Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 16. Aug. 2016 - W 5 S 16.1017

bei uns veröffentlicht am16.08.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Polizeiinspektion Bad Brückenau vom 15. September 2016 wird wiederhergestellt, soweit die Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im unverschleierten Zustand, d. h. ohne Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt, angeordnet wird. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat ¾ und der Antragsgegner hat ¼ der Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die sofortige Vollziehung im Bescheid der Polizeiinspektion Bad Brückenau vom15. September 2016. Mit diesem Bescheid wird die erkennungsdienstliche Behandlung der Antragstellerin nach § 81b 2. Alt. StPO, die sich auf die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, Fertigung von Lichtbildern - auch unverschleiert - und Messungen und Personenbeschreibungen erstreckt, angeordnet (Nr. 1 des Bescheids) und sie hierzu für Mittwoch, 19. Oktober 2016, 10.30 Uhr, oder Montag, 24. Oktober 2016, 13.30 Uhr, vorgeladen (Nr. 2). Für den Fall, dass die Antragstellerin der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge leistet, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nr. 3) und mit einer Zahlungsfrist von zwei Monaten gleichzeitig festgesetzt (Nr. 4). Zudem wird die Antragstellerin für diesen Fall erneut zur erkennungsdienstlichen Behandlung am Donnerstag, 27. Oktober 2016, 10.30 Uhr, oder am Montag, 31. Oktober 2016, 12.30 Uhr, vorgeladen (Nr. 5). Für den Fall, dass die Antragstellerin dieser erneuten Vorladung ohne hinreichenden Grund wiederum nicht Folge leistet, wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nr. 6). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2, und 5 des Bescheides wird gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet (Nr. 7).

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet worden ist - wie hier hinsichtlich der Nrn. 1, 2 und 5 des angefochtenen Bescheids -, wiederherstellen und in Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt - wie hier hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung in Nrn. 3, 4 und 6 (vgl. Art. 21a VwZVG) -, anordnen.

Bei sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) lässt die Antragstellerin demnach die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage W 5 K 16.1016 vom 12. Oktober 2016 gegen Nrn. 1, 2 und 5 des Bescheids vom 15. September 2016 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nrn. 3, 4 und 6 dieses Bescheids beantragen.

2. Der Antrag ist nur teilweise begründet.

Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. des Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 - 26 CS 87.01144 - BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.

2.1. Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Insbesondere hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.

2.2. Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt vorliegend, dass die Klage gegen die Anordnungen in Nrn. 1 (mit Ausnahme der Anordnung der Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im unverschleierten Zustand, d. h. ohne Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt), 2 und 5 des Bescheids des Polizeipräsidiums Unterfranken vom 31. Mai 2016 mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Soweit in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids die Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin auch im gänzlich unverschleierten Zustand angeordnet wird, sind die Erfolgsaussichten der Klage hingegen offen. Im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse, weshalb die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit wiederherzustellen war.

Rechtsgrundlage der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist § 81b 2. Alt. StPO, wonach, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden dürfen.

2.3. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich nach summarischer Prüfung in den Nrn. 1 (mit Ausnahme der Anordnung der Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand), 2 und 5 als rechtmäßig.

Das Polizeipräsidium Unterfranken hat die Antragstellerin zu Recht als Beschuldigte i. S.v. § 81b 2. Alt. StPO angesehen, denn gegen sie wird wegen einer Straftat ermittelt. Voraussetzung der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung ist, dass ein Straf- oder Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen schwebt; nur während der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens kann die Anordnung ergehen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1955 - I C 176.53 - BVerwGE 2, 302).

Das Anlassverfahren erweist sich als geeignete Grundlage für die Anordnung. Für die präventiven Zwecken dienende Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sowie der ihrer Durchführung dienende Hilfsmaßnahme der Vorladung ist keine vollumfängliche und zu absoluter Sicherheit führende Sachverhaltsaufklärung erforderlich. Vielmehr genügt hier der sich aus dem Ermittlungsverfahren ergebende dringende Tatverdacht (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.1992 - 21 B 92.929 - BayVBl 1993, 211; B.v. 23.11.2009 - 10 CS S 09.1854 - juris). Ein derartiger Tatverdacht ist hier gegeben. Das Bestreiten der Tat durch die Antragstellerin, soweit es sich hierbei nicht ohnehin um Schutzbehauptungen handelt, ändert daran nichts.

Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist grundsätzlich auch notwendig i. S. d. § 81b 2. Alt. StPO. Für die Annahme der Notwendigkeit bedarf es einer auf der sog. Anlasstat beruhenden Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn aufgrund eines konkreten Sachverhalts die Prognose angestellt werden kann, der Betroffene werde auch in Zukunft in den Kreis Verdächtiger von noch aufzuklärenden anderen Straftaten einbezogen werden können (BayVGH, B.v. 6.12.2011 - 10 ZB 11.365 - juris, m. w. N.). Hierbei beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, ob die nach kriminalistischer Erfahrung anzustellende Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte, während das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil einer solchen Kontrolle nur begrenzt zugänglich ist (vgl. VGH Mannheim, U.v. 29.5.2008 - 1 S 1503/07; OVG Bautzen, B.v. 29.1.2010 - 3 D 91/08 sowie B.v. 12.10.2010 - 3 A 657/09; OVG Magdeburg, U.v. 18.8.2010 - 3 L 372/09; alle juris).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat die Polizeiinspektion Bad Brückenau die Notwendigkeit i. S. d. § 81b 2. Alt. StPO zu Recht bejaht. Ihre Prognose, es bestünden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragstellerin in ähnlicher oder anderer Weise erneut straffällig werden könnte und die erkennungsdienstlichen Unterlagen zur Förderung der dann zu führenden Ermittlungen geeignet erscheinen, ist nach Ansicht des Gerichts zutreffend. Die Antragstellerin ist bereits in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten. Gegen sie wurden Ermittlungen wegen eines besonders schweren Falls des Ladendiebstahls am 7. Oktober 2015 sowie zweimal wegen Ladendiebstahls am 26. Juni und 16. März 2015, jeweils in Bonn, geführt. Es kommt nicht darauf an, ob die früheren Verfahren zum Teil eingestellt worden sind. Der Restverdacht ist hierdurch nämlich nicht automatisch ausgeräumt (vgl. Beschluss der erkennenden Kammer v. 8.8.2011 - W 5 S 11.598). Vorliegend waren die ersten beiden Vorfälle sogar Gegenstand von Strafbefehlen. Als präventivpolizeiliche Maßnahme zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung ist die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b StPO zwar von einem fortbestehenden hinreichenden Tatverdacht, nicht aber von einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Schuldfeststellung abhängig; die Feststellung des Tatverdachts ist vielmehr etwas substantiell anderes als eine Schuldfeststellung (vgl. BVerfG, B.v. 16.5.2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231). Der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung steht deshalb auch nicht die strafrechtliche Unschuldsvermutung entgegen (BayVGH, B.v. 27.12.2010 - 10 ZB 10.2847).

Angesichts der wiederholten polizeilichen Auffälligkeit der Antragstellerin kann bei der Anlasstat auch nicht von einem Bagatelldelikt ausgegangen werden, wie der Antragstellerbevollmächtigte meint. Für die Annahme einer Wiederholungsgefahr ist keine gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Straffälligkeit erforderlich (vgl. Beschlüsse der erkennenden Kammer vom 30.7.2014 - W 5 S 14.703 und vom 23.9.2015 - W 5 S 15.910).

Insofern erscheint die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung im Allgemeinen gut geeignet, präventive Wirkung zu entfalten, insbesondere durch die Warnfunktion gegenüber der Antragstellerin und die offensichtliche Erleichterung weiterer Ermittlungsarbeiten in zukünftigen Fällen.

Hiervon ausgehend hat der Antragsgegner ohne Ermessensfehler die grundsätzliche Notwendigkeit einer Anordnung nach § 81b 2. Alt. StPO bejaht. Abgesehen von der Anordnung der Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand hat die Kammer auch keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der getroffenen Anordnung. Durch die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung werden insoweit auch keine unumkehrbaren Verhältnisse geschaffen. Vielmehr hat die Antragstellerin dann einen Löschungsanspruch, wenn die Voraussetzungen für die Datenspeicherung weggefallen sind.

Die Androhung und Festsetzung des Zwangsgelds in Nrn. 3 und 4 des angegriffenen Bescheids erweisen sich - auch der Höhe nach - als rechtmäßig. Ebenfalls keinen Bedenken begegnet die Androhung der zwangsweisen Vorführung in Nr. 6 des angegriffenen Bescheids. Nach dem Wortlaut der Zwangsmittelandrohungen beziehen sich diese auf das Nichterscheinen der Antragstellerin zum Termin, nicht auf die einzelnen angeordneten Maßnahmen. Die Androhung mehrerer Zwangsmittel in einem Bescheid ist in Art. 59 Abs. 3 Satz 2 PAG ausdrücklich vorgesehen und die Reihenfolge der Anwendung ist beanstandungsfrei angegeben. Die Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs für den Fall, dass die Androhung von Zwangsgeld ohne Erfolg bleibt und die Antragstellerin nicht zur Mitwirkung bei der erkennungsdienstlichen Behandlung bewegen kann, ist nicht zu beanstanden und wahrt das Gebot verhältnismäßigen Vorgehens.

2.4. Hingegen sind die Erfolgsaussichten der Klage insoweit als offen anzusehen, als im streitgegenständlichen Bescheid auch die Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand, d. h. ohne den von ihr üblicherweise getragenen Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt, angeordnet wird.

Nach Auffassung des Gerichts bestehen insoweit Bedenken, ob die Anordnung der Maßnahme in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erfolgte bzw. mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

Die Antragstellerin beruft sich auf einen unzulässigen Eingriff in ihre Religionsfreiheit. Aufgrund ihres Auftritts in der mündlichen Verhandlung im Asylverfahren der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Würzburg am 11. Juli 2016 ist bekannt, dass die Antragstellerin in der Öffentlichkeit eine Verschleierung trägt, die ihre Haare, ihre Ohren und ihren Hals bedeckt, ihr Gesicht ansonsten hingegen freilässt. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Juli 2016 (W 7 K 15.30524), das u. a. von einer Verfolgung wegen der religiösen Überzeugung der Antragstellerin, die als russische Volkszugehörige zum Islam konvertiert war, ausgeht, wurde die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, der Antragstellerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Im vorliegenden Fall ist daher der Schutzbereich der Religionsfreiheit betroffen und der inhaltliche Geltungsbereich dieses Grundrechts durch die streitgegenständliche Anordnung beeinträchtigt. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes Grundrecht, das die Freiheit des Glaubens und das Recht auf freie Religionsausübung garantiert. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, d. h. einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen, und einem anderen Glauben zuzuwenden („forum internum“), sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben („forum externum“). Umfasst sind damit nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Dazu gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und ihrer inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben, wozu auch die religiös motivierte Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds durch Kleidung gehört (BVerfG, U.v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; VG Augsburg, U.v. 30.6.2016 - Au 2 K 15.457 - juris m. w. N.).

