Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 18. Apr. 2017 - A 4 K 119/17

bei uns veröffentlicht am18.04.2017

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags.
Der 1985 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger und kurdischer Volkszugehörigkeit. Die in der Behördenakte enthaltene Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender datiert den 27.08.2015. Die Asylantragstellung erfolgte am 02.12.2015 in K… Er ist nunmehr einer Aufnahmeeinrichtung in Ulm zugewiesen.
Ausweislich der Aktenvermerke in der Behördenakte vom 30.05.2016 entsprechen der Reisepass, der Staatsangehörigkeitsnachweis und das – ins Deutsche übersetzte – „ID-Karte Kurdendokument“, welche der Kläger im Verwaltungsverfahren vorgelegt hat, dem bei der Beklagten bekannten Vergleichsmaterial. Sie weisen demnach keine feststellbaren Manipulationen auf.
Die Behördenakte enthält einen Taufschein der evangelischen D… Kirche in M… vom 01.12.2015, aus welchem hervorgeht, dass der Kläger nach der Ordnung der evangelischen Ordnung getauft worden sei. Der Taufschein enthält einen Taufspruch und ist vom Zeugen W… unterschrieben.
Ferner enthält die Behördenakte einen Taufschein eines …, geb. am …, der evangelisch-lutherischen D… Kirche zu O… vom 20.11.2010.
In der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 01.07.2016 in K… gab der Kläger an, Kurde und derzeit christlichen, vormals aber sunnitischen Glaubens zu sein. Er habe sich bis zur Ausreise in der Provinz Dohuk, bei der Stadt S… und dort im Dorf G… G… aufgehalten. Er habe dort mit seiner Mutter, zwei Brüdern und drei Schwestern zusammen gelebt. Zwei weitere Brüder lebten in Deutschland. Sein Heimatland habe er im Juli 2015 verlassen und circa 20 Tage bis zur Einreise in das Bundesgebiet am 12.08.2015 gebraucht. Die Schule habe er im Irak bis zur 9. Klasse besucht. Er habe als Angestellter der Wasserbehörde gearbeitet und sei auch LKW-Fahrer gewesen. Er habe zwischen dem Irak und der Türkei Zement transportiert. Dies sei beides nebeneinander erfolgt. Er sei monatlich in der Türkei gewesen und habe jedes Mal etwa 600 US-Dollar verdient. Die seit 2014 geplante Ausreise habe er durch seine Arbeit finanziert; sie habe 5.000 US-Dollar gekostet. Im Irak habe er seine Cousine heiraten sollen. Sie seien verlobt gewesen, er habe diese Verlobung aber zurückgenommen. Einmal seien die Scheiben seines Autos von seinem Onkel zerstört worden. „Die“ hätten „sie“ immer beschimpft, weil sie keine Muslime mehr seien. Der Bruder des Klägers sei zehn Jahre lang in Deutschland gewesen und sei dann in den Irak zurückgekehrt. Der Onkel habe ihn aber geschlagen und deswegen sei er ausgereist. Zum Christentum sei er hier in Deutschland konvertiert. Seine Familie wisse, dass er konvertiert sei. Seine Mutter und Brüder hätten nichts dagegen; seine Onkel mütterlicher- und väterlicherseits hingegen schon. Er selbst sei zum Christentum gekommen, weil seine Brüder konvertiert seien. Im Irak habe er nicht konvertieren können. Den alten Glauben – den Islam – habe er nicht mehr gewollt, weil dadurch nur Kriege und Schlachten geführt würden. Er sei mit seinem Bruder in der Kirche gewesen. Dieser gebe ihm Unterricht. Einmal sei er dort gewesen und habe sich taufen lassen; dann habe er auch den Schein bekommen. Sein Bruder sei für ihn wichtig; sie hätten die Muslime und Christen gesehen, sodass er beschlossen habe, Christ zu werden. In die Bibel habe er nicht hineingeschaut und könne auch nicht sagen, wie sie aufgebaut sei. Über das Christentum wisse er nichts, er wolle zu seinem Bruder gehen und sich informieren. Zwei- bis dreimal sei er mit Freunden in die Kirche gegangen. Als im Jahr 2014 seine Großfamilie von der Konversion seiner Brüder erfahren habe, habe er langsam Probleme bekommen. Diese Probleme habe er mit seinen Onkeln A…, S…, Y… und A… gehabt. Er habe gewusst, dass die Probleme größer werden würden. Ihm selbst sei nichts passiert, aber sein Bruder sei geschlagen worden. Dohuk sei in der Nähe, weshalb seine Onkel dorthin kommen könnten. Egal wo man sei; überall seien Muslime und sie könnten ihn erwischen. Kontakt zu anderen Christen im Irak habe er nicht. Wenn man erführe, dass er Christ sei, würde man ihn umbringen. Auf Nachfrage beschränkte er seinen Antrag auf die Gewährung von Flüchtlingsschutz. Der Kläger wurde zu einer Befristungsentscheidung gem. § 11 AufenthG angehört.
Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17.10.2016 – dem Kläger am 03.01.2017 zugestellt – wurden dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziff. 1, 2). Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 3). Der Kläger wurde aufgefordert, binnen 30 Tagen das Bundesgebiet zu verlassen; für den Fall der Nicht-Ausreise wurde ihm die Abschiebung in den Irak angedroht (Ziff. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate befristet (Ziff. 5). Wegen der Begründung wird auf den verfahrensgegenständlichen Bescheid Bezug genommen.
Der Kläger ließ am 09.01.2017 beim erkennenden Gericht Klage erheben. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei zum Christentum konvertiert. Damit sei klar, dass er im Falle einer Rückkehr außerhalb der Gesellschaftsordnung stehen und bedroht würde. Die Situation von Konvertiten sei anders als die von Christen.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Iraks beim Kläger festzustellen,
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die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17.10.2016 enthaltene Abschiebungsandrohung aufzuheben, hilfsweise die darin enthaltene Zielstaatsbestimmung (Irak) aufzuheben
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und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17.10.2016 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
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Mit Beschluss der Kammer vom 10.03.2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen. In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger informatorisch befragt; wegen seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Herr Pfarrer … W…, M…, wurde in der mündlichen Verhandlung unbeeidigt als Zeuge vernommen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den Ausdruck aus der elektronischen Akte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits ist gem. § 76 Abs. 1 AsylG der Einzelrichter berufen, auf den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen wurde.
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2. Das Gericht kann entscheiden, obwohl die Prozessbevollmächtigte des Klägers und die Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen sind, nachdem sie darauf hingewiesen wurden, dass auch bei ihrem Ausbleiben ohne sie verhandelt werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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3. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17.10.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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a. Die Asylberechtigung ist nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, nachdem der Kläger im Verwaltungsverfahren seinen Asylantrag entsprechend beschränkt hat (§ 13 Abs. 2 AsylG). Selbst wenn hierüber zu entscheiden wäre, wäre die Klage insoweit unbegründet, da der Kläger auf dem Landweg und damit über einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder aus einem anderen Drittstaat eingereist ist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (Art. 16a Abs. 2 GG).
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b. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da er deren Voraussetzungen nicht erfüllt (§§ 3 ff. AsylG).
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Ein Ausländer ist Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die begründete Furcht vor Verfolgung kann dabei gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, zumal im flüchtlingsrechtlichen Erstverfahren – wie hier – die Anerkennung subjektiver Nachfluchtgründe nicht begrenzt ist (BVerwG, Urt. v. 05.03.2009 – 10 C 51.07 –, Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 28). Es kommt daher zunächst nicht darauf an, wann der Kläger sich vom islamischen Glauben ab- und sich im Sinne einer Konversion dem christlichen Glauben hingewandt hat.
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Die durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 20.12.2011 – Qualifikationsrichtlinie (QRL) – vorgezeichneten Vorschriften des nationalen Rechts – hier der §§ 3 ff. AsylG – und damit auch der Begriff der Verfolgung hinsichtlich seiner Voraussetzung von nach Art oder Wiederholung schwerwiegenden Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte darstellenden Handlungen, sind unionsrechtskonform anhand der Richtlinie auszulegen. Demnach ist es als Eingriff in die Religionsfreiheit zu prüfen, wenn auf die Entschließungsfreiheit des Schutzsuchenden, seine Religion in einer bestimmten Weise zu praktizieren, durch die Bedrohung mit Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit eingewirkt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris, m.w.N.).
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Dabei stellt nicht jeder Eingriff in das durch Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) garantierte Recht auf Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL dar (EuGH, Urt. v. 05.09.2012 – Rs. C-71/11 –, Rn. 56 ff.). Es muss sich vielmehr um eine „schwerwiegende Verletzung“ dieser Freiheit handeln, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt, damit die betreffenden Handlungen als Verfolgung gelten können; gesetzlich vorgesehene Einschränkungen der Grundrechtsausübung scheiden damit zunächst aus (EuGH, Urt. v. 05.09.2012 – Rs. C-71/11 –, Rn. 56 ff.).
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Vorauszusetzen ist damit gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL, dass die Eingriffshandlungen einer Verletzung der grundlegenden Menschenrechte gleichkommen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK in keinem Fall abgewichen werden darf (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris). Zu den Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL darstellen können, gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Ausländers, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch Eingriffe in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH, Urt. v. 05.09.2012 – Rs. C-71/11 –, Rn. 62). Damit ist bei der Bestimmung der Handlungen, die aufgrund ihrer Schwere – verbunden mit der ihrer Folgen – für den Betroffenen als Verfolgung gelten können, nicht darauf abzustellen, in welche Komponente der Religionsfreiheit eingegriffen wird, sondern auf die Art der ausgeübten Repressionen und deren Folgen für den Betroffenen (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 14).
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Ob eine Verletzung des durch Art. 10 Abs. 1 GrCh garantierten Rechts eine solche Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL darstellt, richtet sich mithin danach, wie gravierend die Maßnahmen und Sanktionen sind, die gegenüber dem Betroffenen ergriffen werden oder ergriffen werden können. Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 QRL setzt nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt; vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris, m.w.N.).
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Wann der flüchtlingsrechtlich zu fordernde Grad an Schwere erreicht ist, hängt von dem durch objektive Aspekte – wie der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter – und subjektive Gesichtspunkte – etwa der Unverzichtbarkeit der Ausübung seiner Religion in der Öffentlichkeit – gezeichneten Gesamtbilds im Einzelfall ab (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris). Maßgeblich ist dabei, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist; dabei reicht es nicht aus, dass der Ausländer eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen – jedenfalls im Aufnahmestaat – nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris).
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aa. Unter Zugrundelegung und in Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs ist das Gericht davon überzeugt, dass selbst wenn das Vorbringen des Klägers über seine Konversion zum christlichen Glauben zuträfe, ihm keine Verfolgung aus religiösen Gründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG durch staatliche Stellen oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschende organisierte Akteure (§ 3c Nr. 1, Nr. 2 AsylG) drohen würde. Daher kann auch die Frage, welche flüchtlingsrechtliche Relevanz die vom Kläger – grundsätzlich glaubhaft vorgebrachten – Umstände seiner Konversion beanspruchen, offenbleiben.
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Aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes geht hervor, dass eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden im Irak nicht stattfindet (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 11). Nach diesem Bericht erkennt die irakische Verfassung das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Auch wenn der Islam normativ als eine Hauptquelle der Gesetzgebung definiert wird, wird auf dem gleichen verfassungsrechtlichen Rang die Freiheit des Glaubens und dessen Ausübung garantiert (vgl. auch United States Department of State, Religious Freedom Report 2015 – Iraq, S. 5). Art. 3 der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Iraks fest. Art. 43 der Verfassung verpflichtet den Staat zum Schutz religiöser Stätten. Das irakische Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie etwa den Abfall vom Islam. Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im Parlament vertreten; darunter entfallen fünf Sitze für die christliche Minderheit (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 11 f.).
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Solche amtlichen Auskünfte bzw. Lageberichte des Auswärtigen Amtes stellen Beweismittel eigener Art dar, denen eine – auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannte – „Bemühung um Objektivität“ innewohnt, sodass sie den tatsächlichen Verhältnissen am Nächsten kommen (BVerfG, Beschl. v. 23.02.1983 – 1 BvR 990/82 –, BVerfGE 63, 197 <214 f.>). Ihnen kommt daher ein hoher Beweiswert zu (Berlit, in: Gemeinschaftskommentar AsylG (GK-AsylG), § 78 Rn. 400 (Stand: April 1998)). Ob und in welchem Umfang die Verwaltungsgerichte weitere Erkenntnisse verwerten, ist Frage des jeweiligen Einzelfalls (OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 09.01.2017 – 11 A 1213/16.A –, juris). Im vorliegenden Fall steht der Lagebericht indes in seinen maßgeblichen Angaben nicht in Widerspruch zu den übrigen, dem Gericht vorliegenden, Erkenntnismitteln. Es liegen daher keine Anhaltspunkte vor, welche Anlass böten, an dieser Tatsachenlage zu zweifeln.
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Zwar mögen in der staatlichen Anerkennung von Konversionen und in der personenstandsrechtlichen Erfassung und Registrierung anderer Glaubensrichtungen als des Islams Defizite bestehen (United States Department of State, Religious Freedom Report 2015 – Iraq, S. 5). Verfolgungshandlungen, welche unter die Voraussetzungen des § 3a AsylG subsumiert werden könnten, vermögen diese jedoch weder für sich noch in einem kumulativen Zusammenwirken (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG) darzustellen, zumal es sich weitgehend um faktische, nicht jedoch als solche gezielte Folgen handelt (vgl. zum Erfordernis der Zielgerichtetheit BVerwG, Urt. v. 19.01.2009 – 10 C 52.07 –, NVwZ 2009, 982 <984>).
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Dies gilt auch und insbesondere für die irakische Autonomieregion Kurdistan, da die dortige Regierung grundsätzlich säkular ist. Deshalb sind viele Angehörige religiöser Minderheiten in die kurdischen Autonomiegebiete umgezogen, da diese einen höheren Grad an Sicherheit, Toleranz und Schutz für Minderheitenrechte gewähren (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available, September 2016). Dies spiegelt sich auch in den Angaben des Klägers wieder, wonach die Sicherheitslage in seinem Heimatgebiet sicherer sei als im übrigen Irak.
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In Gebieten, die von der kurdischen Regionalregierung kontrolliert werden, haben seit 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 18). Es gibt keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung; der Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution werden staatlich von der Regionalregierung gefördert (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 12). Die sozialen Probleme von Binnenflüchtlingen in der kurdischen Autonomieregion sind im Falle des Klägers unerheblich, da nach seinen eigenen Angaben Teile seiner Kernfamilie weiterhin dort leben und er im Falle einer Rückkehr nicht wie Binnenflüchtlinge aus anderen Landesteilen auf fremde Hilfe angewiesen wäre oder auf eine Sprachbarriere stoßen würde (vgl. zu diesen Problemen Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 56 ff.; Amnesty International, Menschenrechtsreport Irak 2016/17).
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Massive Diskriminierungen und Anwendung von Gewalt gegenüber Minderheiten – insbesondere Konvertiten – scheint vielmehr von nicht-staatlichen Akteuren sowie Gruppierungen auszugehen und insbesondere außerhalb der kurdischen Autonomieregion ein schwerwiegendes Problem darzustellen (zusammenfassend Schweizer Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche: Gesetzliche Lage für die Abkehr vom Islam in der Autonomen Region Kurdistan, Schutzwille der Behörden, vom 20.05.2016; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Bestrafung bei Abfall von Islam und Konversion zum Christentum, vom 20.01.2016).
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bb. Es besteht auch keine objektive Besorgnis, dass der Kläger in der für ihn maßgeblichen Heimatregion Dohuk als Konvertit bzw. als sich vom Islam abwendende Person Verfolgungshandlungen durch nicht-staatliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG ausgesetzt wäre.
