Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 17. Sept. 2015 - W 7 K 14.1013

bei uns veröffentlicht am17.09.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Koch, Würzburg, für dieses Verfahren beigeordnet.

Gründe

I.

1. Der Kläger begeht die Feststellung, dass ihm ein Recht auf Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zusteht.

Er wurde 1973 in der Türkei geboren und ist türkischer Staatsangehöriger. Am 25. Oktober 1979 reiste er erstmals in das Bundesgebiet.

Am 9. August 2012 wurde der Kläger, der sich auf dem Weg in die Türkei befand, in Bulgarien aufgrund eines internationalen Haftbefehls wegen einer Straftat aus dem Jahr 1996 verhaftet. Am 3. September 2012 wurde er nach Polen überstellt und dort inhaftiert.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2013 an die Anschrift des Klägers in L... am Main teilte das Landratsamt M... ihm mit, dass seine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung inzwischen kraft Gesetzes erloschen sei und er nach seiner Haftentlassung nicht mehr nach Deutschland einreisen dürfe. Andernfalls würde die Ausländerbehörde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren und aufenthaltsbeendende Maßnahmen einleiten.

Am 13. Februar 2014 wurde er aus der Haft in Polen entlassen und reiste am 26. Februar 2014, laut der Auskunft aus dem Ausländerzentralregister (AZR) vom 23. September 2014 am 1. März 2014, erneut in das Bundesgebiet ein.

2. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 2. Oktober 2014, bei Gericht am selben Tag als Telefax eingegangen, ließ der Kläger Klage erheben und ließ zuletzt beantragen festzustellen, dass seine Niederlassungserlaubnis nicht erloschen sei, hilfsweise, dass sein Aufenthaltsrecht gemäß Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) fortbestehe und den Beklagten zu verurteilen, das Fortbestehen zu dokumentieren. Zugleich ließ er einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe stellen. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass ausweislich der Auskunft aus dem AZR vom 23. September 2014 das Landratsamt M... dem AZR gemeldet habe, dass der Aufenthaltstitel des Klägers am 3. September 2012 erloschen sei. Aufgrund dessen werde dem Kläger jedwede Leistung seitens der deutschen Behörden versagt. Er sei anlässlich einer kurzfristigen (jedenfalls so geplanten) Besuchsfahrt in die Türkei in Bulgarien inhaftiert worden. Der Erlöschensgrund des § 51 Abs. 1 Nr. 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) sei auf den Kläger nicht anwendbar. Denn er falle unter die höchste Verfestigungsstufe der Rechte aus dem ARB 1/80. Die früher geltende Regelung des Ausländergesetzes von 1965 (AuslG 1965) habe keinen zeitlichen Erlöschenstatbestand gekannt. Damit stelle die mit dem AufenthG 2005 eingeführte Regelung des automatischen Erlöschens eine erhebliche Verschärfung der alten Rechtslage nach dem AuslG 1965 dar. Dies stelle einen Verstoß gegen die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 dar, weshalb § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG außer Betracht zu lassen sei. Das Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 erlösche nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts nur dann, wenn es gemäß Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit beschränkt worden sei oder wenn der Rechtsinhaber das Gebiet des aufnehmenden EU-Mitgliedstaats für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlasse. Der Kläger habe von vornherein das Bundesgebiet nach seiner Absicht lediglich zu einem kurzfristigen vorübergehenden Besuchsaufenthalt im Herkunftsland verlassen. Die aufgrund eines internationalen Haftbefehls von Polen erfolgte Inhaftierung in Bulgarien sei für ihn weder beabsichtigt noch vorhersehbar gewesen. Die daraufhin erfolgte Inhaftierung in Polen bis zu seiner Entlassung könne nicht den Schluss zulassen, dass der Kläger die Bundesrepublik auf Dauer habe verlassen wollen. Er habe sich vom Wohnort nicht abgemeldet und die eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner hier lebenden Frau und Kinder nicht aufgegeben. Nach der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Richtlinie 2004/38/EG - Unionsbürgerrichtlinie), die zur Konkretisierung herangezogen werden könne, führe die Abwesenheit eines Unionsbürgers, dem ein Recht auf Daueraufenthalt zusteht, nur dann zum Verlust der erworbenen Rechtsstellung, wenn seine Abwesenheit zwei aufeinanderfolgende Jahre überschreite. Dies sei hier nicht der Fall. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe er sich erneut um die Aufnahme einer Beschäftigung beworben, ihm seien aber nur Absagen erteilt worden, weil er keinen gültigen Aufenthaltstitel vorlegen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Schriftsätze des Klägerbevollmächtigten vom 2. Oktober 2014, 1. Juni 2015 und 27. August 2015 Bezug genommen.

Der Kläger lässt sinngemäß beantragen,

ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt K..., W..., für dieses Verfahren beizuordnen.

Der Beklagte tritt der Klage und dem Prozesskostenhilfeantrag entgegen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das Assoziationsrecht und das mitgliedstaatliche Aufenthaltsrecht zwei getrennte Rechtskreise darstellten. Ein eventuelles assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht spiele für die Erteilung oder Versagung einer Niederlassungserlaubnis und somit auch für deren Erlöschen keine Rolle. Der Familie des Klägers sei dessen Haftaufenthalt bekannt gewesen, so dass sie ohne weiteres eine Verlängerung der Wiedereinreisefrist hätte beantragen können. Das Verlassen des Bundesgebiets sei nicht staatlich erzwungen worden, sondern der Kläger sei freiwillig ausgereist und wegen einer Straftat im Ausland und des daraus resultierenden Strafbefehls inhaftiert worden. Er sei für einen nicht unerheblichen Zeitraum ausgereist, mindestens vom 9. August 2012 bis 26. Februar 2014 habe er sich nicht in Deutschland aufgehalten. Die Zeitpunkte der tatsächlichen Aus- und Wiedereinreise könnten wegen fehlender Rückmeldung seitens des Klägers bei der Ausländerbehörde nicht bestätigt werden. Der Kläger wollte wohl bei Reiseantritt nicht auf Dauer ausreisen, müsse sich jedoch die Inhaftierung aufgrund seiner im Ausland begangenen Straftaten zurechnen lassen, da er bei Begehen der Straftat damit habe rechnen müssen, dass diese ggf. auch zu einer langjährigen Haftstrafe führen könnte. Neben der Niederlassungserlaubnis sei auch das Recht aus Art. 6 ARB 1/80 erloschen. Schädlich sei für ein bestehendes Assoziationsrecht bereits ein Auslandsaufenthalt von 12 Monaten, da dies eine gewichtige Indizwirkung für den „nicht unerheblichen Zeitraum“ entwickle, wenn keine berechtigten Gründe für den längeren Auslandsaufenthalt vorlägen. Ob ein Grund berechtigt sei, hänge allein davon ab, ob die Gründe des Betroffenen allgemein gesellschaftlich anerkannt seien und nicht, ob sie aus dem Blickwinkel des Betroffenen berechtigt erscheinen. Die Abwesenheit des Klägers sei nicht durch ein schützenswertes Verhalten gerechtfertigt. Er habe eine Straftat im Ausland begangen, wofür er verurteilt und inhaftiert worden sei. Nach der Rechtsprechung lägen legitime Gründe dann nicht vor, wenn der Betroffene in der Absicht ins Ausland reise, dort Straftaten zu begehen, bei deren Entdeckung er mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen habe. Der Kläger habe sich bereits damals bei der Begehung der Straftat über mögliche Konsequenzen bewusst sein müssen. Dass die Inhaftierung erst mehrere Jahre später erfolgt sei, sei irrelevant. Hinzu komme, dass dem Kläger mit Schreiben seines Arbeitgebers vom 27. Februar 2013 gekündigt worden sei. Aufgrund seiner Inhaftierung sei nicht damit zu rechnen gewesen, dass er in absehbarer Zeit einen neuen Arbeitsplatz finde. Somit könne er sich nach dem Verlust seiner Arbeitsstelle vor zweieinhalb Jahren nicht mehr auf Art. 6 ARB 1/80 berufen. Grds. werde eine Zeit von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses als angemessene Frist für die Arbeitssuche angesehen. Darüber hinaus sei fraglich, ob der Kläger aus Art. 6 ARB 1/80 noch Rechte ableiten könne, weil er bereits seit zweieinhalb Jahren nicht mehr dem Arbeitsmarkt angehöre. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 30. Juli 2015 Bezug genommen.

II.

Dem Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war stattzugeben, weil die Klage hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne von § 166 VwGO, § 114 Satz 1 ZPO hat. Bei summarischer Prüfung unter Berücksichtigung des spezifischen prozesskostenhilferechtlichen Erfolgsmaßstabs (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 28.1.2013 - 1 BvR 274/12 - juris Rn. 11 ff.) ist die Klage zulässig und begründet. Das Begehren des Klägers richtet sich dabei bei verständiger Auslegung der Klage auf die Feststellung, dass er sein Recht auf Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nicht verloren hat (§ 88 VwGO). Zwar ist die Niederlassungserlaubnis des Klägers bei summarischer Prüfung erloschen (2.1.). Allerdings besteht sein Aufenthaltsrecht gemäß Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 voraussichtlich fort (2.2.).

1. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt bereits eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erfolgs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 166 Rn. 8 m. w. N.). Mit Blick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten dürfen die Anforderungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten nicht überspannt werden, vor allem ist es unzulässig, schwierige Rechtsfragen, die in einer vertretbaren Weise auch anders beantwortet werden können, bereits in Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens abschließend im Prozesskostenhilfeverfahren zu erörtern und damit den Zugang zu den Gerichten zu versagen (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.2003 - 1 BvR 1526/02 - NJW 2003, 1857). Gleiches gilt, wenn der vom Kläger eingenommene Standpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung offen steht (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 166 Rn. 26).

2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

2.1. Allerdings ist die Niederlassungserlaubnis des Klägers bei summarischer Prüfung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen. Nach dieser Vorschrift erlischt ein Aufenthaltstitel, wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Der Kläger wurde am 9. August 2012 auf dem Weg in die Türkei in Bulgarien aufgrund eines internationalen Haftbefehls wegen einer Straftat aus dem Jahr 1996 verhaftet. Am 3. September 2012 wurde er nach Polen überstellt und dort inhaftiert. Am 13. Februar 2014 wurde er aus der Haft in Polen entlassen und reiste nach eigenen Angaben am 26. Februar 2014, laut der Auskunft aus dem AZR vom 23. September 2014 am 1. März 2014, erneut in das Bundesgebiet ein. Damit hielt er sich seit seiner Ausreise länger als sechs Monate nicht in Deutschland auf. Eine längere Frist i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 7 Alt. 2 AufenthG wurde von der Ausländerbehörde nicht bestimmt.

Der Anwendbarkeit von § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG steht die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 voraussichtlich nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.

Zwar kannte das AuslG 1965 keinen § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG entsprechenden Erlöschenstatbestand aufgrund des Verstreichens einer zeitlich genau bezifferten Frist (vgl. v.a. § 9 Abs. 1 AuslG 1965). Insoweit enthält § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG eine strengere Regelung als noch § 9 Abs. 1 AuslG 1965. Allerdings stellt § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG keine neue Beschränkung der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt i. S. d. ARB 1/80 dar.

Auch wenn die jeweilige Rechtsposition aus dem ARB 1/80 ein Daueraufenthaltsrecht vermittelt und dem türkischen Staatsangehörigen eine deklaratorische Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG ausgestellt werden muss, aus der ersichtlich ist, dass er ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht besitzt (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 27), stellen das Assoziationsrecht und das mitgliedstaatliche Aufenthaltsrecht getrennte Rechtskreise dar, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Während das Assoziationsrecht ausschließlich wirtschaftlichen Zwecken dient und sich deshalb auf die schrittweise Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt (EuGH, U.v. 8.12.2011 - C-371/08, Ziebell - juris Rn. 64 f.), verfolgt das innerstaatliche Aufenthaltsrecht weiter gefasste Ziele, insbesondere die Steuerung der Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme und Integrationsfähigkeit. Die Niederlassungserlaubnis ist als rechtliche Bestätigung einer erfolgreichen Integration konstruiert (für die wirtschaftliche Integration vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 17). Dem Aufenthaltsgesetz ist das Bestehen verschiedener, in ihren Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestalteter Rechtsstellungen eines Ausländers nicht fremd. Nach § 4 Abs. 5 AufenthG ist ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er noch keine Niederlassungserlaubnis besitzt. Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts, das in seinen Rechtsfolgen und seinem Fortbestand eigenen Regeln unterliegt, der konstitutiven Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nicht entgegensteht (BVerwG, U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 20). Umgekehrt kann aus dem Bestehen eines assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts nicht gefolgert werden, dass der Ausländer Anspruch auf Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels hat, der ihm ein Daueraufenthaltsrecht verleiht, wenn die sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind (zu alledem BayVGH, U.v. 3.6.2014 - 10 B 13.2083 - juris Rn. 27). Wenn die Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels wie der Niederlassungserlaubnis unabhängig und getrennt vom Bestehen eines Daueraufenthaltsrechts nach dem ARB 1/80 zu betrachten ist, muss konsequenterweise gleiches für das Erlöschen eines nationalen Aufenthaltstitels gelten.

Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 hat unmittelbare Wirkung, sie verleiht aber demjenigen Begünstigten, der sich darauf beruft, nicht unmittelbar ein Aufenthaltsrecht, sondern verwehrt es den Vertragsparteien des Beschlusses lediglich, die innerstaatlichen Regelungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für die Begünstigten gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Assoziationsratsbeschlusses zu erschweren und entgegenstehende Vorschriften anzuwenden (BayVGH, U.v. 3.6.2014 - 10 B 13.2083 - juris Rn. 28, 37 m. w. N.). Die ihrem Wortlaut nach allein auf den Zugang zum Arbeitsmarkt beschränkte Regelung hat sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in ihrem sachlichen Anwendungsbereich durch die Rechtsprechung des EuGH eine Erweiterung erfahren. Während ursprünglich nur der beim Inkrafttreten der Stillhalteklausel vorhandene Normbestand für den Zugang zum Arbeitsmarkt geschützt war, hat sich Art. 13 ARB 1/80 zu einer Art „Meistbegünstigungsklausel“ entwickelt. In seiner neueren Rechtsprechung hat der EuGH die Beschränkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stillhalteklausel aufgegeben und wendet sie auf jede Verschlechterung des nationalen Rechts, das den Zugang zum Arbeitsmarkt regelt, an (EuGH, U.v. 9.12.2010 - Toprak u. Oguz, C-300/09 u. a. - juris Rn. 49 ff.). Den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zudem nicht nur auf arbeitsrechtliche Regelungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt unmittelbar betreffen, beschränkt, sondern auf die mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt verbundenen Aufenthaltsrechte ausgedehnt. Die einem türkischen Arbeitnehmer auf dem Gebiet der Beschäftigung eingeräumten Rechte implizieren zwangsläufig, dass dem Betroffenen ein Aufenthaltsrecht zusteht, weil sonst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt völlig wirkungslos wäre und er somit einen Anspruch auf Verlängerung seines Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat haben muss, um weiter ordnungsgemäß seine Beschäftigung ausüben zu können (EuGH, U.v. 11.5.2000 - Savas, C-37/98 - juris Rn. 60 m. w. N.). Zusammengefasst steht nach der neueren Rechtsprechung des EuGH die Stillhalteklausel der Einführung neuer Beschränkungen der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit einschließlich solcher entgegen, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates betreffen, die dort von dieser Freizügigkeit Gebrauch machen wollen (EuGH, U. v. 29.4.2010 - C-92/07 - juris Rn. 49). Art. 13 ARB 1/80 verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen oder Bedingungen als denjenigen unterworfen wird, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses galten (EuGH, U.v. 17.9.2009 - Sahin, C-242/06 - juris Rn. 63). Beschränkungen i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 sind also keineswegs nur Verschlechterungen, die unmittelbar auf den Zugang zum Arbeitsmarkt abzielen, sondern sämtliche Regelungen, die Aufenthaltsrechte als Voraussetzung des Zugangs zum Arbeitsmarkt einschränken bzw. ihren Erwerb erschweren (HessVGH, B.v. 10.10.2013 - 9 B 1648/13 - juris Rn. 7). Der Stillhalteklausel kommt also auch aufenthaltsrechtliche Bedeutung zu, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen oder die Ersterteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 36; zu Vorstehendem insgesamt BayVGH, U.v. 3.6.2014 - 10 B 13.2083 - juris Rn. 37).

Der Tatbestand des Erlöschens einer Niederlassungserlaubnis in § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG stellt keine neue Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt in diesem Sinne dar. Denn nicht jede Verschärfung der Erlöschensvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel wirkt als Beschränkung der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt. Der Kläger hat auch ohne Niederlassungserlaubnis aufgrund des ihm im Falle des Bestehens eines Aufenthaltsrechts aus dem ARB 1/80 zustehenden Anspruchs auf Erteilung einer nationalen befristeten Aufenthaltserlaubnis (§ 4 Abs. 5 AufenthG) einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Alleine die Tatsache, dass die Aufenthaltserlaubnis auf Antrag verlängert werden muss, schränkt den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht ein. Das Antragserfordernis stellt insbesondere kein nach Inkrafttreten der Stillhalteklausel eingeführtes neues Erfordernis für einen Aufenthaltstitel, der auch zur Arbeitsaufnahme berechtigt, dar, da bereits unter Geltung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen der Ausländergesetze 1965 und 1990 die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis konstitutiv zunächst nur befristet und auf Antrag erfolgte (§ 21 Abs. 2 AuslG 1965, § 69 AuslG 1990). Nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 29.4.2010 - C-92/07 - juris Rn. 61) können zwar verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen der Anwendung der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 unterliegen, sie stellen aber nur dann eine neue Beschränkung dar, wenn sie nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stillhalteklausel eingeführt oder verschärft worden sind (vgl. dazu insgesamt BayVGH, U.v. 3.6.2014 - 10 B 13.2083 - juris Rn. 38 ff. m. w. N.).

2.2. Das Aufenthaltsrecht des Klägers gemäß Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 besteht hingegen bei summarischer Prüfung fort. Der Kläger hatte zunächst unstreitig nach seiner erstmaligen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 25. Oktober 1979 ein Aufenthaltsrecht i. S. d. Vorschrift erworben. Diese Rechtsposition aus Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 hat er aufgrund seines Aufenthalts und seiner Inhaftierung im Ausland vom zumindest 9. August 2012 bis 26. Februar 2014 voraussichtlich nicht verloren.

2.2.1. Zunächst führt allein der Umstand, dass sich der Kläger für etwa eineinhalb Jahre in Haft befand und deshalb dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stand nicht zu einem Verlust seines Aufenthaltsrechts. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verliert ein türkischer Staatsangehöriger, der nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 ein Recht auf freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis hat, dieses Recht nicht deswegen, weil er während seiner - auch mehrjährigen - Inhaftierung keine Beschäftigung ausübt, wenn seine Abwesenheit vom regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats nur vorübergehend ist. Die Rechte, die dem Betroffenen durch diese Bestimmung im Bereich der Beschäftigung und entsprechend im Bereich des Aufenthalts eingeräumt werden, können nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 oder aufgrund des Umstands beschränkt werden, dass der betreffende türkische Staatsangehörige den Zeitraum überschritten hat, der angemessen ist, um nach seiner Freilassung eine neue Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis zu finden (EuGH, U.v. 7.7.2005 - Dogan, C-383/03 - juris Rn. 25; U.v. 18.12.2008 - C-337/07 - juris Rn. 24 f.).

