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| I. Die Klagen sind zulässig. |
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| 1. Die Klagen sind als allgemeine Leistungsklagen an sich statthaft. Insbesondere scheidet die Statthaftigkeit von Verpflichtungsrechtsbehelfen aus (§§ 42 I und 68 II VwGO). Denn die Klagen sind objektiv nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes (§ 35 LVwVfG) gerichtet. Der von den Klägern begehrte immissionsschutzrechtliche Aktionsplan des Regierungspräsidiums Stuttgart ist ein die Behörden und auch andere Stellen bindendes Handlungskonzept, ohne dass ihm die für einen Verwaltungsakt erforderliche (regelnde) Außenwirkung zukäme (vgl. Jarass, BImSchG, Kommentar, 6. Auflage 2005, § 47 Rn 37 und Rn 43 behördenverbindliches Handlungskonzept , und im Anschluss daran BayVG München, Beschl. vom 27.4.2005 - M 1 E 05.1115 -, das abweichend vom Vorbringen der Kläger im Falle eines Aktionsplanes nicht von einem bloßen Programmplan ausgeht). |
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| Regelnde Außenwirkung kann allenfalls denjenigen (geeigneten) Maßnahmen zuerkannt werden, die im vorgeschalteten Aktionsplan festgelegt sind, sobald sie ergriffen werden. Das können z. B. Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote der zuständigen Straßenverkehrsbehörde sein (§ 40 I 1 BImSchG; vgl. auch § 45 I 1, I 2 Nr. 3 StVO und dazu BVerwG, Urt. vom 4.6.1986, BVerwGE 74, 234 = NVwZ 1986, 918 = DVBl 1987, 373 = DÖV 1986, 926 = NJW 1986, 2655 = JuS 1987, 327 Nr. 13 Lärmschutz wegen Inanspruchnahme einer Wohnstraße durch überörtlichen Verkehr als Schleichweg und BVerwG, Urt. vom 15.4.1999, BVerwGE 109, 29 = DÖV 1999, 911 = NVwZ 1999, 1234 = ZUR 1999, 332 = DVBl 1999, 1745 = NuR 1999, 691 Sommer-Smog ). |
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| Der begehrte immissionsschutzrechtliche Aktionsplan ist in diesem Sinne gleichsam eine gesetzlich vorgesehene (verwaltungsinterne, vorbereitende) Vorschaltmaßnahme auf dem Weg zu weiteren (regelnden) Maßnahmen, mit denen im Interesse der menschlichen Gesundheit die Gefahr der Überschreitung der Immissionsgrenz-werte verringert oder der Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, verkürzt werden soll. Insoweit kann auch von einem abgestuften Regelungsmechanismus geredet werden, welcher den Überschreitungen der Grenzwerte, unabhängig von den Immissionsquellen, begegnen soll (BVerwG, Urt. vom 26.5.2004 - 9 A 6/03 -, NVwZ 2004, 1237 = DVBl 2004, 1289 = NuR 204, 729 = ZUR 2005, 96 = IBR 2004, 64 Planfeststellung für den Ausbau der B 170 im Stadtgebiet von Dresden mit Anmerkung von Scherer-Leydecker; Jarass, NVwZ 2003, 257/262 mehrstufiges Verfahren der Luftreinhaltung ). Die Regelung ähnelt, beiläufig bemerkt, zumindest was die Stufen anbelangt, dem Verhältnis, in dem auf dem Gebiet des Bauleitplanungsrechtes die Bebauungspläne auf der einen Seite zum Flächennutzungsplan auf der anderen Seite stehen, das nämlich gleichfalls durch den Grundsatz der 2-Stufigkeit gekennzeichnet ist (vgl. § 8 II 1 BauGB), wobei der (vorbereitende) Flächennutzungsplan (§§ 1 II und 5 BauGB) als eine (lediglich) verwaltungsinterne städtebaurechtliche Planmaßnahme eigener Art angesehen und der (verbindliche) Bebauungsplan in der verwaltungsrechtlichen Handlungsform der Gemeindesatzung (§§ 1 II und 10 I BauGB) beschlossen wird. |
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| 2. Das beklagte Land ist beteiligtenfähig (§ 61 Nr. 1 VwGO) und als solches auch zur Prozessführung passiv befugt. |
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| Die Landesbehörden sind zum Erlass von Aktionsplänen sachlich zuständig. An sich sachlich zuständige Behörde im Sinne des hier maßgebenden § 47 II BImSchG ist gemäß § 5 II LVG das nach der Bekanntmachung der Landesregierung über die Abgrenzung der Geschäftsbereiche der Ministerien (Stand 1.1.2005) für den Immissionsschutz zuständige Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg (UM ); die Verfahrensvorschriften der Immissionsschutz-Zuständigkeitsverordnung - BImSchG-ZuVO - vom 3.3.2003 (GBl. S. 180), zuletzt geändert durch Art. 162 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1.7.2004 (GBl. S. 469/553), regeln insoweit nichts anderes. Das UM hat indessen insoweit auf Grund von § 5 III LVG seine Aufgaben den Regierungspräsidien übertragen. Durch diese Übertragung hat sich indessen an der die Prozessführungsbefugnis bestimmenden Zuständigkeit einer Landesbehörde nichts geändert. |
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| 3. Die Kläger sind klagebefugt, d. h. durch das gerügte Unterlassen beschwert. |
