Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 23. Apr. 2018 - W 1 K 18.30052
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Januar 2017 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamts vom 19. Dezember 2016 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
weiter hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
die Klage abzuweisen.
Gründe
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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.
(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.
(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.
(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.
(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.
(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.
(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.
(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
(7) Gegen einen Ausländer,
- 1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder - 2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.
(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2010 - A 4 K 1179/10 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am ... in der Stadt Mashad im Iran geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischer Glaubenszugehörigkeit und der Volkszugehörigkeit der Hazara. Der Kläger gibt an, am 11. Mai 2011 in die Bundesrepublik Deutschland auf dem Landweg eingereist zu sein, wo er am 31. Mai 2011 einen Asylantrag stellte.
Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe in Mashad die afghanische Schule bis zur 8. Klasse besucht. Seine Eltern, drei Brüder und zwei Schwestern lebten noch in dieser Stadt. Auch habe er eine Tante und mehrere Onkel im Iran. Die beiden letzten Jahre vor seiner Ausreise habe er alleine in Teheran gelebt und dort gearbeitet. Beruflich habe er das gemacht, was sich gerade angeboten habe. Seine Eltern stammten aus dem afghanischen Dorf Lale Sare Jangal. Er habe in Afghanistan keine Verwandten mehr. Zu seinen Fluchtgründen gab der Kläger an, dass die Lage im Iran für Afghanen schlimm gewesen sei. Seinen Wunsch, einen guten Job zu bekommen, habe ihm die iranische Regierung genommen. Um seine Ruhe zu haben, habe er ständig Schmiergeld zahlen müssen. Auch sei er mehrmals festgenommen worden. Er habe einmal eine Woche lang in einem Abschiebelager verbracht. Im Jahre 2006 sei ein Onkel getötet worden. Der Bruder der Frau des getöteten Onkels habe ihnen dann Probleme bereitet. Er habe die Familie bezichtigt, seine Schwester in Verruf gebracht zu haben. Dies habe dazu geführt, dass seine Familie beschlossen habe, den Iran zu verlassen. Zu Afghanistan habe er keinerlei Bezug. Die Hazara seien dort gefährdet; sie würden von den Taliban getötet.
Mit Bescheid des Bundesamts vom
Gegen den am 28. März 2013 zur Post gegebenen Bescheid ließ der Kläger durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12. April 2013, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tag, Klage erheben und beantragen:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Des Weiteren wurde beantragt, dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Mit Schriftsatz vom
Mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2016
Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand April 2016, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom
Gründe
Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes vom 25. März 2013 ist daher, soweit er Gegenstand der Klage ist und der Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegensteht, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Soweit die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter abgelehnt wurde (Ziffer 1), ist der Bescheid hingegen unanfechtbar geworden und daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 6. August 2016 geltenden, durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939 ff.) geschaffenen Fassung anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Gemessen an diesen Maßstäben befindet sich der Kläger aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Aufgrund seiner Konversion zum christlichen Glauben droht ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG. Für den Kläger besteht auch keine Möglichkeit des internen Schutzes i. S. d. § 3e AsylG.
Eine Verfolgung i. S. d. Art. 9 Abs. 1 a) Qualifikationsrichtlinie (QRL), der durch § 3a Abs. 1 AsylVfG in deutsches Recht umgesetzt wurde, kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 28 m. w. N.).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 30;
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen im Falle des Klägers die erforderliche objektive (1.) und subjektive (2.) Schwere der ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohenden Verletzung seiner Religionsfreiheit vor. Ihm droht deshalb aufgrund eines anzuerkennenden subjektiven Nachfluchtgrundes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung i. S. d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs. 1 und 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG.
1. Nach der Überzeugung des Gerichtes sind zum Christentum konvertierte ehemalige Moslems in Afghanistan gezwungen, ihren Glauben entweder ganz zu verleugnen oder ihn zumindest auch im privaten Umfeld zu verheimlichen, da anderenfalls schwerwiegende Übergriffe durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure nicht ausgeschlossen werden können. Dauerhafter staatlicher Schutz vor derartigen Übergriffen ist derzeit - auch nur in bestimmten Landesteilen - nicht erreichbar (OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - juris Rn. 25 ff.; VG Würzburg, U. v. 27.8.2013 - W 1 K 12.30200 - juris Rn. 25;
Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan erklärt den Islam zur Staatsreligion Afghanistans. Zwar wird den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gewährleistet die Verfassung grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung. Dieses Grundrecht umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: März 2013, S. 10 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hamburg
2. Im Falle des Klägers liegt auch die erforderliche subjektive Schwere der Verletzung der Religionsfreiheit vor, weil es nach Überzeugung des Gerichts ein unverzichtbarer Bestandteil seiner religiösen Identität ist, seinen Glauben nicht zu verheimlichen, sondern ihn gemeinsam mit anderen auszuüben, insbesondere an Gottesdiensten teilzunehmen, sich mit der Bibel und den christlichen Glaubensinhalten zu beschäftigen und den Glauben an andere weiterzugeben.
Der formale Glaubenswechsel des Klägers ist durch den bereits vollzogenen Akt der Taufe am 11. Mai 2015 belegt. Darüber hinaus ist jedoch für die Annahme einer Verfolgungsgefahr und damit für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass der Glaubenswechsel, insbesondere wenn er erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsland durchgeführt wurde, nicht rein aus asyltaktischen Gründen erfolgt, sondern auf einem ernsthaften, dauerhaften religiösen Einstellungswandel beruht und nunmehr die religiöse Identität des Betroffenen prägt (BayVGH, B. v. 20.4.2015 - 14 ZB 13.30257 - juris Rn. 4;
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Hintergründe und Motive seines Glaubenswechsels zur vollen Überzeugung des Gerichts glaubhaft machen können. Das Gericht hat hierbei den Eindruck gewonnen, dass der Kläger sich aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis zum islamischen Glauben gelöst und dem Christentum zugewandt hat. So hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, wie er im Iran, obwohl seine Mitmenschen - wie er selbst - islamischen Glaubens gewesen seien, von der einheimischen Bevölkerung unterdrückt worden sei, weil er der Volksgruppe der Hazara zugehört und aus Afghanistan stammt. In Deutschland sei er dann vor etwa eineinhalb Jahren über einen iranischen Freund sowie seine seinerzeitige Deutschlehrerin das erste Mal mit der christlichen Gemeinde ... in Berührung gekommen. Der Kläger hat sodann überzeugend weiter ausgeführt, dass jeder Mensch eine Beruhigung brauche; er selbst benötige diese Ruhe insbesondere wegen seiner schwierigen Situation in Deutschland und weil man im Iran versucht habe, ihn zu töten. Er habe nach dem Besuch der Gottesdienste gespürt, dass er stets ruhiger gewesen sei; er habe sich immer gut gefühlt, so dass aufgrund dessen mit der Zeit der Glaube für ihn immer interessanter geworden sei. Die positive Wirkung der Gemeinschaft im Glauben auf seine eigene Person und die Erfahrung, dass die Menschen in der Kirche stets sehr nett zu ihm gewesen seien, hätten schließlich dazu geführt, dass auch er „so ein Mensch habe werden wollen“, weshalb er sich zur Taufe entschlossen habe.
Der Kläger hat zudem überzeugend darlegen können, dass er sich aus tiefer innerer Überzeugung dem Christentum zugewendet hat. Er hat in diesem Zusammenhang erläutert, dass er vom Christentum das erhalte, was er vom Islam nicht bekommen habe. Zentral sei für ihn in diesem Zusammenhang die Nächstenliebe im christlichen Glauben, die es im Islam so nicht gebe. Dies deckt sich auch mit der von ihm beschriebenen lebensgeschichtlichen Erfahrung, wonach er im Iran von gläubigen Menschen des Islam rein aufgrund äußerer Merkmale unterdrückt worden sei. Ein zweiter herausragender Aspekt für die Hinwendung zum christlichen Glauben sei für ihn der Friede; Frieden und Liebe seien die zentralen Aspekte in der Bibel, wohingegen der Koran grausam sei und man im Islam alles machen dürfe. Er sehe im Christentum zudem den einzig richtigen Weg, sich Gott zu nähern. Wichtig sei ihm hierbei vor allem, dass es sich beim christlichen Glauben um eine Religion handele, in der jeder sein Recht bekomme. Damit hat der Kläger einen gewissensgeleiteten, durch religiöse Werte und Normen hervorgerufenen Akt der inneren Umkehr und einen Wendepunkt in seinem Leben glaubhaft geschildert und hiermit hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei seiner Hinwendung zum Christentum um eine Gewissensentscheidung handelt, die von einer echten Glaubensüberzeugung und nicht von asyltaktischen Erwägungen geleitet ist. Der Kläger machte auf das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen sehr ruhigen und in sich gekehrten Eindruck; seine Antworten auf die Fragen des Gerichts waren jedoch stets spontan und ohne Zögern. An keiner Stelle drängte sich dem Gericht der Eindruck auf, dass der Kläger in seinen Aussagen inhaltlich übertrieben, sondern stets in jeder Hinsicht authentisch von tatsächlichen eigenen Überzeugungen und Erlebnissen berichtet hat. Der Kläger erscheint dem Gericht daher auch persönlich glaubwürdig.
Der Kläger hat darüber hinaus auch glaubhaft machen können, mit zentralen Inhalten des christlichen Glaubens vertraut zu sein, indem er etwa auf Frage des Gerichts eine Reihe von christlichen Feiertagen aufzählen und deren Bedeutung erläutern konnte. Auch die Bedeutung der 10 Gebote konnte der Kläger darlegen sowie den Inhalt einzelner dieser Gebote benennen. Auch dies spricht nach Überzeugung des Gerichts für die Glaubhaftigkeit der Konversion.
Der Kläger konnte auch darlegen, dass er seinen neuen Glauben in Deutschland praktiziert und dies auch in Afghanistan tun wollen würde. Er hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung glaubhaft erläutert, dass er jede Woche am Gottesdienst der Gemeinde .... teilnehme und dort zudem über die Bibel und das Christentum unterrichtet werde. Er habe sich explizit dieser Gemeinde angeschlossen, da der Glaube dort auch in persischer Sprache unterrichtet werde, was ihm besonders wichtig gewesen sei. Auch hierdurch wird die Ernsthaftigkeit des Glaubenswechsels zur Überzeugung des Gerichts nochmals bekräftigt. Überdies übernehme er in der Gemeinde auch ehrenamtliche Tätigkeiten und helfe neuen Flüchtlingen, die in die Gemeinde kämen. All diese Betätigungen werden auch durch eine Bescheinigung der Gemeinde Bauhaus e.V. vom 11. Juli 2015 bestätigt. Der Kläger hat klar und deutlich erklärt, dass er auch in Afghanistan auf jedem Fall Christ bleiben und seinen neuen Glauben dort öffentlich verbreiten wolle. Eine Rückkehr zum Islam und ein Leben nach den islamischen Glaubensriten könne er sich nicht mehr vorstellen. Er sei nun zum christlichen Glauben gekommen und wolle auch weiterhin danach leben. Mit diesen genannten Verhaltensweisen und Überzeugungen würde der Kläger in der ausschließlich muslimisch geprägten Gesellschaft Afghanistans unweigerlich auffallen und landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sein. Damit hat er glaubhaft gemacht, auch in Afghanistan unter Inkaufnahme von Risiken als Christ leben zu wollen. Es steht somit fest, dass der Kläger sich zur Wahrung seiner religiösen Identität auch in Afghanistan zu seinem Glauben bekennen würde. Es wäre ihm deshalb im Herkunftsland nicht möglich, seine Religion entsprechend seinem religiösen Selbstverständnis auszuüben, ohne der Gefahr einer Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure i. S. des § 3c Nr. 1, 3 AsylG ausgesetzt zu sein.
Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die oben (unter 1.) geschilderten Gefahren für vom Glauben abgefallene Muslime drohen in Afghanistan landesweit, auch in der Stadt Kabul. Zwar mögen insbesondere nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger als in Dorfgemeinschaften zu befürchten seien. Selbst dort würde aber ein vom Glauben abgefallener Muslim unweigerlich auffallen und selbst im privaten, familiären Umfeld bedroht sein (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
I.
Ziffer 2 und die Androhung der Abschiebung nach Afghanistan in Ziffer 4 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein am ... in A. in der Provinz G. geborener afghanischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger der Hazara. Er gibt an, verheiratet zu sein und drei Kinder zu haben, aber bei seiner Ausreise an der Grenze zum Iran von seiner Familie getrennt worden zu sein. Er habe sein Herkunftsland im Jahre 2007 verlassen, zunächst etwa zwei Jahre lang in Pakistan und dann etwa ein halbes Jahr im Iran gelebt und sei danach in die Türkei weitergereist. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Türkei sei er mit einem Lkw nach Griechenland gereist und von dort aus weiter auf einer Fähre nach Italien. Nach kurzem Aufenthalt in Italien sei er per Pkw nach Deutschland gereist, wo er am 29. November 2010 polizeilich aufgegriffen wurde. Am 9. Dezember 2010 beantragte der Kläger Asyl.
2. In seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 27. Januar 2011 (Bl. 60 ff. der Bundesamtsakte) gab der Kläger zunächst an, er sei nach Pakistan gegangen, weil sein Vater verstorben sei, als er neun Jahre alt gewesen sei. Er sei dann von zwei Onkeln unterdrückt worden, die sein Land hätten haben wollen. Deswegen sei er ausgereist. In Pakistan habe er einen Dorfbewohner kennengelernt, der sein Land in Afghanistan gekauft habe. Mit dem Geld habe er seine Ausreise nach Deutschland finanziert. Aus Sicherheitsgründen habe er auch nicht in Pakistan leben können. Nach seinem Verfolgungsschicksal befragt, gab der Kläger an, seine Schwester sei von Zuhause ausgerissen, weil einer der Onkel sie nach dem Tode des Vaters mit einem älteren Mann habe verheiraten wollen. Der Kläger habe seine Schwester überall gesucht, auch in der Provinz Kandahar. Auf der Rückkehr von dort sei er von Taliban aufgegriffen worden, die seine Tazkira und seinen Dienstausweis weggenommen und ihn selbst entführt hätten. Sie hätten ihn zwei Monate lang in Aguhjan festgehalten und ihn verhört, insbesondere über sein Heimatdorf. Er sei auch gefoltert worden. Er sei dann an einen anderen Ort verlegt worden. Ein Kommandant namens Qayomham habe dann die Taliban angegriffen und sie vertrieben. Er habe den Kläger und andere entführte Personen nach Qarabagh gebracht. Dort habe er sie wiederum verhört. Danach sei der Kläger weggelaufen. Ein Freund habe ihm geraten, wegen der ganzen Probleme nach Pakistan zu gehen. Die Taliban hätten Ende des Jahres 1385 nach afghanischer Zeitrechnung sein Heimatdorf angegriffen und danach habe der Kommandant die Taliban angegriffen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das umfangreiche Protokoll der Anhörung Bezug genommen (Bl. 60/68 der Bundesamtsakte).
