Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 18. Mai 2018 - W 9 K 18.252

bei uns veröffentlicht am18.05.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Nr. 1 des Bescheids der Polizeiinspektion Bad Brückenau vom 15. September 2016 wird insoweit aufgehoben, als die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin in Form der Fertigung von Lichtbildern in unverschleiertem Zustand, d.h. ohne Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt, angeordnet wird.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Polizeiinspektion Bad Brückenau, soweit hierin ihre erkennungsdienstliche Behandlung im unverschleierten Zustand angeordnet wird.

1. Mit Bescheid vom 15. September 2016 ordnete die Polizeiinspektion (PI) Bad Brückenau gegenüber der Klägerin die erkennungsdienstliche Behandlung an, die sich auf die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, Fertigung von Lichtbildern - auch unverschleiert - und Messungen und Personenbeschreibungen erstreckt (Nr. 1 des Bescheids), und lud sie unter Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 250,00 EUR zu Terminen am Mittwoch, 19. Oktober 2016, 10.30 Uhr, bzw. Montag, 24. Oktober 2016, 13.30 Uhr, vor (Nrn. 2, 3, 4). Für den Fall der Nichtbeachtung der Vorladung wurde die Klägerin unter Androhung unmittelbaren Zwangs zu Ersatzterminen am Donnerstag, 27. Oktober 2016, 10.30 Uhr, bzw. am Montag, 31. Oktober 2016, 12.30 Uhr, vorgeladen (Nrn. 5, 6). Hinsichtlich der Nrn. 1, 2 und 5 wurde die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet (Nr. 7).

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe am 24. August 2016 in der … in … 26 damenkosmetische Artikel, 1,7 kg Steinobst (Aprikosen) sowie drei Tafeln Schokolade im Gesamtwert von 193,23 EUR entwendet. Sie habe die entwendeten Waren in einer mitgeführten Tasche und unter ihrer Bekleidung verborgen. Hierbei habe sie in Zusammenarbeit und in Absprache mit ihrer Begleiterin, Frau N. S., welche ebenfalls Waren im Wert von 184,62 EUR erbeutet habe, gehandelt. Dieses Verhalten sei strafbar als Diebstahl nach §§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB.

Die PI habe die erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 81b Alternative 2 StPO angeordnet, um mit den gewonnenen Unterlagen möglicherweise durch die Klägerin begangene Straftaten, insbesondere weitere Diebstahlsdelikte, aufklären zu können.

Die durch die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung gewonnenen Unterlagen seien für die Aufklärung der durch die Klägerin in Zukunft möglicherweise begangenen Straftaten geeignet. Durch die Lichtbilder und Personenbeschreibung könnte die Klägerin zukünftig von Zeugen identifiziert werden, ggf. könne auch mit dem Bildmaterial nach ihr gefahndet werden.

In Anbetracht des geschilderten Verhaltens und der dadurch auch zukünftig bestehenden Gefahr für die Gemeinschaft sei ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Klägerin weit weniger schwer zu beurteilen als das Interesse der Allgemeinheit, vor solchen Straftaten geschützt zu werden. Mit der Anfertigung der Unterlagen sei für die Klägerin lediglich eine kurzfristige Freiheitsbeschränkung verbunden und die Tatsache, dass diese Unterlagen nur bei der Polizei gespeichert und der Öffentlichkeit nicht zugänglich seien, beeinträchtige ihre Persönlichkeitsrechte nur in geringer Weise, zumal die Unterlagen nur in dem Falle verwendet würden, dass die Klägerin nochmals strafrechtlich in Erscheinung trete und das erkennungsdienstliche Material dann zur Tataufklärung benötigt werde. Dem stehe gegenüber, dass ohne erkennungsdienstliches Material über die Person der Klägerin die Strafverfolgungsbehörden Straftaten, die die Klägerin zukünftig begehen könnte, nur schwer oder gar nicht aufzuklären in der Lage wären. Durch die Kenntnis von der polizeilichen Verfügbarkeit der erkennungsdienstlichen Unterlagen sei außerdem damit zu rechnen, dass sich die Klägerin von weiteren Straftaten abhalten lasse. Die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung sei auch verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei. Der vorliegende Verstoß lasse sich in der Gesamtschau nicht als Bagatelldelikt einstufen, bei dem die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung unverhältnismäßig wäre. Dies gelte insbesondere aufgrund des planmäßigen Vorgehens der Klägerin sowie der hohen Schadenssumme.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides, der der Klägerin laut Postzustellungsurkunde am 21. September 2016 zugestellt wurde, wird Bezug genommen.

2. Am 12. Oktober 2016 ließ die Klägerin Klage erheben und zuletzt beantragen,

Nr. 1 des Bescheids der PI Bad Brückenau vom 15. September 2016 insoweit aufzuheben, als die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin in Form der Fertigung von Lichtbildern im unverschleierten Zustand angeordnet wird.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Klägerin werde durch den Bescheid in ihren Rechten verletzt. Vorliegend gehe es um Bagatelldelikte mit einem geringen Wert. Abgewogen werden müsse dies mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin. Hinzu komme noch, dass auch die Ausübung der Religionsfreiheit tangiert sei. Die Klägerin sei muslimischen Glaubens und trage eine Verschleierung bzw. ein Kopftuch. Bei der Abnahme der entsprechenden erkennungsdienstlichen Maßnahmen müsste sie sich insoweit entsprechend entkleiden, was einen wesentlichen Einschnitt im Rahmen ihrer Religionsfreiheit bedeuten würde. Dies müsse jedenfalls auch ein Gesichtspunkt bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sein.

3. Demgegenüber beantragte das Polizeipräsidium ... als Vertreter des Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung des Abweisungsantrags wurde im Wesentlichen ausgeführt, die erkennungsdienstlichen Unterlagen seien geeignet, in der Zukunft durch die Klägerin möglicherweise begangene Straftaten, insbesondere weitere Ladendiebstähle, aufzuklären. Ein Ermessensausfall liege nicht vor. Aus dem Bescheid werde deutlich, dass sich die PI Bad Brückenau ihres Ermessens bewusst gewesen sei und abgewogen habe, ob bzw. in welchem Umfang eine erkennungsdienstliche Maßnahme in Form der Lichtbildaufnahme angeordnet werde. Es sei ausreichend, dass die erlassende Behörde eine Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung der relevanten Aspekte getroffen habe. Durch den Verweis auf die Wiederholungsgefahr, die Gefährlichkeit des Handelns der Klägerin sowie die Gefahr der Unaufklärbarkeit weiterer Taten werde deutlich, dass die Religionsfreiheit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 GG hinter der öffentlichen Sicherheit in diesem Falle im Wege der praktischen Konkordanz zurücktreten müsse. Hilfsweise handele es sich bei diesem Sachvortrag um ein zulässigerweise ausgeübtes Nachschieben von Gründen im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO. Es handele sich nicht um ein Bagatelldelikt. Die Tat unterscheide sich von der Schadenssumme und der Tatausführung bei Weitem von einem gewöhnlichen Ladendiebstahl. Außerdem handele es sich nicht um einen einmaligen Fehltritt.

Die Anordnung, dass von der Klägerin unverschleiert Lichtbilder aufgenommen werden sollten, sei erforderlich, da bestimmte wesentliche Personenmerkmale wie Haare, Ohren, Hals, Gesichtsform andernfalls nicht erkennbar seien. Es könne nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Klägerin in Zukunft Straftaten auch unverschleiert begehen werde. Dann ermögliche die Lichtbildaufnahme mit Verschleierung keinen Blick auf Haare, Haarfarbe, Scheitel, Haarlänge, Ohren, Hals und die Gesichtsform, so dass eine Identifizierung der Klägerin zumindest deutlich erschwert werde, da diese Merkmale für Recherchezwecke und die Verifizierung der Rechercheergebnisse bei der EDDi-Lichtbildrecherche und bei Suchläufen der biometrischen Gesichtserkennungssysteme für den Lichtbildexperten bzw. Lichtbildsachverständigen zwingend erforderlich seien. Bei einer Lichtbildaufnahme lediglich im verschleierten Zustand seien zudem auch für potentielle Zeugen relevante Merkmale, wie etwa Gesichtsform, etwaige Narben, Tätowierungen oder Muttermale im Kopf- und Halsbereich und dergleichen nicht erkennbar. Beim Vergleich von Lichtbildern derselben Person mit und ohne Verschleierung sehe man sehr deutliche Unterschiede, die eine Identifizierung massiv erschwerten. Auch sei beispielsweise das Alter der Person mit Verschleierung schwer erkennbar, womit ein weiteres wesentliches Identifizierungsmerkmal unterlaufen werde. Dies betreffe insbesondere Zeugen, die zur Identifizierung von Tätern einen wesentlichen Beitrag leisteten. Gerade für ungeschulte Zeugen seien prägende Merkmale, wie etwa Haare, von großer Bedeutung zur Identifizierung. Hierbei komme es ganz wesentlich auf ein erkennbares Gesamtbild an, welches bei der Lichtbildaufnahme nur im verschleierten Zustand kaum sichtbar werde. Zur effektiven Verfolgung von Straftaten sei es daher zwingend geboten, Zeugen und Ermittlungspersonen die Identifizierung von Tätern nicht unnötig zu erschweren. Durch einen Verzicht auf die Fertigung von Lichtbildern ohne Verschleierung werde die gesetzlich vorgesehene Maßnahme der Fertigung von Lichtbildern quasi ad absurdum geführt, da der Sinn der vom Gesetzgeber vorgesehenen Möglichkeit der Fertigung von Lichtbildern gerade darin liege, Identifizierungsmaterial mit individuellen, biometrisch eindeutigen Merkmalen zum Zwecke der Aufklärung von Straftaten einzuholen. Aufgrund des wiederholten in Erscheinung Tretens der Klägerin von strafrechtlicher Relevanz und dem sich über das Gesetz Hinwegsetzen könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin künftig in Kenntnis und im Bewusstsein, dass von ihr nur Lichtbilder mit Hidschab existierten, unverschleiert Straftaten begehe und es dabei ausnutze, dass sie sodann mangels Identifizierbarkeit nie in den Kreis der Verdächtigen gelangen würde. Für die effektive Aufklärung und Verhinderung von Straftaten wären dieser Zustand und das Ausnutzen des Wissens der Klägerin über das von ihr lediglich verschleiert vorliegende Lichtbild ein untragbarer Zustand. Hingegen würde das Wissen um das Vorliegen von Lichtbildern mit und ohne Verschleierung eine hohe präventive Wirkung haben können. In diesem Fall der wiederholten gleichförmig ablaufenden Form der Deliktsbegehung sei der öffentlichen Sicherheit, namentlich der Aufklärung von Straftaten zu Gunsten der Gesamtheit der Bevölkerung, Vorrang vor der Religionsfreiheit der Klägerin einzuräumen. Das Rechtsstaatsprinzip verbiete, dass die Ausübung der nach außen sichtbaren Form der Religionsausübung dazu führe, dass eine Täteridentifizierung in hohem Maße erschwert oder gar unmöglich gemacht werde. Der Eingriff in das genannte Schutzgut von Verfassungsrang sei wesentlich höher als der in die Religionsfreiheit der Klägerin. Die Verschleierung sei nur kurz - für die Aufnahme der Lichtbilder - abzunehmen und die Lichtbilder könnten von und nur im Beisein einer weiblichen Polizeibeamtin gefertigt werden. Das unverschleierte Bild sei zudem anschließend nicht öffentlich einsehbar. Die Zugänglichkeit und die eventuelle Nutzung der Lichtbilder unterlägen genau definierten Vorgaben, namentlich vornehmlich ausschließlich den mit der Strafverfolgung betrauten Personen. Somit erlange ein nur äußerst eingeschränkter Personenkreis überhaupt Kenntnis vom Aussehen der dargestellten Person, so dass der Eingriff in die Religionsfreiheit als äußerst gering einzustufen sei. Das öffentliche Interesse an einer effektiven Aufklärung von künftigen Straftaten sowie auch der einer erkennungsdienstlichen Behandlung eigentümliche Abschreckungseffekt vor der Begehung weiterer Straftaten, bei denen Rechtsgüter anderer Personen geschädigt würden, wögen im Ergebnis schwerer als die Religionsfreiheit der Klägerin, die hier nur in einem sehr geringen Ausmaß berührt werde.