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| a) Die Kläger können als (Dauer-) Bewohner eines konkreten Gefahrenbereiches im Hinblick auf ihre grundgesetzlich geschützte Gesundheit (Art. 2 II 1GG) geltend machen, durch das Unterlassen des begehrten immissionsschutzrechtlichen Aktionsplanes - jedenfalls möglicherweise - in eigenen Rechten oder zumindest in rechtlich geschützten Eigeninteressen verletzt (und nicht etwa nur tatsächlich betroffen) zu sein. § 42 II VwGO ist auf allgemeine Leistungsklagen entsprechend anzuwenden. Der Sinn dieser an sich für Anfechtungs- und für Verpflichtungsklagen geltende prozessualen Vorschrift besteht im Wesentlichen darin, Popular- (Jedermanns-) und grundsätzlich auch Interessenklagen (etwa Klagen von interessierten Verbänden) auszuschließen. Diese Zielsetzung des § 42 II VwGO ist auf allgemeine Leistungsklagen ohne weiteres übertragbar (vgl. dazu etwa BVerwG, Urt. vom 12.9.1980, NJW 1981, 2075 = DVBl 1981, 218; BVerwG, Beschl. vom 5.2.1992, NVwZ-RR 1992, 371 = DÖV 1992, 536). |
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| b) Ein die Klagebefugnis (Beschwer) begründendes subjektives öffentliches Recht einer Person liegt nach der von der deutschen Rechtsprechung bemühten und auch sonst herrschenden Schutznormtheorie dann vor, wenn ein Rechtssatz nicht allein Interessen der Allgemeinheit (etwa die Umwelt insgesamt) schützt, sondern zumindest auch den Interessen des Einzelnen (genauer: den schutzwürdigen und schutzbedürftigen Interessen eines individualisierbaren Personenkreises) und damit Individualinteressen dient; der Umstand, dass - nebenbei bemerkt - ein Rechtssatz einem Dritten lediglich tatsächlich, sozusagen reflexartig, einen rechtlichen Vorteil verschafft, vermittelt dagegen noch keine subjektiven öffentlichen Rechte. Wo also das objektive Recht zugleich die Interessen einer Person (eines Menschen) schützt, wird ihr immer auch die Rechtsmacht zur gerichtlichen Durchsetzung dieser Interessen gegenüber der öffentlichen Gewalt nach Maßgabe der von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Befugnis- oder sonstigen Handlungsnormen eingeräumt; auf die Rechtsqualität dieser Normen kommt es nicht an. Das Vorbringen des Beklagten, der begehrte Aktionsplan diene lediglich mittelbar dem Schutz der menschlichen Gesundheit, verliert unter diesem Gesichtspunkt seine argumentative Kraft und ist unerheblich. |
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| c) Die Frage, ob ein bestimmter Rechtssatz des öffentlichen Rechtes mit der Rechtsmacht zu seiner Durchsetzung gleichsam angereichert ist, ist, sofern sie nicht schon der Wortlaut im bejahenden Sinne beantwortet (vgl. etwa § 5 I 1 Nr. 1 BImSchG und §§ 22 I und 3 I BImSchG Nachbarschaft; § 15 I 2 BauNVO unzumutbare Störungen im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung; § 5 VII 3 LBO nachbarschützend ), im Wege der - vor allem telelogischen, gelegentlich rechtshistorischen - Auslegung zu lösen, wobei im Falle von sogen. Umsetzungsnormen (d. h. im Falle von Rechtssätzen, mit denen EU-Richtlinien in nationales Recht übergeleitet worden sind) auch der vom EuGH entwickelte gemeinschaftsrechtliche Effet-Utile-Grundsatz (sogen. vertragskonforme Auslegung; vgl. dazu Peters, UPR 2000, 272), d. h. der Grundsatz zu berücksichtigen ist, der sich dynamisch an der nützlichen Wirkung des europäischen Gemeinschaftsrechtes orientiert (vgl. dazu EuGH, Urt. vom 8.4.1976 - 48/75 -, ABl. EG 1976 Nr. C 214, 4 - 5 = DVBl 1976, 705 = NJW 1976, 2065; EuGHE, Gutachten 1/91, 1991, I-6079 Hummer ; kritisch hierzu BVerfG, Urt. vom 12.10.1993 - 2 BvR 2134/92 -, BVerfGE 89, 155 = NJW 1993, 3047 = DVBl 1993, 154 = DÖV 1994, 119 Maastricht ). Dabei reicht es im Ergebnis für die Bejahung eines subjektiven öffentlichen Rechtes aus, wenn sich dem Rechtssatz im Wege einer vertretbaren Auslegung entnehmen lässt, dass ein bestimmtes Individualinteresse begünstigt werden solle. Dies ist Ausfluss des Gedankens, dass aus der von Art. 19 IV GG entscheidend mitgeprägten Gesamtsicht des Bonner Grundgesetzes (GG) vom Verhältnis des Einzelnen zum Staat folgt, im Zweifel derjenigen Interpretation eines Rechtssatzes den Vorzug zu geben, die dem Bürger einen Rechtsanspruch einräumt (vgl. BVerfGE 15, 275/281 f.). In diesem Sinne wird die subjektiv-rechtliche Relevanz - zumindest von der Rechtsprechung - jedenfalls hinsichtlich solcher Rechtsnormen abgelehnt, die nach Ansicht der herrschenden Meinung lediglich das typisierte Interesse der Gesamtheit, nicht aber das damit notwendig übereinstimmende Individualinteresse des Einzelnen schützen wollen (vgl. etwa BVerwG, Urt. vom 22.2.1995, BVerwGE 95, 133/137 = NVwZ 1994, 999 = DVBl 1994, 1241 = DÖV 1994, 962). Hingegen ist von einem geschützten Individualinteresse regelmäßig dann auszugehen, wenn ein von der Allgemeinheit abgrenzbarer unmittelbar und konkret Betroffener bzw. Berechtigter vorhanden ist, dessen Beeinträchtigungen nach dem Gesetz tunlichst zu vermeiden sind (vgl. etwa BVerwG, Urt. vom 15.7.1987, BVerwGE 78, 40 = DÖV 1987, 1017 = DÖV 1987, 1017 = DVBl 1987, 1265 = NJW 1988, 434 Nachbarschutz im Wasserrecht ). |