Die konkrete Bestimmung des Zeitraums, der im Einzelfall als angemessen für eine effektive Beschäftigungssuche im Bundesgebiet anzusehen ist, hat mangels gesetzlicher Regelung unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Assoziationsabkommens zu erfolgen. Der Zeitraum muss lang genug sein, um die tatsächlichen Chancen des Betroffenen, eine neue Beschäftigung zu finden, nicht zu beeinträchtigen. Die für EU-Arbeitnehmer geltenden Grundsätze sind so weit wie möglich als Leitlinien für die Behandlung türkischer Arbeitnehmer nach dem ARB 1/80 heranzuziehen (EuGH vom 10.2.2000 InfAuslR 2000,161 - Nazli). In der Entscheidung vom 26. Februar 1991 (EuGHE 1991, I-745 - Antonissen) hat der Europäische Gerichtshof einige Zeit- und Sachkriterien vorgegeben, die sich auf den ARB 1/80 übertragen lassen. Danach wird dem Ausländer zunächst eine Frist von drei Monaten zur Arbeitssuche eingeräumt und anschließend eine weitere Frist von regelmäßig sechs Monaten, längstens einem Jahr, wenn er nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg über das zuständige Arbeitsamt eine neue Beschäftigung sucht (BayVGH, U.v. 29.10.2002 - 24 B 00.3274 - juris Rn. 36).

Der Kläger hat sich nach seiner Wiedereinreise um die erneute Aufnahme einer Beschäftigung bemüht, wie sich insbesondere aus den beiden vorgelegten Ablehnungsschreiben zweier potentieller Arbeitgeber vom 10. Oktober 2014 und 7. November 2014 ergibt. Als Grund für die Ablehnung wurde darin jeweils angegeben, dass der Kläger über keine gültige Arbeits- bzw. Aufenthaltserlaubnis verfüge. Diese versucht der Kläger gerade im Wege des vorliegenden Verfahrens zu erhalten. Dass der Kläger endgültig, etwa wegen einer Arbeitsunfähigkeit, den regulären Arbeitsmarkt verlassen hat und auch keine Möglichkeit mehr hat, sich in diesen wiedereinzugliedern, ist nicht ersichtlich.

2.2.2. Das Recht des Klägers nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 ist schließlich bei summarischer Prüfung nicht deshalb erloschen, weil er das Bundesgebiet auf Dauer oder auf lange Zeit verlassen hat, wovon insbesondere bei einer Aufgabe des Lebensmittelpunktes auszugehen ist (Armbruster in HTK-AuslR, Stand: 5.8.2015, ARB 1/80 Art. 6 Abs. 2 Rn. 72 f. m. w. N.). Insbesondere liegt hier kein mit dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2009 (BVerwG, U.v. 30.4.2009 - 1 C 6/08 - juris) vergleichbarer Fall vor. In der genannten Entscheidung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass ein türkischer Staatsangehöriger durch einen mehrjährigen haftbedingten Auslandsaufenthalt seine Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 verliert, wenn er aus dem Bundesgebiet in der Absicht ausgereist ist, im Ausland eine Straftat zu begehen, bei deren Entdeckung er mit der Verhängung einer längeren Freiheitsstrafe rechnen musste (BVerwG, U.v. 30.4.2009 - 1 C 6/08 - juris Rn. 29).

Der Kläger hingegen wurde am 9. August 2012 auf dem Weg in die Türkei in Bulgarien aufgrund eines internationalen Haftbefehls wegen einer Straftat aus dem Jahr 1996 verhaftet. Am 3. September 2012 wurde er nach Polen überstellt und dort inhaftiert. Er ist daher nicht in der Absicht ausgereist, eine Straftat zu begehen. Seine Ausreise diente wohl einem kurzzeitigen Besuchsaufenthalt in der Türkei, was vom Beklagten auch so gesehen wird. Dem Kläger lässt sich auch nicht in schuldhafter Weise vorwerfen lassen, in dem Bewusstsein ausgereist zu sein, dass er wegen der 1996 begangenen Straftat auf seiner Reise festgenommen werden könnte. Diese Straftat lag bereits viele Jahre, ca. sechzehn Jahre, zurück. Er wurde in der Vergangenheit aufgrund des internationalen Haftbefehls nicht - auch nicht in Deutschland - verhaftet. Es sind schließlich keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass er beim Antritt seiner Reise im August 2012 damit hätte rechnen müssen, nunmehr in Bulgarien festgenommen zu werden.

Deshalb kann offen bleiben, ob diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die zu Art. 7 ARB 1/80 ergangen ist, auf das Erlöschen der Rechtsposition aus Art. 6 ARB 1/80 übertragbar ist.

3. Da die Klage zudem nicht mutwillig erscheint (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO) und auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen (§ 166 VwGO i. V. m. § 115 ZPO), ist dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen und sein Prozessbevollmächtigter beizuordnen (§ 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO).

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wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 22. Dezember 2011 - 26 W 21/11 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.

2. ...

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 € (in Worten: zehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für eine Schmerzensgeldklage wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei der Entscheidung über die Aufnahme auf die Warteliste für eine Organvermittlung.

2

1. Der Beschwerdeführer und Antragsteller des Ausgangsverfahrens war in dem von der Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens betriebenen Krankenhaus wegen eines Herzleidens in Behandlung. Dieses lehnte die Aufnahme auf die Warteliste für die Organvermittlung zur Herztransplantation ab, weil aufgrund gravierender Verständigungsprobleme und der fehlenden Sicherheit der Compliance - also der Mitwirkung des Patienten bei der Vor- und Nachbehandlung - keine Indikation zur Herztransplantation vorliege. Später wurde der Beschwerdeführer auf Veranlassung eines anderen Krankenhauses auf die Warteliste aufgenommen.

3

Der Beschwerdeführer begehrte Prozesskostenhilfe für eine Schmerzensgeldklage gegen die Antragsgegnerin. Durch die Nichtaufnahme auf die Warteliste allein wegen fehlender Sprachkenntnisse habe sie ihn diskriminiert und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt. Das Landgericht lehnte die begehrte Prozesskostenhilfe durch angegriffenen Beschluss ab. Ein Anspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (im Folgenden: AGG) scheide aus, weil hiervon eine Benachteiligung aufgrund der Sprache nicht geschützt sei. Ein vertraglicher oder deliktischer Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestehe ebenfalls nicht. Es lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen der Richtlinie der Bundesärztekammer für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Herztransplantation für eine Ablehnung auf die Warteliste nicht vorgelegen hätten. Die Antragsgegnerin habe die Ablehnung unter Zusammenschau der erhobenen Befunde mit der nicht sicheren Compliance aus Gründen der sprachlichen Verständigung und der dadurch fehlenden Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und der Nachbetreuung begründet. Der Beschwerdeführer habe keinen Beweis dafür angetreten, dass die nach der Richtlinie erforderliche psychologische Untersuchung nicht stattgefunden habe. Das Merkmal der fehlenden Compliance sei angemessen und verletze den Beschwerdeführer nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, weil hierdurch ein längerfristiger Erfolg der Transplantation und eine sachgerechte Verteilung der Spenderorgane gewährleistet würden. Die Hinzuziehung eines rund um die Uhr zur Verfügung stehenden Dolmetschers stehe in keinem Verhältnis zur Möglichkeit des Beschwerdeführers, sprachliche Grundkenntnisse zu erlernen. Für eine Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft lägen keine Anhaltspunkte vor.

4

Das Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde durch angegriffenen Beschluss zurück. Es bestünden keine Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Das Verlangen hinreichender deutscher Sprachkenntnisse stelle keine unmittelbare Diskriminierung dar, weil es nicht an die entsprechenden gesetzlichen Merkmale anknüpfe. Eine mittelbare Benachteiligung liege ebenfalls nicht vor, weil die Anforderungen der Antragsgegnerin durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung des Ziels angemessen und erforderlich seien. Angesichts des hochkomplizierten medizinischen Eingriffs sei es gerechtfertigt, ein hinreichendes sprachliches Verständnis zu fordern, um einen ausreichenden Kontakt zwischen Ärzten und Patienten, insbesondere auch in Notfällen, zu ermöglichen. Ansprüche aus Vertrag oder Delikt kämen mangels Verschuldens ebenfalls nicht in Betracht, weil sich die Antragsgegnerin entsprechend § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Transplantationsgesetzes (im Folgenden: TPG) an die Richtlinien der Bundesärztekammer für die Wartelistenführung und Organvermittlung zur Herz- und Lungentransplantation gehalten und die Entscheidung danach nicht ermessensfehlerhaft begründet habe. Es sei eine Evaluation vorgenommen und im Rahmen der Untersuchungen und der Behandlung festgestellt worden, dass trotz des Einsatzes von Dolmetschern eine Verständigung mit dem Beschwerdeführer kaum möglich gewesen sei. Weil beim Beschwerdeführer trotz mehrjährigen Aufenthalts in Deutschland und entgegen der Empfehlung, die deutsche Sprache zu erlernen, kaum ein Sprachschatz vorhanden gewesen sei, habe die Antragsgegnerin zu Recht vom Fehlen einer Mitwirkungsbereitschaft oder -fähigkeit ausgehen können. Dass der erforderliche Rat einer weiteren, psychologisch erfahrenen Person eingeholt worden sei, habe die Antragsgegnerin dargelegt und die bei ihr angestellte Psychologin als Zeugin benannt. Angesichts der von der Antragsgegnerin ausführlich dargestellten Ermittlungen spreche einiger Beweis dafür, dass das psychologische Gespräch stattgefunden habe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Gespräch gar nicht stattgefunden habe beziehungsweise aufgrund fehlerhafter Ermittlungen die Entscheidung ermessensfehlerhaft getroffen worden sei, weil die Darstellung der Antragsgegnerin nicht in den wesentlichen Punkten falsch sei.

5

2. Der Beschwerdeführer hat gegen die genannten Entscheidungen Verfassungsbeschwerde erhoben. Er rügt eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

6

Die Ausgangsgerichte hätten die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der Klage überspannt, indem sie die schwierige, in der Literatur kritisch beurteilte und höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage entschieden hätten, ob eine mangelnde Compliance den Zugang zu einem Teilhaberecht versperren könne. Die gegen den Anspruch auf eine gleichheitsgerechte Verteilung der Organe verstoßende und diskriminierende Differenzierung nach der Sprache sei nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Die Richtliniensetzung durch die Bundesärztekammer verstoße gegen das Demokratieprinzip und den Parlamentsvorbehalt. Außerdem begegne das Merkmal der Compliance inhaltlichen Bedenken, weil es sich nicht um ein medizinisches Kriterium handele und eine fehlende Compliance allenfalls Grund zu Unterstützungs- und Kontrollmaßnahmen gebe, nicht aber zur Exklusion führen könne. Darüber hinaus hätten die Ausgangsgerichte nicht beachtet, dass auch nach der Richtlinie die mangelnde Compliance nicht allein auf Sprachschwierigkeiten zurückgeführt werden könne. Sie hätten außerdem die in der Richtlinie verankerte Voraussetzung, den Rat einer psychologisch erfahrenen Person einzuholen, nicht ernsthaft verfolgt. Obwohl es verschiedene Anhaltspunkte dafür gebe, dass das vom Beschwerdeführer bestrittene Gespräch mit einer solchen Person nicht stattgefunden habe, die Behandlungsunterlagen keine psychologische Evaluation enthielten und der von der Antragsgegnerin unter Zeugenbeweis gestellte Gesprächsinhalt nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimme, sei das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass ein solches Gespräch stattgefunden habe. Schließlich sei eine Aufnahme auf die Warteliste zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geboten gewesen, weil die Bereitstellung eines Dolmetschers möglich gewesen oder die Fortführung der konservativen Therapie unter Aufnahme auf die Warteliste bis zur Teilnahme an einem Sprachkurs in Betracht gekommen sei.

7

3. Zu der Verfassungsbeschwerde hatten das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Äußerung.

II.

8

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ebenfalls vorliegen.

9

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Inhalt und Reichweite des aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Anspruchs auf Rechtsschutzgleichheit bereits geklärt (vgl. BVerfGE 81, 347 <356 ff.>; BVerfGK 2, 279 <281>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2002 - 1 BvR 1450/00 -, NJW-RR 2002, S. 1069; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>).

10

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), wobei die geltend gemachte Grundrechtsverletzung besonderes Gewicht hat und den Beschwerdeführer schon wegen der sich aus der angegriffenen Entscheidung ergebenden Belastung in existentieller Weise betrifft (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

11

a) Dieses gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfGE 9, 124 <130 f.>; 10, 264 <270>; 22, 83 <86>; 51, 295 <302>; 63, 380 <394 f.>; 67, 245 <248>). Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

12

Auslegung und Anwendung der §§ 114 f. ZPO obliegen dabei in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Verfassungsrecht wird jedoch dann verletzt, wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen (vgl. BVerfGE 81, 347 <357 f.>; BVerfGK 2, 279 <281>). Die Fachgerichte überschreiten den Entscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht verfassungsrechtlich zukommt, wenn sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird (vgl. BVerfGE 81, 347 <358>).

13

Hiernach dürfen schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juli 1993 - 1 BvR 1523/92 -, NJW 1994, 241 <242>). Zwar braucht Prozesskostenhilfe nicht schon dann gewährt zu werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint. Liegt diese Voraussetzung dagegen vor, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfGE 81, 347 <359>; BVerfGK 2, 279 <281>).

14

Zudem läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn der unbemittelten Partei wegen Fehlens der Erfolgsaussichten ihres Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe verweigert wird, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Februar 2002 - 1 BvR 1450/00 -, NJW-RR 2002, S. 1069; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>). Eine Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren ist nur in eng begrenztem Rahmen zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. Mai 1997 - 1 BvR 296/94 -, NJW 1997, 2745 <2746>, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Februar 2008 - 1 BvR 1807/07 -, NJW 2008, S. 1060 <1061>).

15

b) Bei Anwendung dieser Maßstäbe erweist sich die Verfassungsbeschwerde als begründet. Die Ausgangsgerichte haben die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung überspannt und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe verfehlt, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen.

16

(aa) Die Ausgangsgerichte haben schwierige und bislang ungeklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden, indem sie vertragliche und deliktische Schadensersatzansprüche durch die Anwendung des Merkmals der Compliance in der einschlägigen Richtlinie der Bundesärztekammer verneint haben.

17

In der Literatur wird bereits formal die Richtlinienermächtigung der Bundesärztekammer in § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TPG (vgl. etwa Bader, Organmangel und Organverteilung, 2010, S. 187; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, Transplantationsgesetz, 1. Aufl. 2005, § 16 Rn. 5 f.; Höfling, in: Höfling, Transplantationsgesetz, 2003, § 16 Rn. 17; Norba, Rechtsfragen der Transplantationsmedizin aus deutscher und europäischer Sicht, 2009, S. 176) in Frage gestellt. Insbesondere aber wird inhaltlich die in den Richtlinien vorgesehene Kontraindikation der Compliance (vgl. etwa Bader, Organmangel und Organverteilung, 2010, S. 209 ff.; Gutmann, in: Schroth/König/Gutmann/Oduncu, Transplantationsgesetz, 1. Aufl. 2005, § 16 Rn. 16; Lang, in: Höfling, Transplantationsgesetz, 2003, § 10 Rn. 43) und das Anknüpfen an sprachliche Verständigungsschwierigkeiten im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG (vgl. Lang, in: Höfling, Transplantationsgesetz, 2003, § 10 Rn. 43) und eine fehlende Erforderlichkeit durch die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers (vgl. Bader, Organmangel und Organverteilung, 2010, S. 381 f. m.w.N.) kritisiert. Diese Fragen wurden in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt und lassen sich auch nicht mit den von der Rechtsprechung bereitgestellten Auslegungshilfen ohne Schwierigkeiten beantworten.

18

Auf die Beantwortung dieser Fragen kam es für die Beurteilung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Ansprüche an. Waren das Merkmal der Compliance und insbesondere das Abstellen auf fehlende Sprachkenntnisse rechtlich nicht haltbar, würde deren Anwendung trotz der Vermutungsregelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 TPG sowohl eine Verletzung der vertraglichen Pflicht, über die Aufnahme auf die Warteliste nach Regeln zu entscheiden, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TPG), als auch eine durch eine umfassende Güter- und Interessenabwägung festzustellende rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen. Das außerdem erforderliche Verschulden kann ebenfalls nicht verneint werden, ohne entweder die Frage der Anwendbarkeit des Merkmals der Compliance oder die ebenfalls schwierige und im Anwendungsbereich ärztlicher Richtlinien bisher ungeklärte Rechtsfrage beantworten zu müssen, ob sich die Antragsgegnerin hier ausnahmsweise auf eine Richtigkeitsgewähr der angewendeten Richtlinie (vgl. etwa für Tarifverträge OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Juni 2008 - 12 U 4/08 -, VersR 2009, S. 203 <204>) oder einen Beurteilungsspielraum aufgrund eines sonst nicht lösbaren Pflichtenwiderstreits hätte berufen können (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1995 - V ZB 4/94 -, NJW 1996, S. 1216 <1218>).

19

Ob das Merkmal der Compliance und insbesondere das Abstellen auf fehlende Sprachkenntnisse rechtlich haltbar ist, ist außerdem erheblich für die Beurteilung eines Schadensersatzanspruches aus § 21 Abs. 2 AGG. Für die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei einer mittelbaren Benachteiligung durch die Anknüpfung an Sprachkenntnisse (vgl. dazu BAG, Urteil vom 22. Juni 2011 - 8 AZR 48/10 -, NJW 2012, S. 171 <174>) kommt es auf die schwierige, in der Literatur aufgeworfene (vgl. nur Bader, Organmangel und Organverteilung, 2010, S. 381 f. m.w.N.) und in der Rechtsprechung nicht geklärte Frage an, ob das Verlangen hinreichender Sprachkenntnisse für eine Erfolgsaussicht einer Organübertragung erforderlich ist. Diese Fragen sind nicht etwa durch das Verschuldenserfordernis in § 21 Abs. 2 AGG entbehrlich. Diesbezüglich stellt sich seinerseits die schwierige und ungeklärte Rechtsfrage, ob das Verschuldenserfordernis im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum Schadensersatz bei Diskriminierungen wegen des Geschlechts (vgl. EuGH, Urteil vom 8. November 1990 - C-177/88 Dekker -, EuGH Slg. 1990, I-3975, Rn. 22 ff.) europarechtskonform ist, ohne dass diese in der Literatur aufgeworfene Frage (vgl. dazu etwa Thüsing, in: Münchener Kommentar zum BGB, § 21 AGG, Rn. 45 m.w.N.) in der Rechtsprechung geklärt wäre oder sich anhand der von der bisherigen Rechtsprechung zur Verfügung gestellten Auslegungshilfen beantworten ließe.

20

(bb) Eine Verletzung der Rechtsschutzgleichheit liegt außerdem darin, dass die Ausgangsgerichte dem Beschwerdeführer wegen Fehlens der Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens Prozesskostenhilfe verweigert haben, obwohl eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kam und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen könnte.