Die Anordnung sei insgesamt und auch hinsichtlich der Aufnahme eines Lichtbildes ohne Hidschab verhältnismäßig, auch hinsichtlich der Religionsfreiheit der Klägerin. Die Lichtbildaufnahme ohne Verschleierung sei in hohem Maße geeignet, künftige, potentiell durch die Klägerin begangene Straftaten aufzuklären. Die Maßnahme sei erforderlich. Ein milderes und dabei gleich effektives milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Aufgrund der Nichtsichtbarkeit wesentlicher Personenmerkmale auf dem Lichtbild mit Verschleierung könne selbiges nicht als gleich effektive Maßnahme angesehen werden. Die Verschleierung nebst weiter Kleidung sei durch die Klägerin auch gerade zur Erleichterung der Tatbegehung wiederholt ausgenutzt worden, indem sie etwa Diebesgut unter der Kleidung versteckt habe. Insofern sei der nach außen sichtbare Teil der Religionsausübung durch die Klägerin zweckentfremdet worden, so dass es zumindest den Anschein erwecke, die Klägerin stelle nunmehr ihre Religionsfreiheit in den Vordergrund, nutze gerade diese jedoch bei der Tatbegehung für ihre Zwecke. Ebenso sei die Maßnahme angemessen und somit verhältnismäßig im engeren Sinne als Ergebnis einer umfassenden Interessen- und Güterabwägung, die die den Bescheid erlassende Behörde vorgenommen habe. Bei der Abwägung sei die Schutzwürdigkeit der Klägerin gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Aufklärung künftiger Straftaten nicht zuletzt auch deshalb herabgesetzt, da die Klägerin selbst Verursacher und Auslöser der Maßnahme sei. Wäre sie nicht wiederholt durch Begehung von Straftaten mit Hidschab in Erscheinung getreten, so wäre sie auch nicht mittels Bescheid zum Dulden der Fertigung eines Lichtbildes ohne Verschleierung aufgefordert worden. Zudem ergebe sich die zumindest herabgesetzte Schutzwürdigkeit der Klägerin daraus, dass sie gerade ihre Verschleierung und Bekleidung zur Begehung von Straftaten wiederholt ausgenutzt habe.

4. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2016 (W 5 S 16.1017) stellte das Verwaltungsgericht Würzburg die aufschiebende Wirkung der Klage der Klägerin gegen den Bescheid der PI Bad Brückenau vom 15. September 2016 wieder her, soweit die Fertigung von Lichtbildern der Klägerin im unverschleierten Zustand, d.h. ohne Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt, angeordnet wird, und lehnte den Antrag der Klägerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Übrigen ab.

5. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zu, nachdem es durch Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Juli 2016 im Verfahren W 7 K 15.30524 hierzu verpflichtet worden war. Auf die Entscheidungsgründe und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2016 wird Bezug genommen.

6. In der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2018 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert und die Klägerin wurde informatorisch gehört. Auf das Protokoll wird diesbezüglich verwiesen.

7. Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen. Die Verfahrensakten W 5 S 16.1017 und W 7 K 15.30524 wurden beigezogen.

Gründe

Die zulässige Klage, die insbesondere als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft ist, ist begründet.

Nr. 1 des Bescheids der PI Bad Brückenau vom 15. September 2016 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zwar liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO vor und der Beklagte hat ohne Ermessensfehler die grundsätzliche Notwendigkeit einer Anordnung nach § 81b 2. Alt. StPO bejaht. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. November 2016 im Verfahren W 5 S 16.1017 Bezug genommen.

Die in Nr. 1 des angefochtenen Bescheids getroffene Anordnung der Fertigung von Lichtbildern der Klägerin im gänzlich unverschleierten Zustand hält jedoch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, da sie ermessensfehlerhaft erging und sich die Anordnung mangels Erforderlichkeit als unverhältnismäßig erweist.

Der Bescheid leidet hinsichtlich der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung der Klägerin im gänzlich unverschleierten Zustand an einem Ermessensfehler in Form des Ermessensausfalls.

Rechtsgrundlage der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist § 81b 2. Alt. StPO, wonach, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, u.a. Lichtbilder des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen werden dürfen. Zur Vorbereitung der Identifizierungsmaßnahmen kann auch die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes des Beschuldigten angeordnet und gegebenenfalls zwangsweise durchgeführt werden (vgl. Gercke/Julius/Temming u.a., StPO, 5. Aufl. 2012, § 81b Rn. 12 f.).

Der Erlass einer Anordnung nach § 81b 2. Alt. StPO liegt im Ermessen der Behörde, dessen ordnungsgemäße Ausübung vom Gericht im Rahmen von § 114 VwGO, Art. 40 BayVwVfG lediglich auf Ermessensfehler hin überprüft werden kann. Dem Gericht ist es hingegen versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen.

Die von der Behörde zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Erschließungsermessen), als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Ein Ermessensfehler liegt zunächst dann vor, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (sog. Ermessensausfall), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet (sog. Ermessensüberschreitung), wenn sie nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, sie ihre Entscheidung also auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat (sog. Ermessensdefizit) und schließlich wenn von dem durch die Befugnisnorm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, die Behörde sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet (sog. Ermessensfehlgebrauch) worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 14 ff.).

Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessensausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt (Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 23).

So liegt der Fall hier:

Zwar ist die Ausübung des Auswahlermessens durch die PI Bad Brückenau hinsichtlich der Fertigung von Lichtbildern im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung im Allgemeinen nicht zu beanstanden. Die Geeignetheit und Notwendigkeit von Lichtbildern für Identifizierungszwecke ist im streitgegenständlichen Bescheid hinreichend dargelegt. Es lässt sich diesem jedoch nicht entnehmen, dass die PI Bad Brückenau ihr Auswahlermessen hinsichtlich der konkret getroffenen Maßnahme der Anordnung der Fertigung von Lichtbildern der Klägerin im unverschleierten Zustand ausgeübt hat. Die insoweit fehlende Begründung des Verwaltungsakts indiziert den Ermessensausfall. Erwägungen zur Geeignetheit und Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme finden sich im Bescheid nicht. Darüber hinaus lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen, dass die Interessen der Klägerin berücksichtigt worden wären, zumal diese vor Bescheiderlass nicht angehört wurde und somit ein Ermittlungsdefizit vorliegt. Auch aus den sonstigen Umständen ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass die Behörde den Aspekt der Religionsfreiheit der Klägerin bei der streitgegenständlichen Entscheidung berücksichtigt hat.

Die Klägerin beruft sich nachvollziehbar auf einen unzulässigen Eingriff in ihre Religionsfreiheit. Im vorliegenden Fall ist daher der Schutzbereich der Religionsfreiheit betroffen und der inhaltliche Geltungsbereich dieses Grundrechts durch die streitgegenständliche Anordnung beeinträchtigt.

Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes Grundrecht, das die Freiheit des Glaubens und das Recht auf freie Religionsausübung garantiert. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, d.h. einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen, und einem anderen Glauben zuzuwenden („forum internum“), sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben („forum externum“). Umfasst sind damit nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Dazu gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und ihrer inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben, wozu auch die religiös motivierte Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds durch Kleidung gehört (BVerfG, U.v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; VG Augsburg, U.v. 30.6.2016 - Au 2 K 15.457 - juris m.w.N.).

Bei Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben (BVerfG, B.v. 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 - BVerfGE 24, 236). Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der Glaubensfreiheit angesehen werden muss. Die staatlichen Organe dürfen prüfen und entscheiden, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine religiös anzusehende Motivation hat (vgl. z.B. BVerfG, U.v. 15.1.2002 - 1 BvR 1783/99 - BVerfGE 104, 337).

Nach diesem Verständnis des Grundrechts der Religionsfreiheit ist dessen Schutzbereich eröffnet, weil das Tragen eines muslimischen Kopftuches („Hidschab“), durch das Haare und Hals nachvollziehbar aus religiösen Gründen bedeckt werden, als Teil der Religionsausübung nach außen in den Bereich des sog. „forum externum“ fällt (BVerfG, B.v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10; VG Augsburg - a.a.O. m.w.N.). Die Klägerin macht auch - ohne dass dies zweifelhaft erscheint - eine religiöse Motivation für das von ihr als aus Glaubensgründen verpflichtend dargestellte Tragen des Kopftuchs geltend. Die religiöse Fundierung der Pflicht, als Frau ein islamisches Kopftuch zu tragen, ist plausibel und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (s. hierzu BVerfG, B.v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296; VG Augsburg - a.a.O.).

Die Aufnahme von Lichtbildern der Klägerin im gänzlich unverschleierten Zustand ist auch als Eingriff in die Religionsfreiheit zu sehen - unabhängig davon ob bei Durchführung der Aufnahmen ausschließlich eine weibliche Beamtin anwesend ist -, denn die Aufnahmen sind aufgrund ihrer Speicherung weiteren, auch männlichen Polizisten zugänglich und werden ggf. auch im Rahmen von Zeugenbefragungen verwendet, wie die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat.

Nachdem ein Ermessensgebrauch der Behörde bei der Auswahl der streitgegenständlichen Maßnahme nicht festzustellen ist und der Aspekt der Religionsfreiheit der Klägerin nach den vorliegenden Akten und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht berücksichtigt wurde, liegt insofern ein Ermessensausfall vor, der von der Behörde auch nicht durch Ergänzung der Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren kompensiert werden konnte.

Zwar kann gemäß § 114 Satz 2 VwGO die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Das Polizeipräsidium Unterfranken hat in der Klageerwiderung vom 16. November 2016 Ausführungen zur Erforderlichkeit der Maßnahme und zur Interessenabwägung gemacht und explizit erklärt, von der Möglichkeit des Nachschiebens von Gründen Gebrauch zu machen.

Insoweit bedarf es aber einer Abgrenzung zwischen der bloßen Ergänzung defizitärer Ermessenserwägungen (insofern treffend der Wortlaut von § 114 Satz 2 VwGO) und der neuen Ermessensentschließung (Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 90). Im Anwendungsbereich des § 114 Satz 2 VwGO liegen jedoch nur Fälle, in welchen bei einem Ermessensverwaltungsakt unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt wurden, nicht hingegen jene, in denen es an Ermessenserwägungen bisher fehlte, das Ermessen also gar nicht ausgeübt wurde und nun erstmals ausgeübt wird oder wesentliche Teile der Ermessenserwägungen ausgetauscht oder erst nachträglich nachgeschoben wurden (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 50 m.w.N.; Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 90).