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Nach Art. 4 Abs. 4 QRL ist die Tatsache, dass ein Asylantragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des jeweiligen Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprächen dagegen, dass dieser Asylantragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
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Entscheidend ist insofern, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.11.2015 – A 12 S 1999/14 –, juris). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist (BVerwG, Urt. v. 05.11.1991 – 9 C 118.90 –, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 147).
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Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (statt vieler BVerwG, Urt. v. 23.02.1988 – 9 C 32.87 –, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 80). Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles im Sinne einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit die „reale Möglichkeit“ („real risk“) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 14). Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 05.10.2016 – A 10 S 332/12 –, juris). Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann die Intensität der drohenden Verfolgung aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen für die Entscheidung maßgeblich sein, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren will oder nicht (vgl. BayVGH, Urt. v. 08.02.2007 – 23 B 06.30883 –, juris).
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Nach der aktuellen Erkenntnismittellage sind in der Autonomieregion Kurdistan wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Regierung stehen, Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 12). Generell kann es zwar zu Angriffen auf Priester, Bombenanschläge auf Kirchen und christliche Einrichtungen sowie zu Übergriffen auf von Christen geführte Lebensmittelhandlungen, in denen auch Alkoholika angeboten werden, kommen (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 18). Auch kann es in den Gebieten im Nordirak, die seit Juni 2014 unter der Kontrolle des IS standen oder noch stehen, zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und auch Christen kommen (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 12). Die öffentliche Bekundung Atheist zu sein, konnte ebenfalls Probleme bereiten, da die Gesellschaft in der Autonomen Region Kurdistan – als die für den Kläger flüchtlingsrechtlich maßgebliche Heimatregion – ob ihrer grundsätzlich liberalen und in Glaubensfragen offenen Einstellung jedenfalls in nicht lediglich unerheblichen Teilen weiterhin konservativ eingestellt ist und die Erwartung hegt, dass die islamischen Normen eingehalten werden (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available, September 2016). Auch in der früher als am liberalsten und gegenüber nicht-muslimischen Lebensweisen am ehesten als offen geltenden Stadt Sulaymaniya hat sich – Stand August 2016 – die Stimmung nach dem Bericht der kanadischen Migrationsbehörde signifikant geändert; insofern besteht die öffentliche Meinung in der Auffassung, dass man öffentlich nicht über Religion spricht (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available, September 2016). So ist es etwa auch in Erbil in Zusammenhang mit einer Versammlung zu Bedrohungen eines als Atheist geltenden Professors gekommen, welche – auch in der übrigen Zeit – von islamischen Extremisten und religiösen Führern ausgegangen sind (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available, September 2016).
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Insgesamt ist jedoch davon auszugehen, dass – verglichen mit dem südlichen Irak – die Effektivität und der Schutz durch Behörden in der Region Kurdistan höher ist und die kurdischen Behörden die Möglichkeiten haben, effektiv Sicherheit in den von ihnen kontrollierten Regionen zu gewährleisten (Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 45 unter Bezugnahme auf Berichte von Human Rights Watch). Dabei soll nicht verkannt werden, dass durchaus Defizite in der Schutzgewährung bestehen und diese auch davon abhängen kann, vor wem der mutmaßlich Verfolgte letztlich um Schutz ersucht (Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 45). Zudem – was jedoch flüchtlingsrechtlich zunächst unerheblich ist – ersuchen bedrohte Personen einerseits auch nicht immer um Schutz durch staatliche Behörden oder Gerichte, obwohl sich gerade die kurdische Autonomieregion durch eine – zumindest teilweise – internationalen Standards gerecht werdende Gesetzgebung auszeichnet. Andererseits soll nicht verkannt werden, dass sowohl die Sicherheitsbehörden als auch die Justiz durchaus politischer Einflussnahme unterliegen und der Grad ihres Tätigwerdens auch in Abhängigkeit von verwandtschafts-, stammes- und herkunftsbezogenen – aber auch religionsbezogenen – Aspekten und Verbindungen variieren kann (Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 45). Im Falle des Klägers ist jedoch keine, zu seinen Lasten erschwerte, Sachlage ersichtlich, welche die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes unmöglich machen würde.
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Diese durch die verfügbaren Erkenntnismittel vorgezeichnete Sachlage lässt insgesamt nicht den Schluss zu, dass es nicht besonders exponierten oder sonst im Einzelfall durch individuelle persönliche Merkmale gekennzeichneten Personen – wie dem Kläger – möglich wäre, effektiven Schutz zu erlangen. Dass entsprechende Merkmale den Schutzgrad erhöhen oder verringern können, ist dabei unmaßgeblich; der grundsätzliche Zugang zu staatlichem Schutz und die grundsätzliche Schutzbereitschaft der Behörden sind nach der dargestellten Erkenntnismittellage für den Kläger generell gegeben.
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Etwaige einzelfallartige Übergriffe auf besonders exponierte Personen legen keinen, die Voraussetzungen für eine beachtliche reale Gefahr einer Verfolgung erfüllenden Sachverhalt dar. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Lage für Christen und Abkehrer vom islamischen Glauben auch in den generell als stabil und tendenziell sicher geltenden Gebieten der kurdischen Autonomieregion weder optimal noch leicht ist. Diese aus der generellen Sicherheitslage folgenden Erschwernisse im Lebensstandard und in der Ausübung persönlicher Freiheiten beruhen aus Sicht des erkennenden Einzelrichters jedoch nicht auf einer generellen Diskriminierung oder Verfolgung bestimmter religiöser Ansichten, welche die Schwelle zu einer objektiven Furcht vor einer Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure überschreiten würde.
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Generell wird die Heimatprovinz des Klägers – Dohuk – als „relativ sicher“ eingeschätzt; insbesondere sind keine radikal-islamischen oder religiös-fundamentalistischen Gruppierungen in der Provinz aktiv (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Security situation in Dohuk, März 2016). In Bezug auf Christen hat es in Dohuk keine Vorfälle gegeben; vielmehr gilt es für Christen als hinreichend sicher, dort ihren Glauben zu praktizieren, was sich in der zunehmend gestiegenen Zahl an Christen in Dohuk wiederspiegelt (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Security situation in Dohuk, März 2016). Diskriminierungen beruhen insofern tendenziell weniger auf der religiösen Überzeugung der Christen als auf dem Umstand, dass sie teilweise als besondere ethnische Gruppe aufgrund nicht religionsbezogener besonderer persönlicher Merkmale in Erscheinung treten (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Security situation in Dohuk, März 2016).
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Dies trifft auf den Kläger indes nicht zu, da er sich in seinem Auftreten und seiner Erscheinung aufgrund seiner Konversion verglichen mit seinem Erscheinungsbild vor dem Abfall vom Islam nicht unterscheidet und so auch nicht besonders hervortritt. Inwieweit die dargestellten Erkenntnisse auch für solche Überzeugungen gelten, die nach ihrem Selbstverständnis und dem des in Rede stehenden Gläubigen ein öffentliches Ausüben, Bekunden oder gar Verbreiten der eigenen Glaubensüberzeugungen gebieten, kann damit vorliegend dahinstehen. Denn nach den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung beschränkt sich der christliche Glaube in der von ihm praktizierten und für sich verwirklichten Form darin, dass er es gerade nicht als geboten ansieht, Symbole seines Glaubens offen zu tragen oder in dichten, regelmäßigen Abständen in der Öffentlichkeit oder in öffentlichen Gotteshäusern zu beten. Seine eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung lassen insofern nicht erkennen, dass er besonders tiefgreifend gläubig und in seinem Glauben nach Außen gewandt wäre oder in kurzen Abständen die Kirche besuchen würde. Vielmehr hat er angegeben, dass er lediglich deshalb zum Christentum konvertiert sei, weil es ihm fremd sei, ohne Religion zu leben. Er hat insofern lediglich eine Art „pro-forma“-Religionszugehörigkeit dargelegt, um nicht konfessionslos sein zu müssen.
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Im vorliegenden Fall besteht deshalb keine hinreichende Gefahr für den Kläger, als konvertierter Christ oder als vom islamischen Glauben abgefallen erkannt zu werden, da er dies nicht in einem besondere und allgemein bekannten Maße nach außen getragen hat oder künftig nach außen tragen will. Ihm kommt daher in seinem individuellen Fall keine besondere exponierte Stellung zu, aufgrund derer eine von der allgemeinen Sicherheitslage abweichende religiös motivierte Gefahr, zum Opfer von Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG zu werden, begründet werden oder zu besorgen sein könnte.
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cc. Soweit der Kläger vorbringt, dass er eine Verfolgung durch seine Onkel besorge, verfängt dies flüchtlingsrechtlich nicht. Zwar können auch einzelne Familienmitglieder als nicht-staatliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG in Betracht kommen (vgl. hierzu Bergmann, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), AuslR, 11. Aufl., § 3c AsylG Rn. 4). Dennoch ist es trotz des möglichen Zugriffs auf den Kläger und seine Familie nach dem Bekanntwerden der Konversion seiner Brüder nicht zu Mordanschlägen oder in ihrer Intensität damit vergleichbaren Übergriffen gekommen. Beim Vorbringen betreffend die Scheiben seines Fahrzeugs handelt es sich um bloße Spekulationen über die Urheber.
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Zwar mag hinsichtlich der Zugehörigkeit zum Islam, welche nach dem islamischen Selbstverständnis als angeboren gilt (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 12), ein besonderes Ehrverständnis der jeweiligen Familie einhergehen. Im Falle des Klägers jedoch ist nach seinen eigenen Angaben zumindest ein Bruder in den Irak und den Heimatort zurückgekehrt und wurde dort offenbar von der Kernfamilie aufgenommen. Insofern scheint die Kernfamilie des Klägers eine Konversion zu tolerieren und zumindest hinzunehmen, sodass es nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) feststeht, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak aufgrund seiner Konversion bzw. seines erklärten Abfalls vom Islam Repressionen seiner Onkel ausgesetzt wäre, welche die für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderliche Schwelle überschreiten könnten.
49 
c. Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 AsylG).
50 
Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden – wie die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts – droht (§ 4 Abs. 1 AsylG). Derartiges ist nicht ersichtlich.
51 
Insbesondere liegt keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist im Lichte des Art. 15 Buchst. c) QRL dahingehend auszulegen, dass für die Anwendung dieser Bestimmung vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen ist, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist (EuGH, Urt. v. 30.01.2014 – Rs. C-285/12 Diakité –, CELEX-Nr.: 62012CJ0285, Rn. 21 ff.).
52 
Eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zugleich die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c) QRL erfüllt, kann sich auch aus einer allgemeinen Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ergeben, wenn sich die Gefahr in der Person des Ausländers verdichtet, wobei sich eine solche Verdichtung bzw. Individualisierung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben kann (BVerwG, Urt. v. 24.06.2008 – 10 C 43.07 –, Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 22).
53 
Das Vorliegen einer solchen Bedrohung kann nach der unions- und fachgerichtlichen Rechtsprechung ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH, Urt. v. 17.02.2009 – Rs. C-465/07 Elgafaji –, Slg. 2009, I-921 Rn. 43; BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 – 10 C 9.08 –, Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 33). Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehrt (BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 – 10 C 9.08 –, Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 33).
54 
Dies ist in der Heimatregion Dohuk des Klägers nicht der Fall. Auch wenn immer wieder vereinzelte Anschläge in der kurdischen Autonomieregion stattfinden, gilt die Sicherheitslage in den autonomen Kurdengebieten verglichen mit der Situation im übrigen Irak als gut (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Österreich), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Irak, 08.04.2016, S. 25). Die unter der Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte stehenden Gebiete sind sicher; die Sicherheitskräfte sind mit Erfolg um Stabilität und Sicherheit bemüht, auch wenn sie weiterhin unter den Folgen der Konflikte in der Region und unter geringen Ressourcen leiden (Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 29). So hat es bereits im Zeitraum 2015 bis März 2016 keine Berichte oder Erkenntnisse über neuerliche Anschläge in Dohuk gegeben (Immigration and Refugee Board of Canada, Security Situation in Dohuk, including ISIS activities and targeting of Christians; treatment of Christians by Kurdish authorities in Dohuk, including state protection, 11.03.2016). Mittlerweile kommt es in der mit etwa 350.000 Einwohnern bewohnten Stadt Dohuk auch vereinzelt zu kollektiven kulturellen Ereignissen (Deutschlandradio Kultur, Der Krieg ist nur wenige Kilometer weit weg, 13.09.2016, allgemein abrufbar unter http://www.deutschlandradiokultur.de/kurdisches-filmfestival-in-dohuk-der-krieg-ist-nur-wenige.1013.de.html?dram:article_id=365804).
55 
Insofern hat die Region, trotz der fortbestehenden Defizite in der Entlohnung und der Verwaltung vom wirtschaftlichen Aufschwung in der kurdischen Autonomieregion profitiert, sodass ein geregeltes Alltagsleben, wie etwa auch ein Universitätsbetrieb dauerhaft und nachhaltig möglich sind (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Aufbruch im Schatten des Krieges, 10.02.2016, allgemein abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/an-der-kurdischen-universitaet-dohuk-plant-man-wiederaufbau-14059438.html). Von einer allgemeinen Gefahr bzw. deren für die im Rahmen des § 4 Abs. 1 AsylG relevanten Erhöhung aufgrund der Religionszugehörigkeit des Klägers oder wegen dessen Abkehr vom Islam ist – selbst wenn diese zuträfen – nicht auszugehen. Insbesondere kann der Kläger vor seinen Onkeln im nahegelegenen Dohuk oder auch in der Stadt Semel Schutz finden, zumal nach dem bisherigen Vorbringen offenbar keine besonders hartnäckige Verfolgung vorzuliegen scheint; jedenfalls ist eine solche nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt worden. Bloße Einschüchterungsversuche genügen insofern nicht.
56 
d. Das Nicht-Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zutreffend festgestellt.
57 
aa. Ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG ist nicht ersichtlich. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Ein – hier einzig in Betracht kommender – Verstoß gegen Art. 3 EMRK ist nicht ersichtlich. Schlechte humanitäre Verhältnisse als solche können nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein, wenn diese ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht-staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will, beruhen. Ganz außerordentliche individuelle Umstände müssen dagegen hinzutreten, um schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet, wenn diese nicht überwiegend auf Handlungen der genannten Akteure zurückzuführen sind, als „Behandlung“ im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.7.2013 – A 11 S 697/13 –, juris). Derartiges ist nicht gegeben, da der Kläger bereits vor seiner Ausreise aus dem Irak seinen Lebensunterhalt selbst verdienen konnte und hieran anknüpfen kann. Im Übrigen würde er in bestehende familiäre Strukturen, von denen nicht alle Verwandten gegenüber seiner Abkehr vom Islam kritisch eingestellt sind, zurückkehren.
58 
bb. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht nicht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind solche Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Es muss sich daher um eine bestehende individuelle Gefahr handeln (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), AuslR, 11. Aufl., 2016, § 60 AufenthG Rn. 53). Das Vorliegen einer solchen ist im Wege einer Gefahrenprognose zu ermitteln, wobei das erkennende Gericht im Hauptsacheverfahren Überzeugungsgewissheit erlangen muss (BVerwG, Beschl. v. 8.2.2011 – 10 B 1/11 –, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 43). Derartiges ist mit Blick auf die bisherigen Ausführungen und Feststellungen nicht ersichtlich und wird auch nicht über die bisherigen Ausführungen hinausgehend vorgebracht.
59 
e. Die Abschiebungsandrohung beruht auf §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG und stößt nach alledem nicht auf rechtliche Bedenken.
60 
f. Die Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Falle der Abschiebung (§ 11 Abs. 1 AufenthG) stößt nicht auf rechtliche Bedenken, sodass offenbleiben kann, ob auch diese Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist oder – was der anfängliche Antragswortlaut nahelegt – bestandskräftig ist.
61 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden in diesem Verfahren nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Gründe