3. Mit Bescheid vom
4. Gegen diesen ihm am
Ergänzend wurde mit Schriftsatz vom
Vorgelegt wurde des Weiteren eine Bescheinigung der Baptistenkirche Aschaffenburg vom
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in der Person des Klägers festzustellen,
sowie den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
5. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
6. Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 3. Februar 2015
7. Mit Beschluss vom 3. März 2015
Verschiedene, in der Liste der Erkenntnismittel für Afghanistan, Stand Oktober 2014, verzeichnete Dokumente waren Gegenstand des Verfahrens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und im Hauptantrag begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Bescheid des Bundesamtes vom
1. Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylVfG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Danach wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Ausschlussgründe des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Herkunftsland).
Gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG ist vorliegend das Asylverfahrensgesetz in der ab
Gemessen an diesen Maßstäben befindet sich der Kläger aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb seines Heimatlandes. Aufgrund seiner Konversion zum christlichen Glauben droht ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylVfG (1.1). Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative i. S. d. § 3e AsylVfG zur Verfügung (1.2).
1.1 Eine Verfolgung i. S. d. Art. 9 Abs. 1 a) QRL, der durch § 3a Abs. 1 AsylVfG umgesetzt wurde, kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 28 m. w. N.).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 30;
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen im Falle des Klägers die erforderliche objektive (1.1.1) und subjektive Schwere (1.1.2) der ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohenden Verletzung seiner Religionsfreiheit vor. Ihm droht deshalb aufgrund eines anzuerkennenden subjektiven Nachfluchtgrundes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung i. S. d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs. 1 und 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG.
1.1.1 Nach der Überzeugung des Gerichtes sind zum Christentum konvertierte ehemalige Moslems in Afghanistan gezwungen, ihren Glauben entweder ganz zu verleugnen oder ihn zumindest auch im privaten Umfeld zu verheimlichen, da anderenfalls schwerwiegende Übergriffe durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure nicht ausgeschlossen werden können. Dauerhafter staatlicher Schutz vor derartigen Übergriffen ist derzeit - auch nur in bestimmten Landesteilen - nicht erreichbar (OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - juris Rn. 25 ff.; VG Würzburg, U. v. 27.8.2013 - W 1 K 12.30200 - juris Rn. 25;
Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan erklärt den Islam zur Staatsreligion Afghanistans. Zwar wird den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gewährleistet die Verfassung grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung. Dieses Grundrecht umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: März 2013, S. 10 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hamburg
1.1.2 Im Falle des Klägers liegt auch die erforderliche subjektive Schwere vor, weil es nach der Überzeugung des Gerichtes ein unverzichtbarer Bestandteil seiner religiösen Identität ist, seinen Glauben nicht zu verheimlichen, sondern ihn gemeinsam mit anderen auszuüben, insbesondere an Gottesdiensten teilzunehmen, und seinen Glauben an andere weiter zu geben.
Der formale Glaubenswechsel des Klägers ist durch den bereits vollzogenen Akt der Taufe am 28. Juli 2014 belegt. Darüber hinaus ist jedoch für die Annahme einer Verfolgungsgefahr und damit für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass der Glaubenswechsel, insbesondere wenn er erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsland durchgeführt wurde, nicht rein aus asyltaktischen Gründen erfolgt, sondern auf einem ernsthaften, dauerhaften religiösen Einstellungswandel beruht und nunmehr die religiöse Identität des Betroffenen prägt (BayVGH, B. v. 20.4.2015 - 14 ZB 13.30257 - juris Rn. 4;
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Hintergründe und Motive seines Glaubenswechsels zur vollen Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht. Er hat nachvollziehbar angegeben, sich nach seiner Trennung von der Familie bei der Ausreise und der Inhaftierung bei der Einreise in das Bundesgebiet in einer Phase der inneren Orientierungslosigkeit befunden zu haben, die er auch seelisch und körperlich in Form von Suizidgedanken und Atembeschwerden wahrgenommen habe. Durch die Begegnung mit einem anderen, bereits konvertierten afghanischen Staatsangehörigen in der Asylbewerberunterkunft sei er zur Baptistenkirche A. gekommen, wo er zunächst an Gottesdiensten und dann auch einem religiösen Hauskreis teilgenommen habe. Diese Angaben sind durch die vorgelegte Bescheinigung der Baptistenkirche A., auch in zeitlicher Hinsicht, belegt. Mit dem Beginn seiner Gottesdienstbesuche habe er zunehmend eine Besserung seiner seelischen und körperlichen Beschwerden verspürt, was für ihn das entscheidende Erlebnis (Schlüsselerlebnis) dargestellt habe, zum christlichen Glauben überzutreten.
Der Kläger hat dieses Schlüsselerlebnis seiner „Heilung“, wie er es selbst bezeichnet, für das Gericht nachvollziehbar religiös gedeutet. Er hat in der mündlichen Verhandlung aus der von ihm mitgebrachten persischen Bibel Textstellen des Matthäus-Evangeliums zitiert, nach denen Jesus Kranke heilte. Aufgrund dieser Heilungsgeschichten in der Heiligen Schrift und seines von ihm so erlebten Heilungsprozesses sei er zu der festen Überzeugung gekommen, dass die biblischen Verheißungen Wahrheit seien. Damit hat der Kläger einen gewissensgeleiteten, durch religiöse Werte und Normen hervorgerufenen Akt der inneren Umkehr und damit einen Wendepunkt in seinem Leben glaubhaft geschildert und damit hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei seiner Hinwendung zum Christentum um eine Gewissensentscheidung handelt, die von einer echten Glaubensüberzeugung geleitet ist. Zugleich hat er Kenntnisse von wesentlichen Glaubensinhalten nachgewiesen, dies auch durch seine Bezugnahme auf den Missionsbefehl im Matthäus-Evangelium, Kapitel 28, Vers 18-20 im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung.
Der Kläger konnte auch darlegen, dass er seinen neuen Glauben im Bundesgebiet praktiziert und dies auch im Herkunftsland tun wollen würde. Er nimmt ausweislich der vorgelegten Bescheinigung regelmäßig an den Gottesdiensten und Bibelkreisen der Baptistenkirche in A. teil und ist seit dem Ausscheiden eines afghanischen Landsmannes aus der Asylbewerberunterkunft selbst Gastgeber eines wöchentlich stattfindenden Hauskreises. Außerdem hat der Kläger erklärt, dass er den Befehl zur Missionierung für sich als verbindlich betrachte. Er würde auch in Afghanistan auf jeden Fall als Christ leben wollen. Denn die von ihm erlebte seelische Heilung sei sein größter Schatz, den er nicht preisgeben wolle. Mit diesen Verhaltensweisen und Überzeugungen würde der Kläger in der muslimisch geprägten Gesellschaft Afghanistans unweigerlich auffallen und landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sein. Damit hat er glaubhaft gemacht, auch in Afghanistan unter Inkaufnahme von Risiken als Christ leben zu wollen. Es steht somit fest, dass der Kläger sich zur Wahrung seiner religiösen Identität auch in Afghanistan zu seinem Glauben bekennen würde. Es wäre ihm deshalb im Herkunftsland nicht möglich, seine Religion entsprechend seinem religiösen Selbstverständnis auszuüben, ohne der Gefahr einer Verfolgung durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure i. S. d. § 3c Nr. 1, 3 AsylVfG ausgesetzt zu sein.
1.2 Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die oben (Punkt 1.1.1) geschilderten Gefahren für zum Christentum konvertierte Moslems drohen in Afghanistan landesweit, auch in der Stadt Kabul. Zwar mögen insbesondere nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger als in Dorfgemeinschaften zu befürchten sein (vgl. Lagebericht, S. 11). Selbst dort gibt es aber für christliche Afghanen keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Schutz vor Übergriffen Privater ist für Christen in keinem Landesteil Afghanistans dauerhaft zu erreichen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft v. 22.12.2004, S. 2; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage, Oktober 2014, S. 17; IGFM, Stellungnahme v. 27.2.2008, S. 1). In der Rechtsprechung wird diese Einschätzung teilweise geteilt (z. B. OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - InfAuslR 2008, 411, juris Rn. 33 ff., dort auch explizit zu Kabul; VG Würzburg, U. v. 25.2.2014 - W 1 K 13.30164 - juris Rn. 37;
Nach alledem hat die Klage im Hauptantrag Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2010 - A 4 K 1179/10 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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I
- 1
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Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte im März 2011 einen Asylantrag wegen Wehrdienstentziehung. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Dezember 2012 mangels Glaubwürdigkeit der Angaben zu seinem Vorfluchtschicksal ab. Während des Klageverfahrens ist der Kläger zum Christentum übergetreten und hat sich im Mai 2013 taufen lassen.
- 2
-
Das Verwaltungsgericht hat seiner auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Klage stattgegeben. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass sich das Gericht zwar nicht von der Ernsthaftigkeit der Konversion habe überzeugen können. Dennoch sei der Kläger als Flüchtling anzuerkennen, denn die Taufe gehöre als Aufnahmeakt zum seelsorgerischen Kernbereich einer Religionsgemeinschaft. Deshalb sei das Gericht gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV an die Beurteilung der die Taufe vollziehenden Pfarrerin gebunden, der Glaubensübertritt sei vom Kläger ernsthaft gewollt.
- 3
-
Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, ein flüchtlingsrechtlich relevanter, hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit des unverfolgt aus dem Iran ausgereisten Klägers setze u.a. voraus, dass für den Betroffenen die Befolgung bestimmter gefahrenträchtiger religiöser Praktiken in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig sei. Das Gericht habe jedoch auch in Ansehung der Taufe des Klägers nicht mit der notwendigen Überzeugungsgewissheit feststellen können, dass die von ihm geltend gemachte Hinwendung zur christlichen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruhe. Der christliche Glaube präge die religiöse Identität des Klägers nicht in einer Weise, dass dieser die christliche Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfinde, um seine Identität zu wahren. Bei dieser Beurteilung binde der Umstand, dass der Betroffene durch den Amtsträger einer christlichen Kirche getauft worden sei, die staatlichen Stellen nicht. Es sei vielmehr die ureigene Aufgabe staatlicher Verwaltungsgerichte, zu einer eigenen Einschätzung hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts zu gelangen. Aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 und 3 WRV ergebe sich nichts anderes. Denn es bleibe der Kirchengemeinde unbenommen, den Kläger weiterhin als ihr Mitglied anzusehen. Die Beantwortung der davon zu unterscheidenden Frage, ob die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche eine religiöse Verfolgung nach sich ziehe und deshalb die Flüchtlingsanerkennung begründe, sei allein Aufgabe der staatlichen Gerichte.
- 4
-
Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Klägers, mit der dieser die Zulassung der Revision erstrebt.
-
II
- 5
-
Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verfahrensmangels des Berufungsurteils (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
- 6
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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschluss vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).
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Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
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"ob das staatliche Gericht uneingeschränkt befugt ist, im Rahmen eines Asylverfahrens entgegen einer Taufe in den christlichen Glauben und entgegen einer pfarramtlichen Bescheinigung der Pfarrerin seiner Kirchengemeinde davon auszugehen, dass ein Asylbewerber keine religiöse Identität in dem Sinne habe, dass ihm der Verzicht auf eine öffentlich wahrnehmbare Betätigung seines christlichen Glaubens zumutbar ist."
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Dazu führt sie im Kern aus, die Feststellung der Ernsthaftigkeit des Übertritts zum Christentum sowie der religiösen Identität eines Asylbewerbers sei eine innerkirchliche Angelegenheit, die gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV staatlicher Überprüfung entzogen sei. Die Taufe gehöre zum Kernbereich kirchlichen Handelns, den der Staat nicht infrage stellen dürfe. Auch der Kläger werde in seiner grundrechtlich geschützten Glaubensfreiheit verletzt, wenn der Staat sich die Entscheidungskompetenz darüber anmaße, ob er "wahrer" Christ sei oder nicht. Mit diesem und dem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftigen Fragen des revisiblen Rechts auf, die die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 VwGO rechtfertigen.
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Es bedarf keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass staatliche Behörden und Verwaltungsgerichte bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG nicht an die Beurteilung des zuständigen Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden sind, der Taufe des betroffenen Asylbewerbers liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Dies folgt insbesondere aus der dem Berufungsurteil vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 [ECLI:EU:C:2012:518] - NVwZ 2012, 1612). Das Vorbringen der Beschwerde zeigt keinen neuerlichen oder weitergehenden Klärungsbedarf auf.
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Art. 4 Abs. 1 und 2 GG als einheitliches Grundrecht sowie Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV garantieren den Religionsgesellschaften die Freiheit, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (zum Verhältnis der Bestimmungen zueinander im Sinne einer Schrankenspezialität: BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - EuGRZ 2014, 698 Rn. 82 ff.). Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienen (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - EuGRZ 2014, 698 Rn. 95 m.w.N.). Zu den "eigenen Angelegenheiten" in diesem Sinne zählen insbesondere die Rechte und Pflichten der Mitglieder der jeweiligen Religionsgemeinschaft, insbesondere Bestimmungen, die den Ein- und Austritt, die mitgliedschaftliche Stellung sowie den Ausschluss von Glaubensangehörigen regeln (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 BvR 278/11 - EuGRZ 2015, 250 Rn. 37 m.w.N.). Die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft beurteilt sich mit Wirkung für den weltlichen Bereich (etwa als Voraussetzung für die Kirchensteuerpflicht) grundsätzlich nach den Regeln der jeweiligen Religionsgemeinschaft (BVerfG, Beschluss vom 31. März 1971 - 1 BvR 744/67 - BVerfGE 30, 415 <422> - auch zu der Grenze des für alle geltenden Gesetzes). Demzufolge obliegen die Interpretation und die Beurteilung der kirchenrechtlichen Voraussetzungen für eine Taufe sowie deren Wirksamkeit mit der Folge, dass der Betroffene Mitglied in der Gemeinde einer Religionsgemeinschaft wie der evangelisch-lutherischen Landeskirche ist, den innerkirchlich zuständigen Amtsträgern (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2013 - 6 C 21.12 - BVerwGE 148, 271 Rn. 46 ff. - auch zur Abgrenzung gegenüber staatlichen Gerichten verbleibenden Prüfungspunkten).
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Es liegt auf der Hand, dass - von Missbrauchsfällen abgesehen - die von einer Religionsgemeinschaft bestätigte Mitgliedschaft als solche von den Verwaltungsgerichten bei der Untersuchung, ob dem Asylbewerber in seinem Heimatland eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht, nicht infrage gestellt werden darf. Die durch Taufe bewirkte Mitgliedschaft in einer christlichen Religionsgemeinschaft ist aber nur dann allein entscheidungserheblich, wenn eine Verfolgung in einem Land ausschließlich an der Kirchenzugehörigkeit anknüpft. Ist dies jedoch - wie nach der tatrichterlichen Würdigung der Verfolgungslage im Iran durch das Berufungsgericht - nicht der Fall, haben das Bundesamt bzw. die Verwaltungsgerichte auf der Rechtstatsache der Kirchenmitgliedschaft aufbauend bei der Beurteilung der Schwere einer drohenden Verletzung der Religionsfreiheit des Betroffenen zu prüfen, ob die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis für ihn zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Da bereits der unter dem Druck drohender Verfolgung erzwungene Verzicht auf eine Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erreichen kann, ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund drohender religiöser Verfolgung in diesem Fall maßgeblich, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 28 ff. im Anschluss an EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 - NVwZ 2012, 1612). Dass diese Fragestellung in Teilbereichen zugleich auch als kirchenrechtliche Voraussetzung für die Taufe bedeutsam ist und von dem innerkirchlich zuständigen Amtsträger bejaht worden ist, macht sie - wie das Berufungsgericht zutreffend herausgestellt hat - mit Blick auf die hier zu prüfende, staatlichen Stellen obliegende Flüchtlingsanerkennung nicht zu einer "eigenen Angelegenheit" der Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV i.V.m. Art. 140 GG. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die jeweilige Religionsgemeinschaft als Körperschaft des Öffentlichen Rechts konstituiert ist oder nicht.