Die ganz h.M. (vgl. BeckOK VwGO/Decker, § 114 VwGO Rn. 40 ff. m.w.N.) geht im Hinblick auf den Wortlaut „ergänzen“ in § 114 Satz 2 VwGO davon aus, dass ein (völliges) Auswechseln der Ermessenserwägungen ebenso nicht unter die Vorschrift subsumiert werden kann, wie eine erstmalige Begründung einer Ermessensentscheidung, z.B. weil erst im Prozess erkannt wird, dass der Behörde ein Ermessensspielraum eröffnet ist bzw. war (vgl. BVerfG, B.v. 9.7.2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178). § 114 Satz 2 VwGO setzt mithin voraus, dass schon vorher bei der behördlichen Entscheidung Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts angestellt worden sind, das Ermessen also in irgendeiner Weise betätigt worden ist (OVG Lüneburg, B.v. 13.4.2007 - 2 LB 14/07 - BeckRS 2007, 22992; BayVGH, U.v. 18.1.2010 - 11 BV 08.789 - BayVBl 2010, 371).

Hier lagen im verwaltungsbehördlichen Verfahren einschließlich des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids hinsichtlich der Auswahlentscheidung bzgl. der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung im unverschleierten Zustand keine unvollständigen Ermessenserwägungen vor. Vielmehr gab es diesbezüglich keine Ermessensentscheidung. Wenn nun aufgrund der Erkenntnisse im Eilverfahren bzw. Hauptsacheverfahren erstmals Ermessenserwägungen angestellt werden, liegt hierin kein Fall des Nachschiebens von Gründen i.S.d. § 114 Satz 2 VwGO. Der streitgegenständliche Bescheid leidet hinsichtlich der Ausübung des Auswahlermessens bzgl. der angeordneten Maßnahme der erkennungsdienstlichen Behandlung im unverschleierten Zustand an einem Ermessensausfall und erweist sich deshalb als materiell rechtswidrig.

Es kann daher auch offen bleiben, ob die im gerichtlichen Verfahren vom Beklagten angestellten Ermessenserwägungen - etwa eine herabgesetzte Schutzwürdigkeit der Religionsfreiheit der Klägerin aufgrund eines Missbrauchs der Bekleidung - ihrerseits den Anforderungen an eine ermessensfehlerfreie Entscheidung genügen oder etwa sachfremde Erwägungen enthalten. Ebenfalls kommt es nach alledem auf den Aspekt, ob der angeordnete Eingriff in die Religionsfreiheit der Klägerin verfassungsrechtlich gerechtfertigt wäre, nicht mehr an.

Die streitgegenständliche Anordnung erweist sich auch als unverhältnismäßig, da nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung eine Notwendigkeit der Fertigung von Lichtbildern der Klägerin im unverschleierten Zustand nicht ersichtlich ist. Die Notwendigkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen für die Zwecke des Erkennungsdienstes i.S.d. § 81b Alt. 2 StPO beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme dieser Maßnahmen; insoweit ist nicht nur auf den Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung, sondern auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung abzustellen. Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle einer streitigen, noch nicht vollzogenen Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung kommt es deshalb für die Beurteilung der Notwendigkeit der Maßnahme auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, weil die Vollziehung der Anordnung noch bevorsteht (vgl. BayVGH, U.v. 12.11.2013 - 10 B 12.2078 - juris m.w.N.).

Als Zwangsmaßnahme unterliegt die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b 2. Alt. StPO dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die erkennungsdienstlichen Unterlagen müssen im Wiederholungsfall zur Förderung der dann zu führenden Ermittlungen geeignet erscheinen (vgl. Gercke/Julius/Temming u.a., StPO, 5. Aufl. 2012, § 81b Rn. 12 f.).

Warum es für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig sein soll, die Klägerin, die in der Vergangenheit strafrechtlich ausschließlich mit Ladendiebstahl aufgefallen und bei der Tatausübung jeweils mit einem Hidschab bekleidet aufgetreten ist, gänzlich unverschleiert zu fotografieren, erschließt sich weder aus dem streitgegenständlichen Bescheid in Verbindung mit dem Inhalt der von dem Beklagten vorgelegten Akten, noch aus dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, insbesondere der Anhörung der Klägerin.

Zunächst lässt sich den Behördenunterlagen nicht entnehmen, dass die Klägerin jemals in einem Ladengeschäft oder ansonsten in der Öffentlichkeit ohne die von ihr üblicherweise getragene Kopfbedeckung gesehen worden wäre oder dass dies überhaupt in Betracht kommt. Nachdem der Beklagte die Klägerin vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nicht angehört hat, war ihm auch nicht bekannt, dass es für die Klägerin aus religiösen Gründen ausgeschlossen ist, sich in der Öffentlichkeit ohne Hidschab zu bewegen. Im Sofortverfahren hat die damals zur Entscheidung berufene Kammer die Bedeutung des Tragens eines Kopftuchs aus religiösen Gründen für die Klägerin der Verfahrensakte W 7 K 15.30524 des asylrechtlichen Klageverfahrens der Klägerin, in dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Urteil vom 11. Juli 2016 verpflichtet wurde, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, entnommen.

Dem Beklagten gelang es auch im gerichtlichen Verfahren nicht, die Notwendigkeit der Fertigung von Lichtbildern der Klägerin im gänzlich unverschleierten Zustand, d.h. ohne den von ihr üblicherweise getragenen Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt, darzulegen. Es mag sein, dass Haare, Ohren und Hals einer Person für die polizeiliche Ermittlungsarbeit grundsätzlich wesentliche Merkmale darstellen, anhand derer Zeugen ein Gesicht vom anderen unterscheiden können. Dies gilt allerdings nur in Fällen, in denen es überhaupt möglich erscheint, dass ein Zeuge diese Merkmale einer Person, die er identifizieren soll, wahrgenommen haben kann. Ansonsten bestünden bereits Zweifel an der Geeignetheit der Fertigung solcher Lichtbilder für Identifizierungszwecke. Jedenfalls wäre die Anordnung der Fertigung von Lichtbildern, die Körperteile zeigen, die eine Person niemals unbedeckt in der Öffentlichkeit zeigt, im Falle einer Wiederholungsgefahr von Delikten, die in der Öffentlichkeit begangen werden, nicht notwendig. Die Klägerin ist in der Vergangenheit ausschließlich mit Ladendiebstahlsdelikten aufgefallen. Warum vorliegend nach Ansicht des Beklagten Bilder von den Haaren, den Ohren und dem Hals der Klägerin vorgehalten werden müssen, ist nicht nachvollziehbar, da diese Körperteile der Klägerin weder bislang von Zeugen im Rahmen eines Diebstahlsdelikts gesehen wurden oder gesehen werden konnten sowie von einer Überwachungskamera aufgenommen werden konnten, noch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Klägerin hierbei künftig ohne ihre üblicherweise getragene Kopfbedeckung aufgenommen oder gesehen werden könnte. Die Vertreterin des Beklagten führte in der mündlichen Verhandlung aus, es lägen zwar keine Erkenntnisse vor, dass die Klägerin sich in der Öffentlichkeit ohne die von ihr üblicherweise getragene Kopfbedeckung bewege, es sei aber auch nicht auszuschließen, dass die Klägerin im unverschleierten Zustand unterwegs sei. Nach Überzeugung des Gerichts war jedoch bereits im Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht zu erwarten, dass die Klägerin auch unverschleiert in der Öffentlichkeit unterwegs sein wird. Auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bestehen hierfür keinerlei Anhaltspunkte. In Übereinstimmung mit ihren Ausführungen im Verfahren W 7 K 15.30524 legte die Klägerin auf Befragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und glaubhaft dar, dass sie bereits im Heimatland nur mit dem Hidschab in die Öffentlichkeit gegangen sei und dies auch in Deutschland fortführe, da im Koran stehe, sie müsse ihren Kopf vor fremden Männern bedecken. Angesichts der von der Klägerin eindringlich dargestellten Bedeutung, die das Tragen des Kopftuchs für sie habe, hält das Gericht es für ausgeschlossen, dass die Klägerin künftig aus taktischen Gründen ohne Kopfbedeckung Ladendiebstahlsdelikte begehen könnte, wie von Seiten des Beklagten gemutmaßt wird. Im Übrigen setzt sich der Beklagte mit dieser Annahme in Widerspruch zu seiner Auffassung, die Klägerin nutze ihre weite Bekleidung zur Tatbegehung aus. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung kommt noch hinzu, dass die Klägerin, die sich im Übrigen der erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen hat, seit Erlass des Bescheides nicht mehr mit Straftaten aufgefallen ist und auch einen inneren Einstellungswandel plausibel darlegen konnte, so dass auch aus diesem Grund die Fertigung von Lichtbildern im unverschleierten Zustand aus jetziger Sicht nicht mehr erforderlich und damit unverhältnismäßig erscheint.

Nach alledem erweist sich die Anordnung der Fertigung von Lichtbildern der Klägerin im gänzlich unverschleierten Zustand bereits aus den genannten Gründen als unverhältnismäßig, ohne dass es insoweit noch darauf ankommt, ob die angeordnete erkennungsdienstliche Maßnahme auch einen unzulässigen Eingriff in die freie Religionsausübung der Klägerin darstellt.

Als Unterlegener hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 4


(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit

Strafgesetzbuch - StGB | § 242 Diebstahl


(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 30. Juni 2016 - Au 2 K 15.457

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Tenor I. Es wird festgestellt, dass die mit dem Einstellungsbescheid vom 3. September 2014 (Gz: ...) verbundene Auflage „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftliche

Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 16. Aug. 2016 - W 5 S 16.1017

bei uns veröffentlicht am 16.08.2016

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Polizeiinspektion Bad Brückenau vom 15. September 2016 wird wiederhergestellt, soweit die Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im u

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(1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

I.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Polizeiinspektion Bad Brückenau vom 15. September 2016 wird wiederhergestellt, soweit die Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im unverschleierten Zustand, d. h. ohne Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt, angeordnet wird. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat ¾ und der Antragsgegner hat ¼ der Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die sofortige Vollziehung im Bescheid der Polizeiinspektion Bad Brückenau vom15. September 2016. Mit diesem Bescheid wird die erkennungsdienstliche Behandlung der Antragstellerin nach § 81b 2. Alt. StPO, die sich auf die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, Fertigung von Lichtbildern - auch unverschleiert - und Messungen und Personenbeschreibungen erstreckt, angeordnet (Nr. 1 des Bescheids) und sie hierzu für Mittwoch, 19. Oktober 2016, 10.30 Uhr, oder Montag, 24. Oktober 2016, 13.30 Uhr, vorgeladen (Nr. 2). Für den Fall, dass die Antragstellerin der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge leistet, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nr. 3) und mit einer Zahlungsfrist von zwei Monaten gleichzeitig festgesetzt (Nr. 4). Zudem wird die Antragstellerin für diesen Fall erneut zur erkennungsdienstlichen Behandlung am Donnerstag, 27. Oktober 2016, 10.30 Uhr, oder am Montag, 31. Oktober 2016, 12.30 Uhr, vorgeladen (Nr. 5). Für den Fall, dass die Antragstellerin dieser erneuten Vorladung ohne hinreichenden Grund wiederum nicht Folge leistet, wird die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nr. 6). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2, und 5 des Bescheides wird gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet (Nr. 7).

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet worden ist - wie hier hinsichtlich der Nrn. 1, 2 und 5 des angefochtenen Bescheids -, wiederherstellen und in Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes entfällt - wie hier hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung in Nrn. 3, 4 und 6 (vgl. Art. 21a VwZVG) -, anordnen.

Bei sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) lässt die Antragstellerin demnach die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage W 5 K 16.1016 vom 12. Oktober 2016 gegen Nrn. 1, 2 und 5 des Bescheids vom 15. September 2016 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nrn. 3, 4 und 6 dieses Bescheids beantragen.

