Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss, 03. Feb. 2017 - 11 K 8599/16

bei uns veröffentlicht am03.02.2017

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag der Antragstellerin, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie in den deutschen Staatsverband einzubürgern, hat keinen Erfolg. Denn dieser auf die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband zielende Antrag ist auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um u. a. wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Deren tatsächliche Voraussetzungen müssen hinreichend wahrscheinlich („glaubhaft“) sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Wie sich aus der Bezeichnung der Maßnahme als einer einstweiligen Anordnung und aus der Vorläufigkeit des zu regelnden Zustandes ergibt, dient die einstweilige Anordnung ihrem Wesen nach dem vorläufigen Rechtsschutz. Es ist daher grundsätzlich nicht Sinn des summarischen Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, einem Antragsteller schon diejenige Rechtsposition zu verschaffen, die er nur im Verfahren zur Hauptsache, also aufgrund einer Verpflichtungs- oder Leistungsklage, erstreiten könnte. Eine solch unzulässige Vorwegnahme des Ergebnisses der Hauptsache liegt nicht nur in irreparablen Regelungen. Sie kann auch dann gegeben sein, wenn die begehrte Regelung nur vorübergehend, d. h. unter dem Vorbehalt einer anderweitigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ergehen soll (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 08.02.2006 - 13 S 18/06 - VBlBW 2006, 286). Ein die Hauptsache vorwegnehmender Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nur dann in Betracht, wenn ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung zu schlechterdings unzumutbaren Nachteilen für den Antragsteller führen würde, die auch bei einem Erfolg in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen wären, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.2013 - 10 C 9/12 - BVerwGE 146, 189; VGH Mannheim, Beschl. v. 06.03.2012 - 10 S 2428/11 - VBlBW 2012, 469).
Nach diesen Grundsätzen steht dem Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung entgegen, dass sie nicht eine im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO nur mögliche vorläufige Regelung, sondern eine endgültige Befriedigung des Hauptsacheanspruchs begehrt. Der Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung würde dazu führen, dass dem auf Einbürgerung in den deutschen Staatsverband gerichteten Begehren endgültig und irreversibel entsprochen würde; dies widerspräche dem bloßen Sicherungszweck des Verfahrens nach § 123 VwGO. Der Antragstellerin entstehen durch die Ablehnung der einstweiligen Anordnung auch keine schweren und unzumutbaren Nachteile. Die Stützpunktleiterin des Nationalmannschaftszentrums Bundes- und Landesleistungszentrum - Rhythmische Sportgymnastik - in F. teilte mit Schreiben vom 28.07.2016 mit, im Falle einer Einbürgerung der Antragstellerin würde deren sportliche Leistung erneut beurteilt und sie werde bei entsprechender sportlicher Eignung in das Nationalmannschaftszentrum zurückgeholt und in das Training am Nationalmannschaftszentrum eingegliedert. Im Hinblick auf diese Stellungnahme ist ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht mit unzumutbaren Nachteilen für die Antragstellerin verbunden. Soweit die Antragstellerin befürchtet, durch weitere Zeitverluste aus dem Nationalteam vollkommen ausgeschlossen zu werden, hat sie unzumutbare Nachteile nicht glaubhaft gemacht. Sie hat es vielmehr selbst in der Hand, für den Fall der Einbürgerung ab dem 18. Lebensjahr ihr sportliches Leistungsniveau bis zu einer Wiederaufnahme in das Nationalmannschaftszentrum durch kontinuierliches Training beim derzeitigen Verein TSV S. zu erhalten oder sogar zu steigern.
Im Übrigen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ersichtlich, dass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist.
Im Hinblick auf die Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG ist der Behördenakte nicht zu entnehmen, dass die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt für sich bestreiten kann (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG). Weiter lässt sich der Behördenakte nicht entnehmen, dass die Antragstellerin über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 StAG). Der bloße Besuch eines Gymnasiums dürfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausreichen. Außerdem ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin über einen Grundbestand an staatsbürgerlichem Wissen verfügt und den Inhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG) jedenfalls in Ansätzen kennt (vgl. HTK-StAR / § 10 StAG / zu Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Stand: 26.10.2016, Rn. 28 m.w.N.). Der Antragsgegner hat auch zutreffend dargelegt, dass sich die Antragstellerin auf einen Ausnahmetatbestand des § 12 StAG nicht berufen kann. Der Umstand, dass der Ausländer aus Altersgründen die ausländische Staatsangehörigkeit noch nicht aufgeben kann, unterfällt nicht § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StAG, sondern ist dem § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 StAG zuzurechnen (vgl. HTK-StAR / § 12 StAG / zu Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2, Stand: 02.09.2016, Rn. 76). Das Verlangen der Volljährigkeit einer Person, die die Entlassung begehrt, ist eine abstrakt zumutbare Entlassungsbedingung (vgl. HTK-StAR a.a.O. Rn. 80). Die Entlassungsvoraussetzung des Erreichens der Volljährigkeit ist im vorliegenden Fall auch keine konkret-individuell unzumutbare Entlassungsvoraussetzung. Denn die Eltern der Antragstellerin besitzen ersichtlich nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Ein Gleichklang zwischen den staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnissen der Eltern und derjenigen der minderjährigen Antragstellerin würde durch die begehrte Einbürgerung gerade nicht erreicht. Außerdem ist die Antragstellerin nur noch wenige Monate von der Volljährigkeitsgrenze entfernt und hat hinreichende Bindungen an den Staat ihrer Staatsangehörigkeit. Das mit der Altersbeschränkung verbundene Entlassungshindernis wirkt sich im Falle der Antragstellerin nur vorübergehend und nicht dauerhaft aus. Bei Abwägung aller Belange vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass im Falle der Antragstellerin die Entlassungsvoraussetzung des Erreichens der Volljährigkeit eine konkret-individuell unzumutbare Entlassungsvoraussetzung darstellt. Damit dürfte auch die Erteilungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StRG nicht erfüllt sein.
Auch im Hinblick auf § 8 StAG ist nicht ersichtlich, dass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit eines Anspruchs besteht. Die Einbürgerung nach § 8 StAG steht im grundsätzlich weiten Ermessen der Einbürgerungsbehörde; für die Ausübung des Einbürgerungsermessens ist allein ein staatliches Interesse an der beantragten Einbürgerung maßgebend (vgl. HTK-StAR / § 8 StAG / zu Abs. 1, Stand: 08.09.2016, Rn. 156 m.w.N.). Anhaltspunkte für eine Ermessensschrumpfung auf Null bestehen nicht.

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

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(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er 1. handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich v

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(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn 1. das Recht des ausländische

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Tatbestand 1 Die sechs Kläger sind irakische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1 begehrt als Mutter, die Kläger zu 2 bis 6 begehren als Geschwister die Erteilung von Vis

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Tatbestand

1

Die sechs Kläger sind irakische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1 begehrt als Mutter, die Kläger zu 2 bis 6 begehren als Geschwister die Erteilung von Visa zur Familienzusammenführung mit ihrem in Deutschland lebenden Sohn bzw. Bruder A.