 
18 
1. Zur Entscheidung des Rechtsstreits ist gem. § 76 Abs. 1 AsylG der Einzelrichter berufen, auf den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen wurde.
19 
2. Das Gericht kann entscheiden, obwohl die Prozessbevollmächtigte des Klägers und die Beklagte nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen sind, nachdem sie darauf hingewiesen wurden, dass auch bei ihrem Ausbleiben ohne sie verhandelt werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO).
20 
3. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17.10.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21 
a. Die Asylberechtigung ist nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, nachdem der Kläger im Verwaltungsverfahren seinen Asylantrag entsprechend beschränkt hat (§ 13 Abs. 2 AsylG). Selbst wenn hierüber zu entscheiden wäre, wäre die Klage insoweit unbegründet, da der Kläger auf dem Landweg und damit über einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder aus einem anderen Drittstaat eingereist ist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (Art. 16a Abs. 2 GG).
22 
b. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, da er deren Voraussetzungen nicht erfüllt (§§ 3 ff. AsylG).
23 
Ein Ausländer ist Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Die begründete Furcht vor Verfolgung kann dabei gemäß § 28 Abs. 1a AsylG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, zumal im flüchtlingsrechtlichen Erstverfahren – wie hier – die Anerkennung subjektiver Nachfluchtgründe nicht begrenzt ist (BVerwG, Urt. v. 05.03.2009 – 10 C 51.07 –, Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 28). Es kommt daher zunächst nicht darauf an, wann der Kläger sich vom islamischen Glauben ab- und sich im Sinne einer Konversion dem christlichen Glauben hingewandt hat.
24 
Die durch die Richtlinie 2011/95/EU vom 20.12.2011 – Qualifikationsrichtlinie (QRL) – vorgezeichneten Vorschriften des nationalen Rechts – hier der §§ 3 ff. AsylG – und damit auch der Begriff der Verfolgung hinsichtlich seiner Voraussetzung von nach Art oder Wiederholung schwerwiegenden Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte darstellenden Handlungen, sind unionsrechtskonform anhand der Richtlinie auszulegen. Demnach ist es als Eingriff in die Religionsfreiheit zu prüfen, wenn auf die Entschließungsfreiheit des Schutzsuchenden, seine Religion in einer bestimmten Weise zu praktizieren, durch die Bedrohung mit Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit eingewirkt wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris, m.w.N.).
25 
Dabei stellt nicht jeder Eingriff in das durch Art. 10 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) garantierte Recht auf Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL dar (EuGH, Urt. v. 05.09.2012 – Rs. C-71/11 –, Rn. 56 ff.). Es muss sich vielmehr um eine „schwerwiegende Verletzung“ dieser Freiheit handeln, die den Betroffenen erheblich beeinträchtigt, damit die betreffenden Handlungen als Verfolgung gelten können; gesetzlich vorgesehene Einschränkungen der Grundrechtsausübung scheiden damit zunächst aus (EuGH, Urt. v. 05.09.2012 – Rs. C-71/11 –, Rn. 56 ff.).
26 
Vorauszusetzen ist damit gem. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL, dass die Eingriffshandlungen einer Verletzung der grundlegenden Menschenrechte gleichkommen, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK in keinem Fall abgewichen werden darf (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris). Zu den Handlungen, die eine schwerwiegende Verletzung der Religionsfreiheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a) QRL darstellen können, gehören nicht nur gravierende Eingriffe in die Freiheit des Ausländers, seinen Glauben im privaten Rahmen zu praktizieren, sondern auch Eingriffe in seine Freiheit, diesen Glauben öffentlich zu leben (EuGH, Urt. v. 05.09.2012 – Rs. C-71/11 –, Rn. 62). Damit ist bei der Bestimmung der Handlungen, die aufgrund ihrer Schwere – verbunden mit der ihrer Folgen – für den Betroffenen als Verfolgung gelten können, nicht darauf abzustellen, in welche Komponente der Religionsfreiheit eingegriffen wird, sondern auf die Art der ausgeübten Repressionen und deren Folgen für den Betroffenen (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 14).
27 
Ob eine Verletzung des durch Art. 10 Abs. 1 GrCh garantierten Rechts eine solche Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL darstellt, richtet sich mithin danach, wie gravierend die Maßnahmen und Sanktionen sind, die gegenüber dem Betroffenen ergriffen werden oder ergriffen werden können. Ein hinreichend schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 QRL setzt nicht voraus, dass der Ausländer seinen Glauben nach Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich in einer Weise ausübt, die ihn der Gefahr der Verfolgung aussetzt; vielmehr kann bereits der unter dem Druck der Verfolgungsgefahr erzwungene Verzicht auf die Glaubensbetätigung die Qualität einer Verfolgung erreichen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris, m.w.N.).
28 
Wann der flüchtlingsrechtlich zu fordernde Grad an Schwere erreicht ist, hängt von dem durch objektive Aspekte – wie der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter – und subjektive Gesichtspunkte – etwa der Unverzichtbarkeit der Ausübung seiner Religion in der Öffentlichkeit – gezeichneten Gesamtbilds im Einzelfall ab (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris). Maßgeblich ist dabei, wie der einzelne Gläubige seinen Glauben lebt und ob die verfolgungsträchtige Glaubensbetätigung für ihn persönlich nach seinem Glaubensverständnis unverzichtbar ist; dabei reicht es nicht aus, dass der Ausländer eine enge Verbundenheit mit seinem Glauben hat, wenn er diesen – jedenfalls im Aufnahmestaat – nicht in einer Weise lebt, die ihn im Herkunftsstaat der Gefahr der Verfolgung aussetzen würde (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.09.2013 – A 11 S 689/13 –, juris).
29 
aa. Unter Zugrundelegung und in Anwendung dieses Prüfungsmaßstabs ist das Gericht davon überzeugt, dass selbst wenn das Vorbringen des Klägers über seine Konversion zum christlichen Glauben zuträfe, ihm keine Verfolgung aus religiösen Gründen im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG durch staatliche Stellen oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschende organisierte Akteure (§ 3c Nr. 1, Nr. 2 AsylG) drohen würde. Daher kann auch die Frage, welche flüchtlingsrechtliche Relevanz die vom Kläger – grundsätzlich glaubhaft vorgebrachten – Umstände seiner Konversion beanspruchen, offenbleiben.
30 
Aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes geht hervor, dass eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden im Irak nicht stattfindet (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 11). Nach diesem Bericht erkennt die irakische Verfassung das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an. Auch wenn der Islam normativ als eine Hauptquelle der Gesetzgebung definiert wird, wird auf dem gleichen verfassungsrechtlichen Rang die Freiheit des Glaubens und dessen Ausübung garantiert (vgl. auch United States Department of State, Religious Freedom Report 2015 – Iraq, S. 5). Art. 3 der Verfassung legt ausdrücklich die multiethnische, multireligiöse und multikonfessionelle Ausrichtung des Iraks fest. Art. 43 der Verfassung verpflichtet den Staat zum Schutz religiöser Stätten. Das irakische Strafgesetzbuch kennt keine aus dem islamischen Recht übernommenen Straftatbestände, wie etwa den Abfall vom Islam. Die meisten religiös-ethnischen Minderheiten sind im Parlament vertreten; darunter entfallen fünf Sitze für die christliche Minderheit (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 11 f.).
31 
Solche amtlichen Auskünfte bzw. Lageberichte des Auswärtigen Amtes stellen Beweismittel eigener Art dar, denen eine – auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannte – „Bemühung um Objektivität“ innewohnt, sodass sie den tatsächlichen Verhältnissen am Nächsten kommen (BVerfG, Beschl. v. 23.02.1983 – 1 BvR 990/82 –, BVerfGE 63, 197 <214 f.>). Ihnen kommt daher ein hoher Beweiswert zu (Berlit, in: Gemeinschaftskommentar AsylG (GK-AsylG), § 78 Rn. 400 (Stand: April 1998)). Ob und in welchem Umfang die Verwaltungsgerichte weitere Erkenntnisse verwerten, ist Frage des jeweiligen Einzelfalls (OVG Nordrh.-Westf., Beschl. v. 09.01.2017 – 11 A 1213/16.A –, juris). Im vorliegenden Fall steht der Lagebericht indes in seinen maßgeblichen Angaben nicht in Widerspruch zu den übrigen, dem Gericht vorliegenden, Erkenntnismitteln. Es liegen daher keine Anhaltspunkte vor, welche Anlass böten, an dieser Tatsachenlage zu zweifeln.
32 
Zwar mögen in der staatlichen Anerkennung von Konversionen und in der personenstandsrechtlichen Erfassung und Registrierung anderer Glaubensrichtungen als des Islams Defizite bestehen (United States Department of State, Religious Freedom Report 2015 – Iraq, S. 5). Verfolgungshandlungen, welche unter die Voraussetzungen des § 3a AsylG subsumiert werden könnten, vermögen diese jedoch weder für sich noch in einem kumulativen Zusammenwirken (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG) darzustellen, zumal es sich weitgehend um faktische, nicht jedoch als solche gezielte Folgen handelt (vgl. zum Erfordernis der Zielgerichtetheit BVerwG, Urt. v. 19.01.2009 – 10 C 52.07 –, NVwZ 2009, 982 <984>).
33 
Dies gilt auch und insbesondere für die irakische Autonomieregion Kurdistan, da die dortige Regierung grundsätzlich säkular ist. Deshalb sind viele Angehörige religiöser Minderheiten in die kurdischen Autonomiegebiete umgezogen, da diese einen höheren Grad an Sicherheit, Toleranz und Schutz für Minderheitenrechte gewähren (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available, September 2016). Dies spiegelt sich auch in den Angaben des Klägers wieder, wonach die Sicherheitslage in seinem Heimatgebiet sicherer sei als im übrigen Irak.
34 
In Gebieten, die von der kurdischen Regionalregierung kontrolliert werden, haben seit 2003 viele christliche Flüchtlinge aus anderen Landesteilen Zuflucht gefunden (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 18). Es gibt keine Anzeichen für staatliche Diskriminierung; der Kirchenbau wie auch die Kirche als Institution werden staatlich von der Regionalregierung gefördert (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 12). Die sozialen Probleme von Binnenflüchtlingen in der kurdischen Autonomieregion sind im Falle des Klägers unerheblich, da nach seinen eigenen Angaben Teile seiner Kernfamilie weiterhin dort leben und er im Falle einer Rückkehr nicht wie Binnenflüchtlinge aus anderen Landesteilen auf fremde Hilfe angewiesen wäre oder auf eine Sprachbarriere stoßen würde (vgl. zu diesen Problemen Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 56 ff.; Amnesty International, Menschenrechtsreport Irak 2016/17).
35 
Massive Diskriminierungen und Anwendung von Gewalt gegenüber Minderheiten – insbesondere Konvertiten – scheint vielmehr von nicht-staatlichen Akteuren sowie Gruppierungen auszugehen und insbesondere außerhalb der kurdischen Autonomieregion ein schwerwiegendes Problem darzustellen (zusammenfassend Schweizer Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche: Gesetzliche Lage für die Abkehr vom Islam in der Autonomen Region Kurdistan, Schutzwille der Behörden, vom 20.05.2016; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Bestrafung bei Abfall von Islam und Konversion zum Christentum, vom 20.01.2016).
36 
bb. Es besteht auch keine objektive Besorgnis, dass der Kläger in der für ihn maßgeblichen Heimatregion Dohuk als Konvertit bzw. als sich vom Islam abwendende Person Verfolgungshandlungen durch nicht-staatliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG ausgesetzt wäre.
37 
Nach Art. 4 Abs. 4 QRL ist die Tatsache, dass ein Asylantragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des jeweiligen Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprächen dagegen, dass dieser Asylantragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
38 
Entscheidend ist insofern, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.11.2015 – A 12 S 1999/14 –, juris). Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist (BVerwG, Urt. v. 05.11.1991 – 9 C 118.90 –, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 147).
39 
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist deshalb dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (statt vieler BVerwG, Urt. v. 23.02.1988 – 9 C 32.87 –, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 80). Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles im Sinne einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit die „reale Möglichkeit“ („real risk“) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen (BVerwG, Urt. v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 –, Buchholz 402.25 § 3 AsylVfG Nr. 14). Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 05.10.2016 – A 10 S 332/12 –, juris). Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann die Intensität der drohenden Verfolgung aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen für die Entscheidung maßgeblich sein, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren will oder nicht (vgl. BayVGH, Urt. v. 08.02.2007 – 23 B 06.30883 –, juris).
40 
Nach der aktuellen Erkenntnismittellage sind in der Autonomieregion Kurdistan wie auch in weiteren Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Regierung stehen, Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 12). Generell kann es zwar zu Angriffen auf Priester, Bombenanschläge auf Kirchen und christliche Einrichtungen sowie zu Übergriffen auf von Christen geführte Lebensmittelhandlungen, in denen auch Alkoholika angeboten werden, kommen (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 18). Auch kann es in den Gebieten im Nordirak, die seit Juni 2014 unter der Kontrolle des IS standen oder noch stehen, zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und auch Christen kommen (AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 12). Die öffentliche Bekundung Atheist zu sein, konnte ebenfalls Probleme bereiten, da die Gesellschaft in der Autonomen Region Kurdistan – als die für den Kläger flüchtlingsrechtlich maßgebliche Heimatregion – ob ihrer grundsätzlich liberalen und in Glaubensfragen offenen Einstellung jedenfalls in nicht lediglich unerheblichen Teilen weiterhin konservativ eingestellt ist und die Erwartung hegt, dass die islamischen Normen eingehalten werden (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available, September 2016). Auch in der früher als am liberalsten und gegenüber nicht-muslimischen Lebensweisen am ehesten als offen geltenden Stadt Sulaymaniya hat sich – Stand August 2016 – die Stimmung nach dem Bericht der kanadischen Migrationsbehörde signifikant geändert; insofern besteht die öffentliche Meinung in der Auffassung, dass man öffentlich nicht über Religion spricht (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available, September 2016). So ist es etwa auch in Erbil in Zusammenhang mit einer Versammlung zu Bedrohungen eines als Atheist geltenden Professors gekommen, welche – auch in der übrigen Zeit – von islamischen Extremisten und religiösen Führern ausgegangen sind (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Information on the treatment of atheists and apostates by society and authorities in Erbil; state protection available, September 2016).