2. Der Antrag ist nur teilweise begründet.

Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. des Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 - 1 BvR 165/09 - NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 - 26 CS 87.01144 - BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.

2.1. Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Insbesondere hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.

2.2. Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt vorliegend, dass die Klage gegen die Anordnungen in Nrn. 1 (mit Ausnahme der Anordnung der Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im unverschleierten Zustand, d. h. ohne Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt), 2 und 5 des Bescheids des Polizeipräsidiums Unterfranken vom 31. Mai 2016 mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Soweit in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids die Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin auch im gänzlich unverschleierten Zustand angeordnet wird, sind die Erfolgsaussichten der Klage hingegen offen. Im Rahmen der hiernach vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse, weshalb die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit wiederherzustellen war.

Rechtsgrundlage der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist § 81b 2. Alt. StPO, wonach, soweit es für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden dürfen.

2.3. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich nach summarischer Prüfung in den Nrn. 1 (mit Ausnahme der Anordnung der Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand), 2 und 5 als rechtmäßig.

Das Polizeipräsidium Unterfranken hat die Antragstellerin zu Recht als Beschuldigte i. S.v. § 81b 2. Alt. StPO angesehen, denn gegen sie wird wegen einer Straftat ermittelt. Voraussetzung der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung ist, dass ein Straf- oder Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen schwebt; nur während der Anhängigkeit eines solchen Verfahrens kann die Anordnung ergehen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1955 - I C 176.53 - BVerwGE 2, 302).

Das Anlassverfahren erweist sich als geeignete Grundlage für die Anordnung. Für die präventiven Zwecken dienende Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sowie der ihrer Durchführung dienende Hilfsmaßnahme der Vorladung ist keine vollumfängliche und zu absoluter Sicherheit führende Sachverhaltsaufklärung erforderlich. Vielmehr genügt hier der sich aus dem Ermittlungsverfahren ergebende dringende Tatverdacht (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.1992 - 21 B 92.929 - BayVBl 1993, 211; B.v. 23.11.2009 - 10 CS S 09.1854 - juris). Ein derartiger Tatverdacht ist hier gegeben. Das Bestreiten der Tat durch die Antragstellerin, soweit es sich hierbei nicht ohnehin um Schutzbehauptungen handelt, ändert daran nichts.

Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist grundsätzlich auch notwendig i. S. d. § 81b 2. Alt. StPO. Für die Annahme der Notwendigkeit bedarf es einer auf der sog. Anlasstat beruhenden Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn aufgrund eines konkreten Sachverhalts die Prognose angestellt werden kann, der Betroffene werde auch in Zukunft in den Kreis Verdächtiger von noch aufzuklärenden anderen Straftaten einbezogen werden können (BayVGH, B.v. 6.12.2011 - 10 ZB 11.365 - juris, m. w. N.). Hierbei beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, ob die nach kriminalistischer Erfahrung anzustellende Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „Notwendigkeit“ unterliegt dabei der vollen gerichtlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte, während das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil einer solchen Kontrolle nur begrenzt zugänglich ist (vgl. VGH Mannheim, U.v. 29.5.2008 - 1 S 1503/07; OVG Bautzen, B.v. 29.1.2010 - 3 D 91/08 sowie B.v. 12.10.2010 - 3 A 657/09; OVG Magdeburg, U.v. 18.8.2010 - 3 L 372/09; alle juris).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hat die Polizeiinspektion Bad Brückenau die Notwendigkeit i. S. d. § 81b 2. Alt. StPO zu Recht bejaht. Ihre Prognose, es bestünden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragstellerin in ähnlicher oder anderer Weise erneut straffällig werden könnte und die erkennungsdienstlichen Unterlagen zur Förderung der dann zu führenden Ermittlungen geeignet erscheinen, ist nach Ansicht des Gerichts zutreffend. Die Antragstellerin ist bereits in der Vergangenheit strafrechtlich in Erscheinung getreten. Gegen sie wurden Ermittlungen wegen eines besonders schweren Falls des Ladendiebstahls am 7. Oktober 2015 sowie zweimal wegen Ladendiebstahls am 26. Juni und 16. März 2015, jeweils in Bonn, geführt. Es kommt nicht darauf an, ob die früheren Verfahren zum Teil eingestellt worden sind. Der Restverdacht ist hierdurch nämlich nicht automatisch ausgeräumt (vgl. Beschluss der erkennenden Kammer v. 8.8.2011 - W 5 S 11.598). Vorliegend waren die ersten beiden Vorfälle sogar Gegenstand von Strafbefehlen. Als präventivpolizeiliche Maßnahme zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung ist die erkennungsdienstliche Behandlung nach § 81b StPO zwar von einem fortbestehenden hinreichenden Tatverdacht, nicht aber von einer (rechtskräftigen) strafgerichtlichen Schuldfeststellung abhängig; die Feststellung des Tatverdachts ist vielmehr etwas substantiell anderes als eine Schuldfeststellung (vgl. BVerfG, B.v. 16.5.2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231). Der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung steht deshalb auch nicht die strafrechtliche Unschuldsvermutung entgegen (BayVGH, B.v. 27.12.2010 - 10 ZB 10.2847).

Angesichts der wiederholten polizeilichen Auffälligkeit der Antragstellerin kann bei der Anlasstat auch nicht von einem Bagatelldelikt ausgegangen werden, wie der Antragstellerbevollmächtigte meint. Für die Annahme einer Wiederholungsgefahr ist keine gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Straffälligkeit erforderlich (vgl. Beschlüsse der erkennenden Kammer vom 30.7.2014 - W 5 S 14.703 und vom 23.9.2015 - W 5 S 15.910).

Insofern erscheint die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung im Allgemeinen gut geeignet, präventive Wirkung zu entfalten, insbesondere durch die Warnfunktion gegenüber der Antragstellerin und die offensichtliche Erleichterung weiterer Ermittlungsarbeiten in zukünftigen Fällen.

Hiervon ausgehend hat der Antragsgegner ohne Ermessensfehler die grundsätzliche Notwendigkeit einer Anordnung nach § 81b 2. Alt. StPO bejaht. Abgesehen von der Anordnung der Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand hat die Kammer auch keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der getroffenen Anordnung. Durch die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung werden insoweit auch keine unumkehrbaren Verhältnisse geschaffen. Vielmehr hat die Antragstellerin dann einen Löschungsanspruch, wenn die Voraussetzungen für die Datenspeicherung weggefallen sind.

Die Androhung und Festsetzung des Zwangsgelds in Nrn. 3 und 4 des angegriffenen Bescheids erweisen sich - auch der Höhe nach - als rechtmäßig. Ebenfalls keinen Bedenken begegnet die Androhung der zwangsweisen Vorführung in Nr. 6 des angegriffenen Bescheids. Nach dem Wortlaut der Zwangsmittelandrohungen beziehen sich diese auf das Nichterscheinen der Antragstellerin zum Termin, nicht auf die einzelnen angeordneten Maßnahmen. Die Androhung mehrerer Zwangsmittel in einem Bescheid ist in Art. 59 Abs. 3 Satz 2 PAG ausdrücklich vorgesehen und die Reihenfolge der Anwendung ist beanstandungsfrei angegeben. Die Androhung der Anwendung unmittelbaren Zwangs für den Fall, dass die Androhung von Zwangsgeld ohne Erfolg bleibt und die Antragstellerin nicht zur Mitwirkung bei der erkennungsdienstlichen Behandlung bewegen kann, ist nicht zu beanstanden und wahrt das Gebot verhältnismäßigen Vorgehens.

2.4. Hingegen sind die Erfolgsaussichten der Klage insoweit als offen anzusehen, als im streitgegenständlichen Bescheid auch die Fertigung von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand, d. h. ohne den von ihr üblicherweise getragenen Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt, angeordnet wird.

Nach Auffassung des Gerichts bestehen insoweit Bedenken, ob die Anordnung der Maßnahme in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erfolgte bzw. mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

Die Antragstellerin beruft sich auf einen unzulässigen Eingriff in ihre Religionsfreiheit. Aufgrund ihres Auftritts in der mündlichen Verhandlung im Asylverfahren der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Würzburg am 11. Juli 2016 ist bekannt, dass die Antragstellerin in der Öffentlichkeit eine Verschleierung trägt, die ihre Haare, ihre Ohren und ihren Hals bedeckt, ihr Gesicht ansonsten hingegen freilässt. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Juli 2016 (W 7 K 15.30524), das u. a. von einer Verfolgung wegen der religiösen Überzeugung der Antragstellerin, die als russische Volkszugehörige zum Islam konvertiert war, ausgeht, wurde die Bundesrepublik Deutschland dazu verpflichtet, der Antragstellerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Im vorliegenden Fall ist daher der Schutzbereich der Religionsfreiheit betroffen und der inhaltliche Geltungsbereich dieses Grundrechts durch die streitgegenständliche Anordnung beeinträchtigt. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG enthält ein umfassend zu verstehendes Grundrecht, das die Freiheit des Glaubens und das Recht auf freie Religionsausübung garantiert. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, d. h. einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen, und einem anderen Glauben zuzuwenden („forum internum“), sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben („forum externum“). Umfasst sind damit nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Dazu gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und ihrer inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben, wozu auch die religiös motivierte Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds durch Kleidung gehört (BVerfG, U.v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; VG Augsburg, U.v. 30.6.2016 - Au 2 K 15.457 - juris m. w. N.).

Bei Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben (BVerfG, B.v. 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 - BVerfGE 24, 236). Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der Glaubensfreiheit angesehen werden muss. Die staatlichen Organe dürfen prüfen und entscheiden, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine religiös anzusehende Motivation hat (vgl. z. B. BVerfG, U.v. 15.1.2002 - 1 BvR 1783/99 - BVerfGE 104, 337).

Nach diesem Verständnis des Grundrechts der Religionsfreiheit ist dessen Schutzbereich eröffnet, weil das Tragen eines muslimischen Kopftuches („Hidschab“), durch das Haare und Hals nachvollziehbar aus religiösen Gründen bedeckt werden, als Teil der Religionsausübung nach außen in den Bereich des sog. „forum externum“ fällt (BVerfG, B.v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10; VG Augsburg - a. a. O. m. w. N.). Die Antragstellerin macht auch - ohne dass dies zweifelhaft erscheint - eine religiöse Motivation für das von ihr als aus Glaubensgründen verpflichtend dargestellte Tragen des Kopftuchs geltend. Die religiöse Fundierung der Pflicht, als Frau ein islamisches Kopftuch zu tragen, ist plausibel und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (s. hierzu BVerfG, B.v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296; VG Augsburg - a. a. O.).

Die Aufnahme von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand ist auch als Eingriff in die Religionsfreiheit zu sehen - unabhängig davon ob bei Durchführung der Aufnahmen ausschließlich eine weibliche Beamtin anwesend ist, denn die Aufnahmen sind aufgrund ihrer Speicherung weiteren, auch männlichen Polizisten zugänglich und werden ggf. auch im Rahmen von Zeugenbefragungen verwendet.

Es ist fraglich, ob dieser angeordnete Eingriff in die Religionsfreiheit der Antragstellerin verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

Dem Bescheid lässt sich nicht entnehmen, dass die Behörde den Aspekt der Religionsfreiheit der Antragstellerin bei der Prüfung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme berücksichtigt hat. Insofern steht aufgrund der insoweit fehlenden Begründung des Verwaltungsakts bereits ein Ermessensausfall im Raum.