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Es bedarf auch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass staatliche Stellen mit der eigenständigen Würdigung im Rahmen der Prüfung des § 3 Abs. 1 AsylVfG, ob eine bestimmte Glaubenspraxis für den Antragsteller nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist, nicht die sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 140 i.V.m. Art. 136 Abs. 1 und 4, Art. 137 Abs. 1 WRV ergebende Pflicht des Staates zur weltanschaulichen Neutralität verletzen. Denn eine verfassungsrechtlich unzulässige Bewertung des Glaubens oder der Lehre einer Kirche ist damit nicht verbunden. Bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung wegen geltend gemachter religiöser Verfolgung setzen sich staatliche Stellen weder mit Inhalten von Glaubenssätzen auseinander noch bewerten sie diese oder formulieren gar eigene Standpunkte in Glaubensdingen (zur Reichweite des Neutralitätsgebots: BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - EuGRZ 2014, 698 Rn. 88 ff. m.w.N.; vgl. auch EGMR, Urteil vom 15. Januar 2013 - Nr. 48420/10 u.a. - NJW 2014, 1935 Rn. 81 und Urteil vom 8. April 2014 - Nr. 70945/11 u.a. - NVwZ 2015, 499 Rn. 76). Sie entscheiden auch nicht über die Legitimität religiöser Glaubensüberzeugungen, sondern gehen lediglich der Stellung des einzelnen Antragstellers zu seinem Glauben nach, nämlich der Intensität selbst empfundener Verbindlichkeit von Glaubensgeboten für die Identität der Person. Darin liegt keine Verletzung der Pflicht des Staates zu weltanschaulicher Neutralität.
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch geklärt, dass die Verwaltungsgerichte sich bei der Prüfung der inneren Tatsache, ob der Kläger die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet, nicht auf eine Plausibilitätsprüfung hinreichend substantiierter Darlegung beschränken dürfen, sondern insoweit das Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugrunde zu legen haben (BVerwG, Urteil vom Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 30). Ein erneuter oder weitergehender Klärungsbedarf ergibt sich nicht daraus, dass die Anlegung des Regelbeweismaßes nach Auffassung der Beschwerde die Religionsfreiheit des Betroffenen und zugleich das kirchliche Selbstbestimmungsrecht verletzt. Denn eine Zurücknahme des tatrichterlichen Beweismaßes sowie der gerichtlichen Kontrolldichte ist nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nur bei der Bestimmung der Reichweite des Schutzbereichs des Art. 4 GG angezeigt. Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als korporative oder individuelle Ausübung von Religion und Weltanschauung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG anzusehen ist, muss der zentralen Bedeutung des Begriffs der "Religionsausübung" durch eine extensive Auslegung Rechnung getragen werden; insoweit darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religionsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben. Die Formulierung ihres Selbstverständnisses und Auftrags - des kirchlichen Proprium - obliegt allein den Kirchen und ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützt (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - EuGRZ 2014, 698 Rn. 101, 114). Auch auf der individuellen Ebene dürfen staatliche Organe nur prüfen, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich ein von dem Betroffenen als religiös geboten reklamiertes Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine als religiös anzusehende Motivation hat (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10 u.a. - EuGRZ 2015, 181 Rn. 86 m.w.N.). Die gebotene Berücksichtigung des kirchlichen und individuellen Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers bei der Bestimmung, wie weit der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG im konkreten Einzelfall reicht, ist jedoch nicht auf die der Schutzbereichsbestimmung vorgelagerte tatrichterliche Würdigung zu übertragen, ob und inwieweit eine Person eine bestimmte religiöse Betätigung ihres Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung ihrer religiösen Identität empfindet.
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Der Senat hat auch klargestellt, dass die religiöse Identität als innere Tatsache sich nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen lässt (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 31). Entgegen der Auffassung der Beschwerde wird die Glaubensfreiheit eines Asylbewerbers, der sich auf eine ihm drohende Verfolgung wegen seiner Religion beruft, nicht dadurch verletzt, dass es ihm im Rahmen der asylverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG) und des prozessrechtlichen Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) obliegt, staatlichen Stellen über sein religiöses Selbstverständnis Auskunft zu geben. Es unterliegt der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und ist insoweit keiner weiteren grundsätzlichen Klärung zugänglich, auf welche Weise der Tatrichter versucht, sich die erforderliche Überzeugungsgewissheit vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsache der Wahrung der religiösen Identität des Asylbewerbers zu verschaffen. Nicht weiter klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass es - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist (UA S. 16) - die Glaubensfreiheit nicht verletzt und die Beweisanforderungen nicht überspannt, von einem Erwachsenen im Regelfall zu erwarten, dass dieser schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion machen kann und im Rahmen seiner Persönlichkeit und intellektuellen Disposition mit den Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist.
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2. Die Beschwerde rügt des Weiteren, dem Berufungsgericht fehle die notwendige Sachkunde zur Beurteilung der religiösen Identität des Klägers. Dem Verwaltungsgerichtshof hätte sich eine Begutachtung des Klägers in psychologischer und religiöser Hinsicht aufdrängen müssen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO). Die Aufklärungs- und damit verbundene Gehörsrüge verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
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Zum einen hat der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift in der Berufungsverhandlung keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1978 - 3 B 6.78 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 116). Aus welchen Gründen sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, legt die Beschwerde nicht dar. Zum anderen ist bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese - wofür hier nichts ersichtlich ist - verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289 Rn. 17 m.w.N.; stRspr). Es ist weder von der Beschwerde dargelegt noch sonst ersichtlich, aus welchen Gründen das Berufungsgericht - nachdem nicht etwa Glaubensinhalte einer fremden Religion aufzuklären waren - nicht über die ausreichende Sachkunde zur Beurteilung der religiösen Überzeugung und Identität des Klägers verfügen sollte. Für die Ermittlung und Würdigung des (Nicht-)Vorliegens dieser inneren Tatsache bedarf es in aller Regel keines nur Experten vorbehaltenen Wissens. Letztlich wendet sich die Beschwerde im Wege der Aufklärungs- und Gehörsrüge gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts; damit vermag sie indessen nicht durchzudringen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2010 - A 4 K 1179/10 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Gründe
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I
- 1
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Der Kläger, ein iranischer Staatsangehöriger, stellte im März 2011 einen Asylantrag wegen Wehrdienstentziehung. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 19. Dezember 2012 mangels Glaubwürdigkeit der Angaben zu seinem Vorfluchtschicksal ab. Während des Klageverfahrens ist der Kläger zum Christentum übergetreten und hat sich im Mai 2013 taufen lassen.
- 2
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Das Verwaltungsgericht hat seiner auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichteten Klage stattgegeben. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, dass sich das Gericht zwar nicht von der Ernsthaftigkeit der Konversion habe überzeugen können. Dennoch sei der Kläger als Flüchtling anzuerkennen, denn die Taufe gehöre als Aufnahmeakt zum seelsorgerischen Kernbereich einer Religionsgemeinschaft. Deshalb sei das Gericht gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV an die Beurteilung der die Taufe vollziehenden Pfarrerin gebunden, der Glaubensübertritt sei vom Kläger ernsthaft gewollt.
- 3
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Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, ein flüchtlingsrechtlich relevanter, hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit des unverfolgt aus dem Iran ausgereisten Klägers setze u.a. voraus, dass für den Betroffenen die Befolgung bestimmter gefahrenträchtiger religiöser Praktiken in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig sei. Das Gericht habe jedoch auch in Ansehung der Taufe des Klägers nicht mit der notwendigen Überzeugungsgewissheit feststellen können, dass die von ihm geltend gemachte Hinwendung zur christlichen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel beruhe. Der christliche Glaube präge die religiöse Identität des Klägers nicht in einer Weise, dass dieser die christliche Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfinde, um seine Identität zu wahren. Bei dieser Beurteilung binde der Umstand, dass der Betroffene durch den Amtsträger einer christlichen Kirche getauft worden sei, die staatlichen Stellen nicht. Es sei vielmehr die ureigene Aufgabe staatlicher Verwaltungsgerichte, zu einer eigenen Einschätzung hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des Glaubensübertritts zu gelangen. Aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 1 und 3 WRV ergebe sich nichts anderes. Denn es bleibe der Kirchengemeinde unbenommen, den Kläger weiterhin als ihr Mitglied anzusehen. Die Beantwortung der davon zu unterscheidenden Frage, ob die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche eine religiöse Verfolgung nach sich ziehe und deshalb die Flüchtlingsanerkennung begründe, sei allein Aufgabe der staatlichen Gerichte.
- 4
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Hiergegen wendet sich die Beschwerde des Klägers, mit der dieser die Zulassung der Revision erstrebt.
-
II
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Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verfahrensmangels des Berufungsurteils (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschluss vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110).
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Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
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"ob das staatliche Gericht uneingeschränkt befugt ist, im Rahmen eines Asylverfahrens entgegen einer Taufe in den christlichen Glauben und entgegen einer pfarramtlichen Bescheinigung der Pfarrerin seiner Kirchengemeinde davon auszugehen, dass ein Asylbewerber keine religiöse Identität in dem Sinne habe, dass ihm der Verzicht auf eine öffentlich wahrnehmbare Betätigung seines christlichen Glaubens zumutbar ist."
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Dazu führt sie im Kern aus, die Feststellung der Ernsthaftigkeit des Übertritts zum Christentum sowie der religiösen Identität eines Asylbewerbers sei eine innerkirchliche Angelegenheit, die gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV staatlicher Überprüfung entzogen sei. Die Taufe gehöre zum Kernbereich kirchlichen Handelns, den der Staat nicht infrage stellen dürfe. Auch der Kläger werde in seiner grundrechtlich geschützten Glaubensfreiheit verletzt, wenn der Staat sich die Entscheidungskompetenz darüber anmaße, ob er "wahrer" Christ sei oder nicht. Mit diesem und dem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftigen Fragen des revisiblen Rechts auf, die die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 VwGO rechtfertigen.
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Es bedarf keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens, um zu klären, dass staatliche Behörden und Verwaltungsgerichte bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG nicht an die Beurteilung des zuständigen Amtsträgers einer christlichen Kirche gebunden sind, der Taufe des betroffenen Asylbewerbers liege eine ernsthafte und nachhaltige Glaubensentscheidung zugrunde. Dies folgt insbesondere aus der dem Berufungsurteil vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 [ECLI:EU:C:2012:518] - NVwZ 2012, 1612). Das Vorbringen der Beschwerde zeigt keinen neuerlichen oder weitergehenden Klärungsbedarf auf.
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Art. 4 Abs. 1 und 2 GG als einheitliches Grundrecht sowie Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV garantieren den Religionsgesellschaften die Freiheit, ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu ordnen und zu verwalten (zum Verhältnis der Bestimmungen zueinander im Sinne einer Schrankenspezialität: BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - EuGRZ 2014, 698 Rn. 82 ff.). Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht umfasst alle Maßnahmen, die der Sicherstellung der religiösen Dimension des Wirkens im Sinne kirchlichen Selbstverständnisses und der Wahrung der unmittelbaren Beziehung der Tätigkeit zum kirchlichen Grundauftrag dienen (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - EuGRZ 2014, 698 Rn. 95 m.w.N.). Zu den "eigenen Angelegenheiten" in diesem Sinne zählen insbesondere die Rechte und Pflichten der Mitglieder der jeweiligen Religionsgemeinschaft, insbesondere Bestimmungen, die den Ein- und Austritt, die mitgliedschaftliche Stellung sowie den Ausschluss von Glaubensangehörigen regeln (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2014 - 2 BvR 278/11 - EuGRZ 2015, 250 Rn. 37 m.w.N.). Die Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft beurteilt sich mit Wirkung für den weltlichen Bereich (etwa als Voraussetzung für die Kirchensteuerpflicht) grundsätzlich nach den Regeln der jeweiligen Religionsgemeinschaft (BVerfG, Beschluss vom 31. März 1971 - 1 BvR 744/67 - BVerfGE 30, 415 <422> - auch zu der Grenze des für alle geltenden Gesetzes). Demzufolge obliegen die Interpretation und die Beurteilung der kirchenrechtlichen Voraussetzungen für eine Taufe sowie deren Wirksamkeit mit der Folge, dass der Betroffene Mitglied in der Gemeinde einer Religionsgemeinschaft wie der evangelisch-lutherischen Landeskirche ist, den innerkirchlich zuständigen Amtsträgern (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2013 - 6 C 21.12 - BVerwGE 148, 271 Rn. 46 ff. - auch zur Abgrenzung gegenüber staatlichen Gerichten verbleibenden Prüfungspunkten).
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Es liegt auf der Hand, dass - von Missbrauchsfällen abgesehen - die von einer Religionsgemeinschaft bestätigte Mitgliedschaft als solche von den Verwaltungsgerichten bei der Untersuchung, ob dem Asylbewerber in seinem Heimatland eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit als flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung droht, nicht infrage gestellt werden darf. Die durch Taufe bewirkte Mitgliedschaft in einer christlichen Religionsgemeinschaft ist aber nur dann allein entscheidungserheblich, wenn eine Verfolgung in einem Land ausschließlich an der Kirchenzugehörigkeit anknüpft. Ist dies jedoch - wie nach der tatrichterlichen Würdigung der Verfolgungslage im Iran durch das Berufungsgericht - nicht der Fall, haben das Bundesamt bzw. die Verwaltungsgerichte auf der Rechtstatsache der Kirchenmitgliedschaft aufbauend bei der Beurteilung der Schwere einer drohenden Verletzung der Religionsfreiheit des Betroffenen zu prüfen, ob die Befolgung einer bestimmten gefahrträchtigen religiösen Praxis für ihn zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist. Da bereits der unter dem Druck drohender Verfolgung erzwungene Verzicht auf eine Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG erreichen kann, ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aufgrund drohender religiöser Verfolgung in diesem Fall maßgeblich, wie der Einzelne seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 28 ff. im Anschluss an EuGH, Urteil vom 5. September 2012 - C-71/11 und C-99/11 - NVwZ 2012, 1612). Dass diese Fragestellung in Teilbereichen zugleich auch als kirchenrechtliche Voraussetzung für die Taufe bedeutsam ist und von dem innerkirchlich zuständigen Amtsträger bejaht worden ist, macht sie - wie das Berufungsgericht zutreffend herausgestellt hat - mit Blick auf die hier zu prüfende, staatlichen Stellen obliegende Flüchtlingsanerkennung nicht zu einer "eigenen Angelegenheit" der Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV i.V.m. Art. 140 GG. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die jeweilige Religionsgemeinschaft als Körperschaft des Öffentlichen Rechts konstituiert ist oder nicht.
