Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 22. Dez. 2014 - W 3 S 14.50126
Gericht
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist äthiopische Staatsangehörige. Sie meldete sich am
Mit Bescheid vom
II.
Am
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht:
Die Antragstellerin sei in Äthiopien aus politischen Gründen inhaftiert gewesen. Während des Polizeigewahrsams sei sie misshandelt und vergewaltigt worden. Seitdem leide die Klägerin unter Schmerzen und starken psychischen Problemen. Gegen eine Bürgschaft sei die Antragstellerin freigelassen worden und durch Freunde und Fluchthelfer eine Ausreise der Antragstellerin aus Äthiopien organisiert worden. Der Bescheid des Bundesamtes sei rechtswidrig, so dass die Interessen der Antragstellerin an einer aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwögen. Bei einer Abschiebung der Antragstellerin nach Italien würden nicht wieder gutzumachende Beeinträchtigungen eintreten. Zudem sei das Verwaltungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Antragstellerin sei nicht vorschriftsgemäß nach Art. 4 der Dublin lll-VO informiert worden. Insbesondere finde sich in dem Hinweisblatt, das der Klägerin wohl ausgehändigt worden sei, kein Hinweis auf die Möglichkeit eines Selbsteintrittsrechtes. Die Antragstellerin habe deshalb nicht auf ihre gesundheitlichen Probleme infolge der Vergewaltigung hinweisen können. Außerdem habe das Bundesamt deshalb auch ermessensfehlerhaft entschieden, weil es ein Selbsteintrittsrecht nicht habe prüfen können. Dieser totale Ermessensausfall sei auch nicht heilbar. Eine Überstellung würde die Antragstellerin in ihren Grundrechten verletzen. Es bestünden systemische Mängel in Italien. Dies gelte zumindest für besonders schutzbedürftige Personen, im Sinne von Art. 21 der Aufnahmerichtlinie. Außerdem sei auch die Abschiebungsanordnung rechtswidrig, weil Art. 7 der Dublin lll-VO auch die freiwillige Ausreise vorsehe. § 34a AsylVfG verstoße gegen Europarecht.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzuweisen.
In der Folgezeit wurde ein ärztliches Attest des Bezirkskrankenhauses Werneck vorgelegt, wonach die Antragstellerin unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (F 43.1) leidet. Auf Anfrage des Gerichts, ob im Hinblick auf das ärztliche Gutachten das Selbsteintrittsrecht ausgeübt werde, teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit, das Attest erfülle nicht die Kriterien, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Attestierung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) gestellt würden. Deshalb werde auch nicht an die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gedacht.
Der Antragstellerbevollmächtigte wies darauf hin, es komme vorliegend nicht darauf an, ob die als solche unbestrittene Erkrankung der Antragstellerin auf einer PTBS beruhe. Außerdem wurde auf diverse Entscheidungen deutscher Gerichte sowie auf die Entscheidung des EGMR
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
III.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellt.
Der Antrag ist begründet, da bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes vom 14. August 2014 bestehen. Daher überwiegt das Interesse der Antragstellerin, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, das öffentliche Vollzugsinteresse. Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
Italien ist für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragstellerin gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin lll-VO zuständig, weil der Antragstellerin ein italienisches Visum erteilt wurde und die Antragstellerin wahrscheinlich mit diesem Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Der Asylantrag ist deshalb in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig (§ 27a AsylVfG).
Wenn ein Ausländer in einen für die Durchführung des Asyl Verfahrens zuständigen Staat abgeschoben werden soll, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Überstellung eines Asylbewerbers in einen anderen Mitgliedsstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der überstellten Asylsuchenden i. S. v. Art. 4 GG - Charta (GR-Charta) zur Folge hätte (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - juris).
Das erkennende Gericht geht nicht davon aus, dass im Regelfall ein Asylantragsteller bei einer Überstellung nach Italien dort wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein würden. Diese Bewertung entspricht sowohl der Rechtsprechung des EGMR (B. v. 18.6.2013 - 53825/11 - ZAR 2013, 338 und B. v. 2.4.2013 - 27725/10
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. August 2014 erweist sich jedoch aus anderen Gründen als rechtswidrig.
Ungeachtet der Zuständigkeit eines anderen Staates kann jeder Mitgliedsstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgestellten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 Dublin lll-VO). Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der das Gericht nach § 114 VwGO auch prüft, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtwidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde.