Weiterhin stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Aufnahme von Lichtbildern der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand für die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe erforderlich ist. Es kann bei der erkennungsdienstlichen Behandlung zwar grundsätzlich die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes einer Person zur Vorbereitung von Identifizierungsmaßnahmen angeordnet und ggf. auch zwangsweise durchgeführt werden (Gercke/Julius/Temming u. a., StPO, § 81b Rn. 12). Nachdem sich die Antragstellerin jedoch mit Kopftuch bekleidet in der Öffentlichkeit bewegt und bislang ausschließlich mit Ladendiebstählen auffällig geworden ist, erschließt sich nicht ohne weiteres, warum die Aufnahme des gänzlich unverschleierten Kopfs der Antragstellerin erforderlich ist. Eine Klärung, zu welchen polizeilichen Zwecken das vom Antragsgegner als „wesentliche Personenmerkmale wir Haare, Ohren, Hals, Gesichtsform“ bezeichnete äußere Erscheinungsbild der Antragstellerin benötigt wird, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Außerdem bleibt auch bei Annahme der Erforderlichkeit von Lichtbildaufnahmen der Antragstellerin im gänzlich unverschleierten Zustand fraglich, ob die getroffene Anordnung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dem auch erkennungsdienstliche Maßnahmen unterliegen (Gercke/Julius/Temming u. a., StPO, § 81b Rn. 13), vereinbar ist, insbesondere ob es sich hierbei um einen unzulässigen Eingriff in die freie Religionsausübung handelt.

Die Glaubensfreiheit ist zwar nicht schrankenlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich jedoch aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang (vgl. BVerfG, B.v. 26.5.1970 - 1 BvR 83/69, 1 BvR 244/69, 1 BvR 345/69 - BVerfGE 28, 243). Dabei ist der Konflikt mit den anderen verfassungsrechtlich geschützten Gütern nach dem Grundsatz praktischer Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (BVerfG, B.v. 2.10.2003 - 1 BvR 536/03 - juris). Die schwächere Norm darf nur so weit zurückgedrängt werden, wie das logisch und systematisch zwingend erscheint; ihr sachlicher Grundwertgehalt muss in jedem Fall respektiert werden (BVerfG, B.v. 26.5.1970 - 1 BvR 83/69 - juris). Ob im Rahmen der Abwägung vorliegend von der Behörde der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit der Vorrang vor der Religionsfreiheit gegeben werden konnte oder ob, unter weitestmöglicher Schonung und damit Verwirklichung beider Verfassungsgüter im vorliegenden Konfliktfall eine Lösung gefunden werden musste, die die Glaubensfreiheit der Antragstellerin weitergehend berücksichtigt, kann im Rahmen der im Sofortverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht abschließend beantwortet werden.

Nach alledem sind die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin hinsichtlich der Anordnung der Fertigung von Lichtbildern im gänzlich unverschleierten Zustand als offen anzusehen.

Im Rahmen der sonach vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt insoweit das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollzugsinteresse, weshalb die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen war. Im Falle einer einstweiligen Fertigung von Lichtbildern im gänzlich unverschleierten Zustand, d. h. ohne Schleier, der Haare, Ohren und Hals bedeckt, steht die Verletzung der Glaubensfreiheit der Antragstellerin im Raum. Hingegen wird die öffentliche Sicherheit, wenn zunächst nur Lichtbilder der Antragstellerin im beschriebenen teilweise verschleierten Zustand aufgenommen werden können, angesichts der im Raum stehenden Tatvorwürfe gegen die Antragstellerin nicht in gravierender Weise beeinträchtigt, da diese Lichtbilder bei einer möglichen Tataufklärung in der Zukunft verwendet werden können.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem Anteil des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.

Die Streitwertentscheidung resultiert aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG. Das Gericht orientiert sich dabei am Streitwertkatalog 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Nr. 35.5 dieses Katalogs ist bei Streitigkeiten um erkennungsdienstliche Maßnahmen in der Hauptsache der Auffangwert (5.000,00 EUR) zu veranschlagen. Für das vorliegende Sofortverfahren war dieser Wert zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Tenor

I.

Es wird festgestellt, dass die mit dem Einstellungsbescheid vom 3. September 2014 (Gz: ...) verbundene Auflage „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ rechtswidrig war.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Tatbestand:

Die am ... 1990 in ... geborene, die pakistanische und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzende Klägerin ist muslimischen Glaubens. Sie leistet nach Ablegung des Ersten Juristischen Staatsexamens seit dem 1. Oktober 2014 in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis im Oberlandesgerichtsbezirk ... ihren juristischen Vorbereitungsdienst ab und begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer dienstlichen Auflage („Kopftuchverbot“).

Mit Antrag von 16. Juli 2014 bewarb sie sich beim Präsidenten des Oberlandesgerichts ... um die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst zum 1. Oktober 2014. Mit E-Mail vom 21. Juli 2014 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Aufnahme muslimischer Bewerberinnen in den Vorbereitungsdienst mit der Auflage verbunden werde, bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung, wie der Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes oder der Vernehmung von Zeugen in Zivilverfahren, keine Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale zu tragen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen.

Auf Nachfrage der Klägerin nach der dies rechtfertigenden Rechtsgrundlage wurde ihr am 22. Juli 2014 ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 4. Januar 2008 übermittelt, das anlässlich der Bewerbung einer Muslimin mit Kopftuch für den juristischen Vorbereitungsdienst Vorgaben zur Vorgehensweise enthält. Danach solle bei einer derartigen Bewerbung dem Aufnahmeantrag zwar - bei Vorliegen der sonstigen Aufnahmevoraussetzungen - entsprochen, der Bescheid über die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst aber mit der - ausdrücklich so zu bezeichnenden - vorgenannten Auflage verbunden werden. Am 5. August 2014 wurde die vorgesehene Beifügung der Auflage am Oberlandesgericht ... mit der Klägerin mündlich besprochen. Dabei erklärte sie u. a., dass die Auflage aus religiösen Gründen für sie unzumutbar sei. Sie halte das Tragen eines Kopftuchs („Hidschab“) für eine zwingende religiöse Pflicht. Sie sei aber bereit, ein unauffälliges Kopftuch zu tragen.

Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. September 2014 wurde sie zum Vorbereitungsdienst mit Beginn zum 1. Oktober 2014 mit der Auflage zugelassen, dass bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in der Zivilstation), keine Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung einzuschränken (im Folgenden: Auflage). Der der Klägerin am 5. September 2014 zugegangene Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Nach Antritt des Vorbereitungsdienstes beim Amtsgericht ... nahm die Klägerin u. a. am 7., 14., 21. und 28. November 2014 jeweils gemeinsam mit einer Mitreferendarin an mündlichen Verhandlungen ihrer Ausbilderin in der Zivilstation teil. Aufgrund der streitgegenständlichen Auflage ging die Ausbilderin davon aus, dass es der Klägerin untersagt sei, Verhandlungen zu leiten oder am Richtertisch Platz zu nehmen. Während der Mitreferendarin am 21. November 2014 am Richtertisch u. a. die Einführung in den Sach- und Streitstand übertragen wurde, wohnte die Klägerin der Verhandlung im Zuschauerbereich bei. Hierauf wurde sie an einem der Verhandlungstage auch von einem Rechtsanwalt als Vertreter einer Prozesspartei angesprochen.

Am 14. November 2014 remonstrierte die Klägerin gegenüber ihrer vorgesetzten Ausbildungsrichterin in der Zivilstation gemäß Art. 7 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) i. v. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Sicherung des juristischen Vorbereitungsdienstes (SiGjurVD) gegen die Auflage und deren Vollzug.

Am 20. Januar 2015 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Auflage mit der Begründung, sie wisse nicht, wie weit die Auflage reiche und ob jegliche praktische Tätigkeit ausgeschlossen sei.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgericht ... vom 3. März 2015, zugestellt am 7. März 2015, zurückgewiesen.

Vom 1. März bis 31. Mai 2015 leistete die Klägerin ihre Strafrechtsstation beim Strafrichter ab. Die Ausbildung beschränkte sich aufgrund der Auflage auf das Aktenstudium sowie die Anfertigung schriftlicher Arbeiten. Gerichtsverhandlungen wurden nur aus dem Zuschauerraum heraus verfolgt. Eine Übertragung praktischer Tätigkeiten erfolgte nicht.

Mit beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 3. April 2015 eingegangenem Schreiben vom 2. April 2015 erhob die Klägerin hiergegen Klage mit dem Antrag, die mit dem Einstellungsbescheid vom 3. September 2014 verbundene Auflage sowie den Widerspruchsbescheid vom 3. März 2015 aufzuheben.

Die Klage wurde im Wesentlichen damit begründet, dass keine Rechtsgrundlage für die Auflage bestehe und sie daher gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts verstoße. Da ein besonders intensiver Eingriff in die Freiheitsrechte vorliege, sei ein hinreichend bestimmtes formell-rechtliches Gesetz, das tatbestandlich zudem an eine bestimmte Gefahr für kollidierendes objektives Verfassungsrecht anknüpfe, zu fordern. Ein solches sei aber nicht vorhanden. Insbesondere könne nicht die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Da die JAPO nur eine exekutive Rechtsverordnung sei, fehle es bereits an der formell-gesetzlichen Qualität. Zudem enthalte die Rechtsverordnung schon dem Wortlaut nach keine Rechtsgrundlage für eine derartige Auflage. Insbesondere gehe aus dem Widerspruchsbescheid nicht hervor, an welchen konkreten Versagungstatbestand die Verbotsverfügung anknüpfe. Mangels Entscheidungsermessens finde sich auch im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) keine Rechtsgrundlage.

Die Auflage sei mit dem in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen niedergelegten Ziel des Vorbereitungsdienstes unvereinbar und beeinträchtige daher die Ausbildungsfreiheit. Ausbildungsziel sei die eigenverantwortliche Übernahme praktischer Tätigkeiten und die Erlangung richterlicher Kompetenzen. Daraus ergebe sich ein Recht der Rechtsreferendare zur Wahrnehmung von richterlichen Tätigkeiten wie etwa die Beweiserhebung oder die Leitung einer mündlichen Verhandlung. Die Auflage verhindere aber die Erreichung dieses Ausbildungsziels. Da es dem jeweiligen Ausbildungsrichter obliege, einzelne richterliche Aufgaben zu übertragen, könne diese Kompetenz nicht im Vorfeld durch eine restriktive Auflage ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sei die Verwaltungspraxis gleichheitswidrig, da nur muslimische Referendarinnen mit einer derartigen Auflage beschwert würden. Ein zulässiges Differenzierungskriterium sei nicht ersichtlich. Es bestünden im Vergleich zu den übrigen Referendaren anderer Glaubensrichtungen keine Unterschiede von solcher Art, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würden.

Schließlich genüge die Auflage auch nicht dem Bestimmtheitsgebot. Beispielweise sei unklar, ob die Auflage auch Tätigkeiten - wie etwa die bloße Präsenz am Richtertisch - erfasse. Diese Unsicherheit zeige sich daran, dass die zuständige Ausbildungsrichterin in der Zivilstation zunächst Rücksprache mit dem Oberlandesgericht ... habe nehmen müssen, ob eine derartige Tätigkeit mit der Auflage vereinbar sei. Diese Unsicherheit sei aber im Hinblick auf die gravierende Rechtsfolge dieses Verstoßes (Beendigung des Ausbildungsverhältnisses) nicht hinnehmbar.

Mit Bescheid vom 15. Juni 2015 hob der Präsident des Oberlandesgerichts ... die streitgegenständliche Auflage vom 3. September 2014 auf, da mit Ablauf des 31. Mai 2015 die Strafrechtsstation beendet worden und die besagte Auflage daher nicht mehr erforderlich sei.