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| d) In diesem Zusammenhang sei nur am Rande und nur als Ausblick der Hinweis auf die UN/ECE- Konvention über den Zugang zu Informationen, Öffentlichkeitsbeteiligungen an Entscheidungsfragen und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (sogen. Aarhus-Konvention - AK ) vom 25.6.1998 (abgedruckt in: NVwZ- Beilage Nr. III/2001 zu Heft 5/2001; vgl. auch http://www.unece.org/env.pp ) gestattet. Zeichner dieses multilateralen völkerrechtlichen Abkommens waren insgesamt 39 UN/ECE-Staaten, darunter alle Mitgliedstaaten der EU, sowie die Europäische Kommission. Die AK ist am 30.12.2001 in Kraft getreten (vgl. UPR 2002, 22). Ihr Programm findet Ausdruck in den drei systematisch abgestuften Absätzen des Art. 9, in denen es um die 3 Pfeiler (piliers) Recht der Bürger auf Zugang zu Umweltinformationen (vgl. dazu die RL 2003/4/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 28.1.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und über die Aufhebung der RL 90/313/EWG des Rates - Informations- RL -, ABl. EG Nr. L 41 vom 14.2.2003, S: 26), Recht der Bürger auf Teilhabe an Entscheidungsprozessen (vgl. dazu die RL 2003/35/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26.5.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der RL 85/337/EWG und der RL 96/61/EG des Rates in Bezug auf Öffentlichkeitsbeteiligungen und den Zugang zu Gerichten - Öffentlichkeitsbeteiligungs- RL -, ABl. EG Nr. L 156 vom 25.6.2003, S. 17) und - was gerade hier von Bedeutung ist - Recht der Bürger auf Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten (acces à la justice ) geht (zur Information und Partizipation der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten nach den RL 2003/4/EG und 2003/35/EG vgl. Werres, DVBl 2005, 611 ff.). |
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| Nach Art. 9 II Unter-Abs. 1 AK ist im Grundsatz ein Zugang zu gerichtlicher oder anderweitiger unabhängiger Überprüfung in Umweltangelegenheiten geboten; die Klagebefugnis soll auch die Drittbetroffenen , namentlich Individuen, umfassen. In dieser Hinsicht liegt bisher lediglich ein Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten vom 24.10.2003 (KOM (2003) 624 endg.) vor. Ziel dieses Entwurfes einer Rechtsschutz-RL (RSchRLE) ist - in Anpassung an Art. 9 II Unter-Abs. 2 Satz 1 AK - ein möglichst umfassender Zugang zu Gerichten . Gefordert wird - in Übereinstimmung mit Art. 9 II, III AK - ein Klagerecht für denjenigen, der ein ausreichendes Interesse hat oder alternativ eine Rechtsverletzung geltend macht, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert (sogen. Optionsmodell). Damit scheint es in der Bundesrepublik Deutschland gerade bei der bereits oben erwähnten Schutznormtheorie bleiben zu dürfen. Doch der Umstand, dass offenkundig weder in der AK noch im RSchRLE eine Interessenklage vorgeschrieben wird, besagt nicht viel, weil es dadurch nicht ausgeschlossen ist, den Begriff des subjektiven Rechtes in Revision der Schutznormtheorie auch im Sinne des Effet-Utile- Grundsatzes zu erweitern (so mit Recht Ekardt/Pöhlmann, NVwZ 2005, 532/53 f. gegen Seelig/Gründling, NVwZ 2002, 1033 ff. und von Danwitz, NVwZ 2004, 272 ff.; vgl. auch das Votum für die Beibehaltung des deutschen Individualrechtsschutzes von Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, 489/494 ff.). |