Bei Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben (BVerfG, B.v. 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 - BVerfGE 24, 236). Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der Glaubensfreiheit angesehen werden muss. Die staatlichen Organe dürfen prüfen und entscheiden, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine religiös anzusehende Motivation hat (vgl. z. B. BVerfG, U.v. 15.1.2002 - 1 BvR 1783/99 - BVerfGE 104, 337).

Nach diesem Verständnis des Grundrechts der Religionsfreiheit ist dessen Schutzbereich eröffnet, weil das Tragen eines muslimischen Kopftuches („Hidschab“), durch das Haare und Hals nachvollziehbar aus religiösen Gründen bedeckt werden, als Teil der Religionsausübung nach außen in den Bereich des sog. „forum externum“ fällt (BVerfG, B.v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10; VG Augsburg - a. a. O. m. w. N.). Die Antragstellerin macht auch - ohne dass dies zweifelhaft erscheint - eine religiöse Motivation für das von ihr als aus Glaubensgründen verpflichtend dargestellte Tragen des Kopftuchs geltend. Die religiöse Fundierung der Pflicht, als Frau ein islamisches Kopftuch zu tragen, ist plausibel und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (s. hierzu BVerfG, B.v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296; VG Augsburg - a. a. O.).

Die Aufnahme von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand ist auch als Eingriff in die Religionsfreiheit zu sehen - unabhängig davon ob bei Durchführung der Aufnahmen ausschließlich eine weibliche Beamtin anwesend ist, denn die Aufnahmen sind aufgrund ihrer Speicherung weiteren, auch männlichen Polizisten zugänglich und werden ggf. auch im Rahmen von Zeugenbefragungen verwendet.

Es ist fraglich, ob dieser angeordnete Eingriff in die Religionsfreiheit der Antragstellerin verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

Dem Bescheid lässt sich nicht entnehmen, dass die Behörde den Aspekt der Religionsfreiheit der Antragstellerin bei der Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme berücksichtigt hat. Insofern steht aufgrund der insoweit fehlenden Begründung des Verwaltungsakts bereits ein Ermessensausfall im Raum.

Weiterhin stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Aufnahme von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand für die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe erforderlich ist. Es kann bei der erkennungsdienstlichen Behandlung zwar grundsätzlich die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes einer Person zur Vorbereitung von Identifizierungsmaßnahmen angeordnet und ggf. auch zwangsweise durchgeführt werden (Gercke/Julius/Temming u. a., StPO, § 81b Rn. 12). Nachdem sich die Antragstellerin jedoch mit Kopftuch bekleidet in der Öffentlichkeit bewegt und bislang ausschließlich mit Ladendiebstählen auffällig geworden ist, erschließt sich nicht ohne weiteres, warum die Aufnahme des gänzlich unverschleierten Kopfs der Antragstellerin erforderlich ist. Eine Klärung, zu welchen polizeilichen Zwecken das vom Antragsgegner als „wesentliche Personenmerkmale wir Haare, Ohren, Hals, Gesichtsform“ bezeichnete äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin benötigt wird, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Außerdem bleibt auch bei Annahme der Erforderlichkeit von Lichtbildaufnahmen der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand fraglich, ob die getroffene Anordnung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem auch erkennungsdienstliche Maßnahmen unterliegen (Gercke/Julius/Temming u. a., StPO, § 81b Rn. 13), vereinbar ist, insbesondere ob es sich hierbei um einen unzulässigen Eingriff in die freie Religionsausübung handelt.

Die Glaubensfreiheit ist zwar nicht schrankenlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich jedoch aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (vgl. BVerfG, B.v. 26.5.1970 - 1 BvR 83/69, 1 BvR 244/69, 1 BvR 345/69 - BVerfGE 28, 243). Dabei ist der Konflikt mit den anderen verfassungsrechtlich geschützten Gütern nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (BVerfG, B.v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - juris). Die schwächere Norm darf nur so weit zurückgedrängt werden, wie das logisch und systematisch zwingend erscheint; ihr sachlicher Grundwertgehalt muss in jedem Fall respektiert werden (BVerfG, B.v. 26.5.1970 - 1 BvR 83/69 - juris). Ob im Rahmen der Abwägung vorliegend von der Behörde der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit der Vorrang vor der Religionsfreiheit gegeben werden konnte oder ob, unter weitestmöglicher Schonung und damit Verwirklichung beider Verfassungsgüter im vorliegenden Konfliktfall eine Lösung gefunden werden musste, die die Glaubensfreiheit der Antragstellerin weitergehend berücksichtigt, kann im Rahmen der im Sofortverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht abschließend beantwortet werden.

Nach alledem sind die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin hinsichtlich der Anordnung der Fertigung von Lichtbildern im gänzlich unverschleierten Zustand als offen anzusehen.

Im Rahmen der sonach vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt insoweit das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse, weshalb die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen war. Im Falle einer einstweiligen Fertigung von Lichtbildern im gänzlich unverschleierten Zustand, d. h. ohne Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt, steht die Verletzung der Glaubensfreiheit der Antragstellerin im Raum. Hingegen wird die öffentliche Sicherheit, wenn zunächst nur Lichtbilder der Antragstellerin im beschriebenen teilweise verschleierten Zustand aufgenommen werden können, angesichts der im Raum stehenden Tatvorwürfe gegen die Antragstellerin nicht in gravierender Weise beeinträchtigt, da diese Lichtbilder bei einer möglichen Tataufklärung in der Zukunft verwendet werden können.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem Anteil des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.

Die Streitwertentscheidung resultiert aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Nr. 35.5 dieses Katalogs ist bei Streitigkeiten um erkennungsdienstliche Maßnahmen in der Hauptsache der Auffangwert (5.000,00 EUR) zu veranschlagen. Für das vorliegende Sofortverfahren war dieser Wert zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 16. Aug. 2016 - W 5 S 16.1017

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 16. Aug. 2016 - W 5 S 16.1017

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 16. Aug. 2016 - W 5 S 16.1017 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 88


Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 4


(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit

Strafprozeßordnung - StPO | § 81b Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten


(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnah

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 16. Aug. 2016 - W 5 S 16.1017 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 16. Aug. 2016 - W 5 S 16.1017 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 30. Juni 2016 - Au 2 K 15.457

bei uns veröffentlicht am 30.06.2016

Tenor I. Es wird festgestellt, dass die mit dem Einstellungsbescheid vom 3. September 2014 (Gz: ...) verbundene Auflage „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftliche

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 29. Mai 2008 - 1 S 1503/07

bei uns veröffentlicht am 29.05.2008

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. November 2006 - 1 K 1714/06 - wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Di
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 16. Aug. 2016 - W 5 S 16.1017.

Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 18. Mai 2018 - W 9 K 18.252

bei uns veröffentlicht am 18.05.2018

Tenor I. Nr. 1 des Bescheids der Polizeiinspektion Bad Brückenau vom 15. September 2016 wird insoweit aufgehoben, als die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin in Form der Fertigung von Lichtbildern in unverschleiertem Zustand

