oder ein bewusst den Hund herausforderndes Verhalten sind nicht erkennbar. Die detaillierten Angaben der Geschädigten H. bei ihrer Vernehmung am 24.09.2009 lassen keinen Zweifel daran, dass diese, als sie am 23.09.2009 mit ihrem Rad eine Gruppe von Spaziergängern, die Hunde mit sich führten, überholte, von der Hündin des Antragstellers in die linke Wade gebissen wurde. Sie hat auch gehört, wie der Antragsteller daraufhin den Hund „mit dem Namen Leika oder Eika“ zu sich rief. Am 24.09.2009 rannte die Hündin des Antragstellers, die wiederum nicht angeleint war, auf eine Joggerin zu und biss diese in den hinteren Teil des linken Oberschenkels. Auch in diesem Fall wurde der Antragsteller als Hundehalter von der Geschädigten eindeutig identifiziert. In beiden Fällen wurden Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet, die gegen Zahlung von Geldauflagen nach § 153 a StPO eingestellt wurden. Die in diesen Ermittlungsverfahren getroffenen Sachverhaltsfest-stellungen werden durch das Beschwerdevorbringen nicht ernstlich in Frage gestellt. Aus der Stellungnahme der Polizeihundeführerstaffel vom 17.02.2010, wo der Antragsteller seine Hündin am 29.01.2010 zum Wesenstest vorstellte, ergibt sich, dass „Aika“ beim Verhalten gegenüber Joggern Verfolgungsdrang zeigt und versucht, diese zu „zwicken“, sofern dies nicht vom Hundeführer mit Kommandos unterbunden wird. Das bedeutet, dass von der Hündin des Antragstellers in vergleichbaren Situationen, d.h. wenn diese unangeleint unterwegs ist und der Antragsteller ihren Verfolgungsdrang nicht durch Kommandos unterbindet, unverändert Gefahren für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit von Dritten, insbesondere von Joggern und Radfahrern, ausgehen. Dies rechtfertigt die Einstufung als gefährlich im Sinn von § 2 PolVOgH. Die zwischenzeitlich abgelegten Prüfungen (Begleithundeprüfung am 09.10. und am 14.11.2010; Bestehen der Prüfung als Rettungshund) vermögen die Prognose der fortbestehenden Gefährlichkeit der Hündin nicht zu erschüttern. Dies folgt bereits daraus, dass die Prüfergebnisse bezogen auf die Gefährlichkeit des Hundes in Situationen, die denen am 23. und 24.09.2009 vergleichbar sind, wenig aussagekräftig sind. Denn ausweislich der vorgelegten Prüfungsordnung des Bundesverbandes Rettungshunde e.V. ist der Hund im Rahmen der Begleithundeprüfung bei der Prüfung des Verhaltens gegenüber Radfahrern und Joggern jeweils angeleint; bei der Begegnung mit Joggern ist es zudem statthaft, dass der Hundeführer seinen Hund während der Begegnung in Sitz- oder Platzposition bringt (vgl. Nrn. 2.3.3. und 2.3.5 der Prüfungsordnung). Die spezifische Gefährlichkeit der Hündin „Aika“ entfaltet sich indes gerade dann, wenn sie nicht an der Leine geführt wird und von dem Hundeführer auch keine Kommandos erhält.
Das Sofortvollzugsinteresse, das hier - wie auch sonst auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr - schon durch die materielle Regelung indiziert wird, hat nicht etwa durch den Zeitablauf zwischen den Beißvorfällen und dem Erlass der Verfügung sowie der Anordnung des Sofortvollzugs entscheidend an Gewicht verloren (siehe zu diesem Einwand etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 - NVwZ 1996, 58 <60>). Denn dieser Zeitraum war - letztlich im wohlverstandenen Interesse des Antragstellers - einer gründlichen Sachverhaltsaufklärung geschuldet; die Verfügung ist gleichwohl noch zeitnah ergangen. Dass zur Vermeidung weiterer Beißvorfälle in vergleichbaren Situationen insbesondere die Anordnung des Sofortvollzugs des verfügten Leinenzwangs nach wie vor dringend geboten ist, liegt auf der Hand.
2. Die Beschwerde ist indes begründet, soweit mit ihr die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügten Maulkorbzwang begehrt wird. Insoweit fehlt es an dem für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderlichen besonderen Vollzugsinteresse. Darüber hinaus bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Maulkorbzwangs, so dass auch die vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass die privaten Belange des Antragstellers, von Vollzugsmaßnahmen einstweilen verschont zu bleiben, überwiegen.
a) Nach Auffassung des Senats ist das für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Maulkorbzwangs erforderliche besondere Vollzugsinteresse derzeit nicht gegeben. Es steht nicht zu befürchten, dass die Hündin "Aika" bei Beachtung des unter Nr. 3 der Verfügung der Antragsgegnerin vom 19.03.2010 angeordneten Leinenzwangs, der bei summarischer Prüfung nicht beanstandet werden kann, erneut Jogger und/oder Radfahrer in gefahrdrohender Weise anspringen und/oder beißen wird. Dass von der Hündin des Antragstellers, wenn sie an der Leine geführt wird, keine Gefahren für Dritte ausgehen, wird durch die abgelegten Prüfungen hinreichend belegt.
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b) Darüber hinaus spricht einiges für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Maulkorbzwangs, weshalb dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers vor dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin der Vorzug zu geben ist. Zwar ist mit der Einstufung als gefährlicher Hund gemäß § 4 Abs. 4 PolVOgH grundsätzlich die Pflicht verbunden, dem Hund außerhalb des befriedeten Besitztums einen das Beißen verhindernden Maulkorb anzulegen. Der Antragsgegnerin ist auf der Rechtsfolgenseite auch kein Ermessen eingeräumt. Indes dürfte der auch bei gebundenen Entscheidungen zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es gebieten, § 4 Abs. 4 PolVOgH einschränkend dahingehend auszulegen, dass der das artgerechte Leben eines Hundes stark beeinträchtigende Maulkorbzwang nur insoweit gerechtfertigt ist, als auch die konkrete Gefahr eines Übergriffs durch den Hund besteht, der mit weniger einschneidenden Maßnahmen nicht begegnet werden kann. Der Frage, ob nach diesen Grundsätzen den von der Hündin „Aika“ ausgehenden Gefahren mit der Anordnung des Leinenzwangs angemessen begegnet werden kann, so dass es des kumulativ angeordneten Maulkorbzwangs nicht bedarf, wird im Widerspruchsverfahren und ggf. in einem sich anschließenden Hauptsacheverfahren näher nachzugehen sein. Im vorliegenden Eilverfahren bedarf dies keiner weiteren Vertiefung, weil jedenfalls das besondere Vollzugsinteresse derzeit nicht gegeben ist.
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c) Infolgedessen ist auch die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Nr. 8 der Verfügung vom 19.03.2010 anzuordnen, soweit darin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Nr. 4 der Verfügung ein Zwangsgeld angedroht wird.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat bewertet den Umfang des Obsiegens des Antragstellers bezüglich des Maulkorbzwangs mit ¼, den des Unterliegens mit ¾ (Einstufung als gefährlicher Hund: ½; Leinenzwang: ¼).
13 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 2 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
14 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 26. März 2008 - 6 K 522/08 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2008 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt

Gründe

 
I.
Die 1987 geborene Antragstellerin ist Staatsangehörige der Russischen Förderation. Sie reiste erstmals am 17.10.2007 in das Bundesgebiet ein. Dabei war sie im Besitz eines Reisepasses der Russischen Föderation mit einem am 05.10.2007 vom deutschen Generalkonsulat in Nowosibirsk ausgestellten Schengen-Visum, gültig vom 15.10.2007 bis zum 13.11.2007 für eine einmalige Einreise und einen Aufenthalt bis zu 30 Tagen mit dem Vermerk "Besuchs-/Geschäftsvisum Erwerbstätigkeit nicht gestattet". Am 29.10.2007 schloss die Antragstellerin in Ærøskøbing/Dänemark vor dem Bürgermeister der Kommune Ærø die Ehe mit dem in Rastatt wohnhaften deutschen Staatsangehörigen ..... Zwei Tage später sprach sie mit ihrem Ehemann bei der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin vor. Sie legte ihren Reisepass sowie einen Trauschein über die Eheschließung vor und meldete sich rückwirkend zum 17.10.2007 mit Wohnsitz bei ihrem Ehemann an. Der Sachbearbeiter der Behörde hielt in einem Aktenvermerk fest: Die Antragstellerin verfüge über keine Deutschkenntnisse; er habe sie darüber belehrt, dass sie mangels Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach Ablauf ihres Visums zur Ausreise verpflichtet sei. Mit Telefax vom 14.11.2007 beantragten die damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug. Am 12.02.2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab, setzte der Antragstellerin eine Ausreisefrist bis 06.03.2008 und drohte ihr für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung nach Russland an. Über den dagegen eingelegten Widerspruch der Antragstellerin wurde bislang nicht entschieden.
