Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 25. März 2019 - W 9 K 17.30895

bei uns veröffentlicht am25.03.2019

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1. Der am … … 1990 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er ist tadschikischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach eigenen Angaben am 24. September 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 13. Mai 2016 einen Asylantrag.

In seiner Anhörung am 20. Oktober 2016 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger im Wesentlichen an, er sei in Karachi, Pakistan, geboren worden und habe dort die ersten 19 Jahre seines Lebens gemeinsam mit seiner Familie gelebt. Die Familie habe sich dort illegal aufgehalten. In Pakistan habe er die Schule bis zur 10. Klasse besucht. Im Anschluss habe er sich selbständig gemacht und einen Handy-Laden eröffnet. Nach 19 Jahren sei die Familie wieder zurück nach Afghanistan gegangen und habe sich in Kabul niedergelassen. In Kabul habe der Kläger bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 gelebt. Zuvor habe er als Taxifahrer in Afghanistan gearbeitet. Dabei habe er ein Mädchen kennengelernt, das er heiraten wollte. Die Familie des Mädchens habe dem aber nicht zugestimmt. Das Mädchen sei schwanger geworden. Sie hätten gemeinsam versucht, aus Afghanistan auszureisen. Dabei seien sie von der Polizei kontrolliert worden und hätten zu ihrer Beziehung unterschiedliche Angaben gemacht. Daraufhin seien sie zur Polizeistation ihres Wohnortes gebracht worden. Seine Freundin sei von ihren Angehörigen auf der Polizeistation abgeholt worden. Die Brüder des Mädchens hätten versucht, ihn auf der Polizeistation zu schlagen. Die Polizei habe dies verhindert. Der Kläger sei dann zu fünf Jahren Haft wegen der Entführung des Mädchens verurteilt worden. Die Familie des Mädchens habe von der Familie des Klägers ein Mädchen als Ausgleich dafür verlangt, dass der Kläger mit dem anderen Mädchen eine Beziehung angefangen habe. Die Mutter des Klägers sei verstorben. Anfang Juni 2015 sei der Kläger aus der Haft entlassen worden. Die Familie des Klägers sei in der Zwischenzeit weggezogen. Der Kläger habe nicht in Erfahrung bringen können, wohin sie gezogen sei. Ein Onkel des Klägers habe ihm berichtet, dass seine Geliebte durch ihren Bruder getötet worden sei und der Bruder aus diesem Grund in Haft sitze. Auch habe die Familie des Mädchens gedroht, dass, wenn er aus der Haft entlassen werde, er getötet werde. Nach einer Woche sei er dann von Kabul in den Iran gegangen. Der Kläger gab weiter an, dass er befürchte, wenn er nach Afghanistan zurückkehren müsse, die Familie des Mädchens ihn ebenfalls töten werde.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, erkannte die Flüchtlingseigenschaft und einen subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Außerdem forderte es den Kläger zur Ausreise innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens auf; für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Afghanistan angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Der Kläger sei kein Flüchtling i.S. des § 3 AsylG. Die wegen der Entführung seiner Freundin verhängte Haftstrafe habe er abgebüßt. Eine staatliche Verfolgung drohe ihm somit nicht. Die weitere Furcht des Klägers vor einer Verfolgung durch die Familie seiner Freundin begründe keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung. Außerdem könne der Kläger in Afghanistan internen Schutz in Anspruch nehmen. Bei einem gesunden und arbeitsfähigen jungen Mann wie dem Kläger könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass er interne Schutzmöglichkeiten zumindest in den afghanischen Städten in Anspruch nehmen könne. Die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter lägen ebenfalls nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus seien nicht gegeben. Unter Hinweis auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers seien keinerlei Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigten, dass ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein ernsthafter Schaden i.S. des § 4 AsylG drohe. Dem Kläger drohe in seinem Herkunftsland nicht die Vollstreckung oder Verhängung der Todesstrafe. Darüber hinaus drohe dem Kläger auch keine Folter, erniedrigende oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung. Eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheide ebenfalls aus. Der Kläger habe auch keine persönlichen Umstände vorgetragen, die die Gefahr für ihn so erhöhten, dass von individuellen konfliktbedingten Gefahren gesprochen werden könne. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG lägen bei gesunden und arbeitsfähigen jungen Männern grundsätzlich nicht vor. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Selbst ein fehlender vorheriger Aufenthalt des Klägers in Afghanistan schließe eine Rückkehr dorthin nicht grundsätzlich aus. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor.

Laut Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid dem Kläger am 15. Februar 2017 zugestellt.

2. Der Kläger ließ am 1. März 2017 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben.

Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Vater der getöteten Freundin und zwei seiner Söhne hätten einflussreiche Posten in der Provinzregierung. Die Familie werde den Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan im ganzen Land suchen. Sie werde hierfür sowohl private Kontakte als auch Kontakte innerhalb der Regierung nutzen. Dem Kläger drohe die Blutrache. Zudem gelte der Kläger aufgrund seines Gefängnisaufenthaltes nicht mehr als schützenswert. Hinzu komme, dass sein Vater ihn aufgrund der Ereignisse verstoßen habe und es niemanden mehr gebe, der ihm helfen würde. Es wurde ergänzt, dass der Vater und der Bruder des Klägers zwischenzeitlich ebenfalls in die Bundesrepublik Deutschland gekommen seien. Im Oktober 2017 habe der Kläger einen Suizidversuch begangen. Er sei in eine psychiatrische Klinik eingewiesen worden. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG habe. Er sei aus Furcht vor Verfolgung aus Afghanistan weggegangen und könne nationalen Schutz nicht in Anspruch nehmen. Jedenfalls seien die Voraussetzungen eines subsidiären Schutzes gegeben. Zudem begründe die Erkrankung des Klägers ein Abschiebehindernis. Der Kläger wäre bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in der Lage, sich ein Leben am Rande des Existenzminimums zu sichern.

Der Kläger ließ beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Februar 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als subsidiär Schutzberechtigten nach § 4 AsylG anzuerkennen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, bezogen auf den Kläger das Vorliegen von Abschiebehindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die angefochtene Entscheidung.

3. Mit Beschluss vom 19. Januar 2018 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

4. Mit Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 10. Dezember 2018, Az. … … … …, wurde der Kläger wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Vergewaltigung in Tateinheit mit Sich-Verschaffen kinderpornographischer Schriften in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern in Tatmehrheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Diebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Urteil ist seit dem 16. Januar 2019 rechtskräftig. Auf den Inhalt des Urteils wird Bezug genommen.

5. In der mündlichen Verhandlung am 22. März 2019 war der Kläger in Begleitung seines Bevollmächtigten persönlich anwesend. Er wurde informatorisch befragt. Zum Gegenstand des Verfahrens wurde die Erkenntnismittelliste Afghanistan, Stand Februar 2019, gemacht. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Der Kläger ließ zuletzt beantragen,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 13. Februar 2017 zu verpflichten, den Kläger als subsidiär Schutzberechtigten nach § 4 AsylG anzuerkennen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, bezogen auf den Kläger das Vorliegen von Abschiebehindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG festzustellen, und nahm die Klage im Übrigen zurück.

Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

6. Darüber hinaus wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten der Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen. Die elektronische Ausländerakte des Klägers wurde beigezogen.

Gründe

Über die Klage konnte auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Soweit die Klage im Hinblick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wurde, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Die Ablehnung des Antrags auf Asylanerkennung (Ziffer 2 des Bescheides) ist bereits unanfechtbar geworden und nicht Gegenstand der Klage.

Soweit die zulässige Klage aufrechterhalten wurde, ist sie unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 13. Februar 2017 ist - soweit er weiterhin angefochten wird - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des begehrten subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 AsylG, da zu seinen Lasten der Ausschlusstatbestand nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG eingreift. Nach dieser Regelung ist ein Ausländer von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine schwere Straftat begangen hat.

Bei der Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ist zu berücksichtigen, dass dieser Art. 17 Abs. 1 lit. b) der Qualifikationsrichtlinie umsetzt. Vor diesem Hintergrund reicht zwar allein die - nationalrechtliche - Einstufung einer Straftat als Verbrechen nicht aus, um die Annahme einer schweren Straftat im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG zu rechtfertigen; schwer im Sinne des Ausschlussgrundes ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vielmehr nur ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert und dementsprechend strafrechtlich verfolgt wird (vgl. - zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG - BVerwG, U.v. 24.11.1999 - 10 C 24/08 - juris Rn. 41; U.v. 4.9.2012 - 10 C 13.11- juris Rn. 20). Das Gericht ist insoweit indes nicht gehindert, nationale Wertungen wie die Einstufung einer Tat als Verbrechen und die angedrohte Höchst- und Mindeststrafe für die Schwere der in Rede stehenden Straftat als Indizien heranzuziehen (vgl. der Sache nach auch BVerwG, U.v. 25.3.2015 - 1 C 16/14 - juris Rn. 28, wonach bei einem vorgesehenen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe wohl ohne weiteres von einer „besonders schwerwiegenden Straftat“ ausgegangen werden soll), soweit internationale Wertungen dem nicht entgegenstehen und auch die konkrete Tatausführung nach Art und Schwere eine solche Einstufung rechtfertigt. Als schwere Straftaten in diesem Sinne sind danach neben vorsätzlichen Tötungsdelikten auch Raub, gefährliche bzw. schwere Körperverletzung, Kindesmissbrauch, Entführung (OVG Hamburg, U.v. 10.5.2011 - 1 A 306/10, 1 A 3071 A 307/10 - juris Rn. 112; VG Cottbus, U.v. 8.2.2017 - 1 K 273/11.A - juris) sowie gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen von Ausländern (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 1 C 16/14 - juris Rn. 28) angesehen worden; demgegenüber wird beispielsweise ein einfacher Diebstahl keine schwere Straftat darstellen (vgl. auch Marx, AsylVfG, 8. Aufl. 2014, § 3 Rn. 26 unter Verweis auf UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Anwendung der Ausschlussklauseln, 3. September 2003, S. 5).

Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei den der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers durch das LG Aschaffenburg vom 17. Dezember 2018, Az. … … … …, zu Grunde liegenden Taten um eine schwere Straftat im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG. Hierfür ist bereits anzuführen, dass der Kläger in dem benannten Urteil, dessen Inhalt das Gericht bei den weiteren Ausführungen zu Grunde legt, u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a Abs. 2 StGB a.F. verurteilt wurde, der einen Strafrahmen von zwei Jahren bis zu 15 Jahren vorsieht, womit die Tat als Verbrechen nach § 12 StGB eingeordnet wurde. Nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des BVerwG (zum § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG a.F.) ist damit von einer schwerwiegenden Straftat auszugehen. Dies gilt neben der Strafandrohung auch mit Blick auf den verwirklichten Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern. Dass europarechtliche Wertungen dieser Einstufung entgegenstehen könnten, ist nicht ersichtlich.

Das Gericht sieht zudem keine Veranlassung, aufgrund der durch das LG Aschaffenburg gewährten Milderung des Strafrahmens nach §§ 21, 49 StGB wegen der zu Gunsten des Klägers angenommenen erheblich herabgesetzten Steuerungsfähigkeit bei der Tatausführung des sexuellen Kindesmissbrauchs nicht zu der Annahme einer schweren Straftat im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG zu gelangen. Auch wenn derartige Gesichtspunkte bei der Prüfung des Vorliegens einer schweren Straftat grundsätzlich zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.2.2010 - 10 C 7/09 - juris), sprechen vorliegend für das Gericht die gesamten Umstände der Tatausführung für die Annahme einer schweren Straftat. Aus den Umständen kann insbesondere nicht ersehen werden, dass der Kläger nur aufgrund seiner vorgetragenen nicht unerheblichen Alkoholisierung die Tat begangen oder diese die Tatausführung wesentlich begünstigt hat. Der Kläger ist bei dem sexuellen Missbrauch der Tochter des Bruders seiner Freundin planvoll vorgegangen und wollte sich für seine Inhaftierung an ihm rächen. Von diesem Rachegedanken war der Kläger schon während seiner Haft getrieben und dieser verfestigte sich nach den Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils nach der Haftentlassung weiter. Es ging ihm darum, dem Bruder seiner Freundin einen größtmöglichen Schaden zuzufügen. Der noch in Afghanistan begangene schwere sexuelle Missbrauch eines zum Tatzeitpunkt 12-jährigen Mädchens war in dieser Form gewollt und bietet damit keinerlei Anhaltspunkte, um im Rahmen der Wertung des Asylgesetzes (s.u.) zu Gunsten des Klägers keine schwere Straftat im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG anzunehmen.

Die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylG ist demnach gegeben. Weitere Voraussetzungen sind nicht zu prüfen. Sinn und Zweck der Ausschlussgründe des § 4 Abs. 2 AsylG ist es nicht, Gefahren für den aufnehmenden Mitgliedstaat zu begegnen, sondern Personen von der Zuerkennung subsidiären Schutzes auszunehmen, die sich dieses Schutzes als „unwürdig“ erwiesen haben. Dieser Zielsetzung widerspräche es, den Ausschluss von der Zuerkennung subsidiären Schutzes insbesondere von dem Bestehen einer gegenwärtigen Gefahr für den Aufnahmemitgliedstaat abhängig zu machen (vgl. - zu der Parallelregelung für den Ausschluss des Flüchtlingseigenschaft in Art. 12 Abs. 2 lit. b) Qualifikationsrichtlinie - EuGH, U.v. 9.11.2010 - C-57/09 u.a. - juris Rn. 104). § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG ist daher in der Form auszulegen, dass die - im Fall des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG aus der Begehung einer schweren Straftat folgende - Unwürdigkeit selbst dann fortbesteht, wenn keine Wiederholungsgefahr (mehr) gegeben ist und von dem Ausländer auch sonst keine aktuellen Gefahren für den Aufenthaltsstaat ausgehen (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2015 - 1 C 16/14 - juris Rn. 29).

Da zudem bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der Ausschlussgründe Ausfluss einer abstrakten Verhältnismäßigkeitsprüfung sind und den nationalen Behörden im Rahmen der Anwendung der Ausschlussgründe auf Rechtsfolgenseite ein Ermessensspielraum nicht zusteht, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch für eine darüber hinausgehende Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall kein Raum (vgl. EuGH, U.v. 9.11.2010 - C-57/09 u.a. - juris Rn. 109 sowie - zu § 25 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG -BayVGH, U.v. 15.6.2011 - 19 B 10.2539 - juris Rn. 40). Da durch die Anwendung des Art. 3 EMRK sichergestellt ist, dass auch ein Asylantragsteller, der Ausschlussgründe verwirklicht, nicht in einen Staat abgeschoben wird, in dem ihm Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung droht, ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerwG, EuGH-Vorlage vom 14.10.2008 - 10 C 48/07 - juris Rn. 33 ff.).

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG.

2. Der Kläger hat darüber hinaus keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

2.1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine gegen Art. 3 EMRK oder ein anderes Grundrecht nach der EMRK verstoßende Behandlung in seinem Herkunftsland droht.

2.1.1.

Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Für die Beurteilung der Frage, ob dem Ausländer in dem Land, in das er zurückkehrt, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe im Sinne des Art. 3 EMRK droht, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte darauf abzustellen, ob für den Betroffenen die „reale“ bzw. ernsthafte“ Gefahr („real risk“) einer solchen Behandlung besteht (vgl. EGMR, U.v. 7.7.1989 - 1/1989/161/217 - NJW 1990, 2183, 2185; U.v. 20.3.1991 - 46/1990/237/307 - NJW 1991, 3079, 3080). Im nationalen Recht entspricht dies dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 29.6.2009 - 10 B 60/08 u.a. - juris Rn. 7; B.v. 22.7.2010 - 10 B 20/10 - juris Rn. 6). Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liegt danach vor, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine drohende Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnen Menschen in der Lage des Betroffenen eine Rückkehr in das Heimatland als unzumutbar einzuschätzen ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 32). Ein Abschiebungshindernis besteht nicht, wenn die im Einzelfall geltend gemachte Gefahr lediglich spekulativer Art ist (OVG NW, U.v. 26.5.2004 - 8 A 3852/03.A - juris Rn. 64 m.w.N.).

2.1.1.1.

Eine derartige beachtliche Wahrscheinlichkeit lässt sich vorliegend nach Überzeugung des Gerichts nicht mit Blick auf den in Afghanistan durch den Kläger begangenen schweren sexuellen Missbrauch eines 12-jährigen Mädchens in Tateinheit mit einer Vergewaltigung feststellen. Die begangene Tat ist zwar entsprechend den Ausführungen in dem Urteil des LG Aschaffenburg vom 17. Dezember 2018, Az. … … … …, S. 19f. auch nach afghanischem Strafrecht strafbar und hierfür eine zeitige Freiheitsstrafe vorgesehen (Art. 427 Abs. 1 u. 2 des afghanischen Strafgesetzbuchs in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung). Eine weitere Strafverfolgung und Bestrafung ist aber mit Blick auf die in der Bundesrepublik erfolgte rechtskräftige Verurteilung nicht beachtlich wahrscheinlich. Im afghanischen Strafrecht ist nach einer Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. September 2018, Az. 508-516.80/51115, im Fall einer in Deutschland begangenen Vergewaltigung eine doppelte Bestrafung ausgeschlossen. Damit gilt dies auch für die weiteren hier in der Bundesrepublik begangenen Straftaten, die zusammen mit dem schweren sexuellen Missbrauch abgeurteilt wurden. Zudem ist auch nicht ersichtlich, wie diese weiteren Straftaten in Afghanistan bekannt werden könnten. Dessen unbeschadet begründet eine drohende Doppelbestrafung für sich genommen mit Blick auf Art. 3 EMRK keinen Abschiebungsschutz, da es insbesondere keine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, dass eine Person wegen desselben Lebenssachverhalts, dessentwegen sie bereits in einem dritten Staat zu einer Freiheitsentziehung verurteilt wurde, und die sie auch verbüßt hat, in einem anderen Staat nicht neuerlich angeklagt oder verurteilt werden darf, oder dass jedenfalls die Zeit der im dritten Staat erlittenen Freiheitsentziehung im Falle einer neuerlichen Verurteilung angerechnet oder berücksichtigt werden muss (OVG NW, B.v. 10.4.2008 - 18 B 350/08 - juris m.w.N.).

Damit besteht bereits nicht eine ernsthafte Gefahr für eine weitere Strafverfolgung und Bestrafung des Klägers. Zudem sind die Haftbedingungen in Afghanistan nicht generell so, dass selbst bei einer (nicht beachtlich wahrscheinlichen Inhaftierung) des Klägers die ernsthafte Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bestünde. Nach der Auskunftslage (Lagebericht des AA vom 31. Mai 2018, S. 24; Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Afghanistan, Gesamtaktualisierung vom 29.6.2018, S. 262 ff.) entsprächen die Haftbedingungen in Afghanistan nicht den internationalen Standards. Auch gebe es Berichte über Misshandlungen in Gefängnissen. Einige Gefängnisse seien überbelegt. Der Zugang zu Nahrung, Trinkwasser, sanitären Anlagen, Heizung, Lüftung, Beleuchtung und medizinischer Versorgung sei landesweit unterschiedlich und im Allgemeinen unzureichend. Einigen Quellen zufolge sei die Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser in Gefängnissen des General Directorate of Prisons and Detention Centers (GDPDC) angemessen. Nach einem Bericht über die Haftbedingungen in Afghanistan zwischen Januar 2015 und Dezember 2016 seien 39% der Befragten während der Haft oder des Gewahrsams in verschiedenen Strafvollzugsanstalten gefoltert oder misshandelt worden. Nach diesen Erkenntnismitteln sind die Verhältnisse im Justizvollzug in Afghanistan ohne Zweifel als schwierig zu bezeichnen. Gleichzeitig lassen die wiedergegebenen Erkenntnismittel nicht den Schluss zu, dass es systematisch in afghanischen Gefängnissen zu einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung von Gefangenen kommt. Auch soweit der erwähnte Bericht Angaben zu Folter beinhaltet, bleibt festzuhalten, dass die Gefangenen, die in diesem Zusammenhang befragt wurden, konfliktbedingt inhaftiert waren (vgl. UN Human Rights Council (21.2.2018); Situation of human rights in Afghanistan and technical assistance achievements in the field of human rights; Report of the United Nations High Commission on Human Rights, S. 8: „detainees on conflict-related charges“). Bei Personen aber, die ausschließlich wegen eines kriminellen Unrechts inhaftiert werden, dürfte eine Wahrscheinlichkeit für eine derartige Behandlung nicht in gleicher Weise gegeben sein, weil derartige Inhaftierte nicht vergleichbar im Focus des afghanischen Staates und der Strafverfolgungsorgane stehen dürften.

2.1.1.2.

Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung droht dem Kläger auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von der Familie des Mädchens, das er in Afghanistan vergewaltigt hat. Der Kläger hat zwar vorgetragen, dass seine Familie wegen seiner Tat Schwierigkeiten bekommen habe. Gleichzeitig gibt es für das Gericht aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger landesweit eine Verfolgung durch die Familie drohen könnte, was - wenn man zu Gunsten des Klägers grundsätzlich ein entsprechendes Interesse der anderen Familie unterstellt - für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erforderlich wäre (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2018 - 20 B 17.31659 - juris). Der Kläger, der zuletzt in Kabul gelebt haben will, kann sich in einer anderen Großstadt in Afghanistan, bspw. Herat oder Mazar-e Sharif, niederlassen. Diese Städte sind von Kabul erreichbar und ein Ausweichen dorthin ist dem Kläger zumutbar (zu den allgemeinen Lebensbedingungen s.u.). Es ist vorliegend nicht wahrscheinlich, dass der Kläger in einer derartigen Großstadt seines Heimatlandes als einzelne Person von nichtstaatlichen Verfolgern realistischerweise ausfindig gemacht werden könnte. Dies gilt umso mehr als es in Afghanistan kein funktionierendes Meldesystem gibt (vgl. VG München, U.v. 8.10.2018 - M 26 K 17.35228 - juris). Seinen Vortrag zu angeblichen politischen Verbindungen der Familie, die diese für ein Auffinden des Klägers nutzen könnten, hat der Kläger nicht weiter substantiiert.

2.1.1.3.

Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan führt im Fall des Klägers ebenfalls nicht zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Zwar können bei entsprechenden Rahmenbedingungen auch schlechte humanitäre Verhältnisse eine entsprechende Gefahrenlage begründen. Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw. (BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31960; ausführlich: VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris m.w.N.).

Gegenwärtig stellt sich die allgemeine Lage in Afghanistan im Wesentlichen wie folgt dar:

Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei (Human Development Index 2016: Platz 169 von 188 Staaten). Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum sei kurzfristig nicht in Sicht (2017: 2,6%). Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25% auf 39% gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der afghanischen Bevölkerung - insbesondere Rückkehrer - weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 9,3 Mio. Menschen - ein Drittel der afghanischen Bevölkerung - humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen, für 2018 sei eine Dürre vorausgesagt worden. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten würden. Jedoch habe die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Seit 2002 seien laut UNHCR 5,8 Mio. afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, Afghanistan erlebe die größte Rückkehrbewegung der Welt. Das Fehlen lokaler Netzwerke könne Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhänge (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 25/28).

Laut einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom 1. Juni 2018 stünden in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet sei. Zugang zu angemessener Unterkunft sei jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte sei als Slums einzustufen. Flüchtlinge lebten in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte böten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken - etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen - oder zu finanziellen Mitteln ab (siehe zum Ganzen: EASO, Country Guidance: Afghanistan, 1.6.2018, S. 104 f.).

Ausweislich des Länderinformationsblatts Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juni 2018 seien von den 2,1 Mio. Personen, die in informellen Siedlungen lebten, 44% Rückkehrer. Die Zustände in diesen Siedlungen seien unterdurchschnittlich und besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen seien Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% hätten keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% lebten in überfüllten Haushalten. Rückkehrer erhielten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehrten, und internationalen Organisationen (z.B. IOM, UNHCR) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (z.B. IPSO und AMASO), die die Reintegration in Afghanistan finanziell, durch Bereitstellung von Unterkunft, Nahrungsmitteln oder sonstigen Sachleistungen sowie durch Beratung unterstützten. Gleichwohl sei die Möglichkeit der Rückkehr zur Familie oder einer sonstigen Gemeinschaft mangels konkreter staatlicher Unterbringungen für Rückkehrer der zentrale Faktor. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellten die afghanische Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung (zwei Wochen). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stelle eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar; Unterstützungsnetzwerke könnten sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Religion sowie aus „professionellen“ (Kollegen, Kommilitonen etc.) oder politischen Verbindungen ergeben (siehe zum Ganzen: BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 29.6.2018, S. 314-316, 327-331).

Nach den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 seien die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. Ende 2017 sei bezüglich 3,3 Mio. Afghanen ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe festgestellt worden; nunmehr kämen weitere 8,7 Mio. Afghanen hinzu, die langfristiger humanitärer Hilfe bedürften. Über 1,6 Mio. Kinder litten Berichten zufolge an akuter Mangelernährung, wobei die Kindersterblichkeitsrate mit 70 auf 1.000 Geburten zu den höchsten in der Welt zähle. Ferner habe sich der Anteil der Bevölkerung, die laut Berichten unterhalb der Armutsgrenze lebe, auf 55% (2016/17) erhöht, von zuvor 33,7% (2007/08) bzw. 38,3% (2011/12). 1,9 Mio. Afghanen seien von ernsthafter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Geschätzte 45% der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 4,5 Mio. Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans herrsche die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbreche. 54% der Binnenvertriebenen (Internally Displaced Persons - IDPs) hielten sich in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöhe und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärke; die bereits an ihre Grenze gelangten Aufnahmekapazitäten der Provinz- und Distriktszentren seien extrem belastet. Dies gelte gerade in der durch Rückkehrer und Flüchtlinge rapide wachsenden Hauptstadt Kabul (Anfang 2016: geschätzt 3 Mio. Einwohner). Flüchtlinge seien zu negativen Bewältigungsstrategien gezwungen wie etwa Kinderarbeit, früher Verheiratung sowie weniger und schlechtere Nahrung. Laut einer Erhebung aus 2016/17 lebten 72,4% der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unzulänglichen Wohnverhältnissen. Im Januar 2017 sei berichtet worden, dass 55% der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert gewesen seien (siehe zum Ganzen: UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 36 f., 125 f.).

Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 böten die informellen Siedlungen in den afghanischen Städten meist einen schlechten oder keinen Zugang zu Basisdienstleistungen und Infrastruktur (Elektrizität, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen). Die Unterkünfte seien meist behelfsmäßig gebaut und könnten nur bedingt vor Kälte, Hitze und Feuchtigkeit schützen. Die Lebensbedingungen von Rückkehrern lägen unter den normalen Standards. Laut einer Studie seien 87% der IDPs und 84% der Rückkehrer von Lebensmittelknappheit betroffen. Ob es Rückkehrer schafften, sich in Afghanistan wieder zu integrieren, hänge nicht zuletzt vom Vorhandensein von Unterstützungsnetzwerken ab. In Kabul (geschätzte Einwohnerzahl: 3,8 - 7 Mio.) habe der schnelle Bevölkerungsanstieg rasch zu einer Überforderung der vorhandenen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Die humanitäre Lage spitze sich insbesondere in großen Städten zu, weil sich dort IDPs und Rückkehrer konzentrierten, die eine Existenzgrundlage und Zugang zu bereits stark überlasteten Grunddienstleistungen suchten. Laut Amnesty International sei die Aufnahmekapazität - insbesondere in den größeren Städten - aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der sehr bescheidenen Möglichkeiten, eine Existenzsicherung sowie angemessene Unterkunft zu finden, sowie des mangelnden Zugangs zu überstrapazierten Grunddienstleistungen „äußerst eingeschränkt“ (siehe zum Ganzen: SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile - Update, 12.9.2018, S. 20-22).

Ausgehend von den Verhältnissen in Afghanistan insgesamt sowie insbesondere in der Hauptstadt Kabul als voraussichtlichen End- bzw. Ankunftsort einer Abschiebung (ausführlich: VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris) gelangte das Gericht nicht zu der Überzeugung, dass im Falle des Klägers nach den dargelegten Maßstäben ein ganz außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem humanitäre Gründe seiner Abschiebung im Sinne von Art. 3 EMRK zwingend entgegenstehen.

Die obergerichtliche Rechtsprechung schätzt weiterhin die Lage in Afghanistan nicht derart ein, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris; BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a ZB 17.31960; B.v. 29.11.2017 - 13a ZB 17.31251 - juris; B.v. 11.4.2017 - 13a ZB 17.30294 - juris unter Bezugnahme auf U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167).

Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch diejenige des Bundesverwaltungsgerichts (EGMR, U.v. 28.6.2011 - 8319/07 und 11449/07 - NVwZ 2012, 681 und BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) machen deutlich, dass ein sehr hohes Schädigungsniveau erforderlich ist, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, wenn die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit, als es die allgemeine Lage in Afghanistan als nicht ausreichend ernst für die Feststellung einer Verletzung des Art. 3 EMRK eingestuft hat, die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation betont (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167, insb. Leitsatz 3; vgl. auch BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31960; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - juris; VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris).

Eine solche besondere Ausnahmekonstellation ist vorliegend nicht gegeben. Aus den aktuellen Erkenntnismitteln zur humanitären Lage in Afghanistan (vgl. vorstehende Ausführungen) lässt sich zwar entnehmen, dass die Situation in Afghanistan weiterhin sehr besorgniserregend ist. Jedoch liegen keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zulassen, dass jeder alleinstehende, erwerbsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte. Dies gilt grundsätzlich auch für Rückkehrer, die keine Berufsausbildung haben und über keinen aufnahmefähigen Familienverband verfügen (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31960; VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.). Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 15.6.2016 - 13a ZB 16.30083 - juris; BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris m.w.N.; B.v. 30.9.2015 - 13a ZB 15.30063 - juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 - 13 A 1828/09.A - juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 - 1 A 144/15.A - juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 - 9 LB 320/14 - juris).

Hiervon ist auch im Hinblick auf die individuellen Lebensumstände des Klägers auszugehen. Bei ihm handelt es sich um einen 29-jährigen gesunden, arbeitsfähigen Mann. Ein Suizidversuch im Jahr 2017 stand im Zusammenhang mit Problemen in der Partnerschaft. Weitere Beeinträchtigungen wurden nicht geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund dürfte dem Kläger insbesondere eine Vielzahl von Tagelöhnertätigkeiten möglich sein. So hat der Kläger, der nach seiner eigenen Auskunft in Pakistan die Schule bis zur 10. Klasse besucht und anschließend einen Handy-Laden eröffnet hat, während seines Aufenthalts in Kabul als Taxifahrer gearbeitet. Mit seinen weiteren Erfahrungen und Kenntnissen, die er in Europa erworben hat, ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen.

Nach allem ist davon auszugehen, dass sich hinsichtlich des Klägers kein ganz außergewöhnlicher Fall ergibt, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen würden und somit humanitäre Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ wären.

2.1.2.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG folgt auch nicht aus Art. 6 EMRK und der hierdurch gewährten Garantie eines fairen Verfahrens. Soweit mit der Rechtsprechung davon ausgegangen wird, dass im Einzelfall ein Verstoß gegen den Wesenskern dieser Garantie zu einem Abschiebungsverbot führen kann (vgl. OVG NW, U.v. 26.5.2004 - 8 A 3852/03.A - juris Rn. 192), scheidet ein Anspruch vorliegend bereits vor dem Hintergrund aus, dass eine weitere Strafverfolgung des Klägers nicht beachtlich wahrscheinlich ist.

2.2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor.

Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dies kann aus individuellen Gründen - etwa wegen drohender An- oder Übergriffe Dritter oder auf Grund von Krankheit - der Fall sein, kommt aber ausnahmsweise auch infolge einer allgemein unsicheren oder wirtschaftlich schlechten Lage im Zielstaat in Betracht (VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris).

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.

Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit strengeren Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Von einer solchen Unzumutbarkeit ist auszugehen, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (BVerwG, U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - NVwZ 2013, 1489; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris; vgl. zudem BVerwG, B.v. 8.8.2018 - 1 B 25.18 - juris Rn. 13).

Eine solche, extreme Gefahrenlage kann vorliegend nicht angenommen werden. Zum einen besteht - wie sich unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen bereits ergibt - keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers aus individuellen Gründen. Insbesondere bestehen in seiner Person keine hier zu berücksichtigenden Besonderheiten gesundheitlicher Art. Zum anderen droht dem Kläger auch aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan keine extreme Gefahr infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Liegen die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus (BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31960; VGH Mannheim, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris). Vorliegend vermögen die - fraglos schlechten - Lebensverhältnisse nach den vorstehenden Ausführungen keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen. Dass gerade der Kläger als leistungsfähiger, erwachsener Mann mit den von ihm erworbenen Kenntnissen und Erfahrungen im Falle einer Rückkehr alsbald sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde, vermag das Gericht danach nicht festzustellen.

3. Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung (Nr. 5 des Bescheides) bestehen im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.

4. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 2 und Abs. 3 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6 des Bescheides) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.

Die Klage konnte keinen Erfolg haben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

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Strafgesetzbuch - StGB | § 12 Verbrechen und Vergehen


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(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, dass für ihn ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. (hinsichtlich Sri Lanka) vorliegt.

2

Der 1976 geborene Kläger ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit. Er reiste 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erkannte den Kläger mit Bescheid vom 19. März 1998 als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Herkunftsstaates vorliegen. Im Jahr 1998 erhielt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

3

Der Kläger ist vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Im November 2000 war er wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, aufgrund derer sich der Kläger bis zum April 2003 in Haft befand. Daraufhin war der Kläger mit Verfügung des Regierungspräsidiums vom 17. April 2002 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 12. Juli 2005 wurde die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, widerrufen. Zugleich wurde festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Nachdem das Verwaltungsgericht die hiergegen erhobene Klage abgewiesen hatte, verpflichtete der Verwaltungsgerichtshof die Beigeladene mit Urteil vom 21. April 2009, festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Dem kam das Bundesamt nach und stellte mit Bescheid vom 9. Juli 2009 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG fest.

4

Im April 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, zu erteilen. Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger mit Verfügung vom 23. April 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die seitdem fortlaufend verlängert wurde.

5

Im August 2012 bat die Beklagte das Bundesamt gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG um Mitteilung, ob der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG vorliegt. Dies wurde vom Bundesamt bejaht.

6

Mit Verfügung vom 11. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ab, weil der Kläger eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen habe und daher ein Ausschlussgrund vorliege. Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium zurück.

7

Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG liege nicht vor. Die gewerbs- und bandenmäßige Schleusertätigkeit des Klägers sei nicht mehr geeignet, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung zu tangieren.

8

Der Verwaltungsgerichtshof hat das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. ausgeschlossen, da diese Regelung zum 1. Dezember 2013 außer Kraft getreten sei. Nach neuem Recht gebe es für einen Ausländer, für den ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden sei, keine Anspruchsgrundlage mehr für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. scheide als Rechtsgrundlage bereits tatbestandlich aus, weil diese Regelung das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG und damit eines nationalen Abschiebungshindernisses voraussetze, das vom Bundesamt festzustellen wäre. Eine solche Feststellung sei nicht bereits in dem hier durch das Bundesamt festgestellten Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. enthalten. Eine der früheren Regelung des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. entsprechende Anspruchsgrundlage sei nicht mehr gegeben. Eine solche stelle auch § 25 Abs. 2 AufenthG n.F. nicht dar. Diese Bestimmung setze voraus, dass das Bundesamt dem Ausländer den Flüchtlingsstatus im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder den subsidiären Schutzstatus im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG zuerkannt habe. Das bei dem Kläger festgestellte Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. sei dem subsidiären Schutzstatus im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG materiell nicht gleichzusetzen. Auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Übergangsregelung des § 104 Abs. 9 AufenthG seien nicht erfüllt, da der Kläger im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. gewesen sei. Eine Übergangsregelung für noch nicht abgeschlossene Verfahren, in denen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung streitig sei, enthalte das Gesetz nicht. Dies begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Neuregelung lediglich verfahrensrechtliche Konsequenzen und keinen Eingriff in materielle Rechtspositionen zur Folge habe. Denn Ausländer, zu deren Gunsten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG a.F. festgestellt worden seien, könnten die Nachholung einer Statusentscheidung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beim Bundesamt beantragen. Die Würdigung des Klageziels ergebe, dass es dem Kläger bei Klageerhebung um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem beliebig zukünftigen Zeitpunkt gegangen sei, weshalb ausschließlich neues Recht zur Anwendung komme. Die hilfsweise gestellten Anträge auf rückwirkende Erteilung seien unzulässig, da es sich insoweit um unzulässige Klageerweiterungen handele. Da der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises keinen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt habe, könne offenbleiben, ob er die Feststellung hätte begehren können, dass die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig gewesen ist. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsbegehren wäre jedenfalls unbegründet gewesen, weil der Kläger wegen Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt habe. Denn der Kläger habe eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. begangen. Es komme nicht darauf an, wie lange die Tat zurückliege und ob gegenwärtig eine Wiederholungsgefahr bestehe.

9

Der Kläger macht mit seiner Revision geltend, dass die bestandskräftige Feststellung des Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. den subsidiären Schutzstatus des § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beinhalte. Durch eine Gesetzesänderung dürfe er nicht den Status des Abschiebungsverbots verlieren, da ansonsten die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verletzt werde. Außerdem beinhalte das festgestellte Abschiebungsverbot auch das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 und/oder 7 Satz 1 AufenthG. Nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie sei die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr zu erteilen. Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung stünden, da seine - des Klägers - Verurteilung bereits über 13 Jahre zurückliege, zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr entgegen.

10

Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

11

Die Beigeladene trägt vor: Sowohl die Entstehungsgeschichte als auch die Regelungssystematik sprächen dafür, dass mit dem Status nach § 4 AsylVfG eine neue und nur in die Zukunft wirkende Rechtsstellung habe geschaffen werden sollen, bei der allein für einen abgegrenzten und fest umschriebenen Personenkreis rückwirkend eine Gleichstellung habe vorgenommen werden sollen. Dafür habe nicht allein der Umstand genügt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden sei.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs.2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ohne Verstoß gegen Bundesrecht zurückgewiesen.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen auf der Grundlage des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 9. Juli 2009 festgestellten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162). Das nicht mit einer näheren zeitlichen Bestimmung versehene Verpflichtungsbegehren des Klägers ist auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ex nunc gerichtet. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge, die auf eine rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerichtet sind, unzulässig waren, da diese in erster Instanz nicht Streitgegenstand waren und das Urteil, gegen das der Kläger fristgerecht keine Anschlussberufung eingelegt hatte, nicht zum Nachteil des Berufungsklägers abgeändert werden darf (Verbot der reformatio in peius).

14

Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 7. April 2009 - 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 10 und vom 14. Mai 2013 - 1 C 16.12 - BVerwGE 146, 271 Rn. 14). Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) am 1. Dezember 2013 ist § 25 AufenthG in seiner seitdem geltenden Fassung der Prüfung der Verpflichtungsklage zugrunde zu legen.

15

2. Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25 Abs. 3 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung ausscheidet, da diese Regelung außer Kraft getreten ist. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU ist eine der früheren Regelung des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. entsprechende Anspruchsgrundlage, wonach eine Aufenthaltserlaubnis u.a. bei Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. erteilt werden sollte, nicht mehr gegeben. Eine dieser früheren Vorschrift entsprechende Anspruchsgrundlage stellt auch § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG n.F. nicht dar. Nach dieser Bestimmung ist einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG zuerkannt hat. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen hier nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine nach der früheren Rechtslage getroffene Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. keine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG und dieser auch nicht gleichzusetzen.

16

Nach Entstehungsgeschichte und Systematik der Neuregelung sollte mit dem Status nach § 4 Abs. 1 AsylVfG eine neue und nur in die Zukunft wirkende Rechtsstellung geschaffen werden. Die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. trifft zwar eine Aussage über die Schutzbedürftigkeit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9), sogenannte Qualifikationsrichtlinie (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Nach dem Regelungssystem des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBI. I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 - bewirkte sie aber keine Entscheidung über den subsidiären Schutzstatus nach Unionsrecht. Denn die Ausschlussgründe für den subsidiären Schutzstatus nach Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG waren nicht schon bei der Beurteilung des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. zu prüfen; sie waren vielmehr erst als Versagungsgründe für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. ausgestaltet. Aus der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 bis 7 AufenthG a.F. allein folgte auch noch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. war lediglich richtlinienkonform dahin auszulegen, dass bei einem subsidiär Schutzberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis nur abgelehnt werden durfte, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Erteilung entgegenstanden (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07- BVerwGE 131, 198 Rn. 13).

17

Erst das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU hat in Angleichung an die Richtliniensystematik mit § 4 AsylVfG einen eigenständigen Schutzstatus geschaffen (BT-Drs. 17/13063 S. 20). In § 4 AsylVfG wird die Prüfung der Schutzbedürftigkeit (Abs. 1) und des Vorliegens von Ausschlussgründen (Abs. 2) zusammengefasst und insgesamt dem Bundesamt übertragen. § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG n.F. räumt nur international Schutzberechtigten, also Personen, denen vom Bundesamt der Status nach Prüfung und Verneinung von Ausschlussgründen zuerkannt worden ist, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ein, es sei denn, der Ausländer wurde aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Die bloße Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. belegt mangels Prüfung der unionsrechtlich auch für den subsidiären Schutzstatus zwingend geltenden Ausschlussgründe materiell gerade nicht das Vorliegen des subsidiären Schutzstatus.

18

3. Der Kläger gilt auch nicht nach der Übergangsregelung des § 104 Abs. 9 AufenthG als subsidiär Schutzberechtigter im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG.

19

a) Nach § 104 Abs. 9 Satz 1 AufenthG gelten Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (a.F.) besitzen, weil das Bundesamt oder die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der vor dem 1. Dezember 2013 gültigen Fassung vorliegen, als subsidiär Schutzberechtigte im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG und erhalten von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, es sei denn, das Bundesamt hat die Ausländerbehörde über das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a bis d AufenthG in der vor dem 1. Dezember 2013 gültigen Fassung unterrichtet.

20

Der Kläger war indes zu keinem Zeitpunkt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. Überdies hatte das Bundesamt unter dem 1. Oktober 2012 und 22. November 2012 das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. bejaht.

21

b) Für eine analoge Anwendung des § 104 Abs. 9 AufenthG auf Fälle, in denen an dem maßgeblichen Stichtag ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. bestand, fehlt es an Anhaltspunkten für eine Gesetzeslücke. Die Entstehungsgeschichte bekräftigt vielmehr, dass der Gesetzgeber bewusst nur für die abgeschlossenen Verfahren eine Übergangsvorschrift schaffen wollte (BT-Drs. 17/13063 S. 25). Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes ist Zweck der Übergangsvorschrift, Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erhalten hatten, weil sie die Voraussetzungen von § 60 Absatz 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der früheren Fassung erfüllten, international subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylVfG gleichzustellen. Angesichts der Verlagerung der Berücksichtigung von Gründen, die (auch) den subsidiären Schutz ausschließen, von der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf die Gewährung eines Schutzstatus setzt dies in Bezug auf das Aufenthaltstitelerfordernis eine abgeschlossene Prüfung voraus, ob solche Gründe vorliegen, und ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn - wie hier - das Bundesamt gegenüber der Ausländerbehörde das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen, die jenen des § 4 Abs. 2 AsylVfG entsprechen, zum Ausdruck gebracht hat.

22

c) Die Anwendung des § 109 Abs. 4 AufenthG ist auch nicht geboten, um eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Personen auszuschließen, für die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt, denen aber keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. erteilt worden war. Von der Systemumstellung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU bleibt der Abschiebungsschutz durch die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. unberührt; mangels Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. wird auch sonst nicht in einen schutzwürdigen Besitzstand eingegriffen. Der nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. vor Abschiebung geschützte Ausländer ist von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG n.F. auch nicht dauerhaft ausgeschlossen. Er kann die Nachholung einer Feststellung der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG beantragen und damit auch die nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. nicht durchzuführende Prüfung einleiten, ob Ausschlussgründe nach § 4 Abs. 2 AsylVfG bestehen. Die Gründe, die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a bis d AufenthG a.F. die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ausgeschlossen haben, entsprechen den in Art. 17 Abs. 1 RL 2004/83/EG bzw. Art. 17 Abs. 1 RL 2011/95/EU inhaltsgleich geregelten Gründen, die eine Gewährung subsidiären Schutzes ausschließen und ihrerseits der Sache nach den Ausschlussgründen des § 4 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n.F. entsprechen. Dass Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG eine "schwere Straftat" verlangt, wohingegen § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. eine "Straftat von erheblicher Bedeutung" vorausgesetzt hat, bewirkt lediglich eine redaktionelle Abweichung (vgl. VGH München, Urteil vom 15. Juni 2011 - 19 B 10.2539 - juris Rn. 34; Hailbronner, AuslR, Stand: September 2014, § 25 AufenthG Rn. 74).

23

Ein Antrag auf nachholende Feststellung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ist jedenfalls bei Schutzsuchenden, deren Asylverfahren bis zum 30. November 2013 mit der Feststellung eines Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 AsylVfG abgeschlossen worden war, auch kein Folgeantrag im Sinne des § 71 AsylVfG. Denn bis zum 1. Dezember 2013 gab es im nationalen Recht keinen Antrag auf Feststellung eines eigenständigen, subsidiären Schutzstatus, der erst durch § 4 AsylVfG n.F. in das nationale Recht eingeführt worden ist. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG n.F. kann ein Schutzsuchender auch sein Begehren von Anfang an auf die Gewährung internationalen Schutzes und damit auch auf die Rechtsstellung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beschränken.

24

4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F.

25

a) Einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. steht allerdings nicht schon entgegen, dass für den Kläger ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden ist, nicht ein solches nach nationalem Recht. Auch nach der ab dem 1. Dezember 2013 geltenden Rechtslage wird das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK nicht durch das unionsrechtliche Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt (vgl. - zur Gesetzeslage bis zum 30. November 2013 - BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 34 ff.). Die allgemeine Sperrwirkung der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG stünde der Erteilung des Aufenthaltstitels ebenfalls nicht entgegen; sie ist durch die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG a.F. beseitigt worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris Rn. 10).

26

b) Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. ist hier aber deswegen nicht zu erteilen, weil dem als Ausschlussgrund (§ 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG) entgegensteht, dass der Kläger eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat. Dieser Ausschlussgrund ist durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG a.F. nicht weggefallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris Rn. 10). Die Versagungsgründe des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sind gefahrenunabhängige Ausschlussgründe wegen Unwürdigkeit, keine der Gefahrenabwehr dienende Erteilungssperre.

27

Eine Straftat im Sinne des § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. erfordert ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird (vgl. zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG a.F. - BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 - BVerwGE 144, 127 Rn. 20).

28

Daran gemessen ist die von dem Kläger begangene Straftat eine solche von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG. Nach dem der Verurteilung zugrunde liegenden § 92b Abs. 1 AuslG (i.d.F. vom 28. Oktober 1994, BGBl. I S. 3186) wurde das gewerbs- und bandenmäßige Einschleusen von Ausländern mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. Bereits aus der Höhe der angedrohten Mindest- und Höchststrafe ergibt sich, dass es sich um eine besonders schwerwiegende Straftat handelt. Auch die konkrete Tatverwirklichung durch den Kläger war nach Art und Schwere so gewichtig, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unbillig wäre. Durch die Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe wurde der Strafrahmen zur Hälfte ausgeschöpft. Zudem hatte die Strafkammer wegen der großen Anzahl der einzelnen Taten sowie des Gewichts der von dem Kläger erbrachten Tatbeiträge einen minderschweren Fall nach § 92b Abs. 2 AuslG verneint.

29

Demgegenüber greift der Einwand des Klägers nicht durch, dass die von ihm begangenen Straftaten weit zurückliegen und von ihm keine gegenwärtige Gefahr ausgehe. Der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG ist - anders als der Versagungsgrund nach § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AufenthG a.F. - nicht gefahren- oder präventionsabhängig konzipiert, sondern als dauerhaft wirkender Ausschlusstatbestand (BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris Rn. 10). Im Anschluss an Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/83/EG bezeichnet er Fälle, in denen der Ausländer einer Aufenthaltsgewährung als unwürdig erachtet wird. Diese aus der Begehung einer schweren Straftat folgende "Unwürdigkeit", einen qualifizierten Aufenthaltstitel zu gewähren, besteht auch dann fort, wenn keine Wiederholungsgefahr (mehr) besteht und von dem Ausländer auch sonst keine aktuellen Gefahren für den Aufenthaltsstaat ausgehen (vgl. auch - für die Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c RL 2004/83/EG - der Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 9. November 2010 - C-57/09 und C-101/09 [ECLI:EU:C:2010:661], BRD ./. B. und D. - Rn. 104).

30

5. Der Kläger kann sich schließlich schon deswegen nicht unmittelbar auf Art. 24 Abs. 2 RL 2011/95/EU berufen, weil aus den zu 4. benannten Gründen der Ausschlussgrund der schweren Straftat nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU vorliegt.

31

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt oder vor einem Kind von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen vornimmt, soweit die Tat nicht nach § 176 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 mit Strafe bedroht ist, oder
3.
auf ein Kind durch einen pornographischen Inhalt (§ 11 Absatz 3) oder durch entsprechende Reden einwirkt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach Absatz 1 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.

(3) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 strafbar. Bei Taten nach Absatz 1 Nummer 3 ist der Versuch in den Fällen strafbar, in denen eine Vollendung der Tat allein daran scheitert, dass der Täter irrig annimmt, sein Einwirken beziehe sich auf ein Kind.

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein aus Tschetschenien stammender russischer Staatsangehöriger, erstrebt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Der im September 1978 geborene Kläger reiste nach eigenen Angaben mit seinem Bruder im Jahr 2002 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (damals: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge) - Bundesamt - am 4. November 2002 gab er an, er habe im Mai 2002 gemeinsam mit einem Freund in Tschetschenien zwei Personen erschossen und einen russischen Offizier festgenommen, um seinen bei einer Säuberungsaktion festgenommenen Bruder durch einen Austausch frei zu bekommen. Er sei zur Rettung seines Bruders zum Mörder geworden. Danach seien der Kläger, der freigepresste Bruder und der Freund geflohen und mit Hilfe eines Schleppers nach Deutschland gebracht worden. Er werde nun überall in Russland gesucht.

3

Mit Bescheid vom 25. April 2003 lehnte das Bundesamt den Asylantrag ab, stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Russische Föderation an. Zur Begründung führte es unter anderem aus, der Kläger habe das von ihm vorgetragene Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft gemacht.

4

Mit Urteil vom 15. Juni 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in die Russische Föderation festzustellen und den Bescheid des Bundesamtes aufgehoben, soweit er dem Verpflichtungsausspruch entgegensteht. Hinsichtlich des Asylbegehrens wies es die Klage ab. Gegen das Urteil hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten - Bundesbeauftragter - Berufung eingelegt.

5

In der öffentlichen Sitzung vor dem Oberverwaltungsgericht am 28. November 2008 hat der Kläger persönlich den Vorgang der Tötung von zwei russischen Soldaten und das anschließende Freipressen des Bruders im Einzelnen geschildert (Sitzungsprotokoll S. 2 ff. - Prozessakte Bl. 91 ff.). Danach sei sein einziger Bruder im Frühjahr 2002 von den Russen bei einer Säuberungsaktion festgenommen worden. Er habe einen tschetschenischen Milizionär gefragt, der für die Russen gearbeitet habe, wie er seinen Bruder befreien könne. Der Milizionär habe gesagt, die effektivste Methode sei, einen russischen Offizier zu "fangen" und auszutauschen. Er, der Kläger, habe sich dann bei Widerstandskämpfern erkundigt, wie man so etwas bewerkstelligen könne. Ein Widerstandskämpfer und er hätten sich dann auf Märkten nach den Möglichkeiten umgesehen, einen Offizier zu "fangen". Auf einem Markt in W. habe sich dann eine Gelegenheit geboten. Der Widerstandskämpfer und er hätten zu dem Zeitpunkt eine Waffe des Typs AKM-45 getragen, das sei eine moderne Form der Kalaschnikow. Diese Waffe könne man ganz leicht unter der Jacke verstecken. Auf dem Markt habe man mit versteckten Waffen herumlaufen können. Es sei ein russisches Militärfahrzeug gekommen, aus dem drei Russen ausgestiegen seien, ein Offizier und zwei Soldaten. Sie hätten auf dem Markt einkaufen wollen. Die Soldaten hätten dem Kläger und seinem Begleiter den Rücken zugewandt, als der Begleiter aus einer Entfernung von ca. 5 bis 6 Metern das Feuer eröffnete. Nach dem Widerstandskämpfer habe auch er, der Kläger, geschossen und einen der Soldaten getroffen. Die russischen Soldaten hätten das Feuer erwidert. Sie, der Kläger und sein Begleiter, hätten nicht gewusst, ob die Russen tot seien oder nur verletzt. Er habe keine Tötungsabsicht gehabt, aber die russischen Soldaten außer Gefecht setzen müssen, um seinen Bruder zu befreien. Der russische Offizier habe auch eine Waffe dabei gehabt, sie aber nicht gezogen. Vielmehr sei er wie erstarrt gewesen und habe kaum Widerstand geleistet. Er, der Kläger, und der ihn begleitende Widerstandskämpfer hätten den Offizier dann in den Wald gefahren und ihn dort den Widerstandskämpfern übergeben. Im Juni 2002 habe der Austausch des Offiziers gegen seinen Bruder stattgefunden. Er, der Kläger, sei zu der Stelle mit etwa 10 Widerstandskämpfern und dem russischen Offizier gefahren. Der Austausch sei von den Russen gefilmt worden. Nach der Aktion hätten er und sein Bruder sich versteckt, denn es sei ihnen klar gewesen, dass die Russen nach ihnen suchen würden.

6

Das Oberverwaltungsgericht hat durch Urteil vom 28. November 2008 die Berufung des Bundesbeauftragten zurückgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe die Russische Föderation vorverfolgt verlassen. Ihm habe zum Zeitpunkt seiner Ausreise (Straf-)Verfolgung wegen der Tötung von zwei russischen Soldaten, der Entführung eines russischen Offiziers und der Freipressung seines Bruders aus russischer Haft mit Hilfe tschetschenischer Widerstandskämpfer während des zweiten Tschetschenienkrieges gedroht (UA S. 11). Diese Strafverfolgung habe - jedenfalls auch - politischen Charakter gehabt. Sein Verhalten habe sich aus Sicht der russischen Sicherheitskräfte als Engagement für die tschetschenisch-separatistische Sache dargestellt. Es lägen auch keine stichhaltigen Gründe vor, die eine Verfolgung im Falle seiner heutigen Rückkehr nach Tschetschenien ausschlössen. Zwar habe sich die Situation in Tschetschenien mittlerweile verbessert. Der Kläger gehöre aber zu einer besonders gefährdeten Personengruppe, weil er von Seiten der Sicherheitskräfte mit Mitgliedern der Rebellenorganisation in Zusammenhang gebracht werde. Bei dieser Personengruppe bleibe es bei der in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Vermutungsregel, dass sie bei Rückkehr mit verfolgungsrelevanten Maßnahmen zu rechnen hätte. Dem Kläger stehe auch im übrigen Gebiet der Russischen Föderation keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Vielmehr könne erwartet werden, dass er aufgrund der Beteiligung an der Aktion zur Befreiung seines Bruders und der deshalb bestehenden landesweiten Fahndung auch in anderen Gebieten der Russischen Föderation Verfolgungsmaßnahmen der Staatsgewalt ausgesetzt wäre.

7

Das Berufungsgericht lehnt einen Ausschluss des Klägers von der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ab. Seine Beteiligung an der Tötung der Soldaten stelle kein die Anerkennung ausschließenden Kriegsverbrechen dar, weil sich die Tat gegen Soldaten und nicht gegen die Zivilbevölkerung gerichtet habe. Auch der Ausschlussgrund der schweren nichtpolitischen Straftat gemäß Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift liege nicht vor. Mit "klassischen terroristischen Akten" wie Bombenattentaten gegenüber Zivilpersonen, aber auch staatlichen Hoheitsträgern, insbesondere wenn hierdurch Unbeteiligte einbezogen würden, sowie Geiselnahmen mit Flugzeugentführungen sei die Tötung der beiden russischen Soldaten, an denen der Kläger beteiligt war, nicht vergleichbar (UA S. 29).

