Verwaltungsgericht Trier Beschluss, 16. Okt. 2018 - 7 L 5184/18.TR

ECLI:ECLI:DE:VGTRIER:2018:1016.7L5184.18.00
16.10.2018

Tenor

Die Antragsgegnerin zu 1) wird verpflichtet, den Antragsgegner zu 2) anzuweisen, eine Abschiebung des Antragstellers auf Grundlage der Abschiebungsanordnung in Ziffer 3. des Bescheides der Antragsgegnerin zu 1) vom 21. Dezember 2017 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens 7 K 4924/18.TR zu unterlassen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1) je zur Hälfte; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

I. Der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, den Antragsteller nach Italien zu überstellen bzw. abzuschieben, war seinem Begehr entsprechend (§§ 88, 122 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –) hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1) wie vorstehend tenoriert auszulegen, denn er möchte verhindern, dass er auf der Grundlage des Bescheids vom 21. Dezember 2017 nach Italien überstellt wird, obschon seiner Auffassung nach die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 VO (EU) 604/2013 – Dublin III-Verordnung – abgelaufen ist. Nachdem die zuständige Ausländerbehörde – der Antragsteller zu 2) – bereits über die Abschiebungsanordnung unterrichtet wurde (§ 40 Abs. 3 Asylgesetz – AsylG –), kann dieses Ziel nur durch eine entsprechende Mitteilung der Antragsgegnerin zu 1) an den Antragsgegner zu 2) erreicht werden, da allein die Antragsgegnerin zu 1), welche im Falle des § 34 a AsylG die Verfahrenshoheit innehat, darüber entscheiden kann, ob aus der Unzulässigkeitsentscheidung im Bescheid vom 21. Dezember 2017 weiterhin Rechtsfolgen hergeleitet werden. In zeitlicher Hinsicht ergibt sich aus der Bezugnahme auf das beim erkennenden Gericht anhängige Verfahren 7 K 4924/18.TR sowie dem Hinweis, dass die Antragsgegner es abgelehnt hätten, den Ausgang dieses Verfahrens abzuwarten, bei einer verständigen Betrachtung, dass der einstweilige Rechtsschutz für den Zeitraum bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens begehrt wird.

2

Zunächst ist der Antrag nicht wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Obschon der Antragsteller am 28. September 2018 eine Mitteilung (welche erkennbar fehlerhaft auf den 28. Juni 2018 datiert ist) unterzeichnet hat, wonach er bereit sei, bei der erforderlichen Überstellung zu kooperieren, ist es ihm nicht verwehrt, nunmehr den Rechtsweg gegen die drohende Abschiebung zu beschreiten. Aus dem Begleitschreiben des Pfarrers der Evangelischen Kirchengemeinde ... ergibt sich nämlich, dass die Kooperationserklärung vom 28. September 2018 nur die grundsätzliche Kooperationsbereitschaft für den Fall, dass die italienische Dublin-Unit die Aufnahme des Antragstellers seitens der italienischen ... zusagt, zum Ausdruck bringt. Ein weitergehender Erklärungsgehalt dahingehend, dass verbindlich und generell auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes verzichtet werden soll, lässt sich dem Schreiben hingegen nicht entnehmen. Ebenso wenig kommt zum Ausdruck, dass der Antragsteller davon absehen wird, sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist zu berufen.

3

Der Antrag ist auch begründet.

4

Gemäß § 123 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass für die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen, nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 129 Abs. 2 der ZivilprozessordnungZPO – sind das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Der Antragsteller hat vorliegend sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund in diesem Sinne glaubhaft gemacht.

5

Ein Anordnungsgrund liegt vor, da sich aus den der Antragsschrift beigefügten E-Mails des Antragsgegners zu 2) (Bl. 6 ff. der Gerichtsakte) ergibt, dass die Abschiebung des Antragstellers nach Italien für den 19. Oktober 2018 um 10:35 Uhr vorbereitet wird.

6

Des Weiteren besteht nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung und vor dem Hintergrund des beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zu der Frage, ob sich ein Asylbegehrender auf die richtige Anwendung des Art. 29 Abs. 2 S. 2 VO (EU) 604/2013 – Dublin III-Verordnung – berufen und in einem Verfahren gegen die Überstellungsentscheidung einwenden kann, die Überstellungfrist von sechs Monaten sei nicht abgelaufen, weil er nicht flüchtig gewesen sei (EuGH C-163/17), ein Anordnungsanspruch.

7

Ausschlaggebend ist insoweit, dass sich die Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheides zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) als rechtswidrig darstellt, da die Antragsgegnerin zu 1) zwischenzeitlich infolge Ablauf der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO (EU) 604/2013 – Dublin III-Verordnung – zuständig geworden ist. Nach dieser Vorschrift ist der zuständige Mitgliedsstaat – hier Italien – nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat – hier die Bundesrepublik Deutschland – über, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Entstehen der Aufnahme- oder Wiederaufnahmeverpflichtung durchgeführt wird. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Sechsmonatsfrist ist am 9. Juli 2018 abgelaufen. Sie begann gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO mit ablehnendem Eilbeschluss (7 L 15025/17.TR) vom 9. Januar 2018 zu laufen.

8

Die Überstellungsfrist hat sich auch nicht gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung verlängert. Nach dieser Vorschrift kann die Frist höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf 18 Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

9

Diese Voraussetzungen lagen bis zum Ablauf der Sechsmonatsfrist am 9. Juli 2018 nicht vor. Insbesondere war der Antragsteller nicht flüchtig.