2

Der am 1. Dezember 1992 geborene A., ebenfalls irakischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2008 als Minderjähriger nach Deutschland ein. Ihm wurde wegen einer ihm drohenden Gefahr der Gruppenverfolgung als Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Yeziden im Juni 2009 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Er erhielt zunächst eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG und im Juli 2012 eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG.

3

Seine Eltern beantragten für sich und ihre weiteren fünf Kinder im November 2009 bei der Deutschen Botschaft in Damaskus Visa zur Familienzusammenführung. Da die Botschaft nur zur Erteilung eines Visums an einen Elternteil bereit war, entschieden die Eheleute, dass der Vater nach Deutschland einreisen solle. Dieser erhielt im Februar 2010 das beantragte Visum und nach Einreise auch eine bis zum 3. März 2011 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 1 AufenthG. Die Visumanträge der Kläger zu 1 bis 6 lehnte die Botschaft hingegen zuletzt mit Remonstrationsbescheid vom 11. April 2010 ab.

4

Der Vater reiste nach Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis im März 2011 aus Deutschland aus, um seine Familie bei ihrer Rückkehr in den irakischen Herkunftsort zu begleiten. Die auf Erteilung des begehrten Visums gerichtete Verpflichtungsklage der Klägerin zu 1 hatte beim Verwaltungsgericht Erfolg, nicht hingegen die Klagen ihrer fünf Kinder. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. Dezember 2011 auch die Klage der Klägerin zu 1 abgewiesen und die Abweisung der Klagen der Kläger zu 2 bis 6 bestätigt.

5

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Erteilungsvoraussetzungen für den Nachzugsanspruch der Klägerin zu 1 nach § 36 Abs. 1 AufenthG und der Kläger zu 2 bis 6 nach §§ 32 und 36 Abs. 2 AufenthG müssten zum Zeitpunkt der Erlangung der Volljährigkeit des A. und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts vorgelegen haben. Für das personenbezogene Merkmal der Minderjährigkeit des A. sei hingegen auf den Zeitpunkt der Stellung der Visumanträge abzustellen. Insoweit sei der Nachzugsanspruch der Eltern und Geschwister wie der Nachzugsanspruch minderjähriger Kinder zu ihren Eltern nach § 32 AufenthG zu behandeln.

6

Der Anspruch der Klägerin zu 1 scheitere daran, dass der Vater des A. in Deutschland gelebt habe, als A. volljährig geworden sei. Damit fehle es an der Voraussetzung des § 36 Abs. 1 AufenthG, dass sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält. Allerdings habe bei Antragstellung beiden Eltern der Nachzugsanspruch nach § 36 Abs. 1 AufenthG zugestanden, so dass auch beiden das beantragte Visum hätte erteilt werden müssen. Dem stünden etwaige Belange des Kindeswohls der im Irak verbleibenden Kinder - der Kläger zu 2 bis 6 - nicht entgegen. Vielmehr obliege es den Eltern, die sachgerechte Entscheidung über die Versorgung ihrer Kinder zu treffen. Auch sei ein Nachzugsanspruch der Klägerin zu 1 nicht wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen, da sie weder an der Schleusung ihres Sohnes nach Deutschland mitgewirkt noch aus dessen Aufenthalt in Deutschland einen persönlichen Vorteil erlangt habe. Der ursprünglich bestehende Nachzugsanspruch der Klägerin zu 1 sei aber durch den Nachzug des Vaters zum Sohn nachträglich entfallen. Denn danach sei der minderjährige Sohn nicht mehr ohne elterliche Obhut gewesen.

7

Die Kläger zu 2 bis 6 hätten keine Nachzugsansprüche zu ihrem in Deutschland lebenden Bruder. Hierfür fehle es an einer außergewöhnlichen Härte im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Ein Nachzugsrecht zu den Eltern nach § 32 AufenthG bestehe nicht, da die Eltern über keine Aufenthaltsrechte in Deutschland verfügten und auch nicht beanspruchen könnten. Außerdem fehle es an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.

8

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihren Revisionen. Die Klägerin zu 1 macht insbesondere geltend, der Nachzugsanspruch nach § 36 Abs. 1 AufenthG stehe beiden Elternteilen zu und dürfe nicht dadurch vereitelt werden, dass zunächst nur einem Elternteil ein Visum gewährt und dessen Nachzug zum Kind dann dem anderen Elternteil entgegengehalten werde. Die Kläger zu 2 bis 6 vertreten die Auffassung, die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts stehe ihrem Nachzugsanspruch nicht entgegen, es liege vielmehr ein Ausnahmefall vor, weil andernfalls die Familieneinheit nicht gesichert werden könne. Für die Klägerinnen zu 2 und 3 liege zudem eine außergewöhnliche Härte vor, weil sie als junge yezidische Frauen im Irak unter einem erhöhten Verfolgungsdruck stünden.

9

Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Sie teilt die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, dass ein Nachzugsanspruch nach § 36 Abs. 1 AufenthG nicht besteht, wenn sich ein Elternteil beim Kind aufhält. Weiter ist die Beklagte der Auffassung, dass ein etwaiger Nachzugsanspruch jedenfalls mit Erreichen der Volljährigkeit des A. erloschen ist.

Entscheidungsgründe

10

Die Revisionen der Kläger haben keinen Erfolg. Zwar verletzt das angefochtene Urteil Bundesrecht, soweit es den Anspruch der Klägerin zu 1 auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug betrifft. Denn das Berufungsgericht hat im Rahmen der Prüfung des § 36 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG für das personenbezogene Merkmal der Minderjährigkeit des Flüchtlings zu Unrecht auf den Zeitpunkt der Stellung des Visumantrags abgestellt. Die Ablehnung eines Nachzugsanspruchs für die Klägerin zu 1 erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn der ursprünglich bestehende Anspruch nach § 36 Abs. 1 AufenthG ist mit Erreichen der Volljährigkeit des Sohnes am 1. Dezember 2010 erloschen.

11

Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. Urteil vom 7. April 2009 - BVerwG 1 C 17.08 - BVerwGE 133, 329 Rn. 10 = Buchholz 402.242 § 32 AufenthG Nr. 4 Rn. 10). Während des Revisionsverfahrens eingetretene Rechtsänderungen sind vom Revisionsgericht allerdings zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es nunmehr anstelle des Bundesverwaltungsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 276 <279 f.> = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 15 S. 32). Daher sind die Nachzugsbegehren der Kläger an dem Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) zu messen, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21. Januar 2013 (BGBl I S. 86). Hierdurch hat sich die Rechtslage hinsichtlich der im vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen aber nicht geändert.

12

1. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Klägerin zu 1 auf Erteilung eines Visums zum Nachzug zu ihrem in Deutschland lebenden Sohn nach § 36 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verneint. Nach § 36 Abs. 1 AufenthG ist den Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG oder eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG besitzt, abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis - und vor der Einreise gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ein Visum - zu erteilen, wenn sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält. Die Vorschrift wurde durch das Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 neu eingeführt und setzt Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG um (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 176). Sie dient dem Schutz des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings und seinem Interesse an der Familieneinheit mit seinen Eltern.