8

Mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen rügen das Bundesamt und der Bundesbeauftragte die fehlerhafte Handhabung der Ausschlussgründe. Das Bundesamt wendet sich gegen die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts, Kriegsverbrechen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG könnten nur gegenüber Zivilpersonen begangen werden. Es bezieht sich auf Art. 8 des Römischen Statuts für den Internationalen Strafgerichtshof, wonach nicht nur Angriffe auf die Zivilbevölkerung ein Kriegsverbrechen darstellen können, sondern auch bestimmte Maßnahmen, die sich gegen Kombattanten richten. Hierzu zähle die Anwendung verbotener Methoden der Kriegsführung, z.B. in Gestalt der Heimtücke. Auch der Ausschlusstatbestand der schweren nichtpolitischen Straftat im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG sei nicht auf Verbrechen gegenüber der Zivilbevölkerung beschränkt. Die Schwere der Tat liege hier auf der Hand. Da der Grund für das Handeln des Klägers die Befreiung seines Bruders gewesen sei, habe er die Taten aus persönlichen Gründen durchgeführt. Mithin handele es sich um "nichtpolitische Straftaten".

9

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Zwar finde sich in Art. 8 des Römischen Statuts für den Internationalen Strafgerichtshof eine umfassende Definition des Begriffs "Kriegsverbrechen". Die dort aufgezählten kriminellen Handlungen träfen jedoch auf den Kläger nicht zu. Insbesondere komme hier keine vorsätzliche Tötung in Betracht, weil der Kläger eine vorsätzliche Tatbegehung glaubhaft bestreite. Das Verhalten des Klägers erfülle auch nicht den Tatbestand einer schweren nichtpolitischen Straftat. Er habe mit seiner Tat keine politischen oder gar terroristischen Zwecke verfolgt, sich auch nicht mit den Zielen der tschetschenischen Widerstandskämpfer identifiziert. Sein Handeln habe vielmehr Einzelfallcharakter gehabt und ausschließlich dem Zweck gedient, seinen Bruder aus der russischen Gefangenschaft zu befreien. Schließlich setze der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung voraus, dass von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehe, was nicht der Fall sei. Aber selbst wenn hier vom Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes für die Flüchtlingseigenschaft auszugehen sei, stünde dem Kläger ein Anspruch auf Asyl nach dem deutschen Verfassungsrecht zu.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hat sich an dem Verfahren beteiligt. Nach dessen Auffassung hat der Kläger den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG durch Begehung eines Kriegsverbrechens erfüllt. Das Kriegsverbrechen liege in einer meuchlerischen Tötung der zwei Soldaten und in der Geiselnahme des Offiziers.

Entscheidungsgründe

11

Die Revisionen der Beklagten und des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten - Bundesbeauftragter - haben Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unter Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) bejaht. Zwar ist seine Würdigung, bei dem aus individuellen Gründen als vorverfolgt anzusehenden Kläger sprächen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass er bei Rückkehr nach Tschetschenien nicht erneut von solcher Verfolgung bedroht werde und auch keine Möglichkeit internen Schutzes in anderen Regionen der Russischen Föderation bestehe, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden (1.). Das Berufungsgericht hat aber das Vorliegen der Ausschlussgründe des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG (2.) und des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG (3.) mit einer Begründung verneint, die einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhält. Da der Senat über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend selbst entscheiden kann, ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

12

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise - für den Fall der Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft - auf Feststellung eines gemeinschaftsrechtlichen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 ff. AufenthG, weiter hilfsweise eines nationalen Abschiebungsverbots nach vorgenannten Vorschriften. Hingegen ist über die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG nicht mehr zu befinden, denn insoweit hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. Juni 2005 das Asylbegehren des Klägers rechtskräftig abgewiesen.

13

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Begehrens auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 1 und 4 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl I S. 1798) sowie § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162). Die in diesen Bekanntmachungen berücksichtigten Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz -, die am 28. August 2007 in Kraft getreten sind, hat das Oberverwaltungsgericht gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG zu Recht der am 28. November 2008 ergangenen Berufungsentscheidung zugrunde gelegt.

14

1. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf in Anwendung dieses Abkommens ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, sind Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12) - sog. Qualifikationsrichtlinie - ergänzend anzuwenden (§ 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG).

15

Die Begründung, auf die das Berufungsgericht seine Prognose einer dem Kläger drohenden Verfolgungsgefahr im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG stützt, hält der revisionsgerichtlichen Nachprüfung stand.

16

a) Nach den von der Beklagten und dem Bundesbeauftragten nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist (§ 137 Abs. 2 VwGO), drohte dem Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise Verfolgung wegen der Tötung von zwei russischen Soldaten, der Entführung eines russischen Offiziers und der Freipressung seines Bruders während des zweiten Tschetschenienkrieges.

17

Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die dem Kläger drohende Strafverfolgung über die Ahndung kriminellen Unrechts hinausgegangen wäre. Bei Strafprozessen gegen angebliche Terroristen aus dem Nordkaukasus - vor allem Tschetschenen - seien in zahlreichen Fällen hohe Haftstrafen aufgrund von unter Folter erlangten Geständnissen verhängt worden. Dem Kläger habe unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung gedroht, weil er aufgrund der durchgeführten Aktion für die russischen Sicherheitskräfte im Verdacht gestanden habe, die politischen Ansichten des tschetschenischen Widerstands zu teilen und mit Waffengewalt zu unterstützen. Damit hat das Berufungsgericht den Tatbestand einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG festgestellt. Die Verfolgung ging dabei von russischen Sicherheitskräften und somit unmittelbar vom Staat aus (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a AufenthG i.V.m. Art. 6 Buchst. a der Richtlinie).

18

b) § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG setzt des Weiteren voraus, dass die geschützten Rechtsgüter wegen der Rasse des Ausländers, seiner Religion, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sind. Auch gemeinschaftsrechtlich ist eine Verfolgungshandlung für die Flüchtlingsanerkennung nur dann relevant, wenn sie an einen der in Art. 10 der Richtlinie 2004/83/EG genannten Verfolgungsgründe anknüpft (Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie). Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe reicht es aus, wenn diese Merkmale dem Antragsteller von seinem Verfolger lediglich zugeschrieben werden (Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie).

19

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts knüpfte die dem Kläger drohende individuelle Verfolgung an seine tschetschenische Volkszugehörigkeit in Verbindung mit der "mit Hilfe tschetschenischer Widerstandskämpfer" durchgeführten "Freipressung seines Bruders aus russischer Haft" an, was sich aus Sicht der russischen Sicherheitskräfte als Engagement für die tschetschenisch-separatistische Sache dargestellt habe. Darin liegt eine Kombination der Verfolgungsgründe der Nationalität und der - zumindest zugeschriebenen - politischen Überzeugung.

20

c) Die vom Berufungsgericht für den Kläger gestellte Verfolgungsprognose ist als in erster Linie tatrichterliche Würdigung revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

21

Dem Kläger, der bei Verlassen seines Herkunftslandes unmittelbar von Verfolgung bedroht war, kommt die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG zugute. Nach dieser Bestimmung ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung bedroht wird.

22

Zur Überzeugung des Berufungsgerichts sprechen keine stichhaltigen Gründe dagegen, dass der Kläger bei Rückkehr nach Tschetschenien oder in andere Regionen der Russischen Föderation erneut von staatlicher Verfolgung durch die russischen Sicherheitskräfte bedroht wird. Dieser Prognose liegt die Annahme des Oberverwaltungsgerichts zugrunde, dass der Kläger auch weiterhin einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sei und nach ihm landesweit gefahndet werde. Gegen diese Prognose ist revisionsgerichtlich nichts zu erinnern.

23

d) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, dass dem Kläger keine Möglichkeit internen Schutzes in anderen Regionen der Russischen Föderation offen steht. Auch diese Würdigung begegnet keinen Bedenken.

24

2. Ein Ausländer ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG nicht Flüchtling, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG). Dies gilt auch für Ausländer, die andere zu derartigen Straftaten angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG).

25

Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht, weil es davon ausgeht, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG nur dann erfüllt sind, wenn sich eines der in der Vorschrift genannten Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung richtet. Dies trifft jedenfalls für ein hier allein in Betracht kommendes Kriegsverbrechen nicht zu. Der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG kann auch dann erfüllt sein, wenn ein Soldat Opfer eines Kriegsverbrechens ist.

26

§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG verweist zur Definition der Tatbestandsmerkmale Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf "internationale Vertragswerke, die ausgearbeitet wurden, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen". Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 31) ausgeführt hat, bestimmt sich die Frage, ob Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylVfG vorliegen, gegenwärtig in erster Linie nach den im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998 (BGBl 2000 II S. 1394, nachfolgend: IStGH-Statut) ausgeformten Tatbeständen dieser Delikte. Denn darin manifestiert sich der aktuelle Stand der völkerstrafrechtlichen Entwicklung bei Verstößen gegen das Humanitäre Völkerrecht.

27

In Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut werden Kriegsverbrechen differenzierend zwischen Taten in internationalen (Buchst. a und b) und innerstaatlichen (Buchst. c bis f) bewaffneten Konflikten definiert. Für den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt knüpft Buchst. c an schwere Verstöße gegen den gemeinsamen Art. 3 der vier Genfer Konventionen über den Schutz der Opfer bewaffneter Konflikte vom 12. August 1949 an. Er stellt u.a. Angriffe auf Leib und Leben sowie die Geiselnahme von Personen unter Strafe, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Angehörigen der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder eine andere Ursache außer Gefecht befindlich sind. Die Vorschrift wertet danach auch Handlungen als Kriegsverbrechen, die gegen Soldaten gerichtet sind. Buchst. e erfasst andere schwere Verstöße gegen die innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts anwendbaren Gesetze und Gebräuche im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. So erstreckt sich Buchst. e Nr. IX - XI auf den Schutz gegnerischer Kombattanten im Falle meuchlerischer Tötung oder Verwundung, der Erklärung, dass kein Pardon gegeben wird sowie der körperlichen Verstümmelung von Personen, die sich in der Gewalt einer anderen Konfliktpartei befinden.

28

Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob die Voraussetzungen der in Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut geregelten Tatbestände erfüllt sind, bei denen sich ein Kriegsverbrechen auch gegen einen Soldaten richten kann. Mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen kann der Senat nicht abschließend selbst entscheiden, ob dem Kläger ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung zusteht. Deshalb ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird das Berufungsgericht folgende Gesichtspunkte zu beachten haben:

29

a) Im vorliegenden Fall liegt es nahe, von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen. Art. 8 Abs. 2 Buchst. d und f IStGH-Statut grenzen innerstaatliche bewaffnete Konflikte ab gegenüber Fällen innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulten, vereinzelt auftretenden Gewalttaten oder anderen ähnlichen Handlungen. Buchst. f setzt zudem voraus, dass zwischen staatlichen Behörden und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt besteht. Diese Regelungen markieren die untere völkerrechtliche Relevanzschwelle für einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. Verlangt wird ein gewisses Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit des Konflikts, um den Eingriff in die Souveränität des betroffenen Staates zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 24. November 2009 a.a.O. Rn. 33 m.w.N.). Das Berufungsgericht hat nicht ausdrücklich festgestellt, dass der zweite Tschetschenienkrieg die Merkmale eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erfüllt. Es spricht in dem angefochtenen Urteil von "Kriegsgeschehen", allerdings ohne diesen Tatsachenbegriff unter die völkerrechtlichen Kriterien des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu subsumieren. Die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts liegt aber, jedenfalls für den hier maßgeblichen Zeitraum, nahe und wurde von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat geteilt.

30

b) Der Umstand, dass der Kläger als Zivilperson anzusehen sein dürfte, schließt nicht aus, dass er Täter eines Kriegsverbrechens nach Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut sein kann. Zwar hat das Berufungsgericht ausgeführt, der Kläger habe "im Rahmen des zweiten Tschetschenienkrieges an der Seite der Tschetschenen gegen die russische Besatzungsmacht gekämpft, indem er an der Entführung eines russischen Offiziers und der Freipressung seines Bruders aus russischer Haft maßgeblich beteiligt war" (UA S. 9). Dies bedeutet bei verständiger Würdigung aber nur, dass der Kläger gemeinsam mit tschetschenischen Widerstandskämpfern die Aktion zur Freipressung seines Bruders durchgeführt hat. Hingegen ist den genannten Ausführungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen, dass damit - entgegen den Angaben des Klägers - seine Eigenschaft als Kämpfer festgestellt werden sollte. Dies würde im Übrigen seine Zugehörigkeit zum administrativen Apparat einer Konfliktpartei und die Wahrnehmung einer "continuous combat function" für diese voraussetzen (vgl. International Committee of the Red Cross, Interpretive Guidance on the Notion of Direct Participation in Hostilities under International Humanitarian Law, Genf 2009, S. 27, 33, 35 - http://www.icrc.org/Web/eng/siteeng0.nsf/htmlall/direct-participatio n-report_res/$File/direct-participation-guidance-2009-icrc.pdf ). Dafür bestehen keine Anhaltspunkte.

31

Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut definiert nur, welche Handlungen Kriegsverbrechen darstellen und wer geeignetes Opfer sein kann, grenzt jedoch den Täterkreis selbst nicht ein. Nach der Rechtsprechung internationaler Strafgerichtshöfe und nach der völkerstrafrechtlichen Literatur kann grundsätzlich auch eine Zivilperson Täter eines Kriegsverbrechens sein, nicht nur ein Kämpfer der sich gegenüberstehenden Konfliktparteien. Es muss aber ein funktionaler Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt bestehen ("sufficient nexus" - vgl. Werle, Völkerstrafrecht, 2. Aufl. 2007, Rn. 971 ff.; Ambos, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 6/2, 2009, vor §§ 8 ff. VStGB Rn. 37 sowie Zimmermann/Geiß, a.a.O. § 8 VStGB Rn. 111 ff.; Ruanda-Strafgerichtshof ICTR, Urteil vom 26. Mai 2003, Procecutor v. Rutaganda , ICTR-96-3-A, Rn. 569 f. - http://www.ictr.org/ENGLISH/cases/Rutaganda /decisions/030526%20XII.htm; Jugoslawien-Strafgerichtshof ICTY, Urteil vom 25. Juni 1999, Aleksovski , Nr. IT-95-14/1-T, Rn. 45 - http://www.icty.org/x/cases/aleksovski/tjug/en/ale-tj990625e.pdf ).

32

Der funktionale Zusammenhang erfordert eine Verbindung zwischen der Tat und dem bewaffneten Konflikt, nicht zwischen dem Täter und einer der Konfliktparteien. Eine Verbindung des Täters zu einer der Konfliktparteien ist zwar ein Indiz für den funktionalen Zusammenhang zwischen Tat und Konflikt, aber keine zwingende Voraussetzung. Das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts muss für die Fähigkeit des Täters, das Verbrechen zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung, für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung sein (vgl. Werle, a.a.O. Rn. 972 m.w.N.). Für einen funktionalen Zusammenhang spricht es, wenn bestimmte Taten unter Ausnutzung der durch den bewaffneten Konflikt geschaffenen Situation begangen werden. Dies gilt aber nicht für Taten, die nur bei Gelegenheit des gleichzeitigen bewaffneten Konflikts und unabhängig von diesem begangen werden. Zu prüfen ist insoweit, ob die Tat in Friedenszeiten ebenso hätte begangen werden können oder ob die Situation des bewaffneten Konflikts die Tatbegehung erleichtert und die Opfersituation verschlechtert hat. Die persönliche Motivation des Täters ist unerheblich: Auch wer z.B. als Wachsoldat einen Kriegsgefangenen aus Eifersucht tötet, nutzt die besondere Situation des bewaffneten Konflikts aus und begeht deshalb ein Kriegsverbrechen (so Ambos, a.a.O. Rn. 35 m.w.N.; vgl. hierzu auch Zimmermann/Geiß, a.a.O. Rn. 111 - 118; Cottier, in: Triffterer, Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court, 2. Aufl. 2008, Art. 8, S. 293 Rn. 6).

33

Im vorliegenden Fall spricht nach dem eigenen Vorbringen des Klägers viel dafür, dass der notwendige Zusammenhang zwischen Tat und Konflikt vorliegt. Dem funktionalen Zusammenhang steht auch nicht entgegen, dass die Aktion abseits vom allgemeinen Kampfgeschehen auf einem Markt durchgeführt wurde. Denn die Aktion richtete sich bei Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts gegen eine der Konfliktparteien. Sie wurde mit Hilfe der gegnerischen Konfliktpartei realisiert. Auslöser der Tat war die Gefangennahme des Bruders des Klägers durch die russischen Streitkräfte im Rahmen des bewaffneten Konflikts. Damit sprechen mehrere Gesichtspunkte dafür, dass hier ein hinreichender Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt vorliegt. Die persönliche Motivation des Klägers, seinen Bruder aus russischer Haft zu befreien, steht dem nicht entgegen, da die spezifische Gefährdungssituation des bewaffneten Konflikts die Tat erst ermöglicht hat. Die Beteiligung des Klägers an der Tötung der russischen Soldaten wäre danach grundsätzlich geeignet, ein Kriegsverbrechen im Sinne von Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut darzustellen. Die abschließende Gesamtwürdigung dieser Frage obliegt aber dem Tatrichter; sie wird vom Berufungsgericht vorzunehmen sein.

34

c) Die beiden getöteten russischen Soldaten und der gefangen genommene russische Offizier kommen als Opfer eines Kriegsverbrechens nach Art. 8 Abs. 2 IStGH-Statut in Betracht.

35

aa) Entgegen der vom Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht geäußerten Auffassung liegt allerdings die Annahme eines Kriegsverbrechens durch Geiselnahme des russischen Offiziers nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. c Nr. III IStGH-Statut eher fern. Danach kann die Geiselnahme von Zivilpersonen sowie solchen Angehörigen der Streitkräfte ein Kriegsverbrechen darstellen, die die Waffen gestreckt haben oder außer Gefecht befindlich sind. Legt man das Vorbringen des Klägers zugrunde, der im vorliegenden Verfahren bisher einzigen Quelle für den Ablauf der Gefangennahme des russischen Offiziers, so wurde dieser nicht zu einem Zeitpunkt als Geisel für die Freipressung des Bruders des Klägers genommen, als er sich ergeben und die Waffen gestreckt hatte. Vielmehr wurde der Angriff auf ihn mit dem Ziel seiner Geiselnahme bereits zu einem Zeitpunkt durchgeführt, als er noch bewaffnet war und die beiden ihn begleitenden russischen Soldaten den Angriff mit Waffengewalt erwiderten. Eine Person streckt die Waffen nur dann, wenn sie aufhört zu kämpfen und die Absicht signalisiert, die Kampfhandlungen einzustellen, insbesondere durch Aufgabe der Kontrolle über ihre Waffen (vgl. Werle, a.a.O. Rn. 1006). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Offizier vor der Gefangennahme seine Waffe abgelegt oder ausdrücklich oder konkludent erklärt hat, sich zu ergeben. Aus dem Umstand, dass er nach den Angaben des Klägers "wie erstarrt" war und "kaum Widerstand geleistet" hat, dürfte dies jedenfalls nicht zu entnehmen sein. Vielmehr dürfte er zum Zeitpunkt seiner Geiselnahme noch Kombattant gewesen sein. Ebenso dürfte eine vorsätzliche Tötung der beiden Soldaten im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. c Nr. I IStGH-Statut fernliegen, da nicht ersichtlich ist, dass sie die Waffen gestreckt hatten bzw. außer Gefecht waren.

36

bb) Näherer Prüfung durch das Berufungsgericht bedarf der Tatbestand der meuchlerischen Tötung der beiden russischen Soldaten nach Art. 8 Abs. 2 Buchst. e Nr. IX IStGH-Statut.

37

Die meuchlerische Tötung und Verwundung feindlicher Kombattanten (sog. Perfidieverbot) wird seit der Verabschiedung von Art. 23 Buchst. b der Haager Landkriegsordnung von 1907 (RGBl 1910, 132) als Kriegsverbrechen angesehen (vgl. BTDrucks 14/8524, S. 34 f.). Während dieses Kriegsverbrechen im internationalen bewaffneten Konflikt auch gegenüber Zivilpersonen begangen werden kann (vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchst. b Nr. XI IStGH-Statut), sind taugliche Opfer im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt nur Kämpfer der gegnerischen Partei (Art. 8 Abs. 2 Buchst. e Nr. IX IStGH-Statut, vgl. auch Werle, a.a.O. Rn. 1184). Diese Voraussetzung liegt hier vor: Die beiden Personen, an deren Tötung der Kläger beteiligt war, waren russische Soldaten. Im Einzelfall sind verbotene Perfidie und erlaubte Kriegslist schwer voneinander abzugrenzen (vgl. Bothe, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 4. Aufl. 2007, 8. Abschn. Rn. 71; Cottier, a.a.O. S. 385 Rn. 117).

38

Zur näheren Bestimmung der Voraussetzungen der "meuchlerischen Tötung" kann auf das Verbot der Heimtücke im internationalen bewaffneten Konflikt nach Art. 37 Abs. 1 des am 8. Juni 1977 unterzeichneten Zusatzprotokolls I zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Zusatzprotokoll I - BGBl 1990 II S. 1551) zurückgegriffen werden, das auch für den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt gilt. Diese Bestimmung lautet:

"Art. 37 Verbot der Heimtücke

(1) Es ist verboten, einen Gegner unter Anwendung von Heimtücke zu töten, zu verwunden oder gefangen zu nehmen. Als Heimtücke gelten Handlungen, durch die ein Gegner in der Absicht, sein Vertrauen zu missbrauchen, verleitet wird, darauf zu vertrauen, dass er nach den Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts Anspruch auf Schutz hat oder verpflichtet ist, Schutz zu gewähren. Folgende Handlungen sind Beispiele für Heimtücke:

a) das Vortäuschen der Absicht, unter einer Parlamentärflagge zu verhandeln oder sich zu ergeben;

b) das Vortäuschen von Kampfunfähigkeit infolge Verwundung oder Krankheit;

c) das Vortäuschen eines zivilen oder Nichtkombattantenstatus;

d) das Vortäuschen eines geschützten Status durch Benutzung von Abzeichen, Emblemen oder Uniformen der Vereinten Nationen oder neutraler oder anderer nicht am Konflikt beteiligter Staaten."

39

Völkerrechtswidrig ist danach nicht jede Irreführung des Gegners, sondern nur die Ausnutzung eines durch spezifische - insbesondere in Art. 37 Abs. 1 Zusatzprotokoll I beschriebene - Handlungen geschaffenen Vertrauenstatbestandes (vgl. Werle, a.a.O. Rn. 1181). Entscheidend ist, dass der Täter den Gegner gerade über das Bestehen einer völkerrechtlichen Schutzlage getäuscht hat. Das gilt auch im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. Denn nach den auf der Grundlage von Art. 9 des IStGH-Statuts beschlossenen Auslegungshilfen ("Verbrechenselemente") zu Art. 8 Abs. 2 Buchst. e Nr. IX (vgl. Internationaler Strafgerichtshof : Elements of Crimes - Erläuterung zu Art. 8 Abs. 2 Buchst. e Nr. IX - http://www.icc-cpi.int/NR/rdonlyres/9CAEE830-38CF-41D6-AB0B-68E5F908 2543/0/Element_of_Crimes_English.pdf ) gelten als Heimtücke im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt Handlungen, durch die ein Gegner in der Absicht, sein Vertrauen zu missbrauchen, verleitet wird, darauf zu vertrauen, dass er nach den Regeln des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts Anspruch auf Schutz hat oder verpflichtet ist, Schutz zu gewähren. Für die im vorliegenden Fall in Betracht kommende letztere Variante muss der Täter dem Opfer vorgetäuscht haben, dass es nach dem im Konflikt anwendbaren Völkerrecht verpflichtet sei, einen Schutzanspruch des Täters zu achten. Untersagt ist also nicht jede Irreführung des Gegners, sondern nur die Ausnutzung eines durch spezifische, völkerrechtswidrige Handlungen erschlichenen Vertrauens. Dieser kriegsvölkerrechtliche Heimtückebegriff ist daher nicht mit dem Merkmal der Heimtücke in § 211 Abs. 2 StGB gleichzusetzen (vgl. BTDrucks 14/8524, S. 34 f. zu § 11 Abs. 1 Nr. 7 Völkerstrafgesetzbuch).

40

Allerdings ist für den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zu berücksichtigen, dass es für Guerilla- bzw. Widerstandskämpfer keine völkerrechtliche Pflicht zum Tragen einer Uniform gibt. Mithin ist der Tatbestand des Vortäuschens eines zivilen oder Nichtkombattantenstatus nur unter besonderen Voraussetzungen erfüllt. Für Widerstandskämpfer im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt besteht jedoch die Pflicht zum offenen Tragen der Waffe als Unterscheidungsmerkmal zwischen Kämpfern und Zivilpersonen. Das lässt sich aus der Vorschrift des Art. 44 Abs. 3 Zusatzprotokoll I ableiten, wonach Kombattanten nicht gegen das Verbot perfiden Verhaltens verstoßen, wenn sie ihre Waffen bei jeder militärischen Handlung einschließlich der Vorbereitung von Angriffen offen tragen. Diese Wertung ist auch für die Anwendung des Perfidieverbots im innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zu berücksichtigen (vgl. Werle, a.a.O. Rn. 1185).

41

Im vorliegenden Fall bedarf es der Ermittlung der näheren Tatumstände durch das Berufungsgericht zur Klärung der Frage, ob der Kläger heimtückisch im Sinne von Art. 8 Abs. 2 Buchst. e Nr. IX IStGH-Statut handelte. Dafür könnte sprechen, dass nicht nur der Kläger, sondern auch der ihn begleitende Widerstandskämpfer den Angriff auf die russischen Soldaten wohl in Zivilkleidung mit zunächst verborgenen Waffen vorbereitete. Insoweit fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Es kommt in Betracht, dass der Widerstandskämpfer gegen die Pflicht verstoßen hat, die Waffen offen zu tragen. Legt man ein mittäterschaftliches Vorgehen zugrunde, könnte dem Kläger ein heimtückisches Verhalten des Widerstandskämpfers zugerechnet werden (vgl. Art. 25 Abs. 3 Buchst. a IStGH-Statut). Es käme aber auch ein eigenes heimtückisches Vorgehen des Klägers in Betracht, wenn die Voraussetzung erfüllt wäre, dass er unmittelbar an den Feindseligkeiten teilgenommen (vgl. hierzu Art. 13 Abs. 3 Zusatzprotokoll II) und dies nicht durch offenes Tragen der Waffen oder auf andere Weise zu erkennen gegeben hätte. Dann hätte er selbst darüber getäuscht, dass er im betreffenden Zeitpunkt keinen Schutz genoss und daher gezielt hätte angegriffen werden dürfen (vgl. die Auslegungshilfe des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes vom Mai 2009 zum Begriff der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten: ICRC, Interpretive Guidance of the Notion of Direct Participation in Hostilities under International Humanitarian Law, Genf 2009 a.a.O. insbes. S. 85). Durch das verdeckte Tragen der Waffen könnten die russischen Soldaten darüber getäuscht worden sein, dass sie von dem Widerstandskämpfer und dem mit ihm zusammenwirkenden Kläger keinen Angriff zu erwarten hatten und sie deshalb die beiden Personen nicht angreifen durften. Dass die Soldaten dem Kläger und seinem Begleiter Vertrauen entgegen brachten, kann möglicherweise daraus abgeleitet werden, dass sie ihnen nach Angaben des Klägers den Rücken zuwandten, als sie von deren Schüssen getroffen wurden.

42

Weiter wird festzustellen sein, ob vorsätzliches und wissentliches Verhalten im Sinne von Art. 30 IStGH-Statut gegeben ist. Das liegt nach dem eigenen Vorbringen des Klägers insofern nahe, als er mit einer Schusswaffe, die er als "moderne Form der Kalaschnikow" bezeichnet, gezielt auf die Soldaten aus einer Entfernung von 5 bis 6 Metern geschossen hat. Zudem hat er im Rahmen seiner Anhörung durch das Bundesamt die Frage bejaht, ob er zur Rettung seines Bruders "zum Mörder geworden" sei, was gegen ein bloß fahrlässiges Handeln spricht.

43

Soweit der Kläger sich auf Strafausschließungsgründe beruft, sind diese am Maßstab von Art. 31 Abs. 1 IStGH-Statut zu prüfen. Dabei spricht nach den bisherigen Feststellungen wenig für das Vorliegen derartiger Gründe. Zwar verfolgte der Kläger nach eigenen Angaben das Ziel, seinen Bruder aus einer als unrechtmäßig angesehenen Inhaftierung zu befreien, in deren Verlauf er Übergriffe bis hin zu Folter befürchtete. Zweifelhaft erscheint aber, ob der Kläger im Sinne der genannten Vorschrift in angemessener Weise gehandelt und seinen Bruder vor einer diesem unmittelbar drohenden und rechtswidrigen Anwendung von Gewalt in einer Weise verteidigt hat, die in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der seinem Bruder drohenden Gefahr stand. Dies kann indessen aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.

44

3. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht auch deshalb, weil es den Ausschlussgrund der schweren nichtpolitischen Straftat (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG) auf zu schmaler Tatsachengrundlage verneint. Es qualifiziert die Tat des Klägers der Sache nach als politische, ohne das Vorliegen einer politischen Motivation auf hinreichender Tatsachengrundlage festzustellen.

45

Der Kläger ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG nicht Flüchtling, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden. Dies gilt auch im Fall der Beteiligung an derartigen Straftaten (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG). Art. 1 F Buchst. b GFK, auf den dieser Ausschlussgrund zurückzuführen ist, dient - wie bereits im Urteil des Senats vom 24. November 2009 näher ausgeführt (BVerwG 10 C 24.08 a.a.O. Rn. 25-41) - dem Ausschluss "gemeiner Straftäter". Diesen wollte man den Schutz der Konvention vorenthalten, um aus Akzeptanzgründen den Status eines "bona fide" Flüchtlings nicht in Misskredit zu bringen. Daher rechtfertigt nicht jedes kriminelle Handeln des Schutzsuchenden vor seiner Einreise einen Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung. Erforderlich ist vielmehr eine schwere nichtpolitische Straftat.

46

a) Es spricht nach den bisherigen Feststellungen viel dafür, dass der Kläger eine schwere Straftat im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG begangen hat.

47

Ob einer Straftat das von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG geforderte Gewicht zukommt, bestimmt sich nach internationalen und nicht nach nationalen Maßstäben (vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, 1979, Nr. 155). Es muss sich um ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat handeln, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger an der Tötung von zwei russischen Soldaten und der Entführung eines Offiziers beteiligt war (UA S. 3, 29 und 27). Dies sind schwere Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG, wenn der Täter dazu - wie hier - nicht durch einen Kombattantenstatus legitimiert ist. Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn der Kläger nicht vorsätzlich gehandelt hätte oder sich auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe berufen könnte, was nach den bisher getroffenen Feststellungen (vgl. oben 2 c) bb) aber eher fern liegt.

48

b) Ob die vom Kläger begangene Tat eine nichtpolitische war, ist nach dem Delikttypus sowie den der konkreten Tat zugrunde liegenden Motiven und den mit ihr verfolgten Zielen zu beurteilen. Nichtpolitisch ist eine Tat, wenn sie überwiegend aus anderen Motiven, etwa aus persönlichen Beweggründen oder Gewinnstreben begangen wird (UNHCR a.a.O. Nr. 152). Besteht keine eindeutige Verbindung zwischen dem Verbrechen und dem angeblichen politischen Ziel oder ist die betreffende Handlung in Bezug zum behaupteten politischen Ziel unverhältnismäßig, überwiegen nichtpolitische Beweggründe und kennzeichnen die Tat damit insgesamt als nichtpolitisch (vgl. Urteil vom 24. November 2009 - BVerwG 10 C 24.08 - a.a.O. Rn. 42).

49

Das Berufungsgericht stuft die vom Kläger begangenen Straftaten der Sache nach als politische ein, indem es sie im Zusammenhang mit politisch motivierten Gewalttaten erörtert, dann aber gegen "klassische terroristische Akte" abgrenzt, weil sie mit solchen Verbrechen nicht vergleichbar seien. Die Bewertung als politische Straftaten erfolgt aber auf zu schmaler Tatsachengrundlage. Insbesondere berücksichtigt das Berufungsgericht nicht, dass der Beweggrund des Klägers für die Tötung der beiden Soldaten und die Geiselnahme des Offiziers - wie vom Berufungsgericht festgestellt (UA S. 11) - in der Befreiung seines Bruders aus der russischen Gefangenschaft lag. Nach eigenen Angaben des Klägers war dies sogar der ausschließliche Zweck seines Handelns. Er verfolgte insoweit ein persönliches und kein politisches Ziel. Für die politische Qualität der Straftat genügt nicht, dass sie sich aus der Sicht der russischen Sicherheitskräfte als Engagement des Klägers für die "tschetschenisch-separatistische Sache" darstellte (UA S. 11). Vielmehr kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Motivation des Klägers an. Eine politische Motivation des Klägers kann wohl nicht aus den bereits erwähnten Ausführungen des Berufungsgerichts abgeleitet werden, der Kläger habe "im Rahmen des zweiten Tschetschenienkrieges an der Seite der Tschetschenen und gegen die russische Besatzungsmacht gekämpft, indem er an der Entführung eines russischen Offiziers und der Freipressung seines Bruders aus russischer Haft maßgeblich beteiligt war" (UA S. 9). Dem ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger Widerstandskämpfer war und die Aktion den Zielen des tschetschenischen Widerstands dienen sollte (vgl. oben 2 b). Im Übrigen hat der Kläger angegeben, dass er nicht Mitglied der Widerstandskämpfer war. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Bevollmächtigte des Klägers zudem hervorgehoben, dass sich sein Mandant nicht mit den Zielen des tschetschenischen Widerstands identifiziert, sondern lediglich eine Einzelaktion mit deren Unterstützung durchgeführt habe. Die Bewertung, welche Motive für die Straftaten des Klägers letztlich maßgeblich waren und ob dabei persönliche oder politische Gründe im Vordergrund standen, ist jedoch eine tatrichterliche Aufgabe, die das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache unter Beachtung der Hinweise des Senats erneut vorzunehmen hat.

50

Das Berufungsgericht wird bei seiner Entscheidung auch zu berücksichtigen haben, dass die möglichen weiteren Voraussetzungen für das Eingreifen dieses Ausschlussgrundes (Wiederholungsgefahr, Verhältnismäßigkeitsprüfung), die sich aus Art. 12 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG ergeben, aufgrund der Vorlageentscheidungen des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Union derzeit als europarechtlich klärungsbedürftig anzusehen sind (vgl. Beschlüsse vom 14. Oktober 2008 - BVerwG 10 C 48.07 - BVerwGE 132, 79 ff. und vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 46.07 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- und Asylrecht Nr. 24). Sollte sich für seine erneute Entscheidung eine europarechtliche Zweifelsfrage in entscheidungserheblicher Weise stellen wird es prüfen müssen, ob es das Verfahren im Hinblick auf die bereits anhängigen Vorabentscheidungsverfahren aussetzt.

51

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage der Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, dass für ihn ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. (hinsichtlich Sri Lanka) vorliegt.

2

Der 1976 geborene Kläger ist srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit. Er reiste 1995 in das Bundesgebiet ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge erkannte den Kläger mit Bescheid vom 19. März 1998 als Asylberechtigten an und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Herkunftsstaates vorliegen. Im Jahr 1998 erhielt der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

3

Der Kläger ist vielfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. Im November 2000 war er wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, aufgrund derer sich der Kläger bis zum April 2003 in Haft befand. Daraufhin war der Kläger mit Verfügung des Regierungspräsidiums vom 17. April 2002 aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 12. Juli 2005 wurde die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, widerrufen. Zugleich wurde festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Nachdem das Verwaltungsgericht die hiergegen erhobene Klage abgewiesen hatte, verpflichtete der Verwaltungsgerichtshof die Beigeladene mit Urteil vom 21. April 2009, festzustellen, dass bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG vorliegt. Dem kam das Bundesamt nach und stellte mit Bescheid vom 9. Juli 2009 das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG fest.

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Im April 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, hilfsweise eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, zu erteilen. Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger mit Verfügung vom 23. April 2012 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, die seitdem fortlaufend verlängert wurde.

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Im August 2012 bat die Beklagte das Bundesamt gemäß § 72 Abs. 2 AufenthG um Mitteilung, ob der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG vorliegt. Dies wurde vom Bundesamt bejaht.

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Mit Verfügung vom 11. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG ab, weil der Kläger eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen habe und daher ein Ausschlussgrund vorliege. Den vom Kläger eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium zurück.

7

Der hiergegen erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG liege nicht vor. Die gewerbs- und bandenmäßige Schleusertätigkeit des Klägers sei nicht mehr geeignet, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung zu tangieren.

8

Der Verwaltungsgerichtshof hat das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. ausgeschlossen, da diese Regelung zum 1. Dezember 2013 außer Kraft getreten sei. Nach neuem Recht gebe es für einen Ausländer, für den ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden sei, keine Anspruchsgrundlage mehr für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. scheide als Rechtsgrundlage bereits tatbestandlich aus, weil diese Regelung das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG und damit eines nationalen Abschiebungshindernisses voraussetze, das vom Bundesamt festzustellen wäre. Eine solche Feststellung sei nicht bereits in dem hier durch das Bundesamt festgestellten Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. enthalten. Eine der früheren Regelung des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. entsprechende Anspruchsgrundlage sei nicht mehr gegeben. Eine solche stelle auch § 25 Abs. 2 AufenthG n.F. nicht dar. Diese Bestimmung setze voraus, dass das Bundesamt dem Ausländer den Flüchtlingsstatus im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder den subsidiären Schutzstatus im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG zuerkannt habe. Das bei dem Kläger festgestellte Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. sei dem subsidiären Schutzstatus im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG materiell nicht gleichzusetzen. Auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Übergangsregelung des § 104 Abs. 9 AufenthG seien nicht erfüllt, da der Kläger im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. gewesen sei. Eine Übergangsregelung für noch nicht abgeschlossene Verfahren, in denen ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung streitig sei, enthalte das Gesetz nicht. Dies begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da die Neuregelung lediglich verfahrensrechtliche Konsequenzen und keinen Eingriff in materielle Rechtspositionen zur Folge habe. Denn Ausländer, zu deren Gunsten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG a.F. festgestellt worden seien, könnten die Nachholung einer Statusentscheidung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beim Bundesamt beantragen. Die Würdigung des Klageziels ergebe, dass es dem Kläger bei Klageerhebung um die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem beliebig zukünftigen Zeitpunkt gegangen sei, weshalb ausschließlich neues Recht zur Anwendung komme. Die hilfsweise gestellten Anträge auf rückwirkende Erteilung seien unzulässig, da es sich insoweit um unzulässige Klageerweiterungen handele. Da der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises keinen Fortsetzungsfeststellungsantrag gestellt habe, könne offenbleiben, ob er die Feststellung hätte begehren können, dass die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig gewesen ist. Ein solches Fortsetzungsfeststellungsbegehren wäre jedenfalls unbegründet gewesen, weil der Kläger wegen Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt habe. Denn der Kläger habe eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. begangen. Es komme nicht darauf an, wie lange die Tat zurückliege und ob gegenwärtig eine Wiederholungsgefahr bestehe.

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Der Kläger macht mit seiner Revision geltend, dass die bestandskräftige Feststellung des Abschiebungsverbots des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. den subsidiären Schutzstatus des § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beinhalte. Durch eine Gesetzesänderung dürfe er nicht den Status des Abschiebungsverbots verlieren, da ansonsten die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verletzt werde. Außerdem beinhalte das festgestellte Abschiebungsverbot auch das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 und/oder 7 Satz 1 AufenthG. Nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie sei die Aufenthaltserlaubnis für mindestens ein Jahr zu erteilen. Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung stünden, da seine - des Klägers - Verurteilung bereits über 13 Jahre zurückliege, zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr entgegen.

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Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

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Die Beigeladene trägt vor: Sowohl die Entstehungsgeschichte als auch die Regelungssystematik sprächen dafür, dass mit dem Status nach § 4 AsylVfG eine neue und nur in die Zukunft wirkende Rechtsstellung habe geschaffen werden sollen, bei der allein für einen abgegrenzten und fest umschriebenen Personenkreis rückwirkend eine Gleichstellung habe vorgenommen werden sollen. Dafür habe nicht allein der Umstand genügt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden sei.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs.2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ohne Verstoß gegen Bundesrecht zurückgewiesen.

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1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen auf der Grundlage des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 9. Juli 2009 festgestellten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162). Das nicht mit einer näheren zeitlichen Bestimmung versehene Verpflichtungsbegehren des Klägers ist auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ex nunc gerichtet. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die vom Kläger im Berufungsverfahren gestellten Hilfsanträge, die auf eine rückwirkende Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerichtet sind, unzulässig waren, da diese in erster Instanz nicht Streitgegenstand waren und das Urteil, gegen das der Kläger fristgerecht keine Anschlussberufung eingelegt hatte, nicht zum Nachteil des Berufungsklägers abgeändert werden darf (Verbot der reformatio in peius).

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Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 7. April 2009 - 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 10 und vom 14. Mai 2013 - 1 C 16.12 - BVerwGE 146, 271 Rn. 14). Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) am 1. Dezember 2013 ist § 25 AufenthG in seiner seitdem geltenden Fassung der Prüfung der Verpflichtungsklage zugrunde zu legen.

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2. Das Berufungsgericht nimmt zutreffend an, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25 Abs. 3 AufenthG in der bis zum 30. November 2013 geltenden Fassung ausscheidet, da diese Regelung außer Kraft getreten ist. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU ist eine der früheren Regelung des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. entsprechende Anspruchsgrundlage, wonach eine Aufenthaltserlaubnis u.a. bei Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. erteilt werden sollte, nicht mehr gegeben. Eine dieser früheren Vorschrift entsprechende Anspruchsgrundlage stellt auch § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG n.F. nicht dar. Nach dieser Bestimmung ist einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG zuerkannt hat. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen hier nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine nach der früheren Rechtslage getroffene Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. keine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG und dieser auch nicht gleichzusetzen.

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Nach Entstehungsgeschichte und Systematik der Neuregelung sollte mit dem Status nach § 4 Abs. 1 AsylVfG eine neue und nur in die Zukunft wirkende Rechtsstellung geschaffen werden. Die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. trifft zwar eine Aussage über die Schutzbedürftigkeit nach Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9), sogenannte Qualifikationsrichtlinie (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Nach dem Regelungssystem des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBI. I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 - bewirkte sie aber keine Entscheidung über den subsidiären Schutzstatus nach Unionsrecht. Denn die Ausschlussgründe für den subsidiären Schutzstatus nach Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG waren nicht schon bei der Beurteilung des Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. zu prüfen; sie waren vielmehr erst als Versagungsgründe für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. ausgestaltet. Aus der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 bis 7 AufenthG a.F. allein folgte auch noch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Soll-Vorschrift des § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. war lediglich richtlinienkonform dahin auszulegen, dass bei einem subsidiär Schutzberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis nur abgelehnt werden durfte, wenn zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Erteilung entgegenstanden (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07- BVerwGE 131, 198 Rn. 13).

17

Erst das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU hat in Angleichung an die Richtliniensystematik mit § 4 AsylVfG einen eigenständigen Schutzstatus geschaffen (BT-Drs. 17/13063 S. 20). In § 4 AsylVfG wird die Prüfung der Schutzbedürftigkeit (Abs. 1) und des Vorliegens von Ausschlussgründen (Abs. 2) zusammengefasst und insgesamt dem Bundesamt übertragen. § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG n.F. räumt nur international Schutzberechtigten, also Personen, denen vom Bundesamt der Status nach Prüfung und Verneinung von Ausschlussgründen zuerkannt worden ist, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ein, es sei denn, der Ausländer wurde aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen. Die bloße Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. belegt mangels Prüfung der unionsrechtlich auch für den subsidiären Schutzstatus zwingend geltenden Ausschlussgründe materiell gerade nicht das Vorliegen des subsidiären Schutzstatus.

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3. Der Kläger gilt auch nicht nach der Übergangsregelung des § 104 Abs. 9 AufenthG als subsidiär Schutzberechtigter im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG.

19

a) Nach § 104 Abs. 9 Satz 1 AufenthG gelten Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG (a.F.) besitzen, weil das Bundesamt oder die Ausländerbehörde festgestellt hat, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der vor dem 1. Dezember 2013 gültigen Fassung vorliegen, als subsidiär Schutzberechtigte im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG und erhalten von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG, es sei denn, das Bundesamt hat die Ausländerbehörde über das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a bis d AufenthG in der vor dem 1. Dezember 2013 gültigen Fassung unterrichtet.

20

Der Kläger war indes zu keinem Zeitpunkt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. Überdies hatte das Bundesamt unter dem 1. Oktober 2012 und 22. November 2012 das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. bejaht.

21

b) Für eine analoge Anwendung des § 104 Abs. 9 AufenthG auf Fälle, in denen an dem maßgeblichen Stichtag ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. bestand, fehlt es an Anhaltspunkten für eine Gesetzeslücke. Die Entstehungsgeschichte bekräftigt vielmehr, dass der Gesetzgeber bewusst nur für die abgeschlossenen Verfahren eine Übergangsvorschrift schaffen wollte (BT-Drs. 17/13063 S. 25). Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes ist Zweck der Übergangsvorschrift, Ausländern, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erhalten hatten, weil sie die Voraussetzungen von § 60 Absatz 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG in der früheren Fassung erfüllten, international subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylVfG gleichzustellen. Angesichts der Verlagerung der Berücksichtigung von Gründen, die (auch) den subsidiären Schutz ausschließen, von der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis auf die Gewährung eines Schutzstatus setzt dies in Bezug auf das Aufenthaltstitelerfordernis eine abgeschlossene Prüfung voraus, ob solche Gründe vorliegen, und ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn - wie hier - das Bundesamt gegenüber der Ausländerbehörde das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen, die jenen des § 4 Abs. 2 AsylVfG entsprechen, zum Ausdruck gebracht hat.

22

c) Die Anwendung des § 109 Abs. 4 AufenthG ist auch nicht geboten, um eine verfassungswidrige Schlechterstellung von Personen auszuschließen, für die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt, denen aber keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. erteilt worden war. Von der Systemumstellung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU bleibt der Abschiebungsschutz durch die Feststellung nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. unberührt; mangels Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG a.F. wird auch sonst nicht in einen schutzwürdigen Besitzstand eingegriffen. Der nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. vor Abschiebung geschützte Ausländer ist von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG n.F. auch nicht dauerhaft ausgeschlossen. Er kann die Nachholung einer Feststellung der subsidiären Schutzberechtigung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG beantragen und damit auch die nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. nicht durchzuführende Prüfung einleiten, ob Ausschlussgründe nach § 4 Abs. 2 AsylVfG bestehen. Die Gründe, die nach § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. a bis d AufenthG a.F. die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ausgeschlossen haben, entsprechen den in Art. 17 Abs. 1 RL 2004/83/EG bzw. Art. 17 Abs. 1 RL 2011/95/EU inhaltsgleich geregelten Gründen, die eine Gewährung subsidiären Schutzes ausschließen und ihrerseits der Sache nach den Ausschlussgründen des § 4 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n.F. entsprechen. Dass Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG eine "schwere Straftat" verlangt, wohingegen § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchst. b AufenthG a.F. eine "Straftat von erheblicher Bedeutung" vorausgesetzt hat, bewirkt lediglich eine redaktionelle Abweichung (vgl. VGH München, Urteil vom 15. Juni 2011 - 19 B 10.2539 - juris Rn. 34; Hailbronner, AuslR, Stand: September 2014, § 25 AufenthG Rn. 74).

23

Ein Antrag auf nachholende Feststellung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylVfG ist jedenfalls bei Schutzsuchenden, deren Asylverfahren bis zum 30. November 2013 mit der Feststellung eines Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2 AsylVfG abgeschlossen worden war, auch kein Folgeantrag im Sinne des § 71 AsylVfG. Denn bis zum 1. Dezember 2013 gab es im nationalen Recht keinen Antrag auf Feststellung eines eigenständigen, subsidiären Schutzstatus, der erst durch § 4 AsylVfG n.F. in das nationale Recht eingeführt worden ist. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG n.F. kann ein Schutzsuchender auch sein Begehren von Anfang an auf die Gewährung internationalen Schutzes und damit auch auf die Rechtsstellung nach § 4 Abs. 1 AsylVfG n.F. beschränken.

24

4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F.

25

a) Einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. steht allerdings nicht schon entgegen, dass für den Kläger ein unionsrechtliches Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG a.F. festgestellt worden ist, nicht ein solches nach nationalem Recht. Auch nach der ab dem 1. Dezember 2013 geltenden Rechtslage wird das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK nicht durch das unionsrechtliche Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG verdrängt (vgl. - zur Gesetzeslage bis zum 30. November 2013 - BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 34 ff.). Die allgemeine Sperrwirkung der Ausweisung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG stünde der Erteilung des Aufenthaltstitels ebenfalls nicht entgegen; sie ist durch die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG a.F. beseitigt worden (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris Rn. 10).

26

b) Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. ist hier aber deswegen nicht zu erteilen, weil dem als Ausschlussgrund (§ 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG) entgegensteht, dass der Kläger eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat. Dieser Ausschlussgrund ist durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG a.F. nicht weggefallen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris Rn. 10). Die Versagungsgründe des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sind gefahrenunabhängige Ausschlussgründe wegen Unwürdigkeit, keine der Gefahrenabwehr dienende Erteilungssperre.

27

Eine Straftat im Sinne des § 25 Abs. 3 AufenthG n.F. erfordert ein Kapitalverbrechen oder eine sonstige Straftat, die in den meisten Rechtsordnungen als besonders schwerwiegend qualifiziert ist und entsprechend strafrechtlich verfolgt wird (vgl. zu § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG a.F. - BVerwG, Urteil vom 4. September 2012 - 10 C 13.11 - BVerwGE 144, 127 Rn. 20).

28

Daran gemessen ist die von dem Kläger begangene Straftat eine solche von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG. Nach dem der Verurteilung zugrunde liegenden § 92b Abs. 1 AuslG (i.d.F. vom 28. Oktober 1994, BGBl. I S. 3186) wurde das gewerbs- und bandenmäßige Einschleusen von Ausländern mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. Bereits aus der Höhe der angedrohten Mindest- und Höchststrafe ergibt sich, dass es sich um eine besonders schwerwiegende Straftat handelt. Auch die konkrete Tatverwirklichung durch den Kläger war nach Art und Schwere so gewichtig, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unbillig wäre. Durch die Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe wurde der Strafrahmen zur Hälfte ausgeschöpft. Zudem hatte die Strafkammer wegen der großen Anzahl der einzelnen Taten sowie des Gewichts der von dem Kläger erbrachten Tatbeiträge einen minderschweren Fall nach § 92b Abs. 2 AuslG verneint.

29

Demgegenüber greift der Einwand des Klägers nicht durch, dass die von ihm begangenen Straftaten weit zurückliegen und von ihm keine gegenwärtige Gefahr ausgehe. Der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AufenthG ist - anders als der Versagungsgrund nach § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AufenthG a.F. - nicht gefahren- oder präventionsabhängig konzipiert, sondern als dauerhaft wirkender Ausschlusstatbestand (BVerwG, Urteil vom 6. März 2014 - 1 C 2.13 - Buchholz 402.242 § 25 AufenthG Nr. 20 - juris Rn. 10). Im Anschluss an Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2004/83/EG bezeichnet er Fälle, in denen der Ausländer einer Aufenthaltsgewährung als unwürdig erachtet wird. Diese aus der Begehung einer schweren Straftat folgende "Unwürdigkeit", einen qualifizierten Aufenthaltstitel zu gewähren, besteht auch dann fort, wenn keine Wiederholungsgefahr (mehr) besteht und von dem Ausländer auch sonst keine aktuellen Gefahren für den Aufenthaltsstaat ausgehen (vgl. auch - für die Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 2 Buchst. b und c RL 2004/83/EG - der Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 9. November 2010 - C-57/09 und C-101/09 [ECLI:EU:C:2010:661], BRD ./. B. und D. - Rn. 104).

30

5. Der Kläger kann sich schließlich schon deswegen nicht unmittelbar auf Art. 24 Abs. 2 RL 2011/95/EU berufen, weil aus den zu 4. benannten Gründen der Ausschlussgrund der schweren Straftat nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. b RL 2011/95/EU vorliegt.

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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.

(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.

(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre,
2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und
3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.

Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn

1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und
2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Die Aufenthaltserlaubnis kann verlängert werden, wenn dem Ausländer von Seiten des Arbeitgebers die zustehende Vergütung noch nicht vollständig geleistet wurde und es für den Ausländer eine besondere Härte darstellen würde, seinen Vergütungsanspruch aus dem Ausland zu verfolgen. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 6. September 2017 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung des subsidiären Schutzstatus, hilfsweise eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG.

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge somalischer Staatsangehöriger muslimisch-sunnitischen Glaubens, zugehörig zum Clan der Sheikhal, reiste nach Aktenlage am 4. Oktober 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 10. Mai 2016 einen Asylantrag. Nachdem der Kläger bei dem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am 10. Mai 2016 angegeben hatte, über Italien und die Schweiz nach Deutschland eingereist zu sein und in der Schweiz am 5. Mai 2015 einen Asylantrag gestellt zu haben, sowie nachdem für den Kläger ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für die Schweiz festgestellt worden war, stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 8. Juli 2016 ein Übernahmeersuchen nach Dublin-III-Verordnung an die Schweiz. Diese antwortete am 12. Juli 2016 dahingehend, dass die Schweiz ein Übernahmeersuchen an Italien gestellt habe, das Italien stillschweigend akzeptiert habe. Am 11. Dezember 2015 sei die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert worden, da der Kläger verschwunden sei. Daher sei Italien zuständig. Daraufhin teilte das Bundesamt der zuständigen Ausländerbehörde mit Schreiben vom 29. Juli 2016 mit, dass die Entscheidung im nationalen Verfahren ergehe.

Bei seiner Anhörung am 13. Dezember 2016 in München gab der Kläger an, zuletzt im Dorf Harcadey in der Nähe der Stadt Beled Weyne gewohnt zu haben. Er habe dort mit seiner Ehefrau, seinen Eltern und seinen Geschwistern gelebt. Seine Mutter sei bereits verstorben, sein Vater lebe noch dort. Sein Bruder sei verheiratet und lebe mit seiner Frau in Harcadey. Seine Schwestern A* …, H* … und B* … lebten ebenfalls noch dort. Seine Schwester J* … lebe mit ihrem Mann in Beled Weyne. Seine Schwester R* … lebe mit ihrer Familie in Saudi Arabien. Seine Schwester Seynab und ihre Familie lebten in Burfiiq, das sei in der Nähe von Harcadey. Somalia habe er am 26. Oktober 2014 verlassen, in Deutschland sei er am 4. Oktober 2015 eingereist. Für seine Flucht habe er 3.500,00 US-Dollar bezahlen müssen, für die die Familie ein Grundstück verkauft und ihm später das Geld geschickt habe. Er habe vier Jahre lang die Schule besucht und dann ihr Land bewirtschaftet.

Sein Asylantrag in der Schweiz sei abgelehnt worden. Er habe eine Frist von fünf Tagen gehabt, in denen er entweder das Land verlassen oder einen Rechtsanwalt hätte finden müssen. Da er keinen Anwalt gefunden habe, sei er ausgereist und habe den Bescheid in seiner Unterkunft in der Schweiz liegen gelassen.

Zu den Gründen seiner Ausreise gab er an, dass er mit seiner Familie in seinem Dorf Landwirtschaft betrieben habe. Das Dorf sei unter dem Einflussbereich der al Shabaab gewesen. Diese habe bei den Dorfbewohnern die Saka (Kopfgeld) eingetrieben. Es sei verboten gewesen Musik zu hören, zu feiern oder sich Kinofilme anzusehen. Eines Tages, als er gerade auf dem Feld beschäftigt gewesen sei, seien Angehörige der al Shabaab zu ihm gekommen und hätten ihm vorgeworfen, dass er ein Verräter sei. Er sei geschlagen worden und man habe ihm die Augen verbunden. In einem Auto sei er zu einem Lager der Miliz gefahren worden. Er sei dort zwei Tage gewesen, in denen er gefoltert und misshandelt worden sei. Dann habe es ein Gefecht zwischen der al Shabaab und äthiopischen Soldaten gegeben. Er sei aus der Gefangenschaft befreit und in dem Camp der äthiopischen Soldaten medizinisch behandelt worden. Seine Familie habe ihn dann abgeholt. Er habe nicht länger in seiner Heimat bleiben können, weil nachts die al Shabaab in seinem Dorf aktiv gewesen sei. Tagsüber hätten die äthiopischen Soldaten patrouilliert. Deshalb sei er von seiner Familie zu seiner Schwester nach Beled Weyne gebracht worden. Er habe sich einen Tag versteckt und am nächsten Tag das Land verlassen.