Mit Schreiben der Klägerin vom 9. Juli 2015 wurde daraufhin der ursprüngliche Klageantrag angepasst. Sie stellt nunmehr den Antrag,

festzustellen, dass die mit dem Einstellungsbescheid vom 3. September 2014 (Gz: ...) verbundene Auflage „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ rechtswidrig gewesen ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt hat.

Begründet wurde die Umstellung des Klageantrags im Wesentlichen damit, dass sich das ursprüngliche Klagebegehren durch die Aufhebung der Auflage erledigt habe. Es bestehe ein besonderes Interesse an der Feststellung, dass die Auflage rechtswidrig gewesen sei. Das Kopftuchverbot stelle eine besonders schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigung dar, da nicht lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit der Klägerin tangiert sei, sondern sie gerade auch in der Religions- und Ausbildungsfreiheit betroffen werde. Aufgrund der stigmatisierenden Wirkung sowie der besonderen Abhängigkeitssituation durch das Angewiesensein der Klägerin auf das monopolisierte Ausbildungsverhältnis handele es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff.

Auch sei von einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen, da der Beklagte die Auflage lediglich im Hinblick auf die Beendigung der Strafrechtsstation aufgehoben habe. Ein erneuter Erlass mit identischem Inhalt würde bevorstehen, sobald sich die Klägerin wieder bewerbe, etwa für die Wahlstation im Rahmen des Vorbereitungsdienstes oder nach Abschluss der Ausbildung für eine berufliche Laufbahn in der bayerischen Justiz.

Schließlich bestehe ein Rehabilitationsinteresse, da die Auflage eindeutig diskriminierenden Charakter aufgewiesen habe. Sie habe die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, ihrer Religionsfreiheit, sowie in ihrer Ausbildungsfreiheit verletzt. Diese Verletzungen wirkten auch diskriminierend, da die Geschehnisse der Öffentlichkeit und insbesondere den anderen Mitreferendaren sowie den Beteiligten in Gerichtsverhandlungen nicht verschlossen geblieben seien. Zudem offenbare sich die diskriminierende Wirkung der Auflage bereits durch die in der E-Mail vom 21. Juli 2014 zum Ausdruck gebrachte Motivation für den Erlass der Auflage, die unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Religionszugehörigkeit erfolgt sei.

Mit Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 27. August 2015 wandte sich der Beklagte gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei unzulässig, da es am Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehle. Ein tiefgreifender Grundrechtseingriff liege nicht vor, da der Klägerin nicht generell versagt worden sei, konnotierte Kleidung während des Vorbereitungsdienstes zu tragen. Ob ein Ausbildungsrichter einem Rechtsreferendar eine Sitzungsleitung übertrage, liege ohnehin allein in dessen Ermessen. Die nicht durchgeführte Sitzungsleitung sei auch nicht negativ im Ausbildungszeugnis berücksichtigt worden. Beim Strafgericht komme eine Verhandlungsleitung generell nicht in Betracht. Zudem reiche allein ein tiefgreifender Grundrechtseingriff nicht für die Bejahung des besonderen Feststellungsinteresses aus. vielmehr sei ein Eingriffsakt nötig, der wegen seiner typischerweise kurzfristigen Erledigung sonst regelmäßig keiner gerichtlichen Prüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könne. Dies sei hier - im Falle einer Nebenbestimmung zu einem Dauerverwaltungsakt - nicht der Fall.

Auch bestehe kein Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr. Die bloß vage Möglichkeit einer Wiederholung reiche nicht. Es sei nicht beabsichtigt, gegenüber der Klägerin für die restliche Zeit der Ausbildung erneut eine derartige Auflage zu erlassen. Dies gelte auch für den Fall, dass die Klägerin ihr Pflichtwahlpraktikum im Berufsfeld „Justiz“ absolviere.

Schließlich bestehe kein Rehabilitationsinteresse, da die Klägerin nicht diskriminiert worden sei. Ob einem Rechtsreferendar die Leitung der Sitzung übertragen werde oder ob dieser auf der Richterbank oder im Zuschauerraum teilnehme, stehe allein im Ermessen des Ausbildungsrichters. Weiterhin stelle die Auflage nicht auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft ab, sondern trage dem Gebot der Neutralität des Staates bei der Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse Rechnung. Auch an der für eine Diskriminierung erforderlichen Außenwirkung fehle es. Seitens des Beklagten sei die Erteilung der Auflage weder an andere Rechtsreferendare, noch an andere Sitzungsbeteiligte zur Kenntnis gebracht worden. Aus dem Umstand, dass die Klägerin bei den von ihr besuchten Gerichtsverhandlungen nicht auf der Richterbank gesessen sei, könne kein Rückschluss auf die Existenz und den Inhalt der Auflage gezogen werden.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und führte ergänzend aus, es liege ein besonderes Feststellungsinteresse in Form eines Präjudizinteresses vor. Die Klägerin bereite neben dem hiesigen Verfahren einen Amtshaftungsprozess infolge der diskriminierenden Auflagenerteilung durch den Beklagten vor. Damit sei ein entsprechender Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten. Auch erscheine dieser nicht offenbar aussichtslos. Hiervon sei nur auszugehen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar sei, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen könne. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten gerichtet auf Entschädigung in Form von Schmerzensgeld wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin sei aber nicht von vornherein ausgeschlossen.

Der Beklagte äußerte sich mit Schreiben vom 4. März 2016 hierzu und legte insbesondere dar, dass kein präjudizielles Feststellungsinteresse vorliege, weil der angestrebte Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess offensichtlich aussichtlos sei. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld scheide aus, da weder Körper, Gesundheit, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung der Klägerin verletzt seien und Schmerzensgeld bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht gewährt werde. Ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stehe der Klägerin offenkundig nicht zu, da eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vorliege. Eine Einschränkung der Religionsfreiheit führe nicht automatisch zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung. Auch liege keine diskriminierende Wirkung der Auflage vor, so dass dieser Umstand nicht zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen könne. Auf die Anordnungen der Ausbildungsrichterin könne nicht abgestellt werden, da diese keine Verwaltungsakte seien und auch keine Vollziehung der streitgegenständlichen Auflage darstellen würden. Unabhängig davon scheide ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung aber jedenfalls deswegen aus, da es sich nicht um einen besonders schwerwiegenden Eingriff handele und die Beeinträchtigung auch in anderer Weise - nämlich durch Anstrengung eines Verfahrens zur Gewährung einstweiligen Rechtschutzes - befriedigend ausgeglichen hätte werden können.

Mit Schreiben vom 27. Juni 2016 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass diese einen Anspruch auf Ersatz des durch die streitgegenständliche Auflage entstandenen immateriellen Schadens wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts klageweise vor dem Landgericht ... in Form eines Amtshaftungsprozesses geltend gemacht habe.

Am 30. Juni 2016 fand mündliche Verhandlung statt. Die Sache wurde mit den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellte klar, dass vom Klageantrag das zunächst geltend gemacht Begehren festzustellen, dass die Auflage die Klägerin in ihren eigenen Rechten verletzt hat, nicht umfasst sein soll.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2016 Bezug genommen.

Gründe

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet, da die dem Zulassungsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. September 2014 beigefügte (mit Bescheid vom 15. Juni 2015 aufgehobene) Auflage, „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ (in der Gestalt des - ausgehend vom Klageantrag nicht Gegenstand des Fortsetzungsfeststellungsbegehrens darstellenden - Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. März 2015) rechtswidrig war (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog).

A) Die Klage erweist sich als zulässig.

I)

Die zunächst statthafte isolierte Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Auflage wurde nach deren Aufhebung durch Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 15. Juni 2015 und die dadurch eingetretene Erledigung (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG) gemäß § 173 VwGO i. v. m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässigerweise in eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog umgestellt (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 22.1.1998 - 2 C 4.97 - BayVBl 1998, 668). Zur Sicherstellung einer umfassenden Rechtsweggarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG ist bei Erledigung einer Nebenbestimmung die Feststellung der Rechtswidrigkeit der jeweiligen Nebenbestimmung im Rahmen einer analogen Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 15.1.2008 - 1 C 17.07 - NVwZ 2008, 796; VG Berlin, U. v. 11.3.2016 - 1 K 59.14 - juris Rn. 16 ff.; VG Hamburg, U. v. 4.5.2015 - 15 K 5256/13 - juris Rn. 27 ff.; Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2016, § 113 Rn. 79; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 36 Rn. 55a).

II)

Die Klägerin hat das Vorliegen des notwendigen Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ausreichend dargetan. Aus dessen Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur dann zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat. Es muss - unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der betroffenen Rechtspositionen - über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung hinausgehen und kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein (vgl. hierzu z. B. BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 20.12 - ZfWG 2013, 454). Maßgeblich ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet erscheint, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 130 m. w. N.).

Das erforderliche Feststellungsinteresse kann sich aus einem Rehabilitationsinteresse, aus einer Wiederholungsgefahr oder aus der Absicht ergeben, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, sofern dieser nicht von vornherein als aussichtslos erscheint. Zusätzlich kommt das Bestehen eines berechtigten Feststellungsinteresses auch in den Fällen in Betracht, in denen die erledigte behördliche Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht. Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen (BVerwG, B. v. 5.2.2015 - 1 WB 24.14 - juris Rn. 20; U. v. 26.2.2014 - 6 C 1.13 - NVwZ 2014, 883; U. v. 16.5.2013 - 8 C 15.12 - ZfWG 2013, 380; B. v. 30.4.1999 - 1 B 36.99 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 6).

1) Die Klägerin kann hier kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr geltend machen. Hierfür ist Voraussetzung, dass die geltend gemachte Wiederholungsgefahr hinreichend konkret ist (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - NJW 2004, 2512; BVerwG, B. v. 26.4.1993 - 4 B 31.93 - NVwZ 1994, 282; U. v. 21.11.1980 - 7 C 18.79 - DVBl 1981, 682). Eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr ist im vorliegenden Fall aber weder substantiiert vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Nach ihren eigenen Angaben wird die Klägerin ab dem 1. Juli 2016 das Pflichtwahlpraktikum im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes für drei Monate beim Auswärtigen Amt in Berlin und anschließend bis zum Ausscheiden aus dem Vorbereitungsdienst Anfang Dezember 2016 bei der Rechtsanwaltskanzlei ... in ... ableisten. Bei dieser Sachlage erscheint das Eintreten einer mit der Konstellation in der Zivil- oder Strafrechtsstation vergleichbaren Situation ausgeschlossen, da bei den vorgenannten Ausbildungsstellen keine Möglichkeit besteht, hoheitliche Tätigkeiten mit vergleichbarer Außenwirkung zu Ausbildungszwecken übertragen zu erhalten. Für den Fall, dass die Klägerin entgegen ihrer derzeitigen Planungen doch noch beabsichtigen sollte, das Pflichtwahlpraktikum bei der bayerischen Justiz abzuleisten, fehlt es hierfür an konkreten Anhaltspunkten, die das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr rechtfertigen könnten, zumal der Beklagte erklärt hat, dabei auf den erneuten Erlass der streitgegenständlichen Auflage zu verzichten.

Falls die Klägerin nach Abschluss ihrer Ausbildung möglicherweise eine Laufbahn in der bayerischen Justiz anstreben sollte, vermag auch dies nicht zur Bejahung einer Wiederholungsgefahr führen, da in diesem Fall eine rechtlich andere Situation eintreten würde, die mit der derzeitigen Ausbildungssituation nicht vergleichbar ist.