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Es bedarf auch keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass staatliche Stellen mit der eigenständigen Würdigung im Rahmen der Prüfung des § 3 Abs. 1 AsylVfG, ob eine bestimmte Glaubenspraxis für den Antragsteller nach seinem Glaubensverständnis ein zentrales Element seiner religiösen Identität bildet und in diesem Sinne für ihn unverzichtbar ist, nicht die sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 4 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 140 i.V.m. Art. 136 Abs. 1 und 4, Art. 137 Abs. 1 WRV ergebende Pflicht des Staates zur weltanschaulichen Neutralität verletzen. Denn eine verfassungsrechtlich unzulässige Bewertung des Glaubens oder der Lehre einer Kirche ist damit nicht verbunden. Bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung wegen geltend gemachter religiöser Verfolgung setzen sich staatliche Stellen weder mit Inhalten von Glaubenssätzen auseinander noch bewerten sie diese oder formulieren gar eigene Standpunkte in Glaubensdingen (zur Reichweite des Neutralitätsgebots: BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - EuGRZ 2014, 698 Rn. 88 ff. m.w.N.; vgl. auch EGMR, Urteil vom 15. Januar 2013 - Nr. 48420/10 u.a. - NJW 2014, 1935 Rn. 81 und Urteil vom 8. April 2014 - Nr. 70945/11 u.a. - NVwZ 2015, 499 Rn. 76). Sie entscheiden auch nicht über die Legitimität religiöser Glaubensüberzeugungen, sondern gehen lediglich der Stellung des einzelnen Antragstellers zu seinem Glauben nach, nämlich der Intensität selbst empfundener Verbindlichkeit von Glaubensgeboten für die Identität der Person. Darin liegt keine Verletzung der Pflicht des Staates zu weltanschaulicher Neutralität.
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch geklärt, dass die Verwaltungsgerichte sich bei der Prüfung der inneren Tatsache, ob der Kläger die unterdrückte religiöse Betätigung seines Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung seiner religiösen Identität empfindet, nicht auf eine Plausibilitätsprüfung hinreichend substantiierter Darlegung beschränken dürfen, sondern insoweit das Regelbeweismaß der vollen Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zugrunde zu legen haben (BVerwG, Urteil vom Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 30). Ein erneuter oder weitergehender Klärungsbedarf ergibt sich nicht daraus, dass die Anlegung des Regelbeweismaßes nach Auffassung der Beschwerde die Religionsfreiheit des Betroffenen und zugleich das kirchliche Selbstbestimmungsrecht verletzt. Denn eine Zurücknahme des tatrichterlichen Beweismaßes sowie der gerichtlichen Kontrolldichte ist nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nur bei der Bestimmung der Reichweite des Schutzbereichs des Art. 4 GG angezeigt. Bei der Würdigung dessen, was im Einzelfall als korporative oder individuelle Ausübung von Religion und Weltanschauung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG anzusehen ist, muss der zentralen Bedeutung des Begriffs der "Religionsausübung" durch eine extensive Auslegung Rechnung getragen werden; insoweit darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religionsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben. Die Formulierung ihres Selbstverständnisses und Auftrags - des kirchlichen Proprium - obliegt allein den Kirchen und ist als elementarer Bestandteil der korporativen Religionsfreiheit durch Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verfassungsrechtlich geschützt (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - EuGRZ 2014, 698 Rn. 101, 114). Auch auf der individuellen Ebene dürfen staatliche Organe nur prüfen, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich ein von dem Betroffenen als religiös geboten reklamiertes Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine als religiös anzusehende Motivation hat (BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10 u.a. - EuGRZ 2015, 181 Rn. 86 m.w.N.). Die gebotene Berücksichtigung des kirchlichen und individuellen Selbstverständnisses des Grundrechtsträgers bei der Bestimmung, wie weit der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG im konkreten Einzelfall reicht, ist jedoch nicht auf die der Schutzbereichsbestimmung vorgelagerte tatrichterliche Würdigung zu übertragen, ob und inwieweit eine Person eine bestimmte religiöse Betätigung ihres Glaubens für sich selbst als verpflichtend zur Wahrung ihrer religiösen Identität empfindet.
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Der Senat hat auch klargestellt, dass die religiöse Identität als innere Tatsache sich nur aus dem Vorbringen des Asylbewerbers sowie im Wege des Rückschlusses von äußeren Anhaltspunkten auf die innere Einstellung des Betroffenen feststellen lässt (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 31). Entgegen der Auffassung der Beschwerde wird die Glaubensfreiheit eines Asylbewerbers, der sich auf eine ihm drohende Verfolgung wegen seiner Religion beruft, nicht dadurch verletzt, dass es ihm im Rahmen der asylverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG) und des prozessrechtlichen Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) obliegt, staatlichen Stellen über sein religiöses Selbstverständnis Auskunft zu geben. Es unterliegt der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und ist insoweit keiner weiteren grundsätzlichen Klärung zugänglich, auf welche Weise der Tatrichter versucht, sich die erforderliche Überzeugungsgewissheit vom Vorliegen der entscheidungserheblichen Tatsache der Wahrung der religiösen Identität des Asylbewerbers zu verschaffen. Nicht weiter klärungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass es - wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist (UA S. 16) - die Glaubensfreiheit nicht verletzt und die Beweisanforderungen nicht überspannt, von einem Erwachsenen im Regelfall zu erwarten, dass dieser schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu den inneren Beweggründen für die Konversion machen kann und im Rahmen seiner Persönlichkeit und intellektuellen Disposition mit den Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist.
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2. Die Beschwerde rügt des Weiteren, dem Berufungsgericht fehle die notwendige Sachkunde zur Beurteilung der religiösen Identität des Klägers. Dem Verwaltungsgerichtshof hätte sich eine Begutachtung des Klägers in psychologischer und religiöser Hinsicht aufdrängen müssen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO). Die Aufklärungs- und damit verbundene Gehörsrüge verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
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Zum einen hat der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift in der Berufungsverhandlung keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1978 - 3 B 6.78 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 116). Aus welchen Gründen sich dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, legt die Beschwerde nicht dar. Zum anderen ist bei der Prüfung, ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, von dessen materiellrechtlicher Rechtsauffassung auszugehen, auch wenn diese - wofür hier nichts ersichtlich ist - verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289 Rn. 17 m.w.N.; stRspr). Es ist weder von der Beschwerde dargelegt noch sonst ersichtlich, aus welchen Gründen das Berufungsgericht - nachdem nicht etwa Glaubensinhalte einer fremden Religion aufzuklären waren - nicht über die ausreichende Sachkunde zur Beurteilung der religiösen Überzeugung und Identität des Klägers verfügen sollte. Für die Ermittlung und Würdigung des (Nicht-)Vorliegens dieser inneren Tatsache bedarf es in aller Regel keines nur Experten vorbehaltenen Wissens. Letztlich wendet sich die Beschwerde im Wege der Aufklärungs- und Gehörsrüge gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts; damit vermag sie indessen nicht durchzudringen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:
- 1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe; - 2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind; - 3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird; - 4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn - a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und - b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
- 5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.
(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
Tenor
I.
Ziffer 2 und die Androhung der Abschiebung nach Afghanistan in Ziffer 4 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein am ... in A. in der Provinz G. geborener afghanischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger der Hazara. Er gibt an, verheiratet zu sein und drei Kinder zu haben, aber bei seiner Ausreise an der Grenze zum Iran von seiner Familie getrennt worden zu sein. Er habe sein Herkunftsland im Jahre 2007 verlassen, zunächst etwa zwei Jahre lang in Pakistan und dann etwa ein halbes Jahr im Iran gelebt und sei danach in die Türkei weitergereist. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Türkei sei er mit einem Lkw nach Griechenland gereist und von dort aus weiter auf einer Fähre nach Italien. Nach kurzem Aufenthalt in Italien sei er per Pkw nach Deutschland gereist, wo er am 29. November 2010 polizeilich aufgegriffen wurde. Am 9. Dezember 2010 beantragte der Kläger Asyl.
2. In seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 27. Januar 2011 (Bl. 60 ff. der Bundesamtsakte) gab der Kläger zunächst an, er sei nach Pakistan gegangen, weil sein Vater verstorben sei, als er neun Jahre alt gewesen sei. Er sei dann von zwei Onkeln unterdrückt worden, die sein Land hätten haben wollen. Deswegen sei er ausgereist. In Pakistan habe er einen Dorfbewohner kennengelernt, der sein Land in Afghanistan gekauft habe. Mit dem Geld habe er seine Ausreise nach Deutschland finanziert. Aus Sicherheitsgründen habe er auch nicht in Pakistan leben können. Nach seinem Verfolgungsschicksal befragt, gab der Kläger an, seine Schwester sei von Zuhause ausgerissen, weil einer der Onkel sie nach dem Tode des Vaters mit einem älteren Mann habe verheiraten wollen. Der Kläger habe seine Schwester überall gesucht, auch in der Provinz Kandahar. Auf der Rückkehr von dort sei er von Taliban aufgegriffen worden, die seine Tazkira und seinen Dienstausweis weggenommen und ihn selbst entführt hätten. Sie hätten ihn zwei Monate lang in Aguhjan festgehalten und ihn verhört, insbesondere über sein Heimatdorf. Er sei auch gefoltert worden. Er sei dann an einen anderen Ort verlegt worden. Ein Kommandant namens Qayomham habe dann die Taliban angegriffen und sie vertrieben. Er habe den Kläger und andere entführte Personen nach Qarabagh gebracht. Dort habe er sie wiederum verhört. Danach sei der Kläger weggelaufen. Ein Freund habe ihm geraten, wegen der ganzen Probleme nach Pakistan zu gehen. Die Taliban hätten Ende des Jahres 1385 nach afghanischer Zeitrechnung sein Heimatdorf angegriffen und danach habe der Kommandant die Taliban angegriffen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das umfangreiche Protokoll der Anhörung Bezug genommen (Bl. 60/68 der Bundesamtsakte).
3. Mit Bescheid vom
4. Gegen diesen ihm am
Ergänzend wurde mit Schriftsatz vom
Vorgelegt wurde des Weiteren eine Bescheinigung der Baptistenkirche Aschaffenburg vom
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in der Person des Klägers festzustellen,
sowie den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
5. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
6. Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 3. Februar 2015
7. Mit Beschluss vom 3. März 2015
Verschiedene, in der Liste der Erkenntnismittel für Afghanistan, Stand Oktober 2014, verzeichnete Dokumente waren Gegenstand des Verfahrens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und im Hauptantrag begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Bescheid des Bundesamtes vom
1. Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylVfG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Danach wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Ausschlussgründe des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Herkunftsland).
Gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG ist vorliegend das Asylverfahrensgesetz in der ab
Gemessen an diesen Maßstäben befindet sich der Kläger aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb seines Heimatlandes. Aufgrund seiner Konversion zum christlichen Glauben droht ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylVfG (1.1). Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative i. S. d. § 3e AsylVfG zur Verfügung (1.2).
1.1 Eine Verfolgung i. S. d. Art. 9 Abs. 1 a) QRL, der durch § 3a Abs. 1 AsylVfG umgesetzt wurde, kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 28 m. w. N.).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 30;
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen im Falle des Klägers die erforderliche objektive (1.1.1) und subjektive Schwere (1.1.2) der ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohenden Verletzung seiner Religionsfreiheit vor. Ihm droht deshalb aufgrund eines anzuerkennenden subjektiven Nachfluchtgrundes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung i. S. d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs. 1 und 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG.
1.1.1 Nach der Überzeugung des Gerichtes sind zum Christentum konvertierte ehemalige Moslems in Afghanistan gezwungen, ihren Glauben entweder ganz zu verleugnen oder ihn zumindest auch im privaten Umfeld zu verheimlichen, da anderenfalls schwerwiegende Übergriffe durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure nicht ausgeschlossen werden können. Dauerhafter staatlicher Schutz vor derartigen Übergriffen ist derzeit - auch nur in bestimmten Landesteilen - nicht erreichbar (OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - juris Rn. 25 ff.; VG Würzburg, U. v. 27.8.2013 - W 1 K 12.30200 - juris Rn. 25;
Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan erklärt den Islam zur Staatsreligion Afghanistans. Zwar wird den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gewährleistet die Verfassung grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung. Dieses Grundrecht umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: März 2013, S. 10 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hamburg
1.1.2 Im Falle des Klägers liegt auch die erforderliche subjektive Schwere vor, weil es nach der Überzeugung des Gerichtes ein unverzichtbarer Bestandteil seiner religiösen Identität ist, seinen Glauben nicht zu verheimlichen, sondern ihn gemeinsam mit anderen auszuüben, insbesondere an Gottesdiensten teilzunehmen, und seinen Glauben an andere weiter zu geben.
Der formale Glaubenswechsel des Klägers ist durch den bereits vollzogenen Akt der Taufe am 28. Juli 2014 belegt. Darüber hinaus ist jedoch für die Annahme einer Verfolgungsgefahr und damit für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass der Glaubenswechsel, insbesondere wenn er erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsland durchgeführt wurde, nicht rein aus asyltaktischen Gründen erfolgt, sondern auf einem ernsthaften, dauerhaften religiösen Einstellungswandel beruht und nunmehr die religiöse Identität des Betroffenen prägt (BayVGH, B. v. 20.4.2015 - 14 ZB 13.30257 - juris Rn. 4;
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Hintergründe und Motive seines Glaubenswechsels zur vollen Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht. Er hat nachvollziehbar angegeben, sich nach seiner Trennung von der Familie bei der Ausreise und der Inhaftierung bei der Einreise in das Bundesgebiet in einer Phase der inneren Orientierungslosigkeit befunden zu haben, die er auch seelisch und körperlich in Form von Suizidgedanken und Atembeschwerden wahrgenommen habe. Durch die Begegnung mit einem anderen, bereits konvertierten afghanischen Staatsangehörigen in der Asylbewerberunterkunft sei er zur Baptistenkirche A. gekommen, wo er zunächst an Gottesdiensten und dann auch einem religiösen Hauskreis teilgenommen habe. Diese Angaben sind durch die vorgelegte Bescheinigung der Baptistenkirche A., auch in zeitlicher Hinsicht, belegt. Mit dem Beginn seiner Gottesdienstbesuche habe er zunehmend eine Besserung seiner seelischen und körperlichen Beschwerden verspürt, was für ihn das entscheidende Erlebnis (Schlüsselerlebnis) dargestellt habe, zum christlichen Glauben überzutreten.
Der Kläger hat dieses Schlüsselerlebnis seiner „Heilung“, wie er es selbst bezeichnet, für das Gericht nachvollziehbar religiös gedeutet. Er hat in der mündlichen Verhandlung aus der von ihm mitgebrachten persischen Bibel Textstellen des Matthäus-Evangeliums zitiert, nach denen Jesus Kranke heilte. Aufgrund dieser Heilungsgeschichten in der Heiligen Schrift und seines von ihm so erlebten Heilungsprozesses sei er zu der festen Überzeugung gekommen, dass die biblischen Verheißungen Wahrheit seien. Damit hat der Kläger einen gewissensgeleiteten, durch religiöse Werte und Normen hervorgerufenen Akt der inneren Umkehr und damit einen Wendepunkt in seinem Leben glaubhaft geschildert und damit hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei seiner Hinwendung zum Christentum um eine Gewissensentscheidung handelt, die von einer echten Glaubensüberzeugung geleitet ist. Zugleich hat er Kenntnisse von wesentlichen Glaubensinhalten nachgewiesen, dies auch durch seine Bezugnahme auf den Missionsbefehl im Matthäus-Evangelium, Kapitel 28, Vers 18-20 im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung.