Am 27.02.2008 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen. Mit Beschluss vom 26.03.2008 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Mit ihrer Beschwerde legt die Antragstellerin dar: Sie habe nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 39 Nr. 3 oder Nr. 5 AufenthV Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne Einhaltung der Visumpflicht. Sprachkenntnissen seien nach § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AufenthG i. V. m. § 44 Abs. 3 Nr. 1 und 2, § 44a Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sowie § 4 Abs. 2 IntV nicht erforderlich, weil sie seit 2004 an einer Hochschule in Krasnojarsk studiere und ihre Ausbildung in Deutschland in gesicherter wirtschaftlicher Situation mit dem Abschlussziel Bürokauffrau fortsetzen werde. Ungeachtet dessen habe sie in einem Jugendintegrationskurs Ende Mai 2008 die Prüfung "Start Deutsch 1 / telc Deutsch A 1" bestanden. Die Voraussetzungen des Anspruchs seien nach der Einreise in den Schengen-Raum entstanden, was nach § 39 Nr. 3 AufenthV genüge. Die Einholung eines Visums sei zudem nach § 39 Nr. 5 AufenthV entbehrlich, weil wegen der Gefahr der Verschlimmerung einer depressiven Erkrankung im Falle der Abschiebung sowie ihrer krankheitsbedingten Angewiesenheit auf Betreuung und Fürsorge ihres Ehemannes ein Abschiebungsverbot und damit ein Duldungsanspruch bestehe. Unabhängig davon habe die Antragsgegnerin ihr Ermessen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht ausgeübt. Wegen des Abschiebungsverbots sei ihr zumindest eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss und legt ergänzend dar: Der nachträgliche Erwerb von Sprachkenntnissen ändere nichts an der Visumpflicht. Die Auffassung, dass mit "Einreise" in § 39 Nr. 3 AufenthV die Einreise in den Schengen-Raum gemeint sei, sei nach Systematik und Wortlaut der Vorschrift nicht zu rechtfertigen. Ein von Sprachkenntnissen und nationaler Visumpflicht unabhängiges Aufenthaltsrecht sei schließlich auch nicht daraus abzuleiten, dass der deutsche Ehemann zur Eheschließung in Dänemark sein Recht auf Freizügigkeit nach Art.18 Abs. 1 EG wahrgenommen habe.
Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II.
A.
Die zulässige (§§ 146, 147 VwGO) Beschwerde ist begründet. Der auch hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis statthafte (1.) Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist, soweit die Prüfungsbefugnis des Senats reicht (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), jedenfalls nach derzeitiger Sach- und Rechtslage begründet. Das Aufschubinteresse der Antragstellerin nach § 80 Abs. 1 VwGO hat deutlich größeres Gewicht als das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sowie der damit verbundenen Abschiebungsandrohung nach § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 12 LVwVG (2.).
1. Gegen die Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO bezüglich der Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bestehen im Ergebnis keine Bedenken. Allerdings setzt die Statthaftigkeit eines solchen Eilantrags nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG voraus, dass der ablehnte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine gesetzliche Erlaubnis- oder Duldungsfiktion nach § 81 Abs. 3 AufenthG oder die Fiktion des Fortbestands des bisherigen Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 AufenthG bewirkt hat (Senatsbeschluss vom 20.11.2007 - 11 S 2364/07 - InfAuslR 2008, 81 m. w. N.). Letzteres könnte hier insoweit zweifelhaft sein, als der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin erst am Tag nach Ablauf des Schengen-Visums und damit verspätet einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt hat. Denn da sich die Antragstellerin aufgrund eines Aufenthaltstitels - des Schengen-Visums (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) - rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, konnte ein von ihr gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis allenfalls eine Fortbestandsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG auslösen. Diese Vorschrift sieht jedoch - anders als § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in Fällen rechtmäßigen Aufenthalts ohne Aufenthaltstitel - nicht vor, dass auch die verspätete Antragstellung eine Duldungsfiktion oder vergleichbare Rechtswirkungen im Sinne eines vorläufigen verfahrenabhängigen Bleiberechts erzeugt. Ob § 81 Abs. 4 AufenthG gleichwohl auch bei verspäteter Antragstellung anwendbar ist, zumindest bei - wie hier - "geringfügiger" Verspätung (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 23.03.2006 - 18 B 120/06 - InfAuslR 2006, 448), oder ob insoweit eine wertungswidersprüchliche planwidrige Regelungslücke vorliegt, die durch analoge Anwendung von § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG geschlossen werden muss (vgl. Hailbronner, AuslR, § 81 AufenthG - Stand August 2006 - Rn. 27 f. auch m. w. N. zum Streitstand), bedarf im vorliegenden Fall indes keiner Entscheidung. Denn die Antragstellerin dürfte schon vor Ablauf des Schengen-Visums die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beantragt haben. Der Senat geht bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sachlage anhand der Akten und des Vortrags der Beteiligten davon aus, dass die Antragstellerin bereits anlässlich ihrer Vorsprache auf der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin am 31.10.2007 mündlich - zumindest aber konkludent durch Vorlage des Reisepasses und des Trauscheins sowie die gleichzeitige Wohnsitzanmeldung bei ihrem Ehemann - einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihrem - bei der Vorsprache anwesenden - deutschen Ehemann gestellt hat. Dafür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass der Sachbearbeiter der Antragsgegnerin anlässlich dieser Vorsprache die besondere Erteilungsvoraussetzung ausreichender Sprachkenntnisse (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) und die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Einhaltung der Visumpflicht (§ 5 Abs. 2 AufenthG) geprüft hat (vgl. § 24 Abs. 1 LVwVfG), wozu ohne Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wohl keine Veranlassung bestanden hätte (§ 22 Satz 2 LVwVfG i. V. m. § 81 Abs. 1 AufenthG). Ob seine anschließende mündliche Belehrung über die Pflicht zur Ausreise nach Ablauf des Schengen-Visums als - konkludente - Ablehnung des Antrags zu verstehen war, kann dahinstehen. Denn diese Ablehnung wäre wegen Verstoßes gegen das Schriftformgebot nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nichtig (§ 44 Abs. 1 LVwVfG; vgl. Funke-Kaiser in GK-AufenthG § 77 Rn. 36 m. w. N.) und damit unwirksam (§ 43 Abs. 3 LVwVfG), so dass dadurch auch die - bis zum Ablauf des Schengen-Visums aufschiebend bedingte - Fortbestandsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG nicht hätte erlöschen können.
2. Das deutlich größere Gewicht des Aufschubinteresses der Antragstellerin folgt daraus, dass der Ausgang des Widerspruchsverfahrens in Bezug auf die Ablehnung des beantragten Aufenthaltstitels zum Ehegattennachzug - zumindest - offen erscheint und der Antragstellerin sowie ihrem Ehemann bei dieser Ausgangslage die mit einer sofortigen Vollziehung des Erlöschens der Fortbestandsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG und dem Sofortvollzug der Abschiebungsandrohung einhergehenden Nachteile für die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nicht zumutbar sind. Die Antragstellerin dürfte nunmehr alle besonderen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären - ehelichen - Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen Ehemann nach § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5 AufenthG erfüllen und Anhaltspunkte dafür, dass eine allgemeine Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegt, sind jedenfalls derzeit nicht erkennbar (a)). Die weitere allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen nationalen Visum für längerfristige Aufenthalte (§ 5 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 6 Abs. 4 AufenthG) dürfte nach § 39 Nr. 3 AufenthV unanwendbar sein, jedenfalls aber kann von ihr nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abgesehen werden, was die Behörde bislang noch nicht erwogen hat (b)).
Offen bleiben kann hiernach, ob die Antragstellerin nach der Rückkehr mit ihrem Ehemann aus Dänemark auch als Familienangehörige eines Unionsbürgers, der von seinem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 18 Abs. 1 EG (i. V. m. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG) Gebrauch gemacht hat und in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrt, ein - von der Einhaltung einer nationalen Aufenthaltsvisumpflicht unabhängiges (vgl. EuGH, Urt. v. 14.04.2005, Rs. C-157/03 - Kommission/Spanien - Slg. 2005 I-2911 = InfAuslR 2005, 229 Rn. 37 f.; Urt. v. 25.07.2002, Rs. C-459/99 - MRAX - Slg. 2002, I-6591 = InfAuslR 2002, 417 Rn. 56) und auch Sprachkenntnisse nicht voraussetzendes - Aufenthaltsrecht aus Art. 18 Abs. 1 EG ableiten kann, weil ein die Anwendung dieser Bestimmung eröffnender grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt und die Versagung eines Aufenthaltsrechts für sie „abschreckende Wirkung“ in Bezug auf die Wahrnehmung des Freizügigkeitsrechts ihres Ehemannes haben könnte (vgl. EuGH, Urt. v. 11.12.2007, Rs. C-291/05 - Eind - NVwZ 2008, 402 Rn. 37 ff.; Urt. v. 09.01.2007, Rs. C-1/05 - Yungying Jia - NVwZ 2007, 432; Urt. v. 23.09.2003, Rs. C-109/01 – Akrich – Slg. 2003 I-9607 = InfAuslR 2003, 409 Rn. 50 ff.; Urt. v. 07.07.1992, Rs. C-370/90 - Singh - Slg. 1992 I-4265 = NVwZ 1993, 261 Rn. 19 ff.). Unerheblich ist im übrigen entgegen der Beschwerdebegründung, ob der Antragstellerin eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden könnte, weil sie das bislang nicht beantragt hat (vgl. § 81 Abs. 1 AufenthG).
a) Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen nach § 27 Abs. 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5 AufenthG dürften - jetzt - alle erfüllt sein.
Die Antragstellerin ist Ehegattin eines Deutschen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet, ohne dass Zweifel am Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet begründet sind, und beide Ehegatten haben das 18. Lebensjahr vollendet. Auch die weitere Voraussetzung, dass die Antragstellerin sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen kann (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG), ist nunmehr offensichtlich erfüllt, so dass dahinstehen kann, ob diese Voraussetzung - wie die Beschwerdebegründung meint - nach § 28 Abs. 1 Satz 5 AufenthG i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, § 44 Abs. 3 Nr. 1 und 2, § 44a Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sowie § 4 Abs. 2 IntV unbeachtlich ist. Denn die Antragstellerin hat nach dem Zeugnis des Internationalen Bundes Jugendmigrationsdienst Karlsruhe vom 28.05.2008 in dem von ihr seit April 2008 besuchten Jugendintegrationskurs am 27.05.2008 die Deutschprüfung "A 1" nach den vom Goetheinstitut und der telc gGmbH entwickelten Prüfungsmaterialien "Start Deutsch 1 / telc Deutsch A 1" mit der Note "2,0 (gut)" bestanden. Mit diesem Zertifikat, das die Sprachkompetenz der ersten Stufe A 1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens attestiert (vgl. http://www.goethe.de/z/50/ commeuro/303.htm und http://www.telc.net), hat die Antragstellerin ihre Befähigung, sich auf "einfache Art", mithin auf lediglich rudimentäre Weise (vgl. BR-Drs. 224/07 S. 299), in deutscher Sprache verständigen zu können, zweifelsfrei nachgewiesen.