21

Für die im Ausgangsverfahren zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob ein Gespräch des Beschwerdeführers mit einer psychologisch erfahrenen Person stattgefunden hat, kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht. Diese Frage ist entscheidungserheblich, da nach den Richtlinien für die Wartelistenführung und die Organvermittlung zur Herz-, Herz-Lungen- und Lungentransplantation vor der endgültigen Ablehnung der Aufnahme in die Warteliste der Rat einer psychologisch erfahrenen Person einzuholen ist. Ob das hierfür von den Ausgangsgerichten für erforderlich gehaltene Gespräch des Beschwerdeführers mit einer solchen Person stattgefunden hat, wäre unabhängig von der Frage der Beweislast durch eine Beweisaufnahme und selbst ohne einen entsprechenden Beweisantritt des Beschwerdeführers zu klären gewesen. Denn zur Wahrung des Grundsatzes der Waffengleichheit und des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie des Rechts auf Gewährleistung eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes ist es erforderlich, einer Partei, die für ein Vieraugengespräch keinen Zeugen hat, Gelegenheit zu geben, ihre Darstellung des Gesprächs in den Prozess persönlich einzubringen und sie zu diesem Zweck entweder gemäß § 448 ZPO zu vernehmen oder gemäß § 141 ZPO anzuhören, es sei denn die Feststellungen über den Gesprächsverlauf werden nicht nur auf die Aussage des von der Gegenpartei benannten Zeugen, sondern zusätzlich auf sonstige Beweismittel oder Indizien gestützt (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2005 - XI ZR 216/04 -, NJW-RR 2006, S. 61 <63> m.w.N.). Hiernach hätte im Hauptsacheverfahren neben der von der Antragsgegnerin benannten Zeugin auch der Beschwerdeführer vernommen beziehungsweise angehört werden müssen, da es um ein entscheidungserhebliches Gespräch unter vier Augen zwischen einer Zeugin und dem Beschwerdeführer als Partei des Ausgangsverfahrens ging und keine weiteren Beweismittel oder Indizien vorhanden waren.

22

Es liegen außerdem keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde. Das Oberlandesgericht hat allein aus der Schlüssigkeit des Vortrages der Antragsgegnerin darauf geschlossen, dass diese den angetretenen Zeugenbeweis eines psychologischen Gesprächs führen kann. Dass dieser Vortrag persönliche Informationen über den Beschwerdeführer enthielt, erlaubte keine derartige Prognose, da die Antragsgegnerin diese Informationen auch anderweit erhalten haben kann und sie nicht vollständig mit der vom Beschwerdeführer im Ausgangsverfahren vorgetragenen tatsächlichen Situation übereinstimmten.

23

Die Entscheidungen beruhen auch auf diesem Verstoß, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Ausgangsgerichte zu einem abweichenden, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wären, wenn sie die sich aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Grenzen einer antizipierten Beweiswürdigung beachtet hätten. Denn das Oberlandesgericht hat hinsichtlich einer für seine Entscheidung erheblichen Tatsache gegen dieses Gebot verstoßen. Hält man mit dem Oberlandesgericht die Anwendung des Merkmals der Compliance als solche noch nicht für pflichtwidrig, kommt es für die Frage eines Schadensersatzanspruchs wegen schuldhafter Verletzung von Pflichten aus dem Behandlungsvertrag maßgeblich darauf an, ob die in der Richtlinie geregelten Voraussetzungen eingehalten wurden, wozu unter anderem die Einholung des Rats einer psychologisch erfahrenen Person gehört.

III.

24

Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist hiernach gemäß § 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

25

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG, diejenige über die Festsetzung des Gegenstandwerts auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis weiter.

Nach ihren Angaben hält sich die Klägerin seit Februar 1991 im Bundesgebiet auf. Sie ist als sog. unechte Ortskraft im türkischen Generalkonsulat tätig und seit dem 1. Februar 2003 mit Hauptwohnsitz in M. gemeldet. Sie besaß einen Protokoll-ausweis für Ortskräfte, der vom 11. Juni 2007 bis zum 10. August 2010 gültig und vom Auswärtigen Amt in Berlin ausgestellt worden war. Am 10. November 2006 heiratete die Klägerin ihren Ehemann, der türkischer Staatsangehöriger und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist.

Am 18. Mai 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erstmals die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Sie legte eine Bestätigung vor, wonach sie über Deutschkenntnisse der Stufe A 1 verfüge. Am 29. Juni 2010 wurde ihr eine bis 11. Mai 2011 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG erteilt.

Am 24. Mai 2011 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Sie sei seit Februar 1991 als sog. unechte Ortskraft im türkischen Generalkonsulat in Deutschland tätig. Sie lebe seit fünf Jahren mit ihrem Ehemann in ehelicher Lebensgemeinschaft und habe daher Ansprüche aus Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) erworben. Ferner wies sie mit Schreiben vom 7. September 2009 darauf hin, dass für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aufgrund der Übergangsregelung in § 104 Abs. 2 AufenthG die nachgewiesenen Deutschkenntnisse ausreichend seien sowie Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG nicht verlangt werden dürften. Ihr sei zwar nicht vor dem 1. Januar 2005 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden, jedoch hätten ihr zu diesem Zeitpunkt Ansprüche aus Art. 7 ARB 1/80 zugestanden. Unabhängig von der Anwendbarkeit des § 104 Abs. 2 AufenthG könnten jedoch die erschwerten Anforderungen, die durch das Aufenthaltsgesetz in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG zum 1. Januar 2005 eingeführt worden seien, nicht geltend gemacht werden. Diese Anforderungen seien als neue Beschränkungen i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 anzusehen. Nach dem (früher geltenden) Ausländergesetz seien für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. Aufenthaltsberechtigung die Anforderungen aus § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 8 AufenthG nicht gestellt worden.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. Mai 2012 den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab. Die Klägerin sei nicht bereits seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, da ihr diese erstmals am 29. Juni 2010 erteilt worden sei. Sie falle auch nicht unter die Übergangsregelung in § 104 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG, da ihr Antrag auf Niederlassungserlaubnis nicht vor dem 1. Januar 2005 gestellt worden sei und sie auch vor dem 1. Januar 2005 nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis gewesen sei. Die Befreiung von der Aufenthaltserlaubnispflicht als sog. unechte Ortskraft falle nicht unter diese Vorschrift. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (Zertifikat B 1) und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet seien nicht nachgewiesen worden. Die Klägerin erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 7 ARB 1/80. Der Assoziationsratsbeschluss regle allerdings nicht die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und stehe der Versagung dieser somit nicht entgegen. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 AuslG oder § 27 Abs. 2 AuslG erfülle die Klägerin ebenfalls nicht. Die Klägerin sei nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen. Die Zeiten, in denen sie als Ortskraft beim türkischen Generalkonsulat beschäftigt gewesen sei, seien gemäß § 96 Abs. 3 AuslG nicht anrechenbar.

Die Klage der Klägerin, mit der sie unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2012 die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, hilfsweise einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 AuslG 1965, nochmals hilfsweise einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 AuslG 1965 beantragte, wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 13. September 2012 ab. Ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG bestehe nicht, weil die Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 7 und 8 AufenthG nicht erfülle. Sie sei insbesondere nicht seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, da ihr diese erstmals am 29. Juni 2010 zum Zweck des Familiennachzugs zu ihrem Ehemann erteilt worden sei. Diese Erfordernisse seien auch nicht im Hinblick auf die Übergangsvorschrift des § 104 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG entbehrlich. Die Klägerin sei vor dem 1. Januar 2005 weder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis gewesen noch habe sie die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung vor diesem Zeitpunkt beantragt. Der Umstand, dass die Klägerin bereits vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 29. Juni 2010 jahrelang als sog. unechte Ortskraft beim türkischen Generalkonsulat beschäftigt gewesen sei, rechtfertige insoweit keine andere rechtliche Beurteilung. Die Klägerin sei in dieser Zeit gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit gewesen. Diese Zeiten seien aber nicht als Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis zu werten (Ziffer 9.2.1.1. AVwV). Die Klägerin habe auch aus Art. 6 oder 7 ARB 1/80 keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, da die mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beabsichtigte und verbundene aufenthaltsrechtliche Verfestigung von anderen Voraussetzungen abhänge als das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht, das ausschließlich einen wirtschaftlichen Zweck verfolge. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach altem Recht (§§ 8, 9 AuslG 1965), da dieses weder über Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (ZP) noch über Art. 13 ARB 1/80 auf sie Anwendung finde. Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Art. 41 ZP sei im Fall der Klägerin nicht eröffnet. Auch Art. 13 ARB 1/80 komme hier nicht zur Anwendung, weil die Klägerin einen Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 habe. Da der Klägerin somit bereits uneingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Beschäftigung zustehe, komme anstelle der deklaratorischen Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG kein weiterer Anspruch in Betracht. Abgesehen davon hätte die Klägerin auch bei Anwendung des § 8 bzw. § 7 AuslG 1965 keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, da es sich in beiden Fällen um eine Ermessensentscheidung handle und eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegend nicht erkennbar sei. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK oder aus Art. 3 Abs. 3 ENA.

Auf Antrag der Klägerin ließ der Senat mit Beschluss vom 30. September 2013 die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. September 2012 zu.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin:

Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. September 2012 und Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Mai 2012 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Niederlassungserlaubnis, hilfsweise eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 AuslG 1965, weiter hilfsweise eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 AuslG 1965 zu erteilen.

Zur Begründung ihrer Berufung bringt die Klägerin vor, der Anwendungsbereich des Art. 13 ARB 1/80 sei eröffnet. Hierfür sei ausreichend, dass es sich um einen türkischen Staatsangehörigen handle, der sich ordnungsgemäß im Aufnahmestaat aufhalte, dessen Einreise, Aufenthalt und Beschäftigung somit rechtmäßig gewesen seien. Es werde auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Abatay verwiesen. Die Klägerin könne zwar keinen Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse auf B 1 Niveau vorlegen, dies sei aber irrelevant. Art. 13 ARB 1/80 finde nicht nur auf Bestimmungen in einer Gesetzes- oder Verordnungsvorschrift, sondern auch auf Bestimmungen einer Rundverfügung Anwendung. Nach den Verwaltungsvorschriften zu § 7 AuslG 1965 sei auf Antrag in der Regel eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sich der Ausländer auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständlich machen könne. Ausnahmen von dieser Regelvorschrift habe die Ausländerbehörde darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen. Die Klägerin habe nicht nur einfache, sondern ausreichende Deutschkenntnisse. Bei einem rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland von acht Jahren und einer wirtschaftlichen und sozialen Integration sei eine Selbstbindung der Verwaltung hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung anzunehmen. Eine soziale Integration werde angenommen, wenn ausreichende Deutschkenntnisse vorlägen. Zum Beweis der ausreichenden Deutschkenntnisse seien keinerlei Dokumente angefordert worden. Zudem weiche das Verwaltungsgericht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2012, Az. 1 C 6.11, ab. Auch übersehe das Gericht, dass die Beklagte bezüglich der Erteilung der unbefristetenAufenthaltserlaubnis bzw. Aufenthaltsberechtigung kein Ermessen ausgeübt habe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin halte sich seit der Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis illegal in Deutschland auf. Einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG oder Verlängerung ihres Aufenthaltstitels nach § 30 Abs. 1 AufenthG habe sie bis heute nicht gestellt. Ein Telc-Zertifikat zum Nachweis der einfachen deutschen Sprachkenntnisse habe sie bislang nicht vorgelegt. Die Regelung in § 9 Abs. 2 AufenthG, wonach für eine Niederlassungserlaubnis ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache erforderlich seien, stelle nach Auffassung der Beklagten keine Beschränkung dar, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwere.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2014 hat sich der Senat u. a. einen Eindruck von den bei der Klägerin vorhandenen Kenntnissen der deutschen Sprache verschafft.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten, die Gerichtsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Klage der Klägerin auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Mai 2012 und auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten nationalen Titels für ein Daueraufenthaltsrecht (Niederlassungserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung, unbefristete Aufenthaltserlaubnis) ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Ein mit dem Hauptantrag geltend gemachter Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ergibt sich weder aus § 9 Abs. 2 AufenthG (1.) noch unmittelbar aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 (2.). Sie kann sich zwar auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 berufen, ein Anspruch auf Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels für ein Daueraufenthaltsrecht ergibt sich für sie daraus aber nicht (3.). Die Hilfsanträge bleiben ebenfalls erfolglos (4.).

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG, weil sie die Erteilungsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (1.1), 7 (1.2) und 8 (1.3) AufenthG nicht erfüllt und von diesen Erteilungsvoraussetzungen auch nicht abgewichen werden kann (1.1.1, 1.1.2 und 1.2.1)

1.1 Voraussetzung für eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist zunächst, dass der Ausländer seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt. Der Klägerin wurde erstmals am 29. Juni 2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zum Familiennachzug zu ihrem türkischen Ehemann, der eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, erteilt. Diese Aufenthaltserlaubnis war bis 11. Mai 2011 befristet. Aufgrund ihres Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom 14. Mai 2011 erhielt sie eine Fiktionsbescheinigung, die bis 23. November 2011 gültig war. Selbst wenn die Fiktionszeiten des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG im Rahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zugunsten der Klägerin Berücksichtigung fänden, hätte sie damit im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Berufungsverfahren das Erfordernis des fünfjährigen Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllt.

1.1.1 Die Zeiten, in denen sich die Klägerin als sog. unechte Ortskraft ohne Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik aufhielt, stehen dem Erfordernis des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nicht gleich. Als unechte Ortskraft war die Klägerin nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Auf die Zeit des nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Besitzes der Aufenthaltserlaubnis können zwar unter Umständen Zeiten angerechnet werden, in denen ein Ausländer vom Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis freigestellt war (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2014, § 9 AufenthG, Rn. 13). Allerdings werden Aufenthaltszeiten nach § 27 AufenthV, in denen der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nicht besaß, bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nur in den Fällen des § 27 Abs. 3 AufenthG angerechnet, ansonsten bleiben sie unberücksichtigt (Nr. 9.2.1.1 VwV zum AufenthG vom 26. Oktober 2009). Die Klägerin fällt nicht unter die Regelung in § 27 Abs. 3 AufenthV, weil sie erst seit 29. Juni 2010 im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis war und auch der Befreiungsgrund des § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV bereits vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 29. Juni 2010 eingetreten war. Nicht angerechnet auf den für eine Niederlassungserlaubnis erforderlichen fünfjährigen Besitz der Aufenthaltserlaubnis werden auch Zeiten, in denen die Klägerin ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besaß. Sie ist seit 10. November 2006 mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet und daher seit 10. November 2009 Inhaberin einer Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80, die ihr ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet vermittelt. Auf die nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis werden allerdings nur Aufenthaltszeiten angerechnet, während derer der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG besaß. Eine solche hat die Klägerin nie beantragt.

1.1.2 Die Aufenthaltszeiten der Klägerin, in denen sie nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV vom Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis befreit war oder als Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 innehat bzw. eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 4 Abs. 5 AufenthG gehabt hätte, finden auch nach § 101 Abs. 2 AufenthG keine Berücksichtigung. Diese Regelung setzt ausdrücklich voraus, dass vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Januar 2005 eine Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG 1990 erteilt worden war. Daran fehlt es jedoch bei der Klägerin.

1.2 Voraussetzung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG ist weiter, dass der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG). Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (§ 2 Abs. 11 AufenthG). Einen Nachweis dafür, dass sie solche Kenntnisse besitzt, hat die Klägerin trotz ihrer Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 AufenthG nicht erbracht. Sie hat auch nicht behauptet, dass sie die nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG erforderlichen Sprachkenntnisse besitzt.

1.2.1 Vom Erfordernis der ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist bei der Klägerin auch nicht nach § 104 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abzusehen. Nach dieser Regelung ist bei Ausländern, die vor dem 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, hinsichtlich der Sprachkenntnisse nur erforderlich, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständlich machen können. § 104 Abs. 2 AufenthG soll den Eintritt von Rechtsnachteilen aus der Geltung strengerer Integrationsanforderungen für die Ausländer, die am 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis sind und nach altem Recht unter weniger strengen Voraussetzungen einen verfestigten Aufenthaltstitel erlangen konnten, vermeiden. Voraussetzung für diese Begünstigung ist allerdings der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder ein Anspruch auf rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2014, § 104 Rn. 5) Die Klägerin besaß jedoch vor dem 1. Januar 2005 keine Aufenthaltserlaubnis. Auch stand ihr kein Anspruch auf (rückwirkende) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu. Die Eheschließung, die einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 4 Abs. 5 AufenthG begründet hat, erfolgte erst am 10. November 2006 und damit nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung zum 1. Januar 2005. Die Tätigkeit als unechte Ortskraft begründet ebenfalls keinen Anspruch auf (rückwirkende) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Nur unechten Ortskräften, die mehr als 15 Jahre an der Auslandsvertretung ihres Entsendestaats tätig waren, und danach aus dem Dienst ausscheiden, wird eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Diese Regelung gilt zudem erst ab dem 1. Februar 2010 (vgl. Rundnote des Auswärtigen Amtes Nr. 28/2009 vom 21. Dezember 2009). Ansonsten wird den jeweiligen Ortskräften nur ein Protokollausweis ausgestellt.

1.3 Zudem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG). Die Vorschritt des § 104 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, der von diesem Erfordernis dispensiert, findet auf die Klägerin keine Anwendung, da sie am 1. Januar 2005 nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und auch keinen Anspruch auf rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hatte (siehe 1.2.2).

2. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ergibt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80.

2.1 Die Klägerin hat durch die Eheschließung mit einem türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 innehat, jedenfalls ein Daueraufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Ginge man davon aus, dass die Klägerin durch ihre Tätigkeit als unechte Ortskraft im türkischen Generalkonsulat dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, so wäre sie zudem Inhaberin einer Rechtsposition aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80. Für die Zugehörigkeit eines türkischen Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats kommt es darauf an, ob das Arbeitsverhältnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats lokalisiert werden kann oder eine hinreichend enge Verknüpfung mit diesem Gebiet aufweist, wobei insbesondere der Ort der Einstellung des türkischen Arbeitnehmers, das Gebiet, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird und die Vorschriften im Bereich des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit zu berücksichtigen sind (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, Art. 6 ARB 1/80 Rn. 21 m. w. N.; Gutmann in GK, Stand August 2013, Art. 6 ARB 1/80 Rn. 80 m. w. N.). Bei den unechten Ortskräften handelt es sich um Arbeitnehmer, die vom Entsendestaat in den Heimatländern angeworben werden, um in der diplomatischen oder konsularischen Vertretung des Entsendestaats im Empfangsstaat zu arbeiten. Sozialabgaben entrichten unechte Ortskräfte an ihren Entsendestaat. Es spricht daher einiges dafür, die unechten Ortskräfte wie Angehörige des diplomatischen Dienstes oder in der hoheitlichen Verwaltung des Entsendestaats tätige Arbeitnehmer als nicht dem regulären Arbeitsmarkt des Empfangsstaat zugehörige Arbeitnehmer einzuordnen (Gutmann in GK, a. a. O., Art. 6 ARB 1/80 Rn. 109 ff.). Da sich die Klägerin als Ehefrau eines ARB-berechtigten türkischen Staatsangehörigen aber in jedem Fall auf ihre Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 berufen kann, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob sie daneben noch einen Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben hat.