10

Ein Asylbewerber ist dabei nicht erst dann flüchtig im Sinne dieser Norm, wenn er seine Wohnung dauerhaft verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch dem behördlichen Zugriff entzieht. Vielmehr knüpft die Formulierung „flüchtig“ an die geplante Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat an. Kann diese nicht durchgeführt werden, weil sich der Asylbewerber ihr bspw. durch fehlende Anwesenheit entzieht, vereitelt er die Überstellung, wobei es nicht entscheidend ist, ob die gescheiterte Überstellung von dem Asylbewerber verschuldet oder gar beabsichtigt war (vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 22. März 2017 – 8 B 151/17 -). Flüchtig i.S.d. Art. 29 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 Dublin III-VO ist der Asylbewerber vielmehr bereits dann, wenn ein ihm zurechenbares Verhalten vorliegt, aufgrund dessen die zuständige Behörde die geplante Rücküberstellung nicht durchführen kann (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 12. November 2015 – 5 B 306/15 -). Entscheidend ist daher allein, ob die Nichtdurchführung der Rücküberstellung durch den Asylbewerber verursacht und nicht durch die Antragsgegnerin zu vertreten ist. Denn der Ablauf der Überstellungsfrist dient nicht dem Schutz des Asylbewerbers, sondern begründet die Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaates, wenn dieser es innerhalb der sechsmonatigen Frist aufgrund organisatorischer und allein in seiner Risikosphäre liegender Mängel nicht schafft, den Asylbewerber in den bis dahin zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen und daher den Fristablauf zu vertreten hat (vgl. VG Magdeburg, Beschluss vom 22. März 2017 – 8 B 151/17 -).

11

Gemessen hieran war der Antragsteller nicht flüchtig.

12

Allein aufgrund seines Aufenthalts im Kirchenasyl lagen die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung auf 18 Monate nicht vor, da der Antragsteller hierbei nicht flüchtig i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung ist. Zwar wird das Kirchenasyl in der Regel und so auch hier gewählt, um sich einer Abschiebung zu entziehen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Antragsteller nicht im oben dargestellten Sinne flüchtig war, da dem Bundesamt und auch der zuständigen Ausländerbehörde der Aufenthaltsort des Antragstellers im Kirchenasyl bekannt war.

13

Die Möglichkeit der Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung soll als Ausnahme von dem den Fristen des Dublin-Systems zugrundeliegenden Beschleunigungsgrundsatz ein längeres Zuwarten bei der Rücküberstellung ermöglichen, weil ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis die Einhaltung der Frist vereitelt. Ein solches Hindernis besteht beim Kirchenasyl hingegen gerade nicht. Der Staat ist weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, die Überstellung durchzuführen. Er verzichtet vielmehr bewusst darauf, sein Recht durchzusetzen. Es existiert kein Sonderrecht der Kirchen, aufgrund dessen die Behörden bei Aufnahme einer Person in das Kirchenasyl gehindert wären, eine Überstellung durchzuführen und hierzu gegebenenfalls unmittelbaren Zwang anzuwenden. Der Umstand, dass die für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen Behörden davor zurückschrecken, die ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten bei Personen im Kirchenasyl auszuschöpfen, also insbesondere auch unmittelbaren Zwang in kirchlichen Räumen anzuwenden, macht die Überstellung nicht unmöglich. Eine in der Sphäre des Antragstellers liegendes Hindernis für den Vollzug der Rücküberstellung, wie insbesondere im Fall der Flucht, ist nicht gegeben (vgl. zu Vorstehendem: VG Würzburg Urt. v. 29.1.2018 – W 1 K 17.50166, BeckRS 2018, 1021, Rn. 19 m. w. N.).

14

Vorliegend hält sich der Antragsteller seit dem 12. April 2018 fortwährend im Kirchenasyl in der evangelischen Kirchengemeinde ... auf. Die Kreisverwaltung Rhein-Hunsrück-Kreis hatte als zuständige Ausländerbehörde auch zum Zeitpunkt der geplanten Überstellungen am 22. Mai 2018 sowie am 22. Juni 2018 Kenntnis vom Aufenthaltsort des Antragstellers, denn dieser wurde ihr mit Schreiben der evangelischen Kirchengemeinde bereits am 13. April 2018 mitgeteilt (Bl. 170 der elektronischen Asylakte). Dies zeigt sich auch daran, dass der Antragsgegner zu 2) ihm unter dem 17. Mai 2018 sowie unter dem 15. Juni 2018 eine Aufforderung zur Selbstgestellung an seine Adresse im Kirchenasyl übermittelte (Bl. 246 ff., 310 ff. der elektronischen Asylakte)

15

Alleine der Umstand, dass der Antragsteller seine Mitwirkung an der für den 22. Mai 2018 anberaumten Überstellung dergestalt verweigert hat, dass er trotz des Selbstgestellungsgesuchs vom 17. Mai 2018 nicht erschien, lässt den Schluss, er sei flüchtig, nicht zu. Gleiches gilt hinsichtlich des gescheiterten Abschiebungsversuchs am 22. Juni 2018. Gegenüber dem Antragsteller war die Abschiebung in Ziffer 3 des Bescheides vom 21. Dezember 2017 angeordnet worden (§ 34a AsylG). Dies bedeutet die Anordnung der erforderlichenfalls zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht. Anders als eine Abschiebungsandrohung gem. §§ 34, 35 AsylG umfasst die Abschiebungsanordnung keine Aufforderung zur freiwilligen Ausreise (vgl. dazu: VG Berlin, Beschluss vom 23. Februar 2018 – 3 L 49/18 –, Rn. 12, juris). Für die Aufforderung zur Selbstgestellung gibt es insofern keine Rechtsgrundlage. Diese Aufforderung mag zwar als milderes Mittel gegenüber Zwangsmaßnahmen, wie Abschiebehaft o. ä., angesehen werden. Allerdings verhält sich der Asylbegehrende nicht rechtswidrig, wenn er einer solchen Aufforderung nicht Folge leistet. Andernfalls könnte auch als „flüchtig“ angesehen werden, wenn ein Betreffender trotz Abschiebungsanordnung nicht freiwillig ausreist.

16

Soweit der Antragsgegner zu 2) sich darauf beruft, dass das Verwaltungsgericht Koblenz die Rechtmäßigkeit der Fristverlängerung bestätigt habe, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts Koblenz entfaltet für das erkennende Gericht keine Bindungswirkung. Vielmehr obliegt dem erkennenden Gericht als dem in Rheinland-Pfalz in asylrechtlichen Streitigkeiten zentral zuständigen Gericht (§ 3 Abs. 6 Landesgerichtsorganisationsgesetz) die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 21. Dezember 2017 – einschließlich der Frage, ob die Unzulässigkeitsentscheidung (Ziff. 1. des Bescheids) weiterhin zutreffend ist.