2) Das besondere Feststellungsinteresse kann auch nicht wegen eines durch die Umsetzung der Auflage eingetretenen schweren Grundrechtseingriffs bejaht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann allein ein tiefgreifendender Grundrechtseingriff das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründen. Eine Ausnahme gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könnten (BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 22.12 - BVerwGE 146, 303). Letzteres ist bei der streitgegenständlichen Auflage - als Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - nicht der Fall. Da der behauptete Grundrechtseingriff - nach der am 15. Juni 2015 erfolgten Aufhebung der Auflage - nicht fortdauert, fehlt es schon an der notwendigen Schwere des Grundrechtseingriffs. Zwar werden durch die Auflage insbesondere die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art 107 Abs. 1, 2 und 4 BV gewährleisteten Grundrechte inhaltlich tangiert. Der Klägerin war es jedoch nur im Hinblick auf einzelne bzw. marginale Ausschnitte des Referendariats verwehrt, konnotierte Kleidung zu tragen. Im Rahmen der Strafrechtstation war sie im Übrigen nicht der Staatsanwaltschaft, sondern einer Strafrichterin zugewiesen. Hier sind nach § 10 Satz 1 GVG keine Tätigkeiten mit Außenauftritt vorgesehen und auch nicht erfolgt. Für einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff ist aber eine Eingriffsintensität notwendig, die einem Berufsverbot gleichkommt (Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 146). Hiervon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, da es der Klägerin im Rahmen ihrer Ausbildung außerhalb der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten gestattet war, ein Kopftuch zu tragen und zudem weder vorgetragen noch sonst erkennbar ist, dass sie durch die Umsetzung der Auflage sonstige Nachteile nennenswerter Art erlitten hat.

3) Mangels Entscheidungsrelevanz kann dahinstehen, ob die Klägerin ein besonders Feststellungsinteresse in der Form des Rehabilitationsinteresses besitzt. Dieses liegt vor, wenn die begehrte Feststellung, dass der Verwaltungsakt bzw. die Nebenbestimmung rechtswidrig war, als „Genugtuung“ erforderlich ist, weil die behördliche Maßnahme diskriminierenden Charakter hatte und diese geeignet war, eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen herbeizuführen (BVerfG, B. v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - NJW 2004, 2512; BVerwG, U. v. 21.3.2013 - 3 C 6.12 - NVwZ 2013, 1550). Im vorliegenden Fall könnte die diskriminierende Wirkung der streitgegenständlichen Auflage daraus folgen, dass es der Klägerin, die u. a. am 7., 14., 21. und 28. November 2014 jeweils gemeinsam mit einer Mitreferendarin den Verhandlungen ihrer Ausbildungsrichterin in der Zivilstation beiwohnte, aufgrund der streitgegenständlichen Auflage untersagt war, die Verhandlungen (zeitweise) zu leiten oder am Richtertisch Platz zu nehmen. Da sie von einem an den Gerichtsterminen teilnehmenden Rechtsanwalt darauf angesprochen wurde, wieso nicht auch sie auf der Richterbank sitze, ist eine Situation entstanden, bei der eine gewisse Stigmatisierung der Klägerin zumindest nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint.

Die Argumentation der Beklagtenseite, dass seitens der Behörde keine Bekanntgabe der Auflage nach außen erfolgt sei und deshalb keine Außenwirkung vorliege und auch nicht in abstrakter Weise auf die Existenz einer solchen Auflage geschlossen werden könne, kann nicht durchgreifen. Für den Ausschluss des Rehabilitationsinteresses ist maßgeblich, dass der Auflage - aufgrund welcher konkreten Umstände auch immer - überhaupt keine Außenwirkung zukommt (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.2013 - 8 C 20.12 - ZfWG 2013, 454; BayVGH, B. v. 25.4.2014 - 12 ZB 13.1197 - Rn. 10; VG Magdeburg, U. v. 24.10.2013 - 4 A 155/13 - juris Rn. 27). Dies ist hier aber nicht der Fall. Indem jedenfalls die Mitreferendarin und die Ausbildungsrichterin von der Auflage Kenntnis hatten, erlangte die Maßnahme - wenn auch nur in beschränktem Umfang - Außenwirkung.

Falls vom Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses ausgegangen würde, wäre dieses bei wertender Betrachtung der Verhältnisse des Einzelfalls aber wohl nicht als schutzwürdig einzustufen. Es spricht hier einiges dafür, dass dessen Schutzwürdigkeit wegen widersprüchlichen Verhaltens der Klägerin („venire contra factum proprium“) entfallen ist. Ein solches Verhalten dürfte darin zu sehen sein, dass sie - obwohl sie bereits mit der Zustellung des Zulassungsbescheids am 5. September 2014 mit der streitgegenständlichen Auflage beschwert war - bis zum 20. Januar 2015 mit der Einlegung des gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung auslösenden Widerspruchs abwartete und die mit dem Kopftuchverbot verbundenen Ausbildungseinschränkungen zunächst hinnahm. Dadurch, dass die Klägerin am 14. November 2014 gegen die Auflage „Beschwerde“ bei ihrer damaligen gemäß § 52 Abs. 2 JAPO vorgesetzten Ausbildungsrichterin erhoben und sich folglich mittels Remonstration (Art. 7 BayBG i. v. m. Art 2 Abs. 2 Satz 1 SiGjurVD) gegen die Auflage gewandt hat, dürfte in diesem Zusammenhang nicht ausreichen, um das Absehen von der Erhebung eines Widerspruchs zu kompensieren und das Bestehen des Rehabilitationsinteresses begründen zu können. Nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung wollte die Klägerin damit den Dienstweg einhalten und eine Klärung erreichen, welche Folgen mit der Auflage in der Praxis verbunden sind und wie die Auflage konkret umgesetzt wird. Da die ersten Ausbildungstage in der Zivilstation am 7. bzw. 14. November 2014 stattfanden, dürfte es im Hinblick auf das Rehabilitationsinteresse letztlich wohl als gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten anzusehen sein, zunächst das tatsächliche Ausmaß der Folgen der streitgegenständlichen Auflage für ihre Ausbildung abzuwarten, anschließend lediglich eine nicht mit aufschiebender Wirkung verbundene „Beschwerde“ bei der Ausbildungsrichterin einzulegen (Remonstration) und erst einige Wochen nach dem Entstehen des von ihr später als diskriminierend beanstandeten Ausbildungsgeschehens Widerspruch zu erheben.

4) Ein besonderes Feststellungsinteresse besteht aber jedenfalls deshalb, weil die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Auflage präjudiziell für die Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs durch die Klägerin sein kann. Das setzt zunächst voraus, dass sich die Nebenbestimmung nach Klagerhebung erledigt hat, der Amtshaftungsprozess mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist und nicht offensichtlich aussichtslos erscheint (BVerwG, U. v. 22.1.1998 - 2 C 4.97 - NVwZ 1999, 404; BayVGH, U. v. 14.1.1991 - 2 B 90.1756 - NVwZ-RR 1991, 519). Eine Erledigung nach Klageerhebung liegt vor, da die Klägerin am 3. April 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben hat und die Auflage erst nachfolgend mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 15. Juni 2015 (wieder) aufgehoben wurde. Weiter teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 27. Juni 2016 mit, dass mittlerweile ein Amtshaftungsprozess gerichtet auf Ersatz des durch die streitgegenständliche Auflage entstandenen immateriellen Schadens wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor dem Landgericht ... anhängig gemacht wurde. Schließlich war auch nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Amtshaftungsprozesses auszugehen. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (BVerwG, U. v. 22.1.1998 - 2 C 4.97 - BayVBl 1998, 668; Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 136; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2016, § 113 Rn. 89). In Betracht kommt vorliegend ein Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 GG i. v. m. § 839 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB i. v. m. Art. 2 Abs. 1 i. v. m. Art. 1 Abs. 1 GG. voraussetzung hierfür ist eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, bei der die Beeinträchtigung nach der Art der Verletzung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (Sprau in Palandt, BGB, 75. Aufl. 2016, § 823 Rn. 130 m. w. N.). Dass hier eine solche qualifizierte Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vollumfänglich auszuschließen ist, kann aber nicht von vornherein und ohne genauere rechtliche Prüfung angenommen werden.

III)

Auch im Übrigen erweist sich die Klage als zulässig. Insbesondere ist die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gegeben, da es zumindest möglich erscheint, dass die Klägerin in ihrer Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art. 107 Abs. 1, 2 und 4 BV oder in Bezug auf das Grundrecht der Ausbildungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 101 BV verletzt ist (s. hierzu Kopp/Schenke, a. a. O., § 42 Rn. 66; Happ in Eyermann, a. a. O., § 42 Rn. 93 m. w. N.).

B) Die Klage ist auch begründet, da die dem Zulassungsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. September 2014 beigefügte (mit Bescheid vom 15. Juni 2015 aufgehobene) Auflage, „dass bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung (z. B. Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes, Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen in der Zivilstation) keine Kleidungsstücke, Symbole und andere Merkmale getragen werden dürfen, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen“ (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. März 2015) rechtswidrig war (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Dabei war als maßgeblicher Zeitpunkt für die der Entscheidung über das Fortsetzungsfeststellungsbegehren zugrunde zulegende Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Aufhebung der Auflage durch Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 15. Juni 2015, also den Zeitpunkt der Erledigung, abzustellen (Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 147).

I)

Es kann dahingestellt bleiben, ob es der gegenüber der Klägerin erlassenen Auflage bereits an der nötigen Bestimmtheit nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG fehlte. von einer hinreichenden Bestimmtheit einer behördlichen Anordnung kann ausgegangen werden, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung für die am Verwaltungsverfahren Beteiligten, insbesondere für den Adressaten der Regelung, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass sie ihr Verhalten danach richten können (BVerwG, U. v. 2.7.2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259; B. v. 24.6.1971 - I C 39.67 - BVerwGE 38, 211). Diese Anforderungen dürften hier jedenfalls insoweit eingehalten worden sein, als der Inhalt der Auflage durch die aufgeführten Beispiele „Wahrnehmung des staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienstes und Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen in der Zivilstation“ soweit konkretisiert wurde, dass sowohl für die Klägerin als auch für deren Ausbildungsrichterin ersichtlich war, dass die Auflage die Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten betrifft, die dem Rechtsreferendar nach § 10 Satz 1, § 142 Abs. 3 GVG im Rahmen der Ausbildung übertragen werden können. Ob darüber hinaus bestehende Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit zur Rechtswidrigkeit der Auflage führen könnten, bedarf letztlich keiner Entscheidung, da sich die Rechtswidrigkeit jedenfalls aus dem Umstand ergibt, dass keine Rechtsgrundlage vorlag, die den Erlass der Auflage zu rechtfertigen in der Lage gewesen wäre.

II)

Dem Beklagten steht für die Beifügung der streitgegenständlichen Auflage zum Zulassungsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts ... vom 3. September 2014 keine Befugnisnorm zur Verfügung.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist für behördliche Eingriffe in Form von Verboten (auch in der Gestalt von Nebenbestimmungen), z. B. Auflagen im Sinn von Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, sowie wirkungsähnlichen anderen Maßnahmen, die in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, dadurch die Reichweite des Grundrechts beschränken und damit „wesentlich“ sind in dem Sinne, dass sie die Grundlagen der sozialen Gemeinschaft betreffen, ein Parlamentsgesetz durch den förmlichen Gesetzgeber erforderlich (BVerfG, U. v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; s. auch BayVGH, B. v. 22.4.2014 - 7 CS 13.2592, 7 C 13.2593 - BayVBl 2014, 533; VG Düsseldorf, U. v. 8.11.2013 - 26 K 5907/12 - juris Rn. 48; VG Augsburg, U. v. 16.4.2013 - Au 3 K 12.1328 - juris Rn. 23).