41 
Insgesamt ist jedoch davon auszugehen, dass – verglichen mit dem südlichen Irak – die Effektivität und der Schutz durch Behörden in der Region Kurdistan höher ist und die kurdischen Behörden die Möglichkeiten haben, effektiv Sicherheit in den von ihnen kontrollierten Regionen zu gewährleisten (Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 45 unter Bezugnahme auf Berichte von Human Rights Watch). Dabei soll nicht verkannt werden, dass durchaus Defizite in der Schutzgewährung bestehen und diese auch davon abhängen kann, vor wem der mutmaßlich Verfolgte letztlich um Schutz ersucht (Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 45). Zudem – was jedoch flüchtlingsrechtlich zunächst unerheblich ist – ersuchen bedrohte Personen einerseits auch nicht immer um Schutz durch staatliche Behörden oder Gerichte, obwohl sich gerade die kurdische Autonomieregion durch eine – zumindest teilweise – internationalen Standards gerecht werdende Gesetzgebung auszeichnet. Andererseits soll nicht verkannt werden, dass sowohl die Sicherheitsbehörden als auch die Justiz durchaus politischer Einflussnahme unterliegen und der Grad ihres Tätigwerdens auch in Abhängigkeit von verwandtschafts-, stammes- und herkunftsbezogenen – aber auch religionsbezogenen – Aspekten und Verbindungen variieren kann (Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 45). Im Falle des Klägers ist jedoch keine, zu seinen Lasten erschwerte, Sachlage ersichtlich, welche die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes unmöglich machen würde.
42 
Diese durch die verfügbaren Erkenntnismittel vorgezeichnete Sachlage lässt insgesamt nicht den Schluss zu, dass es nicht besonders exponierten oder sonst im Einzelfall durch individuelle persönliche Merkmale gekennzeichneten Personen – wie dem Kläger – möglich wäre, effektiven Schutz zu erlangen. Dass entsprechende Merkmale den Schutzgrad erhöhen oder verringern können, ist dabei unmaßgeblich; der grundsätzliche Zugang zu staatlichem Schutz und die grundsätzliche Schutzbereitschaft der Behörden sind nach der dargestellten Erkenntnismittellage für den Kläger generell gegeben.
43 
Etwaige einzelfallartige Übergriffe auf besonders exponierte Personen legen keinen, die Voraussetzungen für eine beachtliche reale Gefahr einer Verfolgung erfüllenden Sachverhalt dar. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Lage für Christen und Abkehrer vom islamischen Glauben auch in den generell als stabil und tendenziell sicher geltenden Gebieten der kurdischen Autonomieregion weder optimal noch leicht ist. Diese aus der generellen Sicherheitslage folgenden Erschwernisse im Lebensstandard und in der Ausübung persönlicher Freiheiten beruhen aus Sicht des erkennenden Einzelrichters jedoch nicht auf einer generellen Diskriminierung oder Verfolgung bestimmter religiöser Ansichten, welche die Schwelle zu einer objektiven Furcht vor einer Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure überschreiten würde.
44 
Generell wird die Heimatprovinz des Klägers – Dohuk – als „relativ sicher“ eingeschätzt; insbesondere sind keine radikal-islamischen oder religiös-fundamentalistischen Gruppierungen in der Provinz aktiv (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Security situation in Dohuk, März 2016). In Bezug auf Christen hat es in Dohuk keine Vorfälle gegeben; vielmehr gilt es für Christen als hinreichend sicher, dort ihren Glauben zu praktizieren, was sich in der zunehmend gestiegenen Zahl an Christen in Dohuk wiederspiegelt (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Security situation in Dohuk, März 2016). Diskriminierungen beruhen insofern tendenziell weniger auf der religiösen Überzeugung der Christen als auf dem Umstand, dass sie teilweise als besondere ethnische Gruppe aufgrund nicht religionsbezogener besonderer persönlicher Merkmale in Erscheinung treten (Immigration and Refugee Board of Canada, Iraq: Security situation in Dohuk, März 2016).
45 
Dies trifft auf den Kläger indes nicht zu, da er sich in seinem Auftreten und seiner Erscheinung aufgrund seiner Konversion verglichen mit seinem Erscheinungsbild vor dem Abfall vom Islam nicht unterscheidet und so auch nicht besonders hervortritt. Inwieweit die dargestellten Erkenntnisse auch für solche Überzeugungen gelten, die nach ihrem Selbstverständnis und dem des in Rede stehenden Gläubigen ein öffentliches Ausüben, Bekunden oder gar Verbreiten der eigenen Glaubensüberzeugungen gebieten, kann damit vorliegend dahinstehen. Denn nach den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung beschränkt sich der christliche Glaube in der von ihm praktizierten und für sich verwirklichten Form darin, dass er es gerade nicht als geboten ansieht, Symbole seines Glaubens offen zu tragen oder in dichten, regelmäßigen Abständen in der Öffentlichkeit oder in öffentlichen Gotteshäusern zu beten. Seine eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung lassen insofern nicht erkennen, dass er besonders tiefgreifend gläubig und in seinem Glauben nach Außen gewandt wäre oder in kurzen Abständen die Kirche besuchen würde. Vielmehr hat er angegeben, dass er lediglich deshalb zum Christentum konvertiert sei, weil es ihm fremd sei, ohne Religion zu leben. Er hat insofern lediglich eine Art „pro-forma“-Religionszugehörigkeit dargelegt, um nicht konfessionslos sein zu müssen.
46 
Im vorliegenden Fall besteht deshalb keine hinreichende Gefahr für den Kläger, als konvertierter Christ oder als vom islamischen Glauben abgefallen erkannt zu werden, da er dies nicht in einem besondere und allgemein bekannten Maße nach außen getragen hat oder künftig nach außen tragen will. Ihm kommt daher in seinem individuellen Fall keine besondere exponierte Stellung zu, aufgrund derer eine von der allgemeinen Sicherheitslage abweichende religiös motivierte Gefahr, zum Opfer von Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG zu werden, begründet werden oder zu besorgen sein könnte.
47 
cc. Soweit der Kläger vorbringt, dass er eine Verfolgung durch seine Onkel besorge, verfängt dies flüchtlingsrechtlich nicht. Zwar können auch einzelne Familienmitglieder als nicht-staatliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG in Betracht kommen (vgl. hierzu Bergmann, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), AuslR, 11. Aufl., § 3c AsylG Rn. 4). Dennoch ist es trotz des möglichen Zugriffs auf den Kläger und seine Familie nach dem Bekanntwerden der Konversion seiner Brüder nicht zu Mordanschlägen oder in ihrer Intensität damit vergleichbaren Übergriffen gekommen. Beim Vorbringen betreffend die Scheiben seines Fahrzeugs handelt es sich um bloße Spekulationen über die Urheber.
48 
Zwar mag hinsichtlich der Zugehörigkeit zum Islam, welche nach dem islamischen Selbstverständnis als angeboren gilt (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, Stand: Dezember 2016, S. 12), ein besonderes Ehrverständnis der jeweiligen Familie einhergehen. Im Falle des Klägers jedoch ist nach seinen eigenen Angaben zumindest ein Bruder in den Irak und den Heimatort zurückgekehrt und wurde dort offenbar von der Kernfamilie aufgenommen. Insofern scheint die Kernfamilie des Klägers eine Konversion zu tolerieren und zumindest hinzunehmen, sodass es nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) feststeht, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak aufgrund seiner Konversion bzw. seines erklärten Abfalls vom Islam Repressionen seiner Onkel ausgesetzt wäre, welche die für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderliche Schwelle überschreiten könnten.
49 
c. Es besteht auch kein Anspruch des Klägers auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 AsylG).
50 
Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden – wie die Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts – droht (§ 4 Abs. 1 AsylG). Derartiges ist nicht ersichtlich.
51 
Insbesondere liegt keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist im Lichte des Art. 15 Buchst. c) QRL dahingehend auszulegen, dass für die Anwendung dieser Bestimmung vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen ist, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist (EuGH, Urt. v. 30.01.2014 – Rs. C-285/12 Diakité –, CELEX-Nr.: 62012CJ0285, Rn. 21 ff.).
52 
Eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zugleich die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c) QRL erfüllt, kann sich auch aus einer allgemeinen Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts ergeben, wenn sich die Gefahr in der Person des Ausländers verdichtet, wobei sich eine solche Verdichtung bzw. Individualisierung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben kann (BVerwG, Urt. v. 24.06.2008 – 10 C 43.07 –, Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u Asylrecht Nr. 22).
53 
Das Vorliegen einer solchen Bedrohung kann nach der unions- und fachgerichtlichen Rechtsprechung ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden, die mit einem Antrag auf subsidiären Schutz befasst sind, oder der Gerichte eines Mitgliedstaats, bei denen eine Klage gegen die Ablehnung eines solchen Antrags anhängig ist, ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH, Urt. v. 17.02.2009 – Rs. C-465/07 Elgafaji –, Slg. 2009, I-921 Rn. 43; BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 – 10 C 9.08 –, Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 33). Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehrt (BVerwG, Urt. v. 14.07.2009 – 10 C 9.08 –, Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 33).
54 
Dies ist in der Heimatregion Dohuk des Klägers nicht der Fall. Auch wenn immer wieder vereinzelte Anschläge in der kurdischen Autonomieregion stattfinden, gilt die Sicherheitslage in den autonomen Kurdengebieten verglichen mit der Situation im übrigen Irak als gut (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Österreich), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Irak, 08.04.2016, S. 25). Die unter der Kontrolle der kurdischen Sicherheitskräfte stehenden Gebiete sind sicher; die Sicherheitskräfte sind mit Erfolg um Stabilität und Sicherheit bemüht, auch wenn sie weiterhin unter den Folgen der Konflikte in der Region und unter geringen Ressourcen leiden (Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, April 2016, S. 29). So hat es bereits im Zeitraum 2015 bis März 2016 keine Berichte oder Erkenntnisse über neuerliche Anschläge in Dohuk gegeben (Immigration and Refugee Board of Canada, Security Situation in Dohuk, including ISIS activities and targeting of Christians; treatment of Christians by Kurdish authorities in Dohuk, including state protection, 11.03.2016). Mittlerweile kommt es in der mit etwa 350.000 Einwohnern bewohnten Stadt Dohuk auch vereinzelt zu kollektiven kulturellen Ereignissen (Deutschlandradio Kultur, Der Krieg ist nur wenige Kilometer weit weg, 13.09.2016, allgemein abrufbar unter http://www.deutschlandradiokultur.de/kurdisches-filmfestival-in-dohuk-der-krieg-ist-nur-wenige.1013.de.html?dram:article_id=365804).
55 
Insofern hat die Region, trotz der fortbestehenden Defizite in der Entlohnung und der Verwaltung vom wirtschaftlichen Aufschwung in der kurdischen Autonomieregion profitiert, sodass ein geregeltes Alltagsleben, wie etwa auch ein Universitätsbetrieb dauerhaft und nachhaltig möglich sind (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Aufbruch im Schatten des Krieges, 10.02.2016, allgemein abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/an-der-kurdischen-universitaet-dohuk-plant-man-wiederaufbau-14059438.html). Von einer allgemeinen Gefahr bzw. deren für die im Rahmen des § 4 Abs. 1 AsylG relevanten Erhöhung aufgrund der Religionszugehörigkeit des Klägers oder wegen dessen Abkehr vom Islam ist – selbst wenn diese zuträfen – nicht auszugehen. Insbesondere kann der Kläger vor seinen Onkeln im nahegelegenen Dohuk oder auch in der Stadt Semel Schutz finden, zumal nach dem bisherigen Vorbringen offenbar keine besonders hartnäckige Verfolgung vorzuliegen scheint; jedenfalls ist eine solche nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt worden. Bloße Einschüchterungsversuche genügen insofern nicht.
56 
d. Das Nicht-Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zutreffend festgestellt.
57 
aa. Ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG ist nicht ersichtlich. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Ein – hier einzig in Betracht kommender – Verstoß gegen Art. 3 EMRK ist nicht ersichtlich. Schlechte humanitäre Verhältnisse als solche können nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise als eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein, wenn diese ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht-staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will, beruhen. Ganz außerordentliche individuelle Umstände müssen dagegen hinzutreten, um schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet, wenn diese nicht überwiegend auf Handlungen der genannten Akteure zurückzuführen sind, als „Behandlung“ im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.7.2013 – A 11 S 697/13 –, juris). Derartiges ist nicht gegeben, da der Kläger bereits vor seiner Ausreise aus dem Irak seinen Lebensunterhalt selbst verdienen konnte und hieran anknüpfen kann. Im Übrigen würde er in bestehende familiäre Strukturen, von denen nicht alle Verwandten gegenüber seiner Abkehr vom Islam kritisch eingestellt sind, zurückkehren.
58 
bb. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht nicht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei sind solche Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Es muss sich daher um eine bestehende individuelle Gefahr handeln (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), AuslR, 11. Aufl., 2016, § 60 AufenthG Rn. 53). Das Vorliegen einer solchen ist im Wege einer Gefahrenprognose zu ermitteln, wobei das erkennende Gericht im Hauptsacheverfahren Überzeugungsgewissheit erlangen muss (BVerwG, Beschl. v. 8.2.2011 – 10 B 1/11 –, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 43). Derartiges ist mit Blick auf die bisherigen Ausführungen und Feststellungen nicht ersichtlich und wird auch nicht über die bisherigen Ausführungen hinausgehend vorgebracht.
59 
e. Die Abschiebungsandrohung beruht auf §§ 34 Abs. 1, 38 Abs. 1 AsylG und stößt nach alledem nicht auf rechtliche Bedenken.
60 
f. Die Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots im Falle der Abschiebung (§ 11 Abs. 1 AufenthG) stößt nicht auf rechtliche Bedenken, sodass offenbleiben kann, ob auch diese Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist oder – was der anfängliche Antragswortlaut nahelegt – bestandskräftig ist.
61 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden in diesem Verfahren nicht erhoben (§ 83b AsylG).