2.2 Aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 (und aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich) lässt sich jedoch ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ohne Vorliegen der in § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG genannten Erteilungsvoraussetzungen nicht ableiten. Auch wenn die jeweilige Rechtsposition aus dem ARB 1/80 ein Daueraufenthaltsrecht vermittelt und dem türkischen Staatsangehörigen eine deklaratorische Aufenthaltserlaubnis ausgestellt werden muss, aus der ersichtlich ist, dass er ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht besitzt (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 27), stellen das Assoziationsrecht und das mitgliedstaatliche Aufenthaltsrecht getrennte Rechtskreise dar, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Während das Assoziationsrecht ausschließlich wirtschaftlichen Zwecken dient und sich deshalb auf die schrittweise Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt (EuGH, U.v. 8.12.2011 - C-371/08, Ziebell - juris Rn. 64 f.), verfolgt das innerstaatliche Aufenthaltsrecht weiter gefasste Ziele, insbesondere die Steuerung der Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme und Integrationsfähigkeit. Die Niederlassungserlaubnis ist als rechtliche Bestätigung einer erfolgreichen Integration konstruiert (für die wirtschaftliche Integration vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 17). Dem Aufenthaltsgesetz ist das Bestehen verschiedener, in ihren Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestalteter Rechtsstellungen eines Ausländers nicht fremd. Nach § 4 Abs. 5 AufenthG ist ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er noch keine Niederlassungserlaubnis besitzt. Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts, das in seinen Rechtsfolgen und seinem Fortbestand eigenen Regeln unterliegt, der konstitutiven Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nicht entgegensteht (BVerwG, U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 20). Umgekehrt kann aus dem Bestehen eines assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts nicht gefolgert werden, dass der Ausländer Anspruch auf Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels hat, der ihm ein Daueraufenthaltsrecht verleiht, wenn die sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

3. Auch die unmittelbare Anwendung der Stillhalteklauseln aus Art.13 ARB 1/80 oder Art. 7 ARB 2/76 rechtfertigt nicht die Erteilung eines konstitutiven nationalen Aufenthaltstitels, der der Klägerin ein Daueraufenthaltsrecht zuerkennt. Die genannten Stillhalteklauseln stellen keine Anspruchsgrundlage für die Erteilung eines Daueraufenthaltsrechts dar, sondern bewirkten nur, dass die Regelungen in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG, falls sie neue Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt darstellten, bei der Entscheidung über das Daueraufenthaltsrecht nicht berücksichtigt werden dürften (3.1). Es kann dabei offen bleiben, ob im Fall der Klägerin die Stillhalteklausel aus Art. 7 ARB 2/76 oder Art. 13 ARB 1/80 zur Anwendung kommt (3.2). Auch wenn die Klägerin bereits eine Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 (oder Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80) innehat, kann sie sich grundsätzlich auf die entsprechende Stillhalteklausel berufen (3.3). Jedoch führt die entsprechende Stillhalteklausel nicht zur Erteilung eines Daueraufenthaltstitels in Form der Niederlassungserlaubnis (3.4). Die Klägerin hält sich zwar ordnungsgemäß im Bundesgebiet auf (3.4.1), die im Vergleich zum AuslG 1965 für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung verschärften Erteilungsvoraussetzungen für die Niederlassungserlaubnis stellen jedoch keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 dar (3.4.2).

3.1 Über die Assoziationsratsbeschlüsse 2/76 vom 20. Dezember 1976 und 1/80 vom 19. September 1980 soll eine Verbesserung der Rechtsstellung der türkischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen im sozialen Bereich erreicht werden. Sie dienen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) der schrittweisen Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen. Der Assoziationsratsbeschluss 2/76 wurde durch den Beschluss 1/80 ersetzt. Lediglich die Stillhalteklausel in Art. 7 ARB 2/76, die der Regelung in Art. 13 ARB 1/80 entspricht, hat noch eigenständige Bedeutung, weil dadurch die Anwendung neuer Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für türkische Arbeitnehmer bereits ab dem 20. Dezember 1976 ausgeschlossen wird (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 20 f.). Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel entfaltet unmittelbare Wirkung (EuGH, U.v. 20.9.1990 - Sevince, C-192/89 - juris Rn. 26; U.v. 11.5.2000 - Savas, C-37/98, - juris Rn. 41 ff.; U.v. 17.9.2009 - Sahin, C-242/06 - juris Rn.62). Sie verleiht demjenigen Begünstigten, der sich darauf beruft, nicht unmittelbar ein Aufenthaltsrecht, sondern verwehrt es den Vertragsparteien des Beschlusses lediglich, die innerstaatlichen Regelungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für die Begünstigten gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Assoziationsratsbeschlüsse zu erschweren bzw. entgegenstehende Vorschriften anzuwenden (EuGH, U.v. 11.5.2000, - C-37/98, Savas - juris Rn. 64, 69).

Mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Januar 2005 wurde der Aufenthaltstitel der Niederlassungserlaubnis in das Ausländerrecht eingeführt. Er ersetzt die im Ausländergesetz 1990 in §§ 24 ff. AuslG geregelte unbefristete Aufenthaltserlaubnis und stellt die höchste Form der Aufenthaltsverfestigung dar. Im Ausländergesetz 1965 standen für die vergleichbare Aufenthaltsverfestigung die Aufenthaltsberechtigung (§ 8 AuslG 1965) und die unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AuslG 1965) zur Verfügung. Gegenüber den Regelungen zur unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in den Ausländergesetzen von 1965 und 1990 stellt § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG höhere Anforderungen an die Sprachkompetenz. Erforderlich für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis sind ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, die gemäß § 2 Abs. 11 AufenthG dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen. Für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung nach den Vorgängerregelungen reichte es dagegen aus, dass sich der Ausländer auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen bzw. mündlich verständlich machen konnte (Nr. 4a Ausl-VwV zu § 8 i. V. m. Nr. 4 (1) b) AuslVwV zu § 7 in Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl. 1988, § 8 und § 7 AuslG 1965). Zudem muss der Ausländer nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügen. Gegenüber der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Assoziationsratsbeschlüsse 2/76 und 1/80 geltenden Regelung in § 8 AuslG 1965 i. V. m. den entsprechenden Verwaltungsvorschriften für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung hat das Aufenthaltsgesetz in § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Erteilungsvoraussetzungen für den (nationalen) unbefristeten Aufenthaltstitel verschärft. Könnte sich die Klägerin mit Erfolg auf die entsprechenden Stillhalteklauseln berufen, müsste ihr bei Vorliegen der übrigen Erteilungsvoraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden, da sie sich, wie ihre Befragung durch den Senat in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, auf einfache Art n deutscher Sprache mündlich verständlich machen kann. Von der Erteilungsvoraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG wäre dann abzusehen. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 8 AuslG 1965 oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 7 AuslG 1965 käme dagegen nicht in Betracht, weil seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes diese Formen eines Aufenthaltstitels nicht mehr vorgesehen sind. Vor dem 1. Januar 2005 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnisse und Aufenthaltsberechtigungen gelten vielmehr als Niederlassungserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt weiter (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

Der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis anstatt einer Aufenthaltsberechtigung nach § 8 AuslG 1965 oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 7 AuslG 1965, die bei Inkrafttreten der jeweiligen Assoziationsratsbeschlüsse die Rechtsgrundlagen für ein nationales Daueraufenthaltsrecht darstellten, stünde nicht entgegen, dass § 9 Abs. 2 AufenthG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis begründet, während die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 8 bzw. 7 AuslG 1965 im Ermessen der Ausländerbehörde stand. Die mit Wirkung zum 1. Oktober 1978 in Kraft getretene allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Ausländergesetzes vom 7. Juli 1978 enthält nämlich Verfestigungsregeln. Nach Nr. 4a AuslVwV zu § 8 (a. a. O.) ist einem Ausländer nach einem rechtmäßigen Aufenthalt von 8 Jahren in der Regel eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn er sich in das wirtschaftliche und soziale Leben in der Bundesrepublik eingefügt hat. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis ist ihm in der Regel nach einem fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt zu erteilen (Nr. 4 AuslVwV zu § 7, a. a. O.), d. h. im Regelfall besteht somit (ebenfalls) ein Anspruch auf Erteilung des betreffenden Aufenthaltstitels (Kanein, Ausländerrecht, a. a. O., AuslG, § 7 Rn. 22).

3.2 Welche der Stillhalteklauseln aus Art. 7 ARB 2/76 oder aus Art. 13 ARB 1/80 im Fall der Klägerin zur Anwendung kommt, bedarf hier keiner Entscheidung. Die im Vergleich zur Aufenthaltsberechtigung aus § 8 AuslG 1965 zusätzlichen bzw. strengeren Anforderungen für die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels wurden erst durch das Aufenthaltsgesetz zum 1. Januar 2005 gesetzliche Erteilungsvoraussetzung. Sie liegen damit zeitlich nach dem Inkrafttreten der Assoziationsratsbeschlüsse 2/76 vom 20. Dezember 1976 und 1/80 vom 19. September 1980, so dass unerheblich ist, ob die Klägerin mit ihrer Tätigkeit als unechte Ortskraft dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats als Arbeitnehmerin angehört (s.o.) und daher bereits ab dem 20. Dezember 1976 neu eingeführte Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht mehr angewendet werden dürften oder ob sie sich als Familienangehörige eines türkischen Staatsangehörigen auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 berufen kann. Die Stillhalteklausel aus Art. 41 ZP kommt nicht zur Anwendung, weil der Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet der Wahrnehmung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und nicht der Niederlassungsfreiheit oder dem freien Dienstleistungsverkehr dient. Im Übrigen haben Art. 41 ZP und Art. 13 ARB 1/80 dieselbe Funktion, Art. 41 ZP erweist sich als notwendige Ergänzung der Art. 13 und 14 des Assoziierungsabkommens für den Bereich der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs und ist daher in Bezug auf den Begriff der neuen Beschränkungen wie Art. 13 ARB 1/80 auszulegen (EuGH, U.v. 21.10.2003 - Abatay, C-317/01 - juris Rn. 67, 70, 72 f.).

3.3. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann sich die Klägerin grundsätzlich auf die Stillhalteklausel aus Art. 13 ARB 1/80 berufen, auch wenn sie selbst bereits eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich (oder Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich) innehat. Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet rechtmäßig sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Dem Wortlaut der Regelung lässt sich nicht entnehmen, ob sich auch diejenigen türkischen Staatsangehörigen, die bereits unmittelbar aus dem ARB 1/80 ein gesichertes dauerhaftes Aufenthaltsrecht erworben haben, auf die Klausel berufen können, oder ob sie nur auf den Personenkreis Anwendung findet, der noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und Aufenthalt hat. Der Europäische Gerichtshofs führt in seinen Entscheidungen vom 29. April 2010 (C-92/07 - juris) und 17. September 2009 (Sahin, C-242/06) diesbezüglich aus, dass die Vorschrift nicht dazu bestimmt ist, die bereits in den Arbeitsmarkt integrierten türkischen Staatsangehörigen zu schützen, sondern gerade für diejenigen türkischen Staatsangehörigen gilt, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und Aufenthalt nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben (EuGH, U.v. 29.4.2010 - C-92/07 - juris Rn. 45; EuGH, U.v. 9.12.2010 - Toprak u. Oguz, C-300/09 u. a. - juris Rn. 45). Art. 13 ARB 1/80 soll gerade für diejenigen türkischen Staatsangehörigen gelten, die noch keine Rechte in Bezug auf Aufenthalt und Beschäftigung genießen (EuGH, Sahin, a. a. O., Rn. 51). Demgegenüber stellt der EuGH in seinem Urteil vom 21. Oktober 2003 (Abatay, C-317/01 - juris) fest, dass Art. 13 ARB 1/80 nicht nur auf türkische Staatsangehörige anzuwenden ist, die bereits in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert sind (U.v. 21.10.2003, a. a. O., Rn. 83 f.). Der Senat ist der Auffassung, dass sich sowohl türkische Staatsangehörige, die bereits in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert sind, als auch solche, die noch keine Rechtsposition aus dem ARB erworben haben, grundsätzlich auf die Stillhalteklausel berufen können. Dafür spricht schon der Wortlaut der Vorschrift, der ausdrücklich auch den Fall erfasst, dass der Aufenthalt und die Beschäftigung (bereits) ordnungsgemäß sind. Weiter folgt dies aus dem mit der Stillhalteklausel verfolgten Ziel, günstigere Bedingungen für die Verwirklichung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu schaffen (EuGH, U.v. 9.12.2010, a. a. O., Rn. 52; U.v. 21.10.2003, a. a. O., Rn. 80), aber auch aus der Interpretation der Stillhalteklausel als Meistbegünstigungsklausel, die allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen verbietet, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB 1/80 galten (EuGH, U.v.17.9.2009, a. a. O., Rn. 62). Darunter sind folglich nicht nur Maßnahmen zu verstehen, die unmittelbar den Zugang zum Arbeitsmarkt betreffen, sondern auch Regelungen in Bezug auf die Weiterbeschäftigung und den durch die Beschäftigung bedingten Aufenthalt. Solche Regelungen können auch diejenigen türkischen Arbeitnehmer, die bereits eine Rechtsposition aus Art. 6 ARB 1/80 innehaben, oder ihre Familienangehörigen betreffen. So kann z. B. die Einführung neuer oder im Vergleich zu früheren Regelungen unverhältnismäßig hoher Gebühren für die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für einen türkischen Staatsangehörigen eine Verschärfung der Bedingungen für den Arbeitsmarktzugang darstellen (EuGH, U.v. 19.9.2009, a. a. O., Rn. 74) und damit auch Rechtswirkungen gegenüber einem türkischen Staatsangehörigen entfalten, der bereits ein Daueraufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 besitzt. Folglich geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich ein Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erfüllt, auf Art. 13 ARB 1/80 berufen kann (BVerwG, U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 30; U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 18).

3.4 Kann sich die Klägerin somit grundsätzlich auf die Stillhalteklausel berufen, verhilft ihr das gleichwohl nicht zu dem von ihr begehrten unbefristeten nationalen Aufenthaltstitel. Die Klägerin hält sich zwar ordnungsgemäß i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 im Bundesgebiet auf (3.4.1), bei den hier entscheidungserheblichen zusätzlichen Anforderungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG) handelt es sich aber um keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt (3.4.2), so dass sich aus Art. 13 ARB 1/80 für die Klägerin keine Abweichungen von den gesetzlichen Erteilungsvoraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis ergeben.

3.4.1 Art. 13 ARB 1/80 begünstigt türkische Staatsangehörige, die sich als Arbeitnehmer oder Familienangehörige eines Arbeitnehmers ordnungsgemäß im Bundesgebiet aufhalten. Dies trifft im Fall der Klägerin zu. Ein ordnungsgemäßer Aufenthalt liegt vor, wenn sich der türkische Staatsangehörige in Einklang mit den nationalen Bestimmungen im Bundesgebiet aufhält (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 21 m. w. N.). Die Klägerin ist zwar im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats weder im Besitz einer nationalen Aufenthaltserlaubnis noch einer Fiktionsbescheinigung. Sie besitzt jedoch unstreitig zumindest ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80. Dieses Aufenthaltsrecht ergibt sich konstitutiv unmittelbar aus dem Assoziationsrecht. Die nach § 4 Abs. 5 AufenthG erforderliche Aufenthaltserlaubnis hat nur deklaratorische Wirkung und die Funktion eines Nachweismittels (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 4 AufenthG Rn. 123).

3.4.2 Die mit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderlichen ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet stellen keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt da. Die Stillhalteklausel ist zwar nicht nur auf nationale Regelungen anwendbar, die den unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt regeln (3.4.2.1), ob der türkische Arbeitnehmer oder dessen Familienangehöriger aber in Besitz eines nationalen Daueraufenthaltstitels oder nur einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ist, hat jedoch keinen direkt zurechenbaren oder unmittelbaren Einfluss auf seinen Zugang zum Arbeitsmarkt (3.4.2.2).

3.4.2.1 Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Wie bereits dargelegt, entfaltet die Stillhalteklausel unmittelbare Wirkung, sie verleiht aber demjenigen Begünstigten, der sich darauf beruft, nicht unmittelbar ein Aufenthaltsrecht, sondern verwehrt es den Vertragsparteien des Beschlusses lediglich, die innerstaatlichen Regelungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für die Begünstigten gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Assoziationsratsbeschlusses zu erschweren und entgegenstehende Vorschriften anzuwenden. Die ihrem Wortlaut nach allein auf den Zugang zum Arbeitsmarkt beschränkte Regelung hat sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in ihrem sachlichen Anwendungsbereich durch die Rechtsprechung des EuGH eine Erweiterung erfahren. Während ursprünglich nur der beim Inkrafttreten der Stillhalteklausel vorhandene Normbestand für den Zugang zum Arbeitsmarkt geschützt war, hat sich Art. 13 ARB 1/80 zu einer Art „Meistbegünstigungsklausel“ entwickelt. In seiner neueren Rechtsprechung hat der EuGH die Beschränkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stillhalteklausel aufgegeben und wendet sie auf jede Verschlechterung des nationalen Rechts, das den Zugang zum Arbeitsmarkt regelt, an (EuGH, U.v. 9.12.2010 - Toprak u. Oguz, C-300/09 u. a. - juris Rn. 49 ff.). Den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zudem nicht nur auf arbeitsrechtliche Regelungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt unmittelbar betreffen, beschränkt, sondern auf die mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt verbundenen Aufenthaltsrechte ausgedehnt. Die einem türkischen Arbeitnehmer auf dem Gebiet der Beschäftigung eingeräumten Rechte implizieren zwangsläufig, dass dem Betroffenen ein Aufenthaltsrecht zusteht, weil sonst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt völlig wirkungslos wäre und er somit einen Anspruch auf Verlängerung seines Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat haben muss, um weiter ordnungsgemäß seine Beschäftigung ausüben zu können (EuGH, U.v. 11.5.2000 - Savas, C-37/98 - juris Rn. 60 m. w. N.). Zusammengefasst steht nach der neueren Rechtsprechung des EuGH die Stillhalteklausel der Einführung neuer Beschränkungen der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit einschließlich solcher entgegen, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates betreffen, die dort von dieser Freizügigkeit Gebrauch machen wollen (EuGH, U. v. 29.4.2010 - C-92/07 - juris Rn. 49). Art. 13 ARB 1/80 verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen oder Bedingungen als denjenigen unterworfen wird, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses galten (EuGH, U.v. 17.9.2009 - Sahin, C-242/06 - juris Rn. 63). Beschränkungen i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 sind also keineswegs nur Verschlechterungen, die unmittelbar auf den Zugang zum Arbeitsmarkt abzielen, sondern sämtliche Regelungen, die Aufenthaltsrechte als Voraussetzung des Zugangs zum Arbeitsmarkt einschränken bzw. ihren Erwerb erschweren (HessVGH, B.v. 10.10.2013 - 9 B 1648/13 - juris Rn. 7). Der Stillhalteklausel kommt also auch aufenthaltsrechtliche Bedeutung zu, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen oder die Ersterteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 36).

3.4.2.2 Die Anspruchsvoraussetzungen in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG stellen keine neue Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt in diesem Sinne dar. Denn nicht jede Verschärfung der Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel wirkt als Beschränkung der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt (a.) Die Klägerin hat auch ohne Niederlassungserlaubnis aufgrund ihres Anspruchs auf Erteilung einer nationalen befristeten Aufenthaltserlaubnis einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt (b.).

a. Aus der Rechtsprechung des EuGH lässt sich zum Begriff der „Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt“ lediglich ableiten, dass auch Beschränkungen beim Erwerb von Aufenthaltsrechten eine Beschränkung für den Zugang zum Arbeitsmarkt darstellen können und es nicht darauf ankommt, dass die gesetzliche Regelung eine Beschränkung bezweckt, sondern dass ihre Auswirkungen einer Beschränkung gleichkommen. Letzteres ist bereits dann der Fall, wenn mit einer Maßnahme eines Aufnahmemitgliedstaats die Kriterien für die Rechtmäßigkeit der Lage der türkischen Staatsangehörigen festgelegt werden sollen, indem die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung dieser Staatsangehörigen im Gebiet dieses Staates erlassen oder geändert werden (EuGH, U.v. 7.11.2013 - C-225/12 - juris LS 1).