Im vorliegenden Fall ist u. a. der Schutzbereich der Religionsfreiheit betroffen und der inhaltliche Geltungsbereich dieses Grundrechts durch die streitgegenständliche Auflage beeinträchtigt. Art. 4 Abs. 1 und 2 GG bzw. Art. 107 Abs. 1, 2 und 4 BV enthalten ein umfassend zu verstehendes Grundrecht, das die Freiheit des Glaubens und das Recht auf freie Religionsausübung garantiert. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, d. h. einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen, und einem anderen Glauben zuzuwenden („forum internum“), sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben („forum externum“). Umfasst sind damit nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen und weltanschaulichen Lebens. Dazu gehört auch das Recht der Einzelnen, ihr gesamtes Verhalten an den Lehren ihres Glaubens auszurichten und ihrer inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln, also glaubensgeleitet zu leben, wozu auch die religiös motivierte Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds durch Kleidung gehört (BVerfG, U. v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; B. v. 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 - BVerfGE 24, 236; B. v. 19.10.1971 - 1 BvR 387/65 - BVerfGE 32, 98; Meder/Brechmann, BV, 5. Aufl. 2014, Art. 107 Anm. 1 f.).

Bei Würdigung dessen, was im Einzelfall als Ausübung von Religion und Weltanschauung zu betrachten ist, darf das Selbstverständnis der jeweils betroffenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und des einzelnen Grundrechtsträgers nicht außer Betracht bleiben (BVerfG, B. v. 16.10.1968 - 1 BvR 241/66 - BVerfGE 24, 236). Dies bedeutet jedoch nicht, dass jegliches Verhalten einer Person allein nach deren subjektiver Bestimmung als Ausdruck der Glaubensfreiheit angesehen werden muss. Die staatlichen Organe dürfen prüfen und entscheiden, ob hinreichend substantiiert dargelegt ist, dass sich das Verhalten tatsächlich nach geistigem Gehalt und äußerer Erscheinung in plausibler Weise dem Schutzbereich des Art. 4 GG zuordnen lässt, also tatsächlich eine religiös anzusehende Motivation hat (vgl. z. B. BVerfG, U. v. 15.1.2002 - 1 BvR 1783/99 - BVerfGE 104, 337).

Nach diesem Verständnis des Grundrechts der Religionsfreiheit ist dessen Schutzbereich eröffnet, weil das Tragen eines muslimischen Kopftuches („Hidschab“), durch das Haare und Hals nachvollziehbar aus religiösen Gründen bedeckt werden, als Teil der Religionsausübung nach außen in den Bereich des sog. „forum externum“ fällt (BVerfG, B. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296; U. v. 24.9.2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; KG Berlin, U. v. 9.10.2012 - (3) 121 Ss 166/12 (120/12) - juris Rn. 5 f.; VG Augsburg U. v. 16.4.2013 - Au 3 K 12.1328 - juris Rn. 23; Böckenförde, NJW 2001, 723). Die Klägerin macht auch - ohne dass dies zweifelhaft erscheint - eine religiöse Motivation für das von ihr als aus Glaubensgründen verpflichtend dargestellte Tragen des Kopftuchs geltend. Die religiöse Fundierung der Pflicht, als Frau ein islamisches Kopftuch zu tragen, ist plausibel und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (s. hierzu BVerfG, B. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296).

Die Klägerin kann sich auch als Rechtsreferendarin in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis auf ihr Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG berufen (vgl. für Beamte BVerfG, U. v. 24.9.2003 - BvR 1436/02 - BVerfGE 108, 282; für Angestellte im öffentlichen Dienst BVerfG, B. v. 27.1.2015 - 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10 - BVerfGE 138, 296).

Da die streitgegenständliche Auflage ein staatliches Handeln darstellt, welches der Klägerin ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, erheblich erschwert oder unmöglich macht, ist der Eingriffscharakter dieser Maßnahme nach dem Eingriffsbegriff des Bundesverfassungsgerichts zu bejahen (BVerfG, U. v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279).

Damit ist zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Auflage ein formelles Parlamentsgesetz erforderlich. Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen insbesondere dann selbst zu treffen, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte und grundlegende verfassungsrechtliche Prinzipien aufeinander treffen und deren Grenzen ineinander fließen und nur schwer festzustellen sind. Das ist hier - wie auf dem Gebiet des öffentlichen Bildungswesens - der Fall, da insbesondere das konfliktträchtige verfassungsrechtliche Geflecht im Überschneidungsbereich von Religions- und Ausbildungsfreiheit einerseits und dem im Aufgabenfeld der Justiz besondere Bedeutung zukommenden Neutralitätsgebot eine legislative Auflösung erfordert. Eine verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Rechtsgrundlage, die es erlaubt, einer muslimischen Rechtsreferendarin bei der Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten mit Außenwirkung im juristischen Vorbereitungsdienst das Tragen von Kleidungsstücken, Symbolen und anderen Merkmalen zu verbieten, die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung zu beeinträchtigen, ist aber weder dem Bundes- noch dem Landesrecht zu entnehmen.

1) § 46 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. a und Buchst. b JAPO werden diesen Anforderungen schon allein deshalb nicht gerecht, da sie lediglich Teil einer exekutiven Rechtsverordnung sind.

Selbst für den Fall, dass § 46 Abs. 6 Nr. 2 JAPO als Befugnisnorm in Betracht käme, wären die Voraussetzungen für eine Anwendung inhaltlich nicht erfüllt. Danach kann die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst versagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die die Bewerber für den Vorbereitungsdienst als ungeeignet erscheinen lassen. Nach § 46 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. a JAPO ist dies insbesondere der Fall, wenn Tatsachen in der Person der Bewerber die Gefahr einer erheblichen Störung des Dienstbetriebs begründen. Weiter kann die Aufnahme in das Rechtsreferendariat nach § 46 Abs. 6 Nr. 2 Buchst. b JAPO versagt werden, wenn Tatsachen in der Person der Bewerber die Gefahr begründen, dass durch die Aufnahme der Bewerber wichtige öffentliche Belange erheblich beeinträchtigt würden. Im vorliegenden Fall sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass durch das Tragen eines islamischen Kopftuchs seitens der Klägerin der Dienstbetrieb, hier also der juristische Vorbereitungsdienst, gestört würde. Für Reibungspunkte mit anderen Referendaren, den Arbeitsgemeinschaftsleitern bzw. den praktischen Ausbildern der Klägerin oder Prozessbeteiligten ist nichts ersichtlich. Was eine mögliche erhebliche Beeinträchtigung öffentlicher Belange betrifft, trägt die Beklagtenseite hierzu jedenfalls nichts substantiiert vor. Im Ergebnis hätte daher nicht davon ausgegangen werden können, dass mit der streitgegenständlichen Auflage beabsichtigt war, die gesetzlichen Voraussetzungen des § 46 JAPO zu sichern.

2) Art. 36 BayVwVfG scheidet als mögliche Rechtsgrundlage ebenfalls aus. Nachdem es sich bei der Entscheidung über die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst nicht um eine Ermessensentscheidung handelt (s. Art. 46 Abs. 1 und 4 JAPO), greift die allgemeine Ermächtigung zur Beifügung von Nebenbestimmungen bei Ermessensverwaltungsakten aus Art. 36 Abs. 2 BayVwVfG nicht (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 36 Rn. 46 ff.). Aber auch für eine Beifügung von Nebenbestimmungen nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG ist kein Raum. Nach dieser Vorschrift darf einem Verwaltungsakt, auf dessen Erlass - bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen - ein Anspruch besteht, außer in den Fällen einer ausdrücklichen Ermächtigung der Behörde, eine Nebenbestimmung nur dann und nur insoweit beigefügt werden, als dadurch gewährleistet wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden (BVerwG, U. v. 17.10.1997 - 8 C 18.96 - NJW 1998, 94). Wie oben aber bereits dargelegt, kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass mit der streitgegenständlichen Auflage beabsichtigt gewesen war, die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst gemäß § 46 JAPO zu sichern.

3) Die entsprechende Anwendung von Art. 59 Abs. 2 Satz 3 BayEUG, der bestimmt, dass äußere Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden dürfen, sofern die Symbole und Kleidungsstücke bei den Schülerinnen und Schülern oder den Eltern auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist, auf Rechtsreferendare scheidet sowohl methodisch als auch aus Rechtsgründen aus. Im Übrigen wäre im Fall der Übertragbarkeit der Regelung Art. 59 Abs. 2 Satz 5 BayEUG zu beachten, der im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG gerade Ausnahmen von Satz 3 für Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst vorsieht.

4) Auch aus einer entsprechenden Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen für Richter ließe sich das Kopftuchverbot nicht rechtfertigen. Der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit ist in Art. 97 Abs. 1 GG bzw. Art. 5 Abs. 3, Art. 85 BV, § 39 DRiG sowie Art. 2 Abs. 1 BayRiG i. v. m. § 33 Abs. 1 BeamtStG verankert. Danach soll der Richter in besonderer Weise neutral sein, er ist nur an das Gesetz gebunden. Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird, d. h. es wird verlangt, unabhängig nach außen zu erscheinen (Staats, DRiG, Kommentar, § 39 Rn. 2). Zwar liegt es nahe anzunehmen, dass dieser Grundsatz durch das Tragen eines religiös motivierten Kopftuchs gefährdet wird. Hierfür spricht auch Art. 140 GG i. v. m. Art. 137 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV). Die in institutioneller und ideeller Hinsicht Bedeutung besitzende Regelung wirkt nicht nur einer unbotmäßigen institutionellen Verflechtung von Staat und Religionsgemeinschaften entgegen, sondern auch der Identifizierung des Staates mit einer bestimmten Religion (vgl. z. B. BVerfG, U. v. 19.12.2000 - 2 BvR 1500/97 - BVerfGE 102, 370; B. v. 26.6.2002 - 1 BvR 670/91 - BVerfGE 105, 279). Allerdings kommt zum einen die entsprechende Anwendung von Richter betreffenden gesetzlichen Regelungen auf Rechtsreferendare in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis rechtlich nicht in Betracht, da sie an das übertragene Richteramt und damit an den Richterstatus anknüpfen und im Übrigen gesetzlich eine entsprechende Anwendung des Rechts der Richter auf Rechtsreferendare nicht vorgesehen ist (vgl. § 2 DRiG, Art. 1 Abs. 1 BayRiG). Dies hat auch bei einer funktionsbezogenen Betrachtung der Tätigkeit der Referendare im juristischen Vorbereitungsdienst zu gelten (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 SiGjurVD, § 47 JAPO). Zum anderen handelt es sich bei dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nur um einen allgemeinen Grundsatz, der mangels Konkretheit nicht den Anforderungen des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten rechtstaatlichen Grundsatz des Gesetzesvorbehalts genügt und daher nicht als Befugnisnorm für den Erlass der streitgegenständlichen Auflage herangezogen werden kann.

Die streitgegenständliche Auflage erweist sich daher aufgrund des Fehlens einer deren Erlass rechtfertigenden Rechtsgrundlage im Ergebnis als rechtswidrig und die Fortsetzungsfeststellungsklage als begründet. Die stattgebende Entscheidung schließt - worauf vorsorglich hinzuweisen ist - konkludent die Aufhebung des Widerspruchsbescheids mit ein (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 113 Rn. 147).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. v. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Berufung war zuzulassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.

(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.

(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.