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Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 18. Apr. 2017 - A 4 K 119/17 zitiert 21 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 76 Einzelrichter


(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist od

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 28 Nachfluchttatbestände


(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 13 Asylantrag


(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer s

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Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 18. Apr. 2017 - A 4 K 119/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 05. Okt. 2016 - A 10 S 332/12

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Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.Die

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Nov. 2015 - A 12 S 1999/14

bei uns veröffentlicht am 19.11.2015

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2006 - A 1 K 10388/05 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand   1 Der
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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 13. Apr. 2018 - 8 A 8150/16

bei uns veröffentlicht am 13.04.2018

Tenor Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil

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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.

(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. Der Ausländer kann den Asylantrag auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränken. Er ist über die Folgen einer Beschränkung des Antrags zu belehren. § 24 Absatz 2 bleibt unberührt.

(3) Ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist, hat an der Grenze um Asyl nachzusuchen (§ 18). Im Falle der unerlaubten Einreise hat er sich unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung zu melden (§ 22) oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen (§ 19). Der nachfolgende Asylantrag ist unverzüglich zu stellen.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.

(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.

(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2006 - A 1 K 10388/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am xxx geborener angolanischer Staatsangehöriger bakongolesischer Volkszugehörigkeit, wendet sich gegen den Widerruf der Feststellung, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - (nunmehr § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG) vorliegen.
Der Kläger reiste am 24.12.1990 gemeinsam mit seiner Ehefrau in das Bundesgebiet ein und beantragte mit ihr zunächst erfolglos die Anerkennung als Asylberechtigter (VG Stuttgart, Urteil v. 09.02.1993 - A 6 K 13516/92 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 22.02.1995 - A 13 S 3176/94 -). Am 03.07.1995 beantragten beide erneut erfolglos ihre Anerkennung als Asylberechtigte in einem (ersten) Asylfolgeverfahren (VG Stuttgart, Urteil v. 24.09.1996 - A 14 K 15135/95 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.02.1997 - A 13 S 3461/96). Auch ein weiterer Asylfolgeantrag vom 22.01.1998 wurde mit Bescheid vom 30.12.1998 durch das seinerzeitige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Angola angedroht. Auf die von dem Kläger und seiner Ehefrau erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 23.03.2001 - A 9 K 10000/01 - unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 30.12.1998 die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und bei seiner Ehefrau ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG jeweils in Bezug auf Angola vorliegen. Zur Begründung der Klage hatte der Kläger dem Verwaltungsgericht mehrere Belege für eine exilpolitische Betätigung vorgelegt. Hinsichtlich seiner Klage hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:
„Die Funktion des Klägers zu 1 als Informationssekretär der in den angolanischen Bürgerkrieg verwickelten UNITA in Verbindung mit seinen vielfältigen exilpolitischen Aktivitäten an verantwortlicher Stelle, auch etwa beim AK Asyl, führt dazu, dass dem Kläger zu 1 mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Angola politische Verfolgung droht. Es handelt sich dabei zwar um selbstgeschaffene Nachfluchtgründe, die gemäß § 28 Satz 1 AsylVfG nicht zur Asylberechtigung nach Art. 16 a Abs. 1 GG führen können, da sie - nach Auffassung des Gerichts - nicht den Ausdruck einer festen, bereits in Angola erkennbar betätigten Überzeugung darstellen. Denn der Kläger zu 1 ist nach den rechtskräftigen Feststellungen des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22.02.1995 (A 13 S 3176/94) aus Angola weder vorverfolgt noch aufgrund einer latenten Gefährdungslage ausgereist. Sein Vorbringen bezüglich konkreter politischer Aktivitäten in Angola wurde als widersprüchlich und nicht glaubhaft eingestuft. Selbst wenn der Kläger zu 1 in Angola als Anhänger der tocoistischen Kirche eine UNITA-freundliche Überzeugung gehabt haben sollte, so wurde diese jedenfalls nicht i.S.d. § 28 S. 1 AsylVfG „erkennbar betätigt" (vgl. BVerwG - 9 C 42.87 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 75).
Beim Kläger zu 1 liegen jedoch wegen der genannten Umstände die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vor („kleines Asyl"). Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine solche Abschiebungseinschränkung kommt in Betracht, wenn dem Ausländer im Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht. Dieser Prognosemaßstab gilt für unverfolgt aus ihrem Heimatstaat ausgereiste Schutzsuchende im Abschiebungsschutz des § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Asylanerkennungsverfahren. Er setzt voraus, dass bei „qualifizierender" Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Entscheidend ist nicht eine mathematisch-statistische Wahrscheinlichkeitssicht, sondern eine wertende Betrachtungsweise, die auch die Schwere des befürchteten Verfolgungseingriffs berücksichtigt. Je gravierender die möglichen Rechtsgutverletzungen sind, desto weniger kann es dem Betroffenen zugemutet werden, sich der Verfolgungsgefahr auszusetzen.
Gemessen an diesen Maßstäben droht dem Kläger zu 1 bei qualifizierender Betrachtungsweise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Angola politische Verfolgung. Die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers zu 1 waren und sind gezielt gegen die angolanische Regierung gerichteten. Sie sind öffentlichkeitswirksam und von Gewicht. Es muss davon ausgegangen werden, dass diese nunmehr seit einigen Jahren andauernden Aktivitäten pro UNITA den angolanischen Sicherheitsbehörden bekannt geworden sind und von ihnen als ernst zu nehmender Versuch gewertet werden, das Regime in der Öffentlichkeit zu diskreditieren oder zu schwächen. Denn nach der Einschätzung des Auswärtigen Amtes im - zum Gegenstand des Verfahrens gemachten - Lagebericht vom 15.11.2000 achtet die angolanische Regierung bei den im Ausland agierenden UNITA-Vertretern insbesondere auf Führungspersönlichkeiten. Bei UNITA-Zugehörigkeit sei mit staatlichen Repressalien zu rechnen, insbesondere, wenn sich diese Zugehörigkeit - wie bei dem Kläger zu 1 - in nachgewiesenen, langjährigen und gewichtigen Aktivitäten manifestiert hat. Selbst wenn der Kläger zu 1 in Angola wegen dieser Aktivitäten im Ergebnis, entgegen seiner weiterreichenden Befürchtungen, „nur" mit Freiheitsentziehung zu rechnen hätte, würde dies für § 51 Abs. 1 AuslG ausreichen. Nach den Schilderungen des Lageberichts ist der angolanische Strafvollzug im Übrigen selbst für afrikanische Verhältnisse extrem hart. Die dort herrschenden Zustände bedeuten eine außergewöhnliche Verschärfung jeder Freiheitsstrafe, die vielfach als unmenschlich und lebensbedrohend qualifiziert werden muss. Weder die Ernährung noch die medizinische Versorgung noch die Unterbringung in den Gefängnissen erfüllten im entferntesten Minimalbedingungen.
Nach Einschätzung des Gerichts drohen dem Kläger zu 1 in Angola mithin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zumindest unmenschliche oder erniedrigende Maßnahmen durch die angolanischen Sicherheitsbehörden. Bei einer Abschiebung nach Angola könnte sich der Kläger zu 1 zudem den Sicherheitsbehörden praktisch kaum entziehen. Denn nach den Informationen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 15.11.2000 führt der einzig mögliche Abschiebeweg nach Angola über den internationalen Flughafen von Luanda; wegen der schlechten Sicherheitslage sei eine Weiterreise in die von der UNITA kontrollierten Gebiete kaum möglich.“
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge kam den Verpflichtungen des Verwaltungsgerichts mit Bescheiden vom 15.05.2001 nach.
Hinsichtlich der in den Jahren 1992, 1994 und 1998 geborenen Kinder des Klägers und seiner Ehefrau stellte das Bundesamt mit Bescheiden vom 03.08.1998 und 30.04.2001 auf eine entsprechende Verpflichtung durch das Verwaltungsgericht Stuttgart hin fest, dass bei ihnen Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG in Bezug auf Angola vorliegen.
Mit Verfügung vom 08.11.2004 leitete das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Widerrufsverfahren gemäß § 73 AsylVfG gegen den Kläger und seine Familie ein. Mit Anhörungsschreiben vom 11.11.2004 vertrat das Bundesamt die Auffassung, mit Abschluss des Waffenstillstandsabkommens zwischen der Regierung und den UNITA-Rebellen vom 04.04.2002, das de facto als Friedensvertrag wirke, könnten Verfolgungsmaßnahmen des angolanischen Staates nunmehr mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
10 
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wandte sich hiergegen mit Schreiben vom 13.12.2004.
11 
Mit Bescheid vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989-223) widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die mit Bescheid vom 15.05.2001 erfolgte Feststellung, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Ferner stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der seinerzeitigen Fassung noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Zur Begründung führte es u.a. aus, ein Widerruf erfordere bei erlittener Vorverfolgung hinreichende Sicherheit vor einer Wiederholung der Verfolgung. Sei der Ausländer von konkreten Verfolgungsmaßnahmen bedroht gewesen, sei der Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen nach dem herabgeminderten Prognosemaßstab zu beurteilen. Vor dem Hintergrund des seit der Beendigung des Bürgerkriegs in Angola neuen Verhältnisses zwischen der Regierung und der größten Oppositionspartei UNITA bestehe keine Gefährdung angolanischer Staatsangehöriger aufgrund von exilpolitischen Tätigkeiten für die UNITA in der Bundesrepublik Deutschland. Ein gegenteiliger Schluss könne auch nicht aus der konkret angeführten Teilnahme des Klägers an der gegen die Ausländerpolitik der Bundesrepublik und nicht gegen den angolanischen Staat gerichteten Aktion „Solidarität statt Abschiebung“ des Arbeitskreises Asyl in xxx am 04.12.2004 gezogen werden. Zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe gemäß § 73 Abs.1 S. 3 AsylVfG, aus denen der Ausländer die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ablehnen könne, seien nicht ersichtlich. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 und § 60 Abs. 2-7 AufenthG lägen nicht vor.
12 
Mit weiterem Bescheid vom 10.02.2005 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die mit Bescheiden vom 03.08.1998, 30.04.2001 und 15.05.2001 erfolgten Feststellungen, dass bei der Ehefrau des Klägers und seinen Kindern jeweils ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG gegeben ist. Außerdem wurde festgestellt, dass bei diesen weder die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG vorliegen.
13 
Am 23.02.2005 haben der Kläger, seine Ehefrau und die Kinder beim Verwaltungsgericht Stuttgart Anfechtungsklagen gegen die Bescheide des Bundesamtes vom 10.02.2005 erhoben und hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2-7 AufenthG vorliegen. Zur Begründung hat der Kläger für sich im Wesentlichen vorgetragen, er sei Informationssekretär und herausgehobenes Mitglied des UNITA-Komitees xxx und setze sich, den Zielen des Komitees entsprechend, für eine Autonomielösung für das angolanische Bekongo-Gebiet ein. Die UNITA werde in Angola durch die MPLA verfolgt, auch sei sein Name dem angolanischen Geheimdienst bekannt. Außerdem sei er Mitglied des Arbeitskreises Asyl xxx, in dem er sich für die Rechte angolanischer und sonstiger Asylbewerber einsetze. Er nehme dort an Veranstaltungen und Aktionen teil, halte wegen des UNITA-Verbots aber keine Reden mehr. Auch habe er in der Vergangenheit die angolanische Regierung kritisierende Artikel in den Zeitungen „Flash Flash“ und „Eveil“ veröffentlicht. Hinzu komme, dass seine Familie und er aufgrund des langen Aufenthalts in Deutschland und der damit verbundenen fehlenden Anpassung an die angolanischen Lebensverhältnisse sowohl sozial als auch gesundheitsmäßig nicht, jedenfalls nicht würdig, überleben könnten. Ob noch Verwandte in Angola leben würden, sei ihm unbekannt, jedenfalls gebe es mit den in Frage kommenden Personen ohnehin persönliche Probleme.
14 
Mit Urteil vom 27.07.2006 - A 1 K 10388/05 - hat das Verwaltungsgericht Stuttgart - neben den Klagen seiner Ehefrau und seiner Kinder - auch die Klage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung sei zu Recht erfolgt, da sich die innenpolitischen und sonstigen Verhältnisse in Angola nach dem maßgeblichen Zeitpunkt erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert hätten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Angola keine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG mehr drohe. Eine politische Verfolgung des unverfolgt ausgereisten Klägers in Angola wegen seiner exilpolitischen Tätigkeit könne, selbst wenn diese Tätigkeit in Angola bekannt wäre, mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Mit staatlichen Repressionen müssten lediglich Personen rechnen, die in besonders ausgeprägter Weise an Kampfhandlungen gegen das Regime teilgenommen hätten. Übergriffe auf UNITA-Angehörige seien nur vereinzelt bekannt geworden und bezögen sich auf Personen, die vor Ort in Kampfhandlungen verstrickt gewesen seien. Gegenüber exilpolitisch Tätigen seien keine Übergriffe bekannt, die Tätigkeit des Klägers sei im Übrigen keine exponierte politische Aktivität. Eine politische Verfolgung aus anderen Gründen drohe ebenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit, insbesondere auch nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo. Ferner lägen keine Gefahren aufgrund der allgemeinen angolanischen Sicherheits- und Versorgungslage vor, die gemäß § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG ein Absehen von der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Unzumutbarkeit der Rückkehr rechtfertigten. Es bestehe auch kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 - 5 und 7 AufenthG. Was § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG angehe, verleihe diese Vorschrift dem Ausländer dann keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots, wenn er sich auf Gefahren berufe, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der er angehöre, allgemein ausgesetzt sei. So liege es hier etwa im Hinblick auf die Gefahr der Erkrankung an Malaria und Cholera in Angola.
15 
Gegen das dem Kläger am 21.09.2006 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 05.10.2006 die Zulassung der Berufung beantragt.
16 
Mit Beschluss vom 15.01.2008 - A 5 S 1130/06 -, dem Kläger zugestellt am 23.01.2008, hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen und ihm Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Rechtssache habe grundlegende Bedeutung in Bezug auf die Frage, ob sich die Situation in Angola nach Ende des Bürgerkriegs im April 2002 so erheblich und nicht nur vorübergehend geändert habe, dass Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Personen, die für die UNITA tätig gewesen seien, auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen seien.
17 
Unter dem 28.01.2008 hat der Kläger die Berufung begründet.
18 
Er trägt vor, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung der Rechtskraft des Urteils im Vorverfahren. Denn ein Widerruf der Asylanerkennung sei nur dann zulässig, wenn sich die im Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert hätten, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen sei und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung drohe. Das Verwaltungsgericht habe aber unter Bezugnahme auf den Bundesamtsbescheid vom 10.02.2005 lediglich darauf abgehoben, ob dem Kläger politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe. Die Elemente „nicht nur vorübergehend“ und „hinreichende Sicherheit auf absehbare Zeit“ habe es ignoriert. Es verfehle auch die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien, wonach im Heimatstaat eine funktionierende Regierung, grundlegende Verwaltungsstrukturen und eine angemessene Infrastruktur gegeben sein müssten. Diese Voraussetzungen lägen in Angola nicht vor. Die die Vorverfolgung begründenden Machtstrukturen seien auch nach Beendigung der militärischen Kämpfe bestehen geblieben. Die MPLA als derzeit allein herrschende politische Kraft sei erheblich konsolidiert. Zwar könne gegenwärtig nicht mehr davon ausgegangen werden, dass UNITA-Aktivisten generell verfolgt würden. Dass dies nicht nur vorübergehend, sondern auf absehbare Zeit ausgeschlossen sei, könne aufgrund der faktischen Alleinherrschaft der MPLA jedoch derzeit mangels gewaltenteilender, rechtsstaatlicher, demokratischer und menschenrechtsbeachtender Strukturen nicht festgestellt werden. Als gegenwärtige Oppositionspartei sei die UNITA angesichts der Vorherrschaft der MPLA in einer Position der Schwäche. In den Provinzen habe es auf Distrikt- und Kommunalebene eine Reihe gewalttätiger Angriffe gegen UNITA-Delegationen und andere Parteien gegeben. Entgegen den Versicherungen von MPLA-Regierungsvertretern, diese „Exzesse von Individuen“ seien Sache der Polizei und Justiz, seien bislang keine Strafverfolgungsmaßnahmen bekannt geworden. Ungenügende Infrastruktur und Kommunikation, chronischer Mangel an qualifiziertem Personal und mangelnde Gewaltenteilung zeichneten das angolanische Justizsystem nach wie vor aus, weshalb Straflosigkeit und Selbstjustiz noch immer verbreitet seien. Dementsprechend seien auch Attentate auf oppositionelle Parlamentarier wie gegen den UNITA-Parlamentarier Vicente Tembo, der am 11.11.2004 von Unbekannten angeschossen worden sei, unaufgeklärt geblieben. Ungeachtet der Tatsache, dass es eine generelle politische Verfolgung von Mitgliedern der Opposition in Angola derzeit nicht gebe, könne doch ein politisch motiviertes asylrelevantes Vorgehen von Teilen der Sicherheitskräfte oder Angehörigen des MPLA-Machtapparats und/oder von den herrschenden Kräften angestacheltes und/oder jedenfalls nicht verhindertes Vorgehen Dritter gegen UNITA-Mitglieder derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Gegen solche Übergriffe sei auch kein Schutz durch staatliche Autorität zu erwarten. Zudem werde die angolanische Menschenrechtsorganisation AJPD von der Regierung bedroht. Es herrsche ein Klima der politischen Intoleranz und Angst. Auch die Wahlen am 05.09.2008 seien weder frei noch fair gewesen. Aus diesen Gründen könne die erneute Verfolgung des Klägers aufgrund seiner UNITA-Mitgliedschaft nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27.07.2006 - A 1 K 10388/05 -, soweit es ihn selbst betrifft, zu ändern, sowie die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989-223) aufzuheben.