17

Hat damit der Staat es unterlassen, die Überstellung des Antragstellers nötigenfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwangs durchzusetzen und damit der staatlichen Ordnung Geltung zu verschaffen, kann dieses Vollzugsdefizit auf Seiten des Staates nicht der sich in das Kirchenasyl übergebenden Person angelastet werden.

18

II. Soweit sich der Antrag darüber hinaus zur Sicherung des aus dem Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin III-Verordnung resultierenden Rechts des Antragstellers auf Durchführung eines Asylverfahrens durch die Antragsgegnerin zu 1) gegen den Rhein-Hunsrück-Kreis richtet, ist er jedenfalls mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig. Nachdem der Antrag bereits erfolgreich ist, soweit er sich gegen die Antragsgegnerin zu 1) richtet, droht dem Antragsteller keine Abschiebung mehr. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner zu 2) den Antragsteller unter Missachtung der Mitteilung der Antragsgegnerin zu 1) – und deren Verfahrenshoheit – nach Italien überstellen würde, sind nicht erkennbar. Sofern der Antragsteller entgegen der vorstehenden, seinem Begehr entsprechenden Auslegung mit dem Antrag zu 2) ausländerrechtliche Rechtspositionen sichern wollte, wäre das Verwaltungsgericht bereits örtlich unzuständig.

19

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben.

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(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Aussetzung der Vollziehung (§§ 80, 80a) und über einstweilige Anordnungen (§ 123) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 161 Abs. 2) sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) In Anwaltsprozessen wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet.

(2) In anderen Prozessen kann den Parteien durch richterliche Anordnung aufgegeben werden, die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugebende Erklärungen vorzubereiten.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers vom 21.02.2017 nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung des gerichtlichen Eilbeschlusses vom 10.08.2016 (6 B 255/16 HAL) hat keinen Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht Magdeburg sieht sich nach Verweisung der Hauptsache durch das Verwaltungsgericht B-Stadt als zuständig für den Abänderungsantrag an.

3

Die Voraussetzungen für eine Abänderung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO des Verwaltungsgerichts B-Stadt vom 10.08.2016 (6 B 255/16 HAL) aufgrund § 80 Abs. 7 VwGO liegen nicht vor. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

4

Der nunmehr gestellte Abänderungsantrag wird auf den Ablauf der Überstellungsfrist gestützt. Der Antragsteller habe sich bei dem Überstellungsversuch unter seiner bekannten Anschrift aufgehalten und sein somit nicht untergetaucht. Dem tritt die Antragsgegnerin zu Recht entgegen. Entscheidend ist, dass der Antragsteller zum geplanten Überstellungstermin nicht anwesend war.

5

Zum Ablauf und zur Verlängerung der Überstellungsfrist entscheidet die erkennende Kammer in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 17.02.2016, 8 A 51/16 MD; juris):

6

"Die Überstellungsfrist hat sich nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO weiter verlängert. Der Kläger entzog sich der am 09.12.2015 angesetzten Abschiebung durch Flucht. Denn die Abschiebung konnte mangels Habhaftmachung seiner Person nicht durchgeführt werden. Ein Asylbewerber ist nicht erst dann im Sinne der Dublin-Vorschriften flüchtig, wenn er seine Wohnung dauerhaft verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig“ im Sinne der Dublin-Vorschriften knüpft an die geplante Überstellung des Asylbewerbers aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates an. Kann diese nicht durchgeführt werden, weil sich der Asylbewerber derselben etwa durch Nichterscheinen entzieht, vereitelt gerade er die Überstellung. Dabei ist nicht entscheidend, ob die gescheiterte Überstellung vom Asylbewerber verschuldet ist. Entscheidend ist, dass die Nichtdurchführung durch ihn verursacht, also in seiner Sphäre liegt und jedenfalls nicht von der der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten ist. Denn der Ablauf der Überstellungsfrist soll nicht den Asylbewerber schützen, sondern die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaats begründen; nur wenn es dieser aufgrund seiner fehlerhaften organisatorischen Maßnahmen nicht schafft, den Flüchtling in den zuständigen Mitgliedstaat zu verbringen, geht die Zuständigkeit über. Davon kann vorliegend keine Rede sein, wenn der Asylbewerber zu seiner geplanten Abschiebung nicht erscheint (vgl.: VG Magdeburg, Beschluss v. 11.12.2014, 1 B 1196/14; VG Berlin, Beschluss v.13.02.2011, 323 L 550/10.A; VG Potsdam, Urteil v. 04.06.2014; 6 K 2414/13.A; alle juris). Daher wird es auch nicht darauf ankommen, ob der Kläger etwa aufgrund Krankheit oder sonstiger nicht zu vertretender Gründe nicht erschien; entscheidend ist allein, dass die Bundesrepublik Deutschland den Fristablauf nicht zu vertreten hat."

7

Die Abänderung des Beschlusses des VG B-Stadt vom 10.08.2016 ist auch nicht nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO möglich. Danach kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Auch hier steht der Rechtsgedanke der materiellen Gerechtigkeit für eine Abänderung aufgrund veränderter Umstände im Vordergrund. Das Abänderungsverfahren ist kein Rechtsmittelverfahren. Deshalb ist nicht entscheidend, dass das Verwaltungsgericht B-Stadt als - wie sich nachträglich herausstellte - unzuständiges Gericht den Beschluss vom 10.08.2016 fasste. Das zuständige hiesige Gericht hat daher keine rechtliche Möglichkeit den Beschluss zu kassieren. Wegen der gesetzlichen Unanfechtbarkeit könnte dies nur durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde geschehen. Ansonsten ist gegen den Beschluss auch nichts einzuwenden. Denn das Verwaltungsgericht B-Stadt hat in der Sache rechtlich zutreffend den Eilantrag wegen der italienischen Zuständigkeit abgelehnt.

8

Demnach ist der Eil-Beschluss nicht abzuändern.


Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben werden.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, ein iranischer Staatsangehöriger, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine Überstellung nach Frankreich im Rahmen des Dublin-Systems.

2

Der Antragsteller beantragte im August 2014 Asyl im Bundesgebiet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ersuchte die französische Dublin-Behörde um seine Übernahme, was diese mit Schreiben vom 18.12.2014 auf der Grundlage von Art. 12 Abs. 4 Dublin-Verordnung akzeptierte. Mit Bescheid vom 19.12.2014 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Frankreich an. Das Gericht wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2015 – 5 A 18/15 – ab; die Entscheidung ist seit Ende April 2015 rechtskräftig.

3

Am 09.06.2015 sollte eine kontrollierte Überstellung des Antragstellers nach Frankreich auf dem Luftwege erfolgen. Die Überstellung konnte nicht durchgeführt werden, da der Antragsteller nicht zum Termin erschien. Mit Schreiben vom 09.06.2015 teilte das Bundesamt der französischen Dublin-Behörde mit, dass die Überstellung derzeit nicht möglich wäre, da der Antragsteller flüchtig sei. Am 08.07.2015 sollte erneut eine kontrollierte Überstellung des Antragstellers nach Frankreich auf dem Luftwege erfolgen. Die Überstellung konnte erneut nicht durchgeführt werden, da der Antragsteller nicht erschien.

4

Der Antragsteller ersuchte das Gericht um vorläufigen Rechtsschutz, da die Überstellungsfrist abgelaufen sei. Mit Beschluss vom 13.08.2015 – 5 B 242/15 – lehnte das Gericht den Antrag ab, da ein Anordnungsanspruch mangels Stellung eines Antrages auf Wiederaufgreifen des Verfahrens beim Bundesamt nicht bestehe.

5

Am 24.08.2015 beantragte der Antragsteller beim Bundesamt das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Mit Scheiben seines Bevollmächtigten vom 08.09.2015 bat er um unverzügliche Stellungnahme zu diesem Antrag und teilte mit, dass er im Klinikum Region B-Stadt GmbH in Langenhagen (Niedersachsen) wegen eines akuten nervlichen Zusammenbruchs sei.

6

Der Antragsteller hat das Gericht am 22.09.2015 erneut um vorläufigen Rechtsschutz ersucht.

7

Der Antragsteller trägt im Wesentlichen vor: Der Bescheid habe sich wegen Ablaufs der Überstellungsfrist erledigt. Er sei nicht untergetaucht. Er sei vom 08. bis zum 10.06.2015 wegen einer Tablettenintoxikation in stationärer Behandlung im Städtischen Klinikum Lüneburg gewesen.

8

Der Antragsteller beantragt,

9

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Ziffer 2 des Bescheides vom 19.12.2014 aufzuheben,

10

hilfsweise

11

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihn nicht abzuschieben.

12

Die Antragsgegnerin hat sich nicht geäußert.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs verwiesen.

II.

14

Der Antrag hat keinen Erfolg.

15

1. Der Hauptantrag ist unzulässig, da die Verpflichtung der Antragsgegenerin, einen Verwaltungsakt aufzuheben, zu einer endgültigen Rechtsgestaltung führt. Dies wäre eine grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache, ohne dass hier aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) eine Ausnahme im Einzelfall geboten ist.

16

2. Der Hilfsantrag ist unbegründet, da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO iVm § 920 Abs. 2 ZPO).

17

Ein Anordnungsanspruch könnte zwar an sich aus einem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch wegen drohender Vollstreckung eines erledigten Verwaltungsaktes folgen, entgegen der Ansicht des Antragstellers führt der Ablauf der Überstellungsfrist jedoch nicht zu einer Erledigung iSd § 43 Abs. 2 VwVfG (VG Würzburg, Gerichtsbescheid vom 28. April 2015 – W 1 K 14.30144 –, Rn. 25, juris; a.A. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 21 ZB 15.50137 –, Rn. 2, juris; VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 02. Juli 2015 – 4 L 356/15.A –, Rn. 8, juris; VG Potsdam, Urteil vom 25. Februar 2015 – 6 K 1554/14.A –, Rn. 25, juris). Nach § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Eine Erledigung durch Zeitablauf kann nicht eintreten (a.A. VG Potsdam, Urteil vom 25. Februar 2015 – 6 K 1554/14.A –, Rn. 25, juris). Der Dublin-Bescheid ist mit keiner Befristung (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG) versehen. Die Überstellungfrist des Art. 29 VO(EU) 604/2013 (Dublin-III-VO) enthält auch keine materiell-rechtliche Regelung zur Geltungsdauer (vgl. BVerwG, Urteil vom 08. April 1997 – 1 C 7/93 –, Rn. 29, juris: Erledigung der probeweisen Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeisternach Ablauf der Geltungsdauer, d.h. der Jahresfrist des § 7 Abs. 1 S. 1 SchfG a.F.). Der dort u.a. geregelte Zuständigkeitswechsel kraft Fristablaufs enthält keine Vorgaben, welche Folgen hieraus für die Wirksamkeit bereits ergangener nationaler Entscheidungen zu ziehen sind. Es liegt auch keine Erledigung in sonstiger Weise vor. Die Annahme einer Erledigung auf andere Weise ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gerechtfertigt (BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2012 – 6 C 3/11 –, BVerwGE 143, 87-118, Rn. 19). Eine nachträgliche Veränderung von Umständen gehört grundsätzlich nicht hierzu (BVerwG, Urteil vom 09. Mai 2012 – 6 C 3/11 –, BVerwGE 143, 87-118, Rn. 25). Dies zeigen gerade die Vorschriften zum Wiederaufgreifen des Verfahrens (vgl. § 51 Abs. 1 VwVfG).