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. November 2006 - 1 K 1714/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.
Der 1958 geborene Kläger ist verheiratet und Vater einer 1996 geborenen Tochter. Am 20.10.2005 wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dem lag der Verdacht zugrunde, dass er im Oktober 2004 und am 28.07.2005 als Teilnehmer an sogenannten Chatgroups im Internet kinderpornographische Dateien ausgetauscht bzw. auf diese zugegriffen habe. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Heidelberg vom 17.11.2006, rechtskräftig seit dem 07.12.2006, wurde gegen den Kläger wegen des Besitzes kinderporno-graphischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt, deren Vollstreckung für 3 Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts hat der Kläger mindestens 3.773 Bilddateien mit eindeutig kinderpornographischem Inhalt auf die Festplatten seiner Computer abgespeichert. Die Bilddateien zeigen in drastischer und direkter Weise den Oral-, Anal- und Vaginalverkehr erwachsener Männer an Kindern unter 14 Jahren. In einer hohen Anzahl zeigen die Bilddateien in besonders drastischer und verabscheuungswürdiger Weise Sexualverkehr an und mit Kleinstkindern.
Im Laufe des Ermittlungsverfahrens ordnete das Amtsgericht Heidelberg - auf Antrag der Staatsanwaltschaft Heidelberg - mit Beschluss vom 02.02.2006 nach § 81g StPO eine molekulargenetische Untersuchung einer Speichelprobe zur Feststellung der DNA-Identifizierungsmuster zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren an. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Landgericht Heidelberg mit Beschluss vom 02.05.2006 zurück.
Mit Verfügung vom 09.02.2006 forderte das Polizeipräsidium Mannheim - Kriminalpolizei Außenstelle ... - den Kläger auf, sich gem. § 81b StPO erkennungsdienstlich behandeln zu lassen, und drohte ihm für den Fall der Weigerung unmittelbaren Zwang an. Den Widerspruch des Klägers wies das Regierungspräsidium Karlsruhe - Landespolizeidirektion - mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2006 zurück. Aufgrund der vom Kläger gezeigten Verhaltensweisen bestünden begründete Anhaltspunkte dafür, dass er weiterhin strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Er sei in zwei unabhängig voneinander geführten Verfahren als Bezieher kinderpornographischen Materials in Erscheinung getreten. Für eine diesbezügliche Wiederholungsgefahr spreche die Professionalität der Nutzung des Internets und der Verdacht von Straftaten auf dem Gebiet der sexuellen Selbstbestimmung. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei auch geeignet für die Aufklärung zukünftiger Straftaten. Der Besitz kinderpornographischer Schriften bedinge nicht nur das Herunterladen oder Einstellen von Dateien im Internet. Eine Verbreitung solcher Schriften könne auf vielfältige Art und Weise, so auch in Gestalt von Printmedien erfolgen. Hier eigneten sich hinterlassene Fingerabdrücke sehr wohl zum Vergleich und stellten ein geeignetes Mittel zur Aufklärung von Straftaten dar. Schließlich stehe die Eingriffsintensität der beabsichtigten erkennungsdienstlichen Behandlung nicht außer Verhältnis zu den zu schützenden Rechtsgütern anderer Bürger.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 17.11.2006 zurück. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei gerechtfertigt. Zwar könne der Kläger durch Fingerabdrücke und Lichtbilder in einer polizeilichen Kartei eher nicht überführt werden, wenn er sich wiederum verbotenes pornographisches Material aus dem Internet beschaffen sollte. Solche Unterlagen könnten aber hilfreich sein, wenn jemand sich nicht nur als PC-Nutzer gegen die sexuelle Selbstbestimmung Dritter vergehe. Der Kläger habe sehr viel kinderpornographisches Material gesammelt und geradezu professionell gesichert. Nach eigenem Bekunden habe er dies nicht getan, um es weiterzugeben. Sein Verhalten lasse sich danach weder mit Geschäftsinteressen noch mit Neugier auf Fremdartiges erklären. Es spreche vielmehr deutlich für pädophile Neigungen des Klägers, wodurch auch die Gefahr von Straftaten nach §§ 176 f. StGB nicht von der Hand zu weisen sei.
Zur Begründung seiner vom Senat mit Beschluss vom 02.07.2007 - 1 S 42/07 - zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor: Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er - wie erforderlich - „mit guten Gründen“ als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte. Aus dem bislang festgestellten Sachverhalt ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass er fähig wäre, eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen, bei der er im persönlichen Kontakt direkt auf Dritte einwirken müsste. Zu Unrecht werde er als ausgeprägt pädophil veranlagter Mensch abgestempelt. Selbst soweit von einer Gefahr von Rückfalltaten ausgegangen werde, seien die durch eine erkennungsdienstliche Behandlung gewonnenen Erkenntnisse für Ermittlungszwecke ungeeignet, da beim Versuch des Herunterladens von Dateien aus dem Internet keine verwertbaren Spuren hinterlassen würden. Ein Ausweichen auf Printmedien sei unwahrscheinlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. November 2006 - 1 K 1714/06 - zu ändern und die Verfügung des Polizeipräsidiums Mannheim - Kriminalpolizei Außenstelle ... - vom 09.02.2006 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe - Landespolizeidirektion - vom 07.06.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
10 
die Berufung zurückzuweisen.
11 
Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus: Es sei auszuschließen, dass der Kläger sich die kinderpornographischen Dateien aus bloßer Neugier beschafft habe oder weil er kurzzeitig dem „Reiz des Verbotenen“ erlegen sei. Aufgrund der Vorgehensweise des Klägers, der auf eine kurzfristig gegründete Chatgroup bzw. auf ein konspirativ aufgebautes, besonders gesichertes Kinderpornographie-Board zugegriffen habe, sei beim Kläger der Rückschluss auf ein triebbedingtes Verhalten und folglich eine immanente erhebliche Wiederholungsgefahr gerechtfertigt. Das Beschaffen kinderpornographischer Dateien über einen längeren Zeitraum und in außerordentlich großer Menge, wie es dem Kläger hier vorgeworfen werde, biete jedoch durchaus im Rahmen des § 81b StPO ausreichende Anhaltspunkte für die Begehung anderer Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei denen erkennungsdienstliche Unterlagen zur Aufklärung beitragen können. Dies gelte insbesondere deshalb, weil es sich hierbei um ein triebgesteuertes und somit nur schwer kontrollierbares Verhalten handele und weil häufig zu beobachten sei, dass die „Reizschwelle“ zur Befriedigung pädophiler Neigungen im Laufe der Zeit immer höher liege. Eine Gewissheit dahingehend, dass der Kläger in Zukunft auch andere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung begehen werde, sei gerade nicht erforderlich. Schließlich bestünden auch Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger künftig weitere Straftaten nach § 184b StGB begehe, zu deren Aufklärung erkennungsdienstliche Unterlagen geeignet sein könnten, etwa weil sich Fingerspuren auf Printmedien fänden. Hiervon sei auch das Landgericht Heidelberg in dem Beschluss bezüglich der molekulargenetischen Untersuchung des Klägers nach § 81g StPO ausgegangen.
12 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze im Zulassungs- und Berufungsverfahren Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und Gerichtsakten aus dem Klageverfahren sowie die Strafakten des Amtsgerichts Heidelberg vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
13 
Der Schriftsatz des Beklagten vom 30.05.2008 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Maßnahme ist § 81b Alt. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
16 
Die Kriminalpolizei hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen den Kläger betriebenen Strafverfahrens, sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>; dazu Schenke, JZ 2006, 707 f. m.N.). Da gegen den Kläger sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids als auch im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB anhängig war, war er Beschuldigter eines Strafverfahrens und daher grundsätzlich zulässiger Adressat der Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO (vgl. Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
17 
Als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (stRspr. des BVerwG, vgl. Urteile vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <199> und - 1 C 114.79 -, BVerwGE 66, 202 <205>; vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>).
18 
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. Urteil des erk. Senats vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, ESVGH 54, 137 <139> m.w.N.).
19 
Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich dabei immer danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann.
20 
2. Nach diesen Maßstäben begegnet die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keinen rechtlichen Bedenken.
21 
a) In den angefochtenen Bescheiden gehen die Polizeibehörden allein von der Gefahr eines weiteren Verstoßes gegen § 184b StGB aus. Die Einwände, die der Kläger gegen diese Annahme vorbringt, verfangen nicht. Denn es ist in keiner Weise plausibel, dass der Kläger beim Surfen im Internet - etwa auf der Suche nach anders gearteten und strafrechtlich irrelevanten pornographischen Angeboten - eher unabsichtlich und aus „bloßer Neugier“ auf das kinderpornographische Material gestoßen ist. Denn zum einen bedarf es nach den nachvollziehbaren Schilderungen in den polizeilichen Ermittlungsakten eines gezielten Vorgehens, um zu diesen teilweise konspirativ aufgebauten Websites, Chatrooms und Boards zu gelangen; auch ist dem Kläger nicht lediglich der Besuch auf nur einer einschlägigen Seite nachgewiesen worden. Zum anderen - und das erweist sich als ausschlaggebend - ist eine Speicherung entsprechenden Materials nur dann erklärlich, wenn daran ein gesteigertes Interesse besteht und es zur dauernden Verfügung, nämlich zum Zwecke sexueller Stimulation und Befriedigung, vorgehalten werden soll. Angesichts dieses Verhaltens kommt der Einlassung des Klägers vor dem Verwaltungsgericht, er sei „in keiner Weise pädophil“, keine Bedeutung zu. Dem Kläger mag zwar - nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass er eine Ehe führt - ohne Weiteres zuzugeben sein, dass er nicht zum Typus des „fixierten Pädosexuellen“ zählt. Die Erscheinungsformen (pädo-)sexueller Orientierung sind indessen vielfältig; die sexuelle Neigung zu Kindern kann eine von mehreren Facetten der Gesamtsexualität sein (vgl. etwa Urbaniok/Benz, Kriminalistik 2005, 182 <183 f.>; siehe auch Kuhnen, Kinderpornographie und Internet, 2007, S. 196 ff.). Eine pädosexuelle Ansprechbarkeit des Klägers ist durch die Anlasstat aber jedenfalls belegt. Diese begründet gerade in der Zusammenschau mit dem vom Kläger bei der Suche nach solchem Material verwendeten Eifer die vertretbare Prognose, dass der Kläger sich wiederum nach § 184b StGB strafbar machen könnte.
22 
Die vom Amtsgericht ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung mit der darin vorausgesetzten günstigen Sozialprognose steht dem nicht entgegen, da die anzulegenden Maßstäbe jeweils unterschiedlich sind (vgl. BVerwG, vgl. Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <200 f.> zu § 81b StPO; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. -, BVerfGE 103, 21 <36> und OLG Celle, Beschluss vom 19.07.2006 - 1 Ws 337/06 -, NJW 2006, 3155 <3156>, jeweils zu § 81g StPO, m.w.N.). Auch der Umstand, dass über den Kläger seit mittlerweile fast drei Jahren nichts Negatives bekannt geworden ist, ist insoweit unbeachtlich. Abgesehen davon, dass der Kläger keiner permanenten Überwachung unterliegt, wäre diese Zeit eines angepassten Wohlverhaltens noch nicht ausreichend.
23 
Auf der Grundlage der hiernach beanstandungfreien Wiederholungsprognose in Bezug auf weitere Verstöße gegen § 184b StGB ist auch davon auszugehen, dass die anzufertigenden erkennungsdienstlichen Unterlagen für entsprechende strafrechtliche Ermittlungen geeignet sind. Dies gilt auch dann, wenn – als wahrscheinlichste Möglichkeit - unterstellt wird, dass der Kläger sich wiederum des Internets bedienen wird. Zwar ist der angemeldete Nutzer eines Internet-Anschlusses über den Provider zu ermitteln; doch kann sich auch die Frage stellen, wer den betreffenden Computer tatsächlich genutzt hat. Hier können Fingerabdrücke von Nutzen sein. Auch eine Beschaffung einschlägiger Dateien nicht unmittelbar über das Internet, sondern über sonstige Modalitäten eines Datenaustausches - zum Beispiel über USB-Stick, CD-Rom und DVD - ist in Betracht zu ziehen. Schließlich bleiben - sicherlich nicht vorrangig, da sich § 184b StGB als „geradezu typisches Internetdelikt“ (vgl. Heinrich, NStZ 2005, 361) darstellt, aber als weiterhin bestehende Alternative - auch Printmedien.
24 
b) Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung folgt darüber hinaus auch aus der Möglichkeit, dass gegen den Kläger wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176 f. StGB ermittelt wird. Hiervon geht das Verwaltungsgericht entscheidungstragend aus. Dem schließt sich der Beklagte im Berufungsverfahren an. Eine solche Ergänzung der maßgeblichen Erwägungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht ausgeschlossen, da es um die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Notwendigkeit geht.
25 
Das Verwaltungsgericht hat als Grundlage für seine Annahme, dass der Kläger als Konsument von Kinderpornographie auch zu realen sexuellen Übergriffen auf Kinder neigen könnte, weder empirische Untersuchungen noch sonstige Erkenntnisse benannt. Die Ausführungen des Beklagten zur diesbezüglichen kriminalistischen Einschätzung erschöpfen sich in allgemein gehaltenen Aussagen zur Wiederholungsgefahr bei Sexualdelikten. Auch für den Senat ist nicht ersichtlich, dass es mittlerweile verlässliche Erkenntnisse gibt, die valide Aussagen dazu zuließen, mit welcher generellen Wahrscheinlichkeit ein Betrachter von (hartem) kinderpornographischem Material zur Nachahmung der dargestellten sexuellen Übergriffe neigt (vgl. König, Kinderpornografie im Internet, 2004, Rn. 104 m.w.N.; siehe etwa auch SZ vom 28.12.2007 S. 10, Interview mit PD Dr. W. Platz, Charité Berlin, über das Internet als Einstiegsdroge für Pädophile). So sind auch die Aussagen der Bundesministerin der Justiz zu den Gefahren virtueller Kinderpornographie in ihrer Rede zur Eröffnung des Europäischen Forums für die Rechte des Kindes am 04.06.2007 (abrufbar unter www.bmj.bund.de), wonach Experten davon ausgingen, „dass mindestens 10% der Täter in der virtuellen Welt sexuellen Missbrauch auch in der realen Welt begehen“, ausweislich des Schreibens des Bundesministeriums der Justiz vom 08.10.2007 nicht durch neuere, gerade hierauf bezogene belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt. Dessen ungeachtet darf bei der polizeirechtlichen Negativprognose ein entsprechender Kausalzusammenhang zugrunde gelegt werden. Das folgt aus den gesetzgeberischen Erwägungen zum Schutzgut des § 184b StGB.