21 
Die Beklagte tritt dem entgegen und macht geltend, der Bürgerkrieg in Angola sei beendet, sodass Angehörigen der UNITA keine Verfolgung mehr drohe. Dies gelte selbst für militante Kämpfer und hochrangige Mitglieder der Organisation. Es lägen für die vergangenen Jahre keine Hinweise auf asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen von Mitgliedern der UNITA im Gegensatz zu Aktivisten der Organisation FLEC, die für eine Unabhängigkeit der Provinz Cabinda eintrete, vor.
22 
Mit Beschluss vom 21.01.2010 - A 5 S 135/08 - hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Verfahren ist nach dem Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 02.03.2010 in den Rechtssachen C 175/08, C 176/08, C 178/08 und C 179/08 zur Auslegung von Art. 11 Abs. 1 e der Richtlinie 2004/83/EU des Rates vom 29.04.2004 (Qualifikationsrichtlinie) mit Schriftsatz des Beklagten vom 12.01.2011 wieder angerufen worden. Hiernach sei, so der Beklagte, bei der Prüfung eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft generell zu beachten, dass der der Prognose zu Grunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab selbst dann unverändert bleibe, wenn der Schutzsuchende bereits Vorverfolgung erlitten habe, weshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie im Einzelfall selbst dann widerlegt sein könne, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs gegeben sei. Die Rechtskraft des zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führenden verwaltungsrechtlichen Urteils könne dem nicht entgegenstehen. Es werde zudem auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25.02.2010 - A 5 S 640/09 - Bezug genommen. Sei mit dem Verwaltungsgericht mit dem Grad der hinreichenden Sicherheit eine Gefährdung des Klägers nach einer Rückkehr nach Angola auszuschließen, könne dies nur als stichhaltiger Grund im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie eingestuft werden. Denn bei festzustellender hinreichender Verfolgungssicherheit sei im Ergebnis dem Erfordernis stichhaltiger Gründe Genüge getan.
23 
Mit Schriftsatz vom 25.07.2012 ließ der Kläger mitteilen, er sei im Besitz einer Niederlassungserlaubnis und bemühe sich um seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
24 
Mit Beschluss vom 17.12.2012 - A 5 S 148/11 - ist auf Antrag der Beteiligten erneut das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
25 
Unter dem 06.10.2014 hat der Beklagte das Verfahren wieder angerufen, nachdem sich kein positiver Abschluss des Einbürgerungsverfahrens des Klägers abgezeichnet hat. Das Verfahren wird seither unter dem Aktenzeichen A 12 S 1999/14 fortgeführt.
26 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu den Az. 2313865-223 und 5132989-223 sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu den Verfahren A 9 K 10000/01 und A 1 K 10388/05 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2008 - A 5 S 1130/06 - zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung (vgl. § 124a Abs. 6 VwGO) des Klägers ist nicht begründet.
28 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989.223) - nur hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers - zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger kann nicht die Aufhebung des Widerrufs der mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 15.05.2001 getroffenen Feststellung verlangen, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorliegen (vgl. nachfolgend unter 1.). Ihm kommt auch kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. §§ 3 bis 3e AsylG (jeweils i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722) zu (vgl. unter 2.).
29 
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 ist in seiner Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG für den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegeben.
30 
a) Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. gegeben sind, hatte bei Entscheidungen über Asylanträge, die vor dem 01.01.2005 unanfechtbar geworden sind, spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen (§ 73 Abs. 2a, Abs. 7 AsylVfG a.F.), was vorliegend mit der Entscheidung des Bundesamtes vom 10.02.2005 beachtet worden ist.
31 
b) Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist in materieller Hinsicht § 73 AsylG in der Fassung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722. Nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
32 
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. Nr. L 304 S. 12; berichtigt ABl. 2005 Nr. L 204 S. 24; nunmehr: Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mir Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 S. 9) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG sind daher unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren.
33 
Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.
34 
Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 02.03.2010 (Rs. C-​175/08 u.a., Abdulla u.a. -, NVwZ 2010, 505) weiter konkretisiert. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt danach voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 72 ff.; zur Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit vgl. auch BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O., m.w.N.).
35 
Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der früheren, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht mehr festgehalten werden. Der Richtlinie 2004/83/EG ist ein solches materiellrechtliches Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose fremd. Sie verfolgt vielmehr unter Zugrundelegung eines einheitlichen Prognosemaßstabs für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 und der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Demzufolge gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich auch das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 84 ff., 98 f.; BVerwG, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 7.11- Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 43).
36 
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Unzumutbar kann aber eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn auch nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162).
37 
Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d. h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Eine Veränderung kann in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (BVerwG, Urteil v. 24.02.2011 - 10 C 3.11 - BVerwGE 139, 109). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991, a.a.O.), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.).
38 
Die Rechtskraft des zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils aus dem Jahr 2001 steht einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft,; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 m.w.N.). Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht befugt, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.). Die Behörde ist aber bei einer entscheidungserheblichen Änderung des für die Flüchtlingsanerkennung maßgeblichen Sachverhalts nicht gehindert, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, den sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil erlassen hat. Das ist im Asylrecht dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.).
39 
Die Rechtskraftwirkung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.). Allerdings entfalten fehlerhafte Urteile keine weitergehende Rechtskraftwirkung als fehlerfreie Urteile. Eine Lösung von der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das das Bundesamt zur Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling verpflichtet hat, ist vielmehr immer dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat, unabhängig davon, ob das zur Anerkennung verpflichtende Urteil richtig oder fehlerhaft war.
40 
Die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung entsprechen damit weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG gelten. Denn auch § 73 Abs. 1 AsylG setzt eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse voraus. Für den Widerruf einer Behördenentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 - 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80). Der Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht danach auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. Dies gilt erst recht für den Widerruf der auf einem Verpflichtungsurteil beruhenden Anerkennung, von deren Rechtmäßigkeit wegen der Rechtskraft des Urteils auch im Rahmen der Widerrufsprüfung auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.11.2011 - 10 C 29.10 - NVwZ 2012, 1042, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 8.11 - AuAS 2012, 153).
41 
Zwar kann ein reiner Zeitablauf für sich genommen keine Sachlagenänderung bewirken. Allerdings sind - so das Bundesverwaltungsgericht - „wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt“ (Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.), und können sich Widerrufsgründe nach der Auffassung des Senats durchaus auch aus Veränderungen in der Person des Flüchtlings ergeben (GK-AsylVfG, Stand August 2012, § 73 Rn. 23 und 28; vgl. auch OVG Saarland, Urteil v. 25.08.2011 - 3 A 34/10 -, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil v. 14.05.2013 - 14a K 1699/11.A - juris).
42 
Für den Widerruf der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung ist schließlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015 - 1 C 2.15 - InfAuslR 2015, 401) entschieden, dass der Widerrufsbescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen ist und das Gericht auch vom Kläger nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe sowie von der Behörde nicht angeführte Widerrufsgründe einzubeziehen hat (BVerwG, Urteil v. 31.01.2013 - 10 C 17.12 - BVerwGE 146, 31). Denn die Aufhebung eines solchen, nicht im Ermessen der Behörde stehenden, Verwaltungsaktes setzt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unter anderem seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er aus einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Liegt der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund nicht vor, so ist eine Klage erst dann begründet, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Dies entspricht der im Asylverfahren geltenden Konzentrations-und Beschleunigungsmaxime, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (s.a. BVerwG, Urteil v. 8.09.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319; Beschluss v. 10.10.2011 - 10 B 24.11 - juris).
43 
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich für den Kläger aus heutiger Sicht aufgrund der in Angola seit Mitte des Jahres 2002 eingetretenen veränderten Verhältnisse sowie aufgrund der seither verstrichenen Zeit von über 13 Jahren und des individuellen Vorbringens der Klägers nicht (mehr) mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dieser bei einer unterstellten nunmehrigen Rückkehr nach Angola von nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen werden wird, was letztlich auch die Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.03.2001 nach den o.g. Maßstäben rechtfertigt.
44 
Der insoweit anzustellenden Prognose ist zunächst die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2001 zu Grunde zu legen, wonach der in seiner Heimat nicht tatsächlich verfolgte und von politischer Verfolgung auch nicht unmittelbar bedroht gewesene Kläger seinerzeit in Deutschland als im Exil befindlicher Informationssekretär der UNITA aufgrund selbstgeschaffener Nachfluchtgründe in Angola zumindest mit seiner Inhaftierung zu rechnen hatte, was aufgrund der dortigen spezifischen Haftbedingungen zudem eine unmenschliche bzw. erniedrigende Maßnahme dargestellt hätte.
45 
Relevant ist vor diesem Hintergrund in erster Linie, ob sich die Verhältnisse in Angola seither derart nachhaltig und stabil geändert haben, dass seitens des angolanischen Staates entsprechende Maßnahmen „asylrelevanter Weise“ bei einer unterstellten jetzigen Rückkehr des Klägers nach Angola nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.03.2012, a.a.O.). Insbesondere ist daher von Bedeutung, ob es in Angola zu einer hinreichend erheblichen und dauerhaften Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2003/83/EG gekommen ist, weil sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben hat, so dass für den Kläger keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht, er insbesondere nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat, der dargestellten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
46 
Die Veränderung der Verhältnisse muss danach kausal für den Wegfall der beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung sein (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 04.08.2011 - A 2 S 1381/11- juris), wobei das Erfordernis der Veränderung der Verhältnisse in Widerrufsfällen gerade auch deshalb einer gesonderten Prüfung bedarf, um eine unzulässige Neubewertung der Gefährdungslage auf ein und derselben Tatsachengrundlage zu vermeiden.
47 
Nach der jüngeren Rechtsprechung (des 5. Senats) des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg stellt sich Situation in Angola nach dem schon im Jahr 2002 beendeten, insbesondere zwischen der MPLA und der UNITA geführten Bürgerkrieg so dar, dass angolanischen Staatsangehörigen im Falle einer Rückkehr nach Angola weder wegen Stellung eines Asylantrags und eines Auslandsaufenthalts noch wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo bzw. einer Nähe zur UNITA mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK widersprechende menschenrechtswidrige Behandlung droht. Auch wenn es immer noch zu von den staatlichen Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen komme, habe sich die Menschenrechtlage zwischenzeitlich deutlich verbessert (Urt. v. 25.02.2010 - A 5 S 640/09 - juris). In einem Verfahren, in welchem der dortige Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Angola Mitglied der UNITA gewesen ist und als tatsächlich verfolgt anzusehen war, hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs - noch ohne Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 02.03.2010 (a.a.O.) - das Folgende ausgeführt (Urteil v. 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - juris):
48 
„Dem Kläger zu 1 droht zwar aufgrund seiner früheren - unter den Beteiligten nicht streitigen - Tätigkeit für die UNITA und seiner späteren exilpolitischen Betätigung bei einer Rückkehr nach Angola ersichtlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (vgl. insbes. British Home Office, Operational Guidance Note v. 11. bzw. 29.07.2008, 3.8.8 „clearly unfounded“), doch ist er vor einer solchen - derzeit und auf absehbare Zeit - nicht hinreichend sicher. (…)
49 
Bei seiner Einschätzung geht der Senat (vgl. bereits Senatsurt. v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 -, InfAuslR 2009, 215f) aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen von folgender Situation in Angola aus:
50 
Nachdem der jahrzehntelange Bürgerkrieg zwischen der Rebellen-UNITA und der MPLA-Regierung im März 2002 sein Ende gefunden und die Verhandlungen zwischen den Bürgerkriegsparteien am 04.04.2002 zu einem Waffenstillstandsabkommen mit einer Wiederaufnahme der Umsetzung des Lusaka-Protokolls vom November 1994 geführt hatten, gibt es seitdem in fast allen Bereichen Fortschritte zu verzeichnen. Die UNITA wurde an der Regierung beteiligt und erhielt daneben auch führende Positionen in den Provinzen. Die Regierung hatte auch zugesagt, die Reorganisation der UNITA zur politischen Partei nicht zu behindern. Die beschlossene Demobilisierung der UNITA-Kämpfer konnte trotz Anlaufschwierigkeiten ohne nennenswerte Zwischenfälle durchgeführt und am 30.07.2002 abgeschlossen werden; die demobilisierten Kämpfer erhielten Hilfen zur Integration in das zivile Leben bzw. wurden zu einem kleinen Teil (ca. 5.000) bis Oktober 2004 in die angolanischen Streitkräfte FAA integriert. Auch das bereits am 02.04.2002 vom Parlament verabschiedete Amnestiegesetz, das Straffreiheit für alle UNITA-Kombattanten vorsieht, die sich innerhalb von 45 Tagen ergeben und ihre soziale Integration in die Gesellschaft akzeptiert haben, wurde umgesetzt. Diese Bestimmungen werden auch auf Personen angewandt, die erst jetzt aus dem Ausland zurückkehren. Ob davon auch lediglich politisch tätige Anhänger der UNITA profitieren konnten, ist allerdings nicht bekannt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002). Am 05.09.2008 haben nunmehr auch die seit 1992 ersten Parlamentswahlen stattgefunden, die zuletzt mehrfach vertagt worden waren. An diesen konnte sich auch die UNITA beteiligen, die sich inzwischen zu einer ihre verschiedenen Fraktionen wieder vereinigenden politischen Partei entwickelt hatte. Auch wenn sich politische Parteien seit 2002 grundsätz-lich betätigen können, kann von für alle Parteien gleichen Voraussetzungen nicht die Rede sein. Abgesehen davon, dass die staatlichen Medienanstalten zugunsten der MPLA eingesetzt wurden (vgl. FAS v. 08.09.2008 „Die bösen Jahre sind noch nicht vorbei“) und für die Oppositionsparteien außerhalb Luandas kein freier Zugang zu den elektronischen Medien bestand, wurde von staatlich finanzierten Wahlgeschenken (vgl. hierzu auch Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007) durch die MPLA und Einschüchterungen durch deren Sympathisanten gesprochen (vgl. British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006, S. 7; Refugee Documentation Centre (Ireland) vom 09.11.2009; FR v. 05.09.2008 „Das reichste arme Land der Welt wählt“). Die Wahl wurde von der Regierungspartei MPLA mit knapp 82 % der abgegebenen Stimmen gewonnen, während die UNITA nur etwas mehr als 10 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die Grundsätze der Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit der Gerichte, der Gewährleistung rechtlichen Gehörs und der Möglichkeit der Verteidigung sind zwar verfassungsrechtlich verankert, auch sind die bestehenden Gesetze an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichtet, jedoch laufen entsprechende Rechte aufgrund des materiell schlecht ausgestatteten, langsam arbeitenden und korruptionsanfälligen Justizsystems weitgehend leer. Der Justizweg ist insofern allenfalls eingeschränkt gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab-schieberelevante Lage in der Republik Angola v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; Africa Yearbook 2006, Angola, S. 410, 2007). Ermittlungsbehörden und Gerichte sind überlastet, unterbezahlt, ineffektiv und korruptionsanfällig. Straffreiheit für kriminelle Vergehen und Menschenrechtsverletzungen sind insofern keine Seltenheit (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006, S. 2; amnesty international, Jahresbericht Angola 2007).