18

2. Ein Anordnungsspruch besteht auch nicht unter dem Aspekt der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 21. April 2015 – 10 CE 15.810, 10 C10 C 15.813 –, Rn. 3, juris). Dabei begründet allein die bloße Stellung eines Antrags auf Wiederaufgreifen des Verfahrens noch keinen Anspruch auf vorläufiges Absehen von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Notwendig ist vielmehr die hinreichende Erfolgsaussicht, dass das Wiederaufgreifen des Verfahrens im Ergebnis zu einem Regelungszustand führt, der einen Verbleib im Bundesgebiet zulässt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Überstellungfrist ist nicht abgelaufen, so dass Frankreich nachwievor der zuständige „Dublin-Staat“ für die Prüfung seines Asylantrages ist. Für den Antragsteller gilt die 18-monatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 Dublin-III-VO, da er untergetaucht war. Unter Untertauchen iSd Art. 29 Abs. 2 S. 2 Alt. 2 Dublin-III-VO ist jedenfalls jedes dem Ausländer zurechenbare und zu verantwortende Verhalten zu verstehen, dass dazu führt, dass die für die Überstellung zuständige Behörde diese nicht durchführen kann. Verhaltensweisen in diesem Sinne sind beispielweise, dass der Ausländer nicht auffindbar ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, Art. 29 K12) oder sich räumlich dem Hoheitsbereich der zuständigen Behörde entzieht. Auf einen Vereitelungswillen kommt es nicht an, wie der Verlängerungsgrund der Inhaftierung (Art. 29 Abs. 2 S. 2 Alt. 1 Dublin-III-VO) zeigt. Der Antragsteller hat das Bundesland Schleswig-Holstein ohne Mitteilung an die zuständige schleswig-holsteinische Ausländerbehörde verlassen. Damit hat er sich auch dem Zugriff der für ihn zuständigen schleswig-holsteinischen Ausländerbehörde entzogen, da diese grundsätzlich in Niedersachsen keine Hoheitsrechte ausüben kann. Ein Verantwortungsausschluss wegen einer psychischen Erkrankung – dass der Antragsteller also nicht mehr eigenverantwortlich handeln konnte, als er sich nach Niedersachsen begab und die Tabletten nahm – ist nicht glaubhaft gemacht. Der Entlassungsbericht von Assistenzarzt Hermawan vom 10.06.2015 gibt hierfür keine belastbaren Anhaltspunkte. Der Bericht legt vielmehr nahe, dass der Antragsteller sich der Abschiebung entziehen wollte: „Mittels Dolmetscher war herauszufinden, dass er 10 Tbl. einer unbekannten Substanz eingenommen habe, da er ins Ausland abgeschoben werden sollte.“ Die Zuständigkeit ist auch nicht nach Art. 9 Abs. 2 S. 2 der VO(EG) Nr. 1560/2003 in Gestalt der Änderungs-VO(EU) Nr. 118/2014 (Dublin-DurchführungsVO) übergegangen, da die Antragsgegnerin die französische Dublin-Behörde rechtzeitig vor Ablauf der ursprünglichen Überstellungfrist über das Hindernis informierte.

19

Dass der Antragsteller sich aktuell in einem die Reisefähigkeit ausschließenden Zustand befindet, ist nicht glaubhaft gemacht.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

21

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).


Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers vom 21.02.2017 nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung des gerichtlichen Eilbeschlusses vom 10.08.2016 (6 B 255/16 HAL) hat keinen Erfolg.

2

Das Verwaltungsgericht Magdeburg sieht sich nach Verweisung der Hauptsache durch das Verwaltungsgericht B-Stadt als zuständig für den Abänderungsantrag an.

3

Die Voraussetzungen für eine Abänderung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO des Verwaltungsgerichts B-Stadt vom 10.08.2016 (6 B 255/16 HAL) aufgrund § 80 Abs. 7 VwGO liegen nicht vor. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

4

Der nunmehr gestellte Abänderungsantrag wird auf den Ablauf der Überstellungsfrist gestützt. Der Antragsteller habe sich bei dem Überstellungsversuch unter seiner bekannten Anschrift aufgehalten und sein somit nicht untergetaucht. Dem tritt die Antragsgegnerin zu Recht entgegen. Entscheidend ist, dass der Antragsteller zum geplanten Überstellungstermin nicht anwesend war.

5

Zum Ablauf und zur Verlängerung der Überstellungsfrist entscheidet die erkennende Kammer in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur: VG Magdeburg, Urteil v. 17.02.2016, 8 A 51/16 MD; juris):

6

"Die Überstellungsfrist hat sich nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO weiter verlängert. Der Kläger entzog sich der am 09.12.2015 angesetzten Abschiebung durch Flucht. Denn die Abschiebung konnte mangels Habhaftmachung seiner Person nicht durchgeführt werden. Ein Asylbewerber ist nicht erst dann im Sinne der Dublin-Vorschriften flüchtig, wenn er seine Wohnung dauerhaft verlässt, den Ort wechselt bzw. untertaucht und sich dadurch den Zugriff der Behörden entzieht. Die Formulierung „flüchtig“ im Sinne der Dublin-Vorschriften knüpft an die geplante Überstellung des Asylbewerbers aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates an. Kann diese nicht durchgeführt werden, weil sich der Asylbewerber derselben etwa durch Nichterscheinen entzieht, vereitelt gerade er die Überstellung. Dabei ist nicht entscheidend, ob die gescheiterte Überstellung vom Asylbewerber verschuldet ist. Entscheidend ist, dass die Nichtdurchführung durch ihn verursacht, also in seiner Sphäre liegt und jedenfalls nicht von der der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten ist. Denn der Ablauf der Überstellungsfrist soll nicht den Asylbewerber schützen, sondern die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaats begründen; nur wenn es dieser aufgrund seiner fehlerhaften organisatorischen Maßnahmen nicht schafft, den Flüchtling in den zuständigen Mitgliedstaat zu verbringen, geht die Zuständigkeit über. Davon kann vorliegend keine Rede sein, wenn der Asylbewerber zu seiner geplanten Abschiebung nicht erscheint (vgl.: VG Magdeburg, Beschluss v. 11.12.2014, 1 B 1196/14; VG Berlin, Beschluss v.13.02.2011, 323 L 550/10.A; VG Potsdam, Urteil v. 04.06.2014; 6 K 2414/13.A; alle juris). Daher wird es auch nicht darauf ankommen, ob der Kläger etwa aufgrund Krankheit oder sonstiger nicht zu vertretender Gründe nicht erschien; entscheidend ist allein, dass die Bundesrepublik Deutschland den Fristablauf nicht zu vertreten hat."