Zwar geht der Europäische Gerichtshof davon aus, dass den Dublin-Zuständigkeitsvorschriften grundsätzlich keine drittschützende Wirkung zukommt (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12
Das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid vom 14. August 2014 zwar Art. 17 Abs. 1 Dublin III- VO zitiert, jedoch das durch diese Vorschrift eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt, weil es gar keine Kenntnis vom abwägungsrelevanten Material hatte. Das Bundesamt hat an dieser Entscheidung auch in Kenntnis der Erkrankung der Antragstellerin festgehalten. Die Begründung hierfür, das Attest entspreche nicht den Anforderungen, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine Attestierung von posttraumatischen Belastungsstörungen gestellt würden, zeigt, dass keine Auseinandersetzung mit dem individuellen Vorbringen der Antragstellerin erfolgt ist und somit ein Ermessensausfall vorliegt.
Aus dem Vortrag des Antragstellerbevollmächtigten und der ärztlichen Bescheinigung, die immerhin von einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie erstellt wurde, folgt, dass die Antragstellerin zu den besonders schutzbedürftigen Personen nach Art. 17 der Richtlinie (EG) 2003/9 des Rates vom 27. Januar 2003, neu gefasst durch Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtlinie), zählt. Dort sind Personen mit schweren psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, als besonders schutzbedürftig qualifiziert. Die Mitgliedsstaaten müssen die Bedürfnisse und die spezielle Situation dieser besonders schutzbedürftigen Personen angemessen berücksichtigen. Die Entscheidung des Bundesamtes über das Selbsteintrittsrecht hat diese Vorschrift ebenso wenig wie den konkreten Gesundheitszustand der Antragstellerin berücksichtigt. Aufgrund dieser Ermessensfehler ist der Bescheid vom 14. August 2014 voraussichtlich rechtswidrig. Im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin und die berührten Grundrechte überwiegt bei dieser Sachlage das Interesse der Antragstellerin an einer aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Abschiebung.
Darüber hinaus hat das Bundesamt im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift zu prüfen, ob „feststeht“, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl ziel-staatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - juris, Rn. 11; OVG Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 29.11.2004 - 2 M 299/04 - juris; Hamburgisches OVG, B. v. 3.12.2010 - 4 Bs 223/10 - juris; VGH Baden-Württemberg, B. v. 31.5.2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAusIR 2011, S. 310, dort <311> auch m. w. N. zur a. A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, B. v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris; Niedersächsisches OVG, U. v. 4.7.2012 - 2 LB 163/10 -, InfAusIR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 1.2.2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris; OVG des Saarlandes, B. v. 25.4.2014 - 2 B 215/14 - juris; zuletzt VG Karlsruhe, B. v. 19.5.2014 - A 9 K 3615/13-juris).
Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seinem Nichtannahmebeschluss vom 17.September 2014 - 2 BvR 732/14
„Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG NW, B. v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4; BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 -juris Rn. 4; OVG Saarl, B. v. 25.4.2014 - 2 B 215/14 - juris Rn. 7; VG Karlsruhe, B. v. 19.5.2014 - A 9 K 3615/13 - juris Rn. 4).
b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH BW, B. v. 6.2.2008 - 11 S 2439/07 - InfAusIR 2008, S. 213, 214 unter Verweis auf BVerfG, B. v. 26.2.1998-2 BvR 185/98 - InfAusIR 1998, S. 241).
Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, sicherzustellen, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG LSA, B. v. 20.6.2011 - 2 M 38/11 - InfAusIR 2011, S. 390, 392).
c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.
Im Hinblick auf diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sowie auf die Entscheidung des EGMR in Sachen Tarakhel/Schweiz geht das Gericht davon aus, dass bei besonders schutzbedürftigen Personen eine Verletzung von Art. 3 EMRK bei der Rückführung nach Italien nur dann ausgeschlossen ist, wenn zuvor entsprechende individuelle Garantien eingeholt wurden, dass eine angemessene Unterbringung und Versorgung und gegebenenfalls Gesundheitsversorgung sichergestellt sind. Solche Garantien liegen nicht vor. Auch aus diesen Gründen überwiegt das Interesse der Antragstellerin das Vollzugsinteresse.
Dem Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG stattzugeben, ohne dass es auf das sonstige Vorbringen entscheidungserheblich ankam.
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Annotations
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.