Auf Nachfrage erklärte der Kläger, dass er und seine Familie die Saka bezahlt hätten, ansonsten hätte man ihnen alles weggenommen. Entführt sei er ca. drei Tage vor seiner Flucht worden. Auf Nachfrage, was ihm die al Shabaab genau vorgeworfen habe, erklärte der Kläger, dass diese gegen die somalische Regierung kämpfe. Die meisten Leute in der Gegend seines Dorfes arbeiteten heimlich mit der al Shabaab zusammen. Jemand habe ihr erzählt, er hätte etwas mit der Regierung oder den äthiopischen Soldaten zu tun. Deshalb sei er als Verräter verfolgt worden. Auf Nachfrage, warum die al Shabaab ihn nicht getötet habe, erklärte der Kläger, dass die al Shabaab mache was sie wolle. Er wisse nicht, was mit ihm noch passiert wäre, wenn er nicht befreit worden wäre. Verhört worden sei er nicht. Es habe auch keine „Gerichtsverhandlung“ oder ähnliches gegeben. Auf die Bitte, genauer zu schildern, was nach seiner Ankunft im Lager der al Shabaab bis zur Befreiung durch die äthiopischen Soldaten passiert sei, erklärte der Kläger, dass seine Augen die ganze Zeit verbunden gewesen seien. Er habe also nicht genau sehen können, wo er sich befunden habe. Man habe ihn mit Eisenstangen, Stöcken und Gewehren geschlagen. Knochen seien durch die Schläge nicht gebrochen worden, er habe nur „Narben“ gehabt, die mittlerweile verheilt seien. Der äthiopische Arzt habe ihm keine Unterlagen bezüglich der Behandlung mitgegeben, er habe nur Salben aufgetragen bekommen. Auf die Frage, ob er in einem anderen Teil Somalias vor der al Shabaab in Sicherheit sei, erklärte der Kläger, dass die al Shabaab überall sei. Man erkenne sie nicht immer. Außerdem herrschten die einzelnen Clans in den jeweiligen Gebieten. Man könne nur dort leben, wo sich sein Clan aufhalte. Ansonsten werde einem kein Schutz oder Unterstützung gewährt. Seine Frau habe er mangels finanzieller Mittel nicht mitnehmen können. Als er in Libyen war, habe er das letzte Mal Kontakt zu ihr gehabt. Sie habe ihm erzählt, dass sie von der al Shabaab geschlagen worden sei und man immer noch nach ihm suchen würde. Auf die Frage, ob er unter Krankheiten leide, erklärte der Kläger, dass er Tuberkulose gehabt habe und noch Medikamente deswegen nehme.

In einem Vermerk vom 11. April 2017 hat das Bundesamt festgehalten, dass nach Auskunft der Dublin-Unit Schweiz vom 14. Juli 2016 der Kläger nach Stellung seines Asylantrags, noch bevor eine materielle Entscheidung ergangen sei, untergetaucht sei und das Verfahren somit in der Schweiz eingestellt worden sei. Daher sei kein Drittstaaten-Bescheid und Zweitantrag möglich.

Mit Bescheid vom 19. April 2017 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Nr. 2), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung, zuvorderst nach Somalia, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). In der Begründung des Bescheides wurde hinsichtlich der Flüchtlingseigenschaft und der Anerkennung als Asylberechtigter ausgeführt, dass eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die al Shabaab den Kläger unter dem Vorwurf, ein Verräter zu sein, zwei Tage lang gefoltert haben soll, ohne zu versuchen, Informationen von ihm zu bekommen. Zwei Tage Folter und Schläge mit den genannten Waffen hätten schwere Verletzungen hervorrufen müssen. Der Kläger wollte aber einen Tag nach seiner Befreiung bereits wieder so gesund gewesen sein, dass er innerhalb dieses Tages wieder nach Beled Weyne reisen, seine Flucht organisieren und fliehen habe können. Dies sei nicht vorstellbar. Dass er nicht genau habe angegeben können, wo er sich befunden habe, sei nicht plausibel, da davon auszugehen sei, dass die Soldaten ihn die Augenbinde bei der Befreiung sofort abgenommen hätten. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass er seine Frau mangels finanzieller Mittel nicht mitgenommen habe, da er eigenen Angaben zufolge über eine große Familie verfüge. Selbst bei Wahrunterstellung wäre der Kläger auf landesinternen Schutz zu verweisen. Er habe vorgetragen, dass er in Mogadischu zahlreiche Geschwister (Bruder und fünf Schwestern) sowie seinen Vater habe und dass seine Schwester J* … mit ihrem Mann in Beled Weyne lebe. Nach den Erkenntnissen des Bundesamts werde Beled Weyne nicht von der al Shabaab kontrolliert und gelte als sicher. Eine Rückkehr dorthin sei für junge arbeitsfähige Männer möglich. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Es drohten ihm bei einer Rückkehr nach Beled Weyne aufgrund der dortigen Situation keine erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt. Der Grad willkürlicher Gewalt dort erreiche nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau. Individuelle Gefahr erhöhende Umstände lägen in der Person des Klägers nicht vor. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Der Kläger habe keine stichhaltigen Ausführungen gemacht, die darauf schließen ließen, dass er bei einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. Die Tatsache, dass er in der Lage gewesen sei, erhebliche Mittel für seine Ausreise aufzubringen, spreche gegen das Fehlen einer Unterstützung im Herkunftsland. Entweder verfüge er selbst über große finanzielle Mittel, oder Geldmittel seien von der Familie aufgebracht worden. Dass die Familienbande zwischenzeitlich zerrissen seien, sei nicht anzunehmen. Er sei jung und arbeitsfähig. Es sei zu erwarten, dass er Hilfe bei seiner Schwester in Beled Weyne erhalte und dass ihn auch die übrigen Verwandten unterstützten, wie sie es bei seiner Ausreise auch getan hätten. Eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege auch nicht aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung vor. Der Kläger habe angegeben an Tuberkulose zu leiden, habe hierfür aber keinerlei schriftliche oder sonstige Nachweise eingereicht. Vorgelegt sei lediglich eine vom Stationsarzt ausgefüllte Bescheinigung vom 6. September 2016 aus dem Klinikum Schwabing. Darin werde bestätigt, dass der Kläger sich in stationärer Behandlung befinde. Hinweise darauf, dass es sich dabei um eine Infektiologie-Station gehandelt habe, bestünden nicht. Selbst wenn der Kläger vor sieben Monaten tatsächlich an Tuberkulose gelitten haben sollte, sei es prinzipiell so, dass eine Tuberkulose als ausbehandelt gelte, wenn die Therapie über den vorhergehenden Zeitraum konsequent eingenommen worden sei und am Therapieende ein gebesserter Röntgenbefund und negative Sputum-Ergebnisse dokumentiert worden sei. Es sei dann anzunehmen, dass die Tuberkulose ausgeheilt und der Patient gesund sei. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf Bescheid verwiesen.

Auf die hiergegen vom Kläger erhobene Klage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 6. September 2017, das ohne mündliche Verhandlung erging, den Bescheid des Bundesamts vom 19. April 2017 in den Nummern 3 bis 6 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Auf die Begründung des Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Berufung. Zur Begründung führt sie aus, dass die Klage mit dem vorrangigen Ziel der Feststellung des subsidiären Schutzes keinen Erfolg haben könne. Die Voraussetzungen für diese Schutzzuerkennung ließen sich in tatsächlicher Hinsicht nicht feststellen. Anhaltspunkte für § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG seien nicht erkennbar. Ebenso fehle es an einer Grundlage für einen Anspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Zwar werde die Sicherheits- und Versorgungslage nach wie vor als fragil beschrieben, aber unabhängig davon, ob und in welchen Teilen des Landes gegenwärtig von einem bewaffneten Konflikt auszugehen wäre, erreiche dessen Intensität jedenfalls in Bezug auf das hier in den Blick zu nehmende Herkunftsgebiet nicht den besonders hohen Grad, der feststellbar sein müsste, um eine konkrete individuelle Bedrohung jeder Zivilperson bereits infolge des Aufenthalts in Somalia bejahen zu können. Gefahrerhöhende Faktoren seien nicht erkennbar. Auch die Voraussetzungen für ein nationales Abschiebungsverbot bestünden nicht. Nach der Bewertung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gemäß dessen Urteil vom 23. März 2017 (Az. 20 B 15.30110) ergebe sich kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG aus der unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26) sei dabei auf Mogadischu abzustellen, weil dort die Abschiebung ende. Die Hauptstadt könne mit Linienflügen direkt angeflogen werden, ohne dass die Gefahr bestehe, in einem anderen, weniger sicheren Landesteil Somalias landen oder diesen durchreisen zu müssen. Die allgemein schlechte Versorgungslage in Somalia begründe auch kein generelles Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Insoweit handele es sich um Gefährdungslagen, die zugleich im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG der dortigen Bevölkerung allgemein drohten. Sie könnten daher nur im Falle einer Schutzlücke die Überwindung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen, wofür keine Anhaltspunkte bestünden. Gründe, die zu einer Rechtswidrigkeit der verfügten Abschiebungsandrohung oder der Wiedereinreisesperrfrist führen könnten, seien nicht aufgezeigt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Der klägerische Vortrag müsse die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach sich ziehen. Auf jeden Fall müsse das Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festgestellt werden. Die derzeitige Versorgungslage in Somalia halte seit über zwei Jahren an und es sei nicht abzusehen, dass sich dies bessern könne.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Akten des Bundesamts und des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2018 verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand ist die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG), hilfsweise auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK, § 60 Abs. 7 AufenthG). Der Hilfsantrag auf Feststellung eines Abschiebungsverbots wurde im Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils zwar versehentlich nicht erwähnt, wurde aber ausweislich der verwaltungsgerichtlichen Akte im erstinstanzlichen Verfahren eindeutig gestellt. Mit der Zulassung der Berufung ist er im Berufungsverfahren mit angewachsen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus, weil die Voraussetzungen des § 4 AsylG nicht vorliegen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG gelten als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) sowie eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Das Land hat zwar den Zustand eines „failed state“ überwunden, bleibt aber ein sehr fragiler Staat. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Süd- bzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die al Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die al Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die al Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 7. März 2018 – Stand: Januar 2018, S. 4 f.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 12. Januar 2018, S. 12 ff. und Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 – Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] – NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] – Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris und U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29).

a) Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG in Gestalt der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe durch den somalischen Staat (Kluth in Beck-OK AuslR, § 4 AsylG, Rn. 9) droht, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, weil er eine ihm drohende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch die al Shabaab bei einer Rückkehr nach Somalia nicht glaubhaft gemacht hat. So ist es, wie das Bundesamt im Bescheid ausgeführt hat, nicht nachvollziehbar, warum die al Shabaab dem Kläger unter dem Vorwurf, ein Verräter zu sein, zwei Tage lang gefoltert haben soll, ohne zu versuchen, Informationen von ihm zu bekommen, z.B. welche Informationen er weitergegeben habe und an wen. Hierzu gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung erneut an, dass seine Bewacher keine Informationen von ihm haben wollten. Sie hätten ihm nur gesagt, dass er ein Verräter sei und dass er hier sterben werde. Hinzu kommt noch, dass der Kläger keinerlei nachvollziehbare Erklärung dafür angeben konnte, warum er von der al Shabaab des Verrats bezichtigt worden sei. Auch auf die mehrmalige Nachfrage des Senats gab er lediglich an, dass es Leute gebe, die für die al Shabaab arbeiteten und diese hätten ihn beschuldigt, für die Regierung zu arbeiten. Warum ausgerechnet er beschuldigt worden sei, dafür hatte er keinerlei Erklärung. Daneben war dies für ihn offenbar auch nicht wichtig, da er auf Nachfrage durch den Senat angab, während seiner zweitägigen Gefangenschaft nicht versucht zu haben, herauszufinden, was ihm vorgeworfen werde. Dies mag vielleicht bei einer Gefangenschaft von mehreren Stunden aufgrund des anfänglichen Schocks nachvollziehbar sei. Bei einer mehrtägigen Gefangenschaft und mehrmaligen Schlagens durch die Bewacher mit Eisenstangen und Stöcken, wie vom Kläger angegeben, leuchtet es aber nicht mehr ein, dass der Gefangene keinen Versuch unternimmt, zu erfahren, was ihm vorgeworfen wird, um seine Bewacher dann von der Unrichtigkeit dieser Vorwürfe zu überzeugen oder hierfür zumindest einen Versuch zu unternehmen. Dagegen, dass der Kläger das vorgetragene Geschehen selbst erlebt hat, spricht auch, dass er nach seinen Angaben dreimal täglich mit Gewehrkolben oder Stöcken geschlagen worden sei, aber bereits einen Tag nach seiner Befreiung wieder soweit genesen sei, dass er das Land habe verlassen können. Schließlich ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger erkannt haben will, womit er geschlagen worden sei, obwohl er auch auf Nachfrage dabei blieb, dass er während der gesamten Gefangenschaft die Augen verbunden gehabt habe. Diese Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten im Vortrag des Klägers verdeutlichen anschaulich, dass es sich bei seinem Vorbringen nicht um tatsächlich Erlebtes, sondern um Erfundenes handelt. Ergänzend wird gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen, deren Erwägungen der Senat teilt.

Dem Kläger droht auch kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG aufgrund dessen, dass er nach einer langjährigen Abwesenheit wieder in sein Heimatdorf, das in dem von der al Shabaab kontrollierten Gebiet Somalias liegt, zurückkehrt. Zwar geht der Senat davon aus, dass das Heimatdorf des Klägers Harcadey bzw. Har Ade (nach der Schreibweise des Dolmetschers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat) in dem von der al Shabaab kontrollierten Gebiet liegt. Der Kläger gab nämlich, befragt nach der Lage seines Heimatortes in der mündlichen Verhandlung an, dass es von Beled Weyne aus in Richtung Äthiopien, also nördlich, liege. Der Fluss Shabelle liege ca. einen Kilometer entfernt. Auf der Somaliakarte der Internetseite Liveuamap (https://Somalia.liveuamap.com/) lässt sich nördlich von Beled Weyne ein Ort namens „Haar Caddey“, westlich des Shabelle gelegen, ausmachen, bei dem es sich nach der Überzeugung des Senats um den Heimatort des Klägers handeln dürfte. Nach dem Bericht der EASO zur Sicherheitssituation in Somalia vom Dezember 2017 sind die westlichen Teile der Provinz Hiraan al Shabaab-Gebiet, und zwar der Bereich westlich der Hauptdurchgangsstraße ebenso wie der Bereich zwischen Maxaas und Adan Yabaal. Im Norden erstreckt sich das Gebiet der al Shabaab bis zur Straße zwischen Beled Weyne und Dhuusamarreeb (EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 98; ebenso der Bericht zur Österreichisch-Schweizerischen Factfinding Mission zur Sicherheitslage in Somalia, August 2017, S. 79). Auf diese Straße und die Gebiete nördlich davon hat die al Shabaab jedoch keinen Zugriff (FFM-Bericht, August 2017, S. 79). Auch wenn diese Angaben vergleichsweise ungenau sind, decken sie sich mit den insoweit glaubwürdigen Angaben des Klägers zu den Herrschaftsverhältnissen in seinem Heimatort, weshalb der Senat zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass sein Herkunftsort im Gebiet der al Shabaab liegt. Dies führt für sich genommen jedoch nicht zu einer Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Denn die Tatsache, dass man sich in einem westlichen Land aufgehalten hat ist für sich selbst bei einer Begegnung mit der al Shabaab unproblematisch. Dagegen wird westliches Verhalten und Kleidung von der al Shabaab durchaus sanktioniert (Land Info, Report v. 4.4.2016, „Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in southern Somalia”, S. 10; Danish Refugee Council/Danish Immigration Service, “South and Central Somalia: Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups”, März 2017, S. 24). Daher wäre der Kläger bei einer Rückkehr in seinen Heimatort mit ziemlicher Sicherheit einer Befragung durch die al Shabaab ausgesetzt und einem gewissen Anpassungsdruck, sich an die von der al Shabaab festgelegten Regeln und Verhaltensvorschriften zu halten. Dies ist ihm jedoch möglich, zumal er bereits vor seiner Ausreise aus Somalia unter der Herrschaft der al Shabaab gelebt hat. Eine drohende unmenschliche Behandlung kann daraus aber nicht abgeleitet werden.

Eine unzureichende Versorgungslage im Herkunftsland vermag bereits aus Rechtsgründen die Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht zu begründen (anders insoweit OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 – juris Rn. 55, 60-67), sondern kann allenfalls im Rahmen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 EMRK i.V.m. Art. 3 EMRK berücksichtigt werden (siehe unten). Denn nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten für den subsidiären Schutz die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit muss für die Zuerkennung subsidiären Schutzes die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung von einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 20 ZB 17.30875 – juris Rn. 14). Die Versorgungslage in der Provinz Hiraan kann jedoch nicht auf einen solchen Akteur zurückgeführt werden. Sie ist vielmehr Ausdruck verschiedener Faktoren, zu denen u.a. die unsichere Lage und die langjährige Trockenheit gehören.

c) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji]; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12, LS 1 und Rn. 13/14; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle des Klägers ist dies die Provinz Hiraan, da er sich dort vor seiner Ausreise aufgehalten hat.

In dieser Region Somalias herrscht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Dieser Begriff ist nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Januar 2014 (C-285/12 – NVwZ 2014, 573) zu der dem § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zugrundeliegenden Bestimmung des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EG Nr. L304, S. 19) dahingehend auszulegen, dass ein solcher Konflikt vorliegt, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinander treffen (EuGH, Urteil v. 30.1.2014, a.a.O., LS 1 u. Rn. 28). Dafür, dass ein derartiger Konflikt angenommen werden kann, kommt es weder auf einen bestimmten Organisationsgrad der beteiligten bewaffneten Streitkräfte noch auf eine bestimmte Dauer des Konflikts an. Insbesondere ist für die Annahme eines bewaffneten innerstaatlichen Konflikts auch keine besondere Intensität des Konflikts notwendig (EuGH, Urteil v. 30.1.2014, a.a.O. Rn. 32 u. 34), da die Intensität nur bei der Frage zu berücksichtigen ist, ob der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass er auch zu einer Gefährdung im Sinne des Art. 15 der Richtlinie führt.

Nach diesen Maßstäben liegt in der Heimatregion des Klägers ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Nach dem bereits erwähnten EASO-Bericht zur Sicherheitslage in Somalia vom Dezember 2017 (dort S. 98) sind die Hauptakteure im bewaffneten Konflikt in der Provinz Hiraan die Somalische Nationale Armee (SNA), die Streitkräfte der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM), die Äthiopischen Streitkräfte (ENDF) und die al Shabaab sowie eine unbekannte Zahl von Clanmilizen (ebenso BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, Stand 12. Januar 2018, S. 36).

Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 – 10 C 13.10 – juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji] – juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakité] – juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 11/10 – juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr in sein Heimatdorf in der Provinz Hiraan.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einen besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen in der Person des Klägers nicht vor. Diese ergeben sich zum einen nicht aus dem Vortrag des Klägers, dass er bereits in der Vergangenheit in den Fokus der al Shabaab geraten sei, da dieser Vortrag, wie bereits oben dargestellt wurde, nach der Einschätzung des Senats nicht glaubwürdig ist.

Ein Gefahr erhöhender Umstand kann auch nicht auf der vom Kläger behaupteten Zugehörigkeit zum Clan der Sheikhal abgeleitet werden. Insoweit ist einerseits zu berücksichtigen, dass die in der Heimat des Klägers herrschende al Shabaab sich vom Clansystem distanziert und teilweise gezielt von diesem benachteiligte Gruppen unterstützt (Schweizer Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia – Clans und Minderheiten, 31. Mai 2017, S. 38; EASO Länderüberblick Süd- und Zentralsomalia, August 2014, S. 97). Als Sheikhal werden in Somalia Bevölkerungsgruppen bezeichnet, die traditionell einen gewissen religiösen Status innehaben. Sie führen ihre Abstammung auf einen gemeinsamen Vorfahren namens Sheikh Faqi Omar zurück, der durch Somalia reiste und Frauen in allen Gegenden heiratete (ACCORD, Clans in Somalia, Vortrag v. Dr. Joakim Gundel, Dezember 2009, S. 21). Traditionell haben ihre Mitglieder die Stellung eines Sheikhs oder Qadis (Richter), wobei heute viele in säkularen Berufen tätig sind. Ihre Einordnung ist nicht ganz klar: So werden je nach Quelle als eine Minderheit, als mit den Hawiye assoziiert, als Clan der Hawiye oder gar als eine eigenständige Clanfamilie bezeichnet (BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Minderheiten in Somalia, Juli 2010, S. 12). Vielen Mitgliedern des Clans ist es gelungen, insbesondere im Raum Mogadischu Einfluss auf das Bildungswesen zu bekommen. Manche Sheikhal-Gruppen sind so gut in die Hawiye-Clanfamilie integriert, dass sie Hawiye-Sitze im somalischen Parlament einnehmen (ACCORD, Clans in Somalia, S. 21). Die Stellung der Sheikhal in der somalischen Gesellschaft unterscheidet sich daher erheblich z.B. von der der allgemein gering geschätzten Handwerkerkasten wie den Tumal (vgl. zu dem Einzelfall eines gefahrerhöhenden Umstands aufgrund der Zugehörigkeit zum Clan der Tumal und der Tatsache, dass der dortige Kläger bereits in den Fokus der al Shabaab geraten war BayVGH, U.v. 07.04.2016 - 20 B 14.30101 – juris Rn. 28-30). Eine gesteigerte Gefahr, als Mitglied der Zivilbevölkerung Opfer willkürlicher Gewalt im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen der al Shabaab und der Somalischen Armee/AMISOM bzw. zwischen verfeindeten Clans zu werden ist aufgrund der Zugehörigkeit zu dem Clan der Sheikhal in der Herkunftsregion des Klägers nicht erkennbar. Andere Gefahr erhöhende Umstände wurden weder vorgebracht noch sind sie ersichtlich.

Auch die allgemeine Lage ist nicht so gefährlich, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen bei jeder Zivilperson individualisiert. Die dafür erforderliche Gefahrendichte ist in der Provinz Hiraan nicht gegeben. Die Provinz hat nach einer Schätzung der UN und lokaler Behörden ca. 520.685 Einwohner (EASO, Security Situation Report, Dezember 2017, S. 89). Die verfügbaren Zahlen über die zivilen Opfer des bewaffneten innerstaatlichen Konflikts unterscheiden sich im Einzelnen erheblich. So stellt die von ACCORD am 18. Juni 2018 vorgenommene Auswertung der für das Jahr 2017 in der Datenbank des Armed Conflict Location and Event Data Project (ACLED) erfassten Vorfälle für die Provinz Hiraan 2017 insgesamt 225 Vorfälle mit insgesamt 364 Toten. Nicht erfasst werden dabei allerdings die Verletzten. Daneben differenziert ACLED auch nicht zwischen getöteten Zivilpersonen und getöteten Bewaffneten. Schließlich weist ACLED selbst darauf hin, dass ein Großteil der gesammelten Daten auf öffentlich zugänglichen Sekundärquellen basiert und die Daten daher das Ausmaß an Vorfällen untererfassen können. Es existiert also nach den ACLED-Zahlen eine nicht genau abschätzbare Dunkelziffer. Die Zusammenstellung vom 25. Juni 2018 für das erste Quartal 2018 gelangt demgegenüber bei 42 Vorfällen in der Provinz Hiraan zu sogar 222 Todesopfern. Inwiefern es sich dabei um Zivilpersonen und/oder Bewaffnete handelte, ist wiederum unklar. Demgegenüber kommen UNHCR und UNSOM in ihrer Aufstellung vom 10. Dezember 2017 „Protection of Civilians in Somalia 2016 – 2017“ für den aus den Provinzen Hiraan und Middle Shabelle neu gebildeten Bundestaat HirShabelle im Zeitraum 1. Januar 2016 bis 14. Oktober 2017 auf (nur) 269 Tote und verletzte Zivilpersonen. Im Unterschied zu den Zahlen von ACLED erfassen die Zahlen von UNHCR/UNSOM also lediglich die im bewaffneten Konflikt getöteten oder verletzten Zivilpersonen (unter Nichtberücksichtigung bewaffneter Opfer). Rechnet man diese Zahl angesichts des ein Jahr überschreitenden Erfassungszeitraums auf ein Jahr um, verbleiben noch 150 getötete und verletzte Zivilpersonen. Umgerechnet auf die Bevölkerung des Bundesstaats HirShabelle (520.685 Einwohner in Hiraan, 516.035 Einwohner in Middle Shabelle laut EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 98 u. 100), so ergibt sich ein Verletzungs- bzw. Tötungsrisiko im bewaffneten innerstaatlichen Konflikt für Zivilpersonen von 1:6.911. Auch wenn man insoweit bedenkt, dass die von UNHCR/UNSOM bekanntgegebenen Zahlen aufgrund der Verhältnisse in Somalia, insbesondere der schlechten Auskunftslage hinsichtlich der unter der Herrschaft der al Shabaab stehenden Landstriche, eine erhebliche Dunkelziffer beinhalten dürften, ist das Risiko, im bewaffneten innerstaatlichen Konflikt als Zivilperson getötet oder verletzt zu werden, jedenfalls noch weit entfernt von der relevanten Schwelle.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, weil es auch dafür an den Voraussetzungen fehlt.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Ein solches Abschiebungsverbot ergibt sich hier nicht aus der nach den eingeführten Erkenntnismitteln unzureichenden Versorgungslage in Somalia. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 – Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] – NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] – Rn. 68; U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] – NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 m.w.N.). Allerdings folgt aus der EMRK kein Recht auf Verbleib in einem Konventionsstaat, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe der Aufenthaltsbeendigung zwingend entgegenstehen, wobei solche humanitären Gründe auch in einer völlig unzureichenden Versorgungslage begründet sein können (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 28.5.2008 – Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26) ist unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR (Urteil v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681) für die Prüfung grundsätzlich auf den gesamten Zielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet. Dies ist vorliegend Mogadischu, da die Abschiebung dort aller Voraussicht nach enden würde, weil die Hauptstadt mit Linienflügen direkt angeflogen werden kann (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia v. 7.3.2018 – Stand Januar 2018 – S. 21). Der EGMR hat jedoch darüber hinaus ausgeführt, dass die Prüfung hinsichtlich Mogadischus als Endpunkt der Abschiebung nicht ausreiche, da das Ausgangsgericht ausgeführt habe, dass die Möglichkeit bestehe, in ein sicheres Gebiet Somalias zu gehen (EGMR, U.v. 28.6.2011, a.a.O. Rn. 265). Daher sei zunächst zu prüfen, ob für den Betreffenden die Gefahr von Misshandlungen auf der Durchreise oder bei der Ansiedlung in einem anderen Teil Somalias bestehen würde (EGMR a.a.O., Rn. 267). Daher hat im Ergebnis die Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten der Wohnsitznahme in Somalia zu erfolgen. Vorrang hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Prüfung, ob eine derartige Gefahr bei einer Niederlassung am Endpunkt der Abschiebung, also in Mogadischu, besteht. Anschließend ist zu prüfen, ob eine Niederlassung des Klägers an seinem Herkunftsort möglich ist und ob er diesen zumutbar erreichen kann. Schließlich wäre noch zu prüfen, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative an einem anderen Ort in Somalia bzw. deren Erreichbarkeit vorliegt.

Der Kläger selbst stammt nicht aus Mogadischu und hat auch keine verwandtschaftlichen oder sonstigen Beziehungen dort hin. Soweit im Bundesamtsbescheid vom 19. April 2017 ausgeführt wurde, dass er vorgetragen habe, in Mogadischu zahlreiche Geschwister sowie seinen Vater zu haben, handelt es sich wohl um ein Versehen, jedenfalls ist die Angabe falsch. Denn der Kläger hat in seiner Anhörung keine entsprechende Angabe gemacht und tatsächlich ausgeführt, dass sein Vater und der Großteil seiner Schwestern in bzw. in der Nähe seines Heimatortes lebten. Auch seine Ausreise ist nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht über Mogadischu erfolgt. Damit ergeben sich weder aus der Behördenakte noch aus den gerichtlichen Verfahren Anhaltspunkte für Verbindungen des Klägers nach Mogadischu.

Nach der Auskunftslage sind die Möglichkeiten von Personen ohne verwandtschaftliche oder Clanverbindungen nach Mogadischu, dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sehr begrenzt. Das Norwegische Landinfo führt in seinem “Report: Relevant social and economic conditions upon return to Mogadishu” vom 1. April 2016 aus, dass Haupteinnahmequelle der Bevölkerung Mogadischus die Arbeit als Tagelöhner sei, daneben würden aber auch Hilfeleistungen von Hilfsorganisationen und Überweisungen aus dem Ausland bezogen (S. 10). Arbeitgeber würden freie Stellen nicht inserieren, sondern vergäben die Jobs an Personen, die ihnen durch Familie, Clanmitgliedschaft oder Bekanntschaft als vertrauenswürdig erschienen (S. 13). Tagelöhner fänden sich auf dem Bakara-Markt ein (S. 13). Ein ungelernter Arbeiter könne mit körperlicher Arbeit normalerweise 200 US-Dollar im Monat verdienen. Nach der Einschätzung eines Mitarbeiters der Internationalen Organisation für Migration (IOM) reichen 400 US-Dollar im Monat für Miete und Ernährung einer vierköpfigen Familie in Mogadischu aus (S. 14). Auch die Vermieter würden nach dem Vertrauensprinzip vermieten. Daher lebten die meisten Leute da, wo ihre Familie bzw. ihr Clan lebe (S. 17). Das Österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) führt in seiner Staatendokumentation Somalia (Stand: 12. Januar 2018, S. 118 ff.) aus, dass angenommen werden könne, dass es in Mogadischu mehr Arbeitsmöglichkeiten gebe als an anderen Orten. Die steigende Nachfrage nach Hilfsarbeitern habe dazu geführt, dass auch Leute von außerhalb nach Mogadischu kämen, so dass unqualifizierte Arbeitskräfte zahlreich verfügbar seien (S. 119). Bei der Vergabe von Jobs würden Clan und Verwandtschaft bevorzugt (S. 119). Der Bericht zur Österreichisch-Schweizerischen Fact-Finding-Mission zur Sicherheitslage in Somalia vom August 2017 führt zur Versorgung von Rückkehrern aus, dass die Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge und Rückkehrer limitiert seien (S. 128). Eine erfolgreiche Rückkehr und Reintegration sei von Clanzugehörigkeit und den lokalen Beziehungen der jeweiligen Person abhängig (S. 113). Das Norwegische Landinfo gibt in einer Anfrage-Beantwortung vom 11. November 2016 (Somalia: The Settlements in Mogadishu, S. 3) an, dass der entscheidende Faktor für die Frage, ob jemand in einem „Settlement“ ende, sei, ob er die Mittel habe, außerhalb von ihnen eine Unterkunft zu finanzieren. In der Gesamtschau ist daher festzustellen, dass der Kläger vermutlich mangels Verbindungen und einer ihn aus der Masse der ungelernten Arbeitskräfte heraushebenden Ausbildung allenfalls als Tagelöhner würde arbeiten können. Eine Wohnsitznahme außerhalb eines „Settlements“ wird ihm mangels persönlicher Verbindungen und als Angehörigen eines Minderheitenclans wohl nicht möglich sein. Ob ihm in Mogadischu als Tagelöhner ein Überleben möglich wäre, ohne der Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung ausgesetzt zu sein, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, da ihm eine Wohnsitznahme in seiner Herkunftsregion möglich ist.

Diese ist für ihn von Mogadischu, dem voraussichtlichen Endpunkt einer etwaigen Abschiebung, aus erreichbar. Der EASO-Bericht zur Sicherheitssituation vom Dezember 2017 führt aus, dass die Straße zwischen Mogadischu und Beled Weyne zum Teil von der al Shabaab kontrolliert wird. Es bestehe grundsätzlich die Gefahr von Checkpoints und von dort die Gefahr, in den Verdacht zu geraten, zur gegnerischen Partei zu gehören (S. 55). Allerdings hält der gleiche Bericht auch fest, dass der zivile Verkehr das Gebiet der al Shabaab passieren könne (S. 97). Das Norwegische Landinfo führt in seinem Bericht vom 4. April 2016 (Somalia: Practical issues and security challenges associated with travels in southern Somalia) aus, dass täglich von Mogadischu aus vollbeladene Busse verschiedene Ziele in Südsomalia ansteuern, was den Eindruck erwecke, dass die Leute trotz der Sicherheitsprobleme reisen (S. 5). Das Risiko bei den Reisen komme hauptsächlich von Bewaffneten an den Checkpoints der verschiedenen Parteien (S. 8). Die al Shabaab verhindere das Reisen von Zivilpersonen nicht. In manchen Fällen müssten die Fahrer Gebühren an die al Shabaab zahlen, um durch deren Gebiet fahren zu dürfen (S. 10). Im westlichen Ausland gewesen zu sein, sei für sich genommen kein Problem für die al Shabaab, zumal viele Mitglieder der al Shabaab selbst einen Hintergrund oder eine Familie in westlichen Ländern haben. Allerdings werde westliche Verhaltensweise und Kleidung (z.B. ein in die Hose gestecktes Hemd) durch die al Shabaab sanktioniert (S. 10). Das mit einer Reise verbundene Risiko könne im Einzelfall durch spezielle Maßnahmen reduziert werden (S. 12). Daneben ist auch eine Reise mit dem Flugzeug von Mogadischu nach Beled Weyne möglich, die rund eine Stunde dauere und 115 US-Dollar koste (S. 13). Nach dieser Auskunftslage bestehen keine Bedenken, dass es dem Kläger tatsächlich möglich ist, von Mogadischu aus Beled Weyne und weiter sein Heimatdorf Har Ade (oder Harcadey) zu erreichen (ebenso OVG Niedersachsen, U.v. 5.12.2017 - 4 LB 50/16 – juris Rn. 68).

Dort droht ihm nicht die Gefahr einer menschenunwürdigen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Versorgungslage. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat, liegt sein Heimatort ca. einen Kilometer vom Flusstal des Shabelle entfernt. Die Gegend ist zwar von den starken Regenfällen der Gu-Regenzeit im Frühjahr 2018 stark betroffen (vgl. UN-OCHA, Flash Updates #3 – 6), nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ist sein Dorf jedoch nicht überschwemmt worden. Auch wenn Teile der Ernte durch die Regenfälle vernichtet sein mögen, wird aufgrund der großen Regenfälle nun erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln mittelfristig verbessern wird. Die Bedingungen sind insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte gerechnet werden kann (BFA Staatendokumentation – Somaliland v. 12.1.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 3.5.2018, S. 5 ff. m.w.N.). Damit ist eine ausreichende Versorgung des Klägers in seinem Heimatort gewährleistet. Bestätigt wird diese Einschätzung dadurch, dass die sonst in Beled Weyne lebende Schwester des Klägers mit ihrem Mann nach dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in ihrem Heimatort gezogen ist und auch Familien von der anderen Seite des Shabelle in den Heimatort des Klägers geflüchtet sind.

b) Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die insoweit bestehende Sperrwirkung nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG i.V.m. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung überwunden werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, Urteil v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Eine solche Schutzlücke besteht im Hinblick auf die in Somalia den Kläger erwartenden Lebensbedingungen aus den oben zu § 60 Abs. 5 AufenthG dargestellten Gründen nicht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger bei seiner Anhörung angesprochenen Tuberkulose. Diese wurde einerseits im gerichtlichen Verfahren vom Kläger nicht weiter geltend gemacht. Darüber hinaus wurde im Bundesamtsbescheid vom 19. April 2017 überzeugend darauf eingegangen, weshalb sich der Senat die diesbezüglichen Ausführungen zu Eigen macht und gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung absieht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 132 VwGO.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der im Jahr 1997 geborene Kläger, afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Hazara schiitischen Glaubens, begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzstatus und die Feststellung von Abschiebungsverboten.

Der aus Kabul stammende Kläger reiste im Juli 2015 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellte am 18. März 2016 einen Asylantrag. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 8. August 2016 gab er im Wesentlichen an, er habe die letzten beiden Jahre vor seiner Reise nach Deutschland im Iran gelebt. Die Schule habe er bis zur fünften Klasse besucht und anschließend in Hotels und Restaurants gearbeitet. Im Iran sei er auch als Schneider tätig gewesen. In Afghanistan lebten noch ein Onkel mütterlicherseits und ein Onkel väterlicherseits sowie zwei Tanten. Der Onkel mütterlicherseits, bei dem er in Afghanistan gelebt habe und der von Beruf Bäcker sei, habe ihn stark misshandelt, indem er ihn täglich verprügelt habe. Zuletzt habe er auch Geld von ihm für Kost und Logis verlangen wollen. Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan befürchte er, dass sein Onkel nach ihm suchen, ihn misshandeln und Geld verlangen würde. Er habe in Afghanistan keine Wohnung, so dass er wieder zu dem Onkel zurückkehren müsste. Außerdem herrsche in Afghanistan Krieg.

Mit Bescheid vom 7. März 2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, Asylanerkennung und subsidiären Schutz ab (Nummern 1 bis 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nummer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen, andernfalls wurde die Abschiebung nach Afghanistan oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nummer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nummer 6).

Hiergegen ließ der Kläger am 17. März 2017 Klage erheben; er beantragt (sinngemäß),

die Beklagte unter Aufhebung der Nummern 1 und 3 bis 6 des Bescheids vom 7. März 2017 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,

und weiter hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte legte die Behördenakte vor, äußerte sich aber nicht zur Sache.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 3. August 2018 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte - insbesondere die Klagebegründung des Klägerbevollmächtigten - und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. September 2018 Bezug genommen.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2018 entschieden werden, obwohl für die Beklagte niemand erschienen ist. Die Beklagte wurde rechtzeitig zur Sitzung geladen und hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 27. Juni 2017 auf förmliche Zustellung der Ladung und Einhaltung der Ladungsfrist verzichtet. Die Beteiligten wurden mit der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen, dass gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 4, Abs. 1 AsylG) oder subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Er hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG. Die vom Bundesamt nach Maßgabe des § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung sowie das dreißigmonatige Einreise- und Aufenthaltsverbot sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht diesbezüglich von einer Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Es ergänzt lediglich wie folgt:

„1. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 AsylG.

1.1. Der Umstand, dass der Kläger Hazara und Schiit ist, führt nicht dazu, dass ihm allein deshalb mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden droht. Hazara unterliegen in Afghanistan zwar noch einer gewissen Diskriminierung, sind derzeit und in überschaubarer Zukunft aber weder einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung noch einer erheblichen Gefahrendichte im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt (BayVGH, B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris m.w.N.).“

Grundsätzlich hat sich für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara die Lage nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes verbessert. Zwar bestehen gesellschaftliche Spannungen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (vgl. Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 31.5.2018). Nach den Erkenntnissen des UNHCR werden Hazara bis zu einem gewissen Grad weiterhin diskriminiert. Insbesondere Paschtunen hätten Vorbehalte gegenüber den in der Vergangenheit an den Rand gedrängten und diskriminierten Hazara, die seit dem Sturz der Taliban 2001 deutliche wirtschaftliche und politische Fortschritte gemacht hätten. Die Hazara würfen der Regierung vor, Paschtunen zum Nachteil anderer Ethnien, insbesondere der Hazara, zu bevorzugen. In bestimmten Gebieten könne es zu Übergriffen von Taliban und anderen Regierungsgegnern kommen, die möglicherweise an die Volks- bzw. schiitische Religionszugehörigkeit anknüpften. Es gebe Berichte über Belästigungen, Einschüchterungen bis hin zu Tötungen. In den Provinzen Wardak und Ghazni gebe es immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen um Weideland zwischen paschtunischen Nomaden (Kuchis) und dort sesshaften Hazara (vgl. UNHCR: Eligibilty Guidelines for assessing the international protection needs of asylum-seekers from Afghanistan, 19. April 2016, S. 67 f., 75 f.). Im Jahr 2015 habe es Entführungen von Hazara auf der Fernstraße zwischen Kabul und Kandahar sowie der Straße von Maidan Shahr nach Bamiyan in der Provinz Wardak gegeben. Mehrere Hazara seien vermutlich von Anhängern des sog. Islamischen Staates getötet worden. Der sogenannte Islamische Staat in der Provinz Khorasan (ISPK) führt zunehmend Anschläge gegen die schiitische Minderheit der Hazara durch, die auch wegen der Teilnahme afghanischer Schiiten am Kampf gegen den IS auf Seiten des syrischen Regimes im Brennpunkt des ISPK steht. Landesweit schreibt UNAMA dem ISPK 899 zivile Opfer (209 Tote und 690 Verletzte) im Jahr 2016 und 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) im Jahr 2017 zu und spricht von einer Verzehnfachung der von dem ISPK verursachten Opferzahl gegenüber dem Jahr 2015. Über die Hälfte der 2016 getöteten und verletzten Zivilisten, nämlich 85 Tote und 413 Verletzte, fiel einem Anschlag auf eine Demonstration in Kabul am 23. Juli 2016 zum Opfer, an der in erster Linie Angehörige der Hazara teilnahmen. Anschläge des ISPK auf Hazara in deren angestammten Siedlungsgebiet in der zentralen Hochlandregion sind aber bislang nicht bezeugt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017, Stand Juli 2017, vom 28.7.2017, S. 10).

Seit Anfang 2016 kam es mehrfach zu tödlichen Angriffen auf schiitische Moscheen und Kulturzentren in Kabul und anderen Städten des Landes (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31.5.2018; UNAMA Special Report „Attacken gegen religiöse Stätten, religiöse Führer und Gläubige“ vom 7. November 2017, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_report_on_attacks_against_places_of_worship_7nov2017_0.pdf). Am 9. März 2018 wurde ein Selbstmordanschlag vor einer schiitischen Moschee in Kabul verübt, bei dem neun Menschen ums Leben kamen. Am 25. März 2018 kam es in Herat ebenfalls zu einem Angriff auf eine schiitische Moschee, bei der ein Mensch getötet und 14 verletzt wurden. Am 22. April 2018 wurde ein Anschlag vor einer afghanischen Behörde verübt, welche für die Wahl notwendige Ausweispapiere ausgibt. Dabei starben mindestens 60 Menschen und 129 wurden verletzt. Der betroffene Stadtteil ist schiitisch geprägt. Der ISKP bekannte sich zu den Anschlägen.

Weitere Entführungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara durch vermutlich andere Tätergruppen habe es in den Provinzen Ghazni und Farah gegeben (vgl. Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 6.11.2015, Stand November 2015). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen registrierte 2015 20 Entführungsfälle durch Regierungsgegner mit mindestens 146 entführten Hazara, von denen 13 ermordet worden seien. Sieben von ihnen seien nach ihrer Verschleppung in die Provinz Zabul die Kehlen durchgeschnitten worden. Soweit bekannt, seien die Motive Lösegelderpressung, Gefangenenaustausch, unterstellte Zugehörigkeit zu den Sicherheitskräften oder die Weigerung illegale Abgaben zu entrichten, gewesen. Bis auf einen ereigneten sich die Fälle in gemischtethnischen Gebieten der Provinzen Ghazni, Balkh, Sari Pul, Faryab, Uruzgan, Baghlan, Wardak, Jawzjan und Ghor (vgl. UNAMA, Stand Februar 2016: Afghanistan. Annual Report 2015, Protection of Civilians in Armed Conflict. Kabul, S. 49 f.).

Unter Zugrundelegung dessen, dass die Zahl der Hazara in Afghanistan auf rund 3 Millionen geschätzt wird (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31.5.2018), kann aus den geschilderten Vorfällen aber nicht geschlossen werden, dass einem Angehörigen dieser Volksgruppe allein deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden droht. Vielmehr handelte es sich bei den oben geschilderten Entführungen und Anschlägen erkennbar um Einzelfälle. Nach Bekanntwerden der Vorfälle in der Provinz Zabul kam es in der Hauptstadt Kabul und in anderen Städten zu Protesten tausender Menschen gegen die Übergriffe auf die Angehörigen der Hazara (vgl. Human Rights Watch vom 13.11.2015: Afghan Killings Highlight Risks to Ethnic Hazaras, https://www.ecoi.net/local_link/315034/453623_de.html, Abruf am 14.01.2016; UNAMA a.a.O., S. 50). Dies zeigt, dass der von sunnitischen Extremisten gegen die überwiegend schiitischen Hazara gerichtete Hass in weiten Teilen der Gesellschaft keine Unterstützung findet. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Regierung mit Unterstützung der NATO-Truppen grundsätzlich schutzwillig ist (vgl. auch UNAMA Special Report „Attacken gegen religiöse Stätten, religiöse Führer und Gläubige“ vom 7. November 2017, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_report_on_attacks_against_places_of_worship_7nov2017_0.pdf). Die sonstigen in Einzelfällen weiterhin bestehenden Benachteiligungen stellen grundsätzlich keine Eingriffe von erheblicher Intensität dar. Anzeichen dafür, dass die Hazara allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit landesweit einer gezielten Verfolgung oder Gefährdung im Sinne des § 4 AsylG unterliegen, liegen jedenfalls nicht vor (so auch st. Rspr. BayVGH, B.v. 14.8.2017 - 13a ZB 17.30807 - juris Rn. 19; VGH Baden-Württemberg, U.v. 24.1.2018 - A 11 S 1265/17).

1.2. Dem Kläger droht auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine individuelle Verfolgung oder ein ernsthafter Schaden in Gestalt einer unmenschlichen Behandlung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger entsprechend seinem Vortrag als Kind und Jugendlicher einer unmenschlichen Behandlung seitens seines Onkels ausgesetzt war, so sprechen stichhaltige Gründe gegen eine Wiederholungsträchtigkeit im Falle der Rückkehr nach Afghanistan. Denn der Kläger ist nunmehr 21 Jahre alt und damit erwachsen, so dass er nicht mehr auf seinen Onkel angewiesen ist. Im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Afghanistan ist vor dem Hintergrund der schlechten Erfahrungen, die der Kläger im Haus seines Onkels gemacht hat, mit Sicherheit davon auszugehen, dass er als volljähriger junger Mann nicht mehr in diesem Haus wohnen wird. Dies ist ihm auch zuzumuten. Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Kläger, wenn er nicht mehr bei seinem Onkel lebt und diesem „nicht mehr auf der Tasche liegt“, keiner unmenschlichen Behandlung seitens des Onkels mehr ausgesetzt sieht bzw. sich einer solchen entziehen können wird. Etwaige Geldforderungen des Onkels stellen als solche keine asylrelevante Verfolgung oder unmenschliche Behandlung dar. Eine unmenschliche Behandlung ist damit im Falle der Rückkehr nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten.

1.3. Unabhängig davon müsste sich der Kläger jedenfalls auf internen Schutz in einer anderen Region Afghanistans gemäß § 3e AsylG bzw. § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3e Abs. 1 AsylG verweisen lassen.

Danach wird Flüchtlings- bzw. subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn dem Schutzsuchenden in einem Teil seines Herkunftslandes keine Verfolgung und kein ernsthafter Schaden droht oder er Zugang zu Schutz hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Das setzt voraus, dass dort nicht andere, unzumutbare Nachteile drohen. Dabei sind auch nicht verfolgungsbedingte Gefahren zu berücksichtigen und zwar - im Unterschied zu Art. 16a GG - auch dann, wenn diese am Herkunftsort in gleicher Weise bestehen (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 10 C 11.07 - juris Rn. 31, 32, 16; Heilbronner, Ausländerrecht, Stand: Dezember 2016, Anm. zu § 3e AsylVfG Rn. 10 ff. und zu Art. 16a GG Rn. 216). Zumutbar ist eine Rückkehr daher insbesondere nur dann, wenn der Ort der inländischen Schutzalternative ein wirtschaftliches Existenzminimum ermöglicht. Insoweit ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass ein verfolgungssicherer Ort dem Ausländer das wirtschaftliche Existenzminimum grundsätzlich immer dann bietet, wenn er dort durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und der Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, etwa in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor ausgeübt werden. Nicht mehr gesichert ist das wirtschaftliche Existenzminimum, wenn der Ausländer am Ort der inländischen Fluchtalternative bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein „Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.2006 - 1 B 100/05 - juris Rn. 11; BVerwG, B.v. 21.5.2003 - 1 B 298/02 - juris Rn. 3; U.v. 1.2.2007 - 1 C 24/06 - juris Rn. 11; U.v. 31.3.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 20). Im Hinblick auf den internen Schutz gem. § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG muss für den Rückkehrer in dem schutzgewährenden Landesteil die Existenzgrundlage damit soweit gesichert sein, dass von ihm erwartet werden kann, dass er sich vernünftigerweise dort aufhält. Dies geht als Zumutbarkeitsmaßstab über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 5 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus, wobei das Bundesverwaltungsgericht bislang offen gelassen hat, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 - 10 C 11.07 - juris Rn. 35; U.v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 20, jeweils zu § 60 Abs. 7 Sätze 1 und 3 AufenthG a. F.; NdsOVG, U.v. 19.09.2016 - 9 LB 100/15 - juris; OVG NW, B.v. 6.6.2016 - 13 A 1882/15.A - juris Rn. 14).

Gemessen daran ist das erkennende Gericht davon überzeugt, dass vom Kläger vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in Afghanistan an einem Ort niederzulassen, an dem ihm nach seinem individuellen Risikoprofil kein ernsthafter Schaden droht und an dem er sein Existenzminimum sicherstellen kann. So ist es für den Kläger beispielsweise zumutbar, sich in Herat oder Mazar-e-Sharif niederzulassen.

Angesichts eines fehlenden Meldesystems in Afghanistan (vgl. Bundesamt für Migration und Asyl, Länderinformationsblatt der Staateninformation, Afghanistan, v. 2.3.2017 mit Aktualisierung v. 30.1.2018, S. 193), der Größe dieser Städte und der seit der Ausreise des Klägers inzwischen verstrichenen Zeit von vier Jahren ist unter Berücksichtigung der Natur und Motivation der vorgetragenen Bedrohung nicht davon auszugehen, dass der Kläger dort von seinem Onkel gesucht würde bzw. von diesem gefunden würde. Zwar dürfte aufgrund der hohen sozialen Kontrolle selbst in den Großstädten ein vollkommen anonymes Leben auf Dauer nur schwer möglich sein (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, 31.5.2018, S. 20). Allerdings handelt es sich beim Kläger nicht um eine besonders profilierte und exponierte Persönlichkeit und auch bei seinem Onkel nicht um einen mächtigen Mann, so dass davon auszugehen ist, dass der Onkel weder über ein hinreichendes Interesse noch über die erforderlichen Ressourcen verfügt, um nach dem Kläger zu suchen, wenn dieser nicht an seinen Herkunftsort zurückkehrt, sondern sich in einer anderen größeren Stadt niederlässt.

Dem Kläger ist nach Überzeugung des Gerichts eine Rückkehr in eine größere afghanische Stadt wie beispielsweise Herat oder Mazar-e-Sharif nach seinen individuellen Verhältnissen auch zumutbar. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland in der Lage wäre, dort - notfalls auch ohne Unterstützung seiner weiterhin in Afghanistan lebenden Onkel väterlicherseits und seiner Tanten -einen Lebensunterhalt oberhalb des Existenzminimums insoweit zu verdienen, dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, sich dort niederzulassen. Der junge, gesunde und arbeitsfähige Kläger ist mit den Verhältnissen in Afghanistan gut vertraut, da er dort aufgewachsen ist. Er verfügt über eine Schulbildung, womit er gegenüber den vielen Analphabeten in Afghanistan klar im Vorteil ist, sowie trotz seines jungen Alters bereits über durchaus vielfältige Berufserfahrung als Schneider und im Gastronomiegewerbe. Damit hat er es vor seiner Ausreise geschafft, sich das Geld für die Flucht zu verdienen, so dass davon auszugehen ist, dass er sich auch das für seinen Lebensunterhalt erforderliche erarbeiten können wird.

In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass alleinstehende, leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter grundsätzlich in der Lage sind, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris Rn. 5 ff, u.a. mit Hinweis auf VGH BW, U.v. 5.12.2017 - A 11 S 1144/17; vgl. auch VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris; U.v. 11.4.2018 - A 11 S 924/17 - juris). Diese Einschätzung ist nach wie vor aktuell; so hat insbesondere EASO im Juni 2018 unter Verweis auf detaillierte und differenzierte Erkenntnisse daran festgehalten, dass u.a. Mazar-e-Sharif und Herat für alleinstehende junge Männer zumutbare Fluchtalternativen darstellen (vgl. EASO, Country Guidance Afghanistan, Juni 2018, S. 106). Zudem geht auch der UNHCR nach wie vor davon aus, dass alleinstehende Männer unter bestimmten Umständen auch ohne Unterstützung ihrer Familie bzw. ihrer weiteren Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Bereichen leben können (vgl. UNHCR, Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan v. 30. August 2018, S. 110).

Das Gericht geht auch davon aus, dass die genannten Alternativen zu Kabul von dort - als dem Zielort einer Abschiebung - aus in rechtlich zumutbarer Weise zu erreichen wären. Nach den überzeugenden Auskünften des britischen Außenministeriums (vgl. Home Office, Afghanistan: Security and humanitarian situation, Abschnitt 2.4.6 f.) gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass Zivilisten auf den Hauptrouten zwischen Kabul und den großen Städten Gefahren solcher Intensität drohen, dass sie die unter dem Gesichtspunkt des subsidiären Schutzes rechtlich erhebliche Schwelle erreichen; dies deckt sich mit den Erkenntnissen von EASO (vgl. EASO, Afghanistan: Security Situation, Dezember 2017, S. 54 f.). Im Übrigen gibt es Inlandsflugverbindungen von Kabul nach Herat und Mazar-e Sharif.

1.4. Die allgemeine Gefährdungslage in Afghanistan bzw. in der Provinz Kabul, wohin wohl eine Abschiebung erfolgen würde, und in den Provinzen Balch und Herat, wo der Kläger internen Schutz finden könnte, erreicht auch unter Zugrundelegung der aktuellen Erkenntnismittel keine Intensität, aufgrund der bereits ohne das Vorliegen individueller gefahrerhöhender Umstände von der Erfüllung des Tatbestands des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auszugehen wäre. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, ist nach den von der Rechtsprechung hierfür angelegten Maßstäben unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2017 - 13a ZB 17.30756- juris; B.v. 11.4.2017 - 13a ZB 17.30294 - juris, B.v. 8.2.2017 - 13a ZB 17.30016 - juris; BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 33; BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22 f., jeweils m.w.N.). Die genannten Orte sind daher auch im Hinblick auf die Sicherheit als Orte des internen Schutzes geeignet.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) besteht und dass es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte einer wertenden Gesamtbetrachtung auf der Grundlage einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos bedarf (vgl. BayVGH, U.v. 17.1.2017 - 13a ZB 16.30182 - juris Rn. 4 ff. m.w.N.). Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Betroffenen fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist somit ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (BayVGH, U.v. 17.1.2017 a.a.O. Rn. 5 m.w.N.). Zur Ermittlung der für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichenden Gefahrendichte ist dabei aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Herkunftsprovinz lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung zu setzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei ein Risiko von ca. 1:800 oder 0,125%, in der Herkunftsprovinz verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der für den subsidiären Schutz beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich das Fehlen einer wertenden Gesamtbetrachtung neben der rein quantitativen Ermittlung nicht auszuwirken vermag (BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 22 f.; dazu auch BayVGH, U.v. 17.1.2017 a.a.O. Rn. 6 f. m.w.N.).

An diesen, in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung gefestigten Maßstäben gemessen, ist für den Kläger nicht davon auszugehen, dass die für die Feststellung einer individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erforderliche Gefahrendichte auch nur möglicherweise annähernd erreicht wäre:

Ausgehend von mindestens 27 Millionen Einwohnern (vielfach wird eine höhere Bevölkerungszahl angenommen) und von 11.418 Opfern in Afghanistan im Jahr 2016 bzw. 10.453 Opfern im Jahr 2017 (nach UNAMA) lag die Gefahrendichte in den Jahren 2016 und 2017 landesweit erheblich unter 0,12% oder 1:800 (vgl. für das Jahr 2016 BayVGH, B.v. 31.8.2017 - 13a ZB 17.30756 - juris). Laut dem am 15. Juli 2018 veröffentlichten Halbjahres-Update über den Schutz der Zivilbevölkerung im bewaffneten Konflikt (allgemein abrufbar unter https://unama.unmissions.org/protection-of-civilians-reports) betrug die Zahl ziviler Opfer im ersten Halbjahr 2018 5122, so dass sich auf ein Jahr hochgerechnet eine Wahrscheinlichkeit von 0,04% ergibt, innerhalb eines Jahres verletzt oder getötet zu werden.