7

Die Abänderung des Beschlusses des VG B-Stadt vom 10.08.2016 ist auch nicht nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO möglich. Danach kann das Gericht der Hauptsache Beschlüsse über Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Auch hier steht der Rechtsgedanke der materiellen Gerechtigkeit für eine Abänderung aufgrund veränderter Umstände im Vordergrund. Das Abänderungsverfahren ist kein Rechtsmittelverfahren. Deshalb ist nicht entscheidend, dass das Verwaltungsgericht B-Stadt als - wie sich nachträglich herausstellte - unzuständiges Gericht den Beschluss vom 10.08.2016 fasste. Das zuständige hiesige Gericht hat daher keine rechtliche Möglichkeit den Beschluss zu kassieren. Wegen der gesetzlichen Unanfechtbarkeit könnte dies nur durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde geschehen. Ansonsten ist gegen den Beschluss auch nichts einzuwenden. Denn das Verwaltungsgericht B-Stadt hat in der Sache rechtlich zutreffend den Eilantrag wegen der italienischen Zuständigkeit abgelehnt.

8

Demnach ist der Eil-Beschluss nicht abzuändern.


Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21. März 2017 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger wurde eigenen Angaben zufolge am … … … geboren. Er sei afghanischer Staatsangehöriger und auf dem Landweg vom Iran kommend über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich am 22. Februar 2016 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo er am 9. März 2017 einen Asylantrag stellte. Auf Befragen gab der Kläger weiter an, dass er bereits in Schweden einen Asylantrag gestellt habe und dieser dreimal abgelehnt worden sei. In Ungarn seien ihm Fingerabdrücke genommen worden, einen Asylantrag habe er dort nicht gestellt.

Ausweislich der Behördenakte ist der Kläger am 22. Februar 2017 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Anhand von Eurodac-Treffern vom 2. März 2017 wurde festgestellt, dass der Kläger bereits am 17. August 2015 in Schweden und am 25. August 2015 in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat. Am 10. März 2017 stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) ein Wiederaufnahmegesuch aufgrund von Art. 18 Abs. 1b) der Verordnung (EU) Nummer 604/2013 – Dublin III-Verordnung. Die schwedische Dublin-Unit teilte hieraufhin mit Schreiben vom 20. März 2017 mit, dass Schweden der Wiederaufnahme in Übereinstimmung mit Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO zustimme.

Mit Bescheid vom 21. März 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheides), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Schweden an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 3 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die schwedischen Behörden auf ein Übernahmeersuchen hin am 20. März 2017 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 d) Dublin III-VO erklärt hätten. Der Asylantrag sei daher nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG unzulässig; die Abschiebung nach Schweden sei gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG anzuordnen gewesen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor, da die derzeitigen humanitären Bedingungen in Schweden nicht zu der Annahme führten, dass bei der Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt, ebenso verhalte es sich mit einer Verletzung des Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Gegen den am 27. März 2017 zugestellten Bescheid hat der Kläger zur Niederschrift des Urkundsbeamten beim Bayerischen Verwaltungsrecht Würzburg am 29. März 2017 Klage erhoben und beantragt,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamtes vom 21. März 2017 wird aufgehoben.

  • 2.Die Bundesrepublik Deutschland wird hilfsweise verpflichtet, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Schweden vorliegen.

  • 3.Die Bundesrepublik Deutschland wird hilfsweise verpflichtet, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbot zu verkürzen.

Zur Begründung hat der Kläger beim Bundesamt angegeben, dass er nicht nach Schweden überstellt werden wolle, da er von dort nach Afghanistan zurückgeschickt würde. Er habe sein gesamtes Leben im Iran verbracht. Dort habe er Probleme gehabt, unter anderem sei er belästigt und diskriminiert worden und habe zum Kämpfen nach Syrien geschickt werden sollen. Nach Afghanistan könne er nicht zurück, da dort Krieg herrsche und Menschen aufgrund ihrer Religion getötet würden; vor allem treffe dies die Volksgruppe Hazara, der auch er angehöre. Mit Schreiben vom 7. Juli 2017 hat der Kläger der Beklagten unter Angabe seiner neuen Adresse mitgeteilt, dass er sich seit dem 7. Juli 2017 im Kirchenasyl befinde. Der Kläger vertritt diesbezüglich die Auffassung, dass die Dublin-Überstellungsfrist durch sein Untertauchen unterbrochen und mit dem Wiederauftauchen im Kirchenasyl eine neue 6-Monatsfrist zu laufen begonnen habe. Unter Berücksichtigung der Meldung des Kirchenasyls gegenüber der Beklagten am 10. Juli 2017 laufe die Überstellungsfrist am 10. Januar 2018 ab.

Mit Schreiben vom 30. März 2017 hat die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wies die Beklagte darauf hin, dass der Kläger seit dem 21. Mai 2017 untergetaucht gewesen sei, worüber die schwedische Dublin-Unit mit Schreiben vom 20. Juni 2017 informiert und dieser gegenüber erklärt worden sei, dass die Überstellungsfrist nunmehr wegen des Flüchtigseins des Klägers am 3. Oktober 2018 ablaufe.

Unter dem 29. März 2017 hat der Kläger beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen. Daraufhin hat das Gericht mit Beschluss vom 3. April 2017 den Antrag abgelehnt; auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 24. Januar 2018 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 22. Januar 2018 sowie allgemeiner Prozesserklärung der Beklagten vom 27. Juni 2017 haben die Prozessbeteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der vorgelegten Behördenakte sowie auf die Akte im Verfahren W 1 S. 17.50167 verwiesen.

Gründe

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem die Beteiligten hierzu beiderseitig ihr Einverständnis erteilt haben, § 101 Abs. 2 VwGO. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 21. März 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), so dass er aufzuheben war.

Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig, da im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. AsylG, Schweden nicht mehr nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin-III-Verordnung für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig ist. Mit dem Wiederauftauchen des Klägers im Kirchenasyl und der Bekanntgabe seines Aufenthaltsortes gegenüber der Beklagten am 10. Juli 2017 wird eine neue 6-Monatsfrist in Lauf gesetzt. Dadurch ist die Zuständigkeit mit Ablauf des 10. Januar 2018 auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, da die Frist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung verstrichen ist, ohne dass der Kläger nach Schweden überstellt wurde. Mit Ablauf der Überstellungsfrist geht die Zuständigkeit ohne weitere Voraussetzungen auf die Beklagte über, und zwar ohne dass hierfür erforderlich wäre, dass der zuständige Mitgliedstaat (im vorliegenden Fall Schweden) die Verpflichtung zur Wiederaufnahme der betreffenden Person nunmehr ausdrücklich ablehnt. Dies ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus dem Wortlaut der Dublin-III-Verordnung und steht zudem mit dem Ziel der Verordnung, der zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz, in Einklang. Überdies verletzt die objektive Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheides den Kläger auch in seinen Rechten. Bei der Einhaltung der genannten Frist handelt es sich nämlich um ein subjektives Recht des Klägers, auf das dieser sich berufen kann (vgl. EuGH, U.v. 25.10.2017 – C-201/16 – juris). Mit Ablauf der (rechtlich korrekten) Überstellungsfrist am 10. Januar 2018 ist der Bescheid des Bundesamtes vom 21. März 2017 gegenstandslos geworden (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2015 – 21 ZB 15.50137 – juris).

Gemäß Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin-III-Verordnung begann die Überstellungsfrist zunächst mit der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch Schweden am 20. März 2017. Durch die rechtzeitige Erhebung eines Antrags auf aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. März 2017 wurde die in Lauf gesetzte 6-Monatsfrist unterbrochen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 – juris) und mit der Bekanntgabe der endgültigen Entscheidung über diesen Rechtsbehelf, dem gemäß Art. 27 Abs. 3 Dublin-III-Verordnung, § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG aufschiebende Wirkung zukommt, neu in Lauf gesetzt. Der das Verfahren abschließende Beschluss des Gerichts vom 3. April 2017 wurde der Beklagten am 6. April 2017 zugestellt, sodass eine neue 6-Monatsfrist mit dem 7. April 2017 in Lauf gesetzt wurde.

Nachdem der Kläger – wie sich aus den durch die Beklagte vorgelegten Unterlagen zur Überzeugung des Gerichts ergibt – ab dem 21. Mai 2017 untergetaucht war, war es der Beklagten möglich, die Frist (zunächst) gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-Verordnung aufgrund des „Flüchtig-Seins“ des Klägers zu verlängern. Überwiegend wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass unter „flüchtig“ ein planvolles und vorsätzliches unentschuldigtes Vorgehen zu verstehen ist, wenn auch ein Untertauchen im engeren Sinne nicht erforderlich ist (vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylG, Stand April 2017, § 29 Rn. 251 m.w.N.). Die letztlich nicht abschließend geklärte Frage, ob ein „Flüchtig-Sein“ erfordert, dass der Betreffende sich gezielt und bewusst dem Zugriff für die Durchführung der Überstellung entzieht oder es genügt, wenn er sich über einen längeren Zeitraum nicht mehr in der zugewiesenen Wohnung aufhält und die Behörde nicht über seinen Verbleib informiert (vgl. insoweit VGH Baden-Württemberg, Vorlagebeschluss vom 15.3.2017, A 11 S 2151/16 – juris), kann jedoch vorliegend dahinstehen, da der Kläger im Schriftsatz vom 9. November 2017 selbst konzediert hat, dass er untergetaucht gewesen sei und sein „Flüchtig-Sein“ auch nicht in Abrede gestellt hat. Ein Untertauchen beinhaltet nach Überzeugung des Gerichts stets ein unentschuldigtes und mindestens bedingt vorsätzliches Entziehen einer Überstellung.

Die Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 20. Juni 2017 die schwedische Dublin-Unit über das „Flüchtig-Sein“ des Klägers informiert und darauf hingewiesen, dass eine Überstellung nunmehr bis spätestens 3. Oktober 2018 erfolgen werde. Dieses Vorgehen genügt den formalen Anforderungen des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-Verordnung. Insoweit ist umstritten, ob es einer einvernehmlichen Regelung des überstellenden und des aufnehmenden Mitgliedstaats hinsichtlich einer Fristverlängerung bedarf oder ob hierfür die rechtzeitige Information des anderen Mitgliedstaats unter Nennung einer konkreten neuen Frist ausreichend ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Vorlagebeschluss vom 15.3.2017 – A 11 S 2151/16 – juris; FunkeKaiser, GK-AsylG, Stand April 2017, § 29 Rn. 251 m.w.N.). Das Gericht schließt sich der Auffassung an, dass die Information des aufnehmenden Mitgliedstaates über die Flucht des Klägers und die Benennung der neuen Frist formal ausreichend ist, um eine Fristverlängerung herbeizuführen. Diese Voraussetzungen wurden vorliegend mit dem oben genannten Schreiben eingehalten; Einwände haben die schwedischen Behörden überdies nicht erhoben. Für die hier vertretene Rechtsauffassung, die mit dem Wortlaut der Vorschrift in Einklang steht, spricht insbesondere, dass die engere Auffassung unpraktikabel wäre und vorhersehbar zur Folge hätte, dass die Norm in vielen Fällen leerliefe, weil sich der ersuchte Mitgliedstaat vielfach weigern würde, an einer einvernehmlichen Vereinbarung mitzuwirken. Hierfür spricht auch Art. 9 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1560/2003, wonach der zuständige Mitgliedstaat bei Überstellungen, die nicht innerhalb der regulären Frist vorgenommen werden können, verpflichtet ist, den Aufnahmestaat darüber vor Ablauf der Frist zu unterrichten (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, a.a.O.).