10 
Der Senat darf den erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingetretenen Erwerb hinreichender deutscher Sprachkenntnisse als offensichtliche entscheidungserhebliche Tatsache berücksichtigen; § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO schließt das nicht aus. Zwar ist die Prüfungsbefugnis des Senats nach dieser Vorschrift auf die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe beschränkt. Neue Tatsachen, die erst nach Ablauf der Begründungsfrist eintreten, sind aber jedenfalls dann berücksichtigungsfähig, wenn sie - wie hier - offensichtlich sind (Bader in Bader u. a., VwGO, 4. Aufl., § 146 Rn. 36; ähnlich BayVGH, Beschl. v. 27.08.2002 - 8 CS 02.1514 - NVwZ 2003, 154 <155>; HessVGH, Beschl. v. 07.09.2004 - 10 TG 1498/04 - juris; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. § 146 Rn. 43; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzer, VwGO, § 146 - Stand September 2004 - Rn. 15; noch weitergehend Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 146 Rn. 29; a. A. Redeker/von Oertzen, VwGO. 14. Aufl., § 146 Rn. 22, 25 und wohl auch Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 146 Rn. 114). Denn § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zwingt das Beschwerdegericht nicht zu einer prozessunwirtschaftlichen und dem Gebot effektiven - zeitnahen - Rechtsschutzes widersprechenden Bestätigung einer Eilentscheidung erster Instanz, wenn diese Entscheidung in einem weiteren Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO - gegebenenfalls auch von Amts wegen - wieder zu ändern wäre, was auf eine bloße Förmelei hinausliefe. Die strikte Bindung an die innerhalb der Monatsfrist vorgebrachten Gründe gilt in derartigen Fällen nach Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 VwGO nicht (vgl. - auch zu weiteren Ausnahmen - VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.01.2008 - 3 S 2016/07 - VBlBW 2008, 223; Beschl. v. 08.06.2006 - 11 S 2135/05 - NVwZ-RR 2006, 849; Beschl. v. 27.01.2006 - 6 S 1860/05 - VBlBW 2006, 323).
11 
Schließlich steht auch weder fest, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, der Antragstellerin die Einreise in das oder den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, noch sind konkrete Anhaltspunkte ersichtlich, welche die Annahme begründen, dass einer der Ehegatten zur Eingehung der Ehe genötigt wurde (§ 27 Abs. 1 a Nr. 1 und 2 AufenthG). Auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 AufenthG sind nach Aktenlage wohl erfüllt, soweit von diesen nicht ohnehin nach § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG abgewichen werden soll. Insbesondere ist derzeit weder hinreichend ersichtlich noch vorgetragen, dass ein Ausweisungsgrund vorliegt. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin bereits 24 Tage nach Ausstellung des Schengen-Visums die Ehe mit Herrn .... geschlossen hat und sie sich anschließend rückwirkend auf den Tag ihrer Einreise in das Bundesgebiet am 17.10.2007 mit Wohnsitz bei Herrn .... angemeldet hat, könnte aber der - von der Antragsgegnerin bislang freilich nicht geäußerte - Verdacht naheliegen, dass die Antragstellerin bereits bei der Beantragung des Schengen-Visums zur Eheschließung mit Herrn .... und damit auch zu einem längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet entschlossen war, dies jedoch nicht offenbart, sondern über ihren Aufenthaltszweck in Deutschland falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung des Schengen-Visums gemacht hat. In diesem Falle käme ein Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG in Betracht. Das lässt sich anhand der vorliegenden Ausländerakten jedoch nicht hinreichend sicher feststellen, weil weder der Visumantrag beigezogen noch Herr .... zu den Umständen der Eheschließung und dazu befragt wurde, seit wann er die Antragstellerin kennt. Das wird im Widerspruchsverfahren gegebenenfalls nachzuholen sein.
12 
b) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin dürfte auch die Nichterfüllung der weiteren allgemeinen Erteilungsvoraussetzung einer Einreise mit dem erforderlichen nationalen Visum für einen längerfristigen Aufenthalt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis - zumindest nicht unüberwindbar - im Wege stehen.
13 
Für über drei Monate hinausgehende (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) längerfristige Aufenthalte ist allerdings - soweit nicht Europäisches Gemeinschaftsrecht entgegensteht, was wie dargelegt offen bleiben kann - ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird (§ 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) und gegebenenfalls einer Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbehörde bedarf (§§ 31 ff. AufenthV). Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise für einen längerfristigen Aufenthalt setzt daher voraus, dass der Ausländer mit dem entsprechenden nationalen Visum eingereist ist und die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AufenthG), wobei sich die Erforderlichkeit des Visums nach dem Aufenthaltszweck des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, nicht aber nach dem bei der Einreise beabsichtigten Aufenthaltszweck bestimmt (Senatsbeschluss vom 14.03.2006 - 11 S 1797/05 - VBlBW 2006, 357; VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 30.03.2006 - 13 S 389/06 - InfAuslR 2006, 323 m. w. N.). Diese - auch mit dem Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG grundsätzlich vereinbare (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschluss vom 04.12.2007 - 2 BvR 2341/06 - juris m.w.N.) - nationale Visumpflicht gilt allerdings nicht, soweit der Ausländer die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. §§ 39 ff. AufenthV nach der Einreise im Bundesgebiet einholen kann (Senatsbeschluss vom 05.03.2008 - 11 S 378/08 - juris). Außerdem kann von ihrer Erfüllung nach Ermessen abgesehen werden, wenn die - sonstigen - Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
14 
Gemessen daran spricht bereits viel dafür, dass die Antragstellerin nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. § 39 AufenthV berechtigt sein könnte, die Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet einzuholen. Entgegen der Beschwerdebegründung liegt ein Fall des § 39 Nr. 5 AufenthV allerdings schon mangels "Eheschließung im Bundesgebiet" offensichtlich nicht vor. Die Antragstellerin dürfte indes wohl nach § 39 Nr. 3 AufenthV von der Visumpflicht befreit sein (aa)). Ungeachtet dessen kann aber nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG von der Einhaltung der Visumpflicht abgesehen werden (bb)).
15 
aa) Nach § 39 Nr. 3 AufenthV in der seit dem 29.08.2007 geltenden Fassung (siehe Art. 7 Abs. 4 Nr. 13 Buchstabe a) des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007, BGBl. I S. 1970 <2051>) kann ein Ausländer über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle (z. B. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 2 und § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG) hinaus einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 aufgeführten Staates ist (sichtvermerksfreie Drittausländer, sog. Positivstaater) und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind.
16 
Die Vorschrift befreit nicht nur die für einen Kurzaufenthalt sichtvermerksfreien Drittausländer ("Positivstaater", vgl. § 15 AufenthV i. V. m. Art. 20 SDÜ) - zu denen die Antragstellerin nicht gehört -, sondern daneben alle Inhaber eines Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG von der nationalen Visumpflicht für längerfristige Aufenthalte nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Der Satzbau der Vorschrift ist insoweit freilich nicht eindeutig. Denn der Halbsatz "oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes) besitzt" könnte sich, da er ohne neues Subjekt ("er") beginnt, auch auf die zu Beginn der Nr. 3 genannten sichtvermerksfreien Drittausländer beziehen. Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte der Norm sprechen indes für eine eigenständige Alternative. Die Vorschrift soll sowohl sichtvermerksfreien Drittausländern als auch jedem Inhaber eines Schengen-Visums im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels den Übergang vom Kurzaufenthalt zum Daueraufenthalt ohne vorherige Ausreise ermöglichen. Sie knüpft an entsprechende detaillierte Befreiungstatbestände in § 9 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 DVAuslG an und vereinfacht diese im Sinne einer Deregulierung zu zwei Tatbestandsalternativen (vgl. BR-Drs. 731/04 S. 182 f.). Eine Beschränkung ihres Anwendungsbereichs auf sichtvermerksfreie Drittausländer liefe dieser Zielsetzung zuwider. Da die Antragstellerin im Zeitpunkt der Antragstellung, auf den insoweit ebenso wie bei § 39 Nr. 5 AufenthV (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 05.03.2008 - 11 S 378/08 - juris) abzustellen sein dürfte, im Besitz eines gültigen Schengen-Visums für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) war, ist § 39 Nr. 3 AufenthV anwendbar.