Unter Zugrundelegung einer Einwohnerzahl der Provinz Kabul von 4,52 Mio. im Jahr 2016 (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2.3.2017, in der Fassung der Einfügung am 30.1.2018, Nrn. 3.1 ff, S. 29 ff) und der Opferzahlen für das Jahr 2017 (UNAMA, Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual Report 2017, February 2018, Anlage 3, S. 67 ff) errechnet sich für die Provinz Kabul eine Wahrscheinlichkeit von 0,04%, innerhalb eines Jahres verletzt oder getötet zu werden. Dieselbe Wahrscheinlichkeit ergibt sich unter Zugrundelegung des am 15. Juli 2018 veröffentlichten Halbjahresberichts 2018 der UNAMA. Vergleichbares gilt für die Provinz Balkh mit der Provinzhauptstadt Mazar-e-Sharif. Dort ergibt sich bei einer Einwohnerzahl von 1,38 Millionen (vgl. EASO, Afghanistan: Security Situation, Dezember 2017, S. 88) und 129 zivilen Opfern im Jahr 2017 (vgl. UNAMA) ein Risiko von 1 zu 10.697 und eine Gefahrendichte von 0,009%. Schließlich ergibt sich für die Provinz Herat nichts anderes, dort ergibt sich bei einer Zahl von 495 zivilen Opfern im Jahr 2017 (vgl. UNAMA) und einer Einwohnerzahl von 1,928 Millionen (vgl. EASO, a.a.O., S. 137) ein Risiko von 1 zu 3.894 bzw. von 0,025%. Diese Zahlen sind bei Anlegung der dargelegten Maßstäbe auch unter Berücksichtigung einer gewissen Dunkelziffer weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt.

Auch ist nicht ersichtlich, dass eine im Wesentlichen zunehmende Tendenz der Opferwahrscheinlichkeit gegeben wäre. Insoweit muss zwar festgestellt werden, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan insgesamt seit Anfang 2016 deutlich verschlechtert hat und die Situation dort als volatil anzusehen ist (vgl. Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern, Dezember 2016, S. 1; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19. Juni 2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 1). Nach der Dokumentation von UNAMA (UNAMA first quarter 2017 civilian casualty Data, vom 27.04.2017) ist jedoch für die ersten drei Monate im Jahr 2017 eine Anzahl ziviler Opfer in Höhe von 2.181 verzeichnet worden. Dies entspricht laut UNAMA einem Rückgang von vier Prozent im Vergleich zu den ersten drei Monaten des Vorjahres (2.268 zivile Opfer). Im ersten Halbjahr 2017 bewegten sich die Opferzahlen in etwa auf dem hohen Niveau des Vorjahres; laut den Daten von UNAMA (Afghanistan. Protection of civilians in armed conflict. Midyear Report 2017, July 2017, S. 3) sank die Anzahl der Opfer um etwa ein halbes Prozent im Vergleich zum Vorjahr (24 Opfer weniger / 5.267 Opfer im ersten Halbjahr 2016). Nach dem am 12. Oktober 2017 veröffentlichten Bericht der UNAMA über zivile Opfer im bewaffneten Konflikt, der den Zeitraum 1. Januar bis 30. September 2017 umfasst, bewegten sich die Opferzahlen im Berichtszeitraum weiterhin auf dem Niveau des Jahres 2016 (landesweit wurde im Vergleich zur selben Periode des Jahres 2016 ein Rückgang um 6% verzeichnet, wobei jedoch die Zahl der Todesopfer um 1% gestiegen war). Wenngleich die durch Anschläge und Selbstmordattentate verursachten zivilen Opfer im Jahr 2017 im Vergleich zu den Vorjahren erheblich zugenommen hat, sank die Zahl der zivilen Opfer dem Jahresbericht der UNAMA vom Februar 2018 zufolge im Vergleich zum Jahr 2016 insgesamt um neun Prozent, was den ersten Rückgang der Opferzahlen seit dem Jahr 2012 darstellt. Die Zahl der Toten sank um zwei Prozent und die Zahl der Verletzten um elf Prozent. Nach dem Halbjahresbericht 2018 der UNAMA vom 15. Juli 2018 bewegten sich die Opferzahlen im ersten Halbjahr 2018 auf demselben hohen Niveau wie im Vorjahreszeitraum, wobei die Zahl der Todesopfer um 1% gestiegen und die Zahl der Verletzten um 5% gesunken war.

Eine wesentliche Steigerung der Opferzahlen für die Zukunft implizieren die aktuellen Berichte mithin nicht; vielmehr bewegen sich die Opferzahlen seit 2016 im Wesentlichen auf demselben Niveau.

Damit ist auch bei einer wertenden Gesamtbetrachtung (vgl. dazu BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 - juris Rn. 23) nicht von einer erheblichen individuellen Gefahr im genannten Sinne auszugehen, zumal die medizinische Versorgungslage in den Nord- und Zentralprovinzen bzw. in den Städten besser ist als im Süden oder Südosten bzw. in ländlichen Gebieten (vgl. AA, Lagebericht vom 19.10.2016 - Stand September 2016 - S. 23, und Lagebericht vom 31.5.2018, S. 26 f).

Auch aus den aktuellen UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 ergeben sich insoweit keine Tatsachen, die nach den vorgenannten rechtlichen Maßstäben zu einer anderen Bewertung führen. Der UNHCR beschreibt darin allgemein eine volatile Sicherheitslage sowie eine Verschlechterung der Situation seit dem Abzug der internationalen Sicherheitskräfte im Jahr 2014. Für das Jahr 2018 spricht der UNHCR von einer hohen Zahl ziviler Opfer und verweist dazu im Einzelnen insbesondere auf das o.g. Midyear Update von UNAMA. Im Übrigen betont der UNHCR, dass die Schutzberechtigung aufgrund einer Einzelfallbetrachtung („depending on the specific circumstances of the case“ zu bewerten ist (vgl. UNHCR, Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan v. 30. August 2018, S. 37, 103 f.).

Im Übrigen geht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weiterhin davon aus, dass in keiner Region Afghanistans die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegen. Auch führe die Lage in Afghanistan nicht dazu, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG anzunehmen wäre (vgl. z.B. B.v. 4.1.2018 - 13a ZB 17.31287 - UA Rn. 5; B.v. 2.11.2017 - 13 a ZB 17.31033 - juris Rn. 5).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist ebenfalls der Auffassung, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletze (vgl. EGMR, U.v. 11.7.2017 - S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 Rn. 53; U.v. 11.7.2017 - Soleimankheel and others/Netherlands, Nr. 41509/12 Rn. 51; U.v. 11.7.2017 - G.R.S./Netherlands, Nr. 77691/11 Rn. 39; U.v. 11.7.2017 - E.K./Netherlands, Nr. 72586/11 Rn. 67; U.v. 11.7.2017 - E.P. and A.R./Netherlands, Nr. 63104/11 Rn. 80; U.v. 16.5.2017 - M.M./Netherlands, Nr. 15993/09 Rn. 120; U.v. 12.1.2016 - A.G.R./Niederlande, Nr. 13442/08 - NvWZ 2017, 293 Rn. 59).

Das Bestehen individueller, gefahrerhöhender Umstände, die eine Gefährdung im o.g. Sinne dennoch begründen könnten, ergibt sich für den Kläger nach dessen Vorbringen nicht in einem rechtlich relevanten Maß. Diesbezüglich wird auf obige Ausführungen verwiesen.

2. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen nicht vor.

Bei den national begründeten Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und dem nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16f.).

2.1. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Maßgeblich sind die Gesamtumstände des jeweiligen Falls und Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit. Im Hinblick auf eine allgemein schlechte Sicherheitslage im Zielstaat der Abschiebung ist Art. 3 EMRK erst dann verletzt, wenn die allgemein durch Gewalt bestimmte Lage im Bestimmungsland so intensiv ist, dass sie die wirkliche Gefahr begründet, jede Abschiebung in dieses Land werde zwangsläufig Art. 3 EMRK verletzen. Das ist nur in extremen Ausnahmefällen anzunehmen und in Afghanistan nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) derzeit nicht der Fall (EGMR, U.v. 12.1.2016 - 13442/08 - A.G.R./Niederlande, NVwZ 2017, 293, Leitsatz; BVerwG, U.v. 31.01.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 26).

Allgemein schlechte humanitäre Bedingungen können nach der Rechtsprechung des EGMR in außergewöhnlichen Ausnahmefällen ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen, und zwar dann, wenn die humanitären Gründe „zwingend“ sind und überwiegend auf direkte und indirekte Aktionen der Konfliktparteien zurückgehen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23 ff. mit Verweis u.a. auf EGMR, U.v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09 - M.S.S./Belgien - NVwZ 2011, 413; v. 28.6.2011 - Nr. 8319/07 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, NVwZ 2012, 681). Die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen setzt allerdings ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraus (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - juris Rn. 19; B.v. 30.9.2015 - 13a ZB 15.30063 - juris Rn. 5). In Afghanistan führt die prekäre allgemeine bzw. humanitäre Lage nicht ohne weiteres dazu, dass eine Abschiebung eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde (vgl. VG München, B.v. 17.7.2018 - M 17 S7 18.32648; BayVGH, B.v. 4.1.2018 - 13a ZB 17.31287 - UA Rn. 5; B.v. 2.11.2017 - 13 a ZB 17.31033 - juris Rn. 5; B.v. 11.4.2017 - 13a ZB 17.30294 - juris Rn. 5; VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017 - 3 A 140/16 - juris Rn. 55 ff.).

Besondere, individuell erschwerende Umstände, die zu einem Abschiebeverbot führen würden, liegen beim Kläger als arbeitsfähigem, alleinstehenden jungen Mann unter Würdigung der vorliegenden Erkenntnismittel bei den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen nicht in dem erforderlichen Maße vor. Arbeitsfähige junge Männer sind auch ohne besondere Qualifikation, nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten, sodass für alleinstehende männliche Staatsangehörige grundsätzlich keine extreme Gefahrenlage besteht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 4.1.2018 - 13a ZB 17.31287 - UA Rn. 5; B.v. 2.11.2017 - 13 a ZB 17.31033 - juris Rn. 5; B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris Rn. 13). Dies gilt auch unter Berücksichtigung der volatilen Sicherheitslage, des teilweise fehlenden familiären und sozialen Netzwerks in Afghanistan, der angespannten Arbeitsmarktsituation und der besonderen Herausforderungen, denen sich Rückkehrer aus Europa in Afghanistan ausgesetzt sehen (VGH BW, U.v. 11.4.2018 - A 11 S 924/17 - juris Rn. 194 ff.; U.v. 9.11.2017 - A 11 S 789/17 - juris; BayVGH, B.v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris m.w.N.).

An dieser Einschätzung vermögen auch der neue EASO-Bericht vom Mai 2018, der Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 31. Mai 2018 (insbesondere S. 25 ff.) und die UNHCR-Richtlinie vom 30. August 2018 nichts zu ändern. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse, dass die Grundversorgung für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung darstelle (Lagebericht, IV.1.1.). Für Rückkehrer gelte dies in besonderem Maße. Viele von ihnen seien auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Laut UNOCHA benötigten 9,3 Millionen Menschen, d.h. ein Drittel der afghanischen Bevölkerung, humanitäre Hilfe. Bedarf bestehe besonders an Unterkunft, Nahrung, sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung. Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen. Das World Food Programme reagiere das ganze Jahr hindurch in verschiedenen Landesteilen auf Krisen bzw. Notsituationen wie Dürre, Überschwemmungen oder extremen Kälteeinbruch. Gerade der Norden - eigentlich die „Kornkammer“ des Landes - sei extremen Natureinflüssen wie Trockenheit, Überschwemmungen und Erdrutschen ausgesetzt. Für 2018 werde eine Dürre mit erheblichen Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Versorgung der Bevölkerung vorhergesagt. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. 1 Million oder fast 1/3 aller Kinder als akut unterernährt gelten würden. Die afghanische Regierung habe 2017 mit der Umsetzung des Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Eine Sonderkommission arbeite an einem neuen, transparenten Verfahren zur Landvergabe an Rückkehrer. Daneben gebe es für Rückkehrer jedoch auch die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfen und Unterstützungsmaßnahmen (vgl. Lagebericht, S. 26). Der Mangel an Arbeitsplätzen stelle für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hänge maßgeblich von lokalen Netzwerken ab (Lagebericht, S. 29). Nach den Erkenntnissen von EASO (EASO, Country of Origin Information Report Afghanistan - Key socio-economic indicators, state protection, and mobility in Kabul City, Mazar-e Sharif, and Herat City (August 2017), S. 67f.) würden nur etwa 15% der Arbeitnehmer über den örtlichen Bazar angeworben, der größte Teil der Arbeitsplätze werde über Freunde oder Verwandte erlangt.

Gleichwohl geht das erkennende Gericht weiter davon aus, dass im Falle leistungsfähiger, erwachsener Männer ohne Unterhaltsverpflichtungen und ohne familiäres oder soziales Netzwerk bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland in Kabul die hohen Anforderungen des Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG, Art. 3 EMRK nicht erfüllt sind, sofern nicht spezifische individuelle Einschränkungen oder Handicaps festgestellt werden können, was hier jedoch nicht der Fall ist. Auf die umfangreichen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (vgl. VGH BW, U.v. 11.4.2018 - A 11 S 924/17 - juris Rn. 194 ff.; U.v. 09.11.2017 - A 11 S 789/17 - juris), der sich die Einzelrichterin anschließt, wird Bezug genommen. Auch die Ausführungen des UNHCR (UNHCR-Richtlinie vom 30. August 2018) zu den Verhältnissen in Afghanistan entsprechen im Wesentlichen den Verhältnissen, wie sie der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seinem Urteil vom 11. April 2018 (A 11 S 924/17 - juris) zugrunde gelegt hat. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Umstände, dass 72,4% der städtischen Bevölkerung laut aktuellem UNHCR-Bericht inzwischen in Slums lebten, (a.a.O. Rn. 227 ff.), dass „verwestlichte“ Rückkehrer besonders gefährdet seien (a.a.O. Rn. 271 ff.) und derzeit eine prekäre Lage durch die hohe Anzahl von Binnenvertriebenen bestehe (a.a.O. 235 ff.). Davon maßgeblich abweichende Erkenntnisse, die einer Abschiebung des Klägers im Sinne von Art. 3 EMRK zwingend entgegensprächen, sind den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 nicht zu entnehmen. Die dortigen Ausführungen beziehen sich zudem auf den Gesichtspunkt der Zumutbarkeit von Kabul als mögliche inländische Fluchtalternative. Das Kriterium der Zumutbarkeit, nämlich die Frage, ob vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sich ein Ausländer am Ort des internen Schutzes niederlässt, ist aber nicht mit dem Fehlen einer Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK gleichzusetzen (Marx, ZAR 2017, 304 (306); VGH Baden-Württemberg, B.v. 8.8.2018 - A 11 S 1753/18 - juris).

2.2. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nicht vor.

Die allgemeine Gefahr in Afghanistan hat sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Die drohenden Gefahren müssten nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Ausreise in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann, der Ausländer somit gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - juris Rn. 15).

Arbeitsfähige, gesunde junge Männer sowie verheiratete Ehepaare sind auch ohne besondere Qualifikation, nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten, so dass für alleinstehende männliche Staatsangehörige und verheiratete Ehepaare im berufsfähigen Alter ohne weitere Unterhaltspflichten keine extreme Gefahrenlage besteht (BayVGH, B.v. 28.3.2017 - 13a ZB 17.30212 - juris; B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris m.w.N., U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; B.v. 25.1.2017 - 13a ZB 16.30374 - juris Rn. 12; B.v. 23.1.2017 - 13a ZB 17.30044 - juris Rn. 5; B.v. 17.1.2017 - 13a ZB 16.30929 - juris Rn. 2; B.v. 22.12.2016 - 13a ZB 16.30684 - juris Rn. 7; U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris Rn. 17; VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017 - 3 A 140/16 - juris Rn. 60). Gerade Rückkehrer aus dem Westen sind dabei in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch die Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in Nachbarländer Afghanistans geflohen sind, wesentlich höher (BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris Rn. 21).

Im Hinblick auf eine mögliche Eigenexistenzsicherung hat der Kläger die hierfür erforderliche Leistungsfähigkeit eines gesunden jungen Mannes. Seine Chancen im Verdrängungskampf um die knappen Arbeitsmarktressourcen sind auch aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt als nicht aussichtslos im Vergleich bei der derzeitigen afghanischen Konkurrenzsituation einzuschätzen. Diesbezüglich wird auf obige Ausführungen zum internen Schutz Bezug genommen.

Nach alledem ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger in dem nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Falle einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland in der Lage wäre, durch Gelegenheitsjobs in Kabul, wohin eine Abschiebung erfolgen würde (vgl. zum Abschiebeweg Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 26), oder in einer anderen größeren Stadt ein Einkommen zu erzielen, das ein Leben über dem Existenzminimum ermöglicht, und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.

Zudem kann der Kläger Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nehmen. Diese umfassen neben einer finanziellen Starthilfe auch Unterstützung bei beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche und Geschäftsgründung. Dabei ist es unerheblich, dass diese Hilfen teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf grundsätzlich des Schutzes in der Bundesrepublik Deutschland nicht, wer eine geltend gemachte Gefährdung im Zielstaat durch zumutbares eigenes Verhalten - wozu insbesondere die freiwillige Ausreise und Rückkehr in den Heimatstaat gehört - abwenden kann (BVerwG, U.v. 15.4.1997 - 9 C 38/96 - juris).

3. Die in dem angefochtenen Bescheid verfügte Androhung der Abschiebung nach Afghanistan stützt sich auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG, die festgesetzte Ausreisefrist auf § 38 Abs. 1 AsylG. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine kürzere Bemessung des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Anhaltspunkte dafür, dass die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG auf 30 Monate nicht rechtmäßig ist, liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 83b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Juli 2017 wird Nr. 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juli 2016 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben am 15. Juli 1981 in Laschkar Gah (Afghanistan, Provinz Helmand) geboren und afghanischer Staatsangehöriger der Volkszugehörigkeit Hazara. Er stellte am 10. April 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Im Rahmen einer Befragung bei der Regierung von Oberbayern am 15. April 2014 (Sprache: Dari) gab der Kläger u.a. an, Afghanistan (Wohnort: Provinz Ghazni, Distrikt Jaghori, Dorf Hezar) zuletzt am 12. Oktober 2003 verlassen zu haben. Er sei mit seiner Mutter über Pakistan in den Iran gegangen und später allein über die Türkei nach Griechenland gereist. In Griechenland habe er bei einer Kirche gearbeitet und im Jahr 2007 Asyl beantragt. Die Frau, die er am 16. Dezember 2012 in Griechenland kirchlich und am selben Tag im Iran „mit Vollmacht“ geheiratet habe (im Folgenden: Ehefrau), sei bereits seit 2013 in Deutschland. Amtliche Nachweise der Eheschließung könne er nicht vorlegen. In Afghanistan habe er nur weit entfernte Verwandte. Verwandte im Ausland oder Europa habe er nicht.

Bei der Anhörung beim Bundesamt am 15. Juli 2016 gab der Kläger u.a. an, dass er in Laschkar Gah (Afghanistan) geboren sei. Er sei jedoch bereits im Alter von vier Jahren zusammen mit seinen Eltern in den Iran gezogen. Im Alter von 20 Jahren sei er sodann mit seiner Mutter wieder für zwei Jahre zurück nach Afghanistan (Ghazni Jaghori) gegangen, der Vater sei im Iran geblieben. Die Eltern seien nunmehr verstorben. Er habe keine Verwandten in Afghanistan. In Pakistan habe er eine Tante und einen Cousin; in Australien habe er wohl einen Onkel. Seine Ehefrau sei in Deutschland. Er habe die Schule bis zur 11. Klasse besucht; danach habe er die Universität besuchen wollen, dies sei jedoch nicht gegangen. Er habe sodann den Beruf des Schweißers erlernt. Er habe Afghanistan zuletzt im Oktober 2003 verlassen. Er sei über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland (Aufenthalt: 10 Jahre), Mazedonien, Serbien, Ungarn, erneut Griechenland (Rückschiebung durch Ungarn) und Italien nach Deutschland gelangt (Einreise: 4./5.4.2014). In Griechenland habe er im ersten Jahr in der Landwirtschaft gearbeitet, danach habe er eine Stelle als Schweißer gefunden. Ab 2009 habe er nur noch teilweise Arbeit gehabt. Er habe auch ehrenamtlich bei der Kirche und beim Roten Kreuz mitgearbeitet. Er habe in Athen/Griechenland am 16. Dezember 2012 eine Frau geheiratet, die bereits zwei Kinder gehabt hätte. Die Ehefrau habe Griechenland bereits Ende August 2013 verlassen. Er selbst habe Griechenland Ende März 2014 verlassen, da es keine Arbeit mehr gegeben und eine Gruppe sie belästigt habe. Zu den Gründen für seine Ausreise aus Afghanistan befragt gab der Kläger u.a. an, dass er in Ghazni Jaghori einen Bücherladen betrieben habe und auch als Fotograf auf Hochzeiten tätig gewesen sei. Ein oder zwei Tage vor der Ausreise habe er von seiner Mutter gehört, dass eine Familie behauptet habe, dass er Videos von ihrer Hochzeit ohne Erlaubnis weitergegeben habe. Aus Angst vor körperlicher Gewalt durch diese Familie, die sich in ihrer Ehre gekränkt gesehen habe, sei er dann ausgereist.

2. Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juli 2016 wurde der Asylantrag (Nr. 2) des Klägers sowie sein Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und subsidiären Schutzes (Nr. 3) abgelehnt. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien nicht gegeben (Nr. 4). Die Abschiebung nach Afghanistan wurde angedroht, sollte keine Ausreise innerhalb von 30 Tagen erfolgen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben seien. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass im Fall des Klägers eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliege. Der Kläger sei jung und erwerbsfähig. Ihm sei es mit seinem Mittelschulabschluss auch bis zu seiner Ausreise gelungen, für sich eine Lebensgrundlage zu schaffen.

Am 4. August 2016 erhob der Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2017 legte der Kläger dem Verwaltungsgericht einen bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 3. November 2016 vor, nach dem der Ehefrau (geb. am 1.1.1978) und zwei nicht gemeinsamen Kindern (geb. am 1.1.2006 bzw. 1.1.2013) subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist (Asylantragstellung: 28.8.2013). Ferner legte der Kläger einen bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 19. Mai 2017 vor, nach dem einer am 25. Februar 2015 in Neu-Ulm geborenen Tochter der Ehefrau, deren Vater er sei, im Wege des von der Mutter abgeleiteten Familienasyls nach § 26 AsylG ebenfalls subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist.

3. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2017 (Az. Au 8 K 16.31298) wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliege. Eine extreme Gefahrenlage ergebe sich für den Kläger in seiner afghanischen Heimatregion weder aus seiner Volkszugehörigkeit noch hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage. Dem Kläger drohe auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Er sei volljährig, gesund, arbeitsfähig und mit den Lebensverhältnissen in Afghanistan vertraut. Ferner spreche er eine der beiden Landessprachen. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG sei rechtmäßig.

4. Auf Antrag des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Dezember 2017 (Az. 13a ZB 17.31065) die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots zugelassen, da bezüglich der Erkenntnis des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger als Familienvater kein Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zustehe, die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (Divergenz) gegeben seien. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, nach der die mit dem Kläger in Deutschland lebende Ehefrau und das gemeinsame minderjährige Kind in die Bewertung mit einzubeziehen seien, ob die humanitären Bedingungen in Afghanistan eine Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK führt (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Der Verwaltungsgerichtshof gehe davon aus, dass hierbei Unterhaltsverpflichtungen des Klägers nicht außer Betracht bleiben könnten. Unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen sei eine solche Gefahrenlage im Fall einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern im Allgemeinen anzunehmen, so dass für sie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehe (siehe etwa BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175).

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger u.a. vor, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht bei der Bewertung der Versorgungslage in Afghanistan die Ehefrau und das gemeinsame Kind nicht berücksichtigt habe. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91) sowie des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285), nach der bei in Deutschland mit dem Asylbewerber zusammenlebenden Familienangehörigen im Lichte von Art. 6 GG im Rahmen einer möglichst realitätsnahen Rückkehrprognose auch im Heimatland auf die Gemeinschaft der Familienangehörigen abzustellen sei, ohne dass es auf etwaige Absichtserklärungen der Betroffenen oder ihren ausländerrechtlichen Status ankäme. Es könne letztlich nicht sein, dass ein Familienvater wie der Kläger nur deshalb schlechter stehe, weil seine Ehefrau einen Schutzstatus zuerkannt bekommen habe. Eine „normale“ Familie hätte insgesamt - also einschließlich des Klägers als Ehemann bzw. Vater - Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG erhalten. In jedem Fall seien die im Bescheid getroffene Abschiebungsandrohung, die Ausreisefrist sowie das Wiedereinreiseverbot rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Juli 2017 wird der Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2016 in Nr. 4. bis 6. aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, bei dem Kläger das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses aus § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG seien im Fall des Klägers nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es unzulässig, eine nicht realitätsgerechte Gefahrenprognose aufzustellen. Insbesondere sei geklärt, dass für den Fall, dass einem Familienmitglied ein Bleiberecht oder auch nur Abschiebungsschutz zuerkannt wurde, bei der gebotenen Gefährdungsprognose keine gemeinsame Rückkehr mit anderen Mitgliedern der Kernfamilie zu unterstellen sei (vgl. etwa BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - NVwZ-Beil. 2000, 146). So liege der Fall auch hier. Die Ehefrau des Klägers und das gemeinsame Kind hätten subsidiären Schutz aus § 4 AsylG zuerkannt erhalten und seien im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland bzw. hätten einen Anspruch hierauf. Sie seien daher im Rahmen der Rückkehrprognose nicht zu berücksichtigen. Daher sei der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einem alleinstehenden Mann ohne Unterhaltspflichten gleichzustellen, für den nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris Rn. 13) die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht gegeben seien. Ergänzend werde auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts verwiesen (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.). Hiernach müsse bei nationalen Abschiebungsverboten aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG stets geprüft werden, ob der Schutztatbestand in der Person eines jedes Familienmitglieds tatsächlich vorliege. Hieran änderten auch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nichts; denn allein die Ausländerbehörden - nicht das Bundesamt - hätten bei der Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse darüber zu befinden, ob eine Abschiebung mit dem Schutz der Familie aus Art. 6 GG vereinbar sei. Ausgehend von dieser Rechtsprechung sei somit aus Rechtsgründen bei der Rückkehrprognose richtigerweise ein anderer Ansatz geboten als derjenige, den der Verwaltungsgerichtshof bei Familien mit minderjährigen Kindern bisher zugrunde gelegt habe. Sollte der Verwaltungsgerichtshof hingegen an seinen bisherigen prognostischen Maßstäben festhalten und die Rückkehrsituation im Fall des Klägers der Konstellation einer Familie mit minderjährigen Kindern gleicherachten (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - juris), werde die Zulassung der Revision beantragt, um die umstrittene Rechtsfrage zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei der Rückkehrprognose Auswirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK einzubeziehen seien.

5. Ausweislich der im Berufungsverfahren beigezogenen Asylakte hat die Ehefrau des Klägers in ihrem Asylverfahren u.a. vorgetragen, dass sie Afghanistan verlassen habe, da ihr erster Ehemann - ein Kommandeur bei der afghanischen Armee, mit dem sie im Alter von neun Jahren zwangsverheiratet worden sei - sie und ihre Kinder schwer körperlich misshandelt habe. Nach der Scheidung sei sie auf der Flucht vor dem Ex-Ehemann über den Iran nach Griechenland gegangen. Dort habe sie den Kläger getroffen, der ihr geholfen habe. Später habe sie diesen „telefonisch“ und auch in einer christlichen Kirche in Griechenland geheiratet. Sodann habe der Kläger sie und die Kinder mit dem Flugzeug nach Deutschland geschickt, um selbst später auf dem Landweg nachzukommen. Die Ehefrau legte in ihrem Asylverfahren einen Auszug aus dem Geburtenregister der Stadt Neu-Ulm vom 12. November 2015 vor, nach dem sie dort am 25. Februar 2015 eine Tochter zur Welt gebracht hat; unter „Vater“ war niemand eingetragen. Ferner wurde eine Kopie eines Dokuments in persischer Sprache nebst deutscher Übersetzung durch einen allgemein vereidigten Dolmetscher vorgelegt; hiernach handele es sich um ein iranisches Dokument, nach dem der Kläger und die Ehefrau dort am 16. Dezember 2012 in Abwesenheit über zwei Stellvertreter nach islamischem Ritus die Ehe geschlossen hätten. Ausweislich eines internen Vermerks des Bundesamts zum bestandskräftigen Bescheid der Ehefrau des Klägers vom 3. November 2016 habe diese subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt erhalten, da ihr in Afghanistan Verfolgung durch ihren geschiedenen Ehemann drohe und ihr dort als alleinstehender bzw. alleinerziehender Frau keine interne Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

Ausweislich einer weiteren beigezogenen Asylakte wurde mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 23. Oktober 2017 einer am 6. Dezember 2016 in Neu-Ulm geborenen weiteren Tochter der Ehefrau im Wege des von der Mutter abgeleiteten Familienasyls nach § 26 AsylG ebenfalls subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt. In diesem Verfahren wurde ein Auszug aus dem Geburtenregister der Stadt Neu-Ulm vom 9. Januar 2017 vorgelegt, nach dem Vater dieser Tochter der Kläger sei (Zusatz: „Identität nicht nachgewiesen“).

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. November 2018 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist ganz überwiegend nicht begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO).

1. Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylG) hat der Kläger keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass in seinem Fall ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans gegeben ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

a) Der streitgegenständliche Anspruch folgt zunächst nicht aus dem Umstand, dass der Ehefrau des Klägers und den 2015 und 2016 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern durch das Bundesamt bestandskräftig subsidiärer Schutz i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist.

Insoweit gilt, dass § 26 AsylG ausweislich seines Wortlauts auf den im vorliegenden Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Anspruch auf ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine Anwendung findet; ein nationales Abschiebungsverbot muss vielmehr stets in der Person des jeweiligen Betroffenen selbst begründet sein (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 = juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG; BayVGH, U.v. 21.9.2009 - 21 B 08.30221 - juris Rn. 13-16).

b) Im Fall des Klägers sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben.

aa) Insoweit gilt, dass die Ehefrau des Klägers, die in Deutschland geborenen gemeinsamen Kinder sowie die sonstigen mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebenden Stiefkinder im Rahmen der gebotenen Gefahrenprognose bei einer hypothetischen Rückkehr ins Heimatland nicht zu berücksichtigen sind.

(1) Im Rahmen der Prüfung, ob der Abschiebung eines erfolglosen Asylbewerbers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen, ist der Gefahrenprognose eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendig hypothetische Rückkehrsituation zugrunde zu legen. Insoweit gelten im Rahmen der Gefahrenprognose des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht zur asylrechtlichen Verfolgungsprognose entwickelt hat (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190), entsprechend. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist für die Gefahrenprognose die Sach- und Rechtslage im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt entscheidend, wobei absehbare Entwicklungen zu berücksichtigen sind (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 10/12).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 = juris Rn. 14). Nicht angenommen werden kann hingegen eine gemeinsame Rückkehr mit Familienangehörigen, die aufgrund rechtskräftiger Feststellung zu § 3 AsylG als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen. Es widerspräche dem damit zugleich verbindlich festgestellten Flüchtlingsstatus, auch bei einem solchen Sachverhalt die gemeinsame Rückkehr des erfolglosen Asylbewerbers mit seinen als politische Flüchtlinge anerkannten Angehörigen zu unterstellen. Dies wäre zudem wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der Rechtsprechung zum Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 10 f.).

Nichts anderes kann dann gelten, wenn die bleibeberechtigten Eltern oder Familienangehörigen auf absehbare Zeit wegen individueller Gefährdung von Leib und Leben i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in ihr Heimatland zurückkehren können (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10).

Soweit einzelne Familienangehörige wegen eines bestehenden Bleiberechts oder festgestellten Abschiebungsschutzes auf absehbare Zeit in Deutschland verbleiben werden, ist die (inlandsbezogene) Frage, ob die mit einer Durchführung der Abschiebung einhergehende Trennung der Familie im Lichte von Art. 6 GG zulässig ist, nicht vom Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ausschließlich von der Ausländerbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung etwaiger Vollstreckungshindernisse nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu entscheiden; diese hat hierbei auch die weiteren (mittelbaren) Folgen der Trennung im Abschiebungszielstaat - etwa eine drohende Existenzgefährdung - zu berücksichtigen (siehe zum Ganzen: BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 = juris Rn. 4; U.v. 7.12.2004 - 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 = NVwZ 2005, 704 = juris Rn. 29; B.v. 23.10.2001 - 1 B 169.01 - juris Rn. 2; U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 13-17; BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 19 f.; B.v. 31.7.2018 - 15 ZB 17.31491 - juris Rn. 7; B.v. 31.7.2017 - 20 ZB 16.30094 - juris Rn. 11-13).

(2) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze haben vorliegend die Ehefrau des Klägers, die gemeinsamen Kinder sowie die mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebenden Stiefkinder außer Betracht zu bleiben, da ihnen durch das Bundesamt bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist; es ist daher bei Zugrundelegung einer möglichst realitätsnahen Rückkehrsituation davon auszugehen, dass sie nicht zusammen mit dem Kläger nach Afghanistan zurückkehren würden (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11).

Allerdings vermag der in diesem Kontext erfolgte Verweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.) nicht zu überzeugen. Hier hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht im Fall einer afghanischen Familie der Ehefrau und den zwei Töchtern Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt, während dem Ehemann kein Schutzstatus zuerkannt wurde. Begründet wurde dies damit, dass auch bei Klagen von Familienmitgliedern stets geprüft werden müsse, ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person eines jeden Klägers tatsächlich vorliege. Dieser Judikatur folgt der Senat im Ergebnis nicht, da sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht. Zwar trifft es zu, dass die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG - wie ausgeführt - stets hinsichtlich jeder Einzelperson zu prüfen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 = juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Dieser Aspekt ist jedoch unabhängig von der Frage zu sehen, welche (Begleit-)Personen im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers in sein Heimatland einzustellen sind. Insoweit gilt - wie ausgeführt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr eines Ausländers mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 = juris Rn. 14); dieser Grundsatz gilt auch bei der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbots (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Soweit das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner abweichenden Rechtsansicht seinerseits auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweist, nach der die Vereinbarkeit einer Abschiebung mit dem in Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie und des Erziehungsrechts der Eltern durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu prüfen sei, so überzeugt auch dies nicht, da diese Aussage des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Zusammenhang gerissen ist. Richtigerweise ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des Ausländers als erster Schritt der zu berücksichtigende (Begleit-)Personenkreis zu bestimmen; auf dieser (hypothetischen) Ebene wird die Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK vom Bundesverwaltungsgericht auch dann nicht thematisiert, wenn einzelne Familienmitglieder bei der Rückkehrprognose außer Betracht bleiben, da sie ein bestandskräftiges Bleiberecht im Bundesgebiet haben (vgl. etwa BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11 f.). Allein im Zusammenhang mit letztgenannten Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht sodann bei der nachfolgenden Gefahrenprognose ausgeführt, dass die inlandsbezogene Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK nicht durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur durch die Ausländerbehörde im Rahmen von § 60a Abs. 2 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 15-17). Auf die vorgelagerte Frage der Bestimmung des im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers zu berücksichtigenden (Begleit-)Personenkreises bezieht sich die vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bezug genommene Aussage des Bundesverwaltungsgerichts somit nicht.

Dies vorausgeschickt ist vorliegend im Ausgangspunkt zu bedenken, dass den Familienmitgliedern des Klägers mit bestandskräftigen Asylbescheiden ein Bleiberecht in Deutschland in Form des subsidiären Schutzes zuerkannt worden ist. Aufgrund dieses verbindlich festgestellten Schutzstatus wäre es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit dem Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang, von einer gemeinsamen Rückkehr des Klägers mit seinen Familienangehörigen in sein Heimatland auszugehen (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht verweist insoweit darauf, dass einem durch das Bundesamt bestandskräftig festgestellten Schutzstatus von Familienmitgliedern gemäß § 6 Satz 1 AsylG Verbindlichkeit in allen Angelegenheiten zukommt, in denen die jeweilige Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung internationalen Schutzes rechtserheblich ist (vgl. die Zitierung der im Kern inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 4 Satz 1 AsylVfG a.F. in BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11).

Diese Rechtsprechung kann jedoch als Ausnahme vom Grundsatz, dass bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14), keine Anwendung finden, wenn das Bundesamt unter Verstoß gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK das Asylgesuch einzelner Personen aus einem Familienverband materiell isoliert betrachtet und zum Teil einen Schutzstatus zuerkennt, zu einem anderen Teil ablehnt. Eine solche Trennung des Familienverbands ohne sachlichen Grund kann bei der gebotenen Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation nicht unberücksichtigt bleiben. Zwar mag es dem verbindlich festgestellten Schutztatbestand widersprechen, wenn gleichwohl eine gemeinsame Rückkehr unterstellt würde. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die Einbeziehung des Merkmals der Gemeinschaftlichkeit des Aufenthalts in die Rückkehrprognose durch das räumliche Zusammenleben der Familie nahegelegt wird, das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14). Diesem verfassungsrechtlichen Schutzgut würde eine Hypothese zuwiderlaufen, mit der von vornherein der isolierte Heimataufenthalt eines der im Familienverband zusammenlebenden Familienmitglieder, nicht aber die Gemeinschaftlichkeit dieses Aufenthalts mit den anderen Angehörigen des Familienverbandes unterstellt würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Behörden, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Insoweit vermag allein die verfahrensrechtliche Trennung der Asylverfahren von Familienmitgliedern durch das Bundesamt nicht zu einer materiellrechtlichen Änderung der im Regelfall auf die Familieneinheit abstellenden Rückkehrprognose zu führen, wenn hierfür nicht im Einzelfall sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen. Andernfalls wäre das Bundesamt in der Lage, allein durch die verfahrenstechnische Trennung der Asylverfahren der Ehefrau mit Kindern vom Asylverfahren des Ehemanns, gegen die wegen § 44a VwGO kein isolierter Rechtsschutz eröffnet ist, die materiellrechtliche Rückkehrprognose für den Ehemann im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG maßgeblich zu verändern, da diesem ohne Unterhaltspflichten gegenüber der Ehefrau und den Kindern als alleinstehenden, arbeitsfähigen Mann die Erwirtschaftung seines Existenzminimums voraussichtlich eher gelingen kann als bei einer Rückkehr der gesamten Familie. Letztendlich wäre der Ausgang des Verfahrens des Familienvaters von Zufälligkeiten abhängig, ob und wann über seinen Antrag und die Anträge seiner übrigen Familienangehörigen jeweils entschieden wird. Es würde daher dem Schutz von Ehe und Familie im Sinn von Art. 6 GG widersprechen, einen einheitlichen Familienverband ohne erkennbaren Grund materiellrechtlich getrennt zu betrachten und von der isolierten Rückkehr eines Mitglieds der Kernfamilie auszugehen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte isolierte Betrachtung von Familienmitgliedern erfordert nach alledem eine Einschränkung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dergestalt, dass bei der Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation trotz festgestelltem Schutzstatus einzelner Familienmitglieder von einer Rückkehr im Familienverband auszugehen ist.

Hiervon ausgehend ist ein sachlich nicht gerechtfertigtes Vorgehen des Bundesamts im Fall des Klägers jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr ist der hiesige Kläger erst im April 2014 - und damit mehr als ein halbes Jahr nach seiner Ehefrau und deren Kindern aus erster Ehe (Einreise: August 2013) - in das Bundesgebiet eingereist und hat dementsprechend einen gesonderten Asylantrag gestellt. Auch waren die Gefahrenumstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG für die Ehefrau des Klägers geführt haben (die vorgetragene Bedrohung durch ihren geschiedenen Ehemann in Afghanistan), allein in der Sphäre der Ehefrau begründet und betrafen den Kläger nicht. Zudem hat die Ehe des Klägers nach eigenem Vortrag nicht bereits im Heimatland bestanden. Vielmehr ist laut dem Kläger eine nur kirchliche Eheschließung erst im Jahr 2012 in Griechenland sowie gleichzeitig eine sog. Handschuhehe im Iran erfolgt. Die Eheschließung in Griechenland war gegenüber dem Bundesamt im Asylverfahren überdies nicht durch amtliche Dokumente hinreichend nachgewiesen, obwohl die Vorlage oder Beschaffung einer griechischen Heiratsurkunde ohne weiteres möglich hätte sein sollen. Abgesehen davon, dass die rechtliche Bewertung einer sog. Handschuhehe im Iran durchaus komplex ist (vgl. BGH, U.v. 19.12.1958 - IV ZR 87/58 - BGHZ 29, 137 - juris; KG Berlin, B.v. 22.4.2004 - 1 W 173/03 - juris; Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Art. 13 EGBGB Rn. 9), hat der Kläger auch hierzu keine nachprüfbaren Belege vorgelegt. Nach alledem war es vorliegend seitens des Bundesamts jedenfalls nicht unter jedem Aspekt rechtlich unvertretbar, das Asylgesuch des Klägers materiell isoliert zu betrachten, auch wenn aus Sicht des Senats jedenfalls seit der Geburt der gemeinsamen Kinder mehr für eine gemeinsame Betrachtung als Familienverband gesprochen hätte. Diese Betrachtungsweise würde allerdings der Begründung des Bundesamts für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG gegenüber der Ehefrau des Klägers den Boden entziehen. Ausweislich des dem betreffenden Bescheid beigefügten Vermerks ist der Ehefrau des Klägers maßgeblich deshalb ein Schutzstatus nach § 4 AsylG zuerkannt worden, da ihr in Afghanistan als alleinstehender bzw. alleinerziehender Frau keine interne Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Im Fall einer gemeinsamen Betrachtung der Asylanträge unter Einbeziehung des Klägers - etwa im Rahmen eines Folgeantrags der gesamten Familie - würde diese Begründung entfallen.

Unter Zugrundlegung der Auffassung des Bundeamts, für die im vorliegenden Einzelfall hinreichend gewichtige Gründe sprechen, verbleibt es somit hier beim der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechenden Grundsatz, dass mit Blick auf den subsidiären Schutzstatus der sonstigen Familienmitglieder von einer alleinigen Rückkehr des Klägers nach Afghanistan auszugehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 11).

bb) Unter der Prämisse einer Rückkehr des Klägers als Alleinstehender nach Afghanistan sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegend nicht gegeben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist nicht davon auszugehen, dass eine Abschiebung nach Afghanistan ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris Rn. 5; B.v. 4.1.2018 - 13a ZB 17.31652 - juris Rn. 5; B.v. 29.11.2017 - 13a ZB 17.31251 - juris Rn. 6; B.v. 11.4.2017 - 13a ZB 17.30294 - juris Rn. 5 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung der Vorschrift führen würde. Der Senat geht davon aus, dass ein erwerbsfähiger und gesunder Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten etwa in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. Trotz großer Schwierigkeiten bestehen grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere Rückkehrer aus dem Westen sind auf dem Arbeitsmarkt allein aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in einer vergleichsweise guten Position; jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr sind daher nicht zu befürchten. Auf ein stützendes Netzwerk in Afghanistan oder einen vorherigen Aufenthalt im Heimatland kommt es hierbei nicht an; ausreichend ist vielmehr, dass eine der Landessprachen beherrscht wird und der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 29.11.2017 - 13a ZB 17.31251 - juris Rn. 6; B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris Rn. 13; B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris Rn. 4; U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnismittel fest.

(1) Zum einen sind im Fall des Klägers die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Afghanistans nicht gegeben.

(a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 25). Im Rahmen der Prüfung der allgemeinen Situation der Gewalt kann auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur erheblichen individuellen Gefahr im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) zurückgegriffen werden, soweit sie sich auf die Gefahrendichte bezieht. Danach bedarf es neben einer quantitativen Ermittlung der Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Relation zur Gesamteinwohnerzahl auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen - Todesfälle und Verletzungen - bei der Zivilbevölkerung; ein Schädigungsrisiko von etwa 1:800 ist insoweit weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 22 f.).

Soweit - wie in Afghanistan - ein für die Verhältnisse eindeutig maßgeblich verantwortlicher Akteur fehlt, können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 9: „nur in besonderen Ausnahmefällen“; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489 = juris Rn. 25; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 = juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681 - Rn. 278 ff.; BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 17; VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176 f.; OVG NW, B.v. 14.3.2018 - 13 A 341/18.A - juris Rn. 19 f.).

Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen vielmehr ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen; diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 11). Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (U.v. 28.6.2011, a.a.O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167) macht letztlich deutlich, dass von einem sehr hohen Gefahrenniveau auszugehen ist; nur dann liegt ein „ganz außergewöhnlicher Fall“ vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 19; VGH BW, U.v. 11.4.2018 - A 11 S 1729/17 - juris Rn. 128-131).

Auch im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen; erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51 - juris Rn. 22). Bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung an dem Ort droht, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 26).

(b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel geht der Senat weiterhin davon aus, dass für einen erwerbsfähigen und gesunden Mann - wie den Kläger - auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäres Unterstützungsnetzwerk bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK grundsätzlich nicht gegeben sind. Denn eine beachtlich wahrscheinliche, im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehende Behandlung ist insoweit nicht zu erwarten (vgl. in diesem Sinne VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.).

(aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf die Sicherheitslage in Afghanistan. Zwar ist den aktuellen Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass sich die Situation seit Abzug der internationalen Truppen 2014/15 grundsätzlich verschlechtert habe, die Aufständischen hätten größere Bewegungsfreiheit. Die Taliban versuchten, den Einfluss in ihren Kernräumen - paschtunisch geprägte ländliche Gebiete, vornehmlich in den Provinzen Helmand, Kandahar, Uruzgan und zunehmend auch Farah im Westen und Süden sowie Kunduz und Faryab im Norden - zu konsolidieren und auszuweiten, auch wenn es ihnen bislang nicht gelungen sei, eine Provinzhauptstadt dauerhaft zu erobern. Nach Einschätzungen zum Jahresende 2017 übten die Taliban in 39 der 408 Distrikte Afghanistans die alleinige Kontrolle aus. Als weiterer Faktor seien seit 2015 militante Gruppen hinzugekommen, die sich zum ISKP („Islamischer Staat in der Provinz Khorasan“) bekennen (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 21). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe seien die Taliban aktuell so stark wie seit 2001 nicht mehr (SFH, Afghanistan: Die aktuelle Sicherheitslage - Update, 12.9.2018, S. 4). Regierungsfeindliche Elemente würden zudem eine steigende Zahl von gezielten Angriffen auf Zivilisten ausführen, selbst in bestgesicherten Bereichen der Hauptstadt Kabul (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 21 f.; SFH, a.a.O., S. 4/8 f.). Die UN beschrieben die Lage in Afghanistan insgesamt weiterhin als „in hohem Maße instabil“ bzw. „volatil“; Zivilisten hätten weiter die Hauptlast des Konflikts zu tragen (UNHCR, a.a.O., S. 21 f.; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Security Situation - Update, 1.5.2018, S. 20).

Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklung ist die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Gefahrendichte in Afghanistan aber grundsätzlich weiterhin nicht gegeben. Zwar weist auch der aktuelle UNAMA-Bericht vom 10. Oktober 2018 darauf hin, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 ein extremes Niveau an Gewalt gegenüber Zivilisten in Afghanistan dokumentiert worden sei (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in armed Conflict: 1 January to 30 September 2018, S. 1). Zugleich gibt UNAMA jedoch an, dass vom 1. Januar bis 30. September 2018 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote, 5.252 Verletzte) dokumentiert worden seien und dies in etwa demselben (hohen) Niveau des vergleichbaren Berichtszeitraums 2017 entspreche (8.048 zivile Opfer; 2.666 Tote, 5.418 Verletzte; UNAMA, S. 1). Bei einer proportionalen Hochrechnung der Opferzahlen für 2018 insgesamt (10.734 zivile Opfer; 3.731 Tote, 7.003 Verletzte) und einer konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von etwa 27 Mio. Menschen (AA, a.a.O., S. 18 f.) ergibt sich hieraus ein konfliktbedingtes Schädigungsrisiko von 1:2515. Selbst wenn man die Provinz Nangarhar zugrunde legt, für die UNAMA in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern registriert habe (1.494 zivile Opfer; 554 Tote und 940 Verletzte; UNAMA, S. 1 f.), ergibt sich bei einer proportionalen Hochrechnung der Opferzahlen für 2018 insgesamt (1.992 zivile Opfer; 739 Tote, 1.253 Verletzte) und einer geschätzten Bevölkerungszahl der Provinz von 1.545.448 Menschen (BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung v. 2.3.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.1.2018, S. 104) ein Schädigungsrisiko von 1:776. Selbst dieser Wert ist jedoch derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass auch bei wertender Gesamtbetrachtung nicht von einer in Afghanistan oder Teilen hiervon aufgrund der Sicherheitslage jeder Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit tatsächlich drohenden, Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgegangen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 - juris Rn. 22 f. zu einem Schädigungsrisiko von 1:800; vgl. zu den zivilen Opferzahlen in 2016/17 bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 109 ff.).

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, U.v. 11.7.2017 - S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 - Rn. 53; U.v. 11.7.2017 - Soleimankheel and others/Netherlands, Nr. 41509/12 - Rn. 51; U.v. 11.7.2017 - G.R.S./Netherlands, Nr. 77691/11 - Rn. 39; U.v. 11.7.2017 - E.K./Netherlands, Nr. 72586/11 - Rn. 67; U.v. 11.7.2017 - E.P. and A.R./Netherlands, Nr. 63104/11 - Rn. 80; U.v. 16.5.2017 - M.M./Netherlands, Nr. 15993/09 - Rn. 120; U.v. 12.1.2016 - A.G.R./Niederlande, Nr. 13442/08 - NVwZ 2017, 293 - Rn. 59). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B./United Kingdom, Nr. 70073/10 - Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 10).

(bb) Auch aus der aktuellen humanitären bzw. wirtschaftlichen Lage in Afghanistan ergibt sich grundsätzlich kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Denn ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen und daher die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind, ist weiter nicht gegeben (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.).

Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei (Human Development Index 2016: Platz 169 von 188 Staaten). Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum sei kurzfristig nicht in Sicht (2017: 2,6 v.H.). Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25 v.H. auf 39 v.H. gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der afghanischen Bevölkerung - insbesondere Rückkehrer - weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 9,3 Mio. Menschen - ein Drittel der afghanischen Bevölkerung - humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen, für 2018 sei eine Dürre vorausgesagt worden. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten würden. Jedoch habe die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Seit 2002 seien laut UNHCR 5,8 Mio. afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, Afghanistan erlebe die größte Rückkehrbewegung der Welt. Das Fehlen lokaler Netzwerke könne Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhänge (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 25/28).

Laut einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom 1. Juni 2018 stünden in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet sei. Zugang zu angemessener Unterkunft sei jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte seien als Slums einzustufen. Flüchtlinge lebten in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte böten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken - etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen - oder zu finanziellen Mitteln ab (siehe zum Ganzen: EASO, Country Guidance: Afghanistan, 1.6.2018, S. 104 f.).

Ausweislich des Länderinformationsblatts Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. Juni 2018 seien von den 2.1 Mio. Personen, die in informellen Siedlungen lebten, 44 v.H. Rückkehrer. Die Zustände in diesen Siedlungen seien unterdurchschnittlich und besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81 v.H. der Menschen in informellen Siedlungen seien Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26 v.H. hätten keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24 v.H. lebten in überfüllten Haushalten. Rückkehrer erhielten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehrten, und internationalen Organisationen (z.B. IOM, UNHCR) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (z.B. IPSO und AMASO), die die Reintegration in Afghanistan finanziell, durch Bereitstellung von Unterkunft, Nahrungsmitteln oder sonstigen Sachleistungen sowie durch Beratung unterstützten. Gleichwohl sei die Möglichkeit der Rückkehr zur Familie oder einer sonstigen Gemeinschaft mangels konkreter staatlicher Unterbringungen für Rückkehrer der zentrale Faktor. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellten die afghanische Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung (zwei Wochen). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stelle eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar; Unterstützungsnetzwerke könnten sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Religion sowie aus „professionellen“ (Kollegen, Kommilitonen etc.) oder politischen Verbindungen ergeben (siehe zum Ganzen: BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 29.6.2018, S. 314-316, 327-331).

Nach den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 seien die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. Ende 2017 sei bezüglich 3,3 Mio. Afghanen ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe festgestellt worden; nunmehr kämen weitere 8,7 Mio. Afghanen hinzu, die langfristiger humanitärer Hilfe bedürften. Über 1,6 Mio. Kinder litten Berichten zufolge an akuter Mangelernährung, wobei die Kindersterblichkeitsrate mit 70 auf 1.000 Geburten zu den höchsten in der Welt zähle. Ferner habe sich der Anteil der Bevölkerung, die laut Berichten unterhalb der Armutsgrenze lebe, auf 55 v.H. (2016/17) erhöht, von zuvor 33,7 v.H. (2007/08) bzw. 38,3 v.H. (2011/12). 1,9 Mio. Afghanen seien von ernsthafter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Geschätzte 45 v.H. der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 4,5 Mio. Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans herrsche die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbreche. 54 v.H. der Binnenvertriebenen (Internally Displaced Persons - IDPs) hielten sich in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöhe und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärke; die bereits an ihre Grenze gelangten Aufnahmekapazitäten der Provinz- und Distriktszentren seien extrem belastet. Dies gelte gerade in der durch Rückkehrer und Flüchtlinge rapide wachsenden Hauptstadt Kabul (Anfang 2016: geschätzt 3 Mio. Einwohner). Flüchtlinge seien zu negativen Bewältigungsstrategien gezwungen wie etwa Kinderarbeit, früher Verheiratung sowie weniger und schlechtere Nahrung. Laut einer Erhebung aus 2016/17 lebten 72,4 v.H. der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unzulänglichen Wohnverhältnissen. Im Januar 2017 sei berichtet worden, dass 55 v.H. der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert gewesen seien (siehe zum Ganzen: UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 36 f., 125 f.).

Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 böten die informellen Siedlungen in den afghanischen Städten meist einen schlechten oder keinen Zugang zu Basisdienstleistungen und Infrastruktur (Elektrizität, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen). Die Unterkünfte seien meist behelfsmäßig gebaut und könnten nur bedingt vor Kälte, Hitze und Feuchtigkeit schützen. Die Lebensbedingungen von Rückkehrern lägen unter den normalen Standards. Laut einer Studie seien 87 v.H. der IDPs und 84 v.H. der Rückkehrer von Lebensmittelknappheit betroffen. Ob es Rückkehrer schafften, sich in Afghanistan wieder zu integrieren, hänge nicht zuletzt vom Vorhandensein von Unterstützungsnetzwerken ab. In Kabul (geschätzte Einwohnerzahl: 3,8 - 7 Mio.) habe der schnelle Bevölkerungsanstieg rasch zu einer Überforderung der vorhandenen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Die humanitäre Lage spitze sich insbesondere in großen Städten zu, weil sich dort IDPs und Rückkehrer konzentrierten, die eine Existenzgrundlage und Zugang zu bereits stark überlasteten Grunddienstleistungen suchten. Laut Amnesty International sei die Aufnahmekapazität - insbesondere in den größeren Städten - aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der sehr bescheidenen Möglichkeiten, eine Existenzsicherung sowie angemessene Unterkunft zu finden, sowie des mangelnden Zugangs zu überstrapazierten Grunddienstleistungen „äußerst eingeschränkt“ (siehe zum Ganzen: SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile - Update, 12.9.2018, S. 20-22).

Zusammenfassend lassen sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln zur humanitären Lage in Afghanistan keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.). Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Situation in Afghanistan weiterhin sehr besorgniserregend ist. Jedoch liegen keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zuließen, dass jeder alleinstehende, erwerbsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind daher weiterhin nicht erfüllt. Zudem liegen Erkenntnisse dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, trotz hoher Rückkehrzahlen nicht vor (VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 407).