26 
Der mit dieser Strafrechtsnorm bezweckte Schutz der Kinder soll auf verschiedene Weise erreicht werden. Zum einen sollen durch Austrocknen des Marktes für kinderpornographisches Material, der immer neue und „härtere“ Bilder fordert, potenzielle kindliche „Darsteller“ vor Missbrauch geschützt werden (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 5; BGH, Urteil vom 27.06.2001 - 1 StR 66/01 -, BGHSt 47, 55 <61>; König, a.a.O., Rn. 109; Hörnle in: MK-StGB, § 184b Rn. 2, m.w.N.). Neben dieser Bekämpfung des mittelbaren Missbrauchs durch Konsum steht aber auch der Schutz vor unmittelbarem Missbrauch durch den Konsumenten. Denn nach Auffassung des Gesetzgebers ist nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Betrachter kinderpornographischer Darstellungen zum Kindesmissbrauch angeregt wird (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 6; so auch Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <359>; vgl. auch Kuhnen, a.a.O., S. 166 ff. zu den Annahmen der Wirkungsforschung). Die wahrscheinlich gegebene kriminogene Wirkung folgt etwa aus einem Absinken des Mitleids mit den missbrauchten Kindern und dem Abbau emotionaler Hemmschwellen (vgl. König, a.a.O., Rn. 106 f.); nicht zuletzt können pornographische Darstellungen dazu dienen, Kinder auf einen sexuellen Missbrauch einzustimmen und sie gefügig zu machen, indem sie diesen suggerieren sollen, der sexuelle Kontakt mit Erwachsenen sei „natürlich“ und „harmlos“ (siehe hierzu auch im Vorfeld pornographischer Darstellungen Begründung zu § 15 Abs. 2 JuSchG, BT-Drs. 14/9013, S. 23 f.; Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <362 f.>). Wegen der verbleibenden Unsicherheiten normiert § 184b StGB insoweit ein Risikodelikt, weil das Gesetz von einer Hypothese ausgeht (vgl. König, a.a.O., Rn. 117; Lenckner/Perron/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 184 Rn. 3, § 176 Rn. 1; siehe auch Hefendehl, NuR, 2001, 498 <503> m.N.). Das begegnet von Verfassung wegen keinen Bedenken (vgl. König, a.a.O., Rn. 118 ff.; krit. Ritlewski, K&R 2008, 94 <97>). Denn dem Gesetzgeber steht auch im Strafrecht bei der Einschätzung der Eignung und Erforderlichkeit der Normen zur Erreichung des erstrebten Ziels sowie der Gefahrenprognose ein Beurteilungsspielraum zu, der sich insbesondere nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, bestimmt (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 28.02.2008 - 2 BvR 392/07 -, NJW 2008, 1137 <1138> Rn. 36). Entschließt sich der Gesetzgeber angesichts der Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und der besonderen Schwierigkeit, in diesem Bereich das Dunkelfeld auszuleuchten, in zulässiger Weise zur strafrechtlichen Sanktionierung eines mit weiteren Risiken verbundenen Verhaltens, kann dies für die von § 81b Alt. 2 StPO bezweckte Strafverfolgungsvorsorge nicht ohne Folgen bleiben. Die gesetzgeberische Risikoeinschätzung muss dann auch in die hier anzustellende Negativprognose einfließen. Sie ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie auch hier – viel für eine pädosexuelle Disposition des Betroffenen spricht. Das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützte Interesse des Klägers, selbst über Preisgabe und Verwendung persönlichkeitsbezogener Daten zu bestimmen, muss dann zurücktreten.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
28 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
29 
Beschluss vom 29. Mai 2008
30 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
13 
Der Schriftsatz des Beklagten vom 30.05.2008 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
14 
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15 
1. Rechtsgrundlage der angefochtenen Maßnahme ist § 81b Alt. 2 StPO. Nach dieser Bestimmung können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
16 
Die Kriminalpolizei hat die Maßnahme nicht für die Zwecke des konkret gegen den Kläger betriebenen Strafverfahrens, sondern vielmehr im Interesse der Strafverfolgungsvorsorge „für die Zwecke des Erkennungsdienstes“ angeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>; dazu Schenke, JZ 2006, 707 f. m.N.). Da gegen den Kläger sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids als auch im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB anhängig war, war er Beschuldigter eines Strafverfahrens und daher grundsätzlich zulässiger Adressat der Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO (vgl. Urteil des erk. Senats vom 07.03.2007 - 1 S 1170/05 -).
17 
Als gesetzliche Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (stRspr. des BVerwG, vgl. Urteile vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <199> und - 1 C 114.79 -, BVerwGE 66, 202 <205>; vom 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 <1226>).
18 
Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. Urteil des erk. Senats vom 18.12.2003 - 1 S 2211/02 -, ESVGH 54, 137 <139> m.w.N.).
19 
Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich dabei immer danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann.
20 
2. Nach diesen Maßstäben begegnet die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung keinen rechtlichen Bedenken.
21 
a) In den angefochtenen Bescheiden gehen die Polizeibehörden allein von der Gefahr eines weiteren Verstoßes gegen § 184b StGB aus. Die Einwände, die der Kläger gegen diese Annahme vorbringt, verfangen nicht. Denn es ist in keiner Weise plausibel, dass der Kläger beim Surfen im Internet - etwa auf der Suche nach anders gearteten und strafrechtlich irrelevanten pornographischen Angeboten - eher unabsichtlich und aus „bloßer Neugier“ auf das kinderpornographische Material gestoßen ist. Denn zum einen bedarf es nach den nachvollziehbaren Schilderungen in den polizeilichen Ermittlungsakten eines gezielten Vorgehens, um zu diesen teilweise konspirativ aufgebauten Websites, Chatrooms und Boards zu gelangen; auch ist dem Kläger nicht lediglich der Besuch auf nur einer einschlägigen Seite nachgewiesen worden. Zum anderen - und das erweist sich als ausschlaggebend - ist eine Speicherung entsprechenden Materials nur dann erklärlich, wenn daran ein gesteigertes Interesse besteht und es zur dauernden Verfügung, nämlich zum Zwecke sexueller Stimulation und Befriedigung, vorgehalten werden soll. Angesichts dieses Verhaltens kommt der Einlassung des Klägers vor dem Verwaltungsgericht, er sei „in keiner Weise pädophil“, keine Bedeutung zu. Dem Kläger mag zwar - nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass er eine Ehe führt - ohne Weiteres zuzugeben sein, dass er nicht zum Typus des „fixierten Pädosexuellen“ zählt. Die Erscheinungsformen (pädo-)sexueller Orientierung sind indessen vielfältig; die sexuelle Neigung zu Kindern kann eine von mehreren Facetten der Gesamtsexualität sein (vgl. etwa Urbaniok/Benz, Kriminalistik 2005, 182 <183 f.>; siehe auch Kuhnen, Kinderpornographie und Internet, 2007, S. 196 ff.). Eine pädosexuelle Ansprechbarkeit des Klägers ist durch die Anlasstat aber jedenfalls belegt. Diese begründet gerade in der Zusammenschau mit dem vom Kläger bei der Suche nach solchem Material verwendeten Eifer die vertretbare Prognose, dass der Kläger sich wiederum nach § 184b StGB strafbar machen könnte.
22 
Die vom Amtsgericht ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung mit der darin vorausgesetzten günstigen Sozialprognose steht dem nicht entgegen, da die anzulegenden Maßstäbe jeweils unterschiedlich sind (vgl. BVerwG, vgl. Urteil vom 19.10.1982 - 1 C 29.79 -, BVerwGE 66, 192 <200 f.> zu § 81b StPO; BVerfG, Kammerbeschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99 u.a. -, BVerfGE 103, 21 <36> und OLG Celle, Beschluss vom 19.07.2006 - 1 Ws 337/06 -, NJW 2006, 3155 <3156>, jeweils zu § 81g StPO, m.w.N.). Auch der Umstand, dass über den Kläger seit mittlerweile fast drei Jahren nichts Negatives bekannt geworden ist, ist insoweit unbeachtlich. Abgesehen davon, dass der Kläger keiner permanenten Überwachung unterliegt, wäre diese Zeit eines angepassten Wohlverhaltens noch nicht ausreichend.
23 
Auf der Grundlage der hiernach beanstandungfreien Wiederholungsprognose in Bezug auf weitere Verstöße gegen § 184b StGB ist auch davon auszugehen, dass die anzufertigenden erkennungsdienstlichen Unterlagen für entsprechende strafrechtliche Ermittlungen geeignet sind. Dies gilt auch dann, wenn – als wahrscheinlichste Möglichkeit - unterstellt wird, dass der Kläger sich wiederum des Internets bedienen wird. Zwar ist der angemeldete Nutzer eines Internet-Anschlusses über den Provider zu ermitteln; doch kann sich auch die Frage stellen, wer den betreffenden Computer tatsächlich genutzt hat. Hier können Fingerabdrücke von Nutzen sein. Auch eine Beschaffung einschlägiger Dateien nicht unmittelbar über das Internet, sondern über sonstige Modalitäten eines Datenaustausches - zum Beispiel über USB-Stick, CD-Rom und DVD - ist in Betracht zu ziehen. Schließlich bleiben - sicherlich nicht vorrangig, da sich § 184b StGB als „geradezu typisches Internetdelikt“ (vgl. Heinrich, NStZ 2005, 361) darstellt, aber als weiterhin bestehende Alternative - auch Printmedien.
24 
b) Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung folgt darüber hinaus auch aus der Möglichkeit, dass gegen den Kläger wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176 f. StGB ermittelt wird. Hiervon geht das Verwaltungsgericht entscheidungstragend aus. Dem schließt sich der Beklagte im Berufungsverfahren an. Eine solche Ergänzung der maßgeblichen Erwägungen im gerichtlichen Verfahren ist nicht ausgeschlossen, da es um die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffes der Notwendigkeit geht.
25 
Das Verwaltungsgericht hat als Grundlage für seine Annahme, dass der Kläger als Konsument von Kinderpornographie auch zu realen sexuellen Übergriffen auf Kinder neigen könnte, weder empirische Untersuchungen noch sonstige Erkenntnisse benannt. Die Ausführungen des Beklagten zur diesbezüglichen kriminalistischen Einschätzung erschöpfen sich in allgemein gehaltenen Aussagen zur Wiederholungsgefahr bei Sexualdelikten. Auch für den Senat ist nicht ersichtlich, dass es mittlerweile verlässliche Erkenntnisse gibt, die valide Aussagen dazu zuließen, mit welcher generellen Wahrscheinlichkeit ein Betrachter von (hartem) kinderpornographischem Material zur Nachahmung der dargestellten sexuellen Übergriffe neigt (vgl. König, Kinderpornografie im Internet, 2004, Rn. 104 m.w.N.; siehe etwa auch SZ vom 28.12.2007 S. 10, Interview mit PD Dr. W. Platz, Charité Berlin, über das Internet als Einstiegsdroge für Pädophile). So sind auch die Aussagen der Bundesministerin der Justiz zu den Gefahren virtueller Kinderpornographie in ihrer Rede zur Eröffnung des Europäischen Forums für die Rechte des Kindes am 04.06.2007 (abrufbar unter www.bmj.bund.de), wonach Experten davon ausgingen, „dass mindestens 10% der Täter in der virtuellen Welt sexuellen Missbrauch auch in der realen Welt begehen“, ausweislich des Schreibens des Bundesministeriums der Justiz vom 08.10.2007 nicht durch neuere, gerade hierauf bezogene belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt. Dessen ungeachtet darf bei der polizeirechtlichen Negativprognose ein entsprechender Kausalzusammenhang zugrunde gelegt werden. Das folgt aus den gesetzgeberischen Erwägungen zum Schutzgut des § 184b StGB.
26 
Der mit dieser Strafrechtsnorm bezweckte Schutz der Kinder soll auf verschiedene Weise erreicht werden. Zum einen sollen durch Austrocknen des Marktes für kinderpornographisches Material, der immer neue und „härtere“ Bilder fordert, potenzielle kindliche „Darsteller“ vor Missbrauch geschützt werden (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 5; BGH, Urteil vom 27.06.2001 - 1 StR 66/01 -, BGHSt 47, 55 <61>; König, a.a.O., Rn. 109; Hörnle in: MK-StGB, § 184b Rn. 2, m.w.N.). Neben dieser Bekämpfung des mittelbaren Missbrauchs durch Konsum steht aber auch der Schutz vor unmittelbarem Missbrauch durch den Konsumenten. Denn nach Auffassung des Gesetzgebers ist nach derzeitigem Erkenntnisstand jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Betrachter kinderpornographischer Darstellungen zum Kindesmissbrauch angeregt wird (vgl. BT-Drs. 12/3001, S. 6; so auch Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <359>; vgl. auch Kuhnen, a.a.O., S. 166 ff. zu den Annahmen der Wirkungsforschung). Die wahrscheinlich gegebene kriminogene Wirkung folgt etwa aus einem Absinken des Mitleids mit den missbrauchten Kindern und dem Abbau emotionaler Hemmschwellen (vgl. König, a.a.O., Rn. 106 f.); nicht zuletzt können pornographische Darstellungen dazu dienen, Kinder auf einen sexuellen Missbrauch einzustimmen und sie gefügig zu machen, indem sie diesen suggerieren sollen, der sexuelle Kontakt mit Erwachsenen sei „natürlich“ und „harmlos“ (siehe hierzu auch im Vorfeld pornographischer Darstellungen Begründung zu § 15 Abs. 2 JuSchG, BT-Drs. 14/9013, S. 23 f.; Hopf/Braml, ZUM 2007, 354 <362 f.>). Wegen der verbleibenden Unsicherheiten normiert § 184b StGB insoweit ein Risikodelikt, weil das Gesetz von einer Hypothese ausgeht (vgl. König, a.a.O., Rn. 117; Lenckner/Perron/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 184 Rn. 3, § 176 Rn. 1; siehe auch Hefendehl, NuR, 2001, 498 <503> m.N.). Das begegnet von Verfassung wegen keinen Bedenken (vgl. König, a.a.O., Rn. 118 ff.; krit. Ritlewski, K&R 2008, 94 <97>). Denn dem Gesetzgeber steht auch im Strafrecht bei der Einschätzung der Eignung und Erforderlichkeit der Normen zur Erreichung des erstrebten Ziels sowie der Gefahrenprognose ein Beurteilungsspielraum zu, der sich insbesondere nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter und den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, bestimmt (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 28.02.2008 - 2 BvR 392/07 -, NJW 2008, 1137 <1138> Rn. 36). Entschließt sich der Gesetzgeber angesichts der Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts und der besonderen Schwierigkeit, in diesem Bereich das Dunkelfeld auszuleuchten, in zulässiger Weise zur strafrechtlichen Sanktionierung eines mit weiteren Risiken verbundenen Verhaltens, kann dies für die von § 81b Alt. 2 StPO bezweckte Strafverfolgungsvorsorge nicht ohne Folgen bleiben. Die gesetzgeberische Risikoeinschätzung muss dann auch in die hier anzustellende Negativprognose einfließen. Sie ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie auch hier – viel für eine pädosexuelle Disposition des Betroffenen spricht. Das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützte Interesse des Klägers, selbst über Preisgabe und Verwendung persönlichkeitsbezogener Daten zu bestimmen, muss dann zurücktreten.
27 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
28 
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
29 
Beschluss vom 29. Mai 2008
30 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 2 GKG).
31 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern

1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt,
2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und
4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.

(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.

(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn

1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde,
2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder
3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.

(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Tenor

I.

Es wird festgestellt, dass die mit dem Einstellungsbescheid vom 3. September 2014 (Gz: ...) verbundene Auflage „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ rechtswidrig war.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Tatbestand:

Die am ... 1990 in ... geborene, die pakistanische und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzende Klägerin ist muslimischen Glaubens. Sie leistet nach Ablegung des Ersten Juristischen Staatsexamens seit dem 1. Oktober 2014 in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis im Oberlandesgerichtsbezirk ... ihren juristischen Vorbereitungsdienst ab und begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer dienstlichen Auflage („Kopftuchverbot“).

Mit Antrag von 16. Juli 2014 bewarb sie sich beim Präsidenten des Oberlandesgerichts ... um die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst zum 1. Oktober 2014. Mit E-Mail vom 21. Juli 2014 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Aufnahme muslimischer Bewerberinnen in den Vorbereitungsdienst mit der Auflage verbunden werde, bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung, wie der Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes oder der Vernehmung von Zeugen in Zivilverfahren, keine Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale zu tragen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen.

Auf Nachfrage der Klägerin nach der dies rechtfertigenden Rechtsgrundlage wurde ihr am 22. Juli 2014 ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 4. Januar 2008 übermittelt, das anlässlich der Bewerbung einer Muslimin mit Kopftuch für den juristischen Vorbereitungsdienst Vorgaben zur Vorgehensweise enthält. Danach solle bei einer derartigen Bewerbung dem Aufnahmeantrag zwar - bei Vorliegen der sonstigen Aufnahmevoraussetzungen - entsprochen, der Bescheid über die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst aber mit der - ausdrücklich so zu bezeichnenden - vorgenannten Auflage verbunden werden. Am 5. August 2014 wurde die vorgesehene Beifügung der Auflage am Oberlandesgericht ... mit der Klägerin mündlich besprochen. Dabei erklärte sie u. a., dass die Auflage aus religiösen Gründen für sie unzumutbar sei. Sie halte das Tragen eines Kopftuchs („Hidschab“) für eine zwingende religiöse Pflicht. Sie sei aber bereit, ein unauffälliges Kopftuch zu tragen.

Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. September 2014 wurde sie zum Vorbereitungsdienst mit Beginn zum 1. Oktober 2014 mit der Auflage zugelassen, dass bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in der Zivilstation), keine Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung einzuschränken (im Folgenden: Auflage). Der der Klägerin am 5. September 2014 zugegangene Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Nach Antritt des Vorbereitungsdienstes beim Amtsgericht ... nahm die Klägerin u. a. am 7., 14., 21. und 28. November 2014 jeweils gemeinsam mit einer Mitreferendarin an mündlichen Verhandlungen ihrer Ausbilderin in der Zivilstation teil. Aufgrund der streitgegenständlichen Auflage ging die Ausbilderin davon aus, dass es der Klägerin untersagt sei, Verhandlungen zu leiten oder am Richtertisch Platz zu nehmen. Während der Mitreferendarin am 21. November 2014 am Richtertisch u. a. die Einführung in den Sach- und Streitstand übertragen wurde, wohnte die Klägerin der Verhandlung im Zuschauerbereich bei. Hierauf wurde sie an einem der Verhandlungstage auch von einem Rechtsanwalt als Vertreter einer Prozesspartei angesprochen.

Am 14. November 2014 remonstrierte die Klägerin gegenüber ihrer vorgesetzten Ausbildungsrichterin in der Zivilstation gemäß Art. 7 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i. v. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Sicherung des juristischen Vorbereitungsdienstes (SiGjurVD) gegen die Auflage und deren Vollzug.

Am 20. Januar 2015 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Auflage mit der Begründung, sie wisse nicht, wie weit die Auflage reiche und ob jegliche praktische Tätigkeit ausgeschlossen sei.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgericht ... vom 3. März 2015, zugestellt am 7. März 2015, zurückgewiesen.

Vom 1. März bis 31. Mai 2015 leistete die Klägerin ihre Strafrechtsstation beim Strafrichter ab. Die Ausbildung beschränkte sich aufgrund der Auflage auf das Aktenstudium sowie die Anfertigung schriftlicher Arbeiten. Gerichtsverhandlungen wurden nur aus dem Zuschauerraum heraus verfolgt. Eine Übertragung praktischer Tätigkeiten erfolgte nicht.

Mit beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 3. April 2015 eingegangenem Schreiben vom 2. April 2015 erhob die Klägerin hiergegen Klage mit dem Antrag, die mit dem Einstellungsbescheid vom 3. September 2014 verbundene Auflage sowie den Widerspruchsbescheid vom 3. März 2015 aufzuheben.

Die Klage wurde im Wesentlichen damit begründet, dass keine Rechtsgrundlage für die Auflage bestehe und sie daher gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts verstoße. Da ein besonders intensiver Eingriff in die Freiheitsrechte vorliege, sei ein hinreichend bestimmtes formell-rechtliches Gesetz, das tatbestandlich zudem an eine bestimmte Gefahr für kollidierendes objektives Verfassungsrecht anknüpfe, zu fordern. Ein solches sei aber nicht vorhanden. Insbesondere könne nicht die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Da die JAPO nur eine exekutive Rechtsverordnung sei, fehle es bereits an der formell-gesetzlichen Qualität. Zudem enthalte die Rechtsverordnung schon dem Wortlaut nach keine Rechtsgrundlage für eine derartige Auflage. Insbesondere gehe aus dem Widerspruchsbescheid nicht hervor, an welchen konkreten Versagungstatbestand die Verbotsverfügung anknüpfe. Mangels Entscheidungsermessens finde sich auch im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) keine Rechtsgrundlage.

Die Auflage sei mit dem in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen niedergelegten Ziel des Vorbereitungsdienstes unvereinbar und beeinträchtige daher die Ausbildungsfreiheit. Ausbildungsziel sei die eigenverantwortliche Übernahme praktischer Tätigkeiten und die Erlangung richterlicher Kompetenzen. Daraus ergebe sich ein Recht der Rechtsreferendare zur Wahrnehmung von richterlichen Tätigkeiten wie etwa die Beweiserhebung oder die Leitung einer mündlichen Verhandlung. Die Auflage verhindere aber die Erreichung dieses Ausbildungsziels. Da es dem jeweiligen Ausbildungsrichter obliege, einzelne richterliche Aufgaben zu übertragen, könne diese Kompetenz nicht im Vorfeld durch eine restriktive Auflage ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sei die Verwaltungspraxis gleichheitswidrig, da nur muslimische Referendarinnen mit einer derartigen Auflage beschwert würden. Ein zulässiges Differenzierungskriterium sei nicht ersichtlich. Es bestünden im Vergleich zu den übrigen Referendaren anderer Glaubensrichtungen keine Unterschiede von solcher Art, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würden.