51 
Staatliche Repressionsmaßnahmen, die systematisch gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer politischen Überzeugung eingesetzt werden, gibt es - insoweit ist dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht zu folgen - nicht mehr. Allerdings sind solche im Einzelfall weiterhin nicht auszuschließen, zumal der Schutz der Menschenrechte noch immer unzureichend ist und sowohl staatliche als auch nicht staatliche Akteure weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006; amnesty international, Report Angola 2008 und 2009, Jahresberichte Angola 2007; US Department of State, Human Rights Report vom 25.02.2009; Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009).
52 
Zwar müssen selbst ehemalige UNITA-Kämpfer in Angola grundsätzlich nicht mehr mit staatlichen Repressionen rechnen. So spielen hochrangige ehemalige UNITA-Militärführer inzwischen durchaus eine wichtige Rolle als Politiker bzw. sind in den angolanischen Streitkräften FAA weiterhin als solche tätig. Allerdings kam es Mitte Juli 2004 in vier Orten im Landesinnern zu Übergriffen der lokalen Bevölkerung auf ehemalige UNITA-Angehörige, die sich dort niederlassen wollten. Besonders schwer waren die Übergriffe in Cazombo in der Provinz Moxico, bei denen 80 Häuser zerstört worden sein sollen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Angola v. 05.11.2004 bzw. v. 18.04.2006), nachdem ein ehemaliger UNITA-General die Leitung des dortigen UNITA-Büros hatte übernehmen wollen. Zwar wurden entsprechende Übergriffe von Regierungsseite öffentlich kritisiert, doch gibt es verschiedene glaubhafte Berichte, wonach lokale MPLA-Vertreter in derartige Vorkommnisse involviert waren und die Polizei nicht zum Schutz der Opposition einschritt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007).
53 
Für UNITA-Angehörige, die sich in Angola für Dritte erkennbar politisch für die UNITA betätigen, besteht schließlich auch mehr als sieben Jahre nach Ende des Bürgerkriegs noch ein gewisses Risiko, erheblichen Repressionen seitens der Anhänger der Regierungspartei MPLA bzw. ihr zuzurechnenden Gruppierungen ausgesetzt zu sein. So beklagen die verschiedenen Oppositionsparteien – namentlich die UNITA – regelmäßig Akte „politischer Intoleranz“ hauptsächlich in den ländlichen Gebieten verschiedener Provinzen, wobei die Verantwortlichen regelmäßig nicht zur Rechenschaft gezogen würden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free an Fair Elections, 12.08.2008; UK Border Agency, Operational Guidance Note Angola vom 01.06.2009). An dem tief verwurzelten Klima der Intoleranz wird sich aufgrund der weiteren Marginalisierung der Zivilgesellschaft und zivilen Oppositionsparteien voraussichtlich auch in absehbarer Zeit nichts ändern, da insofern das bestehende autoritäre politische System und die politische Bipolarität zwischen den Bürgerkriegsparteien MPLA und UNITA unangetastet bleiben dürfte (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002).
54 
Bereits 2004 wurden von der UNITA zunehmend Fälle von Einschüchterung ihrer Funktionäre beklagt, die u. a. von Angehörigen einer MPLA-nahen Miliz ausgegangen sein sollen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 31.03.2005, S. 7; British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch wurde beklagt, dass zunehmend Erpressung und Druck ausgeübt werde, in die MPLA einzutreten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, S. 1; Africa Yearbook 2004, Angola, S. 388, 2005: Africa Yearbook 2005, S. 399, 2006). Wiederholt wurde 2003/2004 von Verfolgungen, Ein-schüchterungen und Gewalt gegen Funktionäre in verschiedenen Provinzen und Städten im Landesinneren berichtet (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch 2005 kam es zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Parteien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; British Home Office, Operational Guidance Note Angola,11. bzw. 29.07.2008). Im März 2005 sollen in der Stadt Mavinga eine Person gar getötet und 28 weitere Personen verletzt worden sein, als UNITA-Mitglieder ihre Parteiflagge zu hissen versuchten (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008; amnesty international, Jahresbericht Angola 2006). Die UNITA sprach von gezielter Aufhetzung der Bevölkerung durch die MPLA und die lokalen Behörden mit dem Ziel, die landesweite Errichtung oppositioneller Strukturen zu verhindern. Selbst Angolas Präsident dos Santos soll nach den Vorfällen Ende Februar und Mitte März die Besorgnis der UNITA als „legitim“ anerkannt haben (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 21.03.2005). 2006 berichteten UNITA und MPLA von wechselseitigen körperlichen Angriffen politischer bzw. militanter Aktivisten auf ihre Mitglieder (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Reports on Human Rights Practices - 2006 v. 06.03.2007, Section 3). Die UNITA sprach gar von 13 getöteten Parteimitgliedern (vgl. Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007). Auch 2007 berichteten die Oppositionsparteien von Belästigungen, Einschüchterungen und Körperverletzungen durch Anhänger der Regierungspartei (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Re-ports on Human Rights Practices - 2007 v. 11.03.2008, Section 3). Im März 2007 sollen Unbekannte (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola v. 11. bzw. 29.07.2008; U.S. Departement of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, a.a.O.), möglicherweise gar Polizisten (vgl. amnesty international, Report Angola 2008), in der Provinz Kwanza Norte während einer Sitzung im örtlichen Parteibüro auf den zu Besuch anwesenden Parteivorsitzenden der UNITA – Isaias Samakuva – geschossen haben, der dabei leicht verletzt wurde; über das Ergebnis der deswegen in Gang gesetzten Untersuchung ist - soweit ersichtlich - noch nichts bekannt. Mitglieder der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft berichteten auch 2007 von zunehmender „politischer Intoleranz“. Auch im unmittelbaren Vorfeld der für Herbst 2008 angesetzten Parlamentswahlen wurde von Fällen politischer Gewalt hauptsächlich in den ländlichen Gebieten berichtet. So seien am 02.03.2008 Mitglieder einer kommunalen UNITA-Delegation im Dorf Kafindua in der Provinz Benguela von einer Gruppe örtlicher MPLA-Aktivisten geschlagen worden, als sie ihre Parteiflagge hätten hissen wollen. Die Polizei habe die Angreifer zwar verhört, jedoch wieder laufen lassen; diese hätten anschließend erklärt, „die Polizei gehöre ihnen“. Traditionelle Autoritäten seien zunehmend dem Druck der MPLA ausgesetzt, Aktivitäten der UNITA in den verschiedenen Dörfern zu verhindern. Am 30.05.2008 habe eine Gruppe von MPLA-Anhängern den traditionellen Führer im Dorf Bongue Kandala in der Provinz Benguela sowie fünf UNITA-Mitglieder zusammengeschlagen, weil jener zuvor erlaubt hätte, die Parteifahne hochzuhalten (vgl. Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free and Fair Elections, 12.08.2008). Am 13.08.2008 sollen UNITA-Mitglieder während einer öffentlichen Versammlung in Kipeio in der Provinz Huambo von einer Gruppe mit Stöcken und Steinen angegriffen worden sein; eine Frau musste im Krankenhaus behandelt werden, die anderen erlitten weniger ernste Verletzungen. Die Polizei sei zwar eingeschritten, die Angreifer seien jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen worden. In der Provinz Benguela sollen UNITA-Mitglieder am 23.08.2008 gesteinigt worden sein. In Chico da Waiti sei eine 40-köpfige Delegation von UNITA-Mitglieder mit Steinen beworfen worden, wobei 8 Personen verletzt worden seien. Die Polizei habe die Delegation eskortiert, jedoch niemanden verhaftet. Der zuständige Gemeindeverwaltungsbeamte habe später erklärt, dass er lediglich die Sicherheit der Wahlbeobachter der UNITA, nicht aber für deren Wahlkampagne garantiere (vgl. Human Rights Watch, Angola: Irregula-rities Marred Historic Elections, 14.09.2008).
55 
Für 2009 sind den bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnismitteln zwar keine entsprechenden Vorkommnisse im Zusammenhang mit der UNITA zu entnehmen, lediglich in Zusammenhang mit dem Vorgehen des Militärs gegen bewaffnete Rebellen der Liberation Front of the Enclave Cabinda (FLEC) in der Provinz Cabinda soll es in 2009 zu willkürlichen Verhaftungen gekommen sein (Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009). Es ist aber noch völlig offen, ob sich diese positive Entwicklung in der Zukunft verstetigt. Derzeit und auf absehbare Zeit kann deshalb nach wie vor nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Angola vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher wäre.“
56 
Dem Kläger des zu entscheidenden Berufungsverfahrens, der im Gegensatz zu dem Kläger zu 1 jenes Verfahrens vor seiner Ausreise keine Verfolgung erlitten hat und der von einer solchen auch nicht unmittelbar bedroht gewesen ist, droht danach im Falle einer Rückkehr nach Angola politische Verfolgung jedenfalls nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil v. 03.12.2009 - A 5 S 122/08 - juris, Urteil v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 - InfAuslR 2009, 215, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1729/97 - juris, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1730/97 - juris).
57 
Diese Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der in das Berufungsverfahren eingeführten neueren Erkenntnisquellen für den gegenwärtigen Zeitpunkt aufrecht zu erhalten.
58 
So hat sich die Situation in Angola in den vergangenen Jahren weiter verstetigt, ohne dass es dabei zu besonderen Veränderungen mit einer Tendenz zum Besseren oder zum Schlechteren gekommen wäre. Von besonderer Bedeutung auch für den politischen Prozess der Aussöhnung zwischen den früheren Bürgerkriegsparteien waren die am 31.08.2012 abgehaltenen Parlamentswahlen, bei welchen die regierende MPLA zu Gunsten der Oppositionsparteien Stimmenverluste hinnehmen musste. Die UNITA als größte Oppositionspartei vermochte ihren Stimmenanteil auf 18,66 % auszubauen, obwohl sich von ihr zuvor die neue Oppositionspartei CASA-CE abgespalten hatte, die ihrerseits 6 % der Stimmen errang. Alle am Bürgerkrieg beteiligten Parteien unterstützen die Wiederaufbauphase, in der sich das Land nach wie vor befindet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.09.2009 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden).
59 
Hingegen ist die MPLA die führende und die Geschicke des Landes vorherrschend bestimmende Organisation geblieben, die letztlich alle anderen Parteien im Fokus hat und alle führenden Persönlichkeiten überwacht (Deutsche Botschaft Luanda, Auskunft vom 15.09.2011 an das Verwaltungsgericht Minden). In dieser Situation kommt es in Angola immer noch zu Menschenrechtsverletzungen seitens der Polizei, etwa durch den exzessiven Einsatz von Gewalt und staatlichem Mord. Nur wenige Beamte mussten sich hierfür bislang strafrechtlich verantworten. Es wurde über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen durch die Polizei berichtet, die ihre Funktionen zudem parteiisch ausübt, vor allem während einiger gegen die Regierung gerichteter Demonstrationen. Bei der Auflösung von Demonstrationen wurde zum Teil mit exzessiver Gewalt vorgegangen (Amnesty international, Report Angola 2010 und 2012).
60 
Insbesondere im Vorfeld der Wahlen von 2012 gab es Berichte über sporadische politisch motivierte Gewalttaten von Mitgliedern der MPLA, die sich gegen die UNITA und das Bündnis CASA-CE richteten. Den Berichten zufolge war aber auch die UNITA für vereinzelte gewaltsame Handlungen gegen die MPLA verantwortlich, die politisch motiviert waren (Amnesty international, Report Angola 2013).
61 
Am 23.11.2013 wurden in Luanda bei einer vom Innenministerium verbotenen Demonstration, zu der die UNITA aufgerufen hatte, 292 Personen festgenommen. Die Demonstration sollte an das ungeklärte Schicksal zweier Aktivisten erinnern, nachdem Informationen bekannt geworden waren, wonach die beiden im Mai 2012 durch staatliche Kräfte entführt, gefoltert und getötet worden sein sollen (BaMF-Briefing Notes vom 25.11.2013).
62 
Auch für das Jahr 2014 berichtet Amnesty International nach wie vor über - allerdings ausdrücklich nur sporadische - politisch motivierte Gewalttaten zwischen Mitgliedern der regierenden MPLA und solchen der UNITA. Friedliche Demonstrationen wurden mitunter von Polizei und Sicherheitskräften unter Anwendung von Gewalt unterbunden (Amnesty international, Report Angola 2015).
63 
Am 09.03.2014 störten Mitglieder der MPLA in der Provinz Kwanza Sul eine Gedenkveranstaltung der UNITA zu deren 48-jährigem Bestehen, wobei drei Provinzführer der UNITA während einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen einzelnen Unterstützern der beiden Parteien getötet worden sein sollen. Öffentlich zugängliche Informationen über irgendwelche Verhaftungen oder Untersuchungen durch die Polizei wegen dieser Angelegenheit seien nicht erhältlich gewesen. Die Regierung unternahm gleichwohl generell einige Schritte zur Verfolgung und Bestrafung des Missbrauchs durch Beamte, welche indes nur schwer nachvollzogen werden können (US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2014).
64 
Auch auf der Basis der dem Senat im Übrigen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen muss festgestellt werden, dass in Angola das geltende Verfassungsrecht und die gegebene Verfassungswirklichkeit nicht immer übereinstimmen, was sich vor allem in der Machtausübung der Sicherheitskräfte, der weitreichenden Korruption und einer Behinderung der Arbeit von Journalisten zeigt. Gelegentlich wird dieses Bild auch durch einzelne mitunter gewaltsame Machtdemonstrationen Angehöriger der MPLA gegenüber Anhängern der Oppositionsparteien bestätigt, ohne dass jedoch angenommen werden müsste, dass die Betätigung der Oppositionsparteien in Angola generell gefährlich ist bzw. eine solche gar staatlicherseits unterbunden wird (vgl. US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2011 und 2012; Refugee Documentation Centre Ireland v. 22.10.2009; UK Border Agency v. 01.09.2010; Freedom House Länderberichte 2010, 2011 und 2012).
65 
Zutreffend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in diesem Zusammenhang auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.09.2015 zu Angola (2015/2839(RSP)) hingewiesen, welche vor dem Hintergrund insbesondere der Festnahme des angolanischen Menschenrechtsaktivisten José Marcos Mavungo am 14.03.2015 die angolanische Regierung u.a. dazu auffordert, Fällen von willkürlicher Verhaftung, rechtswidriger Inhaftierung und Folter durch Polizei- und Sicherheitskräfte unverzüglich ein Ende zu setzen.
66 
Zusammenfassend lässt sich für den Senat festhalten, dass seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers und weitere 6 Jahre nach dem zitierten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - sich die Verhältnisse in Angola derart verstetigt haben, dass der Kläger nunmehr dort jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten hat.
67 
Diese Einschätzung beruht überdies auf der individuellen Situation des Klägers, der bereits seit Längerem nicht mehr als exilpolitischer Aktivist für die Sache der UNITA angesehen werden kann. So hat er im Rahmen des Widerrufsverfahrens nicht mehr von einer ins Gewicht fallenden Fortsetzung seiner Betätigung für die UNITA für die Zeit nach seiner Flüchtlingsanerkennung berichtet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er gar eingeräumt, seit einem ihm gegenüber ausgesprochenen Verbot der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 nur noch „auf kleiner Flamme“ politisch tätig zu sein. Insoweit gebe es nichts weiter zu berichten. Der Kläger vermittelte dem Senat auch keineswegs den Eindruck, er werde nach einer Rückkehr nach Angola seine Aktivitäten für die UNITA wieder aufnehmen, weil er sich etwa hierzu aufgrund einer tiefen inneren Überzeugung verpflichtet fühle. Die damit anzunehmende zwischenzeitliche Veränderung auch in der Person des Klägers (vgl. dazu allgemein bereits oben) verdeutlichen dem Senat, dass dieser im Fall seiner nunmehrigen Rückkehr nach Angola auch nicht von einer im Jahr 2015 möglicherweise wieder etwas verschärfteren Situation für Regimegegner betroffen wäre.
68 
Anhaltspunkte für das Vorliegen von dem Kläger nicht geltend gemachter Anfechtungsgründe (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015, a.a.O.) lassen sich für den Senat im Übrigen nicht erkennen.
69 
Dass der Kläger schließlich - wie dies sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - aufgrund des verhängten Verbots der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 einem Flüchtling, dem die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu Gute kommt, gleichzustellen sei, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
70 
d) Der Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat schließlich auch nicht aufgrund der Bestimmung des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG auszuscheiden. Denn der Kläger kann sich ersichtlich nicht auf zwingende auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen, um eine Rückkehr nach Angola abzulehnen.
71 
2. Aus dem Vorgenannten ergibt sich zugleich, dass der von dem Kläger angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 auch hinsichtlich seiner Nr. 2, wonach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der Person des Klägers nicht vorliegen, rechtmäßig ist.
72 
Es kommt daher für die Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht darauf an, ob der von ihm gewählte isolierte Antrag auf Aufhebung der diesbezüglichen Entscheidung des Bundesamtes überhaupt sachdienlich ist.
73 
Gem. § 60 Abs. 1 AufenthG i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722, darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (vgl. im Übrigen §§ 3 bis 3e AsylG).
74 
Eine nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 AufenthG im Falle einer Rückkehr drohende Gefährdung kommt ausgehend von dem Vorbringen des Klägers ebenfalls nur mit Blick auf die Befürchtung von Repressionen im Zusammenhang mit seinem geltend gemachten exilpolitischen Verhalten in Betracht. Wie bereits ausgeführt, kann insoweit jedoch für den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden, was in erster Linie darin begründet ist, dass der Kläger bereits seit Längerem so gut wie gar nicht mehr exilpolitisch tätig ist und er auch für den Fall seiner Rückkehr nach Angola in keiner Weise bekundet hat, sich dort zukünftig aktiv für die UNITA politisch betätigen zu wollen.
75 
Die Berufung des Klägers ist nach allem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
76 
Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.
77 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