Auch die aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 gehen letztlich weiterhin (vgl. bereits UNHCR, Richtlinien v. 19.4.2016, S. 99) davon aus, dass alleinstehende leistungsfähige afghanische Männer sowie verheiratete Paare in erwerbsfähigem Alter als Rückkehrer grundsätzlich auch ohne ein Unterstützungsnetzwerk ihren zumutbaren Lebensunterhalt in Afghanistan sicherstellen können, soweit im Einzelfall keine besonderen Gefährdungsfaktoren gegeben sind. Diese Personen könnten unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (siehe zum Ganzen: UNHCR, a.a.O., S. 125; vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 422 f.). Zum selben Ergebnis gelangt auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in seinem Bericht vom 1. Juni 2018 (EASO, a.a.O., S. 106).

Soweit der UNHCR in seinen aktualisierten Richtlinien zu der Auffassung gelangt, dass eine inländische Fluchtalternative in Kabul mit Blick auf Grenzen der Aufnahmekapazität der Stadt und die humanitären Lebensbedingungen in den dortigen sog. informellen Siedlungen generell nicht zur Verfügung stehe (UNHCR, a.a.O., S. 129), so beschränkt sich diese Aussage bereits auf Kabul, ohne jedoch das Vorhandensein hinreichender Lebensbedingungen für Rückkehrer im restlichen Afghanistan - insbesondere den sonstigen Großstädten - in Frage zu stellen. Zudem gilt, dass der Ausschluss Kabuls im Kontext der Zumutbarkeit als inländischer Fluchtalternative i.S.v. Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU erfolgt ist (vgl. UNHCR, S. 128: „Die Zumutbarkeit von Kabul als interner Schutzalternative“). Hiernach muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage jedoch so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält; dieser Zumutbarkeitsmaßstab bzw. dieses Zumutbarkeitsniveau geht über das Fehlen einer im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK maßgeblichen Sicherung des Existenzminimums hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 8.8.2018 - A 11 S 1753/18 - juris Rn. 22). Ohnehin beruht die Bewertung des UNHCR auf von ihm selbst angelegten Maßstäben, die sich von den gesetzlichen Anforderungen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheiden können (BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9).

(c) Im Einzelfall des Klägers sind auch keine besonderen individuellen Umstände gegeben, die ausnahmsweise zum Vorliegen der Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Afghanistans führen.

Soweit es die Sicherheitslage in Afghanistan angeht, so gilt, dass in der Person des Klägers keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände gegeben sind. Ein individueller gefahrerhöhender Umstand ergibt sich insbesondere nicht aus der bloßen Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 233 ff.). Gleiches gilt letztlich hinsichtlich des Umstands, dass der Kläger bei Asylantragstellung seine Religion mit „Christentum“ angegeben hat (VA S. 11); denn ein gefestigter Übertritt zum christlichen Glauben ist durch den Kläger weder im nachfolgenden Asylverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht worden (vgl. VGH BW, U.v. 5.12.2017 - A 11 S 1144/17 - juris Rn. 266).

Soweit es die humanitäre bzw. wirtschaftliche Lage in Afghanistan betrifft, wäre der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage, für sich als Einzelperson das Existenzminimum zu bestreiten. Der 37-jährige Kläger ist gesund und erwerbsfähig; er spricht eine der afghanischen Landessprachen (Dari) und könnte in Afghanistan insbesondere seinen laut Anhörung beim Bundesamt erlernten und auch in Griechenland ausgeübten Beruf als Schweißer ausüben oder erneut - wie ebenfalls in Griechenland - in der Landwirtschaft arbeiten (Anhörungsprotokoll, VA S. 79 f.). Auch in Deutschland ist der Kläger erwerbstätig gewesen, u.a. als Hausmeister (Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, S. 2). Überdies verfügt der Kläger über eine für Afghanistan deutlich überdurchschnittliche Schulbildung, er hat die Schule bis zu elften Klasse besucht und hatte sogar einen anschließenden Universitätsbesuch beabsichtigt (Anhörungsprotokoll, VA S. 80).

(2) Auch die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen im Fall des Klägers hinsichtlich Afghanistans nicht vor.

Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

(a) Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten - insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage - kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 23.10 - NVwZ 2012, 244 - juris Rn. 21 f.; B.v. 14.11.2007 - 10 B 47.07 u.a. - juris Rn. 3).

(b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 453).

(3) Das durch den Senat gefundene Ergebnis entspricht - soweit ersichtlich - auch der einhelligen Rechtsprechung der anderen Oberverwaltungsgerichte; eine Auseinandersetzung mit einer abweichenden Würdigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen durch andere Oberverwaltungsgerichte (vgl. allg. BVerwG, B.v. 6.7.2012 - 10 B 18.12 - juris Rn. 10) ist daher nicht geboten.

2. Auch soweit der Kläger sich gegen die Abschiebungsandrohung unter Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids wendet, ist die Berufung nicht begründet.

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlässt das Bundesamt nach § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn dem Ausländer kein Schutzstatus nach Art. 16a GG, § 3 f. AsylG oder § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuerkannt wird (Nr. 1-3) und er keinen Aufenthaltstitel besitzt (Nr. 4). Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG soll die Abschiebungsandrohung mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden.

Hiervon ausgehend war der Ausspruch der Androhung der Abschiebung durch das Bundesamt im Fall des Klägers nicht dadurch ausgeschlossen, dass vorliegend mit Blick auf eine mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht zu vereinbarende Trennung von Familienmitgliedern wohl ein inlandsbezogenes, von der Ausländerbehörde zu prüfendes Abschiebungshindernis i.S.v. § 60a Abs. 2 AufenthG besteht (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305, 310 f. = DVBl 2000, 419). Das Bundesamt ist vielmehr auf das ihm obliegende Prüfprogramm aus § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG beschränkt. Es ist daher auch in Fällen, in denen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, ermächtigt und regelmäßig gehalten, eine „Vorratsentscheidung“ zum Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten zu treffen und eine entsprechende zielstaatsbezogene Abschiebungsandrohung zu erlassen (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 - juris Rn. 4).

3. Soweit sich die Berufung des Klägers hingegen gegen die Aufhebung der Anordnung in Nr. 6 des Bescheids vom 21. Juli 2016 (Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots) richtet, ist sie begründet. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG ist von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei sind von der zuständigen Behörde - im Fall einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG das Bundesamt, § 75 Nr. 12 AufenthG - u.a. die im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK schutzwürdigen familiären Belange des Ausländers sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die gerichtliche Überprüfung der Befristungsentscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen, so dass das Bundesamt auch während des gerichtlichen Verfahrens eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit seiner Befristungsentscheidung und ggf. zur Ergänzung seiner Ermessenserwägungen trifft (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 = NVwZ 2018, 88 - juris). Geht man ungeachtet der Rechtsgrundlage für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt in § 11 Abs. 2 AufenthG vom Vorliegen einer Streitigkeit nach dem Asylgesetz aus (so Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 86 m.w.N.; a.A. Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 Rn. 102), ergibt sich der entsprechende maßgebliche Zeitpunkt aus § 77 Abs. 1 AsylG.

Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt auch als Ermessensentscheidung über § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 = NVwZ 2018, 88 - juris). Die Beklagte hat vorliegend als wesentliche Ermessenserwägung nicht in ihre Entscheidung eingestellt, dass der Ehefrau des Klägers, den beiden Stiefkindern sowie den beiden im Bundesgebiet geborenen gemeinsamen Kindern bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist und sie daher im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein dürften (vgl. § 25 Abs. 2 AufenthG). Die Befristungsentscheidung ist mithin im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) ermessensfehlerhaft und damit aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 22 f.).

4. Abschließend weist der Senat nochmals darauf hin, dass im Fall des Klägers - unabhängig von einem etwaigen gemeinsamen Asylfolgeantrag mit dem Ziel einer Gesamtbetrachtung der Familie im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG - im Lichte von Art. 6 GG jedenfalls ein durch die Ausländerbehörde zu beachtendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis i.S.v. § 60a Abs. 2 AufenthG bestehen dürfte (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 15-17).

5. Die Kosten beider Instanzen hat der Kläger zu tragen, da die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 24). Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben; insbesondere wurde vorliegend im Ergebnis an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr einzustellenden Familienmitgliedern festgehalten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag aus nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. August 2017 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob volljährigen und arbeitsfähigen afghanischen Männern … bei einer Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit … infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG droht“ und „ob arbeitsfähige afghanische Männer, die … faktische Iraner sind, sich ihren Lebensunterhalt jedenfalls in Kabul sicherstellen können, wenn sie kein sie stützendes familiäres Netzwerk in Afghanistan haben“. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes lägen nicht vor, beruhe auf überholten Erkenntnissen. Mittlerweile müsse von einer ernsthaften individuellen Bedrohung für alle Zivilpersonen gesprochen werden. Dies ergebe sich aus zahlreichen, im Einzelnen genannten Stellungnahmen und Berichten, etwa aus der Schnellrecherche der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 19. Juni 2017. Andererseits seien die Einschätzungen des Auswärtigen Amts nicht neutral, sondern politisch gesteuert und geformt, wie allerdings auch einige Einschätzungen flüchtlingsfreundlicher Organisationen. Die Verschlechterung der Sicherheitslage und insbesondere der Versorgungslage werde auch in Medienberichten der FAZ, des Deutschlandfunks und anderer Organisationen und Presseorgane bestätigt. Die Erwirtschaftung des Existenzminimums sei nicht möglich.

Das Verwaltungsgericht hat die Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG und damit einen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes verneint (UA S. 8 f.). Dem Kläger drohe bei einer Rückkehr kein ernsthafter Schaden im Sinn des § 4 AsylG. Im Übrigen sei der Kläger auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul oder einer anderen Großstadt zu verweisen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor (UA S. 10).

Das entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Dieser geht weiterhin davon aus, dass für die in der Zentralregion gelegene Stadt Kabul (und auch für ganz Afghanistan) die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht vorliegen. Auch ist die Lage in Afghanistan nicht so, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, B.v. 21.8.2017 – 13a ZB 17.30529 – juris; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris unter Bezugnahme auf U.v. 12.2.2015 –13a B 14.30309 – juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit weiterhin nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 19.6.2017 – 13a ZB 17.30400 – juris; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris; U.v. 12.2.2015 a.a.O.; U.v. 30.1.2014 – 13a B 13.30279 – juris). Auf ein stützendes Netzwerk kommt es nicht an. Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Kläger im Iran geboren und dort aufgewachsen ist. Nach der auch vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs besteht für Afghanen, die sich nicht in Afghanistan aufgehalten haben, jedenfalls dann, wenn sie – wie der Kläger – eine der Landessprachen (hier: Dari) beherrschen, die Chance, durch Gelegenheitsarbeiten etwa in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen (BayVGH, B.v. 12.4.2017 – 13a ZB 17.30230 – juris; U.v. 12.2.2015 –13a B 14.30309 – juris; U.v. 24.10.2013 – 13a B 13.30031 – juris Rn. 22 = KommunalPraxisBY 2014, 62 -LS-). Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert grundsätzlich nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt im Heimatland. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Betroffene eine der beiden Landessprachen spricht

Die klägerischen Ausführungen zur Verschlechterung der Sicherheits- und Versorgungslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Sie berücksichtigen nicht die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann eine für die Gewährung subsidiären Schutzes notwendige erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen sein kann (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56). Danach bedarf es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte einer wertenden Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – NVwZ-RR 2014, 487; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454). Ausgehend von mindestens 27 Millionen Einwohnern (vielfach wird eine höhere Bevölkerungszahl angenommen) und von 11.418 Opfern in Afghanistan (nach UNAMA) liegt die Gefahrendichte im Jahr 2016 landesweit erheblich unter 0,12% oder 1:800. Selbst dieses Risiko wäre weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (BVerwG, B.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 23). Die bisher bekannt gewordenen Zahlen für 2017 bewegen sich in etwa in der gleichen Größenordnung. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe nennt ebenfalls keine anderen Zahlen.

Soweit der UNHCR im Dezember 2016 („Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern“) unter Bezugnahme auf die UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 und in weiteren Publikationen auf die Verschlechterung der Sicherheitslage hinweist, folgt hieraus nichts anderes. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass Zahlen genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Die dortige Bewertung beruht zudem auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben. Des Weiteren sind auch nach dessen Auffassung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (Richtlinien vom 19.4.2016, S. 10). Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, U.v. 11.7.2017 – S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 Rn. 53; U.v. 11.7.2017 – Soleimankheel and others/Netherlands, Nr. 41509/12 Rn. 51; U.v. 11.7.2017 – G.R.S./Netherlands, Nr. 77691/11 Rn. 39; U.v. 11.7.2017 – E.K./Netherlands, Nr. 72586/11 Rn. 67; U.v. 11.7.2017 – E.P. and A.R./Netherlands, Nr. 63104/11 Rn. 80; U.v. 16.5.2017 – M.M./Netherlands, Nr. 15993/09 Rn. 120; U.v. 12.1.2016 – A.G.R./Niederlande, Nr. 13442/08 – NVwZ 2017, 293 Rn. 59). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B./United Kingdom, Nr. 70073/10 Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten.

Aus den sonstigen Ausführungen und Hinweisen auf Presseartikel im Zulassungsantrag ergeben sich ebenfalls keine anderen Ausgangsdaten, die darauf schließen ließen, dass die vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären. Die vom Kläger zitierte Stellungnahme von Stahlmann (Asylmagazin 2017, 73) zur humanitären Lage von Rückkehrenden liefert ebenfalls keine anderen Erkenntnisse. Vielmehr wird dort in gleicher Weise betont, dass sich die Gefahr für die Zivilbevölkerung nur in der Gesamtschau kriegerischer, terroristischer und diktatorischer Gewaltformen erschließe und ein allein an Opferzahlen orientierter Ansatz der Problematik nicht gerecht werden könne (vgl. auch Stahlmann, Zur aktuellen Bedrohungslage der afghanischen Zivilbevölkerung im innerstaatlichen Konflikt, ZAR 2017, 189).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. Januar 2017 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob ihm „aufgrund der stark verschlechterten Sicherheitslage und den stark gestiegenen Opferzahlen seit 2016 nun ein ernsthafter Schaden infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht“, und ob für ihn „eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bzw. die Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung bei einer Rückkehr nach Afghanistan besteht, weil sich die Sicherheits- und Existenzsicherungssituation auch aufgrund der gestiegenen Anzahl von Binnenvertriebenen und Rückkehrern und der wirtschaftlichen Situation in Afghanistan seit 2016 grundlegend und massiv verschlechtert hat“. Das Verwaltungsgericht habe die neueren Berichte hierzu nicht gewürdigt. Nach den „Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Inneren“ vom Dezember 2016 habe sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert. UNAMA (Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report, Februar 2017) beziffere den Anstieg ziviler Opfer in Afghanistan auf 11.408, was einer Zunahme von 3% entspreche. Von den Zivilopfern durch Suizid- und komplexe Angriffe entfielen allein auf Kabul 77%. Zudem sei bei interner Flucht und Vertreibung ein Rekordniveau erreicht (UNHCR a.a.O.). Hinzu komme die sehr große Anzahl von Rückkehrern aus Iran und Pakistan. Dies führe zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten. Das Wirtschaftswachstum in Afghanistan liege nach den Prognosen der Weltbank nur im 1-Prozent-Bereich.

Das Verwaltungsgericht hat zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgeführt, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts. Zwar sei von einem landesweiten bewaffneten Konflikt auszugehen, trotz der Zunahme der Gewalt könne aber weder für das ganze Land noch für einzelne Gebiete auf eine Extremgefahr im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG geschlossen werden (UA S. 7 f.). Es hat dabei insbesondere auf die Opferzahlen Bezug genommen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hat das Verwaltungsgericht ebenfalls verneint (UA S. 10 f.). Für den Kläger ergebe sich keine extreme allgemeine Gefahrenlage.

Dies entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F., der Vorgängerregelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, für die in der Zentralregion gelegene Stadt Kabul die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts verneint hat (BayVGH, B.v. 4.4.2017 - 13a ZB 17.30231; B.v. 17.8.2016 - 13a ZB 16.30090 - juris; B.v. 30.7.2015 - 13a ZB 15.30031 - juris; U.v. 1.2.2013 - 13a B 12.30045 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Hierauf hat das Verwaltungsgericht abgestellt. Auch geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Lage in Afghanistan nicht derart ist, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG oder ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris - unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167, das wiederum verweist auf EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris; BayVGH, U.v. 12.2.2015 a.a.O.; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

Die klägerischen Ausführungen zur Verschlechterung der Sicherheitslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Sie berücksichtigen nicht die Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann eine für die Gewährung subsidiären Schutzes notwendige erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen sein kann (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 = NVwZ 2011, 56). Danach bedarf es für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte einer wertenden Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487; U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454). Ausgehend von mindestens 27 Millionen Einwohnern (vielfach wird eine höhere Bevölkerungszahl angenommen) und von (entsprechend den klägerischen Angaben) hochgerechnet ca. 11.500 Opfern in Afghanistan ergibt sich für das Jahr 2016 eine Gefahrendichte, die weit unter der vom Bundesverwaltungsgericht gebilligten Wahrscheinlichkeit von 0,12% oder 1:800 liegt.

Aus den Anmerkungen des UNHCR vom Dezember 2016, die sich auf die UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016 beziehen, wonach sich die Sicherheitslage nochmals deutlich verschlechtert habe, ergibt sich nichts anderes. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass Zahlen genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Die dortige Bewertung beruht zudem auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben. Des Weiteren sind auch nach dessen Auffassung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (Richtlinien vom 19.4.2016 S. 10). Aus den weiteren Ausführungen im Zulassungsantrag ergeben sich ebenfalls keine anderen Ausgangsdaten, die darauf schließen ließen, dass die vom Verwaltungsgericht und vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären. Dies gilt sowohl hinsichtlich des subsidiären wie des nationalen Abschiebungsschutzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 31. Dezember 1993 in Herat geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und Hazara. Er reiste auf dem Landweg vom Iran über die Türkei, Griechenland, Italien und Österreich am 25. März 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. April 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 11. Juli 2012 gab der Kläger an, er spreche Dari, außerdem Farsi und ein wenig Englisch. Seit seinem zweiten Lebensjahr habe er mit seiner Familie im Iran gelebt. Die Familie stamme aus der Provinz Herat, Gebiet Guzara. Seine Eltern hätten sich zwar über Afghanistan unterhalten, aber er habe mit ihnen nicht darüber gesprochen. Sie seien wegen der schlechten Sicherheitslage, insbesondere für Hazara, geflohen. In Afghanistan habe er keine Verwandten. Er habe im Iran, in Bodjnord, fünf Jahre die Schule besucht und anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Er habe immer drei bis vier Monate in Teheran gearbeitet und sei dann wieder zur Familie zurückgekehrt. Wann er aus dem Iran ausgereist sei, wisse er nicht. Er sei seit über zweieinhalb Jahren unterwegs. Eineinhalb Jahre sei er in der Türkei gewesen, neun bis zehn Monate in Griechenland. Die Fahrt habe er mit seinem Verdienst in Teheran finanziert. In Griechenland habe er nicht gearbeitet, in der Türkei als Spüler in Restaurants. Den Iran habe er verlassen, weil die Afghanen dort unterdrückt würden. Die Familie habe auch keine offiziellen Dokumente und sei nicht einmal sozialversichert. Er habe eine Schwester mit elfeinhalb Jahren und einen Bruder mit ca. zehn Jahren.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt (1.), festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (2.) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a. F. (3.) nicht vorliegen und dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (4.). Zur Begründung ist ausgeführt, wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara liege keine Verfolgung vor. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Herat bestehe nicht. Auch die Voraussetzungen von nationalen Abschiebungsverboten lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine extreme Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Da der Kläger nach seinen Angaben bereits nach Beendigung der Schule in Restaurants gearbeitet und Motorräder repariert habe, könne er auch ohne den Rückhalt seiner Familie das erforderliche Einkommen erzielen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage an das Verwaltungsgericht München verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 25. März 2014 erklärte der Kläger, Bodjnord sei etwa 17 bis 18 Stunden mit dem Bus von Teheran entfernt, wo er gearbeitet habe. In Deutschland habe er keine Schule besucht und keine Berufsausbildung gemacht. Derzeit arbeite er in einem Restaurant. Mit Urteil vom 25. März 2014 wurde der Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 antragsgemäß in Nr. 3 insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorliegt. Zudem wurde er in Nr. 4 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen. Die allgemeine Gefahr in Afghanistan habe sich in der Person des Klägers trotz seiner Volljährigkeit ausnahmsweise zu einer extremen Gefahr verdichtet. Aufgrund der besonderen Umstände kommt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass der Kläger, der bereits im Alter von zwei Jahren sein Herkunftsland dauerhaft mit seiner Familie verlassen habe, mit den Verhältnissen in Afghanistan nicht vertraut sei und zudem über keine Berufsausbildung verfüge, nicht dazu in der Lage wäre, die hohen Anforderungen so bewältigen zu können, dass er sich ohne die Hilfe eines aufnahmebereiten Familienverbands wenigstens ein Existenzminimum erwirtschaften könnte. Allein aufgrund seiner langjährigen Abwesenheit sei davon auszugehen, dass ihm die aktuellen Lebensumstände in Afghanistan fremd seien. Er sei mit den Gepflogenheiten der afghanischen Gesellschaft nicht vertraut, zumal dort während seiner Abwesenheit entscheidende Umbrüche und Veränderungen stattgefunden hätten. Erschwerend wirke sich die fehlende Berufsausbildung aus.

Auf Antrag der Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. August 2014 die Berufung zugelassen wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Senats zur extremen Gefahrenlage in den Fällen, in denen der betreffende Ausländer Afghanistan bereits im Kleinkindalter verlassen hat (BayVGH, U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris). Unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Zulassungsantrag und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führt die Beklagte aus, dass bei alleinstehenden, arbeitsfähigen und gesunden männlichen afghanischen Rückkehrern in aller Regel kein Abschiebungsschutz in Betracht käme, zumal Mittel der Rückkehrförderung in Anspruch genommen werden könnten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger geht davon aus, dass er gemessen an seiner persönlichen Situation ausnahmsweise alsbald nach der Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage geraten würde. Er beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) nicht verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Beim national begründeten Abschiebungsverbot handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, weshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen sind (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Allerdings sind weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 noch diejenigen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig (EMRK) ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG(U. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen („zielstaatsbezogene“ Abschiebungshindernisse). Dabei sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 unter Verweis auf EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht erkennbar.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.

Auf eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat sich der Kläger, der sich nach seinen Angaben ab seinem zweiten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan aufgehalten hat, nicht berufen. Vielmehr trägt er vor, dass seine Eltern Afghanistan wegen der damaligen schlechten Sicherheitslage - eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG - verlassen hätten. Diese kann auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, U. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht (mehr). Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat durch die Verwaltungsvorschriften zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) mit Rundschreiben vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15 bezüglich der Rückführungen nach Afghanistan verfügt, dass nach wie vor alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind, vorrangig zurückzuführen sind (s. BayVVAuslR Nr. C.3.2).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG, B. v. 23.8.2006 - 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).

Im Hinblick auf die unzureichende Versorgungslage hat sich die allgemeine Gefahr in Afghanistan für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären (seit U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris). Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Der Senat hat sich dabei im Urteil vom 30. Januar 2014 (a. a. O.) u. a. auf die Lageberichte des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: 4. Juni 2013) gestützt sowie auf die Stellungnahmen von Dr. Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof, von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren 6 A 11048/10.OVG) und von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012. Nach den dortigen Erkenntnissen geht der Senat davon aus, dass trotz großer Schwierigkeiten grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts bestehen und jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten sind.

Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Im Übrigen greift der Lagebericht 2014 mit Ausnahme der medizinischen Versorgung keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung - wie schon bisher - für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung sei. Die medizinische Versorgung habe sich in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle allerdings im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 18 ff. - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Die Analphabetenrate sei weiterhin hoch und die Anzahl der gut qualifizierten Fachkräfte sehr tief.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 [UNHCR-Richtlinien] und Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 vom August 2014 [UNHCR-2014]) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen.

Zusammenfassend lassen sich damit aus diesen Berichten keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen. Aufgrund der in den Auskünften geschilderten Rahmenbedingungen sind insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, wesentlich höher. Hinzu kommt, dass eine extreme Gefahrenlage zwar auch dann besteht, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226), jedoch Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen. Diese muss zwar nicht sofort, also noch am Tag der Ankunft eintreten. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende zeitliche Nähe zwischen Rückkehr und unausweichlichem lebensbedrohenden Zustand. Die Gefahr muss sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies ist aus den genannten Erkenntnismitteln nicht ersichtlich. Nach der Beurteilung des Auswärtigen Amts in der Auskunft vom 2. Juli 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (um Verfahren 8 A 2344/11.A) dürfte es unwahrscheinlich sein, dass besonders in der Hauptstadt Kabul Personen verhungern oder verdursten. Im Urteil vom 4. September 2014 (8 A 2434/11.A - juris) teilt der Hessische Verwaltungsgerichtshof die vorliegende Einschätzung (ebenso OVG NW, U. v. 27.1.2015 - 13 A 1201/12.A - juris). Demgegenüber stellt der Kläger lediglich die Vermutung auf, dass sich die Situation für Rückkehrer verschlechtert habe. Konkrete Anzeichen, die auf eine Verschlechterung hinweisen würden, benennt er nicht. Er beschränkt sich vielmehr auf Annahmen, ohne dass sich diese auf signifikante Veränderungen stützen würden.

Bei dieser Ausgangslage bedurfte es auch nicht der Einholung einer neuen Auskunft.

Die vorhandenen Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Im Hinblick auf den teilweisen Abzug der internationalen Truppen ergibt sich nichts anderes. Anhaltspunkte, dass sich bei der Versorgungs- und Sicherheitslage im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt erhebliche Veränderungen ergeben hätten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ob in Zukunft Verschlechterungen eintreten werden, lässt sich derzeit nicht beurteilen.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger als Angehöriger der Minderheit der Hazara keine Chance hätte, sich als Tagelöhner oder Gelegenheitsarbeiter zu verdingen. Die vorliegenden Gutachten und Berichte enthalten keine entsprechenden Hinweise. Der Umstand, dass der Kläger seit seinem zweiten Lebensjahr mit seiner Familie im Iran gelebt hat, steht der Annahme, er könne sich in Kabul auf sich allein gestellt notfalls „durchschlagen“, ebenfalls nicht entgegen. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Urteil vom 24. Oktober 2013 (13a B 13.30031 - juris) ausgeführt, dass eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt im Heimatland scheitere. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Ein spezielles „Vertrautsein mit den afghanischen Verhältnissen“ mag die Sicherung des Lebensunterhalts vereinfachen. Anhaltspunkte, dass dies erforderlich sein könnte, sind jedoch nicht ersichtlich. Damit liegt die für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger alsbald existenzbedrohenden Mangellagen ausgesetzt wäre, nicht vor. Der Kläger ist im Iran, einer islamisch geprägten Umgebung, aufgewachsen und spricht Farsi sowie die hiermit sehr eng verwandte Landessprache Afghanistans Dari. Zudem hebt er sich bereits dadurch von der Masse der Arbeit suchenden Analphabeten ab, dass er im Iran fünf Jahre lang die Schule besucht hat. In Teheran hat er anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Damit konnte er nicht nur seinen Lebensunterhalt erwirtschaften, sondern auch die Ausreise sowie seinen neun- bis zehnmonatigen Aufenthalt in Griechenland, wo er nach seinen Angaben nicht gearbeitet hat, finanzieren. Während seines eineinhalb jährigen Aufenthalts in der Türkei hat er - ohne Kenntnis der Landessprache - als Spüler in Restaurants gearbeitet. Ebenso ist er derzeit in Deutschland in einem Gasthof als Küchenhilfe beschäftigt. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem relativ gut Deutsch gesprochen. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten, etwa in Kabul, wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht komme (UNHCR-2014).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Juli 2017 wird Nr. 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juli 2016 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben am 15. Juli 1981 in Laschkar Gah (Afghanistan, Provinz Helmand) geboren und afghanischer Staatsangehöriger der Volkszugehörigkeit Hazara. Er stellte am 10. April 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Im Rahmen einer Befragung bei der Regierung von Oberbayern am 15. April 2014 (Sprache: Dari) gab der Kläger u.a. an, Afghanistan (Wohnort: Provinz Ghazni, Distrikt Jaghori, Dorf Hezar) zuletzt am 12. Oktober 2003 verlassen zu haben. Er sei mit seiner Mutter über Pakistan in den Iran gegangen und später allein über die Türkei nach Griechenland gereist. In Griechenland habe er bei einer Kirche gearbeitet und im Jahr 2007 Asyl beantragt. Die Frau, die er am 16. Dezember 2012 in Griechenland kirchlich und am selben Tag im Iran „mit Vollmacht“ geheiratet habe (im Folgenden: Ehefrau), sei bereits seit 2013 in Deutschland. Amtliche Nachweise der Eheschließung könne er nicht vorlegen. In Afghanistan habe er nur weit entfernte Verwandte. Verwandte im Ausland oder Europa habe er nicht.

Bei der Anhörung beim Bundesamt am 15. Juli 2016 gab der Kläger u.a. an, dass er in Laschkar Gah (Afghanistan) geboren sei. Er sei jedoch bereits im Alter von vier Jahren zusammen mit seinen Eltern in den Iran gezogen. Im Alter von 20 Jahren sei er sodann mit seiner Mutter wieder für zwei Jahre zurück nach Afghanistan (Ghazni Jaghori) gegangen, der Vater sei im Iran geblieben. Die Eltern seien nunmehr verstorben. Er habe keine Verwandten in Afghanistan. In Pakistan habe er eine Tante und einen Cousin; in Australien habe er wohl einen Onkel. Seine Ehefrau sei in Deutschland. Er habe die Schule bis zur 11. Klasse besucht; danach habe er die Universität besuchen wollen, dies sei jedoch nicht gegangen. Er habe sodann den Beruf des Schweißers erlernt. Er habe Afghanistan zuletzt im Oktober 2003 verlassen. Er sei über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland (Aufenthalt: 10 Jahre), Mazedonien, Serbien, Ungarn, erneut Griechenland (Rückschiebung durch Ungarn) und Italien nach Deutschland gelangt (Einreise: 4./5.4.2014). In Griechenland habe er im ersten Jahr in der Landwirtschaft gearbeitet, danach habe er eine Stelle als Schweißer gefunden. Ab 2009 habe er nur noch teilweise Arbeit gehabt. Er habe auch ehrenamtlich bei der Kirche und beim Roten Kreuz mitgearbeitet. Er habe in Athen/Griechenland am 16. Dezember 2012 eine Frau geheiratet, die bereits zwei Kinder gehabt hätte. Die Ehefrau habe Griechenland bereits Ende August 2013 verlassen. Er selbst habe Griechenland Ende März 2014 verlassen, da es keine Arbeit mehr gegeben und eine Gruppe sie belästigt habe. Zu den Gründen für seine Ausreise aus Afghanistan befragt gab der Kläger u.a. an, dass er in Ghazni Jaghori einen Bücherladen betrieben habe und auch als Fotograf auf Hochzeiten tätig gewesen sei. Ein oder zwei Tage vor der Ausreise habe er von seiner Mutter gehört, dass eine Familie behauptet habe, dass er Videos von ihrer Hochzeit ohne Erlaubnis weitergegeben habe. Aus Angst vor körperlicher Gewalt durch diese Familie, die sich in ihrer Ehre gekränkt gesehen habe, sei er dann ausgereist.

2. Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juli 2016 wurde der Asylantrag (Nr. 2) des Klägers sowie sein Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und subsidiären Schutzes (Nr. 3) abgelehnt. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien nicht gegeben (Nr. 4). Die Abschiebung nach Afghanistan wurde angedroht, sollte keine Ausreise innerhalb von 30 Tagen erfolgen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben seien. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass im Fall des Klägers eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliege. Der Kläger sei jung und erwerbsfähig. Ihm sei es mit seinem Mittelschulabschluss auch bis zu seiner Ausreise gelungen, für sich eine Lebensgrundlage zu schaffen.

Am 4. August 2016 erhob der Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2017 legte der Kläger dem Verwaltungsgericht einen bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 3. November 2016 vor, nach dem der Ehefrau (geb. am 1.1.1978) und zwei nicht gemeinsamen Kindern (geb. am 1.1.2006 bzw. 1.1.2013) subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist (Asylantragstellung: 28.8.2013). Ferner legte der Kläger einen bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 19. Mai 2017 vor, nach dem einer am 25. Februar 2015 in Neu-Ulm geborenen Tochter der Ehefrau, deren Vater er sei, im Wege des von der Mutter abgeleiteten Familienasyls nach § 26 AsylG ebenfalls subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist.

3. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2017 (Az. Au 8 K 16.31298) wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliege. Eine extreme Gefahrenlage ergebe sich für den Kläger in seiner afghanischen Heimatregion weder aus seiner Volkszugehörigkeit noch hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage. Dem Kläger drohe auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Er sei volljährig, gesund, arbeitsfähig und mit den Lebensverhältnissen in Afghanistan vertraut. Ferner spreche er eine der beiden Landessprachen. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG sei rechtmäßig.

4. Auf Antrag des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Dezember 2017 (Az. 13a ZB 17.31065) die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots zugelassen, da bezüglich der Erkenntnis des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger als Familienvater kein Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zustehe, die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (Divergenz) gegeben seien. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, nach der die mit dem Kläger in Deutschland lebende Ehefrau und das gemeinsame minderjährige Kind in die Bewertung mit einzubeziehen seien, ob die humanitären Bedingungen in Afghanistan eine Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK führt (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Der Verwaltungsgerichtshof gehe davon aus, dass hierbei Unterhaltsverpflichtungen des Klägers nicht außer Betracht bleiben könnten. Unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen sei eine solche Gefahrenlage im Fall einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern im Allgemeinen anzunehmen, so dass für sie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehe (siehe etwa BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175).

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger u.a. vor, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht bei der Bewertung der Versorgungslage in Afghanistan die Ehefrau und das gemeinsame Kind nicht berücksichtigt habe. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91) sowie des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285), nach der bei in Deutschland mit dem Asylbewerber zusammenlebenden Familienangehörigen im Lichte von Art. 6 GG im Rahmen einer möglichst realitätsnahen Rückkehrprognose auch im Heimatland auf die Gemeinschaft der Familienangehörigen abzustellen sei, ohne dass es auf etwaige Absichtserklärungen der Betroffenen oder ihren ausländerrechtlichen Status ankäme. Es könne letztlich nicht sein, dass ein Familienvater wie der Kläger nur deshalb schlechter stehe, weil seine Ehefrau einen Schutzstatus zuerkannt bekommen habe. Eine „normale“ Familie hätte insgesamt - also einschließlich des Klägers als Ehemann bzw. Vater - Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG erhalten. In jedem Fall seien die im Bescheid getroffene Abschiebungsandrohung, die Ausreisefrist sowie das Wiedereinreiseverbot rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Juli 2017 wird der Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2016 in Nr. 4. bis 6. aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, bei dem Kläger das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses aus § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG seien im Fall des Klägers nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es unzulässig, eine nicht realitätsgerechte Gefahrenprognose aufzustellen. Insbesondere sei geklärt, dass für den Fall, dass einem Familienmitglied ein Bleiberecht oder auch nur Abschiebungsschutz zuerkannt wurde, bei der gebotenen Gefährdungsprognose keine gemeinsame Rückkehr mit anderen Mitgliedern der Kernfamilie zu unterstellen sei (vgl. etwa BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - NVwZ-Beil. 2000, 146). So liege der Fall auch hier. Die Ehefrau des Klägers und das gemeinsame Kind hätten subsidiären Schutz aus § 4 AsylG zuerkannt erhalten und seien im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland bzw. hätten einen Anspruch hierauf. Sie seien daher im Rahmen der Rückkehrprognose nicht zu berücksichtigen. Daher sei der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einem alleinstehenden Mann ohne Unterhaltspflichten gleichzustellen, für den nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris Rn. 13) die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht gegeben seien. Ergänzend werde auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts verwiesen (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.). Hiernach müsse bei nationalen Abschiebungsverboten aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG stets geprüft werden, ob der Schutztatbestand in der Person eines jedes Familienmitglieds tatsächlich vorliege. Hieran änderten auch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nichts; denn allein die Ausländerbehörden - nicht das Bundesamt - hätten bei der Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse darüber zu befinden, ob eine Abschiebung mit dem Schutz der Familie aus Art. 6 GG vereinbar sei. Ausgehend von dieser Rechtsprechung sei somit aus Rechtsgründen bei der Rückkehrprognose richtigerweise ein anderer Ansatz geboten als derjenige, den der Verwaltungsgerichtshof bei Familien mit minderjährigen Kindern bisher zugrunde gelegt habe. Sollte der Verwaltungsgerichtshof hingegen an seinen bisherigen prognostischen Maßstäben festhalten und die Rückkehrsituation im Fall des Klägers der Konstellation einer Familie mit minderjährigen Kindern gleicherachten (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - juris), werde die Zulassung der Revision beantragt, um die umstrittene Rechtsfrage zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei der Rückkehrprognose Auswirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK einzubeziehen seien.

5. Ausweislich der im Berufungsverfahren beigezogenen Asylakte hat die Ehefrau des Klägers in ihrem Asylverfahren u.a. vorgetragen, dass sie Afghanistan verlassen habe, da ihr erster Ehemann - ein Kommandeur bei der afghanischen Armee, mit dem sie im Alter von neun Jahren zwangsverheiratet worden sei - sie und ihre Kinder schwer körperlich misshandelt habe. Nach der Scheidung sei sie auf der Flucht vor dem Ex-Ehemann über den Iran nach Griechenland gegangen. Dort habe sie den Kläger getroffen, der ihr geholfen habe. Später habe sie diesen „telefonisch“ und auch in einer christlichen Kirche in Griechenland geheiratet. Sodann habe der Kläger sie und die Kinder mit dem Flugzeug nach Deutschland geschickt, um selbst später auf dem Landweg nachzukommen. Die Ehefrau legte in ihrem Asylverfahren einen Auszug aus dem Geburtenregister der Stadt Neu-Ulm vom 12. November 2015 vor, nach dem sie dort am 25. Februar 2015 eine Tochter zur Welt gebracht hat; unter „Vater“ war niemand eingetragen. Ferner wurde eine Kopie eines Dokuments in persischer Sprache nebst deutscher Übersetzung durch einen allgemein vereidigten Dolmetscher vorgelegt; hiernach handele es sich um ein iranisches Dokument, nach dem der Kläger und die Ehefrau dort am 16. Dezember 2012 in Abwesenheit über zwei Stellvertreter nach islamischem Ritus die Ehe geschlossen hätten. Ausweislich eines internen Vermerks des Bundesamts zum bestandskräftigen Bescheid der Ehefrau des Klägers vom 3. November 2016 habe diese subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt erhalten, da ihr in Afghanistan Verfolgung durch ihren geschiedenen Ehemann drohe und ihr dort als alleinstehender bzw. alleinerziehender Frau keine interne Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

Ausweislich einer weiteren beigezogenen Asylakte wurde mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 23. Oktober 2017 einer am 6. Dezember 2016 in Neu-Ulm geborenen weiteren Tochter der Ehefrau im Wege des von der Mutter abgeleiteten Familienasyls nach § 26 AsylG ebenfalls subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt. In diesem Verfahren wurde ein Auszug aus dem Geburtenregister der Stadt Neu-Ulm vom 9. Januar 2017 vorgelegt, nach dem Vater dieser Tochter der Kläger sei (Zusatz: „Identität nicht nachgewiesen“).

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. November 2018 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist ganz überwiegend nicht begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO).

1. Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylG) hat der Kläger keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass in seinem Fall ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans gegeben ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

a) Der streitgegenständliche Anspruch folgt zunächst nicht aus dem Umstand, dass der Ehefrau des Klägers und den 2015 und 2016 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern durch das Bundesamt bestandskräftig subsidiärer Schutz i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist.

Insoweit gilt, dass § 26 AsylG ausweislich seines Wortlauts auf den im vorliegenden Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Anspruch auf ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine Anwendung findet; ein nationales Abschiebungsverbot muss vielmehr stets in der Person des jeweiligen Betroffenen selbst begründet sein (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 = juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG; BayVGH, U.v. 21.9.2009 - 21 B 08.30221 - juris Rn. 13-16).

b) Im Fall des Klägers sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben.

aa) Insoweit gilt, dass die Ehefrau des Klägers, die in Deutschland geborenen gemeinsamen Kinder sowie die sonstigen mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebenden Stiefkinder im Rahmen der gebotenen Gefahrenprognose bei einer hypothetischen Rückkehr ins Heimatland nicht zu berücksichtigen sind.

(1) Im Rahmen der Prüfung, ob der Abschiebung eines erfolglosen Asylbewerbers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen, ist der Gefahrenprognose eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendig hypothetische Rückkehrsituation zugrunde zu legen. Insoweit gelten im Rahmen der Gefahrenprognose des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht zur asylrechtlichen Verfolgungsprognose entwickelt hat (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190), entsprechend. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist für die Gefahrenprognose die Sach- und Rechtslage im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt entscheidend, wobei absehbare Entwicklungen zu berücksichtigen sind (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 10/12).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 = juris Rn. 14). Nicht angenommen werden kann hingegen eine gemeinsame Rückkehr mit Familienangehörigen, die aufgrund rechtskräftiger Feststellung zu § 3 AsylG als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen. Es widerspräche dem damit zugleich verbindlich festgestellten Flüchtlingsstatus, auch bei einem solchen Sachverhalt die gemeinsame Rückkehr des erfolglosen Asylbewerbers mit seinen als politische Flüchtlinge anerkannten Angehörigen zu unterstellen. Dies wäre zudem wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der Rechtsprechung zum Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 10 f.).

Nichts anderes kann dann gelten, wenn die bleibeberechtigten Eltern oder Familienangehörigen auf absehbare Zeit wegen individueller Gefährdung von Leib und Leben i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in ihr Heimatland zurückkehren können (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10).

Soweit einzelne Familienangehörige wegen eines bestehenden Bleiberechts oder festgestellten Abschiebungsschutzes auf absehbare Zeit in Deutschland verbleiben werden, ist die (inlandsbezogene) Frage, ob die mit einer Durchführung der Abschiebung einhergehende Trennung der Familie im Lichte von Art. 6 GG zulässig ist, nicht vom Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ausschließlich von der Ausländerbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung etwaiger Vollstreckungshindernisse nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu entscheiden; diese hat hierbei auch die weiteren (mittelbaren) Folgen der Trennung im Abschiebungszielstaat - etwa eine drohende Existenzgefährdung - zu berücksichtigen (siehe zum Ganzen: BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 = juris Rn. 4; U.v. 7.12.2004 - 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 = NVwZ 2005, 704 = juris Rn. 29; B.v. 23.10.2001 - 1 B 169.01 - juris Rn. 2; U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 13-17; BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 19 f.; B.v. 31.7.2018 - 15 ZB 17.31491 - juris Rn. 7; B.v. 31.7.2017 - 20 ZB 16.30094 - juris Rn. 11-13).

(2) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze haben vorliegend die Ehefrau des Klägers, die gemeinsamen Kinder sowie die mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebenden Stiefkinder außer Betracht zu bleiben, da ihnen durch das Bundesamt bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist; es ist daher bei Zugrundelegung einer möglichst realitätsnahen Rückkehrsituation davon auszugehen, dass sie nicht zusammen mit dem Kläger nach Afghanistan zurückkehren würden (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11).

Allerdings vermag der in diesem Kontext erfolgte Verweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.) nicht zu überzeugen. Hier hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht im Fall einer afghanischen Familie der Ehefrau und den zwei Töchtern Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt, während dem Ehemann kein Schutzstatus zuerkannt wurde. Begründet wurde dies damit, dass auch bei Klagen von Familienmitgliedern stets geprüft werden müsse, ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person eines jeden Klägers tatsächlich vorliege. Dieser Judikatur folgt der Senat im Ergebnis nicht, da sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht. Zwar trifft es zu, dass die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG - wie ausgeführt - stets hinsichtlich jeder Einzelperson zu prüfen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 = juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Dieser Aspekt ist jedoch unabhängig von der Frage zu sehen, welche (Begleit-)Personen im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers in sein Heimatland einzustellen sind. Insoweit gilt - wie ausgeführt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr eines Ausländers mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 = juris Rn. 14); dieser Grundsatz gilt auch bei der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbots (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Soweit das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner abweichenden Rechtsansicht seinerseits auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweist, nach der die Vereinbarkeit einer Abschiebung mit dem in Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie und des Erziehungsrechts der Eltern durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu prüfen sei, so überzeugt auch dies nicht, da diese Aussage des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Zusammenhang gerissen ist. Richtigerweise ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des Ausländers als erster Schritt der zu berücksichtigende (Begleit-)Personenkreis zu bestimmen; auf dieser (hypothetischen) Ebene wird die Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK vom Bundesverwaltungsgericht auch dann nicht thematisiert, wenn einzelne Familienmitglieder bei der Rückkehrprognose außer Betracht bleiben, da sie ein bestandskräftiges Bleiberecht im Bundesgebiet haben (vgl. etwa BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11 f.). Allein im Zusammenhang mit letztgenannten Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht sodann bei der nachfolgenden Gefahrenprognose ausgeführt, dass die inlandsbezogene Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK nicht durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur durch die Ausländerbehörde im Rahmen von § 60a Abs. 2 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 15-17). Auf die vorgelagerte Frage der Bestimmung des im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers zu berücksichtigenden (Begleit-)Personenkreises bezieht sich die vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bezug genommene Aussage des Bundesverwaltungsgerichts somit nicht.

Dies vorausgeschickt ist vorliegend im Ausgangspunkt zu bedenken, dass den Familienmitgliedern des Klägers mit bestandskräftigen Asylbescheiden ein Bleiberecht in Deutschland in Form des subsidiären Schutzes zuerkannt worden ist. Aufgrund dieses verbindlich festgestellten Schutzstatus wäre es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit dem Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang, von einer gemeinsamen Rückkehr des Klägers mit seinen Familienangehörigen in sein Heimatland auszugehen (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht verweist insoweit darauf, dass einem durch das Bundesamt bestandskräftig festgestellten Schutzstatus von Familienmitgliedern gemäß § 6 Satz 1 AsylG Verbindlichkeit in allen Angelegenheiten zukommt, in denen die jeweilige Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung internationalen Schutzes rechtserheblich ist (vgl. die Zitierung der im Kern inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 4 Satz 1 AsylVfG a.F. in BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11).

Diese Rechtsprechung kann jedoch als Ausnahme vom Grundsatz, dass bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14), keine Anwendung finden, wenn das Bundesamt unter Verstoß gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK das Asylgesuch einzelner Personen aus einem Familienverband materiell isoliert betrachtet und zum Teil einen Schutzstatus zuerkennt, zu einem anderen Teil ablehnt. Eine solche Trennung des Familienverbands ohne sachlichen Grund kann bei der gebotenen Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation nicht unberücksichtigt bleiben. Zwar mag es dem verbindlich festgestellten Schutztatbestand widersprechen, wenn gleichwohl eine gemeinsame Rückkehr unterstellt würde. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die Einbeziehung des Merkmals der Gemeinschaftlichkeit des Aufenthalts in die Rückkehrprognose durch das räumliche Zusammenleben der Familie nahegelegt wird, das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14). Diesem verfassungsrechtlichen Schutzgut würde eine Hypothese zuwiderlaufen, mit der von vornherein der isolierte Heimataufenthalt eines der im Familienverband zusammenlebenden Familienmitglieder, nicht aber die Gemeinschaftlichkeit dieses Aufenthalts mit den anderen Angehörigen des Familienverbandes unterstellt würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Behörden, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Insoweit vermag allein die verfahrensrechtliche Trennung der Asylverfahren von Familienmitgliedern durch das Bundesamt nicht zu einer materiellrechtlichen Änderung der im Regelfall auf die Familieneinheit abstellenden Rückkehrprognose zu führen, wenn hierfür nicht im Einzelfall sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen. Andernfalls wäre das Bundesamt in der Lage, allein durch die verfahrenstechnische Trennung der Asylverfahren der Ehefrau mit Kindern vom Asylverfahren des Ehemanns, gegen die wegen § 44a VwGO kein isolierter Rechtsschutz eröffnet ist, die materiellrechtliche Rückkehrprognose für den Ehemann im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG maßgeblich zu verändern, da diesem ohne Unterhaltspflichten gegenüber der Ehefrau und den Kindern als alleinstehenden, arbeitsfähigen Mann die Erwirtschaftung seines Existenzminimums voraussichtlich eher gelingen kann als bei einer Rückkehr der gesamten Familie. Letztendlich wäre der Ausgang des Verfahrens des Familienvaters von Zufälligkeiten abhängig, ob und wann über seinen Antrag und die Anträge seiner übrigen Familienangehörigen jeweils entschieden wird. Es würde daher dem Schutz von Ehe und Familie im Sinn von Art. 6 GG widersprechen, einen einheitlichen Familienverband ohne erkennbaren Grund materiellrechtlich getrennt zu betrachten und von der isolierten Rückkehr eines Mitglieds der Kernfamilie auszugehen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte isolierte Betrachtung von Familienmitgliedern erfordert nach alledem eine Einschränkung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dergestalt, dass bei der Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation trotz festgestelltem Schutzstatus einzelner Familienmitglieder von einer Rückkehr im Familienverband auszugehen ist.

Hiervon ausgehend ist ein sachlich nicht gerechtfertigtes Vorgehen des Bundesamts im Fall des Klägers jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr ist der hiesige Kläger erst im April 2014 - und damit mehr als ein halbes Jahr nach seiner Ehefrau und deren Kindern aus erster Ehe (Einreise: August 2013) - in das Bundesgebiet eingereist und hat dementsprechend einen gesonderten Asylantrag gestellt. Auch waren die Gefahrenumstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG für die Ehefrau des Klägers geführt haben (die vorgetragene Bedrohung durch ihren geschiedenen Ehemann in Afghanistan), allein in der Sphäre der Ehefrau begründet und betrafen den Kläger nicht. Zudem hat die Ehe des Klägers nach eigenem Vortrag nicht bereits im Heimatland bestanden. Vielmehr ist laut dem Kläger eine nur kirchliche Eheschließung erst im Jahr 2012 in Griechenland sowie gleichzeitig eine sog. Handschuhehe im Iran erfolgt. Die Eheschließung in Griechenland war gegenüber dem Bundesamt im Asylverfahren überdies nicht durch amtliche Dokumente hinreichend nachgewiesen, obwohl die Vorlage oder Beschaffung einer griechischen Heiratsurkunde ohne weiteres möglich hätte sein sollen. Abgesehen davon, dass die rechtliche Bewertung einer sog. Handschuhehe im Iran durchaus komplex ist (vgl. BGH, U.v. 19.12.1958 - IV ZR 87/58 - BGHZ 29, 137 - juris; KG Berlin, B.v. 22.4.2004 - 1 W 173/03 - juris; Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Art. 13 EGBGB Rn. 9), hat der Kläger auch hierzu keine nachprüfbaren Belege vorgelegt. Nach alledem war es vorliegend seitens des Bundesamts jedenfalls nicht unter jedem Aspekt rechtlich unvertretbar, das Asylgesuch des Klägers materiell isoliert zu betrachten, auch wenn aus Sicht des Senats jedenfalls seit der Geburt der gemeinsamen Kinder mehr für eine gemeinsame Betrachtung als Familienverband gesprochen hätte. Diese Betrachtungsweise würde allerdings der Begründung des Bundesamts für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG gegenüber der Ehefrau des Klägers den Boden entziehen. Ausweislich des dem betreffenden Bescheid beigefügten Vermerks ist der Ehefrau des Klägers maßgeblich deshalb ein Schutzstatus nach § 4 AsylG zuerkannt worden, da ihr in Afghanistan als alleinstehender bzw. alleinerziehender Frau keine interne Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Im Fall einer gemeinsamen Betrachtung der Asylanträge unter Einbeziehung des Klägers - etwa im Rahmen eines Folgeantrags der gesamten Familie - würde diese Begründung entfallen.

Unter Zugrundlegung der Auffassung des Bundeamts, für die im vorliegenden Einzelfall hinreichend gewichtige Gründe sprechen, verbleibt es somit hier beim der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechenden Grundsatz, dass mit Blick auf den subsidiären Schutzstatus der sonstigen Familienmitglieder von einer alleinigen Rückkehr des Klägers nach Afghanistan auszugehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 11).

bb) Unter der Prämisse einer Rückkehr des Klägers als Alleinstehender nach Afghanistan sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegend nicht gegeben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist nicht davon auszugehen, dass eine Abschiebung nach Afghanistan ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris Rn. 5; B.v. 4.1.2018 - 13a ZB 17.31652 - juris Rn. 5; B.v. 29.11.2017 - 13a ZB 17.31251 - juris Rn. 6; B.v. 11.4.2017 - 13a ZB 17.30294 - juris Rn. 5 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung der Vorschrift führen würde. Der Senat geht davon aus, dass ein erwerbsfähiger und gesunder Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten etwa in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. Trotz großer Schwierigkeiten bestehen grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere Rückkehrer aus dem Westen sind auf dem Arbeitsmarkt allein aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in einer vergleichsweise guten Position; jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr sind daher nicht zu befürchten. Auf ein stützendes Netzwerk in Afghanistan oder einen vorherigen Aufenthalt im Heimatland kommt es hierbei nicht an; ausreichend ist vielmehr, dass eine der Landessprachen beherrscht wird und der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 29.11.2017 - 13a ZB 17.31251 - juris Rn. 6; B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris Rn. 13; B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris Rn. 4; U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnismittel fest.

(1) Zum einen sind im Fall des Klägers die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Afghanistans nicht gegeben.

(a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 25). Im Rahmen der Prüfung der allgemeinen Situation der Gewalt kann auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur erheblichen individuellen Gefahr im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) zurückgegriffen werden, soweit sie sich auf die Gefahrendichte bezieht. Danach bedarf es neben einer quantitativen Ermittlung der Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Relation zur Gesamteinwohnerzahl auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen - Todesfälle und Verletzungen - bei der Zivilbevölkerung; ein Schädigungsrisiko von etwa 1:800 ist insoweit weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 22 f.).

Soweit - wie in Afghanistan - ein für die Verhältnisse eindeutig maßgeblich verantwortlicher Akteur fehlt, können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 9: „nur in besonderen Ausnahmefällen“; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489 = juris Rn. 25; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 = juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681 - Rn. 278 ff.; BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 17; VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176 f.; OVG NW, B.v. 14.3.2018 - 13 A 341/18.A - juris Rn. 19 f.).

Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen vielmehr ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen; diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 11). Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (U.v. 28.6.2011, a.a.O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167) macht letztlich deutlich, dass von einem sehr hohen Gefahrenniveau auszugehen ist; nur dann liegt ein „ganz außergewöhnlicher Fall“ vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 19; VGH BW, U.v. 11.4.2018 - A 11 S 1729/17 - juris Rn. 128-131).

Auch im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen; erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51 - juris Rn. 22). Bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung an dem Ort droht, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 26).

(b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel geht der Senat weiterhin davon aus, dass für einen erwerbsfähigen und gesunden Mann - wie den Kläger - auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäres Unterstützungsnetzwerk bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK grundsätzlich nicht gegeben sind. Denn eine beachtlich wahrscheinliche, im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehende Behandlung ist insoweit nicht zu erwarten (vgl. in diesem Sinne VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.).

(aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf die Sicherheitslage in Afghanistan. Zwar ist den aktuellen Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass sich die Situation seit Abzug der internationalen Truppen 2014/15 grundsätzlich verschlechtert habe, die Aufständischen hätten größere Bewegungsfreiheit. Die Taliban versuchten, den Einfluss in ihren Kernräumen - paschtunisch geprägte ländliche Gebiete, vornehmlich in den Provinzen Helmand, Kandahar, Uruzgan und zunehmend auch Farah im Westen und Süden sowie Kunduz und Faryab im Norden - zu konsolidieren und auszuweiten, auch wenn es ihnen bislang nicht gelungen sei, eine Provinzhauptstadt dauerhaft zu erobern. Nach Einschätzungen zum Jahresende 2017 übten die Taliban in 39 der 408 Distrikte Afghanistans die alleinige Kontrolle aus. Als weiterer Faktor seien seit 2015 militante Gruppen hinzugekommen, die sich zum ISKP („Islamischer Staat in der Provinz Khorasan“) bekennen (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 21). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe seien die Taliban aktuell so stark wie seit 2001 nicht mehr (SFH, Afghanistan: Die aktuelle Sicherheitslage - Update, 12.9.2018, S. 4). Regierungsfeindliche Elemente würden zudem eine steigende Zahl von gezielten Angriffen auf Zivilisten ausführen, selbst in bestgesicherten Bereichen der Hauptstadt Kabul (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 21 f.; SFH, a.a.O., S. 4/8 f.). Die UN beschrieben die Lage in Afghanistan insgesamt weiterhin als „in hohem Maße instabil“ bzw. „volatil“; Zivilisten hätten weiter die Hauptlast des Konflikts zu tragen (UNHCR, a.a.O., S. 21 f.; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Security Situation - Update, 1.5.2018, S. 20).

Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklung ist die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Gefahrendichte in Afghanistan aber grundsätzlich weiterhin nicht gegeben. Zwar weist auch der aktuelle UNAMA-Bericht vom 10. Oktober 2018 darauf hin, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 ein extremes Niveau an Gewalt gegenüber Zivilisten in Afghanistan dokumentiert worden sei (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in armed Conflict: 1 January to 30 September 2018, S. 1). Zugleich gibt UNAMA jedoch an, dass vom 1. Januar bis 30. September 2018 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote, 5.252 Verletzte) dokumentiert worden seien und dies in etwa demselben (hohen) Niveau des vergleichbaren Berichtszeitraums 2017 entspreche (8.048 zivile Opfer; 2.666 Tote, 5.418 Verletzte; UNAMA, S. 1). Bei einer proportionalen Hochrechnung der Opferzahlen für 2018 insgesamt (10.734 zivile Opfer; 3.731 Tote, 7.003 Verletzte) und einer konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von etwa 27 Mio. Menschen (AA, a.a.O., S. 18 f.) ergibt sich hieraus ein konfliktbedingtes Schädigungsrisiko von 1:2515. Selbst wenn man die Provinz Nangarhar zugrunde legt, für die UNAMA in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern registriert habe (1.494 zivile Opfer; 554 Tote und 940 Verletzte; UNAMA, S. 1 f.), ergibt sich bei einer proportionalen Hochrechnung der Opferzahlen für 2018 insgesamt (1.992 zivile Opfer; 739 Tote, 1.253 Verletzte) und einer geschätzten Bevölkerungszahl der Provinz von 1.545.448 Menschen (BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung v. 2.3.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.1.2018, S. 104) ein Schädigungsrisiko von 1:776. Selbst dieser Wert ist jedoch derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass auch bei wertender Gesamtbetrachtung nicht von einer in Afghanistan oder Teilen hiervon aufgrund der Sicherheitslage jeder Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit tatsächlich drohenden, Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgegangen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 - juris Rn. 22 f. zu einem Schädigungsrisiko von 1:800; vgl. zu den zivilen Opferzahlen in 2016/17 bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 109 ff.).

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, U.v. 11.7.2017 - S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 - Rn. 53; U.v. 11.7.2017 - Soleimankheel and others/Netherlands, Nr. 41509/12 - Rn. 51; U.v. 11.7.2017 - G.R.S./Netherlands, Nr. 77691/11 - Rn. 39; U.v. 11.7.2017 - E.K./Netherlands, Nr. 72586/11 - Rn. 67; U.v. 11.7.2017 - E.P. and A.R./Netherlands, Nr. 63104/11 - Rn. 80; U.v. 16.5.2017 - M.M./Netherlands, Nr. 15993/09 - Rn. 120; U.v. 12.1.2016 - A.G.R./Niederlande, Nr. 13442/08 - NVwZ 2017, 293 - Rn. 59). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B./United Kingdom, Nr. 70073/10 - Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 10).

(bb) Auch aus der aktuellen humanitären bzw. wirtschaftlichen Lage in Afghanistan ergibt sich grundsätzlich kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Denn ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen und daher die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind, ist weiter nicht gegeben (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.).

Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei (Human Development Index 2016: Platz 169 von 188 Staaten). Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum sei kurzfristig nicht in Sicht (2017: 2,6 v.H.). Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25 v.H. auf 39 v.H. gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der afghanischen Bevölkerung - insbesondere Rückkehrer - weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 9,3 Mio. Menschen - ein Drittel der afghanischen Bevölkerung - humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen, für 2018 sei eine Dürre vorausgesagt worden. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten würden. Jedoch habe die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Seit 2002 seien laut UNHCR 5,8 Mio. afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, Afghanistan erlebe die größte Rückkehrbewegung der Welt. Das Fehlen lokaler Netzwerke könne Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhänge (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 25/28).

Laut einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom 1. Juni 2018 stünden in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet sei. Zugang zu angemessener Unterkunft sei jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte seien als Slums einzustufen. Flüchtlinge lebten in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte böten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken - etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen - oder zu finanziellen Mitteln ab (siehe zum Ganzen: EASO, Country Guidance: Afghanistan, 1.6.2018, S. 104 f.).

Ausweislich des Länderinformationsblatts Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. Juni 2018 seien von den 2.1 Mio. Personen, die in informellen Siedlungen lebten, 44 v.H. Rückkehrer. Die Zustände in diesen Siedlungen seien unterdurchschnittlich und besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81 v.H. der Menschen in informellen Siedlungen seien Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26 v.H. hätten keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24 v.H. lebten in überfüllten Haushalten. Rückkehrer erhielten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehrten, und internationalen Organisationen (z.B. IOM, UNHCR) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (z.B. IPSO und AMASO), die die Reintegration in Afghanistan finanziell, durch Bereitstellung von Unterkunft, Nahrungsmitteln oder sonstigen Sachleistungen sowie durch Beratung unterstützten. Gleichwohl sei die Möglichkeit der Rückkehr zur Familie oder einer sonstigen Gemeinschaft mangels konkreter staatlicher Unterbringungen für Rückkehrer der zentrale Faktor. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellten die afghanische Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung (zwei Wochen). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stelle eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar; Unterstützungsnetzwerke könnten sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Religion sowie aus „professionellen“ (Kollegen, Kommilitonen etc.) oder politischen Verbindungen ergeben (siehe zum Ganzen: BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 29.6.2018, S. 314-316, 327-331).

Nach den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 seien die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. Ende 2017 sei bezüglich 3,3 Mio. Afghanen ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe festgestellt worden; nunmehr kämen weitere 8,7 Mio. Afghanen hinzu, die langfristiger humanitärer Hilfe bedürften. Über 1,6 Mio. Kinder litten Berichten zufolge an akuter Mangelernährung, wobei die Kindersterblichkeitsrate mit 70 auf 1.000 Geburten zu den höchsten in der Welt zähle. Ferner habe sich der Anteil der Bevölkerung, die laut Berichten unterhalb der Armutsgrenze lebe, auf 55 v.H. (2016/17) erhöht, von zuvor 33,7 v.H. (2007/08) bzw. 38,3 v.H. (2011/12). 1,9 Mio. Afghanen seien von ernsthafter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Geschätzte 45 v.H. der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 4,5 Mio. Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans herrsche die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbreche. 54 v.H. der Binnenvertriebenen (Internally Displaced Persons - IDPs) hielten sich in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöhe und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärke; die bereits an ihre Grenze gelangten Aufnahmekapazitäten der Provinz- und Distriktszentren seien extrem belastet. Dies gelte gerade in der durch Rückkehrer und Flüchtlinge rapide wachsenden Hauptstadt Kabul (Anfang 2016: geschätzt 3 Mio. Einwohner). Flüchtlinge seien zu negativen Bewältigungsstrategien gezwungen wie etwa Kinderarbeit, früher Verheiratung sowie weniger und schlechtere Nahrung. Laut einer Erhebung aus 2016/17 lebten 72,4 v.H. der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unzulänglichen Wohnverhältnissen. Im Januar 2017 sei berichtet worden, dass 55 v.H. der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert gewesen seien (siehe zum Ganzen: UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 36 f., 125 f.).

Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 böten die informellen Siedlungen in den afghanischen Städten meist einen schlechten oder keinen Zugang zu Basisdienstleistungen und Infrastruktur (Elektrizität, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen). Die Unterkünfte seien meist behelfsmäßig gebaut und könnten nur bedingt vor Kälte, Hitze und Feuchtigkeit schützen. Die Lebensbedingungen von Rückkehrern lägen unter den normalen Standards. Laut einer Studie seien 87 v.H. der IDPs und 84 v.H. der Rückkehrer von Lebensmittelknappheit betroffen. Ob es Rückkehrer schafften, sich in Afghanistan wieder zu integrieren, hänge nicht zuletzt vom Vorhandensein von Unterstützungsnetzwerken ab. In Kabul (geschätzte Einwohnerzahl: 3,8 - 7 Mio.) habe der schnelle Bevölkerungsanstieg rasch zu einer Überforderung der vorhandenen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Die humanitäre Lage spitze sich insbesondere in großen Städten zu, weil sich dort IDPs und Rückkehrer konzentrierten, die eine Existenzgrundlage und Zugang zu bereits stark überlasteten Grunddienstleistungen suchten. Laut Amnesty International sei die Aufnahmekapazität - insbesondere in den größeren Städten - aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der sehr bescheidenen Möglichkeiten, eine Existenzsicherung sowie angemessene Unterkunft zu finden, sowie des mangelnden Zugangs zu überstrapazierten Grunddienstleistungen „äußerst eingeschränkt“ (siehe zum Ganzen: SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile - Update, 12.9.2018, S. 20-22).

Zusammenfassend lassen sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln zur humanitären Lage in Afghanistan keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.). Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Situation in Afghanistan weiterhin sehr besorgniserregend ist. Jedoch liegen keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zuließen, dass jeder alleinstehende, erwerbsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind daher weiterhin nicht erfüllt. Zudem liegen Erkenntnisse dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, trotz hoher Rückkehrzahlen nicht vor (VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 407).

Auch die aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 gehen letztlich weiterhin (vgl. bereits UNHCR, Richtlinien v. 19.4.2016, S. 99) davon aus, dass alleinstehende leistungsfähige afghanische Männer sowie verheiratete Paare in erwerbsfähigem Alter als Rückkehrer grundsätzlich auch ohne ein Unterstützungsnetzwerk ihren zumutbaren Lebensunterhalt in Afghanistan sicherstellen können, soweit im Einzelfall keine besonderen Gefährdungsfaktoren gegeben sind. Diese Personen könnten unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (siehe zum Ganzen: UNHCR, a.a.O., S. 125; vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 422 f.). Zum selben Ergebnis gelangt auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in seinem Bericht vom 1. Juni 2018 (EASO, a.a.O., S. 106).

Soweit der UNHCR in seinen aktualisierten Richtlinien zu der Auffassung gelangt, dass eine inländische Fluchtalternative in Kabul mit Blick auf Grenzen der Aufnahmekapazität der Stadt und die humanitären Lebensbedingungen in den dortigen sog. informellen Siedlungen generell nicht zur Verfügung stehe (UNHCR, a.a.O., S. 129), so beschränkt sich diese Aussage bereits auf Kabul, ohne jedoch das Vorhandensein hinreichender Lebensbedingungen für Rückkehrer im restlichen Afghanistan - insbesondere den sonstigen Großstädten - in Frage zu stellen. Zudem gilt, dass der Ausschluss Kabuls im Kontext der Zumutbarkeit als inländischer Fluchtalternative i.S.v. Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU erfolgt ist (vgl. UNHCR, S. 128: „Die Zumutbarkeit von Kabul als interner Schutzalternative“). Hiernach muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage jedoch so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält; dieser Zumutbarkeitsmaßstab bzw. dieses Zumutbarkeitsniveau geht über das Fehlen einer im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK maßgeblichen Sicherung des Existenzminimums hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 8.8.2018 - A 11 S 1753/18 - juris Rn. 22). Ohnehin beruht die Bewertung des UNHCR auf von ihm selbst angelegten Maßstäben, die sich von den gesetzlichen Anforderungen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheiden können (BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9).

(c) Im Einzelfall des Klägers sind auch keine besonderen individuellen Umstände gegeben, die ausnahmsweise zum Vorliegen der Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Afghanistans führen.

Soweit es die Sicherheitslage in Afghanistan angeht, so gilt, dass in der Person des Klägers keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände gegeben sind. Ein individueller gefahrerhöhender Umstand ergibt sich insbesondere nicht aus der bloßen Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 233 ff.). Gleiches gilt letztlich hinsichtlich des Umstands, dass der Kläger bei Asylantragstellung seine Religion mit „Christentum“ angegeben hat (VA S. 11); denn ein gefestigter Übertritt zum christlichen Glauben ist durch den Kläger weder im nachfolgenden Asylverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht worden (vgl. VGH BW, U.v. 5.12.2017 - A 11 S 1144/17 - juris Rn. 266).

Soweit es die humanitäre bzw. wirtschaftliche Lage in Afghanistan betrifft, wäre der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage, für sich als Einzelperson das Existenzminimum zu bestreiten. Der 37-jährige Kläger ist gesund und erwerbsfähig; er spricht eine der afghanischen Landessprachen (Dari) und könnte in Afghanistan insbesondere seinen laut Anhörung beim Bundesamt erlernten und auch in Griechenland ausgeübten Beruf als Schweißer ausüben oder erneut - wie ebenfalls in Griechenland - in der Landwirtschaft arbeiten (Anhörungsprotokoll, VA S. 79 f.). Auch in Deutschland ist der Kläger erwerbstätig gewesen, u.a. als Hausmeister (Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, S. 2). Überdies verfügt der Kläger über eine für Afghanistan deutlich überdurchschnittliche Schulbildung, er hat die Schule bis zu elften Klasse besucht und hatte sogar einen anschließenden Universitätsbesuch beabsichtigt (Anhörungsprotokoll, VA S. 80).

(2) Auch die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen im Fall des Klägers hinsichtlich Afghanistans nicht vor.

Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

(a) Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten - insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage - kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 23.10 - NVwZ 2012, 244 - juris Rn. 21 f.; B.v. 14.11.2007 - 10 B 47.07 u.a. - juris Rn. 3).

(b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 453).

(3) Das durch den Senat gefundene Ergebnis entspricht - soweit ersichtlich - auch der einhelligen Rechtsprechung der anderen Oberverwaltungsgerichte; eine Auseinandersetzung mit einer abweichenden Würdigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen durch andere Oberverwaltungsgerichte (vgl. allg. BVerwG, B.v. 6.7.2012 - 10 B 18.12 - juris Rn. 10) ist daher nicht geboten.

2. Auch soweit der Kläger sich gegen die Abschiebungsandrohung unter Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids wendet, ist die Berufung nicht begründet.

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlässt das Bundesamt nach § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn dem Ausländer kein Schutzstatus nach Art. 16a GG, § 3 f. AsylG oder § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuerkannt wird (Nr. 1-3) und er keinen Aufenthaltstitel besitzt (Nr. 4). Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG soll die Abschiebungsandrohung mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden.

Hiervon ausgehend war der Ausspruch der Androhung der Abschiebung durch das Bundesamt im Fall des Klägers nicht dadurch ausgeschlossen, dass vorliegend mit Blick auf eine mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht zu vereinbarende Trennung von Familienmitgliedern wohl ein inlandsbezogenes, von der Ausländerbehörde zu prüfendes Abschiebungshindernis i.S.v. § 60a Abs. 2 AufenthG besteht (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305, 310 f. = DVBl 2000, 419). Das Bundesamt ist vielmehr auf das ihm obliegende Prüfprogramm aus § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG beschränkt. Es ist daher auch in Fällen, in denen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, ermächtigt und regelmäßig gehalten, eine „Vorratsentscheidung“ zum Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten zu treffen und eine entsprechende zielstaatsbezogene Abschiebungsandrohung zu erlassen (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 - juris Rn. 4).

3. Soweit sich die Berufung des Klägers hingegen gegen die Aufhebung der Anordnung in Nr. 6 des Bescheids vom 21. Juli 2016 (Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots) richtet, ist sie begründet. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG ist von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei sind von der zuständigen Behörde - im Fall einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG das Bundesamt, § 75 Nr. 12 AufenthG - u.a. die im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK schutzwürdigen familiären Belange des Ausländers sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die gerichtliche Überprüfung der Befristungsentscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen, so dass das Bundesamt auch während des gerichtlichen Verfahrens eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit seiner Befristungsentscheidung und ggf. zur Ergänzung seiner Ermessenserwägungen trifft (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 = NVwZ 2018, 88 - juris). Geht man ungeachtet der Rechtsgrundlage für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt in § 11 Abs. 2 AufenthG vom Vorliegen einer Streitigkeit nach dem Asylgesetz aus (so Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 86 m.w.N.; a.A. Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 Rn. 102), ergibt sich der entsprechende maßgebliche Zeitpunkt aus § 77 Abs. 1 AsylG.

Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt auch als Ermessensentscheidung über § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 = NVwZ 2018, 88 - juris). Die Beklagte hat vorliegend als wesentliche Ermessenserwägung nicht in ihre Entscheidung eingestellt, dass der Ehefrau des Klägers, den beiden Stiefkindern sowie den beiden im Bundesgebiet geborenen gemeinsamen Kindern bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist und sie daher im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein dürften (vgl. § 25 Abs. 2 AufenthG). Die Befristungsentscheidung ist mithin im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) ermessensfehlerhaft und damit aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 22 f.).

4. Abschließend weist der Senat nochmals darauf hin, dass im Fall des Klägers - unabhängig von einem etwaigen gemeinsamen Asylfolgeantrag mit dem Ziel einer Gesamtbetrachtung der Familie im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG - im Lichte von Art. 6 GG jedenfalls ein durch die Ausländerbehörde zu beachtendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis i.S.v. § 60a Abs. 2 AufenthG bestehen dürfte (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 15-17).

5. Die Kosten beider Instanzen hat der Kläger zu tragen, da die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 24). Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben; insbesondere wurde vorliegend im Ergebnis an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr einzustellenden Familienmitgliedern festgehalten.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 wird abgeändert und die Beklagte unter Abänderung von Nummer 3 und Aufhebung von Nummer 4 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

II.

Die Beklage hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht haben die Kläger ¾ und die Beklagte ¼ zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger, eine Familie aus K. mit zwei im Jahr 2009 und im Jahr 2012 geborenen Kindern, sind afghanische Staatsangehörige und tadschikische Volkszugehörige. Sie reisten im Juni 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Juni 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Der Kläger zu 1, der Ehemann und Vater, gab bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 24. Oktober 2012 an, er habe mit seiner Familie zuletzt in K. gelebt. Am 7. Oktober 2011 (12.10.1390) hätten sie Afghanistan verlassen. Seine Eltern lebten noch in K. Sechs Onkel lebten in Deutschland, in Afghanistan seien noch eine 24 Jahre alte Schwester sowie zwei Brüder mit 16 oder 17 und 10 Jahren. Nach dem Abitur habe er zusammen mit seinem Vater ein Geschäft geführt, in dem man verschiedene Zubehörteile zum Bau eines Hauses erhalte. Auf die Frage nach dem Ausreisegrund gab der Kläger zu 1 an, Grund sei die Zukunft seiner Kinder. In Afghanistan gebe es keine Kindergärten, keine richtige Schule, man könne keine richtige Ausbildung machen und jeden Tag gebe es irgendwo ein Attentat. Er wolle nicht, dass seine Kinder in einer Umgebung aufwüchsen, wo nur Krieg und Chaos sei. Seine Familie sei nicht sehr reich, aber auch nicht arm gewesen. Er habe ein Auto, ein Grundstück und den Laden besessen. Dies alles hätten sie für die Zukunft der Kinder aufgegeben. Die Klägerin zu 2, die Ehefrau und Mutter, gab bei ihrer Anhörung an, bis zu ihrer Ausreise habe die Familie in K. gelebt. Die Familie sei bis nach Athen gemeinsam geflohen. Dort hätten sie einen Araber kennengelernt, der sie als seine Ehefrau gemeinsam mit den beiden Kindern mit nach Deutschland genommen habe. Sie sei mit ihm nach Frankfurt am Main geflogen. Am 3. Juni 2012 sei sie mit den Kindern in Deutschland angekommen. Sie habe im Jahr 2008 geheiratet. In Afghanistan lebten noch ihre Eltern in K. sowie vier Schwestern und zwei Brüder. Sie habe an einem staatlichen Institut eine zweijährige Ausbildung zur Erzieherin, zur Kindergärtnerin, absolviert und abgeschlossen. Bis zur Geburt des ersten Kindes habe sie dann sechs Monate im Kindergarten gearbeitet. Afghanistan habe sie wegen der Zukunft ihrer Kinder verlassen. Sie habe sie nicht in den Kindergarten bringen können, sie hätten nicht alleine in die Schule gehen können. Ein Onkel von ihr sei bei einem Attentat umgekommen. Ihr Mann arbeite auch in K. und sie wolle nicht, dass ihm Gleiches passiert. Er habe dort ein Geschäft und verkaufe u. a. Waschbecken und Kommoden. Sie wolle, dass ihre Kinder in Deutschland eine Zukunft hätten.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurden die Anträge auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt (1.) sowie festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (2. und 3.) und den Klägern die Abschiebung angedroht (4.). Zur Begründung ist angeführt, die Kläger hätten eine politische Verfolgung nicht geltend gemacht, sondern sich nur auf die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan bezogen. Für eine Gefährdung wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken bestünden keine Anhaltspunkte. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine erhebliche individuelle Gefahr aufgrund eines bewaffneten Konflikts. Zudem seien keine stichhaltigen Ausführungen gemacht worden, aus denen sich ergäbe, dass die Familie nach einer Rückkehr mittellos und völlig auf sich gestellt wäre. In der Gesamtschau könne nicht von einer extremen Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2014 vertieften die Kläger ihr Vorbringen und gaben an, alle ihre Ersparnisse für die Ausreise aufgewandt zu haben. Weiter habe die Familie Geld vom Vater des Klägers zu 1 bekommen. Bei einer Rückkehr stünde die Familie vor dem Nichts. Außer den Eltern des Klägers zu 1 seien dort keine Verwandten mehr. Die Klägerin zu 2 habe in Afghanistan noch ihre Mutter sowie vier Schwestern und zwei Brüder.

Mit Urteil vom 14. April 2014 wurde die Klage abgewiesen. Dass den Klägern relevante Verfolgungsmaßnahmen drohten, sei weder dargetan, noch sonst ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären und nationalen Schutz lägen nicht vor. Insbesondere sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht deshalb festzustellen, weil es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handle. Hier vermittle Nr. C 3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern den Klägern gleichwertigen Schutz vor Abschiebung. Danach würden Straftäter, Personen, bei denen Ausweisungsgründe vorliegen bzw. Sicherheitsbedenken bestehen, sowie alleinstehende, männliche afghanische Staatsangehörige vorrangig zurückgeführt. Die Rückführung anderer Personen sei vorerst zurückzustellen. Letzterem Personenkreis gehöre die Familie an, so dass sie nach Abschluss des Asylverfahrens ebenso eine Duldung erhalten würde wie diejenigen Personen, für die ein förmlicher Abschiebestopp bestehe. Damit sei die Familie hinreichend vor einer Abschiebung nach Afghanistan geschützt. Die Familie sei auch trotz der bekanntermaßen schlechten Sicherheits- und Versorgungslage keiner konkreten landesweiten Gefährdung für Leib, Leben oder Freiheit ausgesetzt. Die Eltern seien beide überdurchschnittlich qualifiziert und bei einer Rückkehr sei zumindest damit zu rechnen, dass der Familienverband, der bereits die Ausreise finanziert habe, die Kläger wieder aufnehme und ihnen in der ersten Zeit ein Obdach biete. Zudem verfügten die Kläger noch über andere Familienmitglieder.

Auf Antrag der Kläger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich des Begehrens nach Feststellung eines national begründeten Abschiebungsverbots mit Beschluss vom 4. August 2014 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob für eine Familie mit minderjährigen Kindern bei Rückkehr eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Zur Begründung ihrer Berufung tragen die Kläger vor, sie hätten noch zwei sehr kleine Kinder im Alter von erst fünf und zwei Jahren, so dass jedenfalls für die Mutter eine Arbeit nicht ohne weiteres möglich sein werde. Schon mit nur einem Kind sei ihr der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums nicht regelmäßig möglich gewesen. Es sei nicht anzunehmen, dass sie als Kindergärtnerin ohne weiteres ihre beiden Kinder mit zur Arbeit nehmen könne. Der Vater werde nicht im Stande sein, für vier Personen den Unterhalt zu verdienen. Rücklagen existierten nicht mehr, die Eltern hätten beide keine Arbeitsstelle mehr und eine weitere Unterstützung könne nicht mehr gewährt werden. Der Vater der Klägerin zu 2 sei zwischenzeitlich verstorben und die erwachsenen Geschwister hätten kein ausreichendes eigenes Einkommen. Die politische Entscheidung über eine Aussetzung der Abschiebung, die sich jederzeit wieder verändern könne, enthebe das Gericht nicht von der Feststellung zu den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Eine erhebliche konkrete Gefahr bestehe darüber hinaus auch deshalb, weil sich die Sicherheitslage erheblich verschlechtert habe. Die Innenministerkonferenz sei der Auffassung, dass zwangsweise Rückführungen weiterhin nur nach umfassender Einzelfallprüfung erfolgen sollten. UNHCR zufolge verschlechtere sich die Situation in Afghanistan zusehends. In K. spitze sich die Lage ebenfalls zu.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Die Beklagte führt aus, es spreche Erhebliches dafür, dass die in Bayern geltenden Vorgaben als Erlasslage zu sehen seien, die afghanischen Familien mit minderjährigen Kindern einen Schutz vor Abschiebung vermittle. Unabhängig davon bestehe für Familien mit minderjährigen Kindern trotz der allgemein schwierigen humanitären Umstände nicht regelmäßig eine Extremgefahr, zumal auch die Rückkehrförderung zu berücksichtigen sei. Die einem Familienvater obliegende Aufgabe, über seine Person hinaus für die Angehörigen das Existenzminimum zu erwirtschaften, sei weiter kein sich unmittelbar auswirkender Aspekt. Das Abschiebungsschutzrecht gehe von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage aus. Auf die erst mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen könne nicht abgestellt werden. Bei tatsächlicher Existenzgefährdung der vom Erwerbsfähigen abhängigen Angehörigen könne dort ein Abschiebungsverbot vorliegen, durch das dem Erwerbsfähigen als Ausfluss seiner Rechte aus Art. 6 GG dann ein Anspruch auf Fortbestand der familiären Gemeinschaft im Bundesgebiet erwachse. Zudem sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Rückkehr und drohender Rechtsgutverletzung erforderlich. Schlechte humanitäre Bedingungen könnten zwar in Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen, aber in Afghanistan sei die allgemeine Lage nicht so ernst, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne. Fraglich sei schon, ob aus Sicht des Gesetzgebers der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG bei einer auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage überhaupt eröffnet sei. Angesichts des besonderen Ausnahmecharakters sei ein Gefährdungsgrad entsprechend der Extremgefahr erforderlich.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Damit kommt es auch auf die Frage nicht an, ob Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, für Familien eine Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darstellt, die ihnen Schutz vor Abschiebung vermittelt und deshalb die analoge Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausschließt.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Der Kläger zu 1 und 2 als Eltern von zwei minderjährigen Kindern befürchten, aufgrund der dortigen Situation einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Damit machen die Kläger zwar nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist.

Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet.

Von der Beklagten wird das allerdings bezweifelt, weil der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der vom Bundesverwaltungsgericht bejahten Erweiterung auf Gefährdungen, die nicht staatlich zu verantworten seien (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489), am Konzept von allgemeinen Gefährdungslagen einerseits und individuell gelagerten Schutzgründen andererseits festgehalten habe. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist (BVerwG, U.v. 31.1.2013 a. a. O.; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952), hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich. Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Zu berücksichtigen seien dabei auch seine Verletzbarkeit für Misshandlungen und seine Aussicht auf eine Verbesserung seiner Lage in angemessener Zeit. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK, einerlei, ob sich die Gefahr aus einer allgemeinen Situation der Gewalt ergebe, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden. Die sozio-ökonomischen und humanitären Verhältnisse seien nicht notwendig für die Frage bedeutend und erst recht nicht dafür entscheidend, ob der Betroffene wirklich der Gefahr einer Misshandlung unter Verstoß gegen Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Denn die Konvention ziele hauptsächlich darauf ab, bürgerliche und politische Rechte zu schützen. Um in sehr ungewöhnlichen Fällen eine Abschiebung zu verhindern, mache die grundlegende Bedeutung von Art. 3 EMRK aber eine gewisse Flexibilität erforderlich.

Dass der (deutsche) Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Regelung von allgemeinen Gefahren im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F. i. V. m. § 60a AufenthG unverändert beibehalten und nicht auf andere Abschiebungsverbote ausgedehnt hat, spricht bei systematischer Auslegung des Gesetzes gegen die vom Bundesamt vertretene Auffassung. Im gewaltenteilenden Rechtsstaat ist die Rechtsprechung nur ausnahmsweise befugt, die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers unbeachtet zu lassen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 zur verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG n. F.). Im Übrigen greift das Bundesamt selbst in bestimmten Fallkonstellationen bei allgemeinen Gefahren ebenso auf § 60 Abs. 5 AufenthG zurück. So kann z. B. nach dem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013, Az. M I 4 - 21004/21#5 („Information zur Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aufgrund des Urteils des BVerwG vom 13. Juni 2013“), bei unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt werden.

Bisher nicht geklärt ist, durch welchen Gefährdungsgrad derartige außergewöhnliche Fälle gekennzeichnet sein müssen. Schon von der Gesetzessystematik her kann der nationale Maßstab für eine Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht herangezogen werden. Da die Sachverhalte nicht vergleichbar sind, lassen sich die erhöhten Anforderungen an eine ausreichende Lebensgrundlage im Fall einer internen Schutzalternative ebenso wenig übertragen. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167) macht jedoch deutlich, dass von einem sehr hohen Niveau auszugehen ist. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. Eine solche ist allerdings bei den Klägern gegeben.

Bei einer Rückkehr müssten die Eltern - nach afghanischen Maßstäben wohl der Vater - für den Unterhalt der gesamten Familie sorgen. Der Ehefrau und Mutter war es ihrem glaubhaften Vortrag zufolge wegen des älteren Kindes schon vor der Ausreise nicht möglich, in ihrem Beruf tätig zu sein. Selbst der Besuch eines lediglich sechsmonatigen Praktikums war nicht regelmäßig möglich. Mit nunmehr zwei kleinen Kindern in betreuungsbedürftigem Alter würde ihr die Arbeitsaufnahme somit nicht gelingen. Der Vater müsste daher alleine den Unterhalt für die ganze Familie erwirtschaften. Dazu würde er nicht im Stande sein, zumal auch keine Rücklagen mehr existieren. Der Vater der Klägerin zu 2 ist zwischenzeitlich verstorben, so dass auch insoweit keine Hilfe zu erwarten wäre. Der Kläger zu 1 wäre in der Folge bei Rückkehr auf sich alleine gestellt. Angesichts der Lebensbedingungen in Afghanistan und der Tatsache, dass die Kinder noch in betreuungsbedürftigem Alter sind, würde er zur Sicherung der Existenz für die Familie nicht imstande sein. In der ständigen Rechtsprechung zur Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog (seitU.v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris) hat sich der Verwaltungsgerichtshof zwar schon mit Teilaspekten der humanitären Lage in Afghanistan befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass für einen alleinstehenden Rückkehrer keine Extremgefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Er wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Bei einer Familie mit minderjährigen Kindern ist aber im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen.

Vorab ist festzuhalten, dass die gesamte Familie in die Bewertung mit einzubeziehen ist. Der Senat geht davon aus, dass die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers zu 1 nicht außer Betracht bleiben können. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass das Abschiebungsschutzrecht von einer gerade dem jeweiligen Schutzsuchenden konkret und individuell drohenden Gefahrenlage ausgehe, trifft das zwar insoweit zu, als das Gesetz generell eine Unterscheidung zwischen allgemeinen und individuell drohenden Gefahren vornimmt. Das schließt aber nicht aus, Unterhaltsverpflichtungen, die dem Betroffenen konkret obliegen, zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, ob eine gemeinsame oder getrennte Rückkehr von Familienangehörigen zugrunde zu legen ist, geht ebenfalls in diese Richtung (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = InfAuslR 1993, 28; B.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = InfAuslR 2000, 93). Unter Einbeziehung der Bedeutung, welche die deutsche Rechtsordnung dem Schutz von Ehe und Familie beimesse (Art. 6 GG), sei bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohten, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr aller Familienangehörigen auszugehen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen - Angehörige, die Abschiebungsschutz genießen - könne eine andere Betrachtung geboten sein. Erforderlich sei eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Situation im hypothetischen Rückkehrfall. Für die anzunehmende Ausgangssituation, von der aus die Gefahrenprognose zu erstellen sei, komme es grundsätzlich weder auf bloße Absichtserklärungen der Betroffenen noch auf ihren ausländerrechtlichen Status an. Dies gelte für den jeweiligen Asylbewerber selbst und für die Familienmitglieder. Die Hypothese solle die Realität nur in einem Punkt ersetzen, dem nicht mehr bestehenden Aufenthalt des Asylbewerbers in seinem Heimatstaat. Im Übrigen werde durch sie an dem realen Umfeld, insbesondere den familiären Beziehungen des Asylbewerbers, seinen Rechten und Pflichten, nichts geändert. Eine andere Betrachtungsweise würde sich grundlos von der Realität entfernen. Diese Grundsätze können auf die vorliegende Konstellation übertragen werden. Es wäre ebenso wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der genannten Rechtsprechung nicht in Einklang, wenn man die Unterhaltsverpflichtungen als lediglich mittelbare Folge der Erfüllung rechtlicher oder ethischer Verpflichtungen außer Betracht ließe.

Wird mithin die Notwendigkeit, dass der Kläger zu 1 für den Unterhalt der gesamten Familie aufkommen muss, zugrunde gelegt, würden die Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan einer besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu.

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zwar zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof geht hinsichtlich der Arbeitsmöglichkeiten davon aus, dass am ehesten noch junge kräftige Männer, häufig als Tagelöhner, einfache Jobs, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt sei, fänden. In der Auskunft von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012 wird ebenfalls auf die schwierige Arbeitssuche hingewiesen. Die meisten Männer und Jugendlichen würden versuchen, auf nahe gelegenen Märkten als Träger zu arbeiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 19 - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Nach der Stellungnahme von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren A 11048/10.OVG) könne das Existenzminimum für eine Person durch Aushilfsjobs ermöglicht werden (S. 9). Damit würde der Kläger zu 1 unter den gegebenen Umständen den notwendigen Lebensunterhalt nicht erwirtschaften können. Zum einen wird er keine Unterstützung durch seine Ehefrau bekommen, weil seine Kinder ihrer Betreuung bedürfen. Zum anderen wird es an Arbeitsmöglichkeiten für ihn fehlen, vor allem aber an einem Verdienst, der für den Lebensunterhalt einer Familie ausreicht. Zwar war er vor der Ausreise im Geschäft seines Vaters tätig, jedoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass er ohne Weiteres an die bereits ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könnte. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zu 1 angegeben, er wisse nicht, wie das Geschäft laufe, seitdem er Afghanistan verlassen habe. Sein 18-jähriger Bruder gehe noch zur Schule und arbeite mittlerweile auch in dem Geschäft. Damit wird dieser den Platz des Klägers in dem Betrieb einnehmen, zumal er in einem Alter von 18 Jahren die Schule demnächst abschließen wird. Anhaltspunkte dafür, dass das Geschäft, das auch bislang nur von zwei Personen geführt wurde, Bedarf an einer weiteren dritten Arbeitskraft hätte, bestehen nicht. Somit wäre selbst im Fall der Rückkehr in das väterliche Geschäft nicht zu erwarten, dass der Kläger zu 1 ein Einkommen in einer Größenordnung erzielen könnte, die für den Lebensunterhalt einer ganzen Familie ausreichend wäre. Er wäre deshalb gezwungen, für sich und seine Familie eine neue Existenz aufzubauen, ohne dass ihm hierbei entsprechende Hilfen zur Verfügung stünden. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln ist jedoch davon auszugehen, dass dies nicht gelingen kann.

Mit Ausnahme der medizinischen Versorgung greift der Lagebericht 2014 (S. 19 f.) keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung nicht gesichert sei. Da somit keine grundlegende Änderung eingetreten ist, wird zu den Einzelaspekten auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Januar 2012 (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, S. 28 - Lagebericht 2012) zurückgegriffen, der die Situation detaillierter beschreibt. Dieser führt hinsichtlich der Unterkunftsmöglichkeiten aus, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig sei. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen für Rückkehrer. Dort erfolge die Ansiedlung unter schwierigen Rahmenbedingungen; für eine permanente Ansiedlung seien die vorgesehenen „Townships“ kaum geeignet. Der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung sei häufig nur sehr eingeschränkt möglich. Nach der Auskunft von ACCORD vom 1. Juni 2012 leben Zehntausende zurückgekehrter Familien unter schlimmen Bedingungen in Slums mit behelfsmäßigen Unterkünften in und um die afghanischen Städte. Sie müssten mit weniger als zehn Liter Wasser am Tag pro Person auskommen und hätten nicht genügend zu essen. Auch die SFH (S. 19) weist darauf hin, dass die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen gehöre, vor allem in K.. Zugang zu sauberem Trinkwasser hätten nur 39% der Bevölkerung, zu einer adäquaten Abwasserentsorgung nur 7,5%. Damit kann nicht angenommen werden, dass die Kläger eine adäquate Unterkunft finden würden, in der auch Kinder angemessen leben können. Erschwerend kommt hinzu, dass der afghanische Staat schon jetzt kaum mehr in der Lage ist, die Grundbedürfnisse der eigenen Bevölkerung zu befriedigen und ein Mindestmaß an sozialen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Durch den enormen Bevölkerungszuwachs - etwa eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation - gerät er zusätzlich unter Druck (Lagebericht 2014, S. 19).

Die Grundversorgung ist nach dem Lagebericht 2014 (S. 20) für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung, für Rückkehrer in besonderem Maße. Die medizinische Versorgung habe sich zwar in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend. In K. gebe es eine gute ärztliche Versorgung in einer deutschen und einer französischen Einrichtung. Im Übrigen sei medizinische Hilfe aber oftmals nicht zu erreichen oder könne nicht bezahlt werden (SFH S. 20). Diese Gesichtspunkte sind vorliegend im Hinblick auf die beiden kleinen Kinder von besonderer Bedeutung. Hinzu kommt, dass nach der SFH (S. 19) die Qualität der Bildungsangebote unzureichend und Gewalt im Umgang mit Kindern weit verbreitet ist. Viele Kinder seien unterernährt; 10% der Kinder würden vor ihrem 5. Geburtstag sterben. Straßenkinder seien jeglicher Form von Missbrauch und Zwang ausgesetzt.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 - UNHCR-Richtlinien) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Nach einer ergänzenden Darstellung (Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen - Vertretung in Deutschland - vom August 2014) sind 40% der Rückkehrer nicht in der Lage, sich wieder in ihre Heimatorte zu integrieren, rund 60% hätten Schwierigkeiten, sich ein neues Leben in Afghanistan aufzubauen.

Diese Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Insbesondere ist auch mit den neueren Erkenntnismitteln die derzeitige Situation hinreichend abgebildet, so dass es der Einholung weiterer Auskünfte nicht bedarf. Unter den dargestellten Rahmenbedingungen, vor allem mit häufig nur sehr eingeschränktem Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung, ist die Schaffung einer menschenwürdigen Lebensgrundlage für eine Familie mit Kindern im Allgemeinen nicht möglich. Im Fall der Kläger wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Ehefrau bzw. Mutter die Betreuung für die beiden kleinen Kinder gewährleisten muss und zum Lebensunterhalt nicht beitragen kann. Bei den geschilderten Verhältnissen liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind. Für die Kläger besteht die ernsthafte Gefahr, dass sie keine adäquate Unterkunft finden würden und keinen Zugang zu sanitären Einrichtungen hätten. Es steht zu erwarten, dass ihnen die zur Befriedigung ihrer elementaren Bedürfnisse erforderlichen finanziellen Mittel fehlen würden. Ohne Hilfe würden sie sich weder ernähren können noch wären die einfachsten hygienischen Voraussetzungen gewährleistet. Da auch keine Aussicht auf Verbesserung der Lage besteht, ist davon auszugehen, dass die Kläger als Familie mit minderjährigen Kindern Gefahr liefen, einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein, die einen Mangel an Respekt für ihre Würde offenbart (siehe EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Dass die Rechtsprechung zur Extremgefahr für Alleinstehende nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG analog nicht auf die Frage einer unmenschlichen Behandlung von Familien im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK übertragen werden kann, sondern sich die Wertung unterscheiden muss, zeigt sich auch an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12 - hudoc.echr.coe.int, auszugsweise mit inoffizieller Übersetzung des Informationsverbunds Asyl und Migration in Asylmagazin 2014, 424). In der Entscheidung betreffend die Abschiebung einer Familie nach Italien hebt der Gerichtshof vor allem das Kindeswohl hervor. Eine Abschiebung verstoße gegen Art. 3 EMRK, wenn nicht sichergestellt sei, dass die Familieneinheit erhalten bleibe und eine den Bedürfnissen der Kinder entsprechende Aufnahme gewährleistet sei. Auch die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder misst Familien mit Kindern besondere Bedeutung zu. In der 199. Sitzung vom 11. bis 13. Juni 2014 wurde deshalb das Bundesministerium des Innern unter anderem um vertiefte Informationen zur spezifischen Rückkehrsituation von Familien gebeten. Nach Nr. C.3.2 der Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15, ist die Rückführung von Familien vorerst ebenfalls zurückgestellt. Dass das Existenzminimum für eine Familie nicht erwirtschaftet werden kann, wird auch durch die Stellungnahme von Dr. Karin Lutze vom 8. Juni 2011 an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestätigt. Danach könne durch Aushilfsjobs allenfalls das Existenzminimum für eine Person ermöglicht werden (S. 9). Ferner bekräftigt der UNHCR (Richtlinien vom 6.8.2013, S. 9) das grundsätzliche Erfordernis bedeutender Unterstützung. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen. Damit hat sich die Lage nach der Einschätzung des UNHCR eher verschärft, denn die Richtlinien aus dem Jahr 2010 (S. 15 der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 24.3.2011 - zusammenfassende Übersetzung der UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan vom 17.12.2010, S. 40) gingen noch davon aus, dass alleinstehende Männer und Kernfamilien (single males and nuclear family units) unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie oder Gemeinschaft leben könnten.

Soweit die Beklagte auf die gewährten Unterstützungsleistungen verweist, gibt es diese zwar für die erste Zeit nach der Rückkehr. Danach allerdings bestehen Probleme bei der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit sowie - mangels entsprechender Strukturen - dem afghanischen Staat (Lagebericht 2014, S. 20; Auskunft von ACCORD vom 1.6.2012). Aufgrund dieser verwaltungstechnischen Schwierigkeiten kommt die erforderliche Hilfe deshalb oft nicht dort an, wo sich die Rückkehrer niedergelassen haben. Noch schwieriger gestaltet sich die Lage für Familien. Über eine gewisse Starthilfe hinaus ist es nicht möglich, dauerhaft Unterstützung für die gesamte Familie zu bekommen (Auskunft von amnesty international vom 29.9.2009 an den BayVGH im Verfahren 6 B 04.30476). Damit mögen die Leistungen zwar einen vorübergehenden Ausgleich schaffen, sind aber nicht dazu geeignet, auf Dauer eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten, insbesondere weil die Grundversorgung schon generell für einen Großteil der afghanischen Bevölkerung eine enorme Herausforderung bedeutet.

Die Beklagte war deshalb unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. April 2014 und des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 5. September 2013 insoweit (Ablehnung Nr. 3 und Abschiebungsandrohung Nr. 4) zu verpflichten, festzustellen, dass bei den Klägern das Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Juli 2017 wird Nr. 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juli 2016 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben am 15. Juli 1981 in Laschkar Gah (Afghanistan, Provinz Helmand) geboren und afghanischer Staatsangehöriger der Volkszugehörigkeit Hazara. Er stellte am 10. April 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Im Rahmen einer Befragung bei der Regierung von Oberbayern am 15. April 2014 (Sprache: Dari) gab der Kläger u.a. an, Afghanistan (Wohnort: Provinz Ghazni, Distrikt Jaghori, Dorf Hezar) zuletzt am 12. Oktober 2003 verlassen zu haben. Er sei mit seiner Mutter über Pakistan in den Iran gegangen und später allein über die Türkei nach Griechenland gereist. In Griechenland habe er bei einer Kirche gearbeitet und im Jahr 2007 Asyl beantragt. Die Frau, die er am 16. Dezember 2012 in Griechenland kirchlich und am selben Tag im Iran „mit Vollmacht“ geheiratet habe (im Folgenden: Ehefrau), sei bereits seit 2013 in Deutschland. Amtliche Nachweise der Eheschließung könne er nicht vorlegen. In Afghanistan habe er nur weit entfernte Verwandte. Verwandte im Ausland oder Europa habe er nicht.

Bei der Anhörung beim Bundesamt am 15. Juli 2016 gab der Kläger u.a. an, dass er in Laschkar Gah (Afghanistan) geboren sei. Er sei jedoch bereits im Alter von vier Jahren zusammen mit seinen Eltern in den Iran gezogen. Im Alter von 20 Jahren sei er sodann mit seiner Mutter wieder für zwei Jahre zurück nach Afghanistan (Ghazni Jaghori) gegangen, der Vater sei im Iran geblieben. Die Eltern seien nunmehr verstorben. Er habe keine Verwandten in Afghanistan. In Pakistan habe er eine Tante und einen Cousin; in Australien habe er wohl einen Onkel. Seine Ehefrau sei in Deutschland. Er habe die Schule bis zur 11. Klasse besucht; danach habe er die Universität besuchen wollen, dies sei jedoch nicht gegangen. Er habe sodann den Beruf des Schweißers erlernt. Er habe Afghanistan zuletzt im Oktober 2003 verlassen. Er sei über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland (Aufenthalt: 10 Jahre), Mazedonien, Serbien, Ungarn, erneut Griechenland (Rückschiebung durch Ungarn) und Italien nach Deutschland gelangt (Einreise: 4./5.4.2014). In Griechenland habe er im ersten Jahr in der Landwirtschaft gearbeitet, danach habe er eine Stelle als Schweißer gefunden. Ab 2009 habe er nur noch teilweise Arbeit gehabt. Er habe auch ehrenamtlich bei der Kirche und beim Roten Kreuz mitgearbeitet. Er habe in Athen/Griechenland am 16. Dezember 2012 eine Frau geheiratet, die bereits zwei Kinder gehabt hätte. Die Ehefrau habe Griechenland bereits Ende August 2013 verlassen. Er selbst habe Griechenland Ende März 2014 verlassen, da es keine Arbeit mehr gegeben und eine Gruppe sie belästigt habe. Zu den Gründen für seine Ausreise aus Afghanistan befragt gab der Kläger u.a. an, dass er in Ghazni Jaghori einen Bücherladen betrieben habe und auch als Fotograf auf Hochzeiten tätig gewesen sei. Ein oder zwei Tage vor der Ausreise habe er von seiner Mutter gehört, dass eine Familie behauptet habe, dass er Videos von ihrer Hochzeit ohne Erlaubnis weitergegeben habe. Aus Angst vor körperlicher Gewalt durch diese Familie, die sich in ihrer Ehre gekränkt gesehen habe, sei er dann ausgereist.

2. Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juli 2016 wurde der Asylantrag (Nr. 2) des Klägers sowie sein Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und subsidiären Schutzes (Nr. 3) abgelehnt. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien nicht gegeben (Nr. 4). Die Abschiebung nach Afghanistan wurde angedroht, sollte keine Ausreise innerhalb von 30 Tagen erfolgen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben seien. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass im Fall des Klägers eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliege. Der Kläger sei jung und erwerbsfähig. Ihm sei es mit seinem Mittelschulabschluss auch bis zu seiner Ausreise gelungen, für sich eine Lebensgrundlage zu schaffen.

Am 4. August 2016 erhob der Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2017 legte der Kläger dem Verwaltungsgericht einen bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 3. November 2016 vor, nach dem der Ehefrau (geb. am 1.1.1978) und zwei nicht gemeinsamen Kindern (geb. am 1.1.2006 bzw. 1.1.2013) subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist (Asylantragstellung: 28.8.2013). Ferner legte der Kläger einen bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 19. Mai 2017 vor, nach dem einer am 25. Februar 2015 in Neu-Ulm geborenen Tochter der Ehefrau, deren Vater er sei, im Wege des von der Mutter abgeleiteten Familienasyls nach § 26 AsylG ebenfalls subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist.

3. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2017 (Az. Au 8 K 16.31298) wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliege. Eine extreme Gefahrenlage ergebe sich für den Kläger in seiner afghanischen Heimatregion weder aus seiner Volkszugehörigkeit noch hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage. Dem Kläger drohe auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Er sei volljährig, gesund, arbeitsfähig und mit den Lebensverhältnissen in Afghanistan vertraut. Ferner spreche er eine der beiden Landessprachen. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG sei rechtmäßig.

4. Auf Antrag des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Dezember 2017 (Az. 13a ZB 17.31065) die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots zugelassen, da bezüglich der Erkenntnis des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger als Familienvater kein Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zustehe, die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (Divergenz) gegeben seien. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, nach der die mit dem Kläger in Deutschland lebende Ehefrau und das gemeinsame minderjährige Kind in die Bewertung mit einzubeziehen seien, ob die humanitären Bedingungen in Afghanistan eine Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK führt (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Der Verwaltungsgerichtshof gehe davon aus, dass hierbei Unterhaltsverpflichtungen des Klägers nicht außer Betracht bleiben könnten. Unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen sei eine solche Gefahrenlage im Fall einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern im Allgemeinen anzunehmen, so dass für sie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehe (siehe etwa BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175).

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger u.a. vor, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht bei der Bewertung der Versorgungslage in Afghanistan die Ehefrau und das gemeinsame Kind nicht berücksichtigt habe. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91) sowie des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285), nach der bei in Deutschland mit dem Asylbewerber zusammenlebenden Familienangehörigen im Lichte von Art. 6 GG im Rahmen einer möglichst realitätsnahen Rückkehrprognose auch im Heimatland auf die Gemeinschaft der Familienangehörigen abzustellen sei, ohne dass es auf etwaige Absichtserklärungen der Betroffenen oder ihren ausländerrechtlichen Status ankäme. Es könne letztlich nicht sein, dass ein Familienvater wie der Kläger nur deshalb schlechter stehe, weil seine Ehefrau einen Schutzstatus zuerkannt bekommen habe. Eine „normale“ Familie hätte insgesamt - also einschließlich des Klägers als Ehemann bzw. Vater - Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG erhalten. In jedem Fall seien die im Bescheid getroffene Abschiebungsandrohung, die Ausreisefrist sowie das Wiedereinreiseverbot rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Juli 2017 wird der Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2016 in Nr. 4. bis 6. aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, bei dem Kläger das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses aus § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG seien im Fall des Klägers nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es unzulässig, eine nicht realitätsgerechte Gefahrenprognose aufzustellen. Insbesondere sei geklärt, dass für den Fall, dass einem Familienmitglied ein Bleiberecht oder auch nur Abschiebungsschutz zuerkannt wurde, bei der gebotenen Gefährdungsprognose keine gemeinsame Rückkehr mit anderen Mitgliedern der Kernfamilie zu unterstellen sei (vgl. etwa BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - NVwZ-Beil. 2000, 146). So liege der Fall auch hier. Die Ehefrau des Klägers und das gemeinsame Kind hätten subsidiären Schutz aus § 4 AsylG zuerkannt erhalten und seien im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland bzw. hätten einen Anspruch hierauf. Sie seien daher im Rahmen der Rückkehrprognose nicht zu berücksichtigen. Daher sei der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einem alleinstehenden Mann ohne Unterhaltspflichten gleichzustellen, für den nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris Rn. 13) die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht gegeben seien. Ergänzend werde auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts verwiesen (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.). Hiernach müsse bei nationalen Abschiebungsverboten aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG stets geprüft werden, ob der Schutztatbestand in der Person eines jedes Familienmitglieds tatsächlich vorliege. Hieran änderten auch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nichts; denn allein die Ausländerbehörden - nicht das Bundesamt - hätten bei der Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse darüber zu befinden, ob eine Abschiebung mit dem Schutz der Familie aus Art. 6 GG vereinbar sei. Ausgehend von dieser Rechtsprechung sei somit aus Rechtsgründen bei der Rückkehrprognose richtigerweise ein anderer Ansatz geboten als derjenige, den der Verwaltungsgerichtshof bei Familien mit minderjährigen Kindern bisher zugrunde gelegt habe. Sollte der Verwaltungsgerichtshof hingegen an seinen bisherigen prognostischen Maßstäben festhalten und die Rückkehrsituation im Fall des Klägers der Konstellation einer Familie mit minderjährigen Kindern gleicherachten (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - juris), werde die Zulassung der Revision beantragt, um die umstrittene Rechtsfrage zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei der Rückkehrprognose Auswirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK einzubeziehen seien.

5. Ausweislich der im Berufungsverfahren beigezogenen Asylakte hat die Ehefrau des Klägers in ihrem Asylverfahren u.a. vorgetragen, dass sie Afghanistan verlassen habe, da ihr erster Ehemann - ein Kommandeur bei der afghanischen Armee, mit dem sie im Alter von neun Jahren zwangsverheiratet worden sei - sie und ihre Kinder schwer körperlich misshandelt habe. Nach der Scheidung sei sie auf der Flucht vor dem Ex-Ehemann über den Iran nach Griechenland gegangen. Dort habe sie den Kläger getroffen, der ihr geholfen habe. Später habe sie diesen „telefonisch“ und auch in einer christlichen Kirche in Griechenland geheiratet. Sodann habe der Kläger sie und die Kinder mit dem Flugzeug nach Deutschland geschickt, um selbst später auf dem Landweg nachzukommen. Die Ehefrau legte in ihrem Asylverfahren einen Auszug aus dem Geburtenregister der Stadt Neu-Ulm vom 12. November 2015 vor, nach dem sie dort am 25. Februar 2015 eine Tochter zur Welt gebracht hat; unter „Vater“ war niemand eingetragen. Ferner wurde eine Kopie eines Dokuments in persischer Sprache nebst deutscher Übersetzung durch einen allgemein vereidigten Dolmetscher vorgelegt; hiernach handele es sich um ein iranisches Dokument, nach dem der Kläger und die Ehefrau dort am 16. Dezember 2012 in Abwesenheit über zwei Stellvertreter nach islamischem Ritus die Ehe geschlossen hätten. Ausweislich eines internen Vermerks des Bundesamts zum bestandskräftigen Bescheid der Ehefrau des Klägers vom 3. November 2016 habe diese subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt erhalten, da ihr in Afghanistan Verfolgung durch ihren geschiedenen Ehemann drohe und ihr dort als alleinstehender bzw. alleinerziehender Frau keine interne Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

Ausweislich einer weiteren beigezogenen Asylakte wurde mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 23. Oktober 2017 einer am 6. Dezember 2016 in Neu-Ulm geborenen weiteren Tochter der Ehefrau im Wege des von der Mutter abgeleiteten Familienasyls nach § 26 AsylG ebenfalls subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt. In diesem Verfahren wurde ein Auszug aus dem Geburtenregister der Stadt Neu-Ulm vom 9. Januar 2017 vorgelegt, nach dem Vater dieser Tochter der Kläger sei (Zusatz: „Identität nicht nachgewiesen“).

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. November 2018 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist ganz überwiegend nicht begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO).

1. Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylG) hat der Kläger keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass in seinem Fall ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans gegeben ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

a) Der streitgegenständliche Anspruch folgt zunächst nicht aus dem Umstand, dass der Ehefrau des Klägers und den 2015 und 2016 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern durch das Bundesamt bestandskräftig subsidiärer Schutz i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist.

Insoweit gilt, dass § 26 AsylG ausweislich seines Wortlauts auf den im vorliegenden Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Anspruch auf ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine Anwendung findet; ein nationales Abschiebungsverbot muss vielmehr stets in der Person des jeweiligen Betroffenen selbst begründet sein (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 = juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG; BayVGH, U.v. 21.9.2009 - 21 B 08.30221 - juris Rn. 13-16).

b) Im Fall des Klägers sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben.

aa) Insoweit gilt, dass die Ehefrau des Klägers, die in Deutschland geborenen gemeinsamen Kinder sowie die sonstigen mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebenden Stiefkinder im Rahmen der gebotenen Gefahrenprognose bei einer hypothetischen Rückkehr ins Heimatland nicht zu berücksichtigen sind.