Schließlich genüge die Auflage auch nicht dem Bestimmtheitsgebot. Beispielweise sei unklar, ob die Auflage auch Tätigkeiten - wie etwa die bloße Präsenz am Richtertisch - erfasse. Diese Unsicherheit zeige sich daran, dass die zuständige Ausbildungsrichterin in der Zivilstation zunächst Rücksprache mit dem Oberlandesgericht ... habe nehmen müssen, ob eine derartige Tätigkeit mit der Auflage vereinbar sei. Diese Unsicherheit sei aber im Hinblick auf die gravierende Rechtsfolge dieses Verstoßes (Beendigung des Ausbildungsverhältnisses) nicht hinnehmbar.

Mit Bescheid vom 15. Juni 2015 hob der Präsident des Oberlandesgerichts ... die streitgegenständliche Auflage vom 3. September 2014 auf, da mit Ablauf des 31. Mai 2015 die Strafrechtsstation beendet worden und die besagte Auflage daher nicht mehr erforderlich sei.

Mit Schreiben der Klägerin vom 9. Juli 2015 wurde daraufhin der ursprüngliche Klageantrag angepasst. Sie stellt nunmehr den Antrag,

festzustellen, dass die mit dem Einstellungsbescheid vom 3. September 2014 (Gz: ...) verbundene Auflage „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ rechtswidrig gewesen ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt hat.

Begründet wurde die Umstellung des Klageantrags im Wesentlichen damit, dass sich das ursprüngliche Klagebegehren durch die Aufhebung der Auflage erledigt habe. Es bestehe ein besonderes Interesse an der Feststellung, dass die Auflage rechtswidrig gewesen sei. Das Kopftuchverbot stelle eine besonders schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigung dar, da nicht lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit der Klägerin tangiert sei, sondern sie gerade auch in der Religions- und Ausbildungsfreiheit betroffen werde. Aufgrund der stigmatisierenden Wirkung sowie der besonderen Abhängigkeitssituation durch das Angewiesensein der Klägerin auf das monopolisierte Ausbildungsverhältnis handele es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff.

Auch sei von einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen, da der Beklagte die Auflage lediglich im Hinblick auf die Beendigung der Strafrechtsstation aufgehoben habe. Ein erneuter Erlass mit identischem Inhalt würde bevorstehen, sobald sich die Klägerin wieder bewerbe, etwa für die Wahlstation im Rahmen des Vorbereitungsdienstes oder nach Abschluss der Ausbildung für eine berufliche Laufbahn in der bayerischen Justiz.

Schließlich bestehe ein Rehabilitationsinteresse, da die Auflage eindeutig diskriminierenden Charakter aufgewiesen habe. Sie habe die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, ihrer Religionsfreiheit, sowie in ihrer Ausbildungsfreiheit verletzt. Diese Verletzungen wirkten auch diskriminierend, da die Geschehnisse der Öffentlichkeit und insbesondere den anderen Mitreferendaren sowie den Beteiligten in Gerichtsverhandlungen nicht verschlossen geblieben seien. Zudem offenbare sich die diskriminierende Wirkung der Auflage bereits durch die in der E-Mail vom 21. Juli 2014 zum Ausdruck gebrachte Motivation für den Erlass der Auflage, die unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Religionszugehörigkeit erfolgt sei.

Mit Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 27. August 2015 wandte sich der Beklagte gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unzulässig, da es am Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehle. Ein tiefgreifender Grundrechtseingriff liege nicht vor, da der Klägerin nicht generell versagt worden sei, konnotierte Kleidung während des Vorbereitungsdienstes zu tragen. Ob ein Ausbildungsrichter einem Rechtsreferendar eine Sitzungsleitung übertrage, liege ohnehin allein in dessen Ermessen. Die nicht durchgeführte Sitzungsleitung sei auch nicht negativ im Ausbildungszeugnis berücksichtigt worden. Beim Strafgericht komme eine Verhandlungsleitung generell nicht in Betracht. Zudem reiche allein ein tiefgreifender Grundrechtseingriff nicht für die Bejahung des besonderen Feststellungsinteresses aus. vielmehr sei ein Eingriffsakt nötig, der wegen seiner typischerweise kurzfristigen Erledigung sonst regelmäßig keiner gerichtlichen Prüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könne. Dies sei hier - im Falle einer Nebenbestimmung zu einem Dauerverwaltungsakt - nicht der Fall.

Auch bestehe kein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr. Die bloß vage Möglichkeit einer Wiederholung reiche nicht. Es sei nicht beabsichtigt, gegenüber der Klägerin für die restliche Zeit der Ausbildung erneut eine derartige Auflage zu erlassen. Dies gelte auch für den Fall, dass die Klägerin ihr Pflichtwahlpraktikum im Berufsfeld „Justiz“ absolviere.

Schließlich bestehe kein Rehabilitationsinteresse, da die Klägerin nicht diskriminiert worden sei. Ob einem Rechtsreferendar die Leitung der Sitzung übertragen werde oder ob dieser auf der Richterbank oder im Zuschauerraum teilnehme, stehe allein im Ermessen des Ausbildungsrichters. Weiterhin stelle die Auflage nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft ab, sondern trage dem Gebot der Neutralität des Staates bei der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse Rechnung. Auch an der für eine Diskriminierung erforderlichen Außenwirkung fehle es. Seitens des Beklagten sei die Erteilung der Auflage weder an andere Rechtsreferendare, noch an andere Sitzungsbeteiligte zur Kenntnis gebracht worden. Aus dem Umstand, dass die Klägerin bei den von ihr besuchten Gerichtsverhandlungen nicht auf der Richterbank gesessen sei, könne kein Rückschluss auf die Existenz und den Inhalt der Auflage gezogen werden.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und führte ergänzend aus, es liege ein besonderes Feststellungsinteresse in Form eines Präjudizinteresses vor. Die Klägerin bereite neben dem hiesigen Verfahren einen Amtshaftungsprozess infolge der diskriminierenden Auflagenerteilung durch den Beklagten vor. Damit sei ein entsprechender Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten. Auch erscheine dieser nicht offenbar aussichtslos. Hiervon sei nur auszugehen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar sei, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen könne. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten gerichtet auf Entschädigung in Form von Schmerzensgeld wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin sei aber nicht von vornherein ausgeschlossen.

Der Beklagte äußerte sich mit Schreiben vom 4. März 2016 hierzu und legte insbesondere dar, dass kein präjudizielles Feststellungsinteresse vorliege, weil der angestrebte Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess offensichtlich aussichtlos sei. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld scheide aus, da weder Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung der Klägerin verletzt seien und Schmerzensgeld bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht gewährt werde. Ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stehe der Klägerin offenkundig nicht zu, da eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vorliege. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit führe nicht automatisch zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung. Auch liege keine diskriminierende Wirkung der Auflage vor, so dass dieser Umstand nicht zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen könne. Auf die Anordnungen der Ausbildungsrichterin könne nicht abgestellt werden, da diese keine Verwaltungsakte seien und auch keine Vollziehung der streitgegenständlichen Auflage darstellen würden. Unabhängig davon scheide ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung aber jedenfalls deswegen aus, da es sich nicht um einen besonders schwerwiegenden Eingriff handele und die Beeinträchtigung auch in anderer Weise - nämlich durch Anstrengung eines Verfahrens zur Gewährung einstweiligen Rechtschutzes - befriedigend ausgeglichen hätte werden können.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2016 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass diese einen Anspruch auf Ersatz des durch die streitgegenständliche Auflage entstandenen immateriellen Schadens wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts klageweise vor dem Landgericht ... in Form eines Amtshaftungsprozesses geltend gemacht habe.

Am 30. Juni 2016 fand mündliche Verhandlung statt. Die Sache wurde mit den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellte klar, dass vom Klageantrag das zunächst geltend gemacht Begehren festzustellen, dass die Auflage die Klägerin in ihren eigenen Rechten verletzt hat, nicht umfasst sein soll.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2016 Bezug genommen.

Gründe

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet, da die dem Zulassungsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. September 2014 beigefügte (mit Bescheid vom 15. Juni 2015 aufgehobene) Auflage, „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ (in der Gestalt des - ausgehend vom Klageantrag nicht Gegenstand des Fortsetzungsfeststellungsbegehrens darstellenden - Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. März 2015) rechtswidrig war (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).

A) Die Klage erweist sich als zulässig.

I)

Die zunächst statthafte isolierte Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Auflage wurde nach deren Aufhebung durch Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 15. Juni 2015 und die dadurch eingetretene Erledigung (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) gemäß § 173 VwGO i. v. m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässigerweise in eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog umgestellt (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 22.1.1998 - 2 C 4.97 - BayVBl 1998, 668). Zur Sicherstellung einer umfassenden Rechtsweggarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG ist bei Erledigung einer Nebenbestimmung die Feststellung der Rechtswidrigkeit der jeweiligen Nebenbestimmung im Rahmen einer analogen Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2008 - 1 C 17.07 - NVwZ 2008, 796; VG Berlin, U. v. 11.3.2016 - 1 K 59.14 - juris Rn. 16 ff.; VG Hamburg, U. v. 4.5.2015 - 15 K 5256/13 - juris Rn. 27 ff.; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2016, § 113 Rn. 79; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 36 Rn. 55a).

II)

Die Klägerin hat das Vorliegen des notwendigen Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ausreichend dargetan. Aus dessen Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur dann zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat. Es muss - unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der betroffenen Rechtspositionen - über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung hinausgehen und kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein (vgl. hierzu z. B. BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 20.12 - ZfWG 2013, 454). Maßgeblich ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet erscheint, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 130 m. w. N.).

Das erforderliche Feststellungsinteresse kann sich aus einem Rehabilitationsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Zusätzlich kommt das Bestehen eines berechtigten Feststellungsinteresses auch in den Fällen in Betracht, in denen die erledigte behördliche Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht. Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen (BVerwG, B. v. 5.2.2015 - 1 WB 24.14 - juris Rn. 20; U. v. 26.2.2014 - 6 C 1.13 - NVwZ 2014, 883; U. v. 16.5.2013 - 8 C 15.12 - ZfWG 2013, 380; B. v. 30.4.1999 - 1 B 36.99 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6).

1) Die Klägerin kann hier kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr geltend machen. Hierfür ist Voraussetzung, dass die geltend gemachte Wiederholungsgefahr hinreichend konkret ist (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - NJW 2004, 2512; BVerwG, B. v. 26.4.1993 - 4 B 31.93 - NVwZ 1994, 282; U. v. 21.11.1980 - 7 C 18.79 - DVBl 1981, 682). Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr ist im vorliegenden Fall aber weder substantiiert vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Nach ihren eigenen Angaben wird die Klägerin ab dem 1. Juli 2016 das Pflichtwahlpraktikum im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes für drei Monate beim Auswärtigen Amt in Berlin und anschließend bis zum Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst Anfang Dezember 2016 bei der Rechtsanwaltskanzlei ... in ... ableisten. Bei dieser Sachlage erscheint das Eintreten einer mit der Konstellation in der Zivil- oder Strafrechtsstation vergleichbaren Situation ausgeschlossen, da bei den vorgenannten Ausbildungsstellen keine Möglichkeit besteht, hoheitliche Tätigkeiten mit vergleichbarer Außenwirkung zu Ausbildungszwecken übertragen zu erhalten. Für den Fall, dass die Klägerin entgegen ihrer derzeitigen Planungen doch noch beabsichtigen sollte, das Pflichtwahlpraktikum bei der bayerischen Justiz abzuleisten, fehlt es hierfür an konkreten Anhaltspunkten, die das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr rechtfertigen könnten, zumal der Beklagte erklärt hat, dabei auf den erneuten Erlass der streitgegenständlichen Auflage zu verzichten.