17 
Im Fall der Antragstellerin dürfte auch die Voraussetzung des § 39 Nr. 3 AufenthV erfüllt sein, dass "die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind". Dieses seit dem 29.08.2007 geltende eingrenzende Tatbestandsmerkmal - zuvor genügte die "Erfüllung" der Anspruchsvoraussetzungen ohne Begrenzung auf einen Zeitpunkt nach der Einreise - stellt nur auf das objektive Entstehen der Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise, nicht aber auch darauf ab, dass der Ausländer vor der Einreise keinen längerfristigen Aufenthalt beabsichtigt haben darf (a. A. Hailbronner, a. a. O. § 5 AufenthG - Stand Juni 2008 - Rn. 55). Mit der Neufassung soll "klargestellt werden, das die Vergünstigung nur dann gilt, wenn der Anspruch nach der Einreise entsteht und damit ein von vornherein beabsichtigter Wechsel des angegebenen Aufenthaltszwecks ausgeschlossen werden kann. Ansonsten kann über ein Schengen-Visum ein Daueraufenthaltsrecht trotz unrichtiger Angaben hinsichtlich des Aufenthaltszwecks erlangt werden" (BT-Drs. 16/5065 S. 476). Dabei hatte der Gesetzgeber Fälle im Blick, in denen ein Schengen-Visum zu touristischen Zwecken ohne Zustimmung der Ausländerbehörde erteilt wird, der Ausländer jedoch entgegen dem von ihm im Visumantrag angegeben Zweck von vornherein einen Daueraufenthalt beabsichtigt; beispielhaft wurde gerade auch auf Eheschließungen mit Deutschen in Dänemark verwiesen. Mit der Änderung sollte deshalb "klargestellt werden, dass die Vergünstigung nur dann gilt, wenn der Anspruch nach der Einreise entsteht und damit ein von vornherein beabsichtigter Wechsel des angegebenen Aufenthaltszwecks ausgeschlossen werden kann." Derartige subjektive (Missbrauchs-)Absichten als Ausschlussgrund haben im Wortlaut des neu gefassten § 39 Nr. 3 AufenthV, der allein auf das objektive Entstehen der Anspruchsvoraussetzungen abstellt, freilich keinerlei Ausdruck gefunden. Der Gesetzgeber unterstellt vielmehr vereinfachend, dass ein missbräuchlicher Zweckwechsel bei Entstehung der Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise auszuschließen sei. Darauf, ob der Ausländer, insbesondere entgegen seinen Angaben im Antrag auf Erteilung eines Schengen-Visums für einen kurzfristigen Aufenthalt, von vornherein einen längerfristigen Aufenthalt, etwa zum Zweck des ehelichen Zusammenlebens, beabsichtigt hat, kommt es nach dem eindeutigen und daher auch keiner teleologisch reduzierenden Auslegung zugänglichen Wortlaut des § 39 Nr. 3 AufenthV mithin nicht an. Falsche oder unvollständige Angaben im Visumverfahren können allenfalls zum Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 55 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG führen und damit über § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG den Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ausschließen (siehe oben a) am Ende). Der Begriff "Einreise" dürfte sich insoweit freilich nicht - wie die Beschwerdebegründung annimmt - auf das gemeinsame Gebiet der Schengen-Staaten (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 AufenthV) beziehen (so aber Benassi, InfAuslR 2008, 127<129>; ausdrücklich offen gelassen im Beschluss des OVG Nordrhein-Westfalen v. 21.12.2007 - 18 B 1535/07 - InfAuslR 2008, 129 <131>). Dagegen sprechen der auf die Befreiung von der n a t i o n a l e n Visumpflicht (§ 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) beschränkte Sinn und Zweck bzw. der entsprechend begrenzte sachliche Anwendungsbereich des § 39 AufenthV und der Eingangswortlaut dieser Vorschrift, wonach der Ausländer den Aufenthaltstitel für einen längerfristigen Aufenthalt "im Bundesgebiet" einholen kann. Da § 39 Nr. 3 AufenthV eine Ausnahme von der nationalen Visumpflicht für einen längerfristigen Aufenthalt regelt, dürfte ein anderes Verständnis des Begriffs "Einreise" wohl auch gemeinschaftsrechtlich nicht geboten sein, zumal Visumpflichten für längerfristige Aufenthalte nicht Gegenstand der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 sind und Art. 18 Satz 1 SDÜ ausdrücklich bestimmt, dass Visa für einen Aufenthalt von mehr als drei Monaten Dauer nationale Visa sind, die von einem der Mitgliedstaaten gemäß seinen Rechtsvorschriften erteilt werden. Das bedarf hier aber keiner weiteren Vertiefung, weil die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ohnehin nach der letzten Einreise der Antragstellerin in das Bundesgebiet entstanden sein dürften.
18 
Maßgebend ist insoweit die Entstehung der Gesamtheit aller Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise in dem Sinne, dass der Anspruch nach der Einreise entsteht, nicht jede einzelne Anspruchsvoraussetzung. Das folgt sowohl aus den Gesetzesmaterialien (BR-Drs. 731/04 S. 182 f.; BT-Drs. 16/5065 S. 476) als auch aus der Anknüpfung an § 9 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 DVAuslG. Käme es darauf an, dass jede Voraussetzung nach der Einreise entstanden sein muss, wären etwa in Fällen der Eheschließung im Bundesgebiet nur Ehen privilegiert, bei denen beide Ehegatten im Zeitpunkt der Einreise des ausländischen Ehegatten das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, weil die einzelne Anspruchsvoraussetzung der Vollendung des 18. Lebensjahres beider Ehegatten (§ 28 Abs. 1 Satz 5, § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) nur in einem solchen Falle "nach der Einreise entstehen" könnte. Ein derart enges Verständnis der Norm widerspräche Sinn und Zweck der Privilegierung und wäre auch von der Neufassung der Vorschrift nicht intendiert. Denn mit dem Abstellen auf die Entstehung der Anspruchsvoraussetzungen nach der Einreise sollte lediglich klargestellt werden, dass die Vergünstigung nur gilt, wenn d e r A n s p r u c h nach der Einreise entsteht (BT-Drs. 16/5065, S. 476). Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entsteht indes erst, wenn sämtliche dafür erforderlichen besonderen und allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wobei im Rahmen des § 39 Nr. 3 AufenthV nur die Erfüllung der Visumpflicht (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG) ausgenommen ist. Anders als nach § 39 Nr. 5 AufenthV werden insoweit auch nicht nur einzelne Anspruchsfälle wie die Eheschließung im Bundesgebiet oder die Geburt eines Kindes während des Aufenthalts im Bundesgebiet, sondern alle Fälle privilegiert, in denen der Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entsteht. Auch enthält § 39 Nr. 3 AufenthV im Gegensatz zu den Vorgängerregelungen in § 9 Abs. 2 Nr. 2 und 3 DVAuslG keine Begrenzung mehr dergestalt, dass die Anspruchsvoraussetzungen während des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet bzw. der Geltungsdauer des Schengen-Visums entstanden sein müssen. Diese größere Reichweite entspricht dem Kompromisscharakter der Vorschrift, die einerseits Verfahrenserleichterungen für Ausländer und andererseits dem legitimen Interesse des Staates an der Zuwanderungskontrolle durch das Visumverfahren angemessen Rechnung tragen soll (BR-Drs. 731/04, a. a. O.).
19 
Gemessen daran, dürften die Voraussetzungen des Anspruchs der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis schon deshalb n a c h ihrer letzten Einreise in das Bundesgebiet entstanden sein, weil sie die erforderliche Fähigkeit, sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen zu können (§ 28 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG), erst im Mai 2008 im Bundesgebiet erworben hat. Auch dürfte sie wohl erst nach dieser Einreise die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderliche eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet aufgenommen haben. Die vor jener Einreise in Dänemark erfolgte Eheschließung ist zwar eine notwendige, für sich genommen jedoch nicht hinreichende Voraussetzung für den Familiennachzug. Denn für den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären - ehelichen - Gründen nach dem sechsten Abschnitt des Aufenthaltsgesetztes kommt es nicht auf das bloße formale Band der Ehe, sondern darauf an, ob tatsächlich eine familiäre - eheliche - Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet besteht (§ 27 Abs. 1 AufenthG).
20 
bb) Aber selbst wenn § 39 Nr. 3 AufenthV nicht anwendbar sein sollte, könnte von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) jedenfalls nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG abgesehen werden, soweit die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung - wie oben dargelegt - erfüllt sind. Die Antragsgegnerin bzw. die Widerspruchsbehörde haben das danach eröffnete Ermessen bislang nicht ausgeübt. Dafür, dass dies zugunsten der Antragstellerin geschieht, könnte die Erlasslage sprechen. Denn nach der die Ausländerbehörden des Landes Baden-Württemberg bindenden Verwaltungsvorschrift in Abschnitt A Nr. 5.2.2 der "Zusammengefassten Vorgaben des Innenministeriums zur Anwendung aufenthalts- und asylrechtlicher Regelungen ab dem 1. Januar 2005" - Stand 10.03.2008 - "soll in Fällen, in denen die materielle Prüfung der Ausländerbehörde bereits zu Gunsten des Ausländers abgeschlossen ist, vermieden werden, dass das Visumverfahren lediglich als leere Förmlichkeit durchgeführt werden muss". Darauf liefe ein Nichtabsehen von der Visumpflicht im Falle der Antragstellerin wohl hinaus. Andererseits lässt § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG aber möglicherweise auch Raum für die Berücksichtigung anderer Gesichtpunkte, wie etwa der Frage, ob ein sogenannter Nachentschluss vorliegt (vgl. VGH Baden-Württ., Beschl. v. 30.03.2006 - 13 S 389/06 - InfAuslR 2006, 323). Ungeachtet dessen ist das Ermessen in jedem Falle unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und berührter Grundrechte, insbesondere des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG, auszuüben. Das wird im Widerspruchsverfahren nachzuholen sein.
B.
21 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
22 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. April 2010 – 6 K 521/10 - geändert.

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 15.03.2010 wird auch insoweit abgelehnt, als sie das westliche Wohnhaus mit fünf Wohneinheiten betrifft.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthaften – weitgehend inhalts- und wortgleichen - Beschwerden der Antragsgegnerin und des Beigeladenen sind zulässig (§§ 147 Abs. 1, 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO), insbesondere entsprechen sie (noch) den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Auch fehlt ihnen nicht deshalb das erforderliche Rechtsschutzinteresse, weil dem Beigeladenen unter dem 21.09.2010 eine Baugenehmigung für ein (geringfügig) verändertes Bauvorhaben erteilt wurde, mit dem im westlichen Wohnhaus nurmehr vier Wohneinheiten und eine Gewerbeeinheit vorgesehen sind. Denn auch insoweit hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und gegen den ihn versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11.10.2010 – 6 K 1778/10 – Beschwerde eingelegt (5 S 2025/10). Dass der Beigeladene ungeachtet dessen von der Verwirklichung seines ursprünglichen Bauvorhabens endgültig Abstand genommen hätte, ist nicht ersichtlich.
Die Beschwerden haben auch Erfolg.
Zwar rechtfertigten es die von den Beschwerdeführern innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe als solche noch nicht, die vom Verwaltungsgericht zu ihrem Nachteil getroffene Abwägungsentscheidung zu ändern (1). Jedoch geben die von den Beschwerdeführern nach Fristablauf dargelegten weiteren Gründe ungeachtet dessen, dass nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO grundsätzlich nur die - innerhalb der Frist - dargelegten Gründe zu prüfen sind, Anlass, jene zu ändern und den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 15.03.2010 auch insoweit abzulehnen, als sie das westliche Wohnhaus mit fünf Wohneinheiten betrifft (2).
1. Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die Antragstellerin sei mit ihrer Einwendung nach § 55 Abs. 2 Satz 2 LBO ausgeschlossen, das Bauvorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil eine heranrückende Wohnbebauung den weiteren Betrieb der auf ihrem Grundstück genehmigten Schreinerwerkstatt gefährde, geht dies fehl. Zwar brachte die Antragstellerin diesen Einwand im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung nicht ausdrücklich am 15.02.2010 zur Niederschrift beim Bürgermeisteramt Bodman-Ludwigshafen vor, jedoch verwies sie „im Übrigen“ auf ihre bereits im Rahmen der - die vorausgegangene Bauvoranfrage betreffenden - Angrenzerbenachrichtigung erhobenen Einwendungen, die auch gegen den nunmehr eingereichten Bauantrag „im selben Wortlaut übernommen werden sollten“. In der entsprechenden Niederschrift vom 06.08.2009 hatte sie indes ausdrücklich auf den „Bestandsschutz der Werkstatt“ und ihrer Immissionen, insbesondere auch darauf hingewiesen, dass die Höhe des Schornsteins im Bereich der Fensteröffnungen des geplanten Wohngebäudes zu liegen käme, sodass bei Westwind CO 2 unmittelbar in die nur ca. 6 m entfernte Lochfassade des geplanten westlichen Wohnhauses gelangte. Damit ist auch der möglicherweise auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme führende (auf dasselbe Vorhaben bezogene) Einwand (jedenfalls) noch als fristgerecht erhoben anzusehen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass durch den Hinweis auf Vorbringen in einem anderen Verfahren und gegenüber einem anderen Vorhaben bzw. in einem Vorstadium des eigentlichen Verfahrens dieses noch nicht Inhalt des Einwendungsschreibens wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.08.1997 – 11 A 18.96 -, Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr. 24; Urt. v. 29.08.1986 – 7 C 52.84 -, Buchholz 406.25 § 10 BImSchG Nr. 2; Beschl. v. 11.12.1981 – 7 B 22.81 -, Buchholz 451.171 AtG Nr. 10). Denn die vollständig in Bezug genommenen Einwendungen wurden gerade im Rahmen der Angrenzerbenachrichtigung über die vorausgegangene Bauvoranfrage für dasselbe Vorhaben erhoben. Die entsprechenden Verwaltungsakten waren entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer schon deshalb beizuziehen, weil der Regelungsgehalt des bereits erteilten, wenn auch noch nicht bestandskräftigen Bauvorbescheids maßgeblich dafür ist, inwieweit die Antragsgegnerin gegenüber dem Beigeladenen gebunden war, dort vorab getroffene Feststellungen in die Baugenehmigung zu übernehmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.03.1989 – 4 C 14.85 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 88). Abgesehen davon übersehen die Beschwerdeführer, dass die von ihnen geltend gemachte Präklusionswirkung voraussetzt, dass auf diese Rechtsfolge in der Angrenzerbenachrichtigung hingewiesen wurde (vgl. § 55 Abs. 3 Satz LBO; Sauter, Komm. Z. LBO, 3. A. 29. Lfg. 2007, § 55 Rn. 28 f.). Dass dies der Fall gewesen wäre, lässt sich indes den einschlägigen Baugenehmigungsakten nicht entnehmen. In diesen findet sich lediglich ein Zustellungsnachweis ( /29 ), nicht jedoch ein dem Bauantrag beigefügtes Begleitschreiben der Gemeinde mit einem entsprechenden Hinweis.
Soweit die Beschwerdeführer weiter rügen, das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit der „offensichtlichen Problematik“ auseinandergesetzt, ob es sich bei der in Rede stehenden Schreinerei nicht um einen „atypischen, von dem branchenüblichen Erscheinungsbild abweichenden Gewerbebetrieb“ handelte, lassen ihre weiteren Ausführungen schon nicht erkennen, inwiefern ein solcher vorläge. Für die Frage, ob ein Gewerbebetrieb das Wohnen (auch in einem Mischgebiet) nicht wesentlich störte (vgl. § 6 Abs. 1 u. 2 Nr. 4 BauNVO), ist eine Vorausschau erforderlich, die nicht nur die aktuellen Störwirkungen eines Betriebs für seine Umgebung, sondern auch die Beeinträchtigungen einbezieht, die künftig auch bei funktionsgerechter Nutzung der Anlage eines entsprechenden Betriebs nicht auszuschließen sind. Nur durch eine solche – begrenzte – typisierende Betrachtungsweise lassen sich Konflikte vermeiden oder doch bewältigen, die in dem Nebeneinander von Gewerbe- und Wohnnutzung angelegt sind. Anders verhält es sich dann, wenn der jeweilige Betrieb in der Weise atypisch ist, dass er nach seiner Art und Betriebsweise v o n v o r n h e r e i n keine Störungen befürchten lässt und damit seine Gebietsverträglichkeit d a u e r h a f t und z u v e r l ä s s i g sichergestellt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1992 – 7 C 7.92 -, Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22; Urt. v. 07.05.1971 - IV C 76.68 -, Buchholz 406.11 § 2 BBauG Nr. 7). Holzverarbeitende Betriebe mit maschineller Ausrüstung wie Kreissägen und Hobelmaschinen, wie sie auch hier eingesetzt werden (vgl. bereits die Baubeschreibung v. Juni 1956 und nunmehr auch die gutachtliche Stellungnahme v. 16.06.2010, S. 5), sind danach (auch) in einem Mischgebiet im Regelfall unzulässig (vgl. BayVGH, Urt. v. 22.07.2004 - 26 B 04.931 - m.w.N.; OVG Saarland, Urt. v. 30.11.1999 - 2 R 2/99 -; BVerwG, Urt. v. 07.05.1971, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.10.1993 - 8 S 2693/92 -, BWGZ 1994, 87). Dafür, dass die in Rede stehende Schreinerwerkstatt aufgrund der gebotenen eingeschränkten typisierenden Betrachtungsweise (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.09.1992, a.a.O.) auch in einem Mischgebiet zulässig wäre, spricht wenig. Allein daraus, dass seitens der Nachbarschaft - soweit ersichtlich - bisher keine unzumutbaren Immissionswirkungen geltend gemacht wurden und sich an der bisherigen Betriebsweise in absehbarer Zeit nichts zum Nachteil der umliegenden Wohnbebauung ändern dürfte, folgt dies nicht. Auch der Umstand, dass es sich inzwischen um einen „Ein-Mann-Betrieb“ handeln mag (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 22.07.2004, a.a.O.; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. A. 2008, § 6 Rn. 23.3), die Maschinen über mehrere Wochen in Folge nicht benutzt werden und die Montagearbeiten typischerweise erst vor Ort erfolgen mögen, vermag noch auf keine Atypik zu führen (vgl. OVG Saarland, Urt. v. BayVGH, Urt. v. 22.07.2004, a.a.O., Rn. 29); denn es ist keineswegs gewiss, dass es dabei bleiben wird. Soweit die Beschwerdeführer eine „Atypik“ damit zu begründen versuchen, dass die Schreinerei in einem Gebäude betrieben werde, dessen Standsicherheit (angeblich) „größten Bedenken“ begegne bzw. das „nahezu abbruchreif“ sei bzw. „gravierende bauliche Mängel“ aufweise, was freilich nicht näher belegt wird, und das nicht über die im Falle einer Beschäftigung von Angestellten notwendigen sanitären Anlagen verfüge, geht dies fehl. All dies mag Anlass für ein bauaufsichtliches Einschreiten geben, führte aber ersichtlich noch nicht zur Unwirksamkeit der Baugenehmigung und zum Erlöschen des Bestandsschutzes oder dazu, dass die Schreinerwerkstatt nicht auch mit Angestellten betrieben werden dürfte. Nachdem im Hinblick auf die Größe des Bauvorhabens seinerzeit mit der Beschäftigung fremder Arbeitskräfte gerechnet worden war, war der baupolizeilichen Genehmigung auch eigens die vom Gewerbeaufsichtsamt mitgeteilte Auflage (Nr. 11) beigefügt worden, noch eine „Abortanlage mit Waschgelegenheit“ einzubauen.