Da die Assoziationsratsbeschlüsse 2/76 vom 20. Dezember 1976 und 1/80 vom 19. September 1980 der Verbesserung der Rechtsstellung der türkischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen im sozialen Bereich und der schrittweisen Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen dienen, ist zudem bezüglich des Begriffs der „Beschränkung“ auch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 45 AEUV, der die Arbeitnehmerfreizügigkeit der Unionsbürger regelt, heranzuziehen. Art. 45 AEUV enthält nämlich nicht nur ein Diskriminierungsverbot für Unionsbürger bezüglich der in Art. 45 Abs. 3 AEUV näher geregelten Inhalte der Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern auch ein Beschränkungsverbot (Franzen in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 45 Rn. 86; Werth in Lenz/Borchart, EU-Verträge, 6. Aufl. 2012, Art. 45 Rn. 38; Schneider/Wunderlich in Schwarze; EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 45 Rn. 42; Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 45 Rn. 266). Danach sind Beschränkungen i. S. dieser Vorschrift alle Bestimmungen eines Mitgliedstaates, die einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um in einem anderen Mitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Allerdings können dies nur Maßnahmen sein, die den Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt beeinflussen (EuGH, U.v. 27.1.2000 - Graf, C-190/98 - juris Rn. 24 ff.). Künftige oder nur indirekt wirkende Folgen einer Maßnahme reichen dafür nicht aus.

Die Beschränkungen müssen also zumindest die Wirkung haben, den Zugang zum Arbeitsmarkt direkt und nicht nur hypothetisch zu beeinflussen. Ausschlaggebend für die Qualifizierung einer Maßnahme als neue Beschränkung i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 ist somit, welche direkten Auswirkungen eine Maßnahme eines Mitgliedstaats für den unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat.

Eine Regelung, die die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Vergleich zur Rechtslage bei Inkrafttreten der Stillhalteklausel erschwert, ist danach als neue Beschränkung i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 zu qualifizieren, weil ohne die Aufenthaltserlaubnis (mit entsprechender Arbeitserlaubnis) eine Beschäftigung nicht aufgenommen oder weiter ausgeübt werden kann. Auch das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 38) ist daher davon ausgegangen, dass eine gesetzliche Regelung, die die Gebühren für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis über den Inflationsausgleich hinaus erhöht, eine nachträgliche Verschärfung der Bedingungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellt und daher wegen der Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 gegenüber türkischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen keine Anwendung findet.

b. Dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gegenüber der vor Inkrafttreten des ARB 1/80 geltenden Rechtslage vom Gesetzgeber erschwert worden sind, bleibt jedoch ohne Auswirkungen auf den Arbeitsmarktzugang der Klägerin, weil sie auch ohne Niederlassungserlaubnis wegen der ihr zu erteilenden befristeten Aufenthaltserlaubnis unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat.

Unerheblich ist insoweit, dass die Klägerin bereits aufgrund ihrer Rechtsstellung als Familienangehörige eines türkischen Staatsangehörigen, der ein Aufenthaltsrecht aus Art. 6 ARB 1/80 besitzt, einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt besitzt. Auf einen entsprechenden Antrag hin müsste ihr die Beklagte eine deklaratorische Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG erteilen, die ihr ein Daueraufenthaltsrecht bescheinigen würde. Dieser Umstand kann jedoch nicht dazu führen, dass neue Beschränkungen im nationalen Aufenthaltsrecht für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis von vornherein nicht unter die Stillhalteklausel fallen, weil damit faktisch die Anwendbarkeit der Stillhalteklausel auf türkische Staatsangehörige, die bereits eine Rechtsposition aus Art. 6 oder 7 ARB 1/80 erworben haben, leerlaufen würde. Da das nationale und das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht zwei verschiedene Rechtskreise darstellen (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 17), ist bei der Frage, ob auch ohne die von der Klägerin begehrte Niederlassungserlaubnis bereits ein unbeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt gegeben ist, alleine auf das nationale Aufenthaltsrecht abzustellen.

Die Niederlassungserlaubnis gewährt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, das zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) und damit unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt beinhaltet. Allerdings ist die Niederlassungserlaubnis anders als eine Aufenthaltserlaubnis keine zwingende Voraussetzung für den unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Niederlassungserlaubnis wird (nur) Ausländern erteilt, denen unabhängig vom Aufenthaltszweck wegen der gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration ein (nationales) Daueraufenthaltsrecht gewährt werden soll (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 17).

Unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt besitzt zunächst der Ehemann der Klägerin, der als Arbeitnehmer auf dem deutschen Arbeitsmarkt beschäftigt ist. Dessen Arbeitnehmerfreizügigkeit wäre beeinträchtigt, wenn der Klägerin keine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug mehr erteilt bzw. kein weiteres Aufenthaltsrecht gewährt würde. Die Klägerin besaß bislang nur im Zeitraum vom 29. Juni 2010 bis 11. Mai 2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit gestattet“ und danach bis zum Erlass des die Niederlassungserlaubnis ablehnenden Bescheids vom 22. Mai 2012 eine entsprechende Fiktionsbescheinigung. Sie hat jedoch einen Anspruch auf befristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG steht einer (befristeten) Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Nach Angaben der Beklagten würde zwar die ursprünglich nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis auch bei einem entsprechenden Antrag wegen § 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG nicht verlängert, die Klägerin würde nur eine Fiktionsbescheinigung mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit gestattet“ erhalten. Diese Verwaltungspraxis der Beklagten steht nicht in Einklang mit den Vorgaben in § 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG, da danach die nationale Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zumindest befristet auf jeweils höchstens ein Jahr verlängert werden müsste. Die Klägerin hat aufgrund der Eheschließung mit einem Ausländer mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Den Nachweis, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständlich machen kann (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG), hat die Klägerin (wohl) auch nach Auffassung der Beklagten erbracht, weil ihr die Beklagte sonst die Aufenthaltserlaubnis vom 29. Juni 2010 nicht erteilt hätte. An einem Integrationskurs hat die Klägerin bislang nicht teilgenommen. Da ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis besteht, kann die Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis deshalb grundsätzlich ablehnen (§ 8 Abs. 3 Satz 4 AufenthG), allerdings sind die schutzwürdigen Belange des Ausländers zu berücksichtigen (§ 8 Abs. 3 Satz 5 AufenthG). Wäre eine ablehnende Entscheidung im Hinblick auf die in § 8 Abs. 3 Satz 5 AufenthG genannten Belange ermessensfehlerhaft, wofür im Fall der Klägerin einiges spricht, so soll die zuständige Behörde eine Aufenthaltserlaubnis mit einer relativ kurzen Geltungsdauer erteilen (§ 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG). Die Verwaltungspraxis der Beklagten, jeweils nur eine Fiktionsbescheinigung zu erteilen, steht demnach schon nicht in Einklang mit der gesetzlichen Regelung. Offen lässt der Senat insoweit, ob die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG, die die längerfristige Verlängerung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis für türkische Staatsangehörige, auf die ein Rechtsanspruch besteht, vom erfolgreichen Abschluss eines Integrationskurses abhängig macht, nicht ihrerseits gegen Art. 13 ARB 1/80 verstößt, weil jedenfalls die rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten den gesetzlichen Anspruch auf befristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht entfallen lässt. Die der Klägerin zu erteilende Aufenthaltserlaubnis würde auch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 BeschV). Die Ausübung der Erwerbstätigkeit ist der Klägerin ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit möglich, weil sie sich seit drei Jahren ununterbrochen erlaubt oder geduldet im Bundesgebiet aufhält (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BeschV). Durch ihre Tätigkeit als unechte Ortskraft bei dem türkischen Generalkonsulat ist sie vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV). Die Klägerin darf sich also weiter bei ihrem Ehemann im Bundesgebiet aufhalten und gegebenenfalls eine andere Erwerbstätigkeit als ihre Tätigkeit als unechte Ortskraft ausüben, solange die eheliche Lebensgemeinschaft besteht. Eine vom Aufenthaltszweck losgelöste Niederlassungserlaubnis ist daher weder Voraussetzung für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Ehemanns der Klägerin noch ggf. für die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit der Klägerin im regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats.

Die Klägerin hat daher auch mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. einer entsprechenden Fiktionsbescheinigung einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Alleine die Tatsache, dass die Aufenthaltserlaubnis auf Antrag verlängert werden muss, schränkt den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht ein. Das Antragserfordernis stellt insbesondere kein nach Inkrafttreten der Stillhalteklausel eingeführtes neues Erfordernis für einen Aufenthaltstitel, der auch zur Arbeitsaufnahme berechtigt, dar, da bereits unter Geltung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen der Ausländergesetze 1965 und 1990 die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis konstitutiv zunächst nur befristet und auf Antrag erfolgte (§ 21 Abs. 2 AuslG 1965, § 69 AuslG 1990). Nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 29.4.2010 - C-92/07 - juris Rn. 61) können zwar verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen der Anwendung der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 unterliegen, sie stellen aber nur dann eine neue Beschränkung dar, wenn sie nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stillhalteklausel eingeführt oder verschärft worden sind.

Auch aus der vom EuGH (U.v. 29.4.2010, a. a. O.) und in der Folge vom Bundesverwaltungsgericht (U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 38) vertretenen Auffassung, wonach die Neueinführung oder die nachträgliche unverhältnismäßige Erhöhung einer Gebühr für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Bedingungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit nachträglich verschärft, folgt nicht, dass (auch) die Verschärfung der Erteilungsvoraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis eine neue Beschränkung für den Zugang zum Arbeitsmarkt darstellt. Diesen beiden Entscheidungen liegt die Konstellation zugrunde, bei der der türkische Staatsangehörige mit der nationalen Aufenthaltserlaubnis konstitutiv ein Aufenthaltsrecht für den Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt bzw. der beantragte Aufenthaltstitel, für den die Gebühr zu entrichten ist, in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit von anderer rechtlicher Qualität ist, als das Aufenthaltsrecht, das der türkische Staatsangehörige bereits aufgrund seines nationalen Aufenthaltstitels besitzt (BVerwG, U.v. 19.3.2013, a. a. O., Rn. 38). Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis setzt aber gerade den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die bereits zum Aufenthalt (und zur Arbeitsaufnahme) berechtigt, voraus und ist lediglich für die Integration des Ausländers, nicht aber in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit von anderer rechtlicher Qualität.

In der Kommentarliteratur wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 auch vor Erschwernissen bei der Verfestigung von Inlandsaufenthalten schützt. Es sei deshalb unzulässig, im Zuwanderungsgesetz bei der Erteilung von Niederlassungserlaubnissen höhere Anforderungen zu stellen als für die unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AuslG 1990 erfüllt werden mussten (Gutmann in GK, Stand August 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 58 ff.). Aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Toprak u. Oguz (U.v. 9.12.2010 - C-300/09 u. a. - juris Rn. 54) sei eine reine beschäftigungsbezogene Betrachtungsweise, die ausschließlich darauf abstelle, ob mit dem unbefristeten Aufenthaltsstatus eine rechtliche Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs verbunden sei, ausgeschlossen (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, 10. Aufl. 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 76). Diese Rechtsauffassung teilt der Senat nicht. Soweit die Kommentarliteratur (Dienelt, a. a. O., Rn. 77) zur Begründung ihrer Rechtsaufassung auf das Zustimmungserfordernis der Bundesagentur für Arbeit in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeschVerfV verweist, hat sich die Rechtslage mit dem Außerkrafttreten der Beschäftigungsverfahrensverordnung zum 30. Juni 2013 dahingehend geändert, dass nach einem dreijährigen erlaubten oder geduldeten Aufenthalt des Ausländers die Zustimmung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mehr erforderlich ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BeschV). Aus dem angeführten Zitat aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Toprak ergibt sich insbesondere nicht, dass sich die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 auf sämtliche neue Beschränkungen erstreckt, die sich als Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit erweisen könnten. Vielmehr nimmt der EuGH als Beispiele für verbotene Beschränkungen ausdrücklich auf die Einführung der Visumpflicht für die Ausübung bestimmter Dienstleistungen in Deutschland und die Einführung von Gebühren für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in unverhältnismäßiger Höhe, also rechtliche Regelungen für die Erteilung befristeter Aufenthaltstitel, Bezug (U.v. 9.12.2010, a. a. O., Rn. 43). Der Anwendungsbereich des Art. 13 ARB 1/80 erfährt durch diese Entscheidung nur insoweit eine Erweiterung, als in zeitlicher Hinsicht auch eine Bestimmung, die eine Regelung, die eine Erleichterung der am 1. Dezember 1980 geltenden Bestimmungen vorsah, wieder verschärft, als neue Beschränkung anzusehen ist (EuGH, U.v. 9.12.2010, a. a. O., LS). Es mag zutreffen, dass ein Arbeitnehmer, der ein nationales Daueraufenthaltsrecht besitzt, für einen Arbeitgeber attraktiver ist, und eher ein Beschäftigungsangebot oder Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen erhält. Die Realisierung von etwaigen Beschäftigungs- und Qualifizierungschancen auf dem Arbeitsmarkt steht aber nicht in direktem oder unmittelbarem Zusammenhang mit einem unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie hängt nicht entscheidend von der durch den Aufenthaltstitel vermittelten Rechtsstellung, sondern insbesondere von der Berufsausbildung, den Sprachkenntnissen, dem bisherigen beruflichen Werdegang des Ausländers und der Situation auf dem Arbeitsmarkt ab. Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 unterstellt aber nur die rechtlichen Bedingungen für den Arbeitsmarktzugang und den damit verbundenen Aufenthaltsrechten einem Verschlechterungsverbot, nicht etwaig damit entfernt verbundene mittelbare, zufällige oder „softe“ Folgen. Insbesondere hat die Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für türkische Staatsangehörige durch das Assoziierungsabkommen nicht das Ziel, sie dauerhaft in die hiesigen Lebensverhältnisse zu integrieren, so dass etwaige Erleichterungen, die eine Niederlassungserlaubnis für die Teilhabe am sozialen Leben mit sich bringen könnte (z. B. Kreditaufnahme), nicht in Zusammenhang mit dem unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt zu setzen sind. Dies ergibt sich aus dem ausschließlich wirtschaftlichen Zweck des Assoziierungsabkommens mit der Türkei (EuGH, U. v. 8.12.2012 - C-371/08, Ziebell - juris Rn. 64 f.), dessen Verwirklichung die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 sicherstellen soll. Die mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beabsichtigte und verbundene aufenthaltsrechtliche Verfestigung hängt von anderen Voraussetzungen ab als das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 19). Auch wenn eine Niederlassungserlaubnis für den jeweiligen Ausländer insbesondere den Vorteil eines vom Aufenthaltszweck losgelösten Daueraufenthaltsrechts, das die aufenthaltsrechtliche Position des Ausländers erheblich stärkt, mit sich bringt, handelt es sich dennoch um keinen Aufenthaltstitel, der in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit von einer anderen rechtlichen Qualität ist (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 38). Weitergehende Rechte für türkische Staatsangehörige für den unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt bietet die Niederlassungserlaubnis im Vergleich zu einer nur befristeten Aufenthaltserlaubnis, die die (uneingeschränkte) Erwerbstätigkeit gestattet, nicht. Denn die Niederlassungserlaubnis dient gerade nicht dazu, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu verbessern, sondern stellt eine rechtliche Bestätigung einer erfolgreichen Integration dar und dient ausschließlich der aufenthaltsrechtlichen Verfestigung der Position des Ausländers (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 17). Daher ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an einen türkischen Staatsangehörigen wegen der Stillhalteklausel auch nicht von der Erteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts abzusehen, wenn dem türkischen Staatsangehörigen bereits ein unbeschränkter Zugang zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung zusteht (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris 18).

4. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 7 und 8 AuslG 1965 besteht ebenfalls nicht, weil die Stillhalteklausel bei der Verschärfung der Erteilungsvoraussetzungen für die Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG aus den dargelegten Gründen nicht zur Anwendung kommt. Im Übrigen würde das sich aus der Stillhalteklausel ergebende Nichtanwendungsgebot für neue Beschränkungen nur dazu führen, dass der Klägerin eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden müsste, auch wenn sie die nach Inkrafttreten der Stillhalteklausel erhöhten Anforderungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht erfüllt. Ein Aufenthaltstitel aufgrund von Rechtsvorschriften, die außer Kraft getreten sind, kann nicht erteilt werden (s.o., 3.1).

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

(1) Der Aufenthaltstitel erlischt in folgenden Fällen:

1.
Ablauf seiner Geltungsdauer,
2.
Eintritt einer auflösenden Bedingung,
3.
Rücknahme des Aufenthaltstitels,
4.
Widerruf des Aufenthaltstitels,
5.
Ausweisung des Ausländers,
5a.
Bekanntgabe einer Abschiebungsanordnung nach § 58a,
6.
wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde ausreist,
7.
wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist,
8.
wenn ein Ausländer nach Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß der §§ 22, 23 oder § 25 Abs. 3 bis 5 einen Asylantrag stellt;
ein für mehrere Einreisen oder mit einer Geltungsdauer von mehr als 90 Tagen erteiltes Visum erlischt nicht nach den Nummern 6 und 7.

(1a) Die Gültigkeit einer nach § 19 erteilten ICT-Karte erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie 2014/66/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des unternehmensinternen Transfers in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen. Die Gültigkeit einer nach § 16b oder § 18d erteilten Aufenthaltserlaubnis erlischt nicht nach Absatz 1 Nummer 6 und 7, wenn der Ausländer von der in der Richtlinie (EU) 2016/801 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch macht, einen Teil des Studiums oder des Forschungsvorhabens in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchzuführen.

(2) Die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis seines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten erlöschen nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn deren Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Die Niederlassungserlaubnis eines mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ausländers erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 6 und 7, wenn kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Absatz 2 Nummer 5 bis 7 besteht. Zum Nachweis des Fortbestandes der Niederlassungserlaubnis stellt die Ausländerbehörde am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts auf Antrag eine Bescheinigung aus.

(3) Der Aufenthaltstitel erlischt nicht nach Absatz 1 Nr. 7, wenn die Frist lediglich wegen Erfüllung der gesetzlichen Wehrpflicht im Heimatstaat überschritten wird und der Ausländer innerhalb von drei Monaten nach der Entlassung aus dem Wehrdienst wieder einreist.

(4) Nach Absatz 1 Nr. 7 wird in der Regel eine längere Frist bestimmt, wenn der Ausländer aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grunde ausreisen will und eine Niederlassungserlaubnis besitzt oder wenn der Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets Interessen der Bundesrepublik Deutschland dient. Abweichend von Absatz 1 Nummer 6 und 7 erlischt der Aufenthaltstitel eines Ausländers nicht, wenn er die Voraussetzungen des § 37 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erfüllt, rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt und von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten wurde und innerhalb von drei Monaten nach Wegfall der Zwangslage, spätestens jedoch innerhalb von zehn Jahren seit der Ausreise, wieder einreist.

(5) Die Befreiung vom Erfordernis des Aufenthaltstitels entfällt, wenn der Ausländer ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wird; § 11 Absatz 2 bis 5 findet entsprechende Anwendung.

(6) Räumliche und sonstige Beschränkungen und Auflagen nach diesem und nach anderen Gesetzen bleiben auch nach Wegfall des Aufenthaltstitels oder der Aussetzung der Abschiebung in Kraft, bis sie aufgehoben werden oder der Ausländer seiner Ausreisepflicht nachgekommen ist.