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| e) Im gegebenen Falle muss unter Berücksichtigung des eindeutigen Wortlautes sowie des Zieles und des Zweckes der von den Klägern bemühten, mit strikter (Außenrechts-) Verbindlichkeit ausgestatteten Grenzwertregelung des § 4 II 1 der 22. BImSchV für Partikel der PM 10 - Fraktion, welche die Grenzwertfestlegung in der 1. TRL 1999 übernommen hat und welche - hinsichtlich ihres Anspruchniveaus - nicht allein der Konkretisierung anderer materieller Vorgaben (etwa des § 3 I BImSchG schädliche Umwelteinwirkungen; vgl. z. B. die der Konkretisierung der schädlichen Umwelteinwirkung dienende 18. BImSchV im Falle von Sportlärm; vgl. dazu BVerwG, Beschl. vom 8.11.1994, BVerwG UPR 1995, 108 = DVBl 1995, 514 = BauR 1995, 377 = NVwZ 1995, 993 = BRS 56 Nr. 194 = NuR 1996, 29) dient, sondern als eigenständige Regelung zur Anwendung kommt (so Jarass, NVwZ 2003, 257/260; vgl. dazu BT-Drucks. 14/8450 vom 6.3.2002, S. 9 Prägung der Novellierung des BImSchG von einem gewissen Dualismus ), und ferner unter verfassungsgerechter Beachtung des oben erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Effet-Utile- Grundsatzes erkannt werden, dass die angesprochene Regelung nicht nur dem typisierten Interesse der Gesamtheit der Bevölkerung, namentlich der Wohnbevölkerung, an effektivem Gesundheitsschutz dient, sondern dass sie durch die Benennung der menschlichen Gesundheit (vgl. auch Art. 174 I tiré 2 EG = Art. 130r I tiré 2 EGV) an vorderster Stelle in hervor gehobener Weise auch dem Interesse des Einzelnen am Schutz vor Schäden an seiner Gesundheit gerecht werden will (so auch nur nebenbei BVerwG, Urt. vom 26.5.2004, a. a. O.; vgl. auch BVerwG, Urt. vom 2.12.1980 - 7 C 84/78 -, BVerwGE 61, 256 = NJW 1981, 1393 = DVBl 1981, 294 = DÖV 1981, 294 = JuS 1981, 617 Die Dosisgrenzwerte des § 45 StrlSchV haben drittschützenden Charakter; vgl. auch EuGH, Urteile vom 30.5.1991 - Rs C 361/88 - und - Rs C 59/89 -, NVwZ 1991, 866 und NVwZ 1991, 868 mangelhafte Umsetzung der beiden Luftreinhaltungs-RL 80/779/EWG und 82/884/EWG ). |
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| Die besagte Grenzwertregelung will nicht nur die Allgemeinheit schützen, sondern auch den Einzelnen vor den bereits zitierten erheblichen gesundheitlichen Gefahren, denen er durch die den verordneten Grenzwert überschreitenden PM 10 - Konzentrationen ausgesetzt ist, bewahren und ihm entsprechende Klagerechte auf Grund der vorhandenen gesetzlichen Befugnis- und sonstigen Handlungsnormen gewähren (so Jarass, NVwZ 2003, 257/264). Schutz der menschlichen Gesundheit im Allgemeinen ohne effektiven (auch einklagbaren) Schutz der Gesundheit Einzelner im Besonderen wäre ein Widerspruch in sich. |
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| In diesem Zusammenhang ist der Auffassung des Beklagten entgegen zu treten, wonach es einen ehernen Grundsatz der deutschen (Verwaltungs-) Rechtsordnung gebe, dass ein Dritter keinen Anspruch auf Aufstellung von Plänen jeglicher Art habe. Denn diesen Grundsatz gibt es wahrhaft nicht. Die Existenz eines derartigen Grundsatzes kann auch nicht mit Hilfe des städtebaurechtlichen § 1 III 2 BauGB belegt werden, weil es einen Anspruch auf Bauleitplanung allein deshalb nicht gibt, weil der Gesetzgeber es selbst ist, der diesen Anspruch kategorisch (ausnahmslos) ausgeschlossen hat. Selbst wenn es übrigens einen derartigen Grundsatz gäbe, müsste hier im überragenden Interesse an effektivem Gesundheitsschutz eine Ausnahme gemacht werden; Grundsätze sind nämlich dazu da, dass sie Ausnahmen zulassen. |
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| f) Die Kläger gehören zu den Menschen, die von der Grenzwertregelung des § 4 II 1 der 22. BImSchV in ihrer Gesundheit geschützt sind. Sie gehören als Bewohner von Stuttgart einem Personenkreis an, der sich durch das Vorliegen eines so genannten faktischen Aktionsplangebietes im Sinne der bereits oben erwähnten Schutznormtheorie auch hinreichend individualisieren lässt. |
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| Unter einem faktischen Aktionsplangebiet soll, was das Stadtgebiet von Stuttgart anbelangt, ein Ballungsraum im Sinne der 22. BImSchV verstanden werden, für den es einen immissionsschutzrechtlichen Aktionsplan als Handlungskonzept - aus welchen Gründen auch immer - zwar noch nicht gibt, für den aber ein solcher Plan zwingend aufzustellen ist, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Das faktische Aktionsplangebiet entspricht einem immissionsschutzrechtlichen Gefahrengebiet, weil es allein durch die Gefahr gekennzeichnet ist, dass die im § 4 II der 22. BImSchV festgelegten Immissionsgrenzwerte überschritten werden könnten (§ 47 II 1 BImSchG). |