Im Übrigen kommt es auf eine „Atypik“ nicht entscheidend an, da es nicht um die Genehmigungsfähigkeit der bereits am 30.07.1956 bzw. am 05.03.1964 baupolizeilich genehmigten Schreinerwerkstatt, sondern um diejenige des an sie heranrückenden Wohnbauvorhabens geht. Im Rahmen des im Erfordernis des Einfügens i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB verankerten Rücksichtnahme-gebots ist vielmehr maßgeblich, was dem zur Rücksichtnahme Begünstigten einerseits und dem zur Rücksichtnahme Verpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.01.2003 - 4 C 19.90 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155). Insofern ist für die Schutzwürdigkeit der Bestandsschutz genießenden Schreinerwerkstatt zwar durchaus von Bedeutung, wie diese in den letzten Jahren tatsächlich betrieben wurde. Jedoch lassen die von den Beschwerdeführern fristgerecht vorgetragenen Gründe noch nicht erkennen, dass deren Betreiber jedenfalls nicht zu befürchten hätte, bei einer Verwirklichung des Bauvorhabens des Beigeladenen aus Gründen des Immissionsschutzes mit zusätzlichen, nicht nur unerheblichen Anforderungen an den genehmigten Betrieb überzogen zu werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.03.1984 – 4 B 171.73 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 98; Beschl. v. 25.11.1985 – 4 B 202.85 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 67; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.10.1991 – 3 S 2087/91 -, BauR 1992, 45). Denn wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hatte die Antragsgegnerin vor Erteilung der angefochtenen Genehmigung keine entsprechenden Feststellungen getroffen, obwohl hierzu nicht zuletzt aufgrund des Schreibens der Handwerkskammer K. vom 18.02.2010 hinreichend Anlass bestand; darauf, ob diese „Einwendungen“ erhoben hatte, kam es insofern nicht an. Inwiefern die Antragsgegnerin aufgrund der „tatsächlichen Gegebenheiten“ gleichwohl zu dem Ergebnis hätte kommen dürfen, dass kein Nutzungskonflikt entstünde, erschließt sich aus den Akten nicht. Fehl geht der Hinweis, dass die Schreinerei seit Jahrzehnten von Wohnbebauung „umzingelt“ sei, ohne dass es je zu Nutzungskonflikten gekommen sei. Denn schon aufgrund der nunmehr geringeren Abstände zu den im Maschinenraum der Werkstatt eingesetzten, für eine Schreinerei typischen immissionsträchtigen Maschinen und zum Kamin des das Werkstattgebäude beheizenden Ofens ließ sich nicht feststellen, dass sich das vorhandene bodenrechtliche Spannungsverhältnis bei Verwirklichung des Bauvorhabens nicht doch wesentlich verstärkte, zumal das Obergeschoss eben in Höhe des Kamins zu liegen käme und eine vorherrschende Westwindlage nicht ausgeschlossen schien. Dass das Betriebsgebäude zu dem Wohnhaus auf dem nordöstlich angrenzenden Grundstück Flst. Nr. 143/1 einen geringeren Abstand einhalten mag, ist vorliegend nicht von Bedeutung. Inwiefern Beeinträchtigungen aufgrund des Kamins von vornherein deshalb ausgeschlossen sein sollen, weil die Aufenthaltsräume nach Westen ausgerichtet seien, der Schreinerei gegenüber „nur“ Schlaf- und Küchenräume lägen, ein Kamin nur während der Betriebszeit am Tage genutzt werde, Emissionen nur in den Wintermonaten zu erwarten seien, in denen die gegenüberliegenden Fenster grundsätzlich geschlossen seien bzw. lediglich „stoßweise“ gelüftet werde und bislang keine Beanstandungen erhoben worden seien, erschließt sich dem Senat nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.10.1991 - 3 S 2087/91 -, BauR 1992, 45). Inwiefern der Ofen aus „gewerbe- und brandschutzrechtlichen Gründen“ gar unzulässig sein sollte, zeigen die Beschwerdeführer nicht auf.
Soweit der Beigeladene noch geltend macht, die Aussetzung der sofortigen Vollziehung habe für ihn „existenzgefährdende Auswirkungen“, rechtfertigt auch dies noch keine andere Abwägungsentscheidung. Solche sind schon nicht ansatzweise dargetan.
Nach alledem wären die Beschwerden nach der bei Ablauf der Begründungsfrist gegebenen Sachlage zurückzuweisen gewesen.
2. Anlass zu einer abweichenden Abwägungsentscheidung zugunsten der Beschwerdeführer geben indes nunmehr die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegende gutachtliche Stellungnahme des Ingenieurbüros für Schall- und Wärmeschutz (isw) vom 16.06.2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 30.07.2010, die hierzu abgegebene Stellungnahme des Landratsamtes Konstanz - Amt für Abfallrecht und Gewerbeaufsicht - vom 14.09.2010, die beigebrachte Stellungnahme des Bezirksschornsteinfegermeisters vom 05.10.2010 sowie nicht zuletzt die unter dem 07.10.2010 abgegebene Erklärung des Beigeladenen, die Kosten für zur Vermeidung von dem Kamin etwa ausgehender erheblicher Belästigungen erforderlich werdende Maßnahmen zu übernehmen. Zwar sind all diese Gründe, mit denen das bisherige Vorbringen auch nicht lediglich konkretisiert und vertieft wurde, erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungfrist entstanden, doch konnten sie vom Senat ungeachtet dessen, dass nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur die - innerhalb der Frist - dargelegten Gründe zu prüfen sind, ausnahmsweise zu Gunsten der Beschwerdeführer berücksichtigt werden. So sind neue Tatsachen – hierzu gehören auch neue Beweismittel – zumindest dann berücksichtigungsfähig, wenn sie – wie hier – offensichtlich sind und nicht zu einem neuen - das Verfahren verzögernden - Streitstand führen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 08.07.2008 – 11 S 1041/08 -, VBlBW 2009, 109; BayVGH, Beschl. v. 11.06.2007 - 11 CS 06.2244 -; SächsOVG, Beschl. v. 29.03.2007 - 5 BS 295/06 -; HessVGH, Beschl. v. 07.09.2004 - 10 TG 1498/04 -). Denn § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zwingt das Beschwerdegericht nicht zu einer prozessunwirtschaftlichen und dem Gebot effektiven - zeitnahen - Rechtsschutzes widersprechenden Bestätigung einer Eilentscheidung erster Instanz, wenn diese Entscheidung in einem weiteren Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO - gegebenenfalls auch von Amts wegen - wieder zu ändern wäre, was auf eine bloße Förmelei hinausliefe. Die strikte Bindung an die innerhalb der Monatsfrist vorgebrachten Gründe gilt nach Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 VwGO in derartigen Fällen nicht (vgl. hierzu auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 27.01.2006 - 6 S 1860/05 - VBlBW 2006, 323). Dies gilt insbesondere dann, wenn letztlich nur neue präsente Beweismittel den fristgerecht dargelegten Gründen zum Erfolg verhelfen. Es wäre schwerlich mit dem grundsätzlich auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.11.2004 - 8 S 1870/04 -, VBlBW 2005, 282) und dem mit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verfolgten Zweck vereinbar, einen offensichtlich eingetretenen Erkenntnisfortschritt, der in der Hauptsache zu berücksichtigen wäre, allein deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil er nicht für, sondern gegen die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung spricht. Die nunmehr vorgebrachten Gründe waren, ungeachtet dessen, dass die Antragsgegnerin den Sachverhalt bereits vor Erteilung der Baugenehmigung von Amts wegen aufzuklären gehabt hätte und sie bzw. der Beigeladene die Stellungnahmen eingeholt hatten, auch keineswegs für die Beschwerdeinstanz aufgespart worden (vgl. hierzu VGH Bad,-Württ., Beschl. v. 08.11.2004 - 9 S 1536/04 -, NVwZ-RR 2006, 74; OVG LSA, Beschl. v. 18.09.2008 - 3 M 511/08 -). Denn im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht konnten die nunmehr präsenten Beweismittel tatsächlich noch nicht vorgelegt werden.
10 
Nach der nunmehr vorliegenden gutachtlichen Stellungnahme des isw vom 16.06.2010 wird auch unter „schalltechnisch ungünstigen betrieblichen Gegebenheiten“ bezüglich der Einsatzdauer stationärer Werkzeugmaschinen sowie der Werkstattlüftung durch Öffnen von Fensterflügeln selbst der zur Beurteilung der Lärmwirkung vorsorglich herangezogene, für allgemeine Wohngebiete maßgebende (Lärm-)Immissionswert „tags“ vor der nordwestlichen Hausfassade des westlichen Hauses unterschritten. In Ermangelung entsprechender technischer Daten blieben lediglich die Immissionsanteile der Späneabsaugung sowie eines (nur selten betriebenen) Wandventilators rechnerisch außer Ansatz. Insofern wurde in der Stellungnahme jedoch klargestellt, dass, sollten diese Gebläse wider Erwarten einen wesentlichen Beitrag zur Lärmeinwirkung auf das Bauvorhaben aufweisen, eine hinreichende Lärmminderung mit überschaubarem technischen (und wirtschaftlichem) Aufwand kurzfristig erreicht werden könnte. Entsprechende Maßnahmen wären nach dem Gebot der Rücksichtnahme auch ohne Weiteres zumutbar (vgl. auch § 22 Abs. 1 BImSchG; BVerwG, Urt. v. 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BVerwGE 109, 314; Urt. v. 18.05.1995 - 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235).
11 
Die Richtigkeit des Ergebnisses der nunmehr vorliegenden gutachtlichen Stellungnahme wird auch nicht durch die nicht näher substantiierten Einwände der Antragstellerin in Frage gestellt. Soweit sie geltend macht, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass „die Maschinen manchmal auch gleichzeitig liefen“, geht dies fehl. Denn davon, dass entgegen der Annahme in der gutachtlichen Stellungnahme auch ein zeitgleicher Betrieb mehrerer Werkzeugmaschinen im Last lauf stattfände (Abschnitt 3.3), war weder aufgrund der bisherigen Angaben des Betriebsinhabers vom 01.06.2010 noch aufgrund derer vom 15.07.2010 (AS 249) auszugehen. Soweit die Antragstellerin unter dem 24.08.2010 nunmehr erstmals geltend macht, dass der gelegentlich eingesetzte Mitarbeiter, der die Werkzeugmaschinen nicht selbständig bedienen dürfe, nach deren vorheriger Einstellung „durchaus auch alleine bestimmte Materialien mit dem Vorschub durchlassen dürfe“, ist auch nicht ansatzweise zu erkennen, dass dieser Umstand trotz der im Übrigen angenommenen ungünstigen Bedingungen dazu führen könnte, dass die für die hier wohl vorliegende Gemengelage nach der sog. Mittelwertrechtsprechung voraussichtlich maßgeblichen Werte (eines Mischgebiets) überschritten würden (vgl. TA Lärm 1998, Abschn. 6.7; BVerwG, Urt. v. 18.05.1995 - 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235; Senat, Beschl. v. 11.01.2005 - 5 S 1444/04 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.10.1991 - 3 S 2087/91 -, BauR 1992, 45, Urt. v. 21.04.1995 - 3 S 2514/94 -, VBlBW 1995, 481).
12 
Inwiefern in der gutachtlichen Stellungnahme keine Berücksichtigung gefunden hätte, dass die Fenster im Sommer oft mehrere Stunden sowohl am Vor- und Nachmittag geöffnet würden, ist ebenso wenig zu erkennen. So ist rechnerisch berücksichtigt worden, dass ein Fensterflügel in der Nordwestfassade ständig und das Fenster im Maschinenraum in der Südostfassade intermittierend geöffnet würde. Die zum Bauvorhaben des Beigeladenen hin orientierten „großen“ Fenster sind ohnedies festverglast. Soweit die Antragstellerin neuerdings geltend macht, auch die (nach Nordwesten ausgerichteten) Fenster im Bankraum würden bei Bedarf gekippt, ist gänzlich unwahrscheinlich, dass dies zu qualitativ anderen Ergebnissen führte.