(7) Im Falle der Ausreise eines Asylberechtigten oder eines Ausländers, dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, erlischt der Aufenthaltstitel nicht, solange er im Besitz eines gültigen, von einer deutschen Behörde ausgestellten Reiseausweises für Flüchtlinge ist. Der Ausländer hat auf Grund seiner Anerkennung als Asylberechtigter oder der unanfechtbaren Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keinen Anspruch auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels, wenn er das Bundesgebiet verlassen hat und die Zuständigkeit für die Ausstellung eines Reiseausweises für Flüchtlinge auf einen anderen Staat übergegangen ist.

(8) Vor der Aufhebung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38a Abs. 1, vor einer Ausweisung eines Ausländers, der eine solche Aufenthaltserlaubnis besitzt und vor dem Erlass einer gegen ihn gerichteten Abschiebungsanordnung nach § 58a gibt die zuständige Behörde in dem Verfahren nach § 91c Absatz 2 über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten besitzt, Gelegenheit zur Stellungnahme, wenn die Abschiebung in ein Gebiet erwogen wird, in dem diese Rechtsstellung nicht erworben werden kann. Geht die Stellungnahme des anderen Mitgliedstaates rechtzeitig ein, wird sie von der zuständigen Behörde berücksichtigt.

(8a) Soweit die Behörden anderer Schengen-Staaten über Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009, die durch die Ausländerbehörden getroffen wurden, zu unterrichten sind, erfolgt dies über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden unterrichten die Behörden anderer Schengen-Staaten unmittelbar über ihre Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009.

(9) Die Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erlischt nur, wenn

1.
ihre Erteilung wegen Täuschung, Drohung oder Bestechung zurückgenommen wird,
2.
der Ausländer ausgewiesen oder ihm eine Abschiebungsanordnung nach § 58a bekannt gegeben wird,
3.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von zwölf aufeinander folgenden Monaten außerhalb des Gebiets aufhält, in dem die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erworben werden kann; der Zeitraum beträgt 24 aufeinanderfolgende Monate bei einem Ausländer, der zuvor im Besitz einer Blauen Karte EU war, und bei seinen Familienangehörigen, die zuvor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 30, 32, 33 oder 36 waren,
4.
sich der Ausländer für einen Zeitraum von sechs Jahren außerhalb des Bundesgebiets aufhält oder
5.
der Ausländer die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwirbt.
Auf die in Satz 1 Nr. 3 und 4 genannten Fälle sind die Absätze 2 bis 4 entsprechend anzuwenden.

(10) Abweichend von Absatz 1 Nummer 7 beträgt die Frist für die Blaue Karte EU und die Aufenthaltserlaubnisse nach den §§ 30, 32, 33 oder 36, die den Familienangehörigen eines Inhabers einer Blauen Karte EU erteilt worden sind, zwölf Monate. Gleiches gilt für die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat sowie die Niederlassungserlaubnis eines mit ihm in ehelicher Lebensgemeinschaft lebenden Ehegatten, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben.

(1) Ausländer bedürfen für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder auf Grund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl. 1964 II S. 509) (Assoziationsabkommen EWG/Türkei) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Aufenthaltstitel werden erteilt als

1.
Visum im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3,
2.
Aufenthaltserlaubnis (§ 7),
2a.
Blaue Karte EU (§ 18b Absatz 2),
2b.
ICT-Karte (§ 19),
2c.
Mobiler-ICT-Karte (§ 19b),
3.
Niederlassungserlaubnis (§ 9) oder
4.
Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU (§ 9a).
Die für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Rechtsvorschriften werden auch auf die Blaue Karte EU, die ICT-Karte und die Mobiler-ICT-Karte angewandt, sofern durch Gesetz oder Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist.

(2) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, ist verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis weiter.

Nach ihren Angaben hält sich die Klägerin seit Februar 1991 im Bundesgebiet auf. Sie ist als sog. unechte Ortskraft im türkischen Generalkonsulat tätig und seit dem 1. Februar 2003 mit Hauptwohnsitz in M. gemeldet. Sie besaß einen Protokoll-ausweis für Ortskräfte, der vom 11. Juni 2007 bis zum 10. August 2010 gültig und vom Auswärtigen Amt in Berlin ausgestellt worden war. Am 10. November 2006 heiratete die Klägerin ihren Ehemann, der türkischer Staatsangehöriger und im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist.

Am 18. Mai 2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erstmals die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Sie legte eine Bestätigung vor, wonach sie über Deutschkenntnisse der Stufe A 1 verfüge. Am 29. Juni 2010 wurde ihr eine bis 11. Mai 2011 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG erteilt.

Am 24. Mai 2011 beantragte die Klägerin die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Sie sei seit Februar 1991 als sog. unechte Ortskraft im türkischen Generalkonsulat in Deutschland tätig. Sie lebe seit fünf Jahren mit ihrem Ehemann in ehelicher Lebensgemeinschaft und habe daher Ansprüche aus Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) erworben. Ferner wies sie mit Schreiben vom 7. September 2009 darauf hin, dass für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis aufgrund der Übergangsregelung in § 104 Abs. 2 AufenthG die nachgewiesenen Deutschkenntnisse ausreichend seien sowie Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG nicht verlangt werden dürften. Ihr sei zwar nicht vor dem 1. Januar 2005 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden, jedoch hätten ihr zu diesem Zeitpunkt Ansprüche aus Art. 7 ARB 1/80 zugestanden. Unabhängig von der Anwendbarkeit des § 104 Abs. 2 AufenthG könnten jedoch die erschwerten Anforderungen, die durch das Aufenthaltsgesetz in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG zum 1. Januar 2005 eingeführt worden seien, nicht geltend gemacht werden. Diese Anforderungen seien als neue Beschränkungen i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 anzusehen. Nach dem (früher geltenden) Ausländergesetz seien für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. Aufenthaltsberechtigung die Anforderungen aus § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Nr. 8 AufenthG nicht gestellt worden.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22. Mai 2012 den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab. Die Klägerin sei nicht bereits seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, da ihr diese erstmals am 29. Juni 2010 erteilt worden sei. Sie falle auch nicht unter die Übergangsregelung in § 104 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG, da ihr Antrag auf Niederlassungserlaubnis nicht vor dem 1. Januar 2005 gestellt worden sei und sie auch vor dem 1. Januar 2005 nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis gewesen sei. Die Befreiung von der Aufenthaltserlaubnispflicht als sog. unechte Ortskraft falle nicht unter diese Vorschrift. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (Zertifikat B 1) und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet seien nicht nachgewiesen worden. Die Klägerin erfülle die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Art. 7 ARB 1/80. Der Assoziationsratsbeschluss regle allerdings nicht die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und stehe der Versagung dieser somit nicht entgegen. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 AuslG oder § 27 Abs. 2 AuslG erfülle die Klägerin ebenfalls nicht. Die Klägerin sei nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen. Die Zeiten, in denen sie als Ortskraft beim türkischen Generalkonsulat beschäftigt gewesen sei, seien gemäß § 96 Abs. 3 AuslG nicht anrechenbar.

Die Klage der Klägerin, mit der sie unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2012 die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, hilfsweise einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 AuslG 1965, nochmals hilfsweise einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 AuslG 1965 beantragte, wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 13. September 2012 ab. Ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG bestehe nicht, weil die Klägerin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 7 und 8 AufenthG nicht erfülle. Sie sei insbesondere nicht seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, da ihr diese erstmals am 29. Juni 2010 zum Zweck des Familiennachzugs zu ihrem Ehemann erteilt worden sei. Diese Erfordernisse seien auch nicht im Hinblick auf die Übergangsvorschrift des § 104 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG entbehrlich. Die Klägerin sei vor dem 1. Januar 2005 weder im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis gewesen noch habe sie die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung vor diesem Zeitpunkt beantragt. Der Umstand, dass die Klägerin bereits vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 29. Juni 2010 jahrelang als sog. unechte Ortskraft beim türkischen Generalkonsulat beschäftigt gewesen sei, rechtfertige insoweit keine andere rechtliche Beurteilung. Die Klägerin sei in dieser Zeit gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit gewesen. Diese Zeiten seien aber nicht als Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis zu werten (Ziffer 9.2.1.1. AVwV). Die Klägerin habe auch aus Art. 6 oder 7 ARB 1/80 keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, da die mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beabsichtigte und verbundene aufenthaltsrechtliche Verfestigung von anderen Voraussetzungen abhänge als das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht, das ausschließlich einen wirtschaftlichen Zweck verfolge. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach altem Recht (§§ 8, 9 AuslG 1965), da dieses weder über Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (ZP) noch über Art. 13 ARB 1/80 auf sie Anwendung finde. Der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des Art. 41 ZP sei im Fall der Klägerin nicht eröffnet. Auch Art. 13 ARB 1/80 komme hier nicht zur Anwendung, weil die Klägerin einen Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 habe. Da der Klägerin somit bereits uneingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Beschäftigung zustehe, komme anstelle der deklaratorischen Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG kein weiterer Anspruch in Betracht. Abgesehen davon hätte die Klägerin auch bei Anwendung des § 8 bzw. § 7 AuslG 1965 keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung bzw. unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, da es sich in beiden Fällen um eine Ermessensentscheidung handle und eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegend nicht erkennbar sei. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK oder aus Art. 3 Abs. 3 ENA.

Auf Antrag der Klägerin ließ der Senat mit Beschluss vom 30. September 2013 die Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. September 2012 zu.

Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin:

Unter Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 13. September 2012 und Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Mai 2012 wird die Beklagte verpflichtet, der Klägerin eine Niederlassungserlaubnis, hilfsweise eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 1 AuslG 1965, weiter hilfsweise eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 AuslG 1965 zu erteilen.

Zur Begründung ihrer Berufung bringt die Klägerin vor, der Anwendungsbereich des Art. 13 ARB 1/80 sei eröffnet. Hierfür sei ausreichend, dass es sich um einen türkischen Staatsangehörigen handle, der sich ordnungsgemäß im Aufnahmestaat aufhalte, dessen Einreise, Aufenthalt und Beschäftigung somit rechtmäßig gewesen seien. Es werde auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Abatay verwiesen. Die Klägerin könne zwar keinen Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse auf B 1 Niveau vorlegen, dies sei aber irrelevant. Art. 13 ARB 1/80 finde nicht nur auf Bestimmungen in einer Gesetzes- oder Verordnungsvorschrift, sondern auch auf Bestimmungen einer Rundverfügung Anwendung. Nach den Verwaltungsvorschriften zu § 7 AuslG 1965 sei auf Antrag in der Regel eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sich der Ausländer auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständlich machen könne. Ausnahmen von dieser Regelvorschrift habe die Ausländerbehörde darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen. Die Klägerin habe nicht nur einfache, sondern ausreichende Deutschkenntnisse. Bei einem rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland von acht Jahren und einer wirtschaftlichen und sozialen Integration sei eine Selbstbindung der Verwaltung hinsichtlich der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung anzunehmen. Eine soziale Integration werde angenommen, wenn ausreichende Deutschkenntnisse vorlägen. Zum Beweis der ausreichenden Deutschkenntnisse seien keinerlei Dokumente angefordert worden. Zudem weiche das Verwaltungsgericht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 2012, Az. 1 C 6.11, ab. Auch übersehe das Gericht, dass die Beklagte bezüglich der Erteilung der unbefristetenAufenthaltserlaubnis bzw. Aufenthaltsberechtigung kein Ermessen ausgeübt habe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin halte sich seit der Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis illegal in Deutschland auf. Einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG oder Verlängerung ihres Aufenthaltstitels nach § 30 Abs. 1 AufenthG habe sie bis heute nicht gestellt. Ein Telc-Zertifikat zum Nachweis der einfachen deutschen Sprachkenntnisse habe sie bislang nicht vorgelegt. Die Regelung in § 9 Abs. 2 AufenthG, wonach für eine Niederlassungserlaubnis ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache erforderlich seien, stelle nach Auffassung der Beklagten keine Beschränkung dar, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwere.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2014 hat sich der Senat u. a. einen Eindruck von den bei der Klägerin vorhandenen Kenntnissen der deutschen Sprache verschafft.

Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten, die Gerichtsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Klage der Klägerin auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 22. Mai 2012 und auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten nationalen Titels für ein Daueraufenthaltsrecht (Niederlassungserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung, unbefristete Aufenthaltserlaubnis) ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Ein mit dem Hauptantrag geltend gemachter Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ergibt sich weder aus § 9 Abs. 2 AufenthG (1.) noch unmittelbar aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 (2.). Sie kann sich zwar auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 berufen, ein Anspruch auf Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels für ein Daueraufenthaltsrecht ergibt sich für sie daraus aber nicht (3.). Die Hilfsanträge bleiben ebenfalls erfolglos (4.).

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG, weil sie die Erteilungsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 (1.1), 7 (1.2) und 8 (1.3) AufenthG nicht erfüllt und von diesen Erteilungsvoraussetzungen auch nicht abgewichen werden kann (1.1.1, 1.1.2 und 1.2.1)

1.1 Voraussetzung für eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist zunächst, dass der Ausländer seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt. Der Klägerin wurde erstmals am 29. Juni 2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zum Familiennachzug zu ihrem türkischen Ehemann, der eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, erteilt. Diese Aufenthaltserlaubnis war bis 11. Mai 2011 befristet. Aufgrund ihres Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis vom 14. Mai 2011 erhielt sie eine Fiktionsbescheinigung, die bis 23. November 2011 gültig war. Selbst wenn die Fiktionszeiten des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG im Rahmen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zugunsten der Klägerin Berücksichtigung fänden, hätte sie damit im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats im Berufungsverfahren das Erfordernis des fünfjährigen Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllt.

1.1.1 Die Zeiten, in denen sich die Klägerin als sog. unechte Ortskraft ohne Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik aufhielt, stehen dem Erfordernis des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis nicht gleich. Als unechte Ortskraft war die Klägerin nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit. Auf die Zeit des nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Besitzes der Aufenthaltserlaubnis können zwar unter Umständen Zeiten angerechnet werden, in denen ein Ausländer vom Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis freigestellt war (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2014, § 9 AufenthG, Rn. 13). Allerdings werden Aufenthaltszeiten nach § 27 AufenthV, in denen der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nicht besaß, bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nur in den Fällen des § 27 Abs. 3 AufenthG angerechnet, ansonsten bleiben sie unberücksichtigt (Nr. 9.2.1.1 VwV zum AufenthG vom 26. Oktober 2009). Die Klägerin fällt nicht unter die Regelung in § 27 Abs. 3 AufenthV, weil sie erst seit 29. Juni 2010 im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis war und auch der Befreiungsgrund des § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV bereits vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 29. Juni 2010 eingetreten war. Nicht angerechnet auf den für eine Niederlassungserlaubnis erforderlichen fünfjährigen Besitz der Aufenthaltserlaubnis werden auch Zeiten, in denen die Klägerin ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 besaß. Sie ist seit 10. November 2006 mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet und daher seit 10. November 2009 Inhaberin einer Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 1. Spiegelstrich ARB 1/80, die ihr ein Daueraufenthaltsrecht im Bundesgebiet vermittelt. Auf die nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis werden allerdings nur Aufenthaltszeiten angerechnet, während derer der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG besaß. Eine solche hat die Klägerin nie beantragt.

1.1.2 Die Aufenthaltszeiten der Klägerin, in denen sie nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV vom Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis befreit war oder als Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition nach Art. 6 ARB 1/80 innehat bzw. eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. § 4 Abs. 5 AufenthG gehabt hätte, finden auch nach § 101 Abs. 2 AufenthG keine Berücksichtigung. Diese Regelung setzt ausdrücklich voraus, dass vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Januar 2005 eine Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG 1990 erteilt worden war. Daran fehlt es jedoch bei der Klägerin.

1.2 Voraussetzung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG ist weiter, dass der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG). Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (§ 2 Abs. 11 AufenthG). Einen Nachweis dafür, dass sie solche Kenntnisse besitzt, hat die Klägerin trotz ihrer Mitwirkungspflicht nach § 82 Abs. 1 AufenthG nicht erbracht. Sie hat auch nicht behauptet, dass sie die nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG erforderlichen Sprachkenntnisse besitzt.

1.2.1 Vom Erfordernis der ausreichenden deutschen Sprachkenntnisse für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist bei der Klägerin auch nicht nach § 104 Abs. 2 Satz 1 AufenthG abzusehen. Nach dieser Regelung ist bei Ausländern, die vor dem 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, hinsichtlich der Sprachkenntnisse nur erforderlich, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständlich machen können. § 104 Abs. 2 AufenthG soll den Eintritt von Rechtsnachteilen aus der Geltung strengerer Integrationsanforderungen für die Ausländer, die am 1. Januar 2005 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis sind und nach altem Recht unter weniger strengen Voraussetzungen einen verfestigten Aufenthaltstitel erlangen konnten, vermeiden. Voraussetzung für diese Begünstigung ist allerdings der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder ein Anspruch auf rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (Hailbronner, Ausländerrecht, Stand April 2014, § 104 Rn. 5) Die Klägerin besaß jedoch vor dem 1. Januar 2005 keine Aufenthaltserlaubnis. Auch stand ihr kein Anspruch auf (rückwirkende) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu. Die Eheschließung, die einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 4 Abs. 5 AufenthG begründet hat, erfolgte erst am 10. November 2006 und damit nach Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung zum 1. Januar 2005. Die Tätigkeit als unechte Ortskraft begründet ebenfalls keinen Anspruch auf (rückwirkende) Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Nur unechten Ortskräften, die mehr als 15 Jahre an der Auslandsvertretung ihres Entsendestaats tätig waren, und danach aus dem Dienst ausscheiden, wird eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Diese Regelung gilt zudem erst ab dem 1. Februar 2010 (vgl. Rundnote des Auswärtigen Amtes Nr. 28/2009 vom 21. Dezember 2009). Ansonsten wird den jeweiligen Ortskräften nur ein Protokollausweis ausgestellt.

1.3 Zudem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG). Die Vorschritt des § 104 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, der von diesem Erfordernis dispensiert, findet auf die Klägerin keine Anwendung, da sie am 1. Januar 2005 nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war und auch keinen Anspruch auf rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hatte (siehe 1.2.2).

2. Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ergibt sich auch nicht unmittelbar aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80.

2.1 Die Klägerin hat durch die Eheschließung mit einem türkischen Staatsangehörigen, der eine Rechtsposition aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 innehat, jedenfalls ein Daueraufenthaltsrecht nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben. Ginge man davon aus, dass die Klägerin durch ihre Tätigkeit als unechte Ortskraft im türkischen Generalkonsulat dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, so wäre sie zudem Inhaberin einer Rechtsposition aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80. Für die Zugehörigkeit eines türkischen Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats kommt es darauf an, ob das Arbeitsverhältnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats lokalisiert werden kann oder eine hinreichend enge Verknüpfung mit diesem Gebiet aufweist, wobei insbesondere der Ort der Einstellung des türkischen Arbeitnehmers, das Gebiet, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird und die Vorschriften im Bereich des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherheit zu berücksichtigen sind (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, Art. 6 ARB 1/80 Rn. 21 m. w. N.; Gutmann in GK, Stand August 2013, Art. 6 ARB 1/80 Rn. 80 m. w. N.). Bei den unechten Ortskräften handelt es sich um Arbeitnehmer, die vom Entsendestaat in den Heimatländern angeworben werden, um in der diplomatischen oder konsularischen Vertretung des Entsendestaats im Empfangsstaat zu arbeiten. Sozialabgaben entrichten unechte Ortskräfte an ihren Entsendestaat. Es spricht daher einiges dafür, die unechten Ortskräfte wie Angehörige des diplomatischen Dienstes oder in der hoheitlichen Verwaltung des Entsendestaats tätige Arbeitnehmer als nicht dem regulären Arbeitsmarkt des Empfangsstaat zugehörige Arbeitnehmer einzuordnen (Gutmann in GK, a. a. O., Art. 6 ARB 1/80 Rn. 109 ff.). Da sich die Klägerin als Ehefrau eines ARB-berechtigten türkischen Staatsangehörigen aber in jedem Fall auf ihre Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 berufen kann, kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob sie daneben noch einen Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erworben hat.