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| Nach § 9 II 1 der 22. BImSchV, dessen Geltung übrigens im Hinblick auf die im § 4 II der 22. BImSchV festgesetzten Immissionsgrenzwerte für Partikel PM 10 nicht durch § 9 I der 22. BImSchV ausgeschlossen ist, haben die zuständigen Behörden die Ballungsräume festzulegen, wobei sie dann jährlich Gebiete und Ballungsräume nach § 9 II 2 der 22. BImSchV entsprechend bestimmten Werten einzustufen haben. Unter einem Ballungsraum wird im gegebenen Zusammenhang verstanden entweder ein Gebiet mit mindestens 250°000 Einwohnern, das aus einer oder mehreren Gemeinden besteht, oder ein Gebiet, das aus einer oder mehreren Gemeinden besteht, welche jeweils eine Einwohnerdichte von 1°000 Einwohnern oder mehr je Quadratkilometer bezogen auf die Gemarkungsfläche haben oder die zusammen mindestens eine Fläche von 100 Quadratkilometern darstellen (§ 1 Nr. 7 der 22. BImSchV). Das Stadtgebiet von Stuttgart erfüllt die Voraussetzungen eines so verstandenen Ballungsraumes. |
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| g) Die Rechtsprechung des BVerwG zum Drittschutz im Bereich des anlagenbezogenen Immissionsschutzrechtes, die dort im Hinblick auf die im § 5 I 1 Nr. 2 BImSchG geregelte Vorsorgepflicht erkannt hat, dass es an einem individualisierbaren Personenkreis dann fehlte, wenn zwar potentiell schädliche, aber keinem bestimmten Emittenten zuzuordnende Umweltweinwirkungen (§ 3 I BImSchG) gegeben seien (vgl. dazu BVerwG, Urt. vom 11.12.2003, BVerwGE 119, 329 = DÖV 2004, 340 = VBlBW 2004, 177 = DVBl 2004, 638 = NVwZ 2004, 610 = ZUR 2004, 229 CVR-Anlage CVR = Chemical Vapor Reaction = Nanopulver-Anlage ; Besprechung Gantzer, VBlBW 2004, 174 ff.), ist schon deshalb auf den Bereich des auf Ballungsräume bezogenen Immissionsschutzrechtes (Luftqualitätsrechtes) nicht übertragbar, weil - zum einen - die Vorschriften der 22. BImSchV dem eigenständigen, gemeinschaftsrechtlich beeinflussten Luftqualitätsrecht des BImSchG angehören und - zum anderen und dies vor allem - sie nicht der Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen, d. h. nicht der Schaffung einer Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle, sondern ebenso wie etwa § 5 I 1 Nr. 1 BImSchG bereits der Gefahrenabwehr dienen (so Jarass, BImSchG, 6. Auflage 2005, § 48a Rn 16; Gerhold/Weber, NVwZ 2000, 1139 ff.), wo es generell und - wie dargelegt - auch im gegeben Falle einen individualisierbaren Personenkreis gibt (vgl. BVerwG, Beschl. vom 7.9.1988, BVerwGE 80, 184/189 = NJW 1989, 467; BVerwG, Beschl. vom 22.1.2004, NVwZ-RR 2004, 335). |
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| 4. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. |
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| a) Der Beklagte hat es trotz Aufforderung durch die Kläger pflichtwidrig unterlassen, den begehrten immissionsschutzrechtlichen Aktionsplan aufzustellen. Das in diesem Zusammenhang zu erörternde, das gegenwärtige allgemeine Rechtsschutzbedürfnis der Kläger in Abrede stellende Vorbringen des Beklagten, wonach erst die (Spot-) Messungen der UMEG im Jahre 2004 deutliche Überschreitungen des zulässigen PM 10 - Tagesmittelwertes im Stadtgebiet von Stuttgart gezeigt und erst sie Anlass zur Aufnahme von Arbeiten an einem ( Luftreinhalte- und) Aktionsplan im August 2004 gegeben hätten, ist unerheblich. Denn das Fehlen von Überschreitungen des verordneten Wertes kann kein Grund dafür sein, es zu unterlassen, einen ( Luftreinhalte- und) Aktionsplan für das betreffende Gebiet oder den betreffenden Ballungsraum nach Maßgabe der jeweiligen - fortschreibungsfähigen - Beurteilungslage bereit zu stellen. Es kann auch nicht mit reinem Formalismus abgetan werden, Aktionspläne für Gebiete aufzustellen, in denen zunächst keine Überschreitung des in der 1. TRL 1999 (22. BImSchV) für PM 10 bestimmten höchstzulässigen Tagesmittelwertes bekannt geworden sei, aus welchen Gründen dies auch immer der Fall gewesen sein mag. Denn eine (dem Auftreten von Überschreitungen vorbeugende) Pflicht zum Handeln der zuständigen (Landes-) Behörde hat bereits seit dem - aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht der Dinge verspäteten - In-Kraft-Treten der 22. BImSchV zum 18.9.2002 bestanden, wenn sie nicht schon durch die Verpflichtung zur Umsetzung der 1. TRL 1999 zum 19.7.2001 (vgl. Art. 12 I 1 der 1. TRL 1999) ausgelöst worden war (vgl. dazu BT-Drucks. 14/8450 vom 6.3.2002, S. 18, und im Anschluss daran Jarass, NVwZ 2003, 257/ 261). Unter diesen Umständen verliert auch die behördeninterne Entscheidung, den Aktionsplan als Teil eines Luftreinhalteplanes gemäß § 47 II 3 BImSchG aufzustellen, seine entschuldigende Kraft, zumal es in einem Aktionsplan auch nur um kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen geht. |
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| Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, er sei zeitlich erst dann verpflichtet gewesen, mit der Ausarbeitung eines Aktionsplanes zu beginnen, als er erfahren habe, dass es zu Überschreitungen des Grenzwertes im verbotenen Ausmaß gekommen sei, muss ihm gesagt werden, dass diese Auffassung sich nicht mit Art. 7 III LQ-RL 1996 vereinbaren lässt, der - wie oben schon einmal dargestellt - folgendes vorschreibt: |