13

a) Der Klägerin zu 1 stand der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung eines Visums nach § 36 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 2 AufenthG allerdings zum Zeitpunkt der Antragstellung im November 2009 zu. Denn ihr minderjähriger Sohn war zu jener Zeit im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG und es hielt sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet auf. Die Beklagte handelte rechtswidrig, indem sie - obwohl von beiden Eltern zeitgleich beantragt - nur einem Elternteil das Visum für den Nachzug zum Sohn erteilte. Der Nachzugsanspruch nach § 36 Abs. 1 AufenthG steht beiden Elternteilen zu. Das ergibt sich schon aus dem insoweit klaren Wortlaut ("den Eltern"), und nur dieses Verständnis der Vorschrift entspricht auch einer korrekten Umsetzung der Richtlinie 2003/86/EG. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG erlegt den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, zugunsten eines minderjährigen unbegleiteten Flüchtlings den Nachzug "seiner Verwandten in gerader aufsteigender Linie ersten Grades" zu gestatten. Damit gewährt die Richtlinie grundsätzlich beiden Eltern einen Nachzugsanspruch und nicht nur einem Elternteil (so auch Hailbronner/Carlitz, in: Hailbronner, EU Immigration and Asylum Law, 2010, S. 253 Rn. 9). Denn die Vorschrift dient dem Schutz des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings und seinem Interesse an der Familieneinheit mit seinen Eltern (vgl. die Kommissionsbegründung zur Richtlinie vom 1. Dezember 1999 - KOM <1999> 638 endgültig, S. 17 f.). Nach Art. 24 Abs. 3 GR-Charta hat jedes Kind Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen. Die Wiederherstellung dieser persönlichen Beziehung zu den Eltern fällt zudem in den Schutzbereich des Familienlebens nach Art. 7 GR-Charta, Art. 8 EMRK.

14

§ 36 Abs. 1 AufenthG ist auch nicht etwa teleologisch zu reduzieren, wenn neben dem unbegleiteten Sohn in Deutschland weitere minderjährige Kinder im Heimatland zu betreuen sind. Denn die Entscheidung über die Sorge für ihre Kinder obliegt gemäß Art. 6 Abs. 2 GG vorrangig den Eltern (so auch Marx, in: GK-AufenthG, § 36 Stand: Februar 2013, Rn. 25). Es sind keine Gründe ersichtlich, warum im vorliegenden Fall das Kindeswohl eine Korrektur der elterlichen Entscheidung gebieten sollte.

15

b) Dem Nachzugsanspruch der Klägerin zu 1 steht weder das Vorliegen eines Ausweisungstatbestandes noch der Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen Mitwirkung an einer strafbaren Schleusung ihres Sohnes nach Deutschland im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG entgegen. Denn die Klägerin zu 1 hat nach den von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht an der Schleusung ihres Sohnes mitgewirkt.

16

c) Der Nachzugsanspruch der Klägerin zu 1 ist - entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - auch nicht dadurch erloschen, dass der minderjährige Sohn seit Anfang März 2010 nicht mehr ohne elterlichen Beistand war, nachdem sein Vater mit dem von der Beklagten erteilten Visum nach Deutschland eingereist war. Das Berufungsgericht kann sich für seine Auffassung zwar auf den Wortlaut des § 36 Abs. 1 AufenthG stützen, der einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nur dann vorsieht, "wenn sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält". Diese Einschränkung des grundsätzlich beiden Eltern zustehenden Nachzugsanspruchs findet eine Entsprechung in Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2003/86/EG, wonach eine Person nur solange als "unbegleiteter" Minderjähriger anzusehen ist, als sie sich "nicht tatsächlich in der Obhut" eines für ihn verantwortlichen Erwachsenen befindet. Zwar greift der Nachzugsanspruch u.a. dann nicht, wenn von vornherein ein Elternteil mit dem Minderjährigen nach Deutschland eingereist ist oder ihn dort in Empfang genommen hat, denn dann war er nicht unbegleitet. Demgegenüber ist die Voraussetzung, dass sich kein sorgerechtsberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält, jedenfalls auch dann erfüllt, wenn ein Elternteil zeitgleich oder in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem anderen Elternteil den Lebensmittelpunkt ins Bundesgebiet verlagert (vgl. BTDrucks 16/5065 S. 176). In den zuletzt genannten Fällen erfordert die effektive Durchsetzung des Minderjährigenschutzes nach Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG, dass die für den Familiennachzug und die Visumerteilung zuständigen Behörden den grundsätzlich beiden Eltern zustehenden Nachzugsanspruch nicht durch eine rechtswidrige Verwaltungspraxis vereiteln können. Das wäre aber der Fall, wenn die Behörden ein Visum zum Familiennachzug nur einem Elternteil - trotz gleichzeitiger Antragstellung beider Eltern - erteilten und dem anderen dann entgegenhalten könnten, das Kind sei jetzt nicht mehr ohne elterlichen Beistand.

17

d) Der Nachzugsanspruch der Klägerin zu 1 ist allerdings mit Eintritt der Volljährigkeit ihres Sohnes am 1. Dezember 2010 erloschen. Denn der Anspruch auf Nachzug der Eltern zum unbegleiteten minderjährigen Flüchtling nach § 36 Abs. 1 AufenthG besteht nur bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Kind volljährig wird. Anders als beim Kindernachzug nach § 32 AufenthG reicht eine Antragstellung vor Erreichen der Volljährigkeit nicht aus, um den Anspruch zu erhalten. Zum Zeitpunkt der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht im Dezember 2011, auf den es für die Entscheidung des Nachzugsbegehrens ankommt, war der Anspruch der Klägerin zu 1 schon entfallen.

18

Bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels ist - wie oben dargelegt - der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen regelmäßig die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz zugrunde zu legen. Etwas anders gilt beim Anspruch auf Kindernachzug nach § 32 AufenthG u.a. für die Einhaltung der Höchstaltersgrenze. Insoweit ist der Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich, weil andernfalls der mit der Regelung verfolgte Zweck, Kindern unter 16 oder 18 Jahren die Herstellung der Familieneinheit im Bundesgebiet zu ermöglichen, vielfach aufgrund des Zeitablaufs während des Verfahrens entfiele (vgl. grundlegend Urteil vom 18. November 1997 - BVerwG 1 C 22.96 - Buchholz 402.240 § 20 AuslG 1990 Nr. 4 S. 18 f.; ferner Urteil vom 26. August 2008 - BVerwG 1 C 32.07 - BVerwGE 131, 370 Rn. 17 = Buchholz 402.242 § 2 AufenthG Nr. 1 Rn. 17). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die für den Kindernachzug entwickelte Rechtsprechung zur Einhaltung der Altersgrenze nicht auf den Elternnachzug nach § 36 Abs. 1 AufenthG zu übertragen. Das ergibt sich aus den verschiedenen Zwecken der genannten Vorschriften, die in den unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen zur Verfestigung der aufenthaltsrechtlichen Stellung beim Kinder- und Erwachsenennachzug deutlich werden.