Der Kläger konnte auch darlegen, dass er seinen neuen Glauben im Bundesgebiet praktiziert und dies auch im Herkunftsland tun wollen würde. Er nimmt ausweislich der vorgelegten Bescheinigung regelmäßig an den Gottesdiensten und Bibelkreisen der Baptistenkirche in A. teil und ist seit dem Ausscheiden eines afghanischen Landsmannes aus der Asylbewerberunterkunft selbst Gastgeber eines wöchentlich stattfindenden Hauskreises. Außerdem hat der Kläger erklärt, dass er den Befehl zur Missionierung für sich als verbindlich betrachte. Er würde auch in Afghanistan auf jeden Fall als Christ leben wollen. Denn die von ihm erlebte seelische Heilung sei sein größter Schatz, den er nicht preisgeben wolle. Mit diesen Verhaltensweisen und Überzeugungen würde der Kläger in der muslimisch geprägten Gesellschaft Afghanistans unweigerlich auffallen und landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sein. Damit hat er glaubhaft gemacht, auch in Afghanistan unter Inkaufnahme von Risiken als Christ leben zu wollen. Es steht somit fest, dass der Kläger sich zur Wahrung seiner religiösen Identität auch in Afghanistan zu seinem Glauben bekennen würde. Es wäre ihm deshalb im Herkunftsland nicht möglich, seine Religion entsprechend seinem religiösen Selbstverständnis auszuüben, ohne der Gefahr einer Verfolgung durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure i. S. d. § 3c Nr. 1, 3 AsylVfG ausgesetzt zu sein.
1.2 Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die oben (Punkt 1.1.1) geschilderten Gefahren für zum Christentum konvertierte Moslems drohen in Afghanistan landesweit, auch in der Stadt Kabul. Zwar mögen insbesondere nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger als in Dorfgemeinschaften zu befürchten sein (vgl. Lagebericht, S. 11). Selbst dort gibt es aber für christliche Afghanen keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Schutz vor Übergriffen Privater ist für Christen in keinem Landesteil Afghanistans dauerhaft zu erreichen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft v. 22.12.2004, S. 2; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage, Oktober 2014, S. 17; IGFM, Stellungnahme v. 27.2.2008, S. 1). In der Rechtsprechung wird diese Einschätzung teilweise geteilt (z. B. OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - InfAuslR 2008, 411, juris Rn. 33 ff., dort auch explizit zu Kabul; VG Würzburg, U. v. 25.2.2014 - W 1 K 13.30164 - juris Rn. 37;
Nach alledem hat die Klage im Hauptantrag Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Dezember 2016 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2016 aufzuheben und diese zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,
hilfsweise den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen,
weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5-7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
die Klage abzuweisen.
Gründe
Tenor
I. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 6. Dezember 2016 wird aufgehoben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 6. Dezember 2016 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise subsidiären Schutz entsprechend § 4 AsylG zuzuerkennen,
weiterhin hilfsweise festzustellen, dass ein nationales Abschiebungshindernis des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
die Klage abzuweisen.
Gründe
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am ... in der Stadt Mashad im Iran geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger schiitischer Glaubenszugehörigkeit und der Volkszugehörigkeit der Hazara. Der Kläger gibt an, am 11. Mai 2011 in die Bundesrepublik Deutschland auf dem Landweg eingereist zu sein, wo er am 31. Mai 2011 einen Asylantrag stellte.
Im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe in Mashad die afghanische Schule bis zur 8. Klasse besucht. Seine Eltern, drei Brüder und zwei Schwestern lebten noch in dieser Stadt. Auch habe er eine Tante und mehrere Onkel im Iran. Die beiden letzten Jahre vor seiner Ausreise habe er alleine in Teheran gelebt und dort gearbeitet. Beruflich habe er das gemacht, was sich gerade angeboten habe. Seine Eltern stammten aus dem afghanischen Dorf Lale Sare Jangal. Er habe in Afghanistan keine Verwandten mehr. Zu seinen Fluchtgründen gab der Kläger an, dass die Lage im Iran für Afghanen schlimm gewesen sei. Seinen Wunsch, einen guten Job zu bekommen, habe ihm die iranische Regierung genommen. Um seine Ruhe zu haben, habe er ständig Schmiergeld zahlen müssen. Auch sei er mehrmals festgenommen worden. Er habe einmal eine Woche lang in einem Abschiebelager verbracht. Im Jahre 2006 sei ein Onkel getötet worden. Der Bruder der Frau des getöteten Onkels habe ihnen dann Probleme bereitet. Er habe die Familie bezichtigt, seine Schwester in Verruf gebracht zu haben. Dies habe dazu geführt, dass seine Familie beschlossen habe, den Iran zu verlassen. Zu Afghanistan habe er keinerlei Bezug. Die Hazara seien dort gefährdet; sie würden von den Taliban getötet.
Mit Bescheid des Bundesamts vom
Gegen den am 28. März 2013 zur Post gegebenen Bescheid ließ der Kläger durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12. April 2013, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tag, Klage erheben und beantragen:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
hilfsweise festzustellen, dass bei dem Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Des Weiteren wurde beantragt, dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Mit Schriftsatz vom
Mit Schriftsatz vom
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2016
Es wurden verschiedene Erkenntnismittel zu Afghanistan, Stand April 2016, zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, auf die Bezug genommen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom
Gründe
Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist auch begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1, Abs. 4 AsylG. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes vom 25. März 2013 ist daher, soweit er Gegenstand der Klage ist und der Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegensteht, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Soweit die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter abgelehnt wurde (Ziffer 1), ist der Bescheid hingegen unanfechtbar geworden und daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der ab 6. August 2016 geltenden, durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939 ff.) geschaffenen Fassung anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. AsylVfG - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen.
Gemessen an diesen Maßstäben befindet sich der Kläger aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Aufgrund seiner Konversion zum christlichen Glauben droht ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG. Für den Kläger besteht auch keine Möglichkeit des internen Schutzes i. S. d. § 3e AsylG.
Eine Verfolgung i. S. d. Art. 9 Abs. 1 a) Qualifikationsrichtlinie (QRL), der durch § 3a Abs. 1 AsylVfG in deutsches Recht umgesetzt wurde, kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 28 m. w. N.).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 30;
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen im Falle des Klägers die erforderliche objektive (1.) und subjektive (2.) Schwere der ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohenden Verletzung seiner Religionsfreiheit vor. Ihm droht deshalb aufgrund eines anzuerkennenden subjektiven Nachfluchtgrundes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung i. S. d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs. 1 und 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG.
1. Nach der Überzeugung des Gerichtes sind zum Christentum konvertierte ehemalige Moslems in Afghanistan gezwungen, ihren Glauben entweder ganz zu verleugnen oder ihn zumindest auch im privaten Umfeld zu verheimlichen, da anderenfalls schwerwiegende Übergriffe durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure nicht ausgeschlossen werden können. Dauerhafter staatlicher Schutz vor derartigen Übergriffen ist derzeit - auch nur in bestimmten Landesteilen - nicht erreichbar (OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - juris Rn. 25 ff.; VG Würzburg, U. v. 27.8.2013 - W 1 K 12.30200 - juris Rn. 25;
Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan erklärt den Islam zur Staatsreligion Afghanistans. Zwar wird den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gewährleistet die Verfassung grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung. Dieses Grundrecht umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: März 2013, S. 10 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hamburg
2. Im Falle des Klägers liegt auch die erforderliche subjektive Schwere der Verletzung der Religionsfreiheit vor, weil es nach Überzeugung des Gerichts ein unverzichtbarer Bestandteil seiner religiösen Identität ist, seinen Glauben nicht zu verheimlichen, sondern ihn gemeinsam mit anderen auszuüben, insbesondere an Gottesdiensten teilzunehmen, sich mit der Bibel und den christlichen Glaubensinhalten zu beschäftigen und den Glauben an andere weiterzugeben.
Der formale Glaubenswechsel des Klägers ist durch den bereits vollzogenen Akt der Taufe am 11. Mai 2015 belegt. Darüber hinaus ist jedoch für die Annahme einer Verfolgungsgefahr und damit für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass der Glaubenswechsel, insbesondere wenn er erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsland durchgeführt wurde, nicht rein aus asyltaktischen Gründen erfolgt, sondern auf einem ernsthaften, dauerhaften religiösen Einstellungswandel beruht und nunmehr die religiöse Identität des Betroffenen prägt (BayVGH, B. v. 20.4.2015 - 14 ZB 13.30257 - juris Rn. 4;
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Hintergründe und Motive seines Glaubenswechsels zur vollen Überzeugung des Gerichts glaubhaft machen können. Das Gericht hat hierbei den Eindruck gewonnen, dass der Kläger sich aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis zum islamischen Glauben gelöst und dem Christentum zugewandt hat. So hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, wie er im Iran, obwohl seine Mitmenschen - wie er selbst - islamischen Glaubens gewesen seien, von der einheimischen Bevölkerung unterdrückt worden sei, weil er der Volksgruppe der Hazara zugehört und aus Afghanistan stammt. In Deutschland sei er dann vor etwa eineinhalb Jahren über einen iranischen Freund sowie seine seinerzeitige Deutschlehrerin das erste Mal mit der christlichen Gemeinde ... in Berührung gekommen. Der Kläger hat sodann überzeugend weiter ausgeführt, dass jeder Mensch eine Beruhigung brauche; er selbst benötige diese Ruhe insbesondere wegen seiner schwierigen Situation in Deutschland und weil man im Iran versucht habe, ihn zu töten. Er habe nach dem Besuch der Gottesdienste gespürt, dass er stets ruhiger gewesen sei; er habe sich immer gut gefühlt, so dass aufgrund dessen mit der Zeit der Glaube für ihn immer interessanter geworden sei. Die positive Wirkung der Gemeinschaft im Glauben auf seine eigene Person und die Erfahrung, dass die Menschen in der Kirche stets sehr nett zu ihm gewesen seien, hätten schließlich dazu geführt, dass auch er „so ein Mensch habe werden wollen“, weshalb er sich zur Taufe entschlossen habe.
Der Kläger hat zudem überzeugend darlegen können, dass er sich aus tiefer innerer Überzeugung dem Christentum zugewendet hat. Er hat in diesem Zusammenhang erläutert, dass er vom Christentum das erhalte, was er vom Islam nicht bekommen habe. Zentral sei für ihn in diesem Zusammenhang die Nächstenliebe im christlichen Glauben, die es im Islam so nicht gebe. Dies deckt sich auch mit der von ihm beschriebenen lebensgeschichtlichen Erfahrung, wonach er im Iran von gläubigen Menschen des Islam rein aufgrund äußerer Merkmale unterdrückt worden sei. Ein zweiter herausragender Aspekt für die Hinwendung zum christlichen Glauben sei für ihn der Friede; Frieden und Liebe seien die zentralen Aspekte in der Bibel, wohingegen der Koran grausam sei und man im Islam alles machen dürfe. Er sehe im Christentum zudem den einzig richtigen Weg, sich Gott zu nähern. Wichtig sei ihm hierbei vor allem, dass es sich beim christlichen Glauben um eine Religion handele, in der jeder sein Recht bekomme. Damit hat der Kläger einen gewissensgeleiteten, durch religiöse Werte und Normen hervorgerufenen Akt der inneren Umkehr und einen Wendepunkt in seinem Leben glaubhaft geschildert und hiermit hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei seiner Hinwendung zum Christentum um eine Gewissensentscheidung handelt, die von einer echten Glaubensüberzeugung und nicht von asyltaktischen Erwägungen geleitet ist. Der Kläger machte auf das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen sehr ruhigen und in sich gekehrten Eindruck; seine Antworten auf die Fragen des Gerichts waren jedoch stets spontan und ohne Zögern. An keiner Stelle drängte sich dem Gericht der Eindruck auf, dass der Kläger in seinen Aussagen inhaltlich übertrieben, sondern stets in jeder Hinsicht authentisch von tatsächlichen eigenen Überzeugungen und Erlebnissen berichtet hat. Der Kläger erscheint dem Gericht daher auch persönlich glaubwürdig.
Der Kläger hat darüber hinaus auch glaubhaft machen können, mit zentralen Inhalten des christlichen Glaubens vertraut zu sein, indem er etwa auf Frage des Gerichts eine Reihe von christlichen Feiertagen aufzählen und deren Bedeutung erläutern konnte. Auch die Bedeutung der 10 Gebote konnte der Kläger darlegen sowie den Inhalt einzelner dieser Gebote benennen. Auch dies spricht nach Überzeugung des Gerichts für die Glaubhaftigkeit der Konversion.
Der Kläger konnte auch darlegen, dass er seinen neuen Glauben in Deutschland praktiziert und dies auch in Afghanistan tun wollen würde. Er hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung glaubhaft erläutert, dass er jede Woche am Gottesdienst der Gemeinde .... teilnehme und dort zudem über die Bibel und das Christentum unterrichtet werde. Er habe sich explizit dieser Gemeinde angeschlossen, da der Glaube dort auch in persischer Sprache unterrichtet werde, was ihm besonders wichtig gewesen sei. Auch hierdurch wird die Ernsthaftigkeit des Glaubenswechsels zur Überzeugung des Gerichts nochmals bekräftigt. Überdies übernehme er in der Gemeinde auch ehrenamtliche Tätigkeiten und helfe neuen Flüchtlingen, die in die Gemeinde kämen. All diese Betätigungen werden auch durch eine Bescheinigung der Gemeinde Bauhaus e.V. vom 11. Juli 2015 bestätigt. Der Kläger hat klar und deutlich erklärt, dass er auch in Afghanistan auf jedem Fall Christ bleiben und seinen neuen Glauben dort öffentlich verbreiten wolle. Eine Rückkehr zum Islam und ein Leben nach den islamischen Glaubensriten könne er sich nicht mehr vorstellen. Er sei nun zum christlichen Glauben gekommen und wolle auch weiterhin danach leben. Mit diesen genannten Verhaltensweisen und Überzeugungen würde der Kläger in der ausschließlich muslimisch geprägten Gesellschaft Afghanistans unweigerlich auffallen und landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sein. Damit hat er glaubhaft gemacht, auch in Afghanistan unter Inkaufnahme von Risiken als Christ leben zu wollen. Es steht somit fest, dass der Kläger sich zur Wahrung seiner religiösen Identität auch in Afghanistan zu seinem Glauben bekennen würde. Es wäre ihm deshalb im Herkunftsland nicht möglich, seine Religion entsprechend seinem religiösen Selbstverständnis auszuüben, ohne der Gefahr einer Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure i. S. des § 3c Nr. 1, 3 AsylG ausgesetzt zu sein.
Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die oben (unter 1.) geschilderten Gefahren für vom Glauben abgefallene Muslime drohen in Afghanistan landesweit, auch in der Stadt Kabul. Zwar mögen insbesondere nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger als in Dorfgemeinschaften zu befürchten seien. Selbst dort würde aber ein vom Glauben abgefallener Muslim unweigerlich auffallen und selbst im privaten, familiären Umfeld bedroht sein (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1. Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am ... ... ... in Samangan geboren und ist afghanischer Staatsangehöriger mit der Volkszugehörigkeit der Hazara und schiitischen Glaubens. Er gibt an, im Alter von acht Jahren mit seiner Familie in den Iran gezogen zu sein. Er verließ den Iran Ende September/Anfang Oktober 2010 in einem Lkw und reiste über die Türkei, Griechenland, Italien und Frankreich am 22. November 2010 in das Bundesgebiet ein. Hier stellte er am 2. Dezember 2010 einen Asylantrag.