 
27 
Die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2008 - A 5 S 1130/06 - zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung (vgl. § 124a Abs. 6 VwGO) des Klägers ist nicht begründet.
28 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989.223) - nur hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers - zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger kann nicht die Aufhebung des Widerrufs der mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 15.05.2001 getroffenen Feststellung verlangen, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorliegen (vgl. nachfolgend unter 1.). Ihm kommt auch kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. §§ 3 bis 3e AsylG (jeweils i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722) zu (vgl. unter 2.).
29 
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 ist in seiner Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG für den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegeben.
30 
a) Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. gegeben sind, hatte bei Entscheidungen über Asylanträge, die vor dem 01.01.2005 unanfechtbar geworden sind, spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen (§ 73 Abs. 2a, Abs. 7 AsylVfG a.F.), was vorliegend mit der Entscheidung des Bundesamtes vom 10.02.2005 beachtet worden ist.
31 
b) Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist in materieller Hinsicht § 73 AsylG in der Fassung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722. Nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
32 
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. Nr. L 304 S. 12; berichtigt ABl. 2005 Nr. L 204 S. 24; nunmehr: Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mir Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 S. 9) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG sind daher unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren.
33 
Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.
34 
Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 02.03.2010 (Rs. C-​175/08 u.a., Abdulla u.a. -, NVwZ 2010, 505) weiter konkretisiert. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt danach voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 72 ff.; zur Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit vgl. auch BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O., m.w.N.).
35 
Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der früheren, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht mehr festgehalten werden. Der Richtlinie 2004/83/EG ist ein solches materiellrechtliches Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose fremd. Sie verfolgt vielmehr unter Zugrundelegung eines einheitlichen Prognosemaßstabs für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 und der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Demzufolge gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich auch das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 84 ff., 98 f.; BVerwG, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 7.11- Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 43).
36 
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Unzumutbar kann aber eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn auch nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162).
37 
Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d. h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Eine Veränderung kann in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (BVerwG, Urteil v. 24.02.2011 - 10 C 3.11 - BVerwGE 139, 109). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991, a.a.O.), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.).
38 
Die Rechtskraft des zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils aus dem Jahr 2001 steht einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft,; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 m.w.N.). Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht befugt, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.). Die Behörde ist aber bei einer entscheidungserheblichen Änderung des für die Flüchtlingsanerkennung maßgeblichen Sachverhalts nicht gehindert, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, den sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil erlassen hat. Das ist im Asylrecht dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.).
39 
Die Rechtskraftwirkung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.). Allerdings entfalten fehlerhafte Urteile keine weitergehende Rechtskraftwirkung als fehlerfreie Urteile. Eine Lösung von der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das das Bundesamt zur Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling verpflichtet hat, ist vielmehr immer dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat, unabhängig davon, ob das zur Anerkennung verpflichtende Urteil richtig oder fehlerhaft war.
40 
Die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung entsprechen damit weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG gelten. Denn auch § 73 Abs. 1 AsylG setzt eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse voraus. Für den Widerruf einer Behördenentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 - 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80). Der Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht danach auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. Dies gilt erst recht für den Widerruf der auf einem Verpflichtungsurteil beruhenden Anerkennung, von deren Rechtmäßigkeit wegen der Rechtskraft des Urteils auch im Rahmen der Widerrufsprüfung auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.11.2011 - 10 C 29.10 - NVwZ 2012, 1042, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 8.11 - AuAS 2012, 153).
41 
Zwar kann ein reiner Zeitablauf für sich genommen keine Sachlagenänderung bewirken. Allerdings sind - so das Bundesverwaltungsgericht - „wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt“ (Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.), und können sich Widerrufsgründe nach der Auffassung des Senats durchaus auch aus Veränderungen in der Person des Flüchtlings ergeben (GK-AsylVfG, Stand August 2012, § 73 Rn. 23 und 28; vgl. auch OVG Saarland, Urteil v. 25.08.2011 - 3 A 34/10 -, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil v. 14.05.2013 - 14a K 1699/11.A - juris).
42 
Für den Widerruf der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung ist schließlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015 - 1 C 2.15 - InfAuslR 2015, 401) entschieden, dass der Widerrufsbescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen ist und das Gericht auch vom Kläger nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe sowie von der Behörde nicht angeführte Widerrufsgründe einzubeziehen hat (BVerwG, Urteil v. 31.01.2013 - 10 C 17.12 - BVerwGE 146, 31). Denn die Aufhebung eines solchen, nicht im Ermessen der Behörde stehenden, Verwaltungsaktes setzt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unter anderem seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er aus einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Liegt der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund nicht vor, so ist eine Klage erst dann begründet, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Dies entspricht der im Asylverfahren geltenden Konzentrations-und Beschleunigungsmaxime, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (s.a. BVerwG, Urteil v. 8.09.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319; Beschluss v. 10.10.2011 - 10 B 24.11 - juris).
43 
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich für den Kläger aus heutiger Sicht aufgrund der in Angola seit Mitte des Jahres 2002 eingetretenen veränderten Verhältnisse sowie aufgrund der seither verstrichenen Zeit von über 13 Jahren und des individuellen Vorbringens der Klägers nicht (mehr) mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dieser bei einer unterstellten nunmehrigen Rückkehr nach Angola von nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen werden wird, was letztlich auch die Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.03.2001 nach den o.g. Maßstäben rechtfertigt.
44 
Der insoweit anzustellenden Prognose ist zunächst die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2001 zu Grunde zu legen, wonach der in seiner Heimat nicht tatsächlich verfolgte und von politischer Verfolgung auch nicht unmittelbar bedroht gewesene Kläger seinerzeit in Deutschland als im Exil befindlicher Informationssekretär der UNITA aufgrund selbstgeschaffener Nachfluchtgründe in Angola zumindest mit seiner Inhaftierung zu rechnen hatte, was aufgrund der dortigen spezifischen Haftbedingungen zudem eine unmenschliche bzw. erniedrigende Maßnahme dargestellt hätte.
45 
Relevant ist vor diesem Hintergrund in erster Linie, ob sich die Verhältnisse in Angola seither derart nachhaltig und stabil geändert haben, dass seitens des angolanischen Staates entsprechende Maßnahmen „asylrelevanter Weise“ bei einer unterstellten jetzigen Rückkehr des Klägers nach Angola nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.03.2012, a.a.O.). Insbesondere ist daher von Bedeutung, ob es in Angola zu einer hinreichend erheblichen und dauerhaften Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2003/83/EG gekommen ist, weil sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben hat, so dass für den Kläger keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht, er insbesondere nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat, der dargestellten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
46 
Die Veränderung der Verhältnisse muss danach kausal für den Wegfall der beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung sein (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 04.08.2011 - A 2 S 1381/11- juris), wobei das Erfordernis der Veränderung der Verhältnisse in Widerrufsfällen gerade auch deshalb einer gesonderten Prüfung bedarf, um eine unzulässige Neubewertung der Gefährdungslage auf ein und derselben Tatsachengrundlage zu vermeiden.
47 
Nach der jüngeren Rechtsprechung (des 5. Senats) des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg stellt sich Situation in Angola nach dem schon im Jahr 2002 beendeten, insbesondere zwischen der MPLA und der UNITA geführten Bürgerkrieg so dar, dass angolanischen Staatsangehörigen im Falle einer Rückkehr nach Angola weder wegen Stellung eines Asylantrags und eines Auslandsaufenthalts noch wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo bzw. einer Nähe zur UNITA mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK widersprechende menschenrechtswidrige Behandlung droht. Auch wenn es immer noch zu von den staatlichen Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen komme, habe sich die Menschenrechtlage zwischenzeitlich deutlich verbessert (Urt. v. 25.02.2010 - A 5 S 640/09 - juris). In einem Verfahren, in welchem der dortige Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Angola Mitglied der UNITA gewesen ist und als tatsächlich verfolgt anzusehen war, hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs - noch ohne Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 02.03.2010 (a.a.O.) - das Folgende ausgeführt (Urteil v. 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - juris):
48 
„Dem Kläger zu 1 droht zwar aufgrund seiner früheren - unter den Beteiligten nicht streitigen - Tätigkeit für die UNITA und seiner späteren exilpolitischen Betätigung bei einer Rückkehr nach Angola ersichtlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (vgl. insbes. British Home Office, Operational Guidance Note v. 11. bzw. 29.07.2008, 3.8.8 „clearly unfounded“), doch ist er vor einer solchen - derzeit und auf absehbare Zeit - nicht hinreichend sicher. (…)
49 
Bei seiner Einschätzung geht der Senat (vgl. bereits Senatsurt. v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 -, InfAuslR 2009, 215f) aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen von folgender Situation in Angola aus:
50 
Nachdem der jahrzehntelange Bürgerkrieg zwischen der Rebellen-UNITA und der MPLA-Regierung im März 2002 sein Ende gefunden und die Verhandlungen zwischen den Bürgerkriegsparteien am 04.04.2002 zu einem Waffenstillstandsabkommen mit einer Wiederaufnahme der Umsetzung des Lusaka-Protokolls vom November 1994 geführt hatten, gibt es seitdem in fast allen Bereichen Fortschritte zu verzeichnen. Die UNITA wurde an der Regierung beteiligt und erhielt daneben auch führende Positionen in den Provinzen. Die Regierung hatte auch zugesagt, die Reorganisation der UNITA zur politischen Partei nicht zu behindern. Die beschlossene Demobilisierung der UNITA-Kämpfer konnte trotz Anlaufschwierigkeiten ohne nennenswerte Zwischenfälle durchgeführt und am 30.07.2002 abgeschlossen werden; die demobilisierten Kämpfer erhielten Hilfen zur Integration in das zivile Leben bzw. wurden zu einem kleinen Teil (ca. 5.000) bis Oktober 2004 in die angolanischen Streitkräfte FAA integriert. Auch das bereits am 02.04.2002 vom Parlament verabschiedete Amnestiegesetz, das Straffreiheit für alle UNITA-Kombattanten vorsieht, die sich innerhalb von 45 Tagen ergeben und ihre soziale Integration in die Gesellschaft akzeptiert haben, wurde umgesetzt. Diese Bestimmungen werden auch auf Personen angewandt, die erst jetzt aus dem Ausland zurückkehren. Ob davon auch lediglich politisch tätige Anhänger der UNITA profitieren konnten, ist allerdings nicht bekannt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002). Am 05.09.2008 haben nunmehr auch die seit 1992 ersten Parlamentswahlen stattgefunden, die zuletzt mehrfach vertagt worden waren. An diesen konnte sich auch die UNITA beteiligen, die sich inzwischen zu einer ihre verschiedenen Fraktionen wieder vereinigenden politischen Partei entwickelt hatte. Auch wenn sich politische Parteien seit 2002 grundsätz-lich betätigen können, kann von für alle Parteien gleichen Voraussetzungen nicht die Rede sein. Abgesehen davon, dass die staatlichen Medienanstalten zugunsten der MPLA eingesetzt wurden (vgl. FAS v. 08.09.2008 „Die bösen Jahre sind noch nicht vorbei“) und für die Oppositionsparteien außerhalb Luandas kein freier Zugang zu den elektronischen Medien bestand, wurde von staatlich finanzierten Wahlgeschenken (vgl. hierzu auch Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007) durch die MPLA und Einschüchterungen durch deren Sympathisanten gesprochen (vgl. British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006, S. 7; Refugee Documentation Centre (Ireland) vom 09.11.2009; FR v. 05.09.2008 „Das reichste arme Land der Welt wählt“). Die Wahl wurde von der Regierungspartei MPLA mit knapp 82 % der abgegebenen Stimmen gewonnen, während die UNITA nur etwas mehr als 10 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die Grundsätze der Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit der Gerichte, der Gewährleistung rechtlichen Gehörs und der Möglichkeit der Verteidigung sind zwar verfassungsrechtlich verankert, auch sind die bestehenden Gesetze an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichtet, jedoch laufen entsprechende Rechte aufgrund des materiell schlecht ausgestatteten, langsam arbeitenden und korruptionsanfälligen Justizsystems weitgehend leer. Der Justizweg ist insofern allenfalls eingeschränkt gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab-schieberelevante Lage in der Republik Angola v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; Africa Yearbook 2006, Angola, S. 410, 2007). Ermittlungsbehörden und Gerichte sind überlastet, unterbezahlt, ineffektiv und korruptionsanfällig. Straffreiheit für kriminelle Vergehen und Menschenrechtsverletzungen sind insofern keine Seltenheit (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006, S. 2; amnesty international, Jahresbericht Angola 2007).
51 
Staatliche Repressionsmaßnahmen, die systematisch gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer politischen Überzeugung eingesetzt werden, gibt es - insoweit ist dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht zu folgen - nicht mehr. Allerdings sind solche im Einzelfall weiterhin nicht auszuschließen, zumal der Schutz der Menschenrechte noch immer unzureichend ist und sowohl staatliche als auch nicht staatliche Akteure weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006; amnesty international, Report Angola 2008 und 2009, Jahresberichte Angola 2007; US Department of State, Human Rights Report vom 25.02.2009; Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009).
52 
Zwar müssen selbst ehemalige UNITA-Kämpfer in Angola grundsätzlich nicht mehr mit staatlichen Repressionen rechnen. So spielen hochrangige ehemalige UNITA-Militärführer inzwischen durchaus eine wichtige Rolle als Politiker bzw. sind in den angolanischen Streitkräften FAA weiterhin als solche tätig. Allerdings kam es Mitte Juli 2004 in vier Orten im Landesinnern zu Übergriffen der lokalen Bevölkerung auf ehemalige UNITA-Angehörige, die sich dort niederlassen wollten. Besonders schwer waren die Übergriffe in Cazombo in der Provinz Moxico, bei denen 80 Häuser zerstört worden sein sollen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Angola v. 05.11.2004 bzw. v. 18.04.2006), nachdem ein ehemaliger UNITA-General die Leitung des dortigen UNITA-Büros hatte übernehmen wollen. Zwar wurden entsprechende Übergriffe von Regierungsseite öffentlich kritisiert, doch gibt es verschiedene glaubhafte Berichte, wonach lokale MPLA-Vertreter in derartige Vorkommnisse involviert waren und die Polizei nicht zum Schutz der Opposition einschritt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007).
53 
Für UNITA-Angehörige, die sich in Angola für Dritte erkennbar politisch für die UNITA betätigen, besteht schließlich auch mehr als sieben Jahre nach Ende des Bürgerkriegs noch ein gewisses Risiko, erheblichen Repressionen seitens der Anhänger der Regierungspartei MPLA bzw. ihr zuzurechnenden Gruppierungen ausgesetzt zu sein. So beklagen die verschiedenen Oppositionsparteien – namentlich die UNITA – regelmäßig Akte „politischer Intoleranz“ hauptsächlich in den ländlichen Gebieten verschiedener Provinzen, wobei die Verantwortlichen regelmäßig nicht zur Rechenschaft gezogen würden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free an Fair Elections, 12.08.2008; UK Border Agency, Operational Guidance Note Angola vom 01.06.2009). An dem tief verwurzelten Klima der Intoleranz wird sich aufgrund der weiteren Marginalisierung der Zivilgesellschaft und zivilen Oppositionsparteien voraussichtlich auch in absehbarer Zeit nichts ändern, da insofern das bestehende autoritäre politische System und die politische Bipolarität zwischen den Bürgerkriegsparteien MPLA und UNITA unangetastet bleiben dürfte (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002).
54 
Bereits 2004 wurden von der UNITA zunehmend Fälle von Einschüchterung ihrer Funktionäre beklagt, die u. a. von Angehörigen einer MPLA-nahen Miliz ausgegangen sein sollen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 31.03.2005, S. 7; British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch wurde beklagt, dass zunehmend Erpressung und Druck ausgeübt werde, in die MPLA einzutreten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, S. 1; Africa Yearbook 2004, Angola, S. 388, 2005: Africa Yearbook 2005, S. 399, 2006). Wiederholt wurde 2003/2004 von Verfolgungen, Ein-schüchterungen und Gewalt gegen Funktionäre in verschiedenen Provinzen und Städten im Landesinneren berichtet (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch 2005 kam es zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Parteien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; British Home Office, Operational Guidance Note Angola,11. bzw. 29.07.2008). Im März 2005 sollen in der Stadt Mavinga eine Person gar getötet und 28 weitere Personen verletzt worden sein, als UNITA-Mitglieder ihre Parteiflagge zu hissen versuchten (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008; amnesty international, Jahresbericht Angola 2006). Die UNITA sprach von gezielter Aufhetzung der Bevölkerung durch die MPLA und die lokalen Behörden mit dem Ziel, die landesweite Errichtung oppositioneller Strukturen zu verhindern. Selbst Angolas Präsident dos Santos soll nach den Vorfällen Ende Februar und Mitte März die Besorgnis der UNITA als „legitim“ anerkannt haben (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 21.03.2005). 2006 berichteten UNITA und MPLA von wechselseitigen körperlichen Angriffen politischer bzw. militanter Aktivisten auf ihre Mitglieder (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Reports on Human Rights Practices - 2006 v. 06.03.2007, Section 3). Die UNITA sprach gar von 13 getöteten Parteimitgliedern (vgl. Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007). Auch 2007 berichteten die Oppositionsparteien von Belästigungen, Einschüchterungen und Körperverletzungen durch Anhänger der Regierungspartei (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Re-ports on Human Rights Practices - 2007 v. 11.03.2008, Section 3). Im März 2007 sollen Unbekannte (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola v. 11. bzw. 29.07.2008; U.S. Departement of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, a.a.O.), möglicherweise gar Polizisten (vgl. amnesty international, Report Angola 2008), in der Provinz Kwanza Norte während einer Sitzung im örtlichen Parteibüro auf den zu Besuch anwesenden Parteivorsitzenden der UNITA – Isaias Samakuva – geschossen haben, der dabei leicht verletzt wurde; über das Ergebnis der deswegen in Gang gesetzten Untersuchung ist - soweit ersichtlich - noch nichts bekannt. Mitglieder der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft berichteten auch 2007 von zunehmender „politischer Intoleranz“. Auch im unmittelbaren Vorfeld der für Herbst 2008 angesetzten Parlamentswahlen wurde von Fällen politischer Gewalt hauptsächlich in den ländlichen Gebieten berichtet. So seien am 02.03.2008 Mitglieder einer kommunalen UNITA-Delegation im Dorf Kafindua in der Provinz Benguela von einer Gruppe örtlicher MPLA-Aktivisten geschlagen worden, als sie ihre Parteiflagge hätten hissen wollen. Die Polizei habe die Angreifer zwar verhört, jedoch wieder laufen lassen; diese hätten anschließend erklärt, „die Polizei gehöre ihnen“. Traditionelle Autoritäten seien zunehmend dem Druck der MPLA ausgesetzt, Aktivitäten der UNITA in den verschiedenen Dörfern zu verhindern. Am 30.05.2008 habe eine Gruppe von MPLA-Anhängern den traditionellen Führer im Dorf Bongue Kandala in der Provinz Benguela sowie fünf UNITA-Mitglieder zusammengeschlagen, weil jener zuvor erlaubt hätte, die Parteifahne hochzuhalten (vgl. Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free and Fair Elections, 12.08.2008). Am 13.08.2008 sollen UNITA-Mitglieder während einer öffentlichen Versammlung in Kipeio in der Provinz Huambo von einer Gruppe mit Stöcken und Steinen angegriffen worden sein; eine Frau musste im Krankenhaus behandelt werden, die anderen erlitten weniger ernste Verletzungen. Die Polizei sei zwar eingeschritten, die Angreifer seien jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen worden. In der Provinz Benguela sollen UNITA-Mitglieder am 23.08.2008 gesteinigt worden sein. In Chico da Waiti sei eine 40-köpfige Delegation von UNITA-Mitglieder mit Steinen beworfen worden, wobei 8 Personen verletzt worden seien. Die Polizei habe die Delegation eskortiert, jedoch niemanden verhaftet. Der zuständige Gemeindeverwaltungsbeamte habe später erklärt, dass er lediglich die Sicherheit der Wahlbeobachter der UNITA, nicht aber für deren Wahlkampagne garantiere (vgl. Human Rights Watch, Angola: Irregula-rities Marred Historic Elections, 14.09.2008).
55 
Für 2009 sind den bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnismitteln zwar keine entsprechenden Vorkommnisse im Zusammenhang mit der UNITA zu entnehmen, lediglich in Zusammenhang mit dem Vorgehen des Militärs gegen bewaffnete Rebellen der Liberation Front of the Enclave Cabinda (FLEC) in der Provinz Cabinda soll es in 2009 zu willkürlichen Verhaftungen gekommen sein (Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009). Es ist aber noch völlig offen, ob sich diese positive Entwicklung in der Zukunft verstetigt. Derzeit und auf absehbare Zeit kann deshalb nach wie vor nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Angola vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher wäre.“
56 
Dem Kläger des zu entscheidenden Berufungsverfahrens, der im Gegensatz zu dem Kläger zu 1 jenes Verfahrens vor seiner Ausreise keine Verfolgung erlitten hat und der von einer solchen auch nicht unmittelbar bedroht gewesen ist, droht danach im Falle einer Rückkehr nach Angola politische Verfolgung jedenfalls nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil v. 03.12.2009 - A 5 S 122/08 - juris, Urteil v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 - InfAuslR 2009, 215, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1729/97 - juris, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1730/97 - juris).
57 
Diese Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der in das Berufungsverfahren eingeführten neueren Erkenntnisquellen für den gegenwärtigen Zeitpunkt aufrecht zu erhalten.
58 
So hat sich die Situation in Angola in den vergangenen Jahren weiter verstetigt, ohne dass es dabei zu besonderen Veränderungen mit einer Tendenz zum Besseren oder zum Schlechteren gekommen wäre. Von besonderer Bedeutung auch für den politischen Prozess der Aussöhnung zwischen den früheren Bürgerkriegsparteien waren die am 31.08.2012 abgehaltenen Parlamentswahlen, bei welchen die regierende MPLA zu Gunsten der Oppositionsparteien Stimmenverluste hinnehmen musste. Die UNITA als größte Oppositionspartei vermochte ihren Stimmenanteil auf 18,66 % auszubauen, obwohl sich von ihr zuvor die neue Oppositionspartei CASA-CE abgespalten hatte, die ihrerseits 6 % der Stimmen errang. Alle am Bürgerkrieg beteiligten Parteien unterstützen die Wiederaufbauphase, in der sich das Land nach wie vor befindet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.09.2009 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden).
59 
Hingegen ist die MPLA die führende und die Geschicke des Landes vorherrschend bestimmende Organisation geblieben, die letztlich alle anderen Parteien im Fokus hat und alle führenden Persönlichkeiten überwacht (Deutsche Botschaft Luanda, Auskunft vom 15.09.2011 an das Verwaltungsgericht Minden). In dieser Situation kommt es in Angola immer noch zu Menschenrechtsverletzungen seitens der Polizei, etwa durch den exzessiven Einsatz von Gewalt und staatlichem Mord. Nur wenige Beamte mussten sich hierfür bislang strafrechtlich verantworten. Es wurde über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen durch die Polizei berichtet, die ihre Funktionen zudem parteiisch ausübt, vor allem während einiger gegen die Regierung gerichteter Demonstrationen. Bei der Auflösung von Demonstrationen wurde zum Teil mit exzessiver Gewalt vorgegangen (Amnesty international, Report Angola 2010 und 2012).
60 
Insbesondere im Vorfeld der Wahlen von 2012 gab es Berichte über sporadische politisch motivierte Gewalttaten von Mitgliedern der MPLA, die sich gegen die UNITA und das Bündnis CASA-CE richteten. Den Berichten zufolge war aber auch die UNITA für vereinzelte gewaltsame Handlungen gegen die MPLA verantwortlich, die politisch motiviert waren (Amnesty international, Report Angola 2013).
61 
Am 23.11.2013 wurden in Luanda bei einer vom Innenministerium verbotenen Demonstration, zu der die UNITA aufgerufen hatte, 292 Personen festgenommen. Die Demonstration sollte an das ungeklärte Schicksal zweier Aktivisten erinnern, nachdem Informationen bekannt geworden waren, wonach die beiden im Mai 2012 durch staatliche Kräfte entführt, gefoltert und getötet worden sein sollen (BaMF-Briefing Notes vom 25.11.2013).
62 
Auch für das Jahr 2014 berichtet Amnesty International nach wie vor über - allerdings ausdrücklich nur sporadische - politisch motivierte Gewalttaten zwischen Mitgliedern der regierenden MPLA und solchen der UNITA. Friedliche Demonstrationen wurden mitunter von Polizei und Sicherheitskräften unter Anwendung