19

Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt beim Kindernachzug wurde - beginnend mit dem zitierten Urteil vom 18. November 1997 - damit begründet, dass für die Höchstaltersgrenze im Interesse eines effektiven Minderjährigenschutzes auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist. Dies ist insbesondere auch deshalb gerechtfertigt, weil das Aufenthaltsgesetz dem nachgezogenen minderjährigen Kind in § 34 Abs. 2 und 3 AufenthG eine über die Minderjährigkeit hinausreichende, verfestigungsfähige aufenthaltsrechtliche Stellung zuweist. So wandelt sich die einem Minderjährigen nach § 32 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis mit Eintritt der Volljährigkeit gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu einem eigenständigen, vom Familiennachzug unabhängigen Aufenthaltsrecht. Diese eigenständige Aufenthaltserlaubnis kann nach § 34 Abs. 3 AufenthG verlängert werden, bis die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG vorliegen. Wird Kindern, die ihren Nachzugsantrag als Minderjährige vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze gestellt haben, aufgrund der Dauer des Visumverfahrens ggf. einschließlich eines Gerichtsverfahrens das Visum und die Aufenthaltserlaubnis nach § 32 AufenthG erst zu einem Zeitpunkt erteilt, zu dem sie schon volljährig sind, wandelt sich die Aufenthaltserlaubnis, zu deren Erteilung die Ausländerbehörde verpflichtet (worden) ist, unmittelbar in eine solche nach § 34 Abs. 2 AufenthG. Das gilt auch für die einem Minderjährigen erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG, wie sich aus dem Verweis auf § 34 AufenthG in § 36 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ergibt. Die nachgezogenen Kinder haben zudem unter den erleichterten Voraussetzungen des § 35 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.

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Für den Elternnachzug nach § 36 Abs. 1 AufenthG fehlt es hingegen an vergleichbaren Regelungen, die einen dauerhaften oder jedenfalls längerfristigen Aufenthalt in Deutschland eröffnen. Anders als die Aufenthaltserlaubnis des Kindes nach § 32 AufenthG wandelt sich die der Eltern mit Erreichen der Volljährigkeit des Kindes nicht in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Vielmehr endet der Rechtsgrund für den Aufenthalt der Eltern mit Ablauf der Befristung einer nach § 36 Abs. 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis. Eine Verlängerung nach Erreichen der Volljährigkeit des Kindes, die sich mangels besonderer Vorschriften nach § 8 Abs. 1 AufenthG richtet (vgl. Marx, in: GK-AufenthG, Stand: Februar 2013, § 36 Rn. 27), ist insoweit nicht möglich. Anders als für volljährige Familienangehörige, denen Aufenthaltserlaubnisse nach § 36 Abs. 2 AufenthG zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erteilt worden sind, ist für Inhaber eines Aufenthaltstitels nach § 36 Abs. 1 AufenthG auch keine Verfestigung ihres Aufenthalts in entsprechender Anwendung von § 31 AufenthG möglich. Der deutsche Gesetzgeber war unionsrechtlich zur Ermöglichung einer solchen Aufenthaltsverfestigung auch nicht verpflichtet. Zwar ist nach Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2003/86/EG den Ehegatten, den nicht ehelichen Lebenspartnern und den volljährig gewordenen Kindern nach fünfjährigem rechtmäßigen Aufenthalt das Recht auf einen eigenen Aufenthaltstitel einzuräumen, der unabhängig ist von jenem des Zusammenführenden, sofern kein Aufenthaltstitel aus anderen Gründen als denen der Familienzusammenführung erteilt wurde. Die Richtlinie erstreckt diese Verpflichtung aber nicht auf Eltern, denen - wie im Fall des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings - ihr Kind den Familiennachzug vermittelt hat. Vielmehr stellt sie es in Art. 15 Abs. 2 den Mitgliedstaaten frei, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht auch für Verwandte in gerader aufsteigender Linie (wie hier die Eltern) vorzusehen. Der deutsche Gesetzgeber hat von der Ermächtigung in Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie für den hier maßgeblichen Personenkreis der Eltern im Sinne von § 36 Abs. 1 AufenthG aber keinen Gebrauch gemacht.

21

Auch der Zweck des Elternnachzugs nach § 36 Abs. 1 AufenthG erfordert keine Sicherung einer mit der Visumbeantragung eröffneten aufenthaltsrechtlichen Perspektive. Denn das Nachzugsrecht des § 36 Abs. 1 AufenthG dient - wie bereits ausgeführt - dem Schutz des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings und seinem Interesse an der Familieneinheit mit seinen Eltern, nicht jedoch eigenständigen Interessen der Eltern am Zusammenleben mit dem Kind.

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Diese Auffassung führt nicht dazu, dass die Behörden einen Anspruch aus § 36 Abs. 1 AufenthG durch Verfahrensverzögerung vereiteln können. Denn die Betroffenen haben die Möglichkeit zur Erhebung einer Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO. Darüber hinaus steht ihnen die Möglichkeit offen, ihren Visumanspruch mit Hilfe einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO rechtzeitig vor Erreichen der Volljährigkeit des Kindes effektiv durchzusetzen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass in einem solchen Fall die einstweilige Anordnung die Hauptsache teilweise vorwegnimmt. Denn das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache steht einer Anordnung nach § 123 VwGO dann nicht entgegen, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 <74 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 - BVerwG 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <261 ff.> = Buchholz 11 Art. 44 GG Nr. 2 S. 5 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 123 Rn. 14). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn ein Anspruch nach § 36 Abs. 1 AufenthG glaubhaft ist, seine Durchsetzung aber bei Erreichen der Volljährigkeit des Kindes im Verlauf des Hauptsacheverfahrens vereitelt würde.