2. In der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 29. Dezember 2010 gab der Kläger im Wesentlichen an, seine sechs Geschwister, drei Brüder und drei Schwestern, lebten noch in Isfahan im Iran. Von seiner Familie lebten im Herkunftsland noch ein Onkel und eine Tante sowie weitere Verwandte seiner Eltern in der Region Samangan. Er habe drei Jahre lang in Afghanistan und zwei Jahre lang im Iran die Schule besucht. Sie hätten im Iran keinen legalen Aufenthalt gehabt, er habe aber Privatunterricht bekommen. Er habe keinen Beruf erlernt, sondern zusammen mit seinem Vater als Hilfskraft in der Landwirtschaft gearbeitet. Er habe die Ausreise teilweise mit mitgebrachtem Geld finanziert, teilweise habe er noch von seinem Vater Geld bekommen. Die Lage im Iran sei für afghanische Flüchtlinge schlimm, weil man kein Aufenthaltsrecht erhalte und deshalb ständig Probleme mit den Sicherheitskräften habe. Er sei mehrfach auf der Straße aufgegriffen und festgenommen worden und nur gegen Schmiergeldzahlungen wieder freigekommen. Andererseits seien auch Afghanen nach Afghanistan abgeschoben worden. Dies sei so weit gegangen, dass er dort nicht mehr habe bleiben können. In Afghanistan hätten sie auch Probleme gehabt, wobei er hierüber in Anbetracht seines Alters im Zeitpunkt der Ausreise nicht viel erzählen könne. Sein Vater habe, wie viele Hazara, Streitigkeiten mit den Paschtunen in der Region um Grundstücke gehabt. Die Paschtunen hätten die Felder seines Vaters für sich beansprucht und diesen so lange zusammengeschlagen, bis seine Familie gezwungen gewesen sei, aus Afghanistan auszureisen. Das sei vor etwa neun oder zehn Jahren geschehen. Sein Vater habe die Besitztumsurkunde damals nicht herausgegeben, deshalb sei er auch so schwer zusammengeschlagen worden, dass er zwei Monate lang in stationärer Behandlung gewesen sei. Die Familie habe in Afghanistan von den Feldern gelebt, diese aber zurücklassen müssen. Im Iran hätten sein Vater, sein Bruder und er selbst ab dem Alter von neun Jahren gearbeitet. Da sein Vater die Urkunde immer noch nicht hergegeben habe, könne es sein, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Samangan entführt werde, um die Herausgabe der Urkunde zu erzwingen. Er habe dort auch keine Lebensgrundlage, weil die Felder von Fremden bestellt würden. Zwar verfüge sein Onkel über Land in Samangan, dabei handle es sich jedoch um Ländereien, die der Großvater von Paschtunen und Usbeken gekauft habe. Deshalb habe der Onkel keine Grundstücksstreitigkeiten mit Paschtunen gehabt.
3. Mit Bescheid vom
4. Mit Schriftsatz vom
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
5. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
6. Mit Beschluss vom 11. März 2016
7. Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsatz vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten, insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom
Gründe
Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist auch begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Soweit die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter abgelehnt wurde (Ziffer 1), ist der Bescheid vom
Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG). Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Anzuwenden ist vorliegend gemäß § 77 Abs. 1 AsylG das Asylgesetz vom 24. Oktober 2015 (Art. 1, Art. 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes v. 20.10.2015, BGBl. I, S. 1722 ff.) in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 390 ff.) sowie Art. 2 des Gesetzes zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 12. März 2016 (BGBl. I, S. 394 ff.). Die §§ 3 bis 3e AsylG setzen die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) - im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBl. 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betroffenen Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen.
Gemessen an diesen Maßstäben befindet sich der Kläger nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb seines Herkunftslandes. Aufgrund seines ernsthaften und glaubhaften Abfalls vom Islam droht ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG (1.). Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative i. S. d. § 3e AsylG zur Verfügung (2.).
1. Eine Verfolgung i. S. d. Art. 9 Abs. 1a QRL, der durch § 3a Abs. 1 AsylG umgesetzt wurde, kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 5.9.2012 - Y und Z, C - 71/11
Das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GR-Charta umfasst auch die sogenannte negative Religionsfreiheit, d. h. die Freiheit, eine bestimmte religiöse Überzeugung nicht zu teilen bzw. nicht an religiösen Handlungen teilzunehmen (Jarass, Charta der Grundrechte der EU, 2. Aufl. 2013, Art. 10 Rn. 10; Bernsdorff in Meyer, Charta der Grundrechte der EU, 4. Aufl. 2014, Art. 10 Rn. 12), weshalb insoweit dieselben o. g. Maßstäbe gelten wie bei der Beurteilung eines Eingriffs in die positive Religionsfreiheit.
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung i. S.v. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U.v. 5.9.2012 - Y und Z, C - 71/11
- aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 28 m. w. N.). Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, U.v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U.v. 25.8.2015 - 1 B 40/15 - juris Rn. 13;
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen im Falle des Klägers zur vollen Überzeugung des Gerichts die erforderliche objektive und subjektive Schwere der ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohenden Verletzung seiner negativen Religionsfreiheit vor. Der Kläger wäre im Falle der Rückkehr nach Afghanistan gezwungen, seinen Abfall vom muslimischen Glauben zu verbergen, auch im privaten Umfeld, um an religiösen Handlungen der muslimischen Mehrheitsbevölkerung aktiv teilzunehmen, da anderenfalls schwerwiegende Übergriffe durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure nicht ausgeschlossen werden können. Dauerhaft staatlicher Schutz vor derartigen Übergriffen ist derzeit - auch nur in bestimmten Landesteilen nicht erreichbar, insoweit gilt das vom erkennenden Gericht für zum Christentum konvertierte ehemalige Muslime entsprechend auch für den Kläger, der sich durch seinen Abfall vom Islam der sogenannten Apostasie aus Sicht der muslimischen Mehrheitsbevölkerung schuldig gemacht hat. Ihm droht deshalb aufgrund eines anzuerkennenden subjektiven Nachfluchtgrundes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung i. S. d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs. 1 und 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
1.1 Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan erklärt den Islam zur Staatsreligion. Zwar wird den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gewährleistet die Verfassung grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung. Dieses Grundrecht umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan, Stand November 2015, S. 11; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hamburg
1.2 Im Falle des Klägers liegt auch die erforderliche subjektive Schwere vor, weil es nach der aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung des Gerichtes ein unverzichtbarer Bestandteil seiner religiösen Identität ist, sich nicht mehr mit dem muslimischen Glauben zu identifizieren und nicht an muslimischen Reden, insbesondere dem öffentlichen fünfmal täglichen Gebet, dem Moscheebesuch oder islamischen Feierlichkeiten teilzunehmen.
Da es bei einem Abfall vom Islam ohne Hinwendung zu einer anderen Religion an einem formalen bestätigenden Akt wie der Taufe fehlt, ist maßgeblich auf die Glaubhaftigkeit des Vortrags des Betroffenen zu den Gründen seiner Abwendung vom bisherigen Glauben abzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für die Annahme einer Verfolgungsgefahr und damit für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich ist, dass der Abfall vom Islam, insbesondere wenn er erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsland durchgeführt wurde, nicht rein aus asyltaktischen Gründen vorgetragen wird, sondern auf einem ernsthaften, dauerhaften religiösen Einstellungswandel beruht und nunmehr die religiöse Identität des Betroffenen prägt (vgl. zur Konversion BVerwG, B.v. 25.8.2015 - 1 B 40/15 - juris Rn. 14;
Gemessen daran hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Glaubenswechsel überzeugend dargelegt. Er hat das Gericht aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindrucks davon überzeugt, dass sein bereits im Herkunftsland begonnener und in Deutschland abgeschlossener Abfall vom muslimischen Glauben mittlerweile dergestalt identitätsprägend ist, dass davon auszugehen ist, dass er seine nunmehrige Weltanschauung bei einer Rückkehr in sein Heimatland leben und praktizieren wird. Nach dem Eindruck, den das Gericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnen hat, hat sich dieser ernsthaft und mit innerer Überzeugung vom Islam abgewandt und lebt nunmehr eine nichtmuslimische religiöse Grundhaltung.
Der Kläger hat nachvollziehbar seine Motive dargestellt, die eine Abkehr vom bisherigen Glauben lebensgeschichtlich zu erklären geeignet sind. Er hat überzeugend dargelegt, dass er bereits im Kindesalter mehrere Erlebnisse hatte, aufgrund derer er zu der Einstellung gekommen ist, dass die Menschen seines früheren, muslimisch geprägten Umfeldes nicht nach den Geboten ihres Glaubens lebten und Menschen anderer Religion unterdrückten. So hat der Kläger zum einen das bereits beim Bundesamt vorgetragene Geschehen der Grundstücksstreitigkeit seines Vaters und seines Großvaters in Beziehung zum muslimischen Glauben gesetzt. Denn der Grundstückskauf durch seine Vorfahren wurde zwar vor Gericht mit einem Eid auf den Koran beglaubigt, dennoch hat der ehemalige Besitzer sich nicht an den Vertrag gehalten und immer wieder Vieh und Ernte gestohlen und den Vater des Klägers krankenhausreif geschlagen, um die Grundstücke zurück zu bekommen. Der Kläger hat als kleines Kind mit angesehen, wie sein Vater von gläubigen Menschen zusammengeschlagen wurde. Er hat des Weiteren schlüssig vorgetragen, dass er seiner Überzeugung nach frei im Glauben sei, dass es ihm wichtig sei, freie Entscheidungen zu treffen, dass ihm Menschlichkeit wichtiger sei als die Befolgung religiöser Gebote und dass er es deshalb nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, bestimmten religiösen Pflichten nachzukommen. Er hat des Weiteren dargelegt, dass er bereits im Alter von acht Jahren sein Herkunftsland verlassen hat und dass seine jetzige Denkweise mit den Menschen dort nicht zusammenpasst. Des Weiteren hat der Kläger nachvollziehbar erklärt, er könne sich nicht vorstellen, wieder in einer muslimischen Gesellschaft zu leben, in die Moschee zu gehen und mit religiösen Menschen Kontakt zu haben. Er könne sich mit diesen nicht identifizieren und es könne von ihm nicht verlangt werden, an religiösen Handlungen teilzunehmen, die nicht seiner religiösen Überzeugung entsprächen.
Aufgrund dieser Ausführungen steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Kläger bereits im Kindesalter einen Prozess des inneren Einstellungswandels begonnen hat, der durch das Verlassen des Herkunftslandes und schließlich seine Flucht nach Deutschland unterstützt und gefestigt wurde. Der nunmehr schon langjährige Aufenthalt des Klägers in einer westlichen, durch Religionsfreiheit sowie weitgehende Trennung von Staat und Kirche geprägten Gesellschaft hat es dem Kläger ermöglicht, das afghanische Gesellschaftsmodell sowie das westliche Gesellschaftsmodell einander gegenüber zu stellen. Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung deutlich gewordenen intellektuellen Fähigkeiten des Klägers steht auch fest, dass er die Unterschiede der beiden Gesellschaftsmodelle reflektiert und diese in einen Bezug zu seiner religiösen Erziehung gestellt hat. Auf der Grundlage seiner bereits im Herkunftsland gewachsenen Zweifel am muslimischen Glauben ist er so zu der Überzeugung gelangt, dass weder er selbst noch irgendeine andere Person zu einer bestimmten religiösen Überzeugung bzw. zu religiösen Handlungen gezwungen werden könne und dass nicht eine bestimmte Religion, sondern die Menschlichkeit als oberste Handlungsmaxime für ihn gelte.
Nach alledem bestehen für das Gericht keine Zweifel daran, dass der Kläger über einen längeren Prozess hinweg aus seiner festen ernstgemeinten inneren Überzeugung eine vom Islam abweichende religiöse Überzeugung i. S. d. § 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylG angenommen hat und er sein Leben danach ausgerichtet hat. Mit diesen Verhaltensweisen und Überzeugungen würde der Kläger in der muslimisch geprägten Gesellschaft Afghanistans unweigerlich auffallen und landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt seien. Damit hat er glaubhaft gemacht, auch in Afghanistan unter Inkaufnahme von Risiken nicht mehr als gläubiger Moslem leben zu wollen. Es steht somit fest, dass der Kläger sich zur Wahrung seiner religiösen Identität auch in Afghanistan zu seinen religiösen Einstellungen bekennen würde. Es wäre ihm deshalb im Herkunftsland nicht nicht möglich, seinen religiösen Überzeugungen entsprechend zu leben, ohne der Gefahr einer Verfolgung durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure i. S. d. § 3c Nr. 1, 3 AsylG ausgesetzt zu sein.
2. Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die oben (Punkt 1.1) geschilderten Gefahren für vom Glauben abgefallene Muslime drohen in Afghanistan landesweit, auch in der Stadt Kabul. Zwar mögen insbesondere nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger als in Dorfgemeinschaften zu befürchten seien (vgl. Lagebericht, S. 12). Selbst dort würde aber ein vom Glauben abgefallener Muslim unweigerlich auffallen und selbst im privaten, familiären Umfeld bedroht sein (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Würzburg
3. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
I.
Ziffer 2 und die Androhung der Abschiebung nach Afghanistan in Ziffer 4 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1. Der Kläger ist nach eigenen Angaben ein am ... in A. in der Provinz G. geborener afghanischer Staatsangehöriger und Volkszugehöriger der Hazara. Er gibt an, verheiratet zu sein und drei Kinder zu haben, aber bei seiner Ausreise an der Grenze zum Iran von seiner Familie getrennt worden zu sein. Er habe sein Herkunftsland im Jahre 2007 verlassen, zunächst etwa zwei Jahre lang in Pakistan und dann etwa ein halbes Jahr im Iran gelebt und sei danach in die Türkei weitergereist. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Türkei sei er mit einem Lkw nach Griechenland gereist und von dort aus weiter auf einer Fähre nach Italien. Nach kurzem Aufenthalt in Italien sei er per Pkw nach Deutschland gereist, wo er am 29. November 2010 polizeilich aufgegriffen wurde. Am 9. Dezember 2010 beantragte der Kläger Asyl.