Falls die Klägerin nach Abschluss ihrer Ausbildung möglicherweise eine Laufbahn in der bayerischen Justiz anstreben sollte, vermag auch dies nicht zur Bejahung einer Wiederholungsgefahr führen, da in diesem Fall eine rechtlich andere Situation eintreten würde, die mit der derzeitigen Ausbildungssituation nicht vergleichbar ist.

2) Das besondere Feststellungsinteresse kann auch nicht wegen eines durch die Umsetzung der Auflage eingetretenen schweren Grundrechtseingriffs bejaht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann allein ein tiefgreifendender Grundrechtseingriff das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründen. Eine Ausnahme gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könnten (BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 22.12 - BVerwGE 146, 303). Letzteres ist bei der streitgegenständlichen Auflage - als Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - nicht der Fall. Da der behauptete Grundrechtseingriff - nach der am 15. Juni 2015 erfolgten Aufhebung der Auflage - nicht fortdauert, fehlt es schon an der notwendigen Schwere des Grundrechtseingriffs. Zwar werden durch die Auflage insbesondere die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art 107 Abs. 1, 2 und 4 BV gewährleisteten Grundrechte inhaltlich tangiert. Der Klägerin war es jedoch nur im Hinblick auf einzelne bzw. marginale Ausschnitte des Referendariats verwehrt, konnotierte Kleidung zu tragen. Im Rahmen der Strafrechtstation war sie im Übrigen nicht der Staatsanwaltschaft, sondern einer Strafrichterin zugewiesen. Hier sind nach § 10 Satz 1 GVG keine Tätigkeiten mit Außenauftritt vorgesehen und auch nicht erfolgt. Für einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff ist aber eine Eingriffsintensität notwendig, die einem Berufsverbot gleichkommt (Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 146). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da es der Klägerin im Rahmen ihrer Ausbildung außerhalb der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten gestattet war, ein Kopftuch zu tragen und zudem weder vorgetragen noch sonst erkennbar ist, dass sie durch die Umsetzung der Auflage sonstige Nachteile nennenswerter Art erlitten hat.

3) Mangels Entscheidungsrelevanz kann dahinstehen, ob die Klägerin ein besonders Feststellungsinteresse in der Form des Rehabilitationsinteresses besitzt. Dieses liegt vor, wenn die begehrte Feststellung, dass der Verwaltungsakt bzw. die Nebenbestimmung rechtswidrig war, als „Genugtuung“ erforderlich ist, weil die behördliche Maßnahme diskriminierenden Charakter hatte und diese geeignet war, eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen herbeizuführen (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - NJW 2004, 2512; BVerwG, U. v. 21.3.2013 - 3 C 6.12 - NVwZ 2013, 1550). Im vorliegenden Fall könnte die diskriminierende Wirkung der streitgegenständlichen Auflage daraus folgen, dass es der Klägerin, die u. a. am 7., 14., 21. und 28. November 2014 jeweils gemeinsam mit einer Mitreferendarin den Verhandlungen ihrer Ausbildungsrichterin in der Zivilstation beiwohnte, aufgrund der streitgegenständlichen Auflage untersagt war, die Verhandlungen (zeitweise) zu leiten oder am Richtertisch Platz zu nehmen. Da sie von einem an den Gerichtsterminen teilnehmenden Rechtsanwalt darauf angesprochen wurde, wieso nicht auch sie auf der Richterbank sitze, ist eine Situation entstanden, bei der eine gewisse Stigmatisierung der Klägerin zumindest nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint.

Die Argumentation der Beklagtenseite, dass seitens der Behörde keine Bekanntgabe der Auflage nach außen erfolgt sei und deshalb keine Außenwirkung vorliege und auch nicht in abstrakter Weise auf die Existenz einer solchen Auflage geschlossen werden könne, kann nicht durchgreifen. Für den Ausschluss des Rehabilitationsinteresses ist maßgeblich, dass der Auflage - aufgrund welcher konkreten Umstände auch immer - überhaupt keine Außenwirkung zukommt (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 20.12 - ZfWG 2013, 454; BayVGH, B. v. 25.4.2014 - 12 ZB 13.1197 - Rn. 10; VG Magdeburg, U. v. 24.10.2013 - 4 A 155/13 - juris Rn. 27). Dies ist hier aber nicht der Fall. Indem jedenfalls die Mitreferendarin und die Ausbildungsrichterin von der Auflage Kenntnis hatten, erlangte die Maßnahme - wenn auch nur in beschränktem Umfang - Außenwirkung.

Falls vom Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses ausgegangen würde, wäre dieses bei wertender Betrachtung der Verhältnisse des Einzelfalls aber wohl nicht als schutzwürdig einzustufen. Es spricht hier einiges dafür, dass dessen Schutzwürdigkeit wegen widersprüchlichen Verhaltens der Klägerin („venire contra factum proprium“) entfallen ist. Ein solches Verhalten dürfte darin zu sehen sein, dass sie - obwohl sie bereits mit der Zustellung des Zulassungsbescheids am 5. September 2014 mit der streitgegenständlichen Auflage beschwert war - bis zum 20. Januar 2015 mit der Einlegung des gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung auslösenden Widerspruchs abwartete und die mit dem Kopftuchverbot verbundenen Ausbildungseinschränkungen zunächst hinnahm. Dadurch, dass die Klägerin am 14. November 2014 gegen die Auflage „Beschwerde“ bei ihrer damaligen gemäß § 52 Abs. 2 JAPO vorgesetzten Ausbildungsrichterin erhoben und sich folglich mittels Remonstration (Art. 7 BayBG i. v. m. Art 2 Abs. 2 Satz 1 SiGjurVD) gegen die Auflage gewandt hat, dürfte in diesem Zusammenhang nicht ausreichen, um das Absehen von der Erhebung eines Widerspruchs zu kompensieren und das Bestehen des Rehabilitationsinteresses begründen zu können. Nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung wollte die Klägerin damit den Dienstweg einhalten und eine Klärung erreichen, welche Folgen mit der Auflage in der Praxis verbunden sind und wie die Auflage konkret umgesetzt wird. Da die ersten Ausbildungstage in der Zivilstation am 7. bzw. 14. November 2014 stattfanden, dürfte es im Hinblick auf das Rehabilitationsinteresse letztlich wohl als gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten anzusehen sein, zunächst das tatsächliche Ausmaß der Folgen der streitgegenständlichen Auflage für ihre Ausbildung abzuwarten, anschließend lediglich eine nicht mit aufschiebender Wirkung verbundene „Beschwerde“ bei der Ausbildungsrichterin einzulegen (Remonstration) und erst einige Wochen nach dem Entstehen des von ihr später als diskriminierend beanstandeten Ausbildungsgeschehens Widerspruch zu erheben.

4) Ein besonderes Feststellungsinteresse besteht aber jedenfalls deshalb, weil die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage präjudiziell für die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs durch die Klägerin sein kann. Das setzt zunächst voraus, dass sich die Nebenbestimmung nach Klagerhebung erledigt hat, der Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offensichtlich aussichtslos erscheint (BVerwG, U. v. 22.1.1998 - 2 C 4.97 - NVwZ 1999, 404; BayVGH, U. v. 14.1.1991 - 2 B 90.1756 - NVwZ-RR 1991, 519). Eine Erledigung nach Klageerhebung liegt vor, da die Klägerin am 3. April 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben hat und die Auflage erst nachfolgend mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 15. Juni 2015 (wieder) aufgehoben wurde. Weiter teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 27. Juni 2016 mit, dass mittlerweile ein Amtshaftungsprozess gerichtet auf Ersatz des durch die streitgegenständliche Auflage entstandenen immateriellen Schadens wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor dem Landgericht ... anhängig gemacht wurde. Schließlich war auch nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Amtshaftungsprozesses auszugehen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (BVerwG, U. v. 22.1.1998 - 2 C 4.97 - BayVBl 1998, 668; Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 136; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2016, § 113 Rn. 89). In Betracht kommt vorliegend ein Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 GG i. v. m. § 839 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB i. v. m. Art. 2 Abs. 1 i. v. m. Art. 1 Abs. 1 GG. voraussetzung hierfür ist eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, bei der die Beeinträchtigung nach der Art der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 823 Rn. 130 m. w. N.). Dass hier eine solche qualifizierte Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vollumfänglich auszuschließen ist, kann aber nicht von vornherein und ohne genauere rechtliche Prüfung angenommen werden.

III)

Auch im Übrigen erweist sich die Klage als zulässig. Insbesondere ist die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gegeben, da es zumindest möglich erscheint, dass die Klägerin in ihrer Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art. 107 Abs. 1, 2 und 4 BV oder in Bezug auf das Grundrecht der Ausbildungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 101 BV verletzt ist (s. hierzu Kopp/Schenke, a. a. O., § 42 Rn. 66; Happ in Eyermann, a. a. O., § 42 Rn. 93 m. w. N.).

B) Die Klage ist auch begründet, da die dem Zulassungsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. September 2014 beigefügte (mit Bescheid vom 15. Juni 2015 aufgehobene) Auflage, „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. März 2015) rechtswidrig war (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Dabei war als maßgeblicher Zeitpunkt für die der Entscheidung über das Fortsetzungsfeststellungsbegehren zugrunde zulegende Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Aufhebung der Auflage durch Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 15. Juni 2015, also den Zeitpunkt der Erledigung, abzustellen (Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 147).

I)

Es kann dahingestellt bleiben, ob es der gegenüber der Klägerin erlassenen Auflage bereits an der nötigen Bestimmtheit nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG fehlte. von einer hinreichenden Bestimmtheit einer behördlichen Anordnung kann ausgegangen werden, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung für die am Verwaltungsverfahren Beteiligten, insbesondere für den Adressaten der Regelung, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass sie ihr Verhalten danach richten können (BVerwG, U. v. 2.7.2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259; B. v. 24.6.1971 - I C 39.67 - BVerwGE 38, 211). Diese Anforderungen dürften hier jedenfalls insoweit eingehalten worden sein, als der Inhalt der Auflage durch die aufgeführten Beispiele „Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in der Zivilstation“ soweit konkretisiert wurde, dass sowohl für die Klägerin als auch für deren Ausbildungsrichterin ersichtlich war, dass die Auflage die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten betrifft, die dem Rechtsreferendar nach § 10 Satz 1, § 142 Abs. 3 GVG im Rahmen der Ausbildung übertragen werden können. Ob darüber hinaus bestehende Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit zur Rechtswidrigkeit der Auflage führen könnten, bedarf letztlich keiner Entscheidung, da sich die Rechtswidrigkeit jedenfalls aus dem Umstand ergibt, dass keine Rechtsgrundlage vorlag, die den Erlass der Auflage zu rechtfertigen in der Lage gewesen wäre.