(1) Im Rahmen der Prüfung, ob der Abschiebung eines erfolglosen Asylbewerbers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen, ist der Gefahrenprognose eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendig hypothetische Rückkehrsituation zugrunde zu legen. Insoweit gelten im Rahmen der Gefahrenprognose des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht zur asylrechtlichen Verfolgungsprognose entwickelt hat (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190), entsprechend. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist für die Gefahrenprognose die Sach- und Rechtslage im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt entscheidend, wobei absehbare Entwicklungen zu berücksichtigen sind (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 10/12).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 = juris Rn. 14). Nicht angenommen werden kann hingegen eine gemeinsame Rückkehr mit Familienangehörigen, die aufgrund rechtskräftiger Feststellung zu § 3 AsylG als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen. Es widerspräche dem damit zugleich verbindlich festgestellten Flüchtlingsstatus, auch bei einem solchen Sachverhalt die gemeinsame Rückkehr des erfolglosen Asylbewerbers mit seinen als politische Flüchtlinge anerkannten Angehörigen zu unterstellen. Dies wäre zudem wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der Rechtsprechung zum Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 10 f.).

Nichts anderes kann dann gelten, wenn die bleibeberechtigten Eltern oder Familienangehörigen auf absehbare Zeit wegen individueller Gefährdung von Leib und Leben i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in ihr Heimatland zurückkehren können (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10).

Soweit einzelne Familienangehörige wegen eines bestehenden Bleiberechts oder festgestellten Abschiebungsschutzes auf absehbare Zeit in Deutschland verbleiben werden, ist die (inlandsbezogene) Frage, ob die mit einer Durchführung der Abschiebung einhergehende Trennung der Familie im Lichte von Art. 6 GG zulässig ist, nicht vom Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ausschließlich von der Ausländerbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung etwaiger Vollstreckungshindernisse nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu entscheiden; diese hat hierbei auch die weiteren (mittelbaren) Folgen der Trennung im Abschiebungszielstaat - etwa eine drohende Existenzgefährdung - zu berücksichtigen (siehe zum Ganzen: BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 = juris Rn. 4; U.v. 7.12.2004 - 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 = NVwZ 2005, 704 = juris Rn. 29; B.v. 23.10.2001 - 1 B 169.01 - juris Rn. 2; U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 13-17; BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 19 f.; B.v. 31.7.2018 - 15 ZB 17.31491 - juris Rn. 7; B.v. 31.7.2017 - 20 ZB 16.30094 - juris Rn. 11-13).

(2) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze haben vorliegend die Ehefrau des Klägers, die gemeinsamen Kinder sowie die mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebenden Stiefkinder außer Betracht zu bleiben, da ihnen durch das Bundesamt bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist; es ist daher bei Zugrundelegung einer möglichst realitätsnahen Rückkehrsituation davon auszugehen, dass sie nicht zusammen mit dem Kläger nach Afghanistan zurückkehren würden (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11).

Allerdings vermag der in diesem Kontext erfolgte Verweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.) nicht zu überzeugen. Hier hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht im Fall einer afghanischen Familie der Ehefrau und den zwei Töchtern Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt, während dem Ehemann kein Schutzstatus zuerkannt wurde. Begründet wurde dies damit, dass auch bei Klagen von Familienmitgliedern stets geprüft werden müsse, ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person eines jeden Klägers tatsächlich vorliege. Dieser Judikatur folgt der Senat im Ergebnis nicht, da sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht. Zwar trifft es zu, dass die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG - wie ausgeführt - stets hinsichtlich jeder Einzelperson zu prüfen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 = juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Dieser Aspekt ist jedoch unabhängig von der Frage zu sehen, welche (Begleit-)Personen im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers in sein Heimatland einzustellen sind. Insoweit gilt - wie ausgeführt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr eines Ausländers mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 = juris Rn. 14); dieser Grundsatz gilt auch bei der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbots (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Soweit das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner abweichenden Rechtsansicht seinerseits auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweist, nach der die Vereinbarkeit einer Abschiebung mit dem in Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie und des Erziehungsrechts der Eltern durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu prüfen sei, so überzeugt auch dies nicht, da diese Aussage des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Zusammenhang gerissen ist. Richtigerweise ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des Ausländers als erster Schritt der zu berücksichtigende (Begleit-)Personenkreis zu bestimmen; auf dieser (hypothetischen) Ebene wird die Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK vom Bundesverwaltungsgericht auch dann nicht thematisiert, wenn einzelne Familienmitglieder bei der Rückkehrprognose außer Betracht bleiben, da sie ein bestandskräftiges Bleiberecht im Bundesgebiet haben (vgl. etwa BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11 f.). Allein im Zusammenhang mit letztgenannten Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht sodann bei der nachfolgenden Gefahrenprognose ausgeführt, dass die inlandsbezogene Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK nicht durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur durch die Ausländerbehörde im Rahmen von § 60a Abs. 2 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 15-17). Auf die vorgelagerte Frage der Bestimmung des im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers zu berücksichtigenden (Begleit-)Personenkreises bezieht sich die vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bezug genommene Aussage des Bundesverwaltungsgerichts somit nicht.

Dies vorausgeschickt ist vorliegend im Ausgangspunkt zu bedenken, dass den Familienmitgliedern des Klägers mit bestandskräftigen Asylbescheiden ein Bleiberecht in Deutschland in Form des subsidiären Schutzes zuerkannt worden ist. Aufgrund dieses verbindlich festgestellten Schutzstatus wäre es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit dem Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang, von einer gemeinsamen Rückkehr des Klägers mit seinen Familienangehörigen in sein Heimatland auszugehen (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht verweist insoweit darauf, dass einem durch das Bundesamt bestandskräftig festgestellten Schutzstatus von Familienmitgliedern gemäß § 6 Satz 1 AsylG Verbindlichkeit in allen Angelegenheiten zukommt, in denen die jeweilige Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung internationalen Schutzes rechtserheblich ist (vgl. die Zitierung der im Kern inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 4 Satz 1 AsylVfG a.F. in BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11).

Diese Rechtsprechung kann jedoch als Ausnahme vom Grundsatz, dass bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14), keine Anwendung finden, wenn das Bundesamt unter Verstoß gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK das Asylgesuch einzelner Personen aus einem Familienverband materiell isoliert betrachtet und zum Teil einen Schutzstatus zuerkennt, zu einem anderen Teil ablehnt. Eine solche Trennung des Familienverbands ohne sachlichen Grund kann bei der gebotenen Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation nicht unberücksichtigt bleiben. Zwar mag es dem verbindlich festgestellten Schutztatbestand widersprechen, wenn gleichwohl eine gemeinsame Rückkehr unterstellt würde. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die Einbeziehung des Merkmals der Gemeinschaftlichkeit des Aufenthalts in die Rückkehrprognose durch das räumliche Zusammenleben der Familie nahegelegt wird, das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14). Diesem verfassungsrechtlichen Schutzgut würde eine Hypothese zuwiderlaufen, mit der von vornherein der isolierte Heimataufenthalt eines der im Familienverband zusammenlebenden Familienmitglieder, nicht aber die Gemeinschaftlichkeit dieses Aufenthalts mit den anderen Angehörigen des Familienverbandes unterstellt würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Behörden, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Insoweit vermag allein die verfahrensrechtliche Trennung der Asylverfahren von Familienmitgliedern durch das Bundesamt nicht zu einer materiellrechtlichen Änderung der im Regelfall auf die Familieneinheit abstellenden Rückkehrprognose zu führen, wenn hierfür nicht im Einzelfall sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen. Andernfalls wäre das Bundesamt in der Lage, allein durch die verfahrenstechnische Trennung der Asylverfahren der Ehefrau mit Kindern vom Asylverfahren des Ehemanns, gegen die wegen § 44a VwGO kein isolierter Rechtsschutz eröffnet ist, die materiellrechtliche Rückkehrprognose für den Ehemann im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG maßgeblich zu verändern, da diesem ohne Unterhaltspflichten gegenüber der Ehefrau und den Kindern als alleinstehenden, arbeitsfähigen Mann die Erwirtschaftung seines Existenzminimums voraussichtlich eher gelingen kann als bei einer Rückkehr der gesamten Familie. Letztendlich wäre der Ausgang des Verfahrens des Familienvaters von Zufälligkeiten abhängig, ob und wann über seinen Antrag und die Anträge seiner übrigen Familienangehörigen jeweils entschieden wird. Es würde daher dem Schutz von Ehe und Familie im Sinn von Art. 6 GG widersprechen, einen einheitlichen Familienverband ohne erkennbaren Grund materiellrechtlich getrennt zu betrachten und von der isolierten Rückkehr eines Mitglieds der Kernfamilie auszugehen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte isolierte Betrachtung von Familienmitgliedern erfordert nach alledem eine Einschränkung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dergestalt, dass bei der Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation trotz festgestelltem Schutzstatus einzelner Familienmitglieder von einer Rückkehr im Familienverband auszugehen ist.

Hiervon ausgehend ist ein sachlich nicht gerechtfertigtes Vorgehen des Bundesamts im Fall des Klägers jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr ist der hiesige Kläger erst im April 2014 - und damit mehr als ein halbes Jahr nach seiner Ehefrau und deren Kindern aus erster Ehe (Einreise: August 2013) - in das Bundesgebiet eingereist und hat dementsprechend einen gesonderten Asylantrag gestellt. Auch waren die Gefahrenumstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG für die Ehefrau des Klägers geführt haben (die vorgetragene Bedrohung durch ihren geschiedenen Ehemann in Afghanistan), allein in der Sphäre der Ehefrau begründet und betrafen den Kläger nicht. Zudem hat die Ehe des Klägers nach eigenem Vortrag nicht bereits im Heimatland bestanden. Vielmehr ist laut dem Kläger eine nur kirchliche Eheschließung erst im Jahr 2012 in Griechenland sowie gleichzeitig eine sog. Handschuhehe im Iran erfolgt. Die Eheschließung in Griechenland war gegenüber dem Bundesamt im Asylverfahren überdies nicht durch amtliche Dokumente hinreichend nachgewiesen, obwohl die Vorlage oder Beschaffung einer griechischen Heiratsurkunde ohne weiteres möglich hätte sein sollen. Abgesehen davon, dass die rechtliche Bewertung einer sog. Handschuhehe im Iran durchaus komplex ist (vgl. BGH, U.v. 19.12.1958 - IV ZR 87/58 - BGHZ 29, 137 - juris; KG Berlin, B.v. 22.4.2004 - 1 W 173/03 - juris; Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Art. 13 EGBGB Rn. 9), hat der Kläger auch hierzu keine nachprüfbaren Belege vorgelegt. Nach alledem war es vorliegend seitens des Bundesamts jedenfalls nicht unter jedem Aspekt rechtlich unvertretbar, das Asylgesuch des Klägers materiell isoliert zu betrachten, auch wenn aus Sicht des Senats jedenfalls seit der Geburt der gemeinsamen Kinder mehr für eine gemeinsame Betrachtung als Familienverband gesprochen hätte. Diese Betrachtungsweise würde allerdings der Begründung des Bundesamts für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG gegenüber der Ehefrau des Klägers den Boden entziehen. Ausweislich des dem betreffenden Bescheid beigefügten Vermerks ist der Ehefrau des Klägers maßgeblich deshalb ein Schutzstatus nach § 4 AsylG zuerkannt worden, da ihr in Afghanistan als alleinstehender bzw. alleinerziehender Frau keine interne Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Im Fall einer gemeinsamen Betrachtung der Asylanträge unter Einbeziehung des Klägers - etwa im Rahmen eines Folgeantrags der gesamten Familie - würde diese Begründung entfallen.

Unter Zugrundlegung der Auffassung des Bundeamts, für die im vorliegenden Einzelfall hinreichend gewichtige Gründe sprechen, verbleibt es somit hier beim der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechenden Grundsatz, dass mit Blick auf den subsidiären Schutzstatus der sonstigen Familienmitglieder von einer alleinigen Rückkehr des Klägers nach Afghanistan auszugehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 11).

bb) Unter der Prämisse einer Rückkehr des Klägers als Alleinstehender nach Afghanistan sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegend nicht gegeben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist nicht davon auszugehen, dass eine Abschiebung nach Afghanistan ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris Rn. 5; B.v. 4.1.2018 - 13a ZB 17.31652 - juris Rn. 5; B.v. 29.11.2017 - 13a ZB 17.31251 - juris Rn. 6; B.v. 11.4.2017 - 13a ZB 17.30294 - juris Rn. 5 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung der Vorschrift führen würde. Der Senat geht davon aus, dass ein erwerbsfähiger und gesunder Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten etwa in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. Trotz großer Schwierigkeiten bestehen grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere Rückkehrer aus dem Westen sind auf dem Arbeitsmarkt allein aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in einer vergleichsweise guten Position; jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr sind daher nicht zu befürchten. Auf ein stützendes Netzwerk in Afghanistan oder einen vorherigen Aufenthalt im Heimatland kommt es hierbei nicht an; ausreichend ist vielmehr, dass eine der Landessprachen beherrscht wird und der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 29.11.2017 - 13a ZB 17.31251 - juris Rn. 6; B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris Rn. 13; B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris Rn. 4; U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnismittel fest.

(1) Zum einen sind im Fall des Klägers die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Afghanistans nicht gegeben.

(a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 25). Im Rahmen der Prüfung der allgemeinen Situation der Gewalt kann auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur erheblichen individuellen Gefahr im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) zurückgegriffen werden, soweit sie sich auf die Gefahrendichte bezieht. Danach bedarf es neben einer quantitativen Ermittlung der Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Relation zur Gesamteinwohnerzahl auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen - Todesfälle und Verletzungen - bei der Zivilbevölkerung; ein Schädigungsrisiko von etwa 1:800 ist insoweit weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 22 f.).

Soweit - wie in Afghanistan - ein für die Verhältnisse eindeutig maßgeblich verantwortlicher Akteur fehlt, können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 9: „nur in besonderen Ausnahmefällen“; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489 = juris Rn. 25; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 = juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681 - Rn. 278 ff.; BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 17; VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176 f.; OVG NW, B.v. 14.3.2018 - 13 A 341/18.A - juris Rn. 19 f.).

Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen vielmehr ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen; diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 11). Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (U.v. 28.6.2011, a.a.O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167) macht letztlich deutlich, dass von einem sehr hohen Gefahrenniveau auszugehen ist; nur dann liegt ein „ganz außergewöhnlicher Fall“ vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 19; VGH BW, U.v. 11.4.2018 - A 11 S 1729/17 - juris Rn. 128-131).

Auch im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen; erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51 - juris Rn. 22). Bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung an dem Ort droht, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 26).

(b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel geht der Senat weiterhin davon aus, dass für einen erwerbsfähigen und gesunden Mann - wie den Kläger - auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäres Unterstützungsnetzwerk bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK grundsätzlich nicht gegeben sind. Denn eine beachtlich wahrscheinliche, im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehende Behandlung ist insoweit nicht zu erwarten (vgl. in diesem Sinne VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.).

(aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf die Sicherheitslage in Afghanistan. Zwar ist den aktuellen Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass sich die Situation seit Abzug der internationalen Truppen 2014/15 grundsätzlich verschlechtert habe, die Aufständischen hätten größere Bewegungsfreiheit. Die Taliban versuchten, den Einfluss in ihren Kernräumen - paschtunisch geprägte ländliche Gebiete, vornehmlich in den Provinzen Helmand, Kandahar, Uruzgan und zunehmend auch Farah im Westen und Süden sowie Kunduz und Faryab im Norden - zu konsolidieren und auszuweiten, auch wenn es ihnen bislang nicht gelungen sei, eine Provinzhauptstadt dauerhaft zu erobern. Nach Einschätzungen zum Jahresende 2017 übten die Taliban in 39 der 408 Distrikte Afghanistans die alleinige Kontrolle aus. Als weiterer Faktor seien seit 2015 militante Gruppen hinzugekommen, die sich zum ISKP („Islamischer Staat in der Provinz Khorasan“) bekennen (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 21). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe seien die Taliban aktuell so stark wie seit 2001 nicht mehr (SFH, Afghanistan: Die aktuelle Sicherheitslage - Update, 12.9.2018, S. 4). Regierungsfeindliche Elemente würden zudem eine steigende Zahl von gezielten Angriffen auf Zivilisten ausführen, selbst in bestgesicherten Bereichen der Hauptstadt Kabul (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 21 f.; SFH, a.a.O., S. 4/8 f.). Die UN beschrieben die Lage in Afghanistan insgesamt weiterhin als „in hohem Maße instabil“ bzw. „volatil“; Zivilisten hätten weiter die Hauptlast des Konflikts zu tragen (UNHCR, a.a.O., S. 21 f.; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Security Situation - Update, 1.5.2018, S. 20).

Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklung ist die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Gefahrendichte in Afghanistan aber grundsätzlich weiterhin nicht gegeben. Zwar weist auch der aktuelle UNAMA-Bericht vom 10. Oktober 2018 darauf hin, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 ein extremes Niveau an Gewalt gegenüber Zivilisten in Afghanistan dokumentiert worden sei (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in armed Conflict: 1 January to 30 September 2018, S. 1). Zugleich gibt UNAMA jedoch an, dass vom 1. Januar bis 30. September 2018 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote, 5.252 Verletzte) dokumentiert worden seien und dies in etwa demselben (hohen) Niveau des vergleichbaren Berichtszeitraums 2017 entspreche (8.048 zivile Opfer; 2.666 Tote, 5.418 Verletzte; UNAMA, S. 1). Bei einer proportionalen Hochrechnung der Opferzahlen für 2018 insgesamt (10.734 zivile Opfer; 3.731 Tote, 7.003 Verletzte) und einer konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von etwa 27 Mio. Menschen (AA, a.a.O., S. 18 f.) ergibt sich hieraus ein konfliktbedingtes Schädigungsrisiko von 1:2515. Selbst wenn man die Provinz Nangarhar zugrunde legt, für die UNAMA in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern registriert habe (1.494 zivile Opfer; 554 Tote und 940 Verletzte; UNAMA, S. 1 f.), ergibt sich bei einer proportionalen Hochrechnung der Opferzahlen für 2018 insgesamt (1.992 zivile Opfer; 739 Tote, 1.253 Verletzte) und einer geschätzten Bevölkerungszahl der Provinz von 1.545.448 Menschen (BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung v. 2.3.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.1.2018, S. 104) ein Schädigungsrisiko von 1:776. Selbst dieser Wert ist jedoch derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass auch bei wertender Gesamtbetrachtung nicht von einer in Afghanistan oder Teilen hiervon aufgrund der Sicherheitslage jeder Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit tatsächlich drohenden, Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgegangen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 - juris Rn. 22 f. zu einem Schädigungsrisiko von 1:800; vgl. zu den zivilen Opferzahlen in 2016/17 bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 109 ff.).

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, U.v. 11.7.2017 - S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 - Rn. 53; U.v. 11.7.2017 - Soleimankheel and others/Netherlands, Nr. 41509/12 - Rn. 51; U.v. 11.7.2017 - G.R.S./Netherlands, Nr. 77691/11 - Rn. 39; U.v. 11.7.2017 - E.K./Netherlands, Nr. 72586/11 - Rn. 67; U.v. 11.7.2017 - E.P. and A.R./Netherlands, Nr. 63104/11 - Rn. 80; U.v. 16.5.2017 - M.M./Netherlands, Nr. 15993/09 - Rn. 120; U.v. 12.1.2016 - A.G.R./Niederlande, Nr. 13442/08 - NVwZ 2017, 293 - Rn. 59). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B./United Kingdom, Nr. 70073/10 - Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 10).

(bb) Auch aus der aktuellen humanitären bzw. wirtschaftlichen Lage in Afghanistan ergibt sich grundsätzlich kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Denn ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen und daher die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind, ist weiter nicht gegeben (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.).

Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei (Human Development Index 2016: Platz 169 von 188 Staaten). Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum sei kurzfristig nicht in Sicht (2017: 2,6 v.H.). Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25 v.H. auf 39 v.H. gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der afghanischen Bevölkerung - insbesondere Rückkehrer - weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 9,3 Mio. Menschen - ein Drittel der afghanischen Bevölkerung - humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen, für 2018 sei eine Dürre vorausgesagt worden. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten würden. Jedoch habe die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Seit 2002 seien laut UNHCR 5,8 Mio. afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, Afghanistan erlebe die größte Rückkehrbewegung der Welt. Das Fehlen lokaler Netzwerke könne Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhänge (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 25/28).

Laut einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom 1. Juni 2018 stünden in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet sei. Zugang zu angemessener Unterkunft sei jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte seien als Slums einzustufen. Flüchtlinge lebten in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte böten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken - etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen - oder zu finanziellen Mitteln ab (siehe zum Ganzen: EASO, Country Guidance: Afghanistan, 1.6.2018, S. 104 f.).

Ausweislich des Länderinformationsblatts Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. Juni 2018 seien von den 2.1 Mio. Personen, die in informellen Siedlungen lebten, 44 v.H. Rückkehrer. Die Zustände in diesen Siedlungen seien unterdurchschnittlich und besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81 v.H. der Menschen in informellen Siedlungen seien Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26 v.H. hätten keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24 v.H. lebten in überfüllten Haushalten. Rückkehrer erhielten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehrten, und internationalen Organisationen (z.B. IOM, UNHCR) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (z.B. IPSO und AMASO), die die Reintegration in Afghanistan finanziell, durch Bereitstellung von Unterkunft, Nahrungsmitteln oder sonstigen Sachleistungen sowie durch Beratung unterstützten. Gleichwohl sei die Möglichkeit der Rückkehr zur Familie oder einer sonstigen Gemeinschaft mangels konkreter staatlicher Unterbringungen für Rückkehrer der zentrale Faktor. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellten die afghanische Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung (zwei Wochen). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stelle eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar; Unterstützungsnetzwerke könnten sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Religion sowie aus „professionellen“ (Kollegen, Kommilitonen etc.) oder politischen Verbindungen ergeben (siehe zum Ganzen: BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 29.6.2018, S. 314-316, 327-331).

Nach den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 seien die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. Ende 2017 sei bezüglich 3,3 Mio. Afghanen ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe festgestellt worden; nunmehr kämen weitere 8,7 Mio. Afghanen hinzu, die langfristiger humanitärer Hilfe bedürften. Über 1,6 Mio. Kinder litten Berichten zufolge an akuter Mangelernährung, wobei die Kindersterblichkeitsrate mit 70 auf 1.000 Geburten zu den höchsten in der Welt zähle. Ferner habe sich der Anteil der Bevölkerung, die laut Berichten unterhalb der Armutsgrenze lebe, auf 55 v.H. (2016/17) erhöht, von zuvor 33,7 v.H. (2007/08) bzw. 38,3 v.H. (2011/12). 1,9 Mio. Afghanen seien von ernsthafter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Geschätzte 45 v.H. der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 4,5 Mio. Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans herrsche die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbreche. 54 v.H. der Binnenvertriebenen (Internally Displaced Persons - IDPs) hielten sich in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöhe und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärke; die bereits an ihre Grenze gelangten Aufnahmekapazitäten der Provinz- und Distriktszentren seien extrem belastet. Dies gelte gerade in der durch Rückkehrer und Flüchtlinge rapide wachsenden Hauptstadt Kabul (Anfang 2016: geschätzt 3 Mio. Einwohner). Flüchtlinge seien zu negativen Bewältigungsstrategien gezwungen wie etwa Kinderarbeit, früher Verheiratung sowie weniger und schlechtere Nahrung. Laut einer Erhebung aus 2016/17 lebten 72,4 v.H. der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unzulänglichen Wohnverhältnissen. Im Januar 2017 sei berichtet worden, dass 55 v.H. der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert gewesen seien (siehe zum Ganzen: UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 36 f., 125 f.).

Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 böten die informellen Siedlungen in den afghanischen Städten meist einen schlechten oder keinen Zugang zu Basisdienstleistungen und Infrastruktur (Elektrizität, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen). Die Unterkünfte seien meist behelfsmäßig gebaut und könnten nur bedingt vor Kälte, Hitze und Feuchtigkeit schützen. Die Lebensbedingungen von Rückkehrern lägen unter den normalen Standards. Laut einer Studie seien 87 v.H. der IDPs und 84 v.H. der Rückkehrer von Lebensmittelknappheit betroffen. Ob es Rückkehrer schafften, sich in Afghanistan wieder zu integrieren, hänge nicht zuletzt vom Vorhandensein von Unterstützungsnetzwerken ab. In Kabul (geschätzte Einwohnerzahl: 3,8 - 7 Mio.) habe der schnelle Bevölkerungsanstieg rasch zu einer Überforderung der vorhandenen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Die humanitäre Lage spitze sich insbesondere in großen Städten zu, weil sich dort IDPs und Rückkehrer konzentrierten, die eine Existenzgrundlage und Zugang zu bereits stark überlasteten Grunddienstleistungen suchten. Laut Amnesty International sei die Aufnahmekapazität - insbesondere in den größeren Städten - aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der sehr bescheidenen Möglichkeiten, eine Existenzsicherung sowie angemessene Unterkunft zu finden, sowie des mangelnden Zugangs zu überstrapazierten Grunddienstleistungen „äußerst eingeschränkt“ (siehe zum Ganzen: SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile - Update, 12.9.2018, S. 20-22).

Zusammenfassend lassen sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln zur humanitären Lage in Afghanistan keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.). Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Situation in Afghanistan weiterhin sehr besorgniserregend ist. Jedoch liegen keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zuließen, dass jeder alleinstehende, erwerbsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind daher weiterhin nicht erfüllt. Zudem liegen Erkenntnisse dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, trotz hoher Rückkehrzahlen nicht vor (VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 407).

Auch die aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 gehen letztlich weiterhin (vgl. bereits UNHCR, Richtlinien v. 19.4.2016, S. 99) davon aus, dass alleinstehende leistungsfähige afghanische Männer sowie verheiratete Paare in erwerbsfähigem Alter als Rückkehrer grundsätzlich auch ohne ein Unterstützungsnetzwerk ihren zumutbaren Lebensunterhalt in Afghanistan sicherstellen können, soweit im Einzelfall keine besonderen Gefährdungsfaktoren gegeben sind. Diese Personen könnten unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (siehe zum Ganzen: UNHCR, a.a.O., S. 125; vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 422 f.). Zum selben Ergebnis gelangt auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in seinem Bericht vom 1. Juni 2018 (EASO, a.a.O., S. 106).

Soweit der UNHCR in seinen aktualisierten Richtlinien zu der Auffassung gelangt, dass eine inländische Fluchtalternative in Kabul mit Blick auf Grenzen der Aufnahmekapazität der Stadt und die humanitären Lebensbedingungen in den dortigen sog. informellen Siedlungen generell nicht zur Verfügung stehe (UNHCR, a.a.O., S. 129), so beschränkt sich diese Aussage bereits auf Kabul, ohne jedoch das Vorhandensein hinreichender Lebensbedingungen für Rückkehrer im restlichen Afghanistan - insbesondere den sonstigen Großstädten - in Frage zu stellen. Zudem gilt, dass der Ausschluss Kabuls im Kontext der Zumutbarkeit als inländischer Fluchtalternative i.S.v. Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU erfolgt ist (vgl. UNHCR, S. 128: „Die Zumutbarkeit von Kabul als interner Schutzalternative“). Hiernach muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage jedoch so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält; dieser Zumutbarkeitsmaßstab bzw. dieses Zumutbarkeitsniveau geht über das Fehlen einer im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK maßgeblichen Sicherung des Existenzminimums hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 8.8.2018 - A 11 S 1753/18 - juris Rn. 22). Ohnehin beruht die Bewertung des UNHCR auf von ihm selbst angelegten Maßstäben, die sich von den gesetzlichen Anforderungen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheiden können (BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9).

(c) Im Einzelfall des Klägers sind auch keine besonderen individuellen Umstände gegeben, die ausnahmsweise zum Vorliegen der Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Afghanistans führen.

Soweit es die Sicherheitslage in Afghanistan angeht, so gilt, dass in der Person des Klägers keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände gegeben sind. Ein individueller gefahrerhöhender Umstand ergibt sich insbesondere nicht aus der bloßen Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 233 ff.). Gleiches gilt letztlich hinsichtlich des Umstands, dass der Kläger bei Asylantragstellung seine Religion mit „Christentum“ angegeben hat (VA S. 11); denn ein gefestigter Übertritt zum christlichen Glauben ist durch den Kläger weder im nachfolgenden Asylverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht worden (vgl. VGH BW, U.v. 5.12.2017 - A 11 S 1144/17 - juris Rn. 266).

Soweit es die humanitäre bzw. wirtschaftliche Lage in Afghanistan betrifft, wäre der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage, für sich als Einzelperson das Existenzminimum zu bestreiten. Der 37-jährige Kläger ist gesund und erwerbsfähig; er spricht eine der afghanischen Landessprachen (Dari) und könnte in Afghanistan insbesondere seinen laut Anhörung beim Bundesamt erlernten und auch in Griechenland ausgeübten Beruf als Schweißer ausüben oder erneut - wie ebenfalls in Griechenland - in der Landwirtschaft arbeiten (Anhörungsprotokoll, VA S. 79 f.). Auch in Deutschland ist der Kläger erwerbstätig gewesen, u.a. als Hausmeister (Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, S. 2). Überdies verfügt der Kläger über eine für Afghanistan deutlich überdurchschnittliche Schulbildung, er hat die Schule bis zu elften Klasse besucht und hatte sogar einen anschließenden Universitätsbesuch beabsichtigt (Anhörungsprotokoll, VA S. 80).

(2) Auch die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen im Fall des Klägers hinsichtlich Afghanistans nicht vor.

Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

(a) Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten - insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage - kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 23.10 - NVwZ 2012, 244 - juris Rn. 21 f.; B.v. 14.11.2007 - 10 B 47.07 u.a. - juris Rn. 3).

(b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 453).

(3) Das durch den Senat gefundene Ergebnis entspricht - soweit ersichtlich - auch der einhelligen Rechtsprechung der anderen Oberverwaltungsgerichte; eine Auseinandersetzung mit einer abweichenden Würdigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen durch andere Oberverwaltungsgerichte (vgl. allg. BVerwG, B.v. 6.7.2012 - 10 B 18.12 - juris Rn. 10) ist daher nicht geboten.

2. Auch soweit der Kläger sich gegen die Abschiebungsandrohung unter Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids wendet, ist die Berufung nicht begründet.

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlässt das Bundesamt nach § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn dem Ausländer kein Schutzstatus nach Art. 16a GG, § 3 f. AsylG oder § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuerkannt wird (Nr. 1-3) und er keinen Aufenthaltstitel besitzt (Nr. 4). Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG soll die Abschiebungsandrohung mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden.

Hiervon ausgehend war der Ausspruch der Androhung der Abschiebung durch das Bundesamt im Fall des Klägers nicht dadurch ausgeschlossen, dass vorliegend mit Blick auf eine mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht zu vereinbarende Trennung von Familienmitgliedern wohl ein inlandsbezogenes, von der Ausländerbehörde zu prüfendes Abschiebungshindernis i.S.v. § 60a Abs. 2 AufenthG besteht (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305, 310 f. = DVBl 2000, 419). Das Bundesamt ist vielmehr auf das ihm obliegende Prüfprogramm aus § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG beschränkt. Es ist daher auch in Fällen, in denen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, ermächtigt und regelmäßig gehalten, eine „Vorratsentscheidung“ zum Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten zu treffen und eine entsprechende zielstaatsbezogene Abschiebungsandrohung zu erlassen (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 - juris Rn. 4).

3. Soweit sich die Berufung des Klägers hingegen gegen die Aufhebung der Anordnung in Nr. 6 des Bescheids vom 21. Juli 2016 (Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots) richtet, ist sie begründet. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG ist von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei sind von der zuständigen Behörde - im Fall einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG das Bundesamt, § 75 Nr. 12 AufenthG - u.a. die im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK schutzwürdigen familiären Belange des Ausländers sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die gerichtliche Überprüfung der Befristungsentscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen, so dass das Bundesamt auch während des gerichtlichen Verfahrens eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit seiner Befristungsentscheidung und ggf. zur Ergänzung seiner Ermessenserwägungen trifft (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 = NVwZ 2018, 88 - juris). Geht man ungeachtet der Rechtsgrundlage für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt in § 11 Abs. 2 AufenthG vom Vorliegen einer Streitigkeit nach dem Asylgesetz aus (so Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 86 m.w.N.; a.A. Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 Rn. 102), ergibt sich der entsprechende maßgebliche Zeitpunkt aus § 77 Abs. 1 AsylG.

Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt auch als Ermessensentscheidung über § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 = NVwZ 2018, 88 - juris). Die Beklagte hat vorliegend als wesentliche Ermessenserwägung nicht in ihre Entscheidung eingestellt, dass der Ehefrau des Klägers, den beiden Stiefkindern sowie den beiden im Bundesgebiet geborenen gemeinsamen Kindern bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist und sie daher im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein dürften (vgl. § 25 Abs. 2 AufenthG). Die Befristungsentscheidung ist mithin im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) ermessensfehlerhaft und damit aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 22 f.).

4. Abschließend weist der Senat nochmals darauf hin, dass im Fall des Klägers - unabhängig von einem etwaigen gemeinsamen Asylfolgeantrag mit dem Ziel einer Gesamtbetrachtung der Familie im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG - im Lichte von Art. 6 GG jedenfalls ein durch die Ausländerbehörde zu beachtendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis i.S.v. § 60a Abs. 2 AufenthG bestehen dürfte (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 15-17).

5. Die Kosten beider Instanzen hat der Kläger zu tragen, da die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 24). Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben; insbesondere wurde vorliegend im Ergebnis an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr einzustellenden Familienmitgliedern festgehalten.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 3. März 2016 ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob bei afghanischen Staatsangehörigen, die im Ausland geboren sind und die sich niemals in Afghanistan aufgehalten haben, als Auslandsrückkehrer ohne aufnahmefähigen Familienverband in Kabul eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG“. Dies habe das Verwaltungsgericht verneint. Mit seiner Entscheidung stehe es im Widerspruch zu einer Vielzahl von gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen, die angesichts der aktuellen Versorgungs- und Sicherheitslage eine extreme Gefahrenlage bejaht hätten. Nicht Gegenstand der aufgeworfenen Frage seien die rechtlichen Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Aber auch eine Tatsachenfrage könne Gegenstand einer Grundsatzberufung sein.

Letzteres ist zwar zutreffend. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist jedoch geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, U. v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris; U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris = KommunalPraxisBY 2014, 62 -LS-; U. v. 22.3.2013 - 13a B 12.30044 - juris; U. v. 20.1.2012 - 13a B 11.30425 - juris; U. v. 8.12.2011 - 13a B 11.30276 - EzAR-NF 69 Nr. 11 = AuAS 2012, 35 -LS-; U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris). Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein arbeitsfähiger, gesunder Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten.

Im Übrigen hängt es wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab, wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen; es entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung (BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226 = NVwZ-RR 2011, 48).

Die vom Kläger angeführten anders lautenden Entscheidungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung (VGH BW, U. v. 14.5.2009 - A 11 S 610/08 - juris = DÖV 2009, 826 -LS- und OVG RhPf, U. v. 6.5.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188) vermögen die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage bereits deswegen nicht zu begründen, weil sie vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben wurden (U. v. 8.9.2011 - 10 C 16.10 - juris, Parallelentscheidung BVerwGE 140, 319, und U. v. 29.6.2010 a. a. O.). Im Übrigen geht mittlerweile auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in der zurückverwiesenen Sache davon aus, dass für junge, männliche afghanische Staatsangehörige, die beruflich nicht besonders qualifiziert sind und nicht auf den Rückhalt von Familie oder Bekannten zurückgreifen können, in Kabul keine extreme Gefahrensituation besteht (OVG RhPf, U. v. 21.3.2012 - 8 A 11050/10.OVG - juris). Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat seine ur-sprüngliche Rechtsprechung aufgegeben (VGH BW, U. v. 6.3.2012 - A 11 S 3177/11 - juris = ZAR 2012, 164 -LS-). Des Weiteren liegen der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aktuellere Berichte und Auskünfte zugrunde. Entsprechendes gilt hinsichtlich der vom Kläger angeführten Bezugsfälle (positive Feststellung zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in zwei Entscheidungen des Bundesamts aus den Jahren 2009 und 2010). Für eine Neubewertung der Versorgungslage geben die (vom Verwaltungsgerichtshof bereits berücksichtigten) aktuellen Berichte von UNHCR, Auswärtigem Amt und Schweizerischer Flüchtlingshilfe keinen Anlass.

Soweit der Kläger die Frage auf afghanische Staatsangehörige bezieht, die im Ausland geboren seien und sich niemals in Afghanistan aufgehalten hätten, ist sie ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs besteht auch für Afghanen, die sich nicht in Afghanistan aufgehalten haben, jedenfalls dann, wenn sie - wie der Kläger - eine der Landessprachen (hier: Dari) beherrschen, die Chance, durch Gelegenheitsarbeiten in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen (BayVGH, U. v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris = KommunalPraxisBY 2014, 62 -LS- Rn. 22). Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert grundsätzlich nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt im Heimatland. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Ein spezielles „Vertrautsein mit den afghanischen Verhältnissen“ ist nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 wird die Klage abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der am 31. Dezember 1993 in Herat geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens und Hazara. Er reiste auf dem Landweg vom Iran über die Türkei, Griechenland, Italien und Österreich am 25. März 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 11. April 2012 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylantrag.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 11. Juli 2012 gab der Kläger an, er spreche Dari, außerdem Farsi und ein wenig Englisch. Seit seinem zweiten Lebensjahr habe er mit seiner Familie im Iran gelebt. Die Familie stamme aus der Provinz Herat, Gebiet Guzara. Seine Eltern hätten sich zwar über Afghanistan unterhalten, aber er habe mit ihnen nicht darüber gesprochen. Sie seien wegen der schlechten Sicherheitslage, insbesondere für Hazara, geflohen. In Afghanistan habe er keine Verwandten. Er habe im Iran, in Bodjnord, fünf Jahre die Schule besucht und anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Er habe immer drei bis vier Monate in Teheran gearbeitet und sei dann wieder zur Familie zurückgekehrt. Wann er aus dem Iran ausgereist sei, wisse er nicht. Er sei seit über zweieinhalb Jahren unterwegs. Eineinhalb Jahre sei er in der Türkei gewesen, neun bis zehn Monate in Griechenland. Die Fahrt habe er mit seinem Verdienst in Teheran finanziert. In Griechenland habe er nicht gearbeitet, in der Türkei als Spüler in Restaurants. Den Iran habe er verlassen, weil die Afghanen dort unterdrückt würden. Die Familie habe auch keine offiziellen Dokumente und sei nicht einmal sozialversichert. Er habe eine Schwester mit elfeinhalb Jahren und einen Bruder mit ca. zehn Jahren.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt (1.), festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (2.) sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a. F. (3.) nicht vorliegen und dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan angedroht (4.). Zur Begründung ist ausgeführt, wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara liege keine Verfolgung vor. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt in Herat bestehe nicht. Auch die Voraussetzungen von nationalen Abschiebungsverboten lägen nicht vor, insbesondere bestehe keine extreme Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Da der Kläger nach seinen Angaben bereits nach Beendigung der Schule in Restaurants gearbeitet und Motorräder repariert habe, könne er auch ohne den Rückhalt seiner Familie das erforderliche Einkommen erzielen.

Mit der hiergegen gerichteten Klage an das Verwaltungsgericht München verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. In der mündlichen Verhandlung am 25. März 2014 erklärte der Kläger, Bodjnord sei etwa 17 bis 18 Stunden mit dem Bus von Teheran entfernt, wo er gearbeitet habe. In Deutschland habe er keine Schule besucht und keine Berufsausbildung gemacht. Derzeit arbeite er in einem Restaurant. Mit Urteil vom 25. März 2014 wurde der Bescheid des Bundesamts vom 5. September 2013 antragsgemäß in Nr. 3 insoweit aufgehoben, als festgestellt wurde, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vorliegt. Zudem wurde er in Nr. 4 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen. Die allgemeine Gefahr in Afghanistan habe sich in der Person des Klägers trotz seiner Volljährigkeit ausnahmsweise zu einer extremen Gefahr verdichtet. Aufgrund der besonderen Umstände kommt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass der Kläger, der bereits im Alter von zwei Jahren sein Herkunftsland dauerhaft mit seiner Familie verlassen habe, mit den Verhältnissen in Afghanistan nicht vertraut sei und zudem über keine Berufsausbildung verfüge, nicht dazu in der Lage wäre, die hohen Anforderungen so bewältigen zu können, dass er sich ohne die Hilfe eines aufnahmebereiten Familienverbands wenigstens ein Existenzminimum erwirtschaften könnte. Allein aufgrund seiner langjährigen Abwesenheit sei davon auszugehen, dass ihm die aktuellen Lebensumstände in Afghanistan fremd seien. Er sei mit den Gepflogenheiten der afghanischen Gesellschaft nicht vertraut, zumal dort während seiner Abwesenheit entscheidende Umbrüche und Veränderungen stattgefunden hätten. Erschwerend wirke sich die fehlende Berufsausbildung aus.

Auf Antrag der Beklagten hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. August 2014 die Berufung zugelassen wegen Divergenz zur Rechtsprechung des Senats zur extremen Gefahrenlage in den Fällen, in denen der betreffende Ausländer Afghanistan bereits im Kleinkindalter verlassen hat (BayVGH, U. v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris). Unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Zulassungsantrag und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führt die Beklagte aus, dass bei alleinstehenden, arbeitsfähigen und gesunden männlichen afghanischen Rückkehrern in aller Regel kein Abschiebungsschutz in Betracht käme, zumal Mittel der Rückkehrförderung in Anspruch genommen werden könnten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. März 2014 vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger geht davon aus, dass er gemessen an seiner persönlichen Situation ausnahmsweise alsbald nach der Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage geraten würde. Er beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt ist nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylVfG) nicht verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht. Beim national begründeten Abschiebungsverbot handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, weshalb alle entsprechenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen sind (BVerwG, U. v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319 Rn. 16 und 17). Allerdings sind weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 noch diejenigen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention unzulässig (EMRK) ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 4 AuslG(U. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322) umfasst der Verweis auf die EMRK lediglich Abschiebungshindernisse, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen („zielstaatsbezogene“ Abschiebungshindernisse). Dabei sind alle Verbürgungen der EMRK in den Blick zu nehmen, aus denen sich ein Abschiebungsverbot ergeben kann. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (BVerwG, U. v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167 unter Verweis auf EGMR, U. v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U. v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U. v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht erkennbar.

Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.

Auf eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr i. S. v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat sich der Kläger, der sich nach seinen Angaben ab seinem zweiten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan aufgehalten hat, nicht berufen. Vielmehr trägt er vor, dass seine Eltern Afghanistan wegen der damaligen schlechten Sicherheitslage - eine allgemeine Gefahr im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG - verlassen hätten. Diese kann auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt wird, aber nur eine typische Auswirkung der allgemeinen Gefahrenlage ist (BVerwG, U. v. 8.12.1998 - 9 C 4.98 - BVerwGE 108, 77). Dann greift grundsätzlich die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Eine Abschiebestoppanordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht (mehr). Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat durch die Verwaltungsvorschriften zum Ausländerrecht (BayVVAuslR) mit Rundschreiben vom 3. März 2014, Az. IA2-2081.13-15 bezüglich der Rückführungen nach Afghanistan verfügt, dass nach wie vor alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige, die volljährig sind, vorrangig zurückzuführen sind (s. BayVVAuslR Nr. C.3.2).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG; vgl. nur BVerwGE 99, 324; 102, 249; 108, 77; 114, 379; 137, 226). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extrem zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (BVerwG, B. v. 23.8.2006 - 1 B 60.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 19).

Im Hinblick auf die unzureichende Versorgungslage hat sich die allgemeine Gefahr in Afghanistan für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet, dass eine entsprechende Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten wäre. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (Bergmann in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich aus den Erkenntnismitteln nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher afghanischer Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären (seit U. v. 3.2.2011 - 13a B 10.30394 - juris; zuletzt U. v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris). Der Betroffene wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Der Senat hat sich dabei im Urteil vom 30. Januar 2014 (a. a. O.) u. a. auf die Lageberichte des Auswärtigen Amtes (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: 4. Juni 2013) gestützt sowie auf die Stellungnahmen von Dr. Danesch vom 7. Oktober 2010 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof, von Dr. Karin Lutze (stellvertretende Geschäftsführerin der AGEF - Arbeitsgruppe Entwicklung und Fachkräfte im Bereich der Migration und der Entwicklungszusammenarbeit i.L.) vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz (zum dortigen Verfahren 6 A 11048/10.OVG) und von ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation) vom 1. Juni 2012. Nach den dortigen Erkenntnissen geht der Senat davon aus, dass trotz großer Schwierigkeiten grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts bestehen und jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten sind.

Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. März 2014 (Stand: Februar 2014, S. 19 ff. - Lagebericht 2014) stellt zum einen fest, dass sich Afghanistans Bewertung im Human Development Index kontinuierlich verbessert habe. Auch wenn Afghanistan weiterhin einen sehr niedrigen Rang belege und der Entwicklungsbedarf noch beträchtlich sei, habe es sich einerseits in fast allen Bereichen positiv entwickelt. Die afghanische Wirtschaft wachse, wenn auch nach einer starken Dekade vergleichsweise schwach. Andererseits würden Investitionen aufgrund der politischen Unsicherheit weitgehend zurückgehalten. Allerdings könne nach dem Wahljahr 2014 mit einer Normalisierung des durch die starke Präsenz internationaler Truppen aufgeblähten Preis- und Lohnniveaus zu rechnen sein. Eine weitere Abwertung der afghanischen Währung könnte zu einer gestärkten regionalen Wettbewerbsfähigkeit afghanischer Produkte führen. Negativ würde sich jedoch zum anderen eine zunehmende Unsicherheit und Destabilisierung des Landes auswirken. Die Schaffung von Arbeitsplätzen sei auch bei einer stabilen Entwicklung der Wirtschaft eine zentrale Herausforderung. Für größere Impulse mangle es bisher an Infrastruktur und förderlichen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und einer umfassenden politischen Strategie. Da die Schaffung von Perspektiven auch zu Sicherheit und Stabilität beitrage, sei die Unterstützung der Privatwirtschaft einer der Schlüsselbereiche der bilateralen Zusammenarbeit. Im Übrigen greift der Lagebericht 2014 mit Ausnahme der medizinischen Versorgung keine Einzelaspekte auf, sondern stellt nur die generelle Situation für Rückkehrer und die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dar. Es wird darauf verwiesen, dass es an grundlegender Infrastruktur fehle und die Grundversorgung - wie schon bisher - für große Teile der Bevölkerung eine große Herausforderung sei. Die medizinische Versorgung habe sich in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, falle allerdings im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück. Nach wie vor seien die Verfügbarkeit von Medikamenten und die Ausstattung von Kliniken landesweit unzureichend.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update, die aktuelle Sicherheitslage vom 5.10.2014, S. 18 ff. - SFH) führt aus, dass 36% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebten. Besonders die ländliche Bevölkerung sei den starken klimatischen Schwankungen hilflos ausgeliefert. Die Zahl der Arbeitslosen werde weiter ansteigen. 73,6% aller Arbeitstätigen gehörten zu den working poor, die pro Tag zwei US$ oder weniger verdienten. Die Analphabetenrate sei weiterhin hoch und die Anzahl der gut qualifizierten Fachkräfte sehr tief.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6.8.2013, S. 9 [UNHCR-Richtlinien] und Darstellung allgemeiner Aspekte hinsichtlich der Situation in Afghanistan - Erkenntnisse u. a. aus den UNHCR-Richtlinien 2013 vom August 2014 [UNHCR-2014]) geht davon aus, dass es für eine Neuansiedlung grundsätzlich bedeutender Unterstützung durch die (erweiterte) Familie, die Gemeinschaft oder den Stamm bedarf. Die einzige Ausnahme seien alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten Schutzbedarf, die unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semiurbanen Umgebungen leben könnten, die die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung böten, und die unter tatsächlicher staatlicher Kontrolle ständen.

Zusammenfassend lassen sich damit aus diesen Berichten keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen. Aufgrund der in den Auskünften geschilderten Rahmenbedingungen sind insbesondere Rückkehrer aus dem Westen in einer vergleichsweise guten Position. Allein schon durch Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer geflüchtet sind, wesentlich höher. Hinzu kommt, dass eine extreme Gefahrenlage zwar auch dann besteht, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226), jedoch Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit „alsbald“ zu einer extremen Gefahr führen. Diese muss zwar nicht sofort, also noch am Tag der Ankunft eintreten. Erforderlich ist allerdings eine hinreichende zeitliche Nähe zwischen Rückkehr und unausweichlichem lebensbedrohenden Zustand. Die Gefahr muss sich alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies ist aus den genannten Erkenntnismitteln nicht ersichtlich. Nach der Beurteilung des Auswärtigen Amts in der Auskunft vom 2. Juli 2013 an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof (um Verfahren 8 A 2344/11.A) dürfte es unwahrscheinlich sein, dass besonders in der Hauptstadt Kabul Personen verhungern oder verdursten. Im Urteil vom 4. September 2014 (8 A 2434/11.A - juris) teilt der Hessische Verwaltungsgerichtshof die vorliegende Einschätzung (ebenso OVG NW, U. v. 27.1.2015 - 13 A 1201/12.A - juris). Demgegenüber stellt der Kläger lediglich die Vermutung auf, dass sich die Situation für Rückkehrer verschlechtert habe. Konkrete Anzeichen, die auf eine Verschlechterung hinweisen würden, benennt er nicht. Er beschränkt sich vielmehr auf Annahmen, ohne dass sich diese auf signifikante Veränderungen stützen würden.

Bei dieser Ausgangslage bedurfte es auch nicht der Einholung einer neuen Auskunft.

Die vorhandenen Auskünfte ergeben einen ausreichenden Einblick in die tatsächliche Lage in Afghanistan. Im Hinblick auf den teilweisen Abzug der internationalen Truppen ergibt sich nichts anderes. Anhaltspunkte, dass sich bei der Versorgungs- und Sicherheitslage im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt erhebliche Veränderungen ergeben hätten, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Ob in Zukunft Verschlechterungen eintreten werden, lässt sich derzeit nicht beurteilen.

Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Kläger als Angehöriger der Minderheit der Hazara keine Chance hätte, sich als Tagelöhner oder Gelegenheitsarbeiter zu verdingen. Die vorliegenden Gutachten und Berichte enthalten keine entsprechenden Hinweise. Der Umstand, dass der Kläger seit seinem zweiten Lebensjahr mit seiner Familie im Iran gelebt hat, steht der Annahme, er könne sich in Kabul auf sich allein gestellt notfalls „durchschlagen“, ebenfalls nicht entgegen. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Urteil vom 24. Oktober 2013 (13a B 13.30031 - juris) ausgeführt, dass eine Rückkehr nach Afghanistan grundsätzlich nicht am fehlenden vorherigen Aufenthalt im Heimatland scheitere. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht. Ein spezielles „Vertrautsein mit den afghanischen Verhältnissen“ mag die Sicherung des Lebensunterhalts vereinfachen. Anhaltspunkte, dass dies erforderlich sein könnte, sind jedoch nicht ersichtlich. Damit liegt die für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger alsbald existenzbedrohenden Mangellagen ausgesetzt wäre, nicht vor. Der Kläger ist im Iran, einer islamisch geprägten Umgebung, aufgewachsen und spricht Farsi sowie die hiermit sehr eng verwandte Landessprache Afghanistans Dari. Zudem hebt er sich bereits dadurch von der Masse der Arbeit suchenden Analphabeten ab, dass er im Iran fünf Jahre lang die Schule besucht hat. In Teheran hat er anschließend sowohl in Restaurants gearbeitet als auch Motorräder in Stand gesetzt. Damit konnte er nicht nur seinen Lebensunterhalt erwirtschaften, sondern auch die Ausreise sowie seinen neun- bis zehnmonatigen Aufenthalt in Griechenland, wo er nach seinen Angaben nicht gearbeitet hat, finanzieren. Während seines eineinhalb jährigen Aufenthalts in der Türkei hat er - ohne Kenntnis der Landessprache - als Spüler in Restaurants gearbeitet. Ebenso ist er derzeit in Deutschland in einem Gasthof als Küchenhilfe beschäftigt. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem relativ gut Deutsch gesprochen. Mit diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer zwangsweisen Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten, etwa in Kabul, wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht komme (UNHCR-2014).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. November 2014 ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob aufgrund der veränderten Situation in Afghanistan Personen, die keine familiäre Bindungen mehr haben und schon lange aus Afghanistan weg sind, im Falle einer Rückkehr der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen nach Art. 3 EMRK unterliegen, und daher ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG ausgesprochen werden muss.“ Da sich die Sicherheitslage in letzter Zeit verschlechtert habe, sei auch eine Verschlechterung bei der medizinischen Versorgung und den Chancen für Rückkehrer auf dem Arbeitsmarkt eingetreten; humanitäre Hilfslieferungen könnten nicht mehr erbracht werden. Es sei deshalb zu prüfen, ob er als alleinstehende Person ein Dasein unterhalb des Existenzminimums und unterhalb der Mindestversorgung fristen müsste. Erschwerend komme hinzu, dass er Afghanistan schon im Alter von 14 Jahren verlassen habe.

Der Hinweis des Klägers auf Berichte verschiedener Nichtregierungsorganisationen zur Lage in Afghanistan vermag die Zulassung der Berufung nicht zu rechtfertigen.

Die Reichweite der Schutznorm des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Die Formulierung des Art. 3 EMRK, niemand dürfe unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden, lässt zwar nicht erkennen, ob sich diese nur aus konkret gegen den Betroffenen gerichteten Maßnahmen oder auch aus einer schlechten allgemeinen Situation mit unzumutbaren Lebensbedingungen ergeben kann. Eine Unterscheidung zwischen konkreten und allgemeinen Gefahren wird dort jedenfalls nicht vorgenommen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verweist, hält aber eine unmenschliche Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen für möglich (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489; EGMR, U.v. 21.1.2011 - M.S.S./Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681; U.v. 13.10.2011 - Husseini/Schweden, Nr. 10611/09 - NJOZ 2012, 952). Im Urteil vom 13. Juni 2013 (a. a. O.) ist das Bundesverwaltungsgericht ferner ausdrücklich von der früheren Rechtsprechung abgerückt und hält für das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht länger an der zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 vertretenen Auffassung fest, dass die Vorschrift nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtige, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohten. Nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) verletzen humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK zum einen in ganz außergewöhnlichen Fällen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ seien. Dieses Kriterium sei angemessen, wenn die schlechten Bedingungen überwiegend auf die Armut zurückzuführen seien oder auf die fehlenden staatlichen Mittel, um mit Naturereignissen umzugehen. Zum anderen könne - wenn Aktionen von Konfliktparteien zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur führten - eine Verletzung darin zu sehen sein, dass es dem Betroffenen nicht mehr gelinge, seine elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen. Im Anschluss hieran stellt das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, ob es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Wenn eine solche Gefahr nachgewiesen sei, verletze die Abschiebung des Ausländers notwendig Art. 3 EMRK. Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Verfahren Sufi und Elmi, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - a. a. O.) macht deutlich, dass die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraussetzt. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung angenommen werden könne, weist das ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin. In Afghanistan ist die Lage jedenfalls nicht derart, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK wäre (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - a. a. O.).

In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist ebenfalls geklärt, dass für alleinstehende männliche afghanische Staatsangehörige in der Regel kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen ist (BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30107 - juris). Außerdem ergibt sich aus den - nach wie vor aktuellen - UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 (HCR/EG/AFG/13/01), dass alleinstehende leistungsfähige Männer eine Ausnahme von dem Erfordernis der externen Unterstützung bilden (s. dort S. 9). Der Bericht des Integrated Regional Information Network (IRIN) vom 19. Januar 2015 besagt zwar, dass die Auslieferung von Hilfsgütern in letzter Zeit komplizierter und gefährlicher geworden ist, jedoch nicht, dass jene nicht mehr erfolgt. Da der Kläger gemäß den Feststellungen des Verwaltungsgerichts vor seiner Migration nach Europa 14 Jahre lang in Iran lebte und dort als Koch arbeitete, hat er den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht und einen Beruf ausgeübt. Diese Lebensumstände geben keinen Anlass zu einer allgemeinen Neubewertung im Rahmen eines Berufungsverfahrens. Aus dem vom Kläger angeführten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 5. Oktober 2014 (S. 20) ergeben sich keine Hinweise auf eine Verschärfung der Lage der Rückkehrer (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2015 - 13a ZB 15.30116).

Die bekanntermaßen schwierige medizinische Versorgungslage in Afghanistan ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kommt ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK in Anbetracht der hohen Schwelle dieser Schutznorm, insbesondere in jenen Fällen, in denen nicht die unmittelbare Verantwortung des Heimatstaats betroffen ist, allenfalls dann in Betracht, wenn die von Abschiebung bedrohte Person unter einer (schweren) Krankheit leidet und mit einer (weiteren) Verschlechterung ihres Leidens im Empfangsstaat zu rechnen wäre (EGMR, U.v. 6.2.2001 - Nr. 44599/98 - NVwZ 2002, 453). Dies ist hier aber nicht der Fall. Somit kommt es hier auch auf den Bericht des Afghanistan Analysts Network (AAN) vom 2. Februar 2014 über die medizinische Versorgung nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 22. Juni 2009 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt in allen Instanzen der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Juli 2017 wird Nr. 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. Juli 2016 aufgehoben. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben am 15. Juli 1981 in Laschkar Gah (Afghanistan, Provinz Helmand) geboren und afghanischer Staatsangehöriger der Volkszugehörigkeit Hazara. Er stellte am 10. April 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Im Rahmen einer Befragung bei der Regierung von Oberbayern am 15. April 2014 (Sprache: Dari) gab der Kläger u.a. an, Afghanistan (Wohnort: Provinz Ghazni, Distrikt Jaghori, Dorf Hezar) zuletzt am 12. Oktober 2003 verlassen zu haben. Er sei mit seiner Mutter über Pakistan in den Iran gegangen und später allein über die Türkei nach Griechenland gereist. In Griechenland habe er bei einer Kirche gearbeitet und im Jahr 2007 Asyl beantragt. Die Frau, die er am 16. Dezember 2012 in Griechenland kirchlich und am selben Tag im Iran „mit Vollmacht“ geheiratet habe (im Folgenden: Ehefrau), sei bereits seit 2013 in Deutschland. Amtliche Nachweise der Eheschließung könne er nicht vorlegen. In Afghanistan habe er nur weit entfernte Verwandte. Verwandte im Ausland oder Europa habe er nicht.

Bei der Anhörung beim Bundesamt am 15. Juli 2016 gab der Kläger u.a. an, dass er in Laschkar Gah (Afghanistan) geboren sei. Er sei jedoch bereits im Alter von vier Jahren zusammen mit seinen Eltern in den Iran gezogen. Im Alter von 20 Jahren sei er sodann mit seiner Mutter wieder für zwei Jahre zurück nach Afghanistan (Ghazni Jaghori) gegangen, der Vater sei im Iran geblieben. Die Eltern seien nunmehr verstorben. Er habe keine Verwandten in Afghanistan. In Pakistan habe er eine Tante und einen Cousin; in Australien habe er wohl einen Onkel. Seine Ehefrau sei in Deutschland. Er habe die Schule bis zur 11. Klasse besucht; danach habe er die Universität besuchen wollen, dies sei jedoch nicht gegangen. Er habe sodann den Beruf des Schweißers erlernt. Er habe Afghanistan zuletzt im Oktober 2003 verlassen. Er sei über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland (Aufenthalt: 10 Jahre), Mazedonien, Serbien, Ungarn, erneut Griechenland (Rückschiebung durch Ungarn) und Italien nach Deutschland gelangt (Einreise: 4./5.4.2014). In Griechenland habe er im ersten Jahr in der Landwirtschaft gearbeitet, danach habe er eine Stelle als Schweißer gefunden. Ab 2009 habe er nur noch teilweise Arbeit gehabt. Er habe auch ehrenamtlich bei der Kirche und beim Roten Kreuz mitgearbeitet. Er habe in Athen/Griechenland am 16. Dezember 2012 eine Frau geheiratet, die bereits zwei Kinder gehabt hätte. Die Ehefrau habe Griechenland bereits Ende August 2013 verlassen. Er selbst habe Griechenland Ende März 2014 verlassen, da es keine Arbeit mehr gegeben und eine Gruppe sie belästigt habe. Zu den Gründen für seine Ausreise aus Afghanistan befragt gab der Kläger u.a. an, dass er in Ghazni Jaghori einen Bücherladen betrieben habe und auch als Fotograf auf Hochzeiten tätig gewesen sei. Ein oder zwei Tage vor der Ausreise habe er von seiner Mutter gehört, dass eine Familie behauptet habe, dass er Videos von ihrer Hochzeit ohne Erlaubnis weitergegeben habe. Aus Angst vor körperlicher Gewalt durch diese Familie, die sich in ihrer Ehre gekränkt gesehen habe, sei er dann ausgereist.

2. Mit Bescheid des Bundesamts vom 21. Juli 2016 wurde der Asylantrag (Nr. 2) des Klägers sowie sein Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und subsidiären Schutzes (Nr. 3) abgelehnt. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien nicht gegeben (Nr. 4). Die Abschiebung nach Afghanistan wurde angedroht, sollte keine Ausreise innerhalb von 30 Tagen erfolgen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben seien. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass im Fall des Klägers eine Verletzung von Art. 3 EMRK vorliege. Der Kläger sei jung und erwerbsfähig. Ihm sei es mit seinem Mittelschulabschluss auch bis zu seiner Ausreise gelungen, für sich eine Lebensgrundlage zu schaffen.

Am 4. August 2016 erhob der Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2017 legte der Kläger dem Verwaltungsgericht einen bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 3. November 2016 vor, nach dem der Ehefrau (geb. am 1.1.1978) und zwei nicht gemeinsamen Kindern (geb. am 1.1.2006 bzw. 1.1.2013) subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist (Asylantragstellung: 28.8.2013). Ferner legte der Kläger einen bestandskräftigen Bescheid des Bundesamts vom 19. Mai 2017 vor, nach dem einer am 25. Februar 2015 in Neu-Ulm geborenen Tochter der Ehefrau, deren Vater er sei, im Wege des von der Mutter abgeleiteten Familienasyls nach § 26 AsylG ebenfalls subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist.

3. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Juli 2017 (Az. Au 8 K 16.31298) wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliege. Eine extreme Gefahrenlage ergebe sich für den Kläger in seiner afghanischen Heimatregion weder aus seiner Volkszugehörigkeit noch hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage. Dem Kläger drohe auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Er sei volljährig, gesund, arbeitsfähig und mit den Lebensverhältnissen in Afghanistan vertraut. Ferner spreche er eine der beiden Landessprachen. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG sei rechtmäßig.

4. Auf Antrag des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Dezember 2017 (Az. 13a ZB 17.31065) die Berufung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots zugelassen, da bezüglich der Erkenntnis des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger als Familienvater kein Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG zustehe, die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (Divergenz) gegeben seien. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weiche insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, nach der die mit dem Kläger in Deutschland lebende Ehefrau und das gemeinsame minderjährige Kind in die Bewertung mit einzubeziehen seien, ob die humanitären Bedingungen in Afghanistan eine Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK führt (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285 - InfAuslR 2015, 212). Der Verwaltungsgerichtshof gehe davon aus, dass hierbei Unterhaltsverpflichtungen des Klägers nicht außer Betracht bleiben könnten. Unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen sei eine solche Gefahrenlage im Fall einer Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern im Allgemeinen anzunehmen, so dass für sie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bestehe (siehe etwa BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - AuAS 2017, 175).

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger u.a. vor, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht bei der Bewertung der Versorgungslage in Afghanistan die Ehefrau und das gemeinsame Kind nicht berücksichtigt habe. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91) sowie des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30285), nach der bei in Deutschland mit dem Asylbewerber zusammenlebenden Familienangehörigen im Lichte von Art. 6 GG im Rahmen einer möglichst realitätsnahen Rückkehrprognose auch im Heimatland auf die Gemeinschaft der Familienangehörigen abzustellen sei, ohne dass es auf etwaige Absichtserklärungen der Betroffenen oder ihren ausländerrechtlichen Status ankäme. Es könne letztlich nicht sein, dass ein Familienvater wie der Kläger nur deshalb schlechter stehe, weil seine Ehefrau einen Schutzstatus zuerkannt bekommen habe. Eine „normale“ Familie hätte insgesamt - also einschließlich des Klägers als Ehemann bzw. Vater - Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG erhalten. In jedem Fall seien die im Bescheid getroffene Abschiebungsandrohung, die Ausreisefrist sowie das Wiedereinreiseverbot rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Juli 2017 wird der Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2016 in Nr. 4. bis 6. aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, bei dem Kläger das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses aus § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG seien im Fall des Klägers nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei es unzulässig, eine nicht realitätsgerechte Gefahrenprognose aufzustellen. Insbesondere sei geklärt, dass für den Fall, dass einem Familienmitglied ein Bleiberecht oder auch nur Abschiebungsschutz zuerkannt wurde, bei der gebotenen Gefährdungsprognose keine gemeinsame Rückkehr mit anderen Mitgliedern der Kernfamilie zu unterstellen sei (vgl. etwa BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - NVwZ-Beil. 2000, 146). So liege der Fall auch hier. Die Ehefrau des Klägers und das gemeinsame Kind hätten subsidiären Schutz aus § 4 AsylG zuerkannt erhalten und seien im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland bzw. hätten einen Anspruch hierauf. Sie seien daher im Rahmen der Rückkehrprognose nicht zu berücksichtigen. Daher sei der Kläger im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einem alleinstehenden Mann ohne Unterhaltspflichten gleichzustellen, für den nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris Rn. 13) die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht gegeben seien. Ergänzend werde auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts verwiesen (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.). Hiernach müsse bei nationalen Abschiebungsverboten aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG stets geprüft werden, ob der Schutztatbestand in der Person eines jedes Familienmitglieds tatsächlich vorliege. Hieran änderten auch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nichts; denn allein die Ausländerbehörden - nicht das Bundesamt - hätten bei der Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse darüber zu befinden, ob eine Abschiebung mit dem Schutz der Familie aus Art. 6 GG vereinbar sei. Ausgehend von dieser Rechtsprechung sei somit aus Rechtsgründen bei der Rückkehrprognose richtigerweise ein anderer Ansatz geboten als derjenige, den der Verwaltungsgerichtshof bei Familien mit minderjährigen Kindern bisher zugrunde gelegt habe. Sollte der Verwaltungsgerichtshof hingegen an seinen bisherigen prognostischen Maßstäben festhalten und die Rückkehrsituation im Fall des Klägers der Konstellation einer Familie mit minderjährigen Kindern gleicherachten (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 23.3.2017 - 13a B 17.30030 - juris), werde die Zulassung der Revision beantragt, um die umstrittene Rechtsfrage zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei der Rückkehrprognose Auswirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK einzubeziehen seien.

5. Ausweislich der im Berufungsverfahren beigezogenen Asylakte hat die Ehefrau des Klägers in ihrem Asylverfahren u.a. vorgetragen, dass sie Afghanistan verlassen habe, da ihr erster Ehemann - ein Kommandeur bei der afghanischen Armee, mit dem sie im Alter von neun Jahren zwangsverheiratet worden sei - sie und ihre Kinder schwer körperlich misshandelt habe. Nach der Scheidung sei sie auf der Flucht vor dem Ex-Ehemann über den Iran nach Griechenland gegangen. Dort habe sie den Kläger getroffen, der ihr geholfen habe. Später habe sie diesen „telefonisch“ und auch in einer christlichen Kirche in Griechenland geheiratet. Sodann habe der Kläger sie und die Kinder mit dem Flugzeug nach Deutschland geschickt, um selbst später auf dem Landweg nachzukommen. Die Ehefrau legte in ihrem Asylverfahren einen Auszug aus dem Geburtenregister der Stadt Neu-Ulm vom 12. November 2015 vor, nach dem sie dort am 25. Februar 2015 eine Tochter zur Welt gebracht hat; unter „Vater“ war niemand eingetragen. Ferner wurde eine Kopie eines Dokuments in persischer Sprache nebst deutscher Übersetzung durch einen allgemein vereidigten Dolmetscher vorgelegt; hiernach handele es sich um ein iranisches Dokument, nach dem der Kläger und die Ehefrau dort am 16. Dezember 2012 in Abwesenheit über zwei Stellvertreter nach islamischem Ritus die Ehe geschlossen hätten. Ausweislich eines internen Vermerks des Bundesamts zum bestandskräftigen Bescheid der Ehefrau des Klägers vom 3. November 2016 habe diese subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt erhalten, da ihr in Afghanistan Verfolgung durch ihren geschiedenen Ehemann drohe und ihr dort als alleinstehender bzw. alleinerziehender Frau keine interne Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

Ausweislich einer weiteren beigezogenen Asylakte wurde mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 23. Oktober 2017 einer am 6. Dezember 2016 in Neu-Ulm geborenen weiteren Tochter der Ehefrau im Wege des von der Mutter abgeleiteten Familienasyls nach § 26 AsylG ebenfalls subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt. In diesem Verfahren wurde ein Auszug aus dem Geburtenregister der Stadt Neu-Ulm vom 9. Januar 2017 vorgelegt, nach dem Vater dieser Tochter der Kläger sei (Zusatz: „Identität nicht nachgewiesen“).

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. November 2018 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist ganz überwiegend nicht begründet (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 128 Satz 1 VwGO).

1. Nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylG) hat der Kläger keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass in seinem Fall ein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans gegeben ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

a) Der streitgegenständliche Anspruch folgt zunächst nicht aus dem Umstand, dass der Ehefrau des Klägers und den 2015 und 2016 in Deutschland geborenen gemeinsamen Kindern durch das Bundesamt bestandskräftig subsidiärer Schutz i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zuerkannt worden ist.

Insoweit gilt, dass § 26 AsylG ausweislich seines Wortlauts auf den im vorliegenden Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Anspruch auf ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG keine Anwendung findet; ein nationales Abschiebungsverbot muss vielmehr stets in der Person des jeweiligen Betroffenen selbst begründet sein (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 = juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG; BayVGH, U.v. 21.9.2009 - 21 B 08.30221 - juris Rn. 13-16).

b) Im Fall des Klägers sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben.

aa) Insoweit gilt, dass die Ehefrau des Klägers, die in Deutschland geborenen gemeinsamen Kinder sowie die sonstigen mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebenden Stiefkinder im Rahmen der gebotenen Gefahrenprognose bei einer hypothetischen Rückkehr ins Heimatland nicht zu berücksichtigen sind.

(1) Im Rahmen der Prüfung, ob der Abschiebung eines erfolglosen Asylbewerbers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegenstehen, ist der Gefahrenprognose eine möglichst realitätsnahe, wenngleich notwendig hypothetische Rückkehrsituation zugrunde zu legen. Insoweit gelten im Rahmen der Gefahrenprognose des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG die Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht zur asylrechtlichen Verfolgungsprognose entwickelt hat (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190), entsprechend. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist für die Gefahrenprognose die Sach- und Rechtslage im nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt entscheidend, wobei absehbare Entwicklungen zu berücksichtigen sind (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 10/12).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 = juris Rn. 14). Nicht angenommen werden kann hingegen eine gemeinsame Rückkehr mit Familienangehörigen, die aufgrund rechtskräftiger Feststellung zu § 3 AsylG als politisch Verfolgte Abschiebungsschutz genießen. Es widerspräche dem damit zugleich verbindlich festgestellten Flüchtlingsstatus, auch bei einem solchen Sachverhalt die gemeinsame Rückkehr des erfolglosen Asylbewerbers mit seinen als politische Flüchtlinge anerkannten Angehörigen zu unterstellen. Dies wäre zudem wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit der Rechtsprechung zum Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang (siehe zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 10 f.).

Nichts anderes kann dann gelten, wenn die bleibeberechtigten Eltern oder Familienangehörigen auf absehbare Zeit wegen individueller Gefährdung von Leib und Leben i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG nicht in ihr Heimatland zurückkehren können (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10).

Soweit einzelne Familienangehörige wegen eines bestehenden Bleiberechts oder festgestellten Abschiebungsschutzes auf absehbare Zeit in Deutschland verbleiben werden, ist die (inlandsbezogene) Frage, ob die mit einer Durchführung der Abschiebung einhergehende Trennung der Familie im Lichte von Art. 6 GG zulässig ist, nicht vom Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ausschließlich von der Ausländerbehörde im Rahmen der ihr obliegenden Prüfung etwaiger Vollstreckungshindernisse nach § 60a Abs. 2 AufenthG zu entscheiden; diese hat hierbei auch die weiteren (mittelbaren) Folgen der Trennung im Abschiebungszielstaat - etwa eine drohende Existenzgefährdung - zu berücksichtigen (siehe zum Ganzen: BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 = juris Rn. 4; U.v. 7.12.2004 - 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 = NVwZ 2005, 704 = juris Rn. 29; B.v. 23.10.2001 - 1 B 169.01 - juris Rn. 2; U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 13-17; BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 19 f.; B.v. 31.7.2018 - 15 ZB 17.31491 - juris Rn. 7; B.v. 31.7.2017 - 20 ZB 16.30094 - juris Rn. 11-13).

(2) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze haben vorliegend die Ehefrau des Klägers, die gemeinsamen Kinder sowie die mit dem Kläger in Deutschland zusammenlebenden Stiefkinder außer Betracht zu bleiben, da ihnen durch das Bundesamt bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist; es ist daher bei Zugrundelegung einer möglichst realitätsnahen Rückkehrsituation davon auszugehen, dass sie nicht zusammen mit dem Kläger nach Afghanistan zurückkehren würden (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11).

Allerdings vermag der in diesem Kontext erfolgte Verweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (SächsOVG, U.v. 3.7.2018 - 1 A 215/18.A - juris Rn. 26 f.) nicht zu überzeugen. Hier hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht im Fall einer afghanischen Familie der Ehefrau und den zwei Töchtern Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt, während dem Ehemann kein Schutzstatus zuerkannt wurde. Begründet wurde dies damit, dass auch bei Klagen von Familienmitgliedern stets geprüft werden müsse, ob ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in der Person eines jeden Klägers tatsächlich vorliege. Dieser Judikatur folgt der Senat im Ergebnis nicht, da sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht. Zwar trifft es zu, dass die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG - wie ausgeführt - stets hinsichtlich jeder Einzelperson zu prüfen sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2004 - 1 C 27.03 - NVwZ 2004, 1371 = juris Rn. 9 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Dieser Aspekt ist jedoch unabhängig von der Frage zu sehen, welche (Begleit-)Personen im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers in sein Heimatland einzustellen sind. Insoweit gilt - wie ausgeführt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr eines Ausländers mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 = juris Rn. 14); dieser Grundsatz gilt auch bei der Prüfung eines nationalen Abschiebungsverbots (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10 zu § 53 Abs. 6 AuslG). Soweit das Sächsische Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner abweichenden Rechtsansicht seinerseits auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweist, nach der die Vereinbarkeit einer Abschiebung mit dem in Art. 6 GG und Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie und des Erziehungsrechts der Eltern durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu prüfen sei, so überzeugt auch dies nicht, da diese Aussage des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Zusammenhang gerissen ist. Richtigerweise ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des Ausländers als erster Schritt der zu berücksichtigende (Begleit-)Personenkreis zu bestimmen; auf dieser (hypothetischen) Ebene wird die Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK vom Bundesverwaltungsgericht auch dann nicht thematisiert, wenn einzelne Familienmitglieder bei der Rückkehrprognose außer Betracht bleiben, da sie ein bestandskräftiges Bleiberecht im Bundesgebiet haben (vgl. etwa BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11 f.). Allein im Zusammenhang mit letztgenannten Fällen hat das Bundesverwaltungsgericht sodann bei der nachfolgenden Gefahrenprognose ausgeführt, dass die inlandsbezogene Frage einer Vereinbarkeit der Trennung der Familie mit Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK nicht durch das Bundesamt im Rahmen von § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern nur durch die Ausländerbehörde im Rahmen von § 60a Abs. 2 AufenthG zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 11; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 15-17). Auf die vorgelagerte Frage der Bestimmung des im Rahmen der Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr des jeweiligen Ausländers zu berücksichtigenden (Begleit-)Personenkreises bezieht sich die vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bezug genommene Aussage des Bundesverwaltungsgerichts somit nicht.

Dies vorausgeschickt ist vorliegend im Ausgangspunkt zu bedenken, dass den Familienmitgliedern des Klägers mit bestandskräftigen Asylbescheiden ein Bleiberecht in Deutschland in Form des subsidiären Schutzes zuerkannt worden ist. Aufgrund dieses verbindlich festgestellten Schutzstatus wäre es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich wirklichkeitsfremd und stünde deshalb mit dem Erfordernis einer möglichst realitätsnahen Beurteilung der Situation im - hypothetischen - Rückkehrfall nicht in Einklang, von einer gemeinsamen Rückkehr des Klägers mit seinen Familienangehörigen in sein Heimatland auszugehen (BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 = juris Rn. 10; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11). Das Bundesverwaltungsgericht verweist insoweit darauf, dass einem durch das Bundesamt bestandskräftig festgestellten Schutzstatus von Familienmitgliedern gemäß § 6 Satz 1 AsylG Verbindlichkeit in allen Angelegenheiten zukommt, in denen die jeweilige Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung internationalen Schutzes rechtserheblich ist (vgl. die Zitierung der im Kern inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 4 Satz 1 AsylVfG a.F. in BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 = juris Rn. 11).

Diese Rechtsprechung kann jedoch als Ausnahme vom Grundsatz, dass bei der Prognose, welche Gefahren dem Asylbewerber im Falle einer Abschiebung in den Heimatstaat drohen, regelmäßig von einer gemeinsamen Rückkehr mit den Familienangehörigen auszugehen ist, falls er auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt (BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14), keine Anwendung finden, wenn das Bundesamt unter Verstoß gegen Art. 6 GG und Art. 8 EMRK das Asylgesuch einzelner Personen aus einem Familienverband materiell isoliert betrachtet und zum Teil einen Schutzstatus zuerkennt, zu einem anderen Teil ablehnt. Eine solche Trennung des Familienverbands ohne sachlichen Grund kann bei der gebotenen Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation nicht unberücksichtigt bleiben. Zwar mag es dem verbindlich festgestellten Schutztatbestand widersprechen, wenn gleichwohl eine gemeinsame Rückkehr unterstellt würde. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass die Einbeziehung des Merkmals der Gemeinschaftlichkeit des Aufenthalts in die Rückkehrprognose durch das räumliche Zusammenleben der Familie nahegelegt wird, das durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützt wird (vgl. BVerwG, U.v. 16.8.1993 - 9 C 7.93 - DVBl 1994, 58 = juris; U.v. 8.9.1992 - 9 C 8.91 - BVerwGE 90, 364 = NVwZ 1993, 190 - juris Rn. 14). Diesem verfassungsrechtlichen Schutzgut würde eine Hypothese zuwiderlaufen, mit der von vornherein der isolierte Heimataufenthalt eines der im Familienverband zusammenlebenden Familienmitglieder, nicht aber die Gemeinschaftlichkeit dieses Aufenthalts mit den anderen Angehörigen des Familienverbandes unterstellt würde. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährt Art. 6 GG zwar keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Behörden, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, das heißt entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 - 2 BvR 586/13 - NVwZ 2013, 1207 = juris Rn. 12 m.w.N.). Insoweit vermag allein die verfahrensrechtliche Trennung der Asylverfahren von Familienmitgliedern durch das Bundesamt nicht zu einer materiellrechtlichen Änderung der im Regelfall auf die Familieneinheit abstellenden Rückkehrprognose zu führen, wenn hierfür nicht im Einzelfall sachliche Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen. Andernfalls wäre das Bundesamt in der Lage, allein durch die verfahrenstechnische Trennung der Asylverfahren der Ehefrau mit Kindern vom Asylverfahren des Ehemanns, gegen die wegen § 44a VwGO kein isolierter Rechtsschutz eröffnet ist, die materiellrechtliche Rückkehrprognose für den Ehemann im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG maßgeblich zu verändern, da diesem ohne Unterhaltspflichten gegenüber der Ehefrau und den Kindern als alleinstehenden, arbeitsfähigen Mann die Erwirtschaftung seines Existenzminimums voraussichtlich eher gelingen kann als bei einer Rückkehr der gesamten Familie. Letztendlich wäre der Ausgang des Verfahrens des Familienvaters von Zufälligkeiten abhängig, ob und wann über seinen Antrag und die Anträge seiner übrigen Familienangehörigen jeweils entschieden wird. Es würde daher dem Schutz von Ehe und Familie im Sinn von Art. 6 GG widersprechen, einen einheitlichen Familienverband ohne erkennbaren Grund materiellrechtlich getrennt zu betrachten und von der isolierten Rückkehr eines Mitglieds der Kernfamilie auszugehen. Eine sachlich nicht gerechtfertigte isolierte Betrachtung von Familienmitgliedern erfordert nach alledem eine Einschränkung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dergestalt, dass bei der Ermittlung der realitätsnahen Rückkehrsituation trotz festgestelltem Schutzstatus einzelner Familienmitglieder von einer Rückkehr im Familienverband auszugehen ist.

Hiervon ausgehend ist ein sachlich nicht gerechtfertigtes Vorgehen des Bundesamts im Fall des Klägers jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr ist der hiesige Kläger erst im April 2014 - und damit mehr als ein halbes Jahr nach seiner Ehefrau und deren Kindern aus erster Ehe (Einreise: August 2013) - in das Bundesgebiet eingereist und hat dementsprechend einen gesonderten Asylantrag gestellt. Auch waren die Gefahrenumstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG für die Ehefrau des Klägers geführt haben (die vorgetragene Bedrohung durch ihren geschiedenen Ehemann in Afghanistan), allein in der Sphäre der Ehefrau begründet und betrafen den Kläger nicht. Zudem hat die Ehe des Klägers nach eigenem Vortrag nicht bereits im Heimatland bestanden. Vielmehr ist laut dem Kläger eine nur kirchliche Eheschließung erst im Jahr 2012 in Griechenland sowie gleichzeitig eine sog. Handschuhehe im Iran erfolgt. Die Eheschließung in Griechenland war gegenüber dem Bundesamt im Asylverfahren überdies nicht durch amtliche Dokumente hinreichend nachgewiesen, obwohl die Vorlage oder Beschaffung einer griechischen Heiratsurkunde ohne weiteres möglich hätte sein sollen. Abgesehen davon, dass die rechtliche Bewertung einer sog. Handschuhehe im Iran durchaus komplex ist (vgl. BGH, U.v. 19.12.1958 - IV ZR 87/58 - BGHZ 29, 137 - juris; KG Berlin, B.v. 22.4.2004 - 1 W 173/03 - juris; Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, Art. 13 EGBGB Rn. 9), hat der Kläger auch hierzu keine nachprüfbaren Belege vorgelegt. Nach alledem war es vorliegend seitens des Bundesamts jedenfalls nicht unter jedem Aspekt rechtlich unvertretbar, das Asylgesuch des Klägers materiell isoliert zu betrachten, auch wenn aus Sicht des Senats jedenfalls seit der Geburt der gemeinsamen Kinder mehr für eine gemeinsame Betrachtung als Familienverband gesprochen hätte. Diese Betrachtungsweise würde allerdings der Begründung des Bundesamts für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG gegenüber der Ehefrau des Klägers den Boden entziehen. Ausweislich des dem betreffenden Bescheid beigefügten Vermerks ist der Ehefrau des Klägers maßgeblich deshalb ein Schutzstatus nach § 4 AsylG zuerkannt worden, da ihr in Afghanistan als alleinstehender bzw. alleinerziehender Frau keine interne Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Im Fall einer gemeinsamen Betrachtung der Asylanträge unter Einbeziehung des Klägers - etwa im Rahmen eines Folgeantrags der gesamten Familie - würde diese Begründung entfallen.

Unter Zugrundlegung der Auffassung des Bundeamts, für die im vorliegenden Einzelfall hinreichend gewichtige Gründe sprechen, verbleibt es somit hier beim der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechenden Grundsatz, dass mit Blick auf den subsidiären Schutzstatus der sonstigen Familienmitglieder von einer alleinigen Rückkehr des Klägers nach Afghanistan auszugehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2000 - 9 C 9.00 - DVBl 2001, 211 - juris Rn. 10; U.v. 23.5.2000 - 9 C 2.00 - juris Rn. 8; U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 11).

bb) Unter der Prämisse einer Rückkehr des Klägers als Alleinstehender nach Afghanistan sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegend nicht gegeben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist nicht davon auszugehen, dass eine Abschiebung nach Afghanistan ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und deshalb ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzunehmen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2018 - 13a ZB 18.30135 - juris Rn. 5; B.v. 4.1.2018 - 13a ZB 17.31652 - juris Rn. 5; B.v. 29.11.2017 - 13a ZB 17.31251 - juris Rn. 6; B.v. 11.4.2017 - 13a ZB 17.30294 - juris Rn. 5 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167). Auch in Bezug auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung der Vorschrift führen würde. Der Senat geht davon aus, dass ein erwerbsfähiger und gesunder Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland Afghanistan in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten etwa in seiner Heimatregion oder in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. Trotz großer Schwierigkeiten bestehen grundsätzlich auch für Rückkehrer durchaus Perspektiven im Hinblick auf die Sicherung des Lebensunterhalts, insbesondere Rückkehrer aus dem Westen sind auf dem Arbeitsmarkt allein aufgrund ihrer Sprachkenntnisse in einer vergleichsweise guten Position; jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr sind daher nicht zu befürchten. Auf ein stützendes Netzwerk in Afghanistan oder einen vorherigen Aufenthalt im Heimatland kommt es hierbei nicht an; ausreichend ist vielmehr, dass eine der Landessprachen beherrscht wird und der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 29.11.2017 - 13a ZB 17.31251 - juris Rn. 6; B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 17.30400 - juris Rn. 13; B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris Rn. 4; U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnismittel fest.

(1) Zum einen sind im Fall des Klägers die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Afghanistans nicht gegeben.

(a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 25). Im Rahmen der Prüfung der allgemeinen Situation der Gewalt kann auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur erheblichen individuellen Gefahr im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) zurückgegriffen werden, soweit sie sich auf die Gefahrendichte bezieht. Danach bedarf es neben einer quantitativen Ermittlung der Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Relation zur Gesamteinwohnerzahl auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen - Todesfälle und Verletzungen - bei der Zivilbevölkerung; ein Schädigungsrisiko von etwa 1:800 ist insoweit weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 22 f.).

Soweit - wie in Afghanistan - ein für die Verhältnisse eindeutig maßgeblich verantwortlicher Akteur fehlt, können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 9: „nur in besonderen Ausnahmefällen“; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 = NVwZ 2013, 1489 = juris Rn. 25; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 = juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681 - Rn. 278 ff.; BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 17; VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176 f.; OVG NW, B.v. 14.3.2018 - 13 A 341/18.A - juris Rn. 19 f.).

Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen vielmehr ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen; diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 11). Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (U.v. 28.6.2011, a.a.O., Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167) macht letztlich deutlich, dass von einem sehr hohen Gefahrenniveau auszugehen ist; nur dann liegt ein „ganz außergewöhnlicher Fall“ vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (BayVGH, U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 = juris Rn. 19; VGH BW, U.v. 11.4.2018 - A 11 S 1729/17 - juris Rn. 128-131).

Auch im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen; erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51 - juris Rn. 22). Bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung an dem Ort droht, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 26).

(b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel geht der Senat weiterhin davon aus, dass für einen erwerbsfähigen und gesunden Mann - wie den Kläger - auch ohne nennenswertes Vermögen oder familiäres Unterstützungsnetzwerk bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK grundsätzlich nicht gegeben sind. Denn eine beachtlich wahrscheinliche, im Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehende Behandlung ist insoweit nicht zu erwarten (vgl. in diesem Sinne VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.).

(aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf die Sicherheitslage in Afghanistan. Zwar ist den aktuellen Erkenntnismitteln zu entnehmen, dass sich die Situation seit Abzug der internationalen Truppen 2014/15 grundsätzlich verschlechtert habe, die Aufständischen hätten größere Bewegungsfreiheit. Die Taliban versuchten, den Einfluss in ihren Kernräumen - paschtunisch geprägte ländliche Gebiete, vornehmlich in den Provinzen Helmand, Kandahar, Uruzgan und zunehmend auch Farah im Westen und Süden sowie Kunduz und Faryab im Norden - zu konsolidieren und auszuweiten, auch wenn es ihnen bislang nicht gelungen sei, eine Provinzhauptstadt dauerhaft zu erobern. Nach Einschätzungen zum Jahresende 2017 übten die Taliban in 39 der 408 Distrikte Afghanistans die alleinige Kontrolle aus. Als weiterer Faktor seien seit 2015 militante Gruppen hinzugekommen, die sich zum ISKP („Islamischer Staat in der Provinz Khorasan“) bekennen (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 21). Laut Schweizerischer Flüchtlingshilfe seien die Taliban aktuell so stark wie seit 2001 nicht mehr (SFH, Afghanistan: Die aktuelle Sicherheitslage - Update, 12.9.2018, S. 4). Regierungsfeindliche Elemente würden zudem eine steigende Zahl von gezielten Angriffen auf Zivilisten ausführen, selbst in bestgesicherten Bereichen der Hauptstadt Kabul (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 21 f.; SFH, a.a.O., S. 4/8 f.). Die UN beschrieben die Lage in Afghanistan insgesamt weiterhin als „in hohem Maße instabil“ bzw. „volatil“; Zivilisten hätten weiter die Hauptlast des Konflikts zu tragen (UNHCR, a.a.O., S. 21 f.; EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan Security Situation - Update, 1.5.2018, S. 20).

Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklung ist die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK erforderliche Gefahrendichte in Afghanistan aber grundsätzlich weiterhin nicht gegeben. Zwar weist auch der aktuelle UNAMA-Bericht vom 10. Oktober 2018 darauf hin, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 ein extremes Niveau an Gewalt gegenüber Zivilisten in Afghanistan dokumentiert worden sei (UNAMA, Quarterly Report on the Protection of Civilians in armed Conflict: 1 January to 30 September 2018, S. 1). Zugleich gibt UNAMA jedoch an, dass vom 1. Januar bis 30. September 2018 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote, 5.252 Verletzte) dokumentiert worden seien und dies in etwa demselben (hohen) Niveau des vergleichbaren Berichtszeitraums 2017 entspreche (8.048 zivile Opfer; 2.666 Tote, 5.418 Verletzte; UNAMA, S. 1). Bei einer proportionalen Hochrechnung der Opferzahlen für 2018 insgesamt (10.734 zivile Opfer; 3.731 Tote, 7.003 Verletzte) und einer konservativ geschätzten Einwohnerzahl Afghanistans von etwa 27 Mio. Menschen (AA, a.a.O., S. 18 f.) ergibt sich hieraus ein konfliktbedingtes Schädigungsrisiko von 1:2515. Selbst wenn man die Provinz Nangarhar zugrunde legt, für die UNAMA in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern registriert habe (1.494 zivile Opfer; 554 Tote und 940 Verletzte; UNAMA, S. 1 f.), ergibt sich bei einer proportionalen Hochrechnung der Opferzahlen für 2018 insgesamt (1.992 zivile Opfer; 739 Tote, 1.253 Verletzte) und einer geschätzten Bevölkerungszahl der Provinz von 1.545.448 Menschen (BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung v. 2.3.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 30.1.2018, S. 104) ein Schädigungsrisiko von 1:776. Selbst dieser Wert ist jedoch derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass auch bei wertender Gesamtbetrachtung nicht von einer in Afghanistan oder Teilen hiervon aufgrund der Sicherheitslage jeder Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit tatsächlich drohenden, Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgegangen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 - juris Rn. 22 f. zu einem Schädigungsrisiko von 1:800; vgl. zu den zivilen Opferzahlen in 2016/17 bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 109 ff.).

Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin notwendig Art. 3 EMRK verletzt (vgl. EGMR, U.v. 11.7.2017 - S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 - Rn. 53; U.v. 11.7.2017 - Soleimankheel and others/Netherlands, Nr. 41509/12 - Rn. 51; U.v. 11.7.2017 - G.R.S./Netherlands, Nr. 77691/11 - Rn. 39; U.v. 11.7.2017 - E.K./Netherlands, Nr. 72586/11 - Rn. 67; U.v. 11.7.2017 - E.P. and A.R./Netherlands, Nr. 63104/11 - Rn. 80; U.v. 16.5.2017 - M.M./Netherlands, Nr. 15993/09 - Rn. 120; U.v. 12.1.2016 - A.G.R./Niederlande, Nr. 13442/08 - NVwZ 2017, 293 - Rn. 59). Insoweit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 9. April 2013 (H. and B./United Kingdom, Nr. 70073/10 - Rn. 92 f.) festgestellt, dass es in Afghanistan keine allgemeine Gewaltsituation gibt, die zur Folge hätte, dass allein wegen der Abschiebung einer Person dorthin tatsächlich die Gefahr von Misshandlungen gegeben sei. In den vorgenannten Urteilen hat er angesichts der ihm mittlerweile vorliegenden Informationen an dieser Einschätzung festgehalten (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 10).

(bb) Auch aus der aktuellen humanitären bzw. wirtschaftlichen Lage in Afghanistan ergibt sich grundsätzlich kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Denn ein ganz außergewöhnlicher Fall, in dem (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen und daher die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind, ist weiter nicht gegeben (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.).

Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 31. Mai 2018 ist zu entnehmen, dass Afghanistan weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt sei (Human Development Index 2016: Platz 169 von 188 Staaten). Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum sei kurzfristig nicht in Sicht (2017: 2,6 v.H.). Nach Angaben der Weltbank sei die Arbeitslosenquote zwischen 2008 und 2014 von 25 v.H. auf 39 v.H. gestiegen. Die Grundversorgung sei für große Teile der afghanischen Bevölkerung - insbesondere Rückkehrer - weiterhin eine tägliche Herausforderung. Laut UNOCHA benötigen 9,3 Mio. Menschen - ein Drittel der afghanischen Bevölkerung - humanitäre Hilfe (z.B. Unterkunft, Nahrung, sauberes Trinkwasser und medizinische Versorgung). Die hohe Arbeitslosigkeit werde verstärkt durch vielfältige Naturkatastrophen, für 2018 sei eine Dürre vorausgesagt worden. Die aus Konflikten und chronischer Unterentwicklung resultierenden Folgeerscheinungen im Süden und Osten hätten dazu geführt, dass dort ca. eine Million oder fast ein Drittel aller Kinder als akut unterernährt gelten würden. Jedoch habe die afghanische Regierung 2017 mit der Umsetzung eines Aktionsplans für Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge begonnen. Seit 2002 seien laut UNHCR 5,8 Mio. afghanische Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückgekehrt, Afghanistan erlebe die größte Rückkehrbewegung der Welt. Das Fehlen lokaler Netzwerke könne Rückkehrern die Reintegration stark erschweren, da von diesen etwa der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich abhänge (siehe zum Ganzen: Auswärtiges Amt, Lagebericht Afghanistan v. 31.5.2018, S. 25/28).

Laut einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) vom 1. Juni 2018 stünden in den Großstädten Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif Unterkünfte und Nahrung grundsätzlich zur Verfügung, sofern der Lebensunterhalt gewährleistet sei. Zugang zu angemessener Unterkunft sei jedoch eine Herausforderung. Die Mehrheit der städtischen Unterkünfte seien als Slums einzustufen. Flüchtlinge lebten in der Regel in Flüchtlingssiedlungen. Die Städte böten jedoch auch die Option billigen Wohnens in sog. „Teehäusern“. Zugang zu Trinkwasser sei in den Städten oft eine Herausforderung, insbesondere in den Slums und Flüchtlingssiedlungen in Kabul; in Mazar-e-Sharif und Herat hätten hingegen die meisten Menschen besseren Zugang zu Wasserquellen sowie sanitären Anlagen. In Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif seien auch Einrichtungen zur Gesundheitsversorgung vorhanden; diese seien aufgrund des Anstiegs der Zahl der Flüchtlinge und Rückkehrer jedoch überlastet. Das Fehlen finanzieller Mittel sei eine große Hürde beim Zugang zur Gesundheitsversorgung. Aufgrund der Wirtschafts- und Sicherheitslage bestehe eine hohe Arbeitslosenquote, insbesondere bei städtischen Jugendlichen. Zusätzliche Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sei das Ergebnis der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Städtische Armut sei weit verbreitet und steige an. In diesem Umfeld hänge die Fähigkeit zur Gewährleistung des Lebensunterhalts überwiegend vom Zugang zu Unterstützungsnetzwerken - etwa Verwandten, Freunden oder Kollegen - oder zu finanziellen Mitteln ab (siehe zum Ganzen: EASO, Country Guidance: Afghanistan, 1.6.2018, S. 104 f.).

Ausweislich des Länderinformationsblatts Afghanistan des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29. Juni 2018 seien von den 2.1 Mio. Personen, die in informellen Siedlungen lebten, 44 v.H. Rückkehrer. Die Zustände in diesen Siedlungen seien unterdurchschnittlich und besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81 v.H. der Menschen in informellen Siedlungen seien Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26 v.H. hätten keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24 v.H. lebten in überfüllten Haushalten. Rückkehrer erhielten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehrten, und internationalen Organisationen (z.B. IOM, UNHCR) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (z.B. IPSO und AMASO), die die Reintegration in Afghanistan finanziell, durch Bereitstellung von Unterkunft, Nahrungsmitteln oder sonstigen Sachleistungen sowie durch Beratung unterstützten. Gleichwohl sei die Möglichkeit der Rückkehr zur Familie oder einer sonstigen Gemeinschaft mangels konkreter staatlicher Unterbringungen für Rückkehrer der zentrale Faktor. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellten die afghanische Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung (zwei Wochen). Ein fehlendes familiäres Netzwerk stelle eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar; Unterstützungsnetzwerke könnten sich auch aus der Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder Religion sowie aus „professionellen“ (Kollegen, Kommilitonen etc.) oder politischen Verbindungen ergeben (siehe zum Ganzen: BFA, Länderinformationsblatt Afghanistan v. 29.6.2018, S. 314-316, 327-331).

Nach den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 seien die humanitären Indikatoren in Afghanistan auf einem kritisch niedrigen Niveau. Ende 2017 sei bezüglich 3,3 Mio. Afghanen ein akuter Bedarf an humanitärer Hilfe festgestellt worden; nunmehr kämen weitere 8,7 Mio. Afghanen hinzu, die langfristiger humanitärer Hilfe bedürften. Über 1,6 Mio. Kinder litten Berichten zufolge an akuter Mangelernährung, wobei die Kindersterblichkeitsrate mit 70 auf 1.000 Geburten zu den höchsten in der Welt zähle. Ferner habe sich der Anteil der Bevölkerung, die laut Berichten unterhalb der Armutsgrenze lebe, auf 55 v.H. (2016/17) erhöht, von zuvor 33,7 v.H. (2007/08) bzw. 38,3 v.H. (2011/12). 1,9 Mio. Afghanen seien von ernsthafter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Geschätzte 45 v.H. der Bevölkerung hätten keinen Zugang zu Trinkwasser, 4,5 Mio. Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In den nördlichen und westlichen Teilen Afghanistans herrsche die seit Jahrzehnten schlimmste Dürre, weshalb die Landwirtschaft als Folge des kumulativen Effekts jahrelanger geringer Niederschlagsmengen zusammenbreche. 54 v.H. der Binnenvertriebenen (Internally Displaced Persons - IDPs) hielten sich in den Provinzhauptstädten Afghanistans auf, was den Druck auf die ohnehin überlasteten Dienstleistungen und Infrastruktur weiter erhöhe und die Konkurrenz um Ressourcen zwischen der Aufnahmegemeinschaft und den Neuankömmlingen verstärke; die bereits an ihre Grenze gelangten Aufnahmekapazitäten der Provinz- und Distriktszentren seien extrem belastet. Dies gelte gerade in der durch Rückkehrer und Flüchtlinge rapide wachsenden Hauptstadt Kabul (Anfang 2016: geschätzt 3 Mio. Einwohner). Flüchtlinge seien zu negativen Bewältigungsstrategien gezwungen wie etwa Kinderarbeit, früher Verheiratung sowie weniger und schlechtere Nahrung. Laut einer Erhebung aus 2016/17 lebten 72,4 v.H. der städtischen Bevölkerung Afghanistans in Slums, informellen Siedlungen oder unzulänglichen Wohnverhältnissen. Im Januar 2017 sei berichtet worden, dass 55 v.H. der Haushalte in den informellen Siedlungen Kabuls mit ungesicherter Nahrungsmittelversorgung konfrontiert gewesen seien (siehe zum Ganzen: UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender v. 30.8.2018, S. 36 f., 125 f.).

Auch laut einem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 12. September 2018 böten die informellen Siedlungen in den afghanischen Städten meist einen schlechten oder keinen Zugang zu Basisdienstleistungen und Infrastruktur (Elektrizität, sauberes Wasser, Nahrungsmittel, sanitäre Einrichtungen, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen). Die Unterkünfte seien meist behelfsmäßig gebaut und könnten nur bedingt vor Kälte, Hitze und Feuchtigkeit schützen. Die Lebensbedingungen von Rückkehrern lägen unter den normalen Standards. Laut einer Studie seien 87 v.H. der IDPs und 84 v.H. der Rückkehrer von Lebensmittelknappheit betroffen. Ob es Rückkehrer schafften, sich in Afghanistan wieder zu integrieren, hänge nicht zuletzt vom Vorhandensein von Unterstützungsnetzwerken ab. In Kabul (geschätzte Einwohnerzahl: 3,8 - 7 Mio.) habe der schnelle Bevölkerungsanstieg rasch zu einer Überforderung der vorhandenen Infrastruktur sowie der Kapazitäten für Grunddienstleistungen geführt. Die humanitäre Lage spitze sich insbesondere in großen Städten zu, weil sich dort IDPs und Rückkehrer konzentrierten, die eine Existenzgrundlage und Zugang zu bereits stark überlasteten Grunddienstleistungen suchten. Laut Amnesty International sei die Aufnahmekapazität - insbesondere in den größeren Städten - aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage, der sehr bescheidenen Möglichkeiten, eine Existenzsicherung sowie angemessene Unterkunft zu finden, sowie des mangelnden Zugangs zu überstrapazierten Grunddienstleistungen „äußerst eingeschränkt“ (siehe zum Ganzen: SFH, Afghanistan: Gefährdungsprofile - Update, 12.9.2018, S. 20-22).

Zusammenfassend lassen sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln zur humanitären Lage in Afghanistan keine für die Beurteilung der Gefahrenlage relevanten Änderungen entnehmen (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 391 ff.). Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Situation in Afghanistan weiterhin sehr besorgniserregend ist. Jedoch liegen keine Erkenntnisse vor, die hinreichend verlässlich den Schluss zuließen, dass jeder alleinstehende, erwerbsfähige männliche Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte; die hohen Anforderungen aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind daher weiterhin nicht erfüllt. Zudem liegen Erkenntnisse dahingehend, dass gerade auch leistungsfähige erwachsene männliche Rückkehrer ohne Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern in Afghanistan in großer Zahl oder sogar typischerweise von Obdachlosigkeit, Hunger, Krankheit betroffen oder infolge solcher Umstände gar verstorben wären, trotz hoher Rückkehrzahlen nicht vor (VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 407).

Auch die aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 gehen letztlich weiterhin (vgl. bereits UNHCR, Richtlinien v. 19.4.2016, S. 99) davon aus, dass alleinstehende leistungsfähige afghanische Männer sowie verheiratete Paare in erwerbsfähigem Alter als Rückkehrer grundsätzlich auch ohne ein Unterstützungsnetzwerk ihren zumutbaren Lebensunterhalt in Afghanistan sicherstellen können, soweit im Einzelfall keine besonderen Gefährdungsfaktoren gegeben sind. Diese Personen könnten unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (siehe zum Ganzen: UNHCR, a.a.O., S. 125; vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9; vgl. auch VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 422 f.). Zum selben Ergebnis gelangt auch das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in seinem Bericht vom 1. Juni 2018 (EASO, a.a.O., S. 106).

Soweit der UNHCR in seinen aktualisierten Richtlinien zu der Auffassung gelangt, dass eine inländische Fluchtalternative in Kabul mit Blick auf Grenzen der Aufnahmekapazität der Stadt und die humanitären Lebensbedingungen in den dortigen sog. informellen Siedlungen generell nicht zur Verfügung stehe (UNHCR, a.a.O., S. 129), so beschränkt sich diese Aussage bereits auf Kabul, ohne jedoch das Vorhandensein hinreichender Lebensbedingungen für Rückkehrer im restlichen Afghanistan - insbesondere den sonstigen Großstädten - in Frage zu stellen. Zudem gilt, dass der Ausschluss Kabuls im Kontext der Zumutbarkeit als inländischer Fluchtalternative i.S.v. Art. 8 der Richtlinie 2011/95/EU erfolgt ist (vgl. UNHCR, S. 128: „Die Zumutbarkeit von Kabul als interner Schutzalternative“). Hiernach muss beim internen Schutz die Existenzgrundlage jedoch so weit gesichert sein, dass vom Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort aufhält; dieser Zumutbarkeitsmaßstab bzw. dieses Zumutbarkeitsniveau geht über das Fehlen einer im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK maßgeblichen Sicherung des Existenzminimums hinaus (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 20; VGH BW, B.v. 8.8.2018 - A 11 S 1753/18 - juris Rn. 22). Ohnehin beruht die Bewertung des UNHCR auf von ihm selbst angelegten Maßstäben, die sich von den gesetzlichen Anforderungen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterscheiden können (BayVGH, B.v. 20.2.2018 - 13a ZB 17.31970 - juris Rn. 9).

(c) Im Einzelfall des Klägers sind auch keine besonderen individuellen Umstände gegeben, die ausnahmsweise zum Vorliegen der Voraussetzungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinsichtlich Afghanistans führen.

Soweit es die Sicherheitslage in Afghanistan angeht, so gilt, dass in der Person des Klägers keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände gegeben sind. Ein individueller gefahrerhöhender Umstand ergibt sich insbesondere nicht aus der bloßen Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 233 ff.). Gleiches gilt letztlich hinsichtlich des Umstands, dass der Kläger bei Asylantragstellung seine Religion mit „Christentum“ angegeben hat (VA S. 11); denn ein gefestigter Übertritt zum christlichen Glauben ist durch den Kläger weder im nachfolgenden Asylverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht worden (vgl. VGH BW, U.v. 5.12.2017 - A 11 S 1144/17 - juris Rn. 266).

Soweit es die humanitäre bzw. wirtschaftliche Lage in Afghanistan betrifft, wäre der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage, für sich als Einzelperson das Existenzminimum zu bestreiten. Der 37-jährige Kläger ist gesund und erwerbsfähig; er spricht eine der afghanischen Landessprachen (Dari) und könnte in Afghanistan insbesondere seinen laut Anhörung beim Bundesamt erlernten und auch in Griechenland ausgeübten Beruf als Schweißer ausüben oder erneut - wie ebenfalls in Griechenland - in der Landwirtschaft arbeiten (Anhörungsprotokoll, VA S. 79 f.). Auch in Deutschland ist der Kläger erwerbstätig gewesen, u.a. als Hausmeister (Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, S. 2). Überdies verfügt der Kläger über eine für Afghanistan deutlich überdurchschnittliche Schulbildung, er hat die Schule bis zu elften Klasse besucht und hatte sogar einen anschließenden Universitätsbesuch beabsichtigt (Anhörungsprotokoll, VA S. 80).

(2) Auch die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen im Fall des Klägers hinsichtlich Afghanistans nicht vor.

Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen.

(a) Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten - insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage - kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 29.9.2011 - 10 C 23.10 - NVwZ 2012, 244 - juris Rn. 21 f.; B.v. 14.11.2007 - 10 B 47.07 u.a. - juris Rn. 3).

(b) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (BVerwG, B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 453).

(3) Das durch den Senat gefundene Ergebnis entspricht - soweit ersichtlich - auch der einhelligen Rechtsprechung der anderen Oberverwaltungsgerichte; eine Auseinandersetzung mit einer abweichenden Würdigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen durch andere Oberverwaltungsgerichte (vgl. allg. BVerwG, B.v. 6.7.2012 - 10 B 18.12 - juris Rn. 10) ist daher nicht geboten.

2. Auch soweit der Kläger sich gegen die Abschiebungsandrohung unter Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids wendet, ist die Berufung nicht begründet.

Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG erlässt das Bundesamt nach § 59 und § 60 Abs. 10 AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn dem Ausländer kein Schutzstatus nach Art. 16a GG, § 3 f. AsylG oder § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuerkannt wird (Nr. 1-3) und er keinen Aufenthaltstitel besitzt (Nr. 4). Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 AsylG soll die Abschiebungsandrohung mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden.

Hiervon ausgehend war der Ausspruch der Androhung der Abschiebung durch das Bundesamt im Fall des Klägers nicht dadurch ausgeschlossen, dass vorliegend mit Blick auf eine mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht zu vereinbarende Trennung von Familienmitgliedern wohl ein inlandsbezogenes, von der Ausländerbehörde zu prüfendes Abschiebungshindernis i.S.v. § 60a Abs. 2 AufenthG besteht (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305, 310 f. = DVBl 2000, 419). Das Bundesamt ist vielmehr auf das ihm obliegende Prüfprogramm aus § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG beschränkt. Es ist daher auch in Fällen, in denen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen wenig oder keine Aussicht besteht, den Ausländer in absehbarer Zeit abschieben zu können, ermächtigt und regelmäßig gehalten, eine „Vorratsentscheidung“ zum Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten zu treffen und eine entsprechende zielstaatsbezogene Abschiebungsandrohung zu erlassen (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2012 - 10 B 39.12 - InfAuslR 2013, 42 - juris Rn. 4).

3. Soweit sich die Berufung des Klägers hingegen gegen die Aufhebung der Anordnung in Nr. 6 des Bescheids vom 21. Juli 2016 (Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots) richtet, ist sie begründet. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG ist von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Über die Länge der Frist wird nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Dabei sind von der zuständigen Behörde - im Fall einer Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylG das Bundesamt, § 75 Nr. 12 AufenthG - u.a. die im Hinblick auf Art. 6 GG, Art. 8 EMRK schutzwürdigen familiären Belange des Ausländers sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die gerichtliche Überprüfung der Befristungsentscheidung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen, so dass das Bundesamt auch während des gerichtlichen Verfahrens eine Pflicht zur ständigen verfahrensbegleitenden Kontrolle der Rechtmäßigkeit seiner Befristungsentscheidung und ggf. zur Ergänzung seiner Ermessenserwägungen trifft (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 = NVwZ 2018, 88 - juris). Geht man ungeachtet der Rechtsgrundlage für die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt in § 11 Abs. 2 AufenthG vom Vorliegen einer Streitigkeit nach dem Asylgesetz aus (so Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 11 Rn. 86 m.w.N.; a.A. Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 11 Rn. 102), ergibt sich der entsprechende maßgebliche Zeitpunkt aus § 77 Abs. 1 AsylG.

Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt auch als Ermessensentscheidung über § 114 Abs. 1 Satz 1 VwGO einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27.16 - BVerwGE 157, 356 = NVwZ 2018, 88 - juris). Die Beklagte hat vorliegend als wesentliche Ermessenserwägung nicht in ihre Entscheidung eingestellt, dass der Ehefrau des Klägers, den beiden Stiefkindern sowie den beiden im Bundesgebiet geborenen gemeinsamen Kindern bestandskräftig subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist und sie daher im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein dürften (vgl. § 25 Abs. 2 AufenthG). Die Befristungsentscheidung ist mithin im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) ermessensfehlerhaft und damit aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 22 f.).

4. Abschließend weist der Senat nochmals darauf hin, dass im Fall des Klägers - unabhängig von einem etwaigen gemeinsamen Asylfolgeantrag mit dem Ziel einer Gesamtbetrachtung der Familie im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG - im Lichte von Art. 6 GG jedenfalls ein durch die Ausländerbehörde zu beachtendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis i.S.v. § 60a Abs. 2 AufenthG bestehen dürfte (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.1999 - 9 C 12.99 - BVerwGE 109, 305 = DVBl 2000, 419 - juris Rn. 15-17).

5. Die Kosten beider Instanzen hat der Kläger zu tragen, da die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2018 - 21 B 18.30691 - juris Rn. 24). Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben; insbesondere wurde vorliegend im Ergebnis an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr einzustellenden Familienmitgliedern festgehalten.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.