13 
Auch mit dem Einwand, dass vor Ort keine Messungen durchgeführt worden waren, lässt sich die gutachtliche Stellungnahme nicht in Frage stellen. Darauf, dass eine auf der Grundlage einschlägiger Emissionskennwerte und unter Berücksichtigung schalltechnisch ungünstiger betrieblicher Randbedingungen durchgeführte rechnerische Ermittlung der Lärmeinwirkung auf die Umgebung Ergebnisse mit deutlich größerer Sicherheit als kurzdauernde Schallpegelmessungen erbringen, hat bereits das Ingenieurbüro iws in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30.07.2010 hingewiesen (vgl. AS 255 ff.); dies leuchtet unmittelbar ein und ist dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannt.
14 
Spricht vor diesem Hintergrund nicht nur nichts dafür, dass bei der derzeit üblichen Betriebsweise die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte für die hier wohl vorliegende Gemengelage überschritten, sondern sogar die Immissionsgrenzwerte für allgemeine Wohngebiete eingehalten würden, liegt der vom Verwaltungsgericht seinerzeit noch zu Recht für möglich gehaltene Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nunmehr eher fern.
15 
Soweit die Antragstellerin demgegenüber darauf verweist, dass die Schreinerei ihren Betrieb jederzeit wieder in dem ursprünglich betriebenen Umfang aufnehmen, insbesondere weitere Mitarbeiter beschäftigt werden könnten, führt auch dies nicht auf einen Mangel der gutachtlichen Stellungnahme und einen nicht von der Hand zu weisenden Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
16 
Zwar wäre die Antragstellerin in bauordnungsrechtlicher Hinsicht nicht auf die derzeitige Betriebsweise festgelegt, nachdem eine neuerliche Ausweitung der Schreinerwerkstatt von den ihrem Rechtsvorgänger erteilten Baugenehmigungen im Hinblick auf die seinerzeit vorliegende Baubeschreibung - ggf. nach Erfüllung der Auflage Nr. 11 - ohne Weiteres gedeckt wäre. Dass auf diese Genehmigung von der Antragstellerin oder ihrem Rechtsvorgänger teilweise verzichtet worden wäre, sodass sie sich teilweise erledigt hätte (vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG), ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu BayVGH, Urt. v. 20.02.2003 - 15 B 00.1363 -, NVwZ-RR 2003, 726). Auch infolge der jahrelangen eingeschränkten Nutzung („Ein-Mann-Betrieb“) ihres Pächters ist die Baugenehmigung noch nicht (teilweise) unwirksam geworden (vgl. zu dieser Möglichkeit bei zeitweiliger Nichtausnutzung einer Baugenehmigung weiterhin BVerwG, Beschl. v. 05.06.2007 - 4 B 20.07 -, BauR 2007, 1697). Insbesondere kann darin kein die Antragstellerin bindender Teilverzicht gesehen werden (vgl. Nieders. OVG, Beschl. v. 20.07.2009 - 1 LA 103/07 -, NVwZ-RR 2009, 910). Aus den Urteilen des beschließenden Gerichtshofs vom 04.03.2009 - 3 S 1467/07 - (BauR 2009, 1881) und 19.10.2009 - 5 S 347/09 - (VBlBW 2010, 111) können die Beschwerdeführer nichts anderes herleiten.
17 
Jedoch richtetet sich das Maß an Rücksichtnahme, welches das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Rücksichtnahmegebot dem Bauinteressenten abverlangt, maßgeblich nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Nach § 34 Abs. 1 BBauG bildet die Eigenart der näheren Umgebung den für das Einfügen maßgeblichen Bezugsrahmen. Ihr städtebauliches Gepräge erhält diese Umgebung durch die tatsächlich vorhandene Bebauung bzw. tatsächlich ausgeübte Nutzung. Diese bestimmt daher auch den Inhalt des Rücksichtnahmegebots (vgl. BVerwG, Urt.v. 14.01.1993 - 4 C 19.90 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155). Dies schließt zwar nicht aus, dass die einer Schreinerei eigene Variationsbreite bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen ist, welchen Beeinträchtigungen der Rücksichtnahmeverpflichtete im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB als Folge der prägenden Wirkung der in der Umgebung vorhandenen Bebauung ausgesetzt werden soll (vgl. BVerwG, Urt.v. 14.01.1993, a.a.O.). Ob die von ihr ausgehenden Wirkungen den Rahmen des Zumutbaren überschreiten, richtet sich jedoch nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die sich ihrerseits nach der bebauungsrechtlichen Prägung der Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.01.1993, a.a.O.). Insofern kann die seit einigen Jahren bestehende Betriebsweise der Schreinerwerkstatt nicht außer Ansatz bleiben, zumal keine Hinweise vorliegen, dass sich an dieser in absehbarer Zeit etwas änderte (vgl. Senat, Urt. v. 20.05.2003 - 5 S 2751/01 -, ESVGH 53, 212).
18 
Insofern liegt es vor dem Hintergrund der nunmehr vorliegenden Stellungnahmen eher fern, dass das Wohnbauvorhaben des Beigeladenen gegenüber der Schreinerwerkstatt nicht den Abstand wahrte, durch den sichergestellt ist, dass es bei der gebotenen Berücksichtigung der Situationsgebundenheit des Baugrundstücks einerseits und etwa zu ergreifender Lärmminderungsmaßnahmen andererseits keinen unzumutbaren Immissionen ausgesetzt würde. Bei einer etwaigen, nicht ausgeschlossenen Ausweitung des Betriebs der Schreinerwerkstatt hätte diese ihrerseits Rücksicht auf die an sie näher herangerückte Wohnbebauung zu nehmen und zu gewährleisten, dass von dem Betrieb auch künftig keine unzumutbaren Lärmwirkungen ausgehen (vgl. auch § 22 Abs. 1 BImSchG).
19 
Auch die allein noch in Rede stehenden, über das Kamin abgeleiteten Rauchemissionen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Nach der Stellungnahme des Bezirksschornsteinfegermeisters vom 05.10.2010 rühren diese von einem Warmluftofen mit einer Leistung von lediglich 45 KW her, der allein zur Beheizung der Werkstatt betrieben wird. Dass mit dessen Betrieb auch bei Beachtung der sich aus der 1. BImSchV (Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen) ergebenden Anforderungen schädliche Umwelteinwirkungen für das geplante Wohnbauvorhaben verbunden wären, erscheint insofern eher fernliegend (vgl. zu Hausfeuerungsanlagen VGH Bad.-Württ., Urt. v. 05.09.1989 - 10 S 1712/88 -, NJW 1990,1930). Zwar mag dies mit Blick auf die derzeitige Höhe der Austrittsöffnung des Schornsteins bei nicht auszuschließendem Westwind nicht von der Hand zu weisen sein, doch wäre es dem Betreiber und Rücksichtnahmebegünstigten vor dem Hintergrund der inzwischen erklärten Kostenübernahme durch den Beigeladenen ggf. seinerseits zuzumuten, den Kamin zu erhöhen (vgl. § 22 Abs. 1 BImSchG, § 19 Abs. 1 Nr. 2 1. BImSchV n.F.; BVerwG, Urt. v. 18.05.1995, a.a.O.; Urt. v. 23.09.1999, a.a.O.), nachdem jener immerhin durch eine entsprechende Grundrissgestaltung und Ausrichtung der Außenwohnbereiche nach Südwesten Rücksicht genommen hat. Dass die Schreinerwerkstatt vor der heranrückenden Wohnbebauung errichtet worden war, ändert nichts (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.09.1999 - 4 C 6.98 -, BVerwGE 109, 314).
20 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 9, 19.1. u. 16.1.6 des Streitwertkatalogs vom Juli 2004 (vgl. zum Streitwert bei einer störungspräventiven Nachbarklage Senat, Beschl. v. 24.02.2010 - 5 S 1777/09 -, NVwZ-RR 2010, 542).
21 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 19. August 2005 - 1 K 905/05 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 09. Mai 2005 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Gründe

 
Die zulässige, insbesondere ausreichend begründete (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) Beschwerde hat Erfolg. Jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die Voraussetzungen für einen Sofortvollzug der angefochtenen Gewerbeuntersagung nicht (mehr) vor mit der Folge, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers - entsprechend seinem sinngemäßen Antrag - wieder herzustellen bzw. anzuordnen ist.
Der Senat lässt offen, ob die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller sei gewerberechtlich unzuverlässig (§ 35 Abs. 3 GewO), auf der Grundlage der damaligen Tatsachenbasis zutraf und ob sie sich ggf. auch jetzt noch aufrechterhalten ließe. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist im Falle einer Gewerbeuntersagung die Anordnung des Sofortvollzugs nicht allein schon deshalb gerechtfertigt, weil sich die Maßnahme in der Hauptsache voraussichtlich als rechtmäßig erweist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass Anhaltspunkte für die Besorgnis bestehen, der Betroffene werde bei einem Aufschub der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren sein bisheriges Verhalten fortsetzen und die berechtigten Belange der Allgemeinheit, zu denen insbesondere die des Fiskus zählen, zusätzlich gefährden (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 26.10.2004 - 6 S 1477/04 - mit zahlr. Nachw.; zur Bedeutung des Art. 12 Abs. 1 GG im Zusammenhang von Gewerbeuntersagungen ferner BVerfG, Beschlüsse vom 13.08.2003, NJW 2003, 3617, und vom 24.10.2003, NJW 2003, 3618). Das ist bei der gegebenen Sachlage nicht (mehr) der Fall. Dies folgt allerdings nicht schon aus dem Vorbringen des Antragstellers in der - innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgelegten - Beschwerdebegründung; die dortigen Angaben über die Aussichten des Antragstellers, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf Dauer wahren zu können, sind auch insoweit zu wenig konkret, als es um das besondere Vollzugsinteresse geht. Hierauf kommt es jedoch nicht an, denn die weiteren Schriftsätze des Antragstellers erweisen, dass von ihm jedenfalls heute keine zusätzliche Gefährdung wichtiger Gemeinschaftsgüter zu besorgen ist.