II)

Dem Beklagten steht für die Beifügung der streitgegenständlichen Auflage zum Zulassungsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. September 2014 keine Befugnisnorm zur Verfügung.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist für behördliche Eingriffe in Form von Verboten (auch in der Gestalt von Nebenbestimmungen), z. B. Auflagen im Sinn von Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, sowie wirkungsähnlichen anderen Maßnahmen, die in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, dadurch die Reichweite des Grundrechts beschränken und damit „wesentlich“ sind in dem Sinne, dass sie die Grundlagen der sozialen Gemeinschaft betreffen, ein Parlamentsgesetz durch den förmlichen Gesetzgeber erforderlich (BVerfG, U. v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; s. auch BayVGH, B. v. 22.4.2014 - 7 CS 13.2592, 7 C 13.2593 - BayVBl 2014, 533; VG Düsseldorf, U. v. 8.11.2013 - 26 K 5907/12 - juris Rn. 48; VG Augsburg, U. v. 16.4.2013 - Au 3 K 12.1328 - juris Rn. 23).

Im vorliegenden Fall ist u. a. der Schutzbereich der Religionsfreiheit betroffen und der inhaltliche Geltungsbereich dieses Grundrechts durch die streitgegenständliche Auflage beeinträchtigt. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art. 107 Abs. 1, 2 und 4 BV enthalten ein umfassend zu verstehendes Grundrecht, das die Freiheit des Glaubens und das Recht auf freie Religionsausübung garantiert. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, d. h. einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen, und einem anderen Glauben zuzuwenden („forum internum“), sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben („forum externum“). Umfasst sind damit nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Dazu gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und ihrer inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben, wozu auch die religiös motivierte Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds durch Kleidung gehört (BVerfG, U. v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; B. v. 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 - BVerfGE 24, 236; B. v. 19.10.1971 - 1 BvR 387/65 - BVerfGE 32, 98; Meder/Brechmann, BV, 5. Aufl. 2014, Art. 107 Anm. 1 f.).

Bei Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben (BVerfG, B. v. 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 - BVerfGE 24, 236). Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der Glaubensfreiheit angesehen werden muss. Die staatlichen Organe dürfen prüfen und entscheiden, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine religiös anzusehende Motivation hat (vgl. z. B. BVerfG, U. v. 15.1.2002 - 1 BvR 1783/99 - BVerfGE 104, 337).

Nach diesem Verständnis des Grundrechts der Religionsfreiheit ist dessen Schutzbereich eröffnet, weil das Tragen eines muslimischen Kopftuches („Hidschab“), durch das Haare und Hals nachvollziehbar aus religiösen Gründen bedeckt werden, als Teil der Religionsausübung nach außen in den Bereich des sog. „forum externum“ fällt (BVerfG, B. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296; U. v. 24.9.2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; KG Berlin, U. v. 9.10.2012 - (3) 121 Ss 166/12 (120/12) - juris Rn. 5 f.; VG Augsburg U. v. 16.4.2013 - Au 3 K 12.1328 - juris Rn. 23; Böckenförde, NJW 2001, 723). Die Klägerin macht auch - ohne dass dies zweifelhaft erscheint - eine religiöse Motivation für das von ihr als aus Glaubensgründen verpflichtend dargestellte Tragen des Kopftuchs geltend. Die religiöse Fundierung der Pflicht, als Frau ein islamisches Kopftuch zu tragen, ist plausibel und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (s. hierzu BVerfG, B. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296).

Die Klägerin kann sich auch als Rechtsreferendarin in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis auf ihr Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen (vgl. für Beamte BVerfG, U. v. 24.9.2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; für Angestellte im öffentlichen Dienst BVerfG, B. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296).

Da die streitgegenständliche Auflage ein staatliches Handeln darstellt, welches der Klägerin ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, erheblich erschwert oder unmöglich macht, ist der Eingriffscharakter dieser Maßnahme nach dem Eingriffsbegriff des Bundesverfassungsgerichts zu bejahen (BVerfG, U. v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279).

Damit ist zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Auflage ein formelles Parlamentsgesetz erforderlich. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen insbesondere dann selbst zu treffen, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte und grundlegende verfassungsrechtliche Prinzipien aufeinander treffen und deren Grenzen ineinander fließen und nur schwer festzustellen sind. Das ist hier - wie auf dem Gebiet des öffentlichen Bildungswesens - der Fall, da insbesondere das konfliktträchtige verfassungsrechtliche Geflecht im Überschneidungsbereich von Religions- und Ausbildungsfreiheit einerseits und dem im Aufgabenfeld der Justiz besondere Bedeutung zukommenden Neutralitätsgebot eine legislative Auflösung erfordert. Eine verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Rechtsgrundlage, die es erlaubt, einer muslimischen Rechtsreferendarin bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung im juristischen Vorbereitungsdienst das Tragen von Kleidungsstücken, Symbolen und anderen Merkmalen zu verbieten, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen, ist aber weder dem Bundes- noch dem Landesrecht zu entnehmen.

1) § 46 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b JAPO werden diesen Anforderungen schon allein deshalb nicht gerecht, da sie lediglich Teil einer exekutiven Rechtsverordnung sind.

Selbst für den Fall, dass § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO als Befugnisnorm in Betracht käme, wären die Voraussetzungen für eine Anwendung inhaltlich nicht erfüllt. Danach kann die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst versagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die die Bewerber für den Vorbereitungsdienst als ungeeignet erscheinen lassen. Nach § 46 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. a JAPO ist dies insbesondere der Fall, wenn Tatsachen in der Person der Bewerber die Gefahr einer erheblichen Störung des Dienstbetriebs begründen. Weiter kann die Aufnahme in das Rechtsreferendariat nach § 46 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. b JAPO versagt werden, wenn Tatsachen in der Person der Bewerber die Gefahr begründen, dass durch die Aufnahme der Bewerber wichtige öffentliche Belange erheblich beeinträchtigt würden. Im vorliegenden Fall sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs seitens der Klägerin der Dienstbetrieb, hier also der juristische Vorbereitungsdienst, gestört würde. Für Reibungspunkte mit anderen Referendaren, den Arbeitsgemeinschaftsleitern bzw. den praktischen Ausbildern der Klägerin oder Prozessbeteiligten ist nichts ersichtlich. Was eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung öffentlicher Belange betrifft, trägt die Beklagtenseite hierzu jedenfalls nichts substantiiert vor. Im Ergebnis hätte daher nicht davon ausgegangen werden können, dass mit der streitgegenständlichen Auflage beabsichtigt war, die gesetzlichen Voraussetzungen des § 46 JAPO zu sichern.

2) Art. 36 BayVwVfG scheidet als mögliche Rechtsgrundlage ebenfalls aus. Nachdem es sich bei der Entscheidung über die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst nicht um eine Ermessensentscheidung handelt (s. Art. 46 Abs. 1 und 4 JAPO), greift die allgemeine Ermächtigung zur Beifügung von Nebenbestimmungen bei Ermessensverwaltungsakten aus Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 36 Rn. 46 ff.). Aber auch für eine Beifügung von Nebenbestimmungen nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG ist kein Raum. Nach dieser Vorschrift darf einem Verwaltungsakt, auf dessen Erlass - bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen - ein Anspruch besteht, außer in den Fällen einer ausdrücklichen Ermächtigung der Behörde, eine Nebenbestimmung nur dann und nur insoweit beigefügt werden, als dadurch gewährleistet wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden (BVerwG, U. v. 17.10.1997 - 8 C 18.96 - NJW 1998, 94). Wie oben aber bereits dargelegt, kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass mit der streitgegenständlichen Auflage beabsichtigt gewesen war, die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst gemäß § 46 JAPO zu sichern.

3) Die entsprechende Anwendung von Art. 59 Abs. 2 Satz 3 BayEUG, der bestimmt, dass äußere Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden dürfen, sofern die Symbole und Kleidungsstücke bei den Schülerinnen und Schülern oder den Eltern auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist, auf Rechtsreferendare scheidet sowohl methodisch als auch aus Rechtsgründen aus. Im Übrigen wäre im Fall der Übertragbarkeit der Regelung Art. 59 Abs. 2 Satz 5 BayEUG zu beachten, der im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG gerade Ausnahmen von Satz 3 für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst vorsieht.

4) Auch aus einer entsprechenden Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen für Richter ließe sich das Kopftuchverbot nicht rechtfertigen. Der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ist in Art. 97 Abs. 1 GG bzw. Art. 5 Abs. 3, Art. 85 BV, § 39 DRiG sowie Art. 2 Abs. 1 BayRiG i. v. m. § 33 Abs. 1 BeamtStG verankert. Danach soll der Richter in besonderer Weise neutral sein, er ist nur an das Gesetz gebunden. Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird, d. h. es wird verlangt, unabhängig nach außen zu erscheinen (Staats, DRiG, Kommentar, § 39 Rn. 2). Zwar liegt es nahe anzunehmen, dass dieser Grundsatz durch das Tragen eines religiös motivierten Kopftuchs gefährdet wird. Hierfür spricht auch Art. 140 GG i. v. m. Art. 137 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV). Die in institutioneller und ideeller Hinsicht Bedeutung besitzende Regelung wirkt nicht nur einer unbotmäßigen institutionellen Verflechtung von Staat und Religionsgemeinschaften entgegen, sondern auch der Identifizierung des Staates mit einer bestimmten Religion (vgl. z. B. BVerfG, U. v. 19.12.2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370; B. v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279). Allerdings kommt zum einen die entsprechende Anwendung von Richter betreffenden gesetzlichen Regelungen auf Rechtsreferendare in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis rechtlich nicht in Betracht, da sie an das übertragene Richteramt und damit an den Richterstatus anknüpfen und im Übrigen gesetzlich eine entsprechende Anwendung des Rechts der Richter auf Rechtsreferendare nicht vorgesehen ist (vgl. § 2 DRiG, Art. 1 Abs. 1 BayRiG). Dies hat auch bei einer funktionsbezogenen Betrachtung der Tätigkeit der Referendare im juristischen Vorbereitungsdienst zu gelten (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 SiGjurVD, § 47 JAPO). Zum anderen handelt es sich bei dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nur um einen allgemeinen Grundsatz, der mangels Konkretheit nicht den Anforderungen des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten rechtstaatlichen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts genügt und daher nicht als Befugnisnorm für den Erlass der streitgegenständlichen Auflage herangezogen werden kann.

Die streitgegenständliche Auflage erweist sich daher aufgrund des Fehlens einer deren Erlass rechtfertigenden Rechtsgrundlage im Ergebnis als rechtswidrig und die Fortsetzungsfeststellungsklage als begründet. Die stattgebende Entscheidung schließt - worauf vorsorglich hinzuweisen ist - konkludent die Aufhebung des Widerspruchsbescheids mit ein (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 147).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. v. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Berufung war zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.