2.2 Aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 (und aus Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich) lässt sich jedoch ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ohne Vorliegen der in § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG genannten Erteilungsvoraussetzungen nicht ableiten. Auch wenn die jeweilige Rechtsposition aus dem ARB 1/80 ein Daueraufenthaltsrecht vermittelt und dem türkischen Staatsangehörigen eine deklaratorische Aufenthaltserlaubnis ausgestellt werden muss, aus der ersichtlich ist, dass er ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht besitzt (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 27), stellen das Assoziationsrecht und das mitgliedstaatliche Aufenthaltsrecht getrennte Rechtskreise dar, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Während das Assoziationsrecht ausschließlich wirtschaftlichen Zwecken dient und sich deshalb auf die schrittweise Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt (EuGH, U.v. 8.12.2011 - C-371/08, Ziebell - juris Rn. 64 f.), verfolgt das innerstaatliche Aufenthaltsrecht weiter gefasste Ziele, insbesondere die Steuerung der Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme und Integrationsfähigkeit. Die Niederlassungserlaubnis ist als rechtliche Bestätigung einer erfolgreichen Integration konstruiert (für die wirtschaftliche Integration vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 17). Dem Aufenthaltsgesetz ist das Bestehen verschiedener, in ihren Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestalteter Rechtsstellungen eines Ausländers nicht fremd. Nach § 4 Abs. 5 AufenthG ist ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er noch keine Niederlassungserlaubnis besitzt. Dieser Vorschrift ist zu entnehmen, dass das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts, das in seinen Rechtsfolgen und seinem Fortbestand eigenen Regeln unterliegt, der konstitutiven Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels nicht entgegensteht (BVerwG, U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 20). Umgekehrt kann aus dem Bestehen eines assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts nicht gefolgert werden, dass der Ausländer Anspruch auf Erteilung eines nationalen Aufenthaltstitels hat, der ihm ein Daueraufenthaltsrecht verleiht, wenn die sich aus dem nationalen Recht ergebenden Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

3. Auch die unmittelbare Anwendung der Stillhalteklauseln aus Art.13 ARB 1/80 oder Art. 7 ARB 2/76 rechtfertigt nicht die Erteilung eines konstitutiven nationalen Aufenthaltstitels, der der Klägerin ein Daueraufenthaltsrecht zuerkennt. Die genannten Stillhalteklauseln stellen keine Anspruchsgrundlage für die Erteilung eines Daueraufenthaltsrechts dar, sondern bewirkten nur, dass die Regelungen in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG, falls sie neue Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt darstellten, bei der Entscheidung über das Daueraufenthaltsrecht nicht berücksichtigt werden dürften (3.1). Es kann dabei offen bleiben, ob im Fall der Klägerin die Stillhalteklausel aus Art. 7 ARB 2/76 oder Art. 13 ARB 1/80 zur Anwendung kommt (3.2). Auch wenn die Klägerin bereits eine Rechtsposition nach Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80 (oder Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80) innehat, kann sie sich grundsätzlich auf die entsprechende Stillhalteklausel berufen (3.3). Jedoch führt die entsprechende Stillhalteklausel nicht zur Erteilung eines Daueraufenthaltstitels in Form der Niederlassungserlaubnis (3.4). Die Klägerin hält sich zwar ordnungsgemäß im Bundesgebiet auf (3.4.1), die im Vergleich zum AuslG 1965 für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung verschärften Erteilungsvoraussetzungen für die Niederlassungserlaubnis stellen jedoch keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 dar (3.4.2).

3.1 Über die Assoziationsratsbeschlüsse 2/76 vom 20. Dezember 1976 und 1/80 vom 19. September 1980 soll eine Verbesserung der Rechtsstellung der türkischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen im sozialen Bereich erreicht werden. Sie dienen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) der schrittweisen Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen. Der Assoziationsratsbeschluss 2/76 wurde durch den Beschluss 1/80 ersetzt. Lediglich die Stillhalteklausel in Art. 7 ARB 2/76, die der Regelung in Art. 13 ARB 1/80 entspricht, hat noch eigenständige Bedeutung, weil dadurch die Anwendung neuer Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für türkische Arbeitnehmer bereits ab dem 20. Dezember 1976 ausgeschlossen wird (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 20 f.). Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Diese Stillhalteklausel entfaltet unmittelbare Wirkung (EuGH, U.v. 20.9.1990 - Sevince, C-192/89 - juris Rn. 26; U.v. 11.5.2000 - Savas, C-37/98, - juris Rn. 41 ff.; U.v. 17.9.2009 - Sahin, C-242/06 - juris Rn.62). Sie verleiht demjenigen Begünstigten, der sich darauf beruft, nicht unmittelbar ein Aufenthaltsrecht, sondern verwehrt es den Vertragsparteien des Beschlusses lediglich, die innerstaatlichen Regelungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für die Begünstigten gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Assoziationsratsbeschlüsse zu erschweren bzw. entgegenstehende Vorschriften anzuwenden (EuGH, U.v. 11.5.2000, - C-37/98, Savas - juris Rn. 64, 69).

Mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 1. Januar 2005 wurde der Aufenthaltstitel der Niederlassungserlaubnis in das Ausländerrecht eingeführt. Er ersetzt die im Ausländergesetz 1990 in §§ 24 ff. AuslG geregelte unbefristete Aufenthaltserlaubnis und stellt die höchste Form der Aufenthaltsverfestigung dar. Im Ausländergesetz 1965 standen für die vergleichbare Aufenthaltsverfestigung die Aufenthaltsberechtigung (§ 8 AuslG 1965) und die unbefristete Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AuslG 1965) zur Verfügung. Gegenüber den Regelungen zur unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in den Ausländergesetzen von 1965 und 1990 stellt § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AufenthG höhere Anforderungen an die Sprachkompetenz. Erforderlich für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis sind ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, die gemäß § 2 Abs. 11 AufenthG dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen. Für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung nach den Vorgängerregelungen reichte es dagegen aus, dass sich der Ausländer auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen bzw. mündlich verständlich machen konnte (Nr. 4a Ausl-VwV zu § 8 i. V. m. Nr. 4 (1) b) AuslVwV zu § 7 in Kanein, Ausländerrecht, 4. Aufl. 1988, § 8 und § 7 AuslG 1965). Zudem muss der Ausländer nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügen. Gegenüber der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Assoziationsratsbeschlüsse 2/76 und 1/80 geltenden Regelung in § 8 AuslG 1965 i. V. m. den entsprechenden Verwaltungsvorschriften für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung hat das Aufenthaltsgesetz in § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG die Erteilungsvoraussetzungen für den (nationalen) unbefristeten Aufenthaltstitel verschärft. Könnte sich die Klägerin mit Erfolg auf die entsprechenden Stillhalteklauseln berufen, müsste ihr bei Vorliegen der übrigen Erteilungsvoraussetzungen eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt werden, da sie sich, wie ihre Befragung durch den Senat in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, auf einfache Art n deutscher Sprache mündlich verständlich machen kann. Von der Erteilungsvoraussetzung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AufenthG wäre dann abzusehen. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 8 AuslG 1965 oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 7 AuslG 1965 käme dagegen nicht in Betracht, weil seit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes diese Formen eines Aufenthaltstitels nicht mehr vorgesehen sind. Vor dem 1. Januar 2005 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnisse und Aufenthaltsberechtigungen gelten vielmehr als Niederlassungserlaubnis entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt weiter (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

Der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis anstatt einer Aufenthaltsberechtigung nach § 8 AuslG 1965 oder einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 7 AuslG 1965, die bei Inkrafttreten der jeweiligen Assoziationsratsbeschlüsse die Rechtsgrundlagen für ein nationales Daueraufenthaltsrecht darstellten, stünde nicht entgegen, dass § 9 Abs. 2 AufenthG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis begründet, während die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 8 bzw. 7 AuslG 1965 im Ermessen der Ausländerbehörde stand. Die mit Wirkung zum 1. Oktober 1978 in Kraft getretene allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Ausländergesetzes vom 7. Juli 1978 enthält nämlich Verfestigungsregeln. Nach Nr. 4a AuslVwV zu § 8 (a. a. O.) ist einem Ausländer nach einem rechtmäßigen Aufenthalt von 8 Jahren in der Regel eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn er sich in das wirtschaftliche und soziale Leben in der Bundesrepublik eingefügt hat. Eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis ist ihm in der Regel nach einem fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt zu erteilen (Nr. 4 AuslVwV zu § 7, a. a. O.), d. h. im Regelfall besteht somit (ebenfalls) ein Anspruch auf Erteilung des betreffenden Aufenthaltstitels (Kanein, Ausländerrecht, a. a. O., AuslG, § 7 Rn. 22).

3.2 Welche der Stillhalteklauseln aus Art. 7 ARB 2/76 oder aus Art. 13 ARB 1/80 im Fall der Klägerin zur Anwendung kommt, bedarf hier keiner Entscheidung. Die im Vergleich zur Aufenthaltsberechtigung aus § 8 AuslG 1965 zusätzlichen bzw. strengeren Anforderungen für die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels wurden erst durch das Aufenthaltsgesetz zum 1. Januar 2005 gesetzliche Erteilungsvoraussetzung. Sie liegen damit zeitlich nach dem Inkrafttreten der Assoziationsratsbeschlüsse 2/76 vom 20. Dezember 1976 und 1/80 vom 19. September 1980, so dass unerheblich ist, ob die Klägerin mit ihrer Tätigkeit als unechte Ortskraft dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats als Arbeitnehmerin angehört (s.o.) und daher bereits ab dem 20. Dezember 1976 neu eingeführte Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht mehr angewendet werden dürften oder ob sie sich als Familienangehörige eines türkischen Staatsangehörigen auf die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 berufen kann. Die Stillhalteklausel aus Art. 41 ZP kommt nicht zur Anwendung, weil der Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet der Wahrnehmung der Arbeitnehmerfreizügigkeit und nicht der Niederlassungsfreiheit oder dem freien Dienstleistungsverkehr dient. Im Übrigen haben Art. 41 ZP und Art. 13 ARB 1/80 dieselbe Funktion, Art. 41 ZP erweist sich als notwendige Ergänzung der Art. 13 und 14 des Assoziierungsabkommens für den Bereich der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs und ist daher in Bezug auf den Begriff der neuen Beschränkungen wie Art. 13 ARB 1/80 auszulegen (EuGH, U.v. 21.10.2003 - Abatay, C-317/01 - juris Rn. 67, 70, 72 f.).

3.3. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann sich die Klägerin grundsätzlich auf die Stillhalteklausel aus Art. 13 ARB 1/80 berufen, auch wenn sie selbst bereits eine Rechtsposition aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich (oder Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich) innehat. Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet rechtmäßig sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Dem Wortlaut der Regelung lässt sich nicht entnehmen, ob sich auch diejenigen türkischen Staatsangehörigen, die bereits unmittelbar aus dem ARB 1/80 ein gesichertes dauerhaftes Aufenthaltsrecht erworben haben, auf die Klausel berufen können, oder ob sie nur auf den Personenkreis Anwendung findet, der noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und Aufenthalt hat. Der Europäische Gerichtshofs führt in seinen Entscheidungen vom 29. April 2010 (C-92/07 - juris) und 17. September 2009 (Sahin, C-242/06) diesbezüglich aus, dass die Vorschrift nicht dazu bestimmt ist, die bereits in den Arbeitsmarkt integrierten türkischen Staatsangehörigen zu schützen, sondern gerade für diejenigen türkischen Staatsangehörigen gilt, die noch keine Rechte in Bezug auf Beschäftigung und Aufenthalt nach Art. 6 ARB 1/80 erworben haben (EuGH, U.v. 29.4.2010 - C-92/07 - juris Rn. 45; EuGH, U.v. 9.12.2010 - Toprak u. Oguz, C-300/09 u. a. - juris Rn. 45). Art. 13 ARB 1/80 soll gerade für diejenigen türkischen Staatsangehörigen gelten, die noch keine Rechte in Bezug auf Aufenthalt und Beschäftigung genießen (EuGH, Sahin, a. a. O., Rn. 51). Demgegenüber stellt der EuGH in seinem Urteil vom 21. Oktober 2003 (Abatay, C-317/01 - juris) fest, dass Art. 13 ARB 1/80 nicht nur auf türkische Staatsangehörige anzuwenden ist, die bereits in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert sind (U.v. 21.10.2003, a. a. O., Rn. 83 f.). Der Senat ist der Auffassung, dass sich sowohl türkische Staatsangehörige, die bereits in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integriert sind, als auch solche, die noch keine Rechtsposition aus dem ARB erworben haben, grundsätzlich auf die Stillhalteklausel berufen können. Dafür spricht schon der Wortlaut der Vorschrift, der ausdrücklich auch den Fall erfasst, dass der Aufenthalt und die Beschäftigung (bereits) ordnungsgemäß sind. Weiter folgt dies aus dem mit der Stillhalteklausel verfolgten Ziel, günstigere Bedingungen für die Verwirklichung der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu schaffen (EuGH, U.v. 9.12.2010, a. a. O., Rn. 52; U.v. 21.10.2003, a. a. O., Rn. 80), aber auch aus der Interpretation der Stillhalteklausel als Meistbegünstigungsklausel, die allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen verbietet, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen strengeren Voraussetzungen unterworfen wird als denjenigen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB 1/80 galten (EuGH, U.v.17.9.2009, a. a. O., Rn. 62). Darunter sind folglich nicht nur Maßnahmen zu verstehen, die unmittelbar den Zugang zum Arbeitsmarkt betreffen, sondern auch Regelungen in Bezug auf die Weiterbeschäftigung und den durch die Beschäftigung bedingten Aufenthalt. Solche Regelungen können auch diejenigen türkischen Arbeitnehmer, die bereits eine Rechtsposition aus Art. 6 ARB 1/80 innehaben, oder ihre Familienangehörigen betreffen. So kann z. B. die Einführung neuer oder im Vergleich zu früheren Regelungen unverhältnismäßig hoher Gebühren für die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für einen türkischen Staatsangehörigen eine Verschärfung der Bedingungen für den Arbeitsmarktzugang darstellen (EuGH, U.v. 19.9.2009, a. a. O., Rn. 74) und damit auch Rechtswirkungen gegenüber einem türkischen Staatsangehörigen entfalten, der bereits ein Daueraufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 besitzt. Folglich geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass sich ein Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 1/80 erfüllt, auf Art. 13 ARB 1/80 berufen kann (BVerwG, U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 30; U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 18).

3.4 Kann sich die Klägerin somit grundsätzlich auf die Stillhalteklausel berufen, verhilft ihr das gleichwohl nicht zu dem von ihr begehrten unbefristeten nationalen Aufenthaltstitel. Die Klägerin hält sich zwar ordnungsgemäß i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 im Bundesgebiet auf (3.4.1), bei den hier entscheidungserheblichen zusätzlichen Anforderungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG) handelt es sich aber um keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt (3.4.2), so dass sich aus Art. 13 ARB 1/80 für die Klägerin keine Abweichungen von den gesetzlichen Erteilungsvoraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis ergeben.

3.4.1 Art. 13 ARB 1/80 begünstigt türkische Staatsangehörige, die sich als Arbeitnehmer oder Familienangehörige eines Arbeitnehmers ordnungsgemäß im Bundesgebiet aufhalten. Dies trifft im Fall der Klägerin zu. Ein ordnungsgemäßer Aufenthalt liegt vor, wenn sich der türkische Staatsangehörige in Einklang mit den nationalen Bestimmungen im Bundesgebiet aufhält (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 21 m. w. N.). Die Klägerin ist zwar im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats weder im Besitz einer nationalen Aufenthaltserlaubnis noch einer Fiktionsbescheinigung. Sie besitzt jedoch unstreitig zumindest ein Aufenthaltsrecht aus Art. 7 Satz 1 2. Spiegelstrich ARB 1/80. Dieses Aufenthaltsrecht ergibt sich konstitutiv unmittelbar aus dem Assoziationsrecht. Die nach § 4 Abs. 5 AufenthG erforderliche Aufenthaltserlaubnis hat nur deklaratorische Wirkung und die Funktion eines Nachweismittels (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 4 AufenthG Rn. 123).

3.4.2 Die mit dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderlichen ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache und Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet stellen keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt da. Die Stillhalteklausel ist zwar nicht nur auf nationale Regelungen anwendbar, die den unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt regeln (3.4.2.1), ob der türkische Arbeitnehmer oder dessen Familienangehöriger aber in Besitz eines nationalen Daueraufenthaltstitels oder nur einer befristeten Aufenthaltserlaubnis ist, hat jedoch keinen direkt zurechenbaren oder unmittelbaren Einfluss auf seinen Zugang zum Arbeitsmarkt (3.4.2.2).

3.4.2.1 Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten der Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Wie bereits dargelegt, entfaltet die Stillhalteklausel unmittelbare Wirkung, sie verleiht aber demjenigen Begünstigten, der sich darauf beruft, nicht unmittelbar ein Aufenthaltsrecht, sondern verwehrt es den Vertragsparteien des Beschlusses lediglich, die innerstaatlichen Regelungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt für die Begünstigten gegenüber dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Assoziationsratsbeschlusses zu erschweren und entgegenstehende Vorschriften anzuwenden. Die ihrem Wortlaut nach allein auf den Zugang zum Arbeitsmarkt beschränkte Regelung hat sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in ihrem sachlichen Anwendungsbereich durch die Rechtsprechung des EuGH eine Erweiterung erfahren. Während ursprünglich nur der beim Inkrafttreten der Stillhalteklausel vorhandene Normbestand für den Zugang zum Arbeitsmarkt geschützt war, hat sich Art. 13 ARB 1/80 zu einer Art „Meistbegünstigungsklausel“ entwickelt. In seiner neueren Rechtsprechung hat der EuGH die Beschränkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stillhalteklausel aufgegeben und wendet sie auf jede Verschlechterung des nationalen Rechts, das den Zugang zum Arbeitsmarkt regelt, an (EuGH, U.v. 9.12.2010 - Toprak u. Oguz, C-300/09 u. a. - juris Rn. 49 ff.). Den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zudem nicht nur auf arbeitsrechtliche Regelungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt unmittelbar betreffen, beschränkt, sondern auf die mit dem Zugang zum Arbeitsmarkt verbundenen Aufenthaltsrechte ausgedehnt. Die einem türkischen Arbeitnehmer auf dem Gebiet der Beschäftigung eingeräumten Rechte implizieren zwangsläufig, dass dem Betroffenen ein Aufenthaltsrecht zusteht, weil sonst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt völlig wirkungslos wäre und er somit einen Anspruch auf Verlängerung seines Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat haben muss, um weiter ordnungsgemäß seine Beschäftigung ausüben zu können (EuGH, U.v. 11.5.2000 - Savas, C-37/98 - juris Rn. 60 m. w. N.). Zusammengefasst steht nach der neueren Rechtsprechung des EuGH die Stillhalteklausel der Einführung neuer Beschränkungen der Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit einschließlich solcher entgegen, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme türkischer Staatsangehöriger im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates betreffen, die dort von dieser Freizügigkeit Gebrauch machen wollen (EuGH, U. v. 29.4.2010 - C-92/07 - juris Rn. 49). Art. 13 ARB 1/80 verbietet allgemein die Einführung neuer innerstaatlicher Maßnahmen, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen oder Bedingungen als denjenigen unterworfen wird, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beschlusses galten (EuGH, U.v. 17.9.2009 - Sahin, C-242/06 - juris Rn. 63). Beschränkungen i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 sind also keineswegs nur Verschlechterungen, die unmittelbar auf den Zugang zum Arbeitsmarkt abzielen, sondern sämtliche Regelungen, die Aufenthaltsrechte als Voraussetzung des Zugangs zum Arbeitsmarkt einschränken bzw. ihren Erwerb erschweren (HessVGH, B.v. 10.10.2013 - 9 B 1648/13 - juris Rn. 7). Der Stillhalteklausel kommt also auch aufenthaltsrechtliche Bedeutung zu, soweit ausländerrechtliche Maßnahmen zur Beeinträchtigung des Arbeitsmarktzugangs führen oder die Ersterteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels erschwert wird (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 36).