Allerdings sind diese Schriftsätze erst nach Ablauf der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingegangen, so dass sie bei reiner Wortauslegung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO, wonach das Beschwerdegericht nur die - fristgemäß - dargelegten Gründe prüft, nicht mehr berücksichtigt werden dürften mit der Folge, dass dem Antragsteller nur noch das Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO bliebe (in diesem Sinne Eyermann/Happ, VwGO, Nachtrag zur 11. Aufl., 2002, § 146 Anm. N 4; in der Sache ebenso Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 146 RdNr. 22). Einer derartigen Sichtweise vermag der Senat indessen nicht zu folgen. Beschränkung auf "schlichte" Wortauslegung im Sinne eines methodischen Rückzugs auf den "grammatischen" Auslegungsaspekt ist schon für sich genommen regelmäßig ungeeignet, den sachlichen Gehalt von Rechtsnormen zu erfassen. Im vorliegenden Zusammenhang gilt dies trotz der scheinbaren "Eindeutigkeit" des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO umso mehr, als sich systematische Gründe aufdrängen, die eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift unmittelbar nahe legen. § 146 Abs. 3 Satz 6 VwGO ist, wie auch die soeben zitierte Kommentarliteratur nicht verkennt (Eyermann/Happ, a.a.O.; Redeker/von Oertzen, a.a.O., RdNr. 24a), unmittelbar auf § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO bezogen, wonach die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, darlegen und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen muss. Die hierin enthaltene - an die Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO gebundene - Begründungslast enthält nach Überzeugung des Senats keine "Präklusion" (die sich zudem nur auf das Eilverfahren beschränken könnte), sondern will den Betroffenen im Interesse der Verfahrensbeschleunigung zwingen, sich innerhalb jener Frist substantiell mit der angegriffenen Entscheidung auseinanderzusetzen und die nach seiner Auffassung maßgeblichen Tatsachen vorzutragen. Dann aber kann sich § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nur auf das beschränken, was der Betroffene bis zum Ablauf der Frist vortragen kann und muss. Für § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO muss dies angesichts der engen systematischen Verknüpfung mit jener Begründungslast umgekehrt bedeuten, dass sich die dem Beschwerdegericht auferlegte Beschränkung der Prüfungslast gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht auf Umstände erstrecken kann, die nach § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO weder vorgetragen werden konnten noch mussten; nur in dieser Auslegung wird der eigentliche Sinn der Vorschrift deutlich, die Verletzung der aus § 146 Abs. 4 Satz 1 und 3 VwGO folgenden Begründungsobliegenheiten zu sanktionieren. Auf dieser Grundlage kann es dem Beschwerdegericht nicht verwehrt sein, sachlich-rechtlich entscheidungserhebliche Umstände zu berücksichtigen, die erst nach Ablauf der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingetreten sind.
Die Richtigkeit dieser einschränkenden Auslegung der Vorschrift wird bestätigt, wenn die Bedingungen sinnvoller und effektiver Rechtsschutzgewährung in den Blick genommen werden. Zum einen führte reine Wortauslegung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu einer durch keinerlei Sachgründe mehr zu rechtfertigenden Erschwerung des Eilrechtsschutzes. Da der soeben umschriebene Sanktionszweck der Vorschrift in diesem Verfahrensstadium als Sachgrund notwendigerweise ausscheidet, ist einzig noch der Beschleunigungszweck in Betracht zu ziehen. Dieser verliert indessen bei nachträglich eintretenden Umständen einen wesentlichen Teil seiner Bedeutung schon deshalb, weil dem Betroffenen das Abänderungsverfahren offen steht: Verweisung auf das Verfahren gemäß § 80 Abs. 7 VwGO indessen wird die Gesamtdauer des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes typischerweise nicht verkürzen, sondern verlängern, so dass sich die Einbeziehung nachträglich eingetretener Umstände in das ohnedies laufende Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO schon deshalb aufdrängt (in gleicher Richtung wohl auch Bader, VwGO, 3. Aufl. 2005, § 146 RdNr. 36). Hinzu kommt, dass das Abänderungsverfahren mit erneutem Prozess- und Kostenrisiko verbunden ist; vollends unzumutbar erscheint eine Verweisung auf diese Verfahrensweise, wenn es - wie hier - um Wahrung von Rechtspositionen geht, die in den Schutzbereich von Grundrechten fallen (hier: Gewerbeausübung als Aktualisierung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG). Zum Zweiten bleibt es auch bei Berücksichtigung des § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO grundsätzlich dabei, dass eigentliche Aufgabe der Beschwerdeinstanz die Richtigkeitskontrolle ist; dem widerspräche grundlegend, wenn sie, ohne dass dies aus Sachgründen zwingend geboten ist, gehalten wäre, gleichsam sehenden Auges eine sachlich-rechtlich falsche Entscheidung zu treffen. In der Rechtsprechung wird dies erkennbar insoweit für selbstverständlich gehalten, als das Beschwerdegericht ungeachtet des § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO die Beschwerde zurückweisen kann, wenn sie aus anderen, nicht vorgetragenen und ggf. von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu prüfenden Gründen erfolglos bleiben muss (Beschluss des Gerichtshofs vom 25.11.2004 - 8 S 1870/04 -; BayVGH, Beschluss vom 21.05.2003, NVwZ 2004, 251). Dann aber bedeutete es einen offenbaren Wertungswiderspruch, wenn in Fällen der vorliegenden Art nachträglich eingetretene Umstände nicht in die Erwägungen des Beschwerdegerichts einbezogen werden dürften. Dies alles gilt umso mehr, wenn berücksichtigt wird, dass der in der Hauptsache maßgebliche Zeitpunkt - der Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides - im vorliegenden Falle erst noch bevorsteht mit der Folge, dass nachträglich eingetretene entscheidungserhebliche Umstände dort in jedem Falle zu berücksichtigen sind. Dieser Zusammenhang bestätigt zugleich ein weiteres Mal, dass eine allein auf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkte "Präklusion" ohne Sinn ist. Insgesamt gilt mithin, dass nachträglich eingetretene und vorgetragene Umstände bei der Entscheidung im noch laufenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu berücksichtigen sind, wenn die Beschwerde zulässig ist, insbesondere den prozessrechtlichen Bestimmungen des § 146 Abs. 4 Satz 1 bis 3 VwGO entspricht.
Auf dieser Grundlage steht nach derzeit sicherer Einschätzung des Senats fest, dass jedenfalls im jetzigen Zeitpunkt kein besonderes öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides (mehr) besteht. In der Beschwerdeerwiderung vom 24.10.2005 hat die Antragsgegnerin eingeräumt, dass die Steuerrückstände des Antragstellers am 18.10.2005 nur noch knapp 1.920,-- EUR, mithin nur noch etwas mehr als 1/3 der im angefochtenen Bescheid genannten Summe betragen hätten. Zwar hat sie versucht, dies unter Hinweis darauf zu relativieren, dass diese Verringerung nur auf Verrechnung beruhe und dass keine Zahlungen geleistet worden seien. Unabhängig von der Frage, ob dies bei der Begründung des besonderen Vollzugsinteresses überhaupt entscheidungserheblich wäre, ist der Eindruck, der durch diese Mitteilung erkennbar vermittelt werden sollte, jedenfalls durch den weiteren Ablauf überholt. Laut unbestrittenem Vorbringen im Schriftsatz vom 27.10.2005 hat der Antragsteller am nämlichen Tage 500,-- EUR ans Finanzamt geleistet; die Rückstände beliefen sich seither nur noch auf knapp 1.440,-- EUR. Laut Schriftsatz vom 03.11.2005 war eine weitere Zahlung in Höhe von 500,-- EUR erfolgt; die Steuerschuld betrug nun noch knapp 940,-- EUR. Am 18.11.2005 schließlich erfolgte eine weitere Zahlung 200,-- EUR. Insgesamt haben sich mithin die Steuerschulden des Antragstellers inzwischen um rund 80 % gemindert. Auch sonst zeichnet sich eine eher positive Entwicklung ab: Das Vorbringen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 24.10.2005, der Antragsteller habe die "laufende Umsatzsteuervorauszahlung" für das 3. Quartal des Jahres 2005 noch nicht abgegeben, wurde mit Schriftsatz vom 03.11.2005, ohne dass dem seither widersprochen worden wäre, substantiiert widerlegt, und im Schriftsatz vom 20.12.2005 hat der Antragsteller - gleichfalls unwidersprochen - vorgetragen, eine inzwischen erfolgte Umsatzsteuer-Sonderprüfung habe keine Abweichungen von den angemeldeten Besteuerungsgrundlagen erbracht. Angesichts dieser Entwicklung kann kein Zweifel bestehen, dass im jetzigen Zeitpunkt nicht mehr die Rede davon sein kann, der Antragsteller werde sein Fehlverhalten bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren fortsetzen und hierbei die berechtigten Belange der Allgemeinheit zusätzlich gefährden. Schon deshalb ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers wieder herzustellen bzw. - soweit es um die Androhung eines Zwangsgelds geht - anzuordnen.
Offen bleiben kann, inwieweit die seitherige Entwicklung Einfluss auf die Beurteilung der Frage hat, ob der Antragsteller - im maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides - gewerberechtlich unzuverlässig ist; bei dieser Prüfung wird auch zu erwägen sein, ob sich das ursprünglich in der Tat nur wenig konkrete "Sanierungskonzept" (vgl. dazu die Beschwerdebegründung vom 26.09.2005) aufgrund der nachträglich eingetretenen Umstände möglicherweise als hinreichend tragfähig erweist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.