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| Die Mitgliedstaaten erstellen Aktionspläne, in denen die Maßnahmen angegeben werden, die im Falle der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte (Hervorhebung durch das Gericht) kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern und deren Dauer zu beschränken. Diese Pläne können, je nach Fall, Maßnahmen zur Kontrolle und, soweit erforderlich, zur Aussetzung der Tätigkeiten vorsehen, die zu einer Überschreitung der Grenzwerte beitragen, schließlich des Kraftfahrzeugverkehrs. |
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| So und nicht anders muss dann auch im Sinne europarechtskonformer Auslegung die Ermächtigungs- und Anspruchsnorm des § 47 II BImSchG verstanden werden. |
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| Für die Verpflichtung zur Ausarbeitung eines Aktionsplanes mit dem Wirksamwerden der 1. TRL 1999 zum 19.7.2001 spricht auch die dem Entwurf des 7. Änderungsgesetzes zum BImSchG beigefügte Begründung vom 6.3.2002, wo es heißt: |
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| Die TRL legen für die durch sie erfassten Schadstoffe Luftqualitätsziele durch Grenzwerte für Immissionen fest, die nach dem Eintritt bestimmter Stichtage nicht mehr überschritten werden dürfen. Art. 7 I der LQ-RL 1996 verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, dies sicher zu stellen. Um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu entsprechen und den Mitgliedstaaten und den Betroffenen angemessene Fristen für die notwendigen rechtlichen und technischen Anpassungen zu ermöglichen, gestatten die TRL bis zum Eintritt der Stichtage innerhalb eines im Einzelnen vorgegebenen Übergangszeitraumes die Überschreitung der Grenzwerte im Rahmen der Toleranzmargen (BT- Drucks. 14/8450 vom 6.3.2002, S. 8). |
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| Der Fall, dass es im Ballungsraum von vorne herein nicht zu verbotenen Überschreitungen des Grenzwertes kommen würde, hat wahrlich nicht unterstellt werden dürfen. Die Gefahr der künftigen Überschreitung des PM 10 -Grenzwertes im Jahre 2005 ist nicht erst im Jahre 2004 offensichtlich gewesen. So hat der Bundesrat aus Anlass der Aufhebung der 23. BImSchV eine Entschließung gefasst, in der es auszugsweise heißt (vgl. BR-Drucks. 331/04 - Beschluss, Anlage; abgedruckt in: Landmann/Roh-mer, Umweltrecht, Kommentar, Band II Teil 2.23): |
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| ... Der Bundesrat weist ausdrücklich darauf hin, dass die technischen Potentiale zur Emissionsminderung nicht ausreichen werden, um in Deutschland diese neuen europäischen Immissionsgrenzwerte flächendeckend einzuhalten. Dies trifft speziell für den Kurzzeitgrenzwert für Feinstaub (PM 10 ) zu, der zur Zeit in vielen Städten an Hauptverkehrsstraßen um den Faktor 2 bis 3 überschritten wird. Es ist davon auszugehen, das ohne Einleitung einschneidender Maßnahmen in circa 70 bis 120 Kommunen in Deutschland in den Jahren 2005 bzw. 2010 mit Überschreitungen der Grenzwerte von PM 10 und NO 2 zu rechnen ist. Die Nichteinhaltbarkeit des Kurzzeitgrenzwertes für PM 10 in urbanen Ballungsräumen ist nicht nur ein deutsches, sondern ein europaweites Phänomen, wie eine im Auftrag der Kommission tätige Gruppe von Experten der Mitgliedstaaten in einem PM 10 -Positionspapier festgestellt hat. |
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| b) Das Rechtsschutzbedürfnis kann den Klägern auch nicht deshalb abgesprochen werden, weil der erstrebte Aktionsplan - wie ausgeführt - keine regelnde Außenwirkung besitzt. Entscheidend ist, dass der Aktionsplan - mittelbar - geeignet ist, die Rechtsposition der Kläger zu verbessern. Denn der Aktionsplan hat rechtserhebliche Bedeutung für den Erlass weiterer, dem Gesundheitsschutz der Kläger dienenden Maßnahmen, die künftig nach Maßgabe dieses Planes im Falle der verbotenen Überschreitung des Grenzwertes kurzfristig zu treffen sind. Allein diese Betrachtungsweise entspricht dem gestuften Regelungsmechanismus, der dem europarechtliche beeinflussten Luftreinhalterecht zu Grunde liegt. |
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| II. Die Klagen sind begründet. |