Allerdings ist die vorgenommene Verlängerung der Überstellungsfrist hinsichtlich ihrer konkret festgesetzten Dauer bis zum 3. Oktober 2018 (und damit praktisch bis zur Maximalfrist von 18 Monaten) rechtsfehlerhaft, nachdem der Aufenthaltsort des Klägers im Kirchenasyl der Beklagten seit dem 10. Juli 2017 bekanntgeworden war. Es hätte unter diesen Umständen ab diesem Zeitpunkt lediglich eine Verlängerung um weitere sechs Monate erfolgen dürfen; eine darüberhinausgehende Verlängerung ist unwirksam. Denn Art. 29 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung regelt nicht, wie in den Fällen zu verfahren ist, in denen der Asylbewerber flüchtig war, aber innerhalb des 18-Monatszeitraums seinen Aufenthaltsort bekannt gibt. Marx (Kommentar zum AsylVfG, 8. Aufl., § 27a Rn. 97 f.) vertritt hierzu die Auffassung, dass die Frist nicht um „weitere“ 18 Monate, sondern auf maximal 18 Monate verlängert wird. Wenn der Betroffene nach Ablauf der Maximalfrist von 18 Monaten auftauche, sei eine Überstellung nicht mehr zulässig. Wenn sich der Betroffene vorher bei den zuständigen Behörden melde, sei er nicht mehr flüchtig und dies berechtige zu einer Fristverlängerung auf zunächst sechs Monate, berechnet vom Zeitpunkt des Wiederauftauchens an. Die Maximalfrist von 18 Monaten deute darauf hin, dass im Fall des Untertauchen eine erste Fristverlängerung auf bis sechs Monate zulässig sei. Dieses Ergebnis erscheint sachgerecht, weshalb das erkennende Gerichts sich dieser Rechtserfassung anschließt (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 8.2.2016 – W 7 K 15.5022, vgl. nachgehend BayVGH, B.v. 29.4.2016 - 11 ZB 16.50024 – juris; VG Würzburg, U.v. 31.8.2015 – W 3 K 14.50040 – juris). Dieser Auffassung ist auch deshalb zu folgen, weil dem überstellenden Mitgliedstaat im Rahmen des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung und der darin geregelten Überstellungsfrist stets ein zusammenhängender Zeitraum von sechs Monaten zur Vorbereitung und Durchführung der Überstellung zur Verfügung stehen soll, um die Überstellung des Ausländers zu bewerkstelligen, wie sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 27.4.2016 - 1 C 22/15 – juris). Es handelt sich demgegenüber bei der Verlängerungsmöglichkeit nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-Verordnung nicht um eine „Strafvorschrift“ dahingehend, den Ausländer für seine vorangegangene Flucht durch die Verlängerung der Überstellungsfrist auf deren maximale Dauer zu sanktionieren. Es geht einzig und allein darum, den Kläger in den für sein Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, wofür nach dem Regelungsgefüge des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung in den Fällen, in denen der Aufenthaltsort des Ausländers bekannt ist, dem überstellenden Staat eine Frist von sechs Monaten zur Verfügung stehen soll. Nach dem Wiederauftauchen des Klägers war die zuvor verfügte Verlängerung der Überstellungsfrist bis zum 3. Oktober 2018 rechtlich nicht mehr haltbar; anerkennenswerte Grunde für eine Verlängerung über einen erneuten zusammenhängenden 6-Monatszeitraum hinaus sind nicht ersichtlich.

Daher ist davon auszugehen, dass die erneute Überstellungsfrist von sechs Monaten mit dem Auftauchen des Klägers im Kirchenasyl und der Bekanntgabe der neuen Adresse an die Beklagte zu laufen begann und mit Ablauf des 10. Januar 2018 geendet hat. Die Überstellung des Klägers ist innerhalb dieser Frist nicht durchgeführt worden. Deshalb ist die Zuständigkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-Verordnung auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen und der zuvor zuständige Mitgliedstaat Schweden nicht mehr zur Wiederaufnahme des Klägers verpflichtet. Folglich kommt auch eine Anordnung der Abschiebung nach Schweden nach § 34a AsylG nicht mehr in Betracht.

Darüber hinaus erfüllt auch der Aufenthalt des Klägers im Kirchenasyl nicht die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung auf 18 Monate, da der Kläger hierbei nicht flüchtig i.S.d. Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung ist, worauf sich im Übrigen auch die Beklagte selbst nicht beruft. Zwar wird das Kirchenasyl in der Regel und so auch hier gewählt, um sich einer Abschiebung zu entziehen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass dem Bundesamt der Aufenthaltsort des Klägers bekannt ist und dass er deshalb nicht im oben dargestellten Sinne flüchtig ist. Die Möglichkeit der Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-Verordnung soll als Ausnahme von dem den Fristen des Dublin-Systems zugrunde liegenden Beschleunigungsgrundsatz ein längeres Zuwarten bei der Rücküberstellung ermöglichen, weil ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis die Einhaltung der Frist vereitelt. Ein solches Hindernis, das einen vergleichbaren Ausnahmefall rechtfertigen könnte, besteht beim Kirchenasyl gerade nicht. Der Staat ist weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert, die Überstellung durchzuführen. Er verzichtet vielmehr bewusst darauf, das Recht durchzusetzen. Es existiert kein Sonderrecht der Kirchen, aufgrund dessen die Behörden bei Aufnahme einer Person in das Kirchenasyl gehindert wären, eine Überstellung durchzuführen und hierzu gegebenenfalls unmittelbaren Zwang anzuwenden. Der Umstand, dass die für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen Behörden davor zurückschrecken, die ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten bei Personen im Kirchenasyl auszuschöpfen, also insbesondere auch unmittelbaren Zwang in kirchlichen Räumen anzuwenden, macht die Überstellung nicht unmöglich. Eine in der Sphäre des Klägers liegendes Hindernis für den Vollzug der Rücküberstellung, wie insbesondere im Fall der Flucht, ist nicht gegeben (vgl. auch VG München, B.v. 6.6.2017 – M 9 S. 17.50290 – juris; VG Würzburg, U.v. 31.8.2015 – W 3 K 14.50040 – juris).

Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

In den Fällen des § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 droht das Bundesamt dem Ausländer die Abschiebung in den Staat an, in dem er vor Verfolgung sicher war.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.