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2. Das Berufungsgericht hat die Nachzugsbegehren der Kläger zu 2 bis 6 mit Recht als unbegründet angesehen. Bei den im Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährigen Klägern zu 4 bis 6 scheidet ein Anspruch nach § 32 AufenthG schon deshalb aus, weil sich zu keinem der maßgeblichen Zeitpunkte beide Eltern in Deutschland aufgehalten haben, im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung nicht einmal mehr der Vater. Eine außergewöhnliche Härte gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG ist nicht ersichtlich. Sie liegt entgegen der Rechtsauffassung der Klägerinnen zu 2 und 3 auch nicht darin, dass sie - so ihr Vorbringen - als junge yezidische Frauen im Irak einem erhöhten Verfolgungsdruck ausgesetzt seien. Denn eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 36 Abs. 2 AufenthG setzt voraus, dass die Härte im Hinblick auf die Notwendigkeit der Herstellung oder Erhaltung der Familiengemeinschaft besteht, etwa weil der im Bundesgebiet oder der im Ausland lebende Familienangehörige allein ein eigenständiges Leben nicht führen kann. Hieraus folgt, dass Nachteile im Heimatland, die allein - wie hier - wegen der dortigen politischen Verhältnisse drohen, nicht zur Begründung einer außergewöhnlichen Härte im Zusammenhang mit der Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft herangezogen werden können (vgl. Beschluss vom 25. Juni 1997 - BVerwG 1 B 236.96 - Buchholz 402.240 § 22 AuslG 1990 Nr. 4). Im Übrigen hat das Berufungsgericht die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts zutreffend als Umstand gewürdigt, der der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG entgegen steht.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. August 2011 - 4 K 1119/11 - geändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um die nicht bestimmungsgemäße Nutzung (Missbrauch) des Spielplatzes in der Weinbergstraße (gegenüber dem Anwesen des Antragstellers) durch Jugendliche und Erwachsene zu unterbinden.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 08.08.2011 ist zulässig (vgl. §§ 146, 147 VwGO) und teilweise begründet.
Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin steht der Zulässigkeit der Beschwerde des Antragstellers nicht entgegen, dass dieser im Laufe des Beschwerdeverfahrens wiederholt, zuletzt mit Schriftsatz vom 06.12.2011, seinen Beschwerdeantrag neu gefasst hat. Der Antragsteller hat damit lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass die Antragsgegnerin während des laufenden Verfahrens die Ruhezeit für die Spielplatzbenutzung eingeschränkt hat. Es handelt sich deshalb lediglich um eine Präzisierung des Antrags bei Identität des mit der Beschwerde verfolgten Begehrens. Gegen eine derartige Antragspräzisierung im Beschwerdeverfahren bestehen auch dann keine Bedenken, wenn sie nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfolgt. Denn diese Vorschrift soll den Beschwerdeführer lediglich zwingen, seine Einwände gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts möglichst rasch und vollständig auf den Punkt zu bringen, nicht aber einer sachdienlichen Präzisierung der Anträge entgegenstehen. Die Beschwerde des Antragstellers hat darüber hinaus teilweise in der Sache insoweit Erfolg, als sich der Antragsteller gegen die missbräuchliche Nutzung des Spielplatzes und die dadurch verursachten Lärmimmissionen wendet. Aus den von dem Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern ist. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens hat der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO in dem im Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um u.a. wesentliche Nachteile abzuwehren. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Deren tatsächliche Voraussetzungen müssen zwar nicht zur Überzeugung des Gerichts feststehen, aber hinreichend wahrscheinlich („glaubhaft“) sein (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ein Anordnungsgrund besteht, wenn eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, weil ein Verweis auf das Hauptsacheverfahren aus besonderen Gründen unzumutbar ist. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn der Antragsteller in der Hauptsache bei summarischer Prüfung voraussichtlich Erfolg haben wird. Welche Anforderungen an die Erfolgsaussichten zu stellen sind, hängt maßgeblich von der Schwere der dem Antragsteller drohenden Nachteilen und ihrer Irreversibilität, aber auch davon ab, inwieweit durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung die Hauptsache vorweggenommen wird. Wird durch die begehrte Maßnahme die Entscheidung in der Hauptsache insgesamt endgültig und irreversibel vorweggenommen, kann die einstweilige Anordnung nur erlassen werden, wenn ein Anordnungsanspruch mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegt und für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht ergeht, dem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile entstünden. Dieser besonders strenge Maßstab ist hingegen abzumildern, wenn die begehrte Rechtsposition nur für den Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung eingeräumt werden soll, weil sie faktisch nicht mehr rückgängig zu machen ist, während über diesen Zeitpunkt hinaus keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden und die Rechtsstellung insoweit nur vorläufig gewährt wird. In diesem Fall können schon überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache genügen und die befürchteten wesentlichen Nachteile müssen nicht als schlechterdings unzumutbar eingestuft werden. Ist eine überwiegende Erfolgsaussicht hingegen nicht feststellbar, kann eine Regelungsanordnung nur ergehen, wenn dem Betroffenen andernfalls schwere und irreversible Nachteile, insbesondere existenzielle Gefahren für Leben und Gesundheit drohen (vgl. zum Ganzen: Senatsbeschluss vom 05.05.2009 - 10 S 494/09 - m.w.N.).
Anordnungsanspruch und -grund in diesem Sinne liegen teilweise vor. Die vorläufige Anordnung, die notwendigen Vorkehrungen zur Unterbindung der missbräuchlichen Nutzung des Spielplatzes zu treffen, wirkt nur für den Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung und schafft über diesen Zeitpunkt hinaus keine vollendeten Tatsachen. Die Entscheidung in der Hauptsache wird nicht endgültig und irreversibel vorweggenommen. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwiegen insoweit, als der Antragsteller einen Anspruch auf Unterbindung der missbräuchlichen Nutzung des Spielplatzes durch Jugendliche und junge Erwachsene geltend macht (dazu unter 1.). Auch ist es dem Antragsteller nicht zuzumuten, die von der missbräuchlichen Nutzung ausgehenden Beeinträchtigungen in dem Zeitraum bis zur Hauptsache-entscheidung weiter zu dulden (dazu unter 2.).
1. Jedenfalls bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage steht dem Antragsteller der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Abwehranspruch, der sich aus einer analogen Anwendung der §§ 1004, 906 BGB oder aufgrund eines grundrechtlichen Anspruchs aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ergibt, teilweise zu (vgl. grundlegend zu dem öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch BVerwG, Urteile vom 29.04.1988 - 7 C 33.87 - BVerwGE 79, 254; sowie vom 19.01.1998 - 7 C 77.87 - BVerwGE 81, 197). Nach §§ 906 Abs. 1 Satz 1, 1004 Abs. 1 BGB kann ein Nachbar u.a. Geräusche, welche die Benutzung seines Grundstücks nicht nur unwesentlich beeinträchtigen, abwehren. Als Maßstab dafür, ob Geräuschimmissionen wesentlich und deshalb nicht zu dulden sind, ist § 22 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG heranzuziehen (vgl. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 19.01.1989 - 7 C 77.87 - a.a.O.). Nach den Regelungen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, zu denen der hier streitgegenständliche Kinderspielplatz als sonstige ortsfeste Einrichtung im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG zählt, so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. § 3 Abs. 1 BImSchG definiert schädliche Umwelteinwirkungen als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Durch Art. 1 des am 28.07.2011 in Kraft getretenen Zehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - Privilegierung des von Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen ausgehenden Kinderlärms - vom 20.07.2011 (BGBl. I, S. 1474) wurde in § 22 BImSchG folgender Absatz 1a eingefügt:
„Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.“
Dieser vom Gesetzgeber für die Beurteilung der Erheblichkeit von Kinderlärm nunmehr ausdrücklich normierte Maßstab war nach der herrschenden Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts schon bisher maßgeblich. Ob Immissionen als schädlich anzusehen sind, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Die Schädlichkeit lässt sich nicht nach einem festen und einheitlichen Maßstab für jegliche Art von Geräuschen bestimmen und ist weitgehend der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten. Insofern ist eine umfassende situationsbezogene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und ein Ausgleich widerstrebender Interessen vorzunehmen. Dabei sind die Wirkungen der Immissionen für die Betroffenen zu berücksichtigen. Die tatrichterliche Bewertung der Zumutbarkeit richtet sich danach ausschließlich nach den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit. Zu berücksichtigen sind dabei wertende Elemente wie allgemeine Akzeptanz und soziale Adäquanz. Diese Umstände müssen im Sinne einer „Güterabwägung“ in eine wertende Gesamtbetrachtung einfließen (vgl. BVerwG, Urteile vom 24.04.1991 - 7 C 12.90 - BVerwGE 88, 143 sowie vom 30.04.1992 - 7 C 25.91 - BVerwGE 90, 163; Senatsurteil vom 16.04.2002 - 10 S 2443/00 - NVwZ-RR 2002, 643). Mit Blick auf die Zumutbarkeit von von Kinderspielplätzen im Rahmen ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung ausgehenden Geräuschimmissionen ist in die vorzunehmende wertende Gesamtbetrachtung vor allem einzustellen, dass Kinderspielplätze in einem reinen und erst recht in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich bauplanungsrechtlich zulässig sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1991 - 4 C 5.88 - NJW 1992, 1779). Der - unvermeidbare - Lärm spielender Kinder stellt regelmäßig keine immissionsschutzrechtlich relevante Störung dar, sodass auch und gerade ein in einem Wohngebiet oder in der Nähe eines Wohngebietes angelegter Kinderspielplatz im Rahmen seiner bestimmungsgemäßen Nutzung unter Anwendung eines großzügigen Maßstabs von den Nachbarn grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen ist (vgl. hierzu zuletzt etwa Hess.VGH, Urteil vom 25.07.2011 - 9 A 125/11 - NVwZ-RR 2012, 21). Diese in der Rechtsprechung schon bisher angewendeten Beurteilungskriterien hat der Gesetzgeber mit der oben dargestellten Novellierung des Bundesimmissionsschutzgesetzes vom 20.07.2011 normativ festgeschrieben. Gemessen hieran stellt sich sowohl der bestimmungsgemäße Betrieb des Kinderspielplatzes als auch dessen Benutzung durch Kinder außerhalb der von der Gemeinde festgelegten Öffnungszeiten für den Antragsteller nicht als unzumutbar, sondern als sozialadäquat dar (dazu unter a)). Die vorzunehmende Interessen- und Güterabwägung ergibt jedoch, dass die Geräuschimmissionen, die von dem Spielplatz ausgehen, die Zumutbarkeitsstelle insoweit überschreiten, als der Spielplatz missbräuchlich durch Jugendliche und junge Erwachsene benutzt wird (dazu unter b)).
a) Dem Antragsteller steht kein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch gegen Geräuschimmissionen zu, die aus der Nutzung des Spielplatzes durch Kinder außerhalb der von der Gemeinde festgesetzten Öffnungszeiten resultieren. Zwar handelt es sich bei dem Spielplatz der Antragsgegnerin um eine öffentliche Einrichtung (§ 10 Abs. 2 GemO), die durch Zurverfügungstellung für jedermann schlicht hoheitlich betrieben wird; die bestimmungsgemäße Nutzung des Spielplatzes bestimmt sich dabei nach dem Widmungszweck. Die Antragsgegnerin hat aufgrund von § 4 ihrer Benutzungsordnung für öffentliche Spielplätze vom 19.07.2011 für die im Gemeindegebiet gelegenen Spielplätze feste Benutzungszeiten geregelt und für den streitgegenständlichen Spielplatz zuletzt bestimmt, dass eine Nutzung nur innerhalb der Zeit von 08:00 bis 20:00 Uhr (in der Winterzeit nur bis zum Einbruch der Dunkelheit) zulässig sein soll. Entgegen der Auffassung der Beschwerde steht dem Antragsteller jedoch kein subjektiv-rechtlicher Anspruch auf Einhaltung der von der Gemeinde festgelegten Nutzungszeiten zu. Dahingestellt kann in diesem Zusammenhang bleiben, ob die Gemeinde die von ihr festgesetzten Öffnungszeiten des Spielplatzes mit drittschützender Wirkung zugunsten der Anwohner ausgestaltet hat. Auch wenn mit der Beschwerde von einer drittschützenden Wirkung dieser Festsetzungen ausgegangen wird, kann der Antragsteller nicht die Unterbindung der Nutzung des Spielplatzes durch Kinder außerhalb der Öffnungszeiten verlangen.
Die von der Beschwerde herangezogene Rechtsprechung des 1. Senats des erkennenden Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 11.04.1994 - 1 S 1081/93 - NVwZ 1994, 920; sowie Beschluss vom 18.10.2005 - 1 S 1697/05 -), nach der dem Anwohner ein Anspruch auf Einhaltung der von der Gemeinde festgesetzten Nutzungszeiten öffentlicher Einrichtungen zustehen kann, ist auf die hier in Rede stehende Abwehr von Geräuschimmissionen, die durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch von Kinderspielplätzen verursacht werden, seit Inkrafttreten von § 22 Abs. 1a BImSchG mit Wirkung zum 28.07.2011 nicht mehr anwendbar. Denn die Bestimmung des § 22 Abs. 1a BImSchG steht der schematischen Heranziehung statischer Regelungen zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen, die von Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen ausgehen, entgegen. Dieses Ergebnis lässt sich einer systematischen Auslegung von § 22 Abs. 1a BImSchG sowie der Gesetzesbegründung entnehmen. § 22 Abs. 1a Satz 2 BImSchG verbietet die Heranziehung von Immissionsgrenz- und -richtwerten bei der Beurteilung von Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen durch Kinder hervorgerufen werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit solcher Immissionen jeweils eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen ist, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und die widerstreitenden Interessen abgewogen werden. Diesem Ziel stünde es entgegen, wenn ein Träger einer öffentlichen Einrichtung durch die Festlegung von Benutzungsregeln einen eigenen Zumutbarkeitsmaßstab begründen könnte. Dadurch würde eine Abkehr von der vom Gesetzgeber ausdrücklich gewünschten Einzelfallbetrachtung hin zu einer schematischen Beurteilung der Geräuschimmissionen bewirkt, bei der lediglich die Benutzungsordnung und der Verstoß hiergegen zu prüfen wären. Einzelfallgesichtspunkte, wie z.B. die örtlich Bebauungssituation, die Tageszeit, die gesundheitliche Verfassung der betroffenen Nachbarn usw. blieben außer Betracht. Einer derartig schematischen Betrachtung steht jedoch der Wille des Gesetzgebers entgegen. Dieser hat zur Begründung des § 22 Abs. 1a BImSchG ausgeführt:
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„Geräusche spielender Kinder sind Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung und daher grundsätzlich zumutbar. Abwehransprüche sollen auf seltene Einzelfälle beschränkt bleiben. (...) Durch die neue Regelung wird ein Beurteilungsmaßstab in das geltende Lärmschutzrecht eingefügt, der eine größere Toleranz zur Beurteilung des Kinderlärms einfordert und im verwaltungsbehördlichen Vollzug einer Heranziehung der TA-Lärm, der 18. BImSchV oder der LAI-Freizeitlärmrichtlinie entgegen steht“ (vgl. BT-Drs. 17/4836, S. 4 vom 22.02.2011).