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| Das gerügte Unterlassen des begehrten immissionsschutzrechtlichen Aktionsplanes für das Stadtgebiet von Stuttgart durch den Beklagten ist in einer die Rechte der Kläger verletzenden Weise rechtswidrig, weshalb und - mangels Ermessens - auch infolge Spruchreife die beantragte Verurteilung des Beklagten zur begehrten Planaufstellung hat ausgesprochen werden müssen (entsprechend § 113 V 1 VwGO). Die ausgesprochene Verpflichtung genügt dem Bestimmtheitsgebot und ist entsprechend § 172 VwGO auch vollstreckungsfähig (zur Anwendbarkeit des § 172 VwGO auf allgemeine Leistungsurteile vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2003, § 172 Rn 1). Die insoweit geäußerten Zweifel sind unangebracht. |
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| 1. Das gerügte Unterlassen ist rechtswidrig. |
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| a) Das gerügte Unterlassen steht im Widerspruch zu der zwingenden - im Sinne des Art. 7 III 1 LQ-RL 1996 europarechtskonform auszulegenden - besonderen Handlungsnorm des § 47 II 1 BImSchG. Danach hat die (nach Landesrecht) zuständige Behörde zwingend einen Aktionsplan aufzustellen, in dem sie diejenigen - im Sinne des § 47 II 2 BImSchG und des § 11 VI 2 der 22. BImSchV geeigneten - Maßnahmen anzugeben hat, die - gleichsam vorausschauend - im Falle der Gefahr der Überschreitung der durch eine Rechtsverordnung nach § 48a I BImSchG, namentlich im Falle der Gefahr der Überschreitung der durch die Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft (22. BImSchV) festgelegten Immissionsgrenzwerte, kurzfristig zu ergreifen sind, um die Gefahr der Überschreitung zu verringern und deren Dauer zu beschränken. Diese europarechtlich veranlasste Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Aufstellung eines Aktionsplanes besteht also nicht erst bei Vorliegen einer (konkreten) Gefahr der Überschreitung im polizeirechtlichen Sinne, sondern unabhängig davon schon für den gedachten Fall, dass die Gefahr der Überschreitung der Grenzwerte besteht. Im Übrigen käme es für das Vorliegen einer Polizeigefahr nicht darauf an, ob die Polizei die Gefahr gekannt oder ob sie sie im Gegenteil nicht gekannt hat. |
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| b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser besonderen Handlungsnorm, die hier wegen des subjektive Rechte vermittelnden § 4 II 1 der 22. BImSchG zugleich eine Anspruchsnorm für die Kläger ist, sind hier erfüllt. |
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| Der in der erwähnten Vorschrift als Tagesmittelwert festgelegte Immissionsgrenzwert von 50 μm/m 3 für Partikel PM 10 bei 35 zugelassenen Überschreitungen je Kalenderjahr kann im Stadtgebiet (Gefahrengebiet) nicht eingehalten werden. Der Fall, dass die Gefahr des Überschreitens besteht, ist hier bereits eingetreten, sie hat sich darüber hinaus schon realisiert. Für die Antwort auf die Frage nach der Überschreitung von Grenzwerten der 22. BImSchV kommt es übrigens nicht darauf an, ob die Grenzwerte in einem Gebiet oder Ballungsraum flächendeckend oder im Durchschnitt überschritten werden (BVerwG, Urt. vom 26.5.2004, NVwZ 2004, 1237 = DVBl 2004, 1289 = NuR 2004, 729 = ZUR 2005, 96). |
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| c) Da die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Beklagte durch die zuständige Behörde den vom Gesetz geforderten immissionsschutzrechtlichen Aktionsplan für das nach den §§ 9 I, II und 4 II der 22. BImSchV festzulegende Gefahrengebiet aufzustellen. Ein Entschließungsermessen besteht nicht. Angesichts der Eindeutigkeit der Regelung kann der Beklagte im Hinblick auf § 45 I BImSchG nicht darauf verweisen, dass es neben der Aufstellung eines Aktionsplanes auch andere Möglichkeiten gebe, um Luftreinhalteplanung zu betreiben. Er widerspricht sich insoweit selbst, als er ja seit August 2004 tatsächlich eine Aktionsplanung betreibt. Im Übrigen müsste § 47 II 1 BImSchG als eine Schranke des im § 45 I BImSchG eingeräumten Ermessens verstanden werden. |
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| Dieses Verständnis liegt auch der dem Entwurf des 7. Änderungsgesetzes zum BImSchG beigefügten Begründung vom 6.3.2002 zu Grunde, wo es heißt: |
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| ... Auch § 45 I BImSchG gewährt den zuständigen Behörden insoweit Ermessen, als nicht ein Aktionsplan auf Grund von § 47 II BImSchG aufzustellen ist (BT-Drucks. 14/8450 vom 6.3.2002, S. 12). ... . |