3.4.2.2 Die Anspruchsvoraussetzungen in § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG stellen keine neue Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt in diesem Sinne dar. Denn nicht jede Verschärfung der Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel wirkt als Beschränkung der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt (a.) Die Klägerin hat auch ohne Niederlassungserlaubnis aufgrund ihres Anspruchs auf Erteilung einer nationalen befristeten Aufenthaltserlaubnis einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt (b.).

a. Aus der Rechtsprechung des EuGH lässt sich zum Begriff der „Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt“ lediglich ableiten, dass auch Beschränkungen beim Erwerb von Aufenthaltsrechten eine Beschränkung für den Zugang zum Arbeitsmarkt darstellen können und es nicht darauf ankommt, dass die gesetzliche Regelung eine Beschränkung bezweckt, sondern dass ihre Auswirkungen einer Beschränkung gleichkommen. Letzteres ist bereits dann der Fall, wenn mit einer Maßnahme eines Aufnahmemitgliedstaats die Kriterien für die Rechtmäßigkeit der Lage der türkischen Staatsangehörigen festgelegt werden sollen, indem die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme, den Aufenthalt und gegebenenfalls die Beschäftigung dieser Staatsangehörigen im Gebiet dieses Staates erlassen oder geändert werden (EuGH, U.v. 7.11.2013 - C-225/12 - juris LS 1).

Da die Assoziationsratsbeschlüsse 2/76 vom 20. Dezember 1976 und 1/80 vom 19. September 1980 der Verbesserung der Rechtsstellung der türkischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen im sozialen Bereich und der schrittweisen Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen dienen, ist zudem bezüglich des Begriffs der „Beschränkung“ auch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 45 AEUV, der die Arbeitnehmerfreizügigkeit der Unionsbürger regelt, heranzuziehen. Art. 45 AEUV enthält nämlich nicht nur ein Diskriminierungsverbot für Unionsbürger bezüglich der in Art. 45 Abs. 3 AEUV näher geregelten Inhalte der Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern auch ein Beschränkungsverbot (Franzen in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 45 Rn. 86; Werth in Lenz/Borchart, EU-Verträge, 6. Aufl. 2012, Art. 45 Rn. 38; Schneider/Wunderlich in Schwarze; EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 45 Rn. 42; Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 45 Rn. 266). Danach sind Beschränkungen i. S. dieser Vorschrift alle Bestimmungen eines Mitgliedstaates, die einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um in einem anderen Mitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Allerdings können dies nur Maßnahmen sein, die den Zugang der Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt beeinflussen (EuGH, U.v. 27.1.2000 - Graf, C-190/98 - juris Rn. 24 ff.). Künftige oder nur indirekt wirkende Folgen einer Maßnahme reichen dafür nicht aus.

Die Beschränkungen müssen also zumindest die Wirkung haben, den Zugang zum Arbeitsmarkt direkt und nicht nur hypothetisch zu beeinflussen. Ausschlaggebend für die Qualifizierung einer Maßnahme als neue Beschränkung i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 ist somit, welche direkten Auswirkungen eine Maßnahme eines Mitgliedstaats für den unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat.

Eine Regelung, die die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Vergleich zur Rechtslage bei Inkrafttreten der Stillhalteklausel erschwert, ist danach als neue Beschränkung i. S. d. Art. 13 ARB 1/80 zu qualifizieren, weil ohne die Aufenthaltserlaubnis (mit entsprechender Arbeitserlaubnis) eine Beschäftigung nicht aufgenommen oder weiter ausgeübt werden kann. Auch das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 38) ist daher davon ausgegangen, dass eine gesetzliche Regelung, die die Gebühren für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis über den Inflationsausgleich hinaus erhöht, eine nachträgliche Verschärfung der Bedingungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellt und daher wegen der Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 gegenüber türkischen Staatsangehörigen und ihren Familienangehörigen keine Anwendung findet.

b. Dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gegenüber der vor Inkrafttreten des ARB 1/80 geltenden Rechtslage vom Gesetzgeber erschwert worden sind, bleibt jedoch ohne Auswirkungen auf den Arbeitsmarktzugang der Klägerin, weil sie auch ohne Niederlassungserlaubnis wegen der ihr zu erteilenden befristeten Aufenthaltserlaubnis unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat.

Unerheblich ist insoweit, dass die Klägerin bereits aufgrund ihrer Rechtsstellung als Familienangehörige eines türkischen Staatsangehörigen, der ein Aufenthaltsrecht aus Art. 6 ARB 1/80 besitzt, einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt besitzt. Auf einen entsprechenden Antrag hin müsste ihr die Beklagte eine deklaratorische Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG erteilen, die ihr ein Daueraufenthaltsrecht bescheinigen würde. Dieser Umstand kann jedoch nicht dazu führen, dass neue Beschränkungen im nationalen Aufenthaltsrecht für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis von vornherein nicht unter die Stillhalteklausel fallen, weil damit faktisch die Anwendbarkeit der Stillhalteklausel auf türkische Staatsangehörige, die bereits eine Rechtsposition aus Art. 6 oder 7 ARB 1/80 erworben haben, leerlaufen würde. Da das nationale und das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht zwei verschiedene Rechtskreise darstellen (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 17), ist bei der Frage, ob auch ohne die von der Klägerin begehrte Niederlassungserlaubnis bereits ein unbeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt gegeben ist, alleine auf das nationale Aufenthaltsrecht abzustellen.

Die Niederlassungserlaubnis gewährt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, das zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 AufenthG) und damit unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt beinhaltet. Allerdings ist die Niederlassungserlaubnis anders als eine Aufenthaltserlaubnis keine zwingende Voraussetzung für den unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Niederlassungserlaubnis wird (nur) Ausländern erteilt, denen unabhängig vom Aufenthaltszweck wegen der gelungenen sozialen und wirtschaftlichen Integration ein (nationales) Daueraufenthaltsrecht gewährt werden soll (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 17).

Unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt besitzt zunächst der Ehemann der Klägerin, der als Arbeitnehmer auf dem deutschen Arbeitsmarkt beschäftigt ist. Dessen Arbeitnehmerfreizügigkeit wäre beeinträchtigt, wenn der Klägerin keine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug mehr erteilt bzw. kein weiteres Aufenthaltsrecht gewährt würde. Die Klägerin besaß bislang nur im Zeitraum vom 29. Juni 2010 bis 11. Mai 2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit gestattet“ und danach bis zum Erlass des die Niederlassungserlaubnis ablehnenden Bescheids vom 22. Mai 2012 eine entsprechende Fiktionsbescheinigung. Sie hat jedoch einen Anspruch auf befristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG steht einer (befristeten) Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Nach Angaben der Beklagten würde zwar die ursprünglich nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis auch bei einem entsprechenden Antrag wegen § 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG nicht verlängert, die Klägerin würde nur eine Fiktionsbescheinigung mit dem Zusatz „Erwerbstätigkeit gestattet“ erhalten. Diese Verwaltungspraxis der Beklagten steht nicht in Einklang mit den Vorgaben in § 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG, da danach die nationale Aufenthaltserlaubnis der Klägerin zumindest befristet auf jeweils höchstens ein Jahr verlängert werden müsste. Die Klägerin hat aufgrund der Eheschließung mit einem Ausländer mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Den Nachweis, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständlich machen kann (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG), hat die Klägerin (wohl) auch nach Auffassung der Beklagten erbracht, weil ihr die Beklagte sonst die Aufenthaltserlaubnis vom 29. Juni 2010 nicht erteilt hätte. An einem Integrationskurs hat die Klägerin bislang nicht teilgenommen. Da ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis besteht, kann die Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis deshalb grundsätzlich ablehnen (§ 8 Abs. 3 Satz 4 AufenthG), allerdings sind die schutzwürdigen Belange des Ausländers zu berücksichtigen (§ 8 Abs. 3 Satz 5 AufenthG). Wäre eine ablehnende Entscheidung im Hinblick auf die in § 8 Abs. 3 Satz 5 AufenthG genannten Belange ermessensfehlerhaft, wofür im Fall der Klägerin einiges spricht, so soll die zuständige Behörde eine Aufenthaltserlaubnis mit einer relativ kurzen Geltungsdauer erteilen (§ 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG). Die Verwaltungspraxis der Beklagten, jeweils nur eine Fiktionsbescheinigung zu erteilen, steht demnach schon nicht in Einklang mit der gesetzlichen Regelung. Offen lässt der Senat insoweit, ob die Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 6 AufenthG, die die längerfristige Verlängerung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis für türkische Staatsangehörige, auf die ein Rechtsanspruch besteht, vom erfolgreichen Abschluss eines Integrationskurses abhängig macht, nicht ihrerseits gegen Art. 13 ARB 1/80 verstößt, weil jedenfalls die rechtswidrige Verwaltungspraxis der Beklagten den gesetzlichen Anspruch auf befristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht entfallen lässt. Die der Klägerin zu erteilende Aufenthaltserlaubnis würde auch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 BeschV). Die Ausübung der Erwerbstätigkeit ist der Klägerin ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit möglich, weil sie sich seit drei Jahren ununterbrochen erlaubt oder geduldet im Bundesgebiet aufhält (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BeschV). Durch ihre Tätigkeit als unechte Ortskraft bei dem türkischen Generalkonsulat ist sie vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit (§ 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV). Die Klägerin darf sich also weiter bei ihrem Ehemann im Bundesgebiet aufhalten und gegebenenfalls eine andere Erwerbstätigkeit als ihre Tätigkeit als unechte Ortskraft ausüben, solange die eheliche Lebensgemeinschaft besteht. Eine vom Aufenthaltszweck losgelöste Niederlassungserlaubnis ist daher weder Voraussetzung für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Ehemanns der Klägerin noch ggf. für die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit der Klägerin im regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats.

Die Klägerin hat daher auch mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. einer entsprechenden Fiktionsbescheinigung einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Alleine die Tatsache, dass die Aufenthaltserlaubnis auf Antrag verlängert werden muss, schränkt den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht ein. Das Antragserfordernis stellt insbesondere kein nach Inkrafttreten der Stillhalteklausel eingeführtes neues Erfordernis für einen Aufenthaltstitel, der auch zur Arbeitsaufnahme berechtigt, dar, da bereits unter Geltung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen der Ausländergesetze 1965 und 1990 die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis konstitutiv zunächst nur befristet und auf Antrag erfolgte (§ 21 Abs. 2 AuslG 1965, § 69 AuslG 1990). Nach der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 29.4.2010 - C-92/07 - juris Rn. 61) können zwar verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Ausstellung von Aufenthaltserlaubnissen der Anwendung der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 unterliegen, sie stellen aber nur dann eine neue Beschränkung dar, wenn sie nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stillhalteklausel eingeführt oder verschärft worden sind.

Auch aus der vom EuGH (U.v. 29.4.2010, a. a. O.) und in der Folge vom Bundesverwaltungsgericht (U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 38) vertretenen Auffassung, wonach die Neueinführung oder die nachträgliche unverhältnismäßige Erhöhung einer Gebühr für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Bedingungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit nachträglich verschärft, folgt nicht, dass (auch) die Verschärfung der Erteilungsvoraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis eine neue Beschränkung für den Zugang zum Arbeitsmarkt darstellt. Diesen beiden Entscheidungen liegt die Konstellation zugrunde, bei der der türkische Staatsangehörige mit der nationalen Aufenthaltserlaubnis konstitutiv ein Aufenthaltsrecht für den Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt bzw. der beantragte Aufenthaltstitel, für den die Gebühr zu entrichten ist, in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit von anderer rechtlicher Qualität ist, als das Aufenthaltsrecht, das der türkische Staatsangehörige bereits aufgrund seines nationalen Aufenthaltstitels besitzt (BVerwG, U.v. 19.3.2013, a. a. O., Rn. 38). Die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis setzt aber gerade den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die bereits zum Aufenthalt (und zur Arbeitsaufnahme) berechtigt, voraus und ist lediglich für die Integration des Ausländers, nicht aber in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit von anderer rechtlicher Qualität.

In der Kommentarliteratur wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 auch vor Erschwernissen bei der Verfestigung von Inlandsaufenthalten schützt. Es sei deshalb unzulässig, im Zuwanderungsgesetz bei der Erteilung von Niederlassungserlaubnissen höhere Anforderungen zu stellen als für die unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AuslG 1990 erfüllt werden mussten (Gutmann in GK, Stand August 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 58 ff.). Aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Toprak u. Oguz (U.v. 9.12.2010 - C-300/09 u. a. - juris Rn. 54) sei eine reine beschäftigungsbezogene Betrachtungsweise, die ausschließlich darauf abstelle, ob mit dem unbefristeten Aufenthaltsstatus eine rechtliche Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs verbunden sei, ausgeschlossen (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, 10. Aufl. 2013, Art. 13 ARB 1/80 Rn. 76). Diese Rechtsauffassung teilt der Senat nicht. Soweit die Kommentarliteratur (Dienelt, a. a. O., Rn. 77) zur Begründung ihrer Rechtsaufassung auf das Zustimmungserfordernis der Bundesagentur für Arbeit in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BeschVerfV verweist, hat sich die Rechtslage mit dem Außerkrafttreten der Beschäftigungsverfahrensverordnung zum 30. Juni 2013 dahingehend geändert, dass nach einem dreijährigen erlaubten oder geduldeten Aufenthalt des Ausländers die Zustimmung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mehr erforderlich ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BeschV). Aus dem angeführten Zitat aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Toprak ergibt sich insbesondere nicht, dass sich die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 auf sämtliche neue Beschränkungen erstreckt, die sich als Hindernisse für die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit erweisen könnten. Vielmehr nimmt der EuGH als Beispiele für verbotene Beschränkungen ausdrücklich auf die Einführung der Visumpflicht für die Ausübung bestimmter Dienstleistungen in Deutschland und die Einführung von Gebühren für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in unverhältnismäßiger Höhe, also rechtliche Regelungen für die Erteilung befristeter Aufenthaltstitel, Bezug (U.v. 9.12.2010, a. a. O., Rn. 43). Der Anwendungsbereich des Art. 13 ARB 1/80 erfährt durch diese Entscheidung nur insoweit eine Erweiterung, als in zeitlicher Hinsicht auch eine Bestimmung, die eine Regelung, die eine Erleichterung der am 1. Dezember 1980 geltenden Bestimmungen vorsah, wieder verschärft, als neue Beschränkung anzusehen ist (EuGH, U.v. 9.12.2010, a. a. O., LS). Es mag zutreffen, dass ein Arbeitnehmer, der ein nationales Daueraufenthaltsrecht besitzt, für einen Arbeitgeber attraktiver ist, und eher ein Beschäftigungsangebot oder Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen erhält. Die Realisierung von etwaigen Beschäftigungs- und Qualifizierungschancen auf dem Arbeitsmarkt steht aber nicht in direktem oder unmittelbarem Zusammenhang mit einem unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt. Sie hängt nicht entscheidend von der durch den Aufenthaltstitel vermittelten Rechtsstellung, sondern insbesondere von der Berufsausbildung, den Sprachkenntnissen, dem bisherigen beruflichen Werdegang des Ausländers und der Situation auf dem Arbeitsmarkt ab. Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 unterstellt aber nur die rechtlichen Bedingungen für den Arbeitsmarktzugang und den damit verbundenen Aufenthaltsrechten einem Verschlechterungsverbot, nicht etwaig damit entfernt verbundene mittelbare, zufällige oder „softe“ Folgen. Insbesondere hat die Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für türkische Staatsangehörige durch das Assoziierungsabkommen nicht das Ziel, sie dauerhaft in die hiesigen Lebensverhältnisse zu integrieren, so dass etwaige Erleichterungen, die eine Niederlassungserlaubnis für die Teilhabe am sozialen Leben mit sich bringen könnte (z. B. Kreditaufnahme), nicht in Zusammenhang mit dem unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt zu setzen sind. Dies ergibt sich aus dem ausschließlich wirtschaftlichen Zweck des Assoziierungsabkommens mit der Türkei (EuGH, U. v. 8.12.2012 - C-371/08, Ziebell - juris Rn. 64 f.), dessen Verwirklichung die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 sicherstellen soll. Die mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis beabsichtigte und verbundene aufenthaltsrechtliche Verfestigung hängt von anderen Voraussetzungen ab als das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 19). Auch wenn eine Niederlassungserlaubnis für den jeweiligen Ausländer insbesondere den Vorteil eines vom Aufenthaltszweck losgelösten Daueraufenthaltsrechts, das die aufenthaltsrechtliche Position des Ausländers erheblich stärkt, mit sich bringt, handelt es sich dennoch um keinen Aufenthaltstitel, der in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit von einer anderen rechtlichen Qualität ist (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 19.3.2013 - 1 C 12.12 - juris Rn. 38). Weitergehende Rechte für türkische Staatsangehörige für den unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt bietet die Niederlassungserlaubnis im Vergleich zu einer nur befristeten Aufenthaltserlaubnis, die die (uneingeschränkte) Erwerbstätigkeit gestattet, nicht. Denn die Niederlassungserlaubnis dient gerade nicht dazu, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu verbessern, sondern stellt eine rechtliche Bestätigung einer erfolgreichen Integration dar und dient ausschließlich der aufenthaltsrechtlichen Verfestigung der Position des Ausländers (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris Rn. 17). Daher ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an einen türkischen Staatsangehörigen wegen der Stillhalteklausel auch nicht von der Erteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts abzusehen, wenn dem türkischen Staatsangehörigen bereits ein unbeschränkter Zugang zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung zusteht (BVerwG, U.v. 22.5.2012 - 1 C 6.11 - juris 18).

4. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 7 und 8 AuslG 1965 besteht ebenfalls nicht, weil die Stillhalteklausel bei der Verschärfung der Erteilungsvoraussetzungen für die Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG aus den dargelegten Gründen nicht zur Anwendung kommt. Im Übrigen würde das sich aus der Stillhalteklausel ergebende Nichtanwendungsgebot für neue Beschränkungen nur dazu führen, dass der Klägerin eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden müsste, auch wenn sie die nach Inkrafttreten der Stillhalteklausel erhöhten Anforderungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht erfüllt. Ein Aufenthaltstitel aufgrund von Rechtsvorschriften, die außer Kraft getreten sind, kann nicht erteilt werden (s.o., 3.1).

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.