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Darüber hinaus stellt § 22 Abs. 1a BImSchG nach dem Willen des Gesetzgebers eine Privilegierungsregelung grundsätzlicher Art dar, die auch auf das sonstige Immissionsschutzrecht und über das zivile Nachbarschaftsrecht hinaus Wirkung entfaltet, soweit dies für die Bewertung von Kinderlärm relevant ist (vgl. BT-Drs. 17/4836, S. 7). Mit § 22 Abs. 1a BImSchG hat der Gesetzgeber im Übrigen normiert, was bereits das beschließende Gericht und die anderen Oberverwaltungsgerichte als gefestigte Rechtsprechung zum Beurteilungsmaßstab von Kinderlärm zugrunde gelegt haben, nämlich dass die von wohnortnah gelegenen Spielplätzen ausgehenden Lärmeinwirkungen regelmäßig als ortsübliche, sozialadäquate Lebensäußerungen der Kinder hinzunehmen sind, hinter die das Ruhebedürfnis Erwachsener zurücktreten muss. Der Gesetzgeber fordert dabei bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmimmissionen eine strikte Einzelfallbetrachtung. Entscheidend ist, ob sich Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätze nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebiete und die vorhandene Bebauung einfügen; in einem solchen Regelfall liegen nach dem Willen des Gesetzgebers die von den Einrichtungen hervorgerufenen Geräuscheinwirkungen durch spielende Kinder im Rahmen des Üblichen und sind nicht geeignet, eine erhebliche Belästigung für die Nachbarschaft und damit eine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG darzustellen (BT-Drs. 17/4836, S. 7). Zu Recht weist der Antragsteller zwar darauf hin, dass dadurch ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch gegen von Kinderspielplätzen ausgehende Geräuschimmissionen nach dem Willen des Gesetzgebers nicht schlechterdings ausgeschlossen wird. Hierzu wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt:
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„Eine auch dem Drittschutz betroffener Nachbarn verpflichtete Regelung muss vielmehr für besondere Fallsituationen eine Prüfung im Einzelfall ermöglichen, in dem selbst bei Zugrundelegung eines weiten Maßstabs noch erhebliche Benachteiligungen oder erhebliche Belästigungen angenommen werden können. Diese Prüfung bleibt mit der neuen Regelung, die nur für den Regelfall gilt, eröffnet. Ein vom Regelfall abweichender Sonderfall liegt im Hinblick auf die Belange des Schutzes vor Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätzen hervorgerufen werden, allerdings nur vor, wenn besondere Umstände gegeben sind, z.B. die Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Nutzungen wie Krankenhäusern und Pflegeanstalten gelegen sind, oder sich die Einrichtungen nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebiete und die vorhandene Bebauung nicht einfügen“ (BT-Drs. 17/4836, S. 7).
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Dem letztgenannten Absatz der Gesetzesbegründung lässt sich zugleich entnehmen, welche schutzwürdigen Interessen ein betroffener Nachbar zur Abwehr von Geräuschimmissionen von Kinderspielplätzen geltend machen kann. Eine solche vom Regelfall abweichende Sondersituation liegt hier jedoch jedenfalls nach summarischer Prüfung nicht vor. Dem Antragsteller steht deshalb der geltend gemachte Abwehranspruch gegen Geräuschimmissionen, die von der Nutzung des Spielplatzes durch Kinder außerhalb der von der Gemeinde festgesetzten Öffnungszeiten herrühren, nicht zu. Lediglich zur Ergänzung wird darauf hingewiesen, dass der Antragsteller durch diese Nutzung wohl nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt wird. Wie sich den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen entnehmen lässt, kommt es zwar in Einzelfällen zur Nutzung des Spielplatzes außerhalb der Öffnungszeiten durch Kinder. Dabei dürfte es sich jedoch um eher seltene Einzelfälle handeln, die regelmäßig nicht mit erheblichen Lärmbelästigungen verbunden sind.
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b) Dem Antragsteller steht jedoch ein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch gegen die Geräuschimmissionen zu, die aus der missbräuchlichen Nutzung des Spielplatzes durch Jugendliche und junge Erwachsene resultieren. Jedenfalls bei summarischer Prüfung spricht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vieles dafür, dass sich die Antragsgegnerin diese Immissionen als Betreiberin des Spielplatzes auch zurechnen lassen muss. Dem Betreiber einer solchen Anlage ist zunächst das an Auswirkungen zuzurechnen, was durch ihre Funktion als Spielplatz bedingt wird. Er muss sich darüber hinaus aber bei Hinzutreten besonderer Umstände auch die durch zweckfremde Nutzungen verursachten Beeinträchtigungen zurechnen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.05.1989 - 4 B 26.89 - juris; Hess.VGH, Urteil vom 25.07.2011 - 9 A 125/11 - a.a.O.; VG Braunschweig, Urteil vom 12.03.2004 - 2 A 205/03 - juris). Für eine Zurechnung zweckfremder Nutzungen reicht es dabei freilich nicht aus, dass die Anlage nur „geeignet“ ist, missbräuchlich genutzt zu werden. Öffentlichen Kinderspielplätzen ist wie öffentlichen Grünanlagen dabei die Gefahr nicht bestimmungsgemäßer Nutzung im Grundsatz immanent; die Gefahr gelegentlicher Missbräuche ist daher unvermeidbar. Störungen solcher Art sind grundsätzlich polizeirechtlich oder ordnungsrechtlich zu beseitigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.05.1989 - 4 B 26.89 - a.a.O.; Nieders.OVG, Beschluss vom 29.06.2006 - 9 LA 113/04 - NVwZ 2006, 1199). Der Betreiber einer öffentlichen Einrichtung oder nicht genehmigungsbedürftigen Anlage ist ausnahmsweise für die durch den bestimmungswidrigen Gebrauch verursachten erheblichen Belästigungen dann verantwortlich, wenn er durch die Einrichtung einen besonderen Anreiz zum Missbrauch geschaffen hat, d.h. wenn in dem bestimmungswidrigen Verhalten eine mit der Einrichtung geschaffene besondere Gefahrenlage zum Ausdruck kommt und der Fehlgebrauch sich damit bei einer wertenden Betrachtungsweise als Folge der konkreten Standortentscheidung erweist bzw. als Folge des Betriebs der Einrichtung anzusehen ist, wenn er mithin eine Einrichtung geschaffen hat, bei der ein Missbrauch durch einen nicht zugelassenen Personenkreis wie auch in der Art der Benutzung wahrscheinlich ist.
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Gemessen hieran ist jedenfalls bei summarischer Betrachtung auch der mit erheblichen Lärmimmissionen einhergehende missbräuchliche Gebrauch des Spielplatzes durch Jugendliche oder junge Erwachsene in den Abendstunden der Antragsgegnerin zurechenbar. Dieser Missbrauch ist nämlich nicht nur Folge der jedem Spielplatz immanenten Gefahrenlage, von Jugendlichen gelegentlich als Treffpunkt benutzt zu werden. Wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, liegt der Spielplatz unmittelbar in Waldrandlage bzw. grenzt an ein Biotop an und ist wiederum an einer für den öffentlichen (Straßen-) Verkehr nur schwer zugänglichen Stelle positioniert. Regelmäßig müssen Besucher des Spielplatzes daher nur mit eingeschränktem Anliegerverkehr rechnen, der nachts erfahrungsgemäß nahezu zum Erliegen kommen dürfte. Dieser Umstand bedingt zwar auf der einen Seite einen unabweisbaren Vorteil für die Zielgruppe des Spielplatzes, da die dort spielenden Kinder vor Gefährdungen durch den Straßenverkehr weitgehend geschützt sind. Auf der anderen Seite bietet diese Lage im Vergleich zu anderen Spielplätzen jedoch einen besonderen Anreiz für Jugendliche, die sich von Passanten unbeobachtet und unkontrolliert treffen wollen. Ferner hat der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend und durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht, dass in der Vergangenheit wiederholt Jugendliche die Möglichkeit zur Flucht in den Wald vor herannahenden Kontrollen genutzt hätten (vgl. den im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Schriftsatz vom 21.06.2011, S. 11 sowie die Ausführungen in der Antragsbegründung vom 28.04.2011).