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| d) Die zuständige Behörde hat indessen ein (Verwaltungs-) Ermessen bei der Auswahl der im begehrten immissionsschutzrechtlichen Aktionsplan festzulegenden, als geeignet zu erachtenden Maßnahmen (vgl. § 47 II 2 BImSchG und § 11 IV der 22. BImSchV). Es kann nicht erkannt werden, dass dieses Auswahlermessen auf eine einzelne Maßnahme oder bereits jetzt auf bestimmte Maßnahmen beschränkt wäre. Eine Verurteilung des Beklagten kommt deshalb und auch wegen der durch § 88 VwGO angeordneten Bindung des Gerichtes an das Klagebegehren (ne ultra petita ) nicht in Betracht. Eine (Durchgriffs-) Klage auf den Erlass einer bestimmten Maßnahme scheidet aus, weil ohne den Aktionsplan nicht erkannt werden kann, welche von der zuständigen Behörde zu erlassende geeignete Maßnahme im konkreten Einzelfalle zum Schutz der Gesundheit der Kläger kurzfristig in Betracht kommt. Erst der Aktionsplan kanalisiert gleichsam die Rechtsschutzmöglichkeiten der Kläger im Falle verbotener PM 10 - Konzentrationen. |
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| 2. Das gerügte Unterlassen verletzt auch Rechte der Kläger. |
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| a) Die Kläger gehören zu den von der Grenzwertregelung des § 4 II 1 der 22. BImSchV in ihrer Gesundheit geschützten Menschen. Sie sind Bewohner eines faktischen Aktionsplangebietes. Sie halten sich auf Dauer im Stadtgebiet von Stuttgart auf, welches einen Ballungsraum bildet. Sie wohnen namentlich im Bereich der Probenahmestelle ... bzw. im Bereich der Probenahmestelle ... , wo überdies jeweils festgestellt worden ist, dass schon jetzt der zulässige Tagesmittelwert der 1. Stufe für Partikel PM 10 von 50 μm/m 3 an mehr als 35 Tagen je Kalenderjahr überschritten ist. Ihre Wohngrundstücke befinden sich nämlich im Gebäude ... bzw. im Gebäude ..., die Bestandteil des hier in Rede stehenden faktischen Aktionsplangebietes (Gefahrengebietes) sind. |
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| b) Das Vorbringen des Beklagten, die erwähnten Grundstücke seien deutlich abgesetzt von den jeweiligen Probenahmestellen, ist unerheblich, weil es darauf nicht ankommt. Maßgebend für die Verletzung von Rechten der Kläger ist einzig der Umstand, dass die Wohngrundstücke der Kläger in einem nach immissionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilenden Gefahrengebiet liegen, in dem sich übrigens - noch einmal bemerkt - die Gefahr der verbotenen Überschreitung des Grenzwertes in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnungen auch schon realisiert hat. Lediglich rechtsmissbräuchlichen Klagen müsste der Erfolg abgesprochen werden; von Rechtsmissbrauch (entsprechend § 242 BGB) kann hier indessen nicht die Rede sein. |
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| Die Rechtslage ist im Hinblick auf den Drittschutz durchaus mit derjenigen eines Grundstückseigentümers zu vergleichen, dem im Bebauungsrecht als Plangebietsbetroffenem ein Gebietsgewährleistungsanspruch wegen gebietsfremder Anlagen (Anlagentypen) oder Nutzungen (Nutzungstypen) im Sinne der §§ 2 bis 14 BauNVO zusteht, wobei es in Fällen dieser Art nach der Rechtsprechung des BVerwG auch nicht einmal darauf ankommt, ob dieser Grundstückseigentümer unzumutbar durch die gebietsfremde Anlage oder Nutzung beeinträchtigt ist (vgl. etwa BVerwG, Urt. vom 16.9.1993, BVerwGE 94, 151 = UPR 1994, 69 = DVBl 1994, 284 = ZfBR 1994, 97 = DÖV 1994, 263 = BauR 1994, 223 = MDR 1994, 379 = NJW 1994, 1546 = BRS 55 Nr. 110 Die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungspläne hat kraft Bundesrechts grundsätzlich nachbarschützende Funktion ; BVerwG, Beschl. vom 13.12.1995, UPR 1996, 113 = ZfBR 1996, 123 = DÖV 1996, 293 = BauR 1996, 219 = NVwZ, 1996, 787 = BRS 57 Nr. 79 Einen Verstoß gegen § 13 BauNVO kann ein Nachbar grundsätzlich unabhängig davon abwehren, ob er durch die freiberufliche oder gewerbliche Nutzung unzumutbar beeinträchtigt wird. ). Und dieser Gebietsgewährleistungsanspruch betrifft indessen nicht nur die rechtlichen, d. h. die festgesetzten, sondern auch die faktischen BauNVO- Baugebiete, nämlich diejenigen Gebiete, die nach ihrer (Umgebungs-) Eigenart einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete entsprechen (§ 34 II BauGB; BVerwG, Urt. vom 16.9.1993, BVerwGE 94, 151 = NJW 1994, 1546 = ZfBR 1994, 97 = NVwZ 1994, 783 LS; BVerwG, Beschl. vom 11.4.1996, ZfBR 1997, 51= NVwZ-RR 1997, 463 = BRS 58 Nr. 82 faktisches BauNVO- Mischgebiet ). |
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| III Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO. |
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| IV Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden (§§ 124 II Nr. 3 und 124a I 1 VwGO). |
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