2. In seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 27. Januar 2011 (Bl. 60 ff. der Bundesamtsakte) gab der Kläger zunächst an, er sei nach Pakistan gegangen, weil sein Vater verstorben sei, als er neun Jahre alt gewesen sei. Er sei dann von zwei Onkeln unterdrückt worden, die sein Land hätten haben wollen. Deswegen sei er ausgereist. In Pakistan habe er einen Dorfbewohner kennengelernt, der sein Land in Afghanistan gekauft habe. Mit dem Geld habe er seine Ausreise nach Deutschland finanziert. Aus Sicherheitsgründen habe er auch nicht in Pakistan leben können. Nach seinem Verfolgungsschicksal befragt, gab der Kläger an, seine Schwester sei von Zuhause ausgerissen, weil einer der Onkel sie nach dem Tode des Vaters mit einem älteren Mann habe verheiraten wollen. Der Kläger habe seine Schwester überall gesucht, auch in der Provinz Kandahar. Auf der Rückkehr von dort sei er von Taliban aufgegriffen worden, die seine Tazkira und seinen Dienstausweis weggenommen und ihn selbst entführt hätten. Sie hätten ihn zwei Monate lang in Aguhjan festgehalten und ihn verhört, insbesondere über sein Heimatdorf. Er sei auch gefoltert worden. Er sei dann an einen anderen Ort verlegt worden. Ein Kommandant namens Qayomham habe dann die Taliban angegriffen und sie vertrieben. Er habe den Kläger und andere entführte Personen nach Qarabagh gebracht. Dort habe er sie wiederum verhört. Danach sei der Kläger weggelaufen. Ein Freund habe ihm geraten, wegen der ganzen Probleme nach Pakistan zu gehen. Die Taliban hätten Ende des Jahres 1385 nach afghanischer Zeitrechnung sein Heimatdorf angegriffen und danach habe der Kommandant die Taliban angegriffen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das umfangreiche Protokoll der Anhörung Bezug genommen (Bl. 60/68 der Bundesamtsakte).
3. Mit Bescheid vom
4. Gegen diesen ihm am
Ergänzend wurde mit Schriftsatz vom
Vorgelegt wurde des Weiteren eine Bescheinigung der Baptistenkirche Aschaffenburg vom
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
hilfsweise dem Kläger den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
hilfsweise Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG in der Person des Klägers festzustellen,
sowie den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
5. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
6. Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 3. Februar 2015
7. Mit Beschluss vom 3. März 2015
Verschiedene, in der Liste der Erkenntnismittel für Afghanistan, Stand Oktober 2014, verzeichnete Dokumente waren Gegenstand des Verfahrens.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage, über die trotz des Ausbleibens von Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und im Hauptantrag begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Bescheid des Bundesamtes vom
1. Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylVfG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Danach wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Ausschlussgründe des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Herkunftsland).
Gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG ist vorliegend das Asylverfahrensgesetz in der ab
Gemessen an diesen Maßstäben befindet sich der Kläger aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb seines Heimatlandes. Aufgrund seiner Konversion zum christlichen Glauben droht ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylVfG (1.1). Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative i. S. d. § 3e AsylVfG zur Verfügung (1.2).
1.1 Eine Verfolgung i. S. d. Art. 9 Abs. 1 a) QRL, der durch § 3a Abs. 1 AsylVfG umgesetzt wurde, kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere - aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 28 m. w. N.).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 30;
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen im Falle des Klägers die erforderliche objektive (1.1.1) und subjektive Schwere (1.1.2) der ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohenden Verletzung seiner Religionsfreiheit vor. Ihm droht deshalb aufgrund eines anzuerkennenden subjektiven Nachfluchtgrundes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung i. S. d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3a Abs. 1 und 3b Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG.
1.1.1 Nach der Überzeugung des Gerichtes sind zum Christentum konvertierte ehemalige Moslems in Afghanistan gezwungen, ihren Glauben entweder ganz zu verleugnen oder ihn zumindest auch im privaten Umfeld zu verheimlichen, da anderenfalls schwerwiegende Übergriffe durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure nicht ausgeschlossen werden können. Dauerhafter staatlicher Schutz vor derartigen Übergriffen ist derzeit - auch nur in bestimmten Landesteilen - nicht erreichbar (OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - juris Rn. 25 ff.; VG Würzburg, U. v. 27.8.2013 - W 1 K 12.30200 - juris Rn. 25;
Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan erklärt den Islam zur Staatsreligion Afghanistans. Zwar wird den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gewährleistet die Verfassung grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung. Dieses Grundrecht umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: März 2013, S. 10 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hamburg
1.1.2 Im Falle des Klägers liegt auch die erforderliche subjektive Schwere vor, weil es nach der Überzeugung des Gerichtes ein unverzichtbarer Bestandteil seiner religiösen Identität ist, seinen Glauben nicht zu verheimlichen, sondern ihn gemeinsam mit anderen auszuüben, insbesondere an Gottesdiensten teilzunehmen, und seinen Glauben an andere weiter zu geben.
Der formale Glaubenswechsel des Klägers ist durch den bereits vollzogenen Akt der Taufe am 28. Juli 2014 belegt. Darüber hinaus ist jedoch für die Annahme einer Verfolgungsgefahr und damit für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass der Glaubenswechsel, insbesondere wenn er erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsland durchgeführt wurde, nicht rein aus asyltaktischen Gründen erfolgt, sondern auf einem ernsthaften, dauerhaften religiösen Einstellungswandel beruht und nunmehr die religiöse Identität des Betroffenen prägt (BayVGH, B. v. 20.4.2015 - 14 ZB 13.30257 - juris Rn. 4;
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Hintergründe und Motive seines Glaubenswechsels zur vollen Überzeugung des Gerichts glaubhaft gemacht. Er hat nachvollziehbar angegeben, sich nach seiner Trennung von der Familie bei der Ausreise und der Inhaftierung bei der Einreise in das Bundesgebiet in einer Phase der inneren Orientierungslosigkeit befunden zu haben, die er auch seelisch und körperlich in Form von Suizidgedanken und Atembeschwerden wahrgenommen habe. Durch die Begegnung mit einem anderen, bereits konvertierten afghanischen Staatsangehörigen in der Asylbewerberunterkunft sei er zur Baptistenkirche A. gekommen, wo er zunächst an Gottesdiensten und dann auch einem religiösen Hauskreis teilgenommen habe. Diese Angaben sind durch die vorgelegte Bescheinigung der Baptistenkirche A., auch in zeitlicher Hinsicht, belegt. Mit dem Beginn seiner Gottesdienstbesuche habe er zunehmend eine Besserung seiner seelischen und körperlichen Beschwerden verspürt, was für ihn das entscheidende Erlebnis (Schlüsselerlebnis) dargestellt habe, zum christlichen Glauben überzutreten.
Der Kläger hat dieses Schlüsselerlebnis seiner „Heilung“, wie er es selbst bezeichnet, für das Gericht nachvollziehbar religiös gedeutet. Er hat in der mündlichen Verhandlung aus der von ihm mitgebrachten persischen Bibel Textstellen des Matthäus-Evangeliums zitiert, nach denen Jesus Kranke heilte. Aufgrund dieser Heilungsgeschichten in der Heiligen Schrift und seines von ihm so erlebten Heilungsprozesses sei er zu der festen Überzeugung gekommen, dass die biblischen Verheißungen Wahrheit seien. Damit hat der Kläger einen gewissensgeleiteten, durch religiöse Werte und Normen hervorgerufenen Akt der inneren Umkehr und damit einen Wendepunkt in seinem Leben glaubhaft geschildert und damit hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei seiner Hinwendung zum Christentum um eine Gewissensentscheidung handelt, die von einer echten Glaubensüberzeugung geleitet ist. Zugleich hat er Kenntnisse von wesentlichen Glaubensinhalten nachgewiesen, dies auch durch seine Bezugnahme auf den Missionsbefehl im Matthäus-Evangelium, Kapitel 28, Vers 18-20 im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung.
Der Kläger konnte auch darlegen, dass er seinen neuen Glauben im Bundesgebiet praktiziert und dies auch im Herkunftsland tun wollen würde. Er nimmt ausweislich der vorgelegten Bescheinigung regelmäßig an den Gottesdiensten und Bibelkreisen der Baptistenkirche in A. teil und ist seit dem Ausscheiden eines afghanischen Landsmannes aus der Asylbewerberunterkunft selbst Gastgeber eines wöchentlich stattfindenden Hauskreises. Außerdem hat der Kläger erklärt, dass er den Befehl zur Missionierung für sich als verbindlich betrachte. Er würde auch in Afghanistan auf jeden Fall als Christ leben wollen. Denn die von ihm erlebte seelische Heilung sei sein größter Schatz, den er nicht preisgeben wolle. Mit diesen Verhaltensweisen und Überzeugungen würde der Kläger in der muslimisch geprägten Gesellschaft Afghanistans unweigerlich auffallen und landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt sein. Damit hat er glaubhaft gemacht, auch in Afghanistan unter Inkaufnahme von Risiken als Christ leben zu wollen. Es steht somit fest, dass der Kläger sich zur Wahrung seiner religiösen Identität auch in Afghanistan zu seinem Glauben bekennen würde. Es wäre ihm deshalb im Herkunftsland nicht möglich, seine Religion entsprechend seinem religiösen Selbstverständnis auszuüben, ohne der Gefahr einer Verfolgung durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure i. S. d. § 3c Nr. 1, 3 AsylVfG ausgesetzt zu sein.
1.2 Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die oben (Punkt 1.1.1) geschilderten Gefahren für zum Christentum konvertierte Moslems drohen in Afghanistan landesweit, auch in der Stadt Kabul. Zwar mögen insbesondere nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger als in Dorfgemeinschaften zu befürchten sein (vgl. Lagebericht, S. 11). Selbst dort gibt es aber für christliche Afghanen keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Schutz vor Übergriffen Privater ist für Christen in keinem Landesteil Afghanistans dauerhaft zu erreichen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft v. 22.12.2004, S. 2; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage, Oktober 2014, S. 17; IGFM, Stellungnahme v. 27.2.2008, S. 1). In der Rechtsprechung wird diese Einschätzung teilweise geteilt (z. B. OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - InfAuslR 2008, 411, juris Rn. 33 ff., dort auch explizit zu Kabul; VG Würzburg, U. v. 25.2.2014 - W 1 K 13.30164 - juris Rn. 37;
Nach alledem hat die Klage im Hauptantrag Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
Tenor
I.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
I.
Der Kläger, nach eigenen Angaben ein am ... in H. geborener afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit, verließ sein Herkunftsland am
In seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 28. Februar 2011 gab der Kläger zu seinem Verfolgungsschicksal im Wesentlichen an, er habe acht Jahre lang im Iran in M. die Schule besucht. Anschließend habe er sich fünf Jahre lang wieder in Afghanistan aufgehalten, wo sie ein Haus und noch nicht verteiltes Land gehabt hätten. Bevor er wieder nach Afghanistan zu einem Freund zurückgekehrt sei, habe er nochmals zwei Jahre lang in M. gelebt. Die fünf Jahre in Afghanistan habe er in H. verbracht. Sie seien damals wegen ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage zurück nach Afghanistan gegangen. Das Stoffgeschäft seines Vaters sei „pleite“ gegangen. Sie hätten im Iran eine Flüchtlingskarte gehabt. Während der fünf Jahre in H. habe er in einer Drogerie gearbeitet. Am 8. Dezember 2010 sei er am Flughafen in Frankfurt angekommen. Mit welcher Airline er gereist sei, könne er nicht mehr sagen, weil er große Angst vor dem Fliegen gehabt habe. Der Schleuser sei mit ihm an Bord gewesen. Seine Mutter habe die Ausreise mit Hilfe eines Onkels finanziert.
Er habe Afghanistan verlassen müssen, weil sein Vater ihn wegen seiner Konversion zum Christentum verstoßen habe. Fünf bis sechs Monate vor seiner Konversion habe er aufgehört zu beten. Seine Familie sei sehr religiös gewesen und sein Vater habe ihn gefragt, weshalb er nicht mehr bete. Er habe seinem Vater erklärt, dass seine Schwester, die gezittert habe und halbseitig gelähmt gewesen sei, geheilt worden sei. Deshalb habe er seine Religion gewechselt. Sein Vater habe ihn deshalb geschlagen. Seine Schwester sei krank gewesen, sie habe gezittert und sei halbseitig gelähmt gewesen. Seine Eltern hätten zu Allah, den Propheten und dem Imam gebetet. Er selbst habe seine Augen geschlossen und zu Jesus gesagt, wenn es Dich wirklich gibt, dann heile meine Schwester. Er sei dann zu ihr gegangen, Ärzte und Krankenschwestern seien um ihr Bett herumgestanden und dann habe sie sich plötzlich bewegen können. Das sei für ihn das Erlebnis gewesen, das ihn zum Wechsel zum Christentum motiviert habe. Er habe alle Bedingungen, die für einen richtigen Moslem gelten, beachtet. Er habe täglich gebetet, im Ramadan-Monat gefastet, zuletzt etwa im Herbst. Dann sei er beim Schrein von Imam Reza gewesen, dem 8. Imam. Er sei dorthin gepilgert. In H. sei er bei einer heiligen Moschee namens Abu Moschee gewesen, die für die Schiiten sehr heilig sei. Zu Hause hätten sie Satelliten-Fernsehen gehabt. Dort sei ein Kanal namens Rahe Nejat, übersetzt: Weg zur Befreiung, gelaufen. Dabei handele es sich um einen amerikanischen Sender, der von in Amerika lebenden Iranern betrieben werde. Dort habe er eine Sendung angesehen, in der man einen großen Raum mit vielen Kranken gesehen habe. Sie hätten Halleluja gesagt und hätten sich plötzlich wieder bewegen können. Sie seien gesund gewesen. Im Iran habe er im Fitness-Center einen Freund gehabt, einen Armenier, der ihm Informationen gegeben habe. In dem Augenblick, als seine Schwester wieder gesund geworden sei, sei er Christ geworden. Den Sender Rahe Nejat habe er immer nur dann gesehen, wenn sein Vater nicht zu Hause gewesen sei. Er hätte es ihm sicher verboten, diesen Sender anzusehen. In der zeitlichen Abfolge habe er zuerst den Sender gesehen, dann sei einige Monate, bevor er aus Afghanistan ausgereist sei, das Ereignis mit seiner Schwester im Krankenhaus passiert und zuvor noch habe er den Armenier im Fitness-Center kennengelernt und zu den Dingen befragt, die er in dem Fernsehprogramm gesehen habe. Aber vor der Heilung seiner Schwester sei alles aus Neugierde passiert. Die Entscheidung zur Konversion habe er erst später getroffen. Der Armenier habe ihm vom Christentum erzählt, dass es, wie auch im Islam, Säulen gebe und man ihnen folgen müsse. Sie sagten z. B., dass man nicht töten solle, nicht vor der Heirat eine Beziehung eingehen solle, dass man sonntags beten solle, dass man nicht schlecht über andere reden solle. Man solle nicht in der Öffentlichkeit spenden usw. Es gebe das Vater-Gebet, das ihm sein Anwalt vom Deutschen in die Dari-Sprache übersetzt habe. Er habe vieles gesehen, auch über die Verse und Abschnitte aus dem Heiligen Buch. Er erinnere sich an die Erzählung über den Bruder von Maria, der eines Tages gestorben und begraben worden sei. Dann sei Jesus gekommen und sie habe zu ihm gesagt: „Wärst Du doch früher gekommen, dann wäre mein Bruder noch am Leben.“ Jesus habe gesagt: „Ich komme, um ihn auferstehen zu lassen.“ Und so sei er wieder lebendig geworden. Dann habe er noch etwas gesehen, es sei eine Hochzeitsfeier gewesen. Jesus habe einen Eimer Wasser zu Wein gemacht, was ein weiteres Zeichen für seine Existenz gewesen sei. Das sei ein Wunder gewesen.