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c) Der Antragsteller hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Spielplatz tatsächlich bis in die Nachtstunden hinein nicht nur gelegentlich missbräuchlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen als Treffpunkt und zum Feiern genutzt wird. Der Antragsteller hat sowohl im erstinstanzlichen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes als auch mit seiner Beschwerde detaillierte Aufstellungen vorgelegt, welche die Häufigkeit und Dauer der missbräuchlichen Nutzung dokumentieren. Dem dürfte nicht entgegenstehen, dass bei den von Bediensteten der Antragsgegnerin durchgeführten Kontrollen derartige Missbrauchssituationen nicht aufgetreten sind. Dies dürfte zwanglos damit zu erklären sein, dass die Antragsgegnerin - wie im Beschwerdeverfahren eingeräumt - den Spielplatz zumindest in den Abendstunden nicht systematisch und engmaschig kontrolliert hat, sondern lediglich stichprobenartige Kontrollen durch Gemeindebedienstete hat vornehmen lassen, wenn diese in der Nähe waren. Auch hat der Antragsteller durch seine eidesstattlichen Versicherungen hinreichend glaubhaft gemacht, dass diese Geräuschimmissionen aus der missbräuchlichen Nutzung des Spielplatzes in qualitativer Hinsicht die Schwelle des Zumutbaren überschreiten. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist in diesem Zusammenhang unerheblich, dass der Antragsteller keine gerichtsverwertbaren Lärmmessungen durchführen ließ. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dürfen die Anforderungen an die Glaubhaftmachung nicht überspannt werden, so dass von einem Antragsteller regelmäßig nicht erwartet werden kann, auf eigene Kosten gerichtlich verwertbare Lärmmessungen durch einen vereidigten Sachverständigen durchführen zu lassen. Vielmehr muss eine weitere Sachverhaltsaufklärung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
17 
Nach alledem sind bei summarischer Betrachtung die von der missbräuchlichen Nutzung des Spielplatzes ausgehenden Geräuschimmissionen als wesentlich und für den Antragsteller nicht zumutbar einzustufen.
18 
2. Soweit sich der Antragsteller gegen die missbräuchliche Nutzung des Spielplatzes durch Jugendliche und junge Erwachsene wendet, steht ihm ein Anordnungsgrund zu. Dem Antragsteller ist es nicht zuzumuten, die davon ausgehenden Lärmimmissionen bis zur Hauptsacheentscheidung weiter zu dulden. Dabei kann offen bleiben, ob die Lärmimmissionen insoweit einen gesundheitsgefährlichen Grad erreicht haben. Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, hier durch Geräusche, ist nach § 22 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG nicht erst dann zu gewähren, wenn eine konkrete Gesundheitsgefahr eintritt, sondern schon wenn erhebliche Belästigungen auftreten. Zumindest letzteres ist hier höchstwahrscheinlich der Fall. Wegen der nur zeitlich begrenzten Vorwegnahme der Hauptsache sind vorliegend keine höheren Anforderungen zu stellen. Auch steht einem Anordnungsgrund nicht entgegen, dass der Antragsteller gegen die von ihm als unzumutbar betrachteten Lärmimmissionen nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch genommen hat. Denn der Antragsteller ist insoweit nicht untätig geblieben, sondern hat sich regelmäßig an die Gemeinde mit der Bitte um Abhilfe gewandt. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin zumindest in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass sie im Zusammenwirken mit den Nachbarn zu weitergehenden Abhilfemaßnahmen bereit ist und diese überprüft.
19 
3. Bei Anwendung des dem Senat gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 938 Abs. 1 ZPO eröffneten weiten Ermessens war deshalb die im Tenor ersichtliche einstweilige Regelung zu treffen. Der Senat sieht davon ab, der Antragsgegnerin genauere Vorgaben hinsichtlich der durchzuführenden Maßnahmen vorzuschreiben, da der Antragsgegnerin insoweit ein Auswahlermessen zukommt. Insbesondere wird die Antragsgegnerin zunächst versuchen dürfen, ob die derzeit nicht zumutbaren Missstände durch regelmäßige und engmaschige Kontrollen auch und gerade zur Abend- und Nachtzeit beseitigt werden können. Das Gericht sieht keinen Anlass, die - mit dem Antrag unbeschränkt begehrte - Anordnung in ihrer Geltung zeitlich zu begrenzen. Der Senat hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, dass mit diesem Vorgehen gegebenenfalls die erneute Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes vermieden werden kann und dass es die Antragsgegnerin andererseits in der Hand hat, auf eine gerichtliche Hauptsacheentscheidung hinzuwirken (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926 Abs. 1 ZPO).
20 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO.
21 
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen Nrn. 1.5, 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). Der für das Hauptsacheverfahren anzusetzende Streitwert von 15.000,-- EUR wird für das gegenständliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes halbiert. Eine Anhebung wegen Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs) ist nicht vorzunehmen, da über den Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung hinaus keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden. Der Senat sieht in Ausübung seines gemäß § 63 Abs. 3 GKG eröffneten Ermessens davon ab, die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für das erstinstanzliche Verfahren abzuändern.
22 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die
a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder
b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder
c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat,
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt,
3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat,
4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert,
5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet, insbesondere er nicht gleichzeitig mit mehreren Ehegatten verheiratet ist. Die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 und 7 müssen Ausländer nicht erfüllen, die nicht handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 sind.

(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.

(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.

(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.

(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.

(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.

(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.

(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.

(1) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird abgesehen, wenn der Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. Das ist anzunehmen, wenn

1.
das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit nicht vorsieht,
2.
der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigert,
3.
der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat,
4.
der Einbürgerung älterer Personen ausschließlich das Hindernis eintretender Mehrstaatigkeit entgegensteht, die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde,
5.
dem Ausländer bei Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit erhebliche Nachteile insbesondere wirtschaftlicher oder vermögensrechtlicher Art entstehen würden, die über den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte hinausgehen, oder
6.
der Ausländer einen Reiseausweis nach Artikel 28 des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt.

(2) Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 wird ferner abgesehen, wenn der Ausländer die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz besitzt.

(3) Weitere Ausnahmen von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 können nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge vorgesehen werden.

(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er

1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist,
2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist,
3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat,
4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
seine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse gewährleistet ist.

(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.