Als er aus H. zurückgekommen sei und sich noch über ein Jahr lang in M. aufgehalten habe, habe er dort im Stoffgeschäft seines Vaters gearbeitet. Er habe damit gerechnet, dass sein Vater mit ihm streiten würde. Aber dass er ihn verstoßen würde, wenn er erfahre, dass er zum Christentum konvertiert sei, damit hätte er nicht gerechnet. Die Ärzte hätten über seine Schwester gesagt, dass sie sich in einem Stadium befinde, in dem man nichts mehr machen könne, und dass sie gelähmt bleiben werde. Der genannte Sender sei im Iran verboten, aber über 90% der Haushalte hätten Satelliten-Fernsehen und könnten den Sender sehen. Er wisse auch relativ viel über Mohammed oder über islamische Propheten. Mohammed habe die Menschen dazu aufgerufen, keine weiteren Götzenbilder mehr neben sich zu haben. Man solle nur noch an den einen Gott glauben. Vieles, was es im Christentum gebe, gebe es auch im Islam. Im Islam folge man aber den Vorschriften nicht.
Zwischen dem Ereignis im Krankenhaus und seiner Ausreise hätten etwa vier Monate gelegen. In diesen vier Monaten habe er Informationen über die Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum gesammelt. Er habe einen armenischen Freund besucht und befragt. Dieser habe ihm auch ein Gebet beigebracht, das er anstelle des muslimischen Gebetes gesprochen habe. Als Reaktion auf seine Konversion habe sich das Verhalten seiner Familie und seiner Freunde ihm gegenüber sehr geändert. Das Verhalten seiner Freunde sei sehr unterschiedlich gewesen, die Gebildeten hätten ihn nicht geschnitten, aber die anderen seien nicht mal mehr in die Nähe seines Geschäftes gekommen und hätten ihn nicht mehr angeschaut. Sein Bruder habe seine Cousine geheiratet und sei deswegen zu ihr nach Deutschland gegangen. Der wesentlichste und positivste Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum seien aus seiner Sicht die Zehn Gebote, denen im Christentum gefolgt werde, im Islam aber nicht. Für jemanden, der sehr gläubig sei, sei es negativ, wenn andere nicht den Regeln des Islam folgten. In den drei Monaten bis zu seiner Rückkehr nach H. habe er sich die meiste Zeit damit beschäftigt, sich über die Religion zu informieren. Sonst sei nichts passiert. Er habe dann auch nicht mehr im Geschäft seines Vaters geholfen. Er habe sich dann bei seiner Großmutter aufgehalten, bis er nach H. gegangen sei.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom
Mit Bescheid vom
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger mit am
Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung der Ziffern 2 bis 4 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffern 3 und 4 des Bescheides zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen;
hilfsweise, das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG in der Person des Klägers festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 10. Oktober 2014
Mit Beschluss vom 15. Oktober 2014
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung insbesondere auf die Niederschrift vom
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Der Bescheid des Bundesamtes vom
1. Rechtsgrundlage für die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylVfG (BT-Drs. 16/5065 S. 213; vgl. auch § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Danach wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Ausschlussvoraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist Flüchtling i. S. des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Herkunftsland).
Gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG ist vorliegend das Asylverfahrensgesetz in der ab
Gemessen an diesen Maßstäben befindet sich der Kläger aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Religion außerhalb seines Heimatlandes. Aufgrund seiner Konversion zum christlichen Glauben droht ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylVfG (1.1). Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative i. S. d. § 3e AsylVfG zur Verfügung (1.2).
1.1 Eine Verfolgung i. S. d. Art. 9 Abs. 1 a) QRL, der durch § 3a Abs. 1 AsylVfG umgesetzt wurde, kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Beurteilung, wann eine Verletzung der Religionsfreiheit die erforderliche Schwere aufweist, um die Voraussetzungen einer Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL zu erfüllen, hängt von objektiven wie auch subjektiven Gesichtspunkten ab (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Objektive Gesichtspunkte sind insbesondere die Schwere der dem Ausländer bei Ausübung seiner Religion drohenden Verletzung anderer Rechtsgüter wie z. B. Leib und Leben. Die erforderliche Schwere kann insbesondere
- aber nicht nur - dann erreicht sein, wenn dem Ausländer durch die Teilnahme an religiösen Riten in der Öffentlichkeit die Gefahr droht, an Leib, Leben oder Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Bei strafrechtsbewehrten Verboten kommt es insoweit maßgeblich auf die tatsächliche Strafverfolgungspraxis im Herkunftsland des Ausländers an, weil ein Verbot, das erkennbar nicht durchgesetzt wird, keine erhebliche Verfolgungsgefahr begründet (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 28 m. w. N.).
Als relevanter subjektiver Gesichtspunkt ist der Umstand anzusehen, dass für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten gefahrenträchtigen religiösen Praxis zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist (EuGH, U. v. 5.9.2012 - Y und Z, C-71/11
Die Tatsache, dass er die unterdrückte religiöse Betätigung für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren, muss der Asylbewerber zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen (BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 30;
Gemessen an diesen Grundsätzen liegen im Falle des Klägers sowohl die objektive als auch die subjektive Schwere der ihm im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan drohenden Verletzung seiner Religionsfreiheit vor, so dass ihm jedenfalls aufgrund eines subjektiven Nachfluchtgrundes eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht.
Nach der Überzeugung des Gerichtes sind zum Christentum konvertierte ehemalige Moslems in Afghanistan gezwungen, ihren Glauben entweder ganz zu verleugnen oder ihn zumindest auch im privaten Umfeld zu verheimlichen, da anderenfalls schwerwiegende Übergriffe durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure nicht ausgeschlossen werden können. Dauerhafter staatlicher Schutz vor derartigen Übergriffen ist derzeit - auch nur in bestimmten Landesteilen - nicht erreichbar (OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - juris Rn. 25 ff.; VG Würzburg, U. v. 27.8.2013 - W 1 K 12.30200 - juris Rn. 25;
Die Verfassung der Islamischen Republik Afghanistan erklärt den Islam zur Staatsreligion Afghanistans. Zwar wird den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften das Recht eingeräumt, im Rahmen der Gesetze ihren Glauben auszuüben und ihre religiösen Bräuche zu pflegen. Somit gewährleistet die Verfassung grundsätzlich das Recht auf freie Religionsausübung. Dieses Grundrecht umfasst jedoch nicht die Freiheit, vom Islam zu einer anderen Religion zu konvertieren, und schützt somit nicht die freie Religionswahl (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan, Stand: März 2013, S. 10 f.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Hamburg
Im Falle des Klägers liegt auch die erforderliche subjektive Schwere vor, weil es nach der Überzeugung des Gerichtes zu seinem religiösen Existenzminimum bzw. seiner religiösen Identität gehört, seinen Glauben nicht zu verheimlichen, sondern ihn gemeinsam mit anderen auszuüben, insbesondere an Gottesdiensten teilzunehmen, und seinen Glauben an andere weiter zu geben.
Der formale Glaubenswechsel des Klägers ist durch den bereits vollzogenen Akt der Taufe am 4. September 2011 belegt. Darüber hinaus ist jedoch für die Annahme einer Verfolgungsgefahr und damit für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass der Glaubenswechsel, insbesondere wenn er erst nach der Ausreise aus dem Herkunftsland durchgeführt wurde, nicht rein aus asyltaktischen Gründen erfolgt, sondern Ausdruck einer echten Glaubensüberzeugung ist (HessVGH, U. v. 26.7.2007 - 8 UE 3140/05.A - juris Rn. 20 ff.; B. v. 26.6.2007 - 8 UZ 1463/06.A - juris Rn. 12 ff.; OVG NRW, U. v. 7.11.2012 - 13 A 1999/07.A - juris Rn. 37 ff.). Auf eine solche echte Glaubensüberzeugung kommt es nur dann nicht an, wenn im Herkunftsland bereits die Tatsache des formalen Glaubenswechsels genügt, um eine Verfolgungsgefahr zu begründen, selbst wenn der Betroffene seinen Glauben verheimlichen oder gar verleugnen würde (HessVGH a. a. O.; OVG NRW a. a. O.). Letzteres ist in Afghanistan nach der Erkenntnislage und der Rechtsprechung (vgl. z. B. HessVGH a. a. O.; OVG NRW a. a. O.), der sich das erkennende Gericht anschließt, jedoch nicht der Fall.
Der Kläger gibt glaubhaft an, bereits im Herkunftsland seinen Glauben gewechselt zu haben. Er hat hierzu nachvollziehbar ausgeführt, dass er sich zunächst aus reiner Neugier aus verschiedenen Quellen über das Christentum informiert hat. Des Weiteren hat er ein Schlüsselerlebnis angeführt, welches ihn zu dem Entschluss geführt hat, den christlichen Glauben anzunehmen. Bei diesem Schlüsselerlebnis handelte es sich um eine Art Spontanheilung seiner an Epilepsie erkrankten Schwester nach seinem Gebet zu Jesus Christus. Das Gericht teilt die Zweifel des Bundesamtes an der Glaubhaftigkeit dieser Ausführungen des Klägers nicht. Zum einen vermag das Gericht dem Bundesamt nicht darin zu folgen, dass es offenbar die naturwissenschaftlich-logische Schlüssigkeit der als Schlüsselerlebnis angegebenen Heilung als (mit) ausschlaggebendes Kriterium ansieht. Ein Schlüsselerlebnis, das zum Entschluss eines Glaubenswechsels führt, ist kein sich rein in der Außenwelt abspielender, sondern auch ein innerer (geistiger) Vorgang. Maßgeblich für das Vorliegen eines Schlüsselerlebnisses ist, dass bestimmte erlebte Tatsachen in einer religiösen Art und Weise interpretiert werden und ihnen damit nachvollziehbar die Bedeutung eines Schlüsselerlebnisses zukommt. Mit anderen Worten kommt es nicht darauf an, dass die Krankheit der Schwester des Klägers tatsächlich geheilt wurde und dass dies im naturwissenschaftlich-logischen Sinne ursächlich auf die Gebete des Klägers zurückgeführt werden könnte. Maßgeblich ist allein, dass die äußeren Umstände des Schlüsselerlebnisses glaubhaft vorgetragen sind, dass das Erlebnis als solches vom Kläger in einer schlüssigen Art und Weise religiös interpretiert wird und dass der darauf gegründete Entschluss zum Glaubenswechsel nachvollziehbar erscheint. Der Kläger hat sowohl in der Anhörung vor dem Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung die äußeren Umstände der Heilung seiner Schwester plausibel und widerspruchsfrei vorgetragen. Er hat erklärt, dass seine Schwester seit ihrer Geburt an Epilepsie erkrankt sei und dass die Krankheitssymptome während des Aufenthaltes der Familie im Iran aufgetreten seien. Bei einer anfalls- oder intervallartig auftretenden Erkrankung wie der Epilepsie (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 255. Aufl. 1986, Stichwort „Epilepsie“ S. 459 ff.) ist der geschilderte Krankheitsverlauf nicht unplausibel. Dies gilt auch für die geschilderte „Heilung“, selbst wenn man diese nicht als vollständige Heilung im medizinischen Sinne, sondern als eine Phase der Anfallfreiheit interpretiert, wie sie bei der Epilepsie auch über einen längeren Zeitraum hinweg eintreten kann. Auf dieser Grundlage ist es plausibel, dass der Kläger sich angesichts der Erkrankung seiner Schwester daran erinnert hat, dass Jesus Christus nach der biblischen Überlieferung Kranke heilen konnte, und deshalb für die Heilung seiner Schwester zu ihm gebetet hat. Die dann tatsächlich eingetretene Heilung bzw. Remission hat er dann folgerichtig auf seine Gebete zurückgeführt. Darauf hat er wiederum konsequent den Entschluss gegründet, sich dem Christentum anzuschließen. Dieser Entschluss kam also nicht von ungefähr, sondern war gleichsam der Schlusspunkt einer auf äußere und innere Erlebnisse gegründeten nachvollziehbaren Entwicklung. Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger seinen Entschluss zur Konversion bereits im Herkunftsland gefasst hat. Denn der Kläger hat einen gewissensgeleiteten, durch religiöse Werte und Normen hervorgerufenen Akt der inneren Umkehr und damit einen Wendepunkt in seinem Leben glaubhaft geschildert und damit hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei seiner Hinwendung zum Christentum um eine Gewissensentscheidung handelt, die von einer echten Glaubensüberzeugung geleitet ist. Diesen bereits im Herkunftsland innerlich vollzogenen Glaubenswechsel hat der Kläger nach der Ausreise durch die Taufe im Bundesgebiet nach außen hin bekräftigt, so dass auch ein subjektiver Nachfluchtgrund vorliegt.
Der Kläger hat auch glaubhaft machen, mit zentralen Inhalten des christlichen Glaubens vertraut zu sein, indem er bestimmte Gebote des christlichen Glaubens und Ereignisse aus dem Leben und Wirken Jesu Christi benannte, insbesondere von diesem nach der biblischen Überlieferung gewirkte Wunder sowie den Missionsbefehl im Matthäus-Evangelium, Kapitel 28, Vers 18 - 20. Auch dies spricht für die Glaubhaftigkeit der Konversion.
Der Kläger konnte auch darlegen, dass er seinen neuen Glauben im Bundesgebiet praktiziert und dies auch im Herkunftsland würde tun wollen. Er nimmt ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen regelmäßig an den Gottesdiensten und Bibelkreisen der Baptistenkirche in Aschaffenburg teil und hält selbst einen wöchentlichen Hauskreis in seinem Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft ab. Außerdem hat der Kläger erklärt, es sei aus seiner Sicht eine Pflicht eines jeden Christen, zu missionieren. Daher würde er auch in seinem Herkunftsland auf jeden Fall missionieren wollen. Er könne sich auch nicht vorstellen, wieder als Moslem zu leben und zu Allah zu beten. Derartige Verhaltensweisen würden in Afghanistan unweigerlich auffallen und den Kläger landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erheblichen Gefahren für Leib und Leben aussetzen. Damit hat er glaubhaft gemacht, auch in Afghanistan unter Inkaufnahme von Risiken als Christ leben zu wollen. Es steht somit fest, dass der Kläger sich zur Wahrung seiner religiösen Identität auch in Afghanistan zu seinem Glauben bekennen würde. Es wäre ihm deshalb im Herkunftsland nicht möglich, seine Religion entsprechend seinem religiösen Selbstverständnis auszuüben, ohne der Gefahr einer Verfolgung (zumindest) durch nicht-staatliche Akteure ausgesetzt zu sein.
1.2 Dem Kläger steht auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Die geschilderten Gefahren für zum Christentum konvertierte Moslems drohen in Afghanistan landesweit, auch in der Stadt Kabul. Zwar mögen insbesondere nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes Repressionen gegen Konvertiten in städtischen Gebieten aufgrund der größeren Anonymität weniger als in Dorfgemeinschaften zu befürchten sein (vgl. Lagebericht, S. 11). Selbst dort gibt es aber für christliche Afghanen keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Schutz vor Übergriffen Privater ist für Christen in keinem Landesteil Afghanistans dauerhaft zu erreichen (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft v. 22.12.2004, S. 2; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage, Oktober 2014, S. 17; IGFM, Stellungnahme v. 27.2.2008, S. 1). In der Rechtsprechung wird diese Einschätzung teilweise geteilt (z. B. OVG NRW, U. v. 19.6.2008 - 20 A 3886/05.A - InfAuslR 2008, 411, juris Rn. 33 ff., dort auch explizit zu Kabul; VG Würzburg, U. v. 25.2.2014 - W 1 K 13.30164 - juris Rn. 37;
Nach alledem hat die Klage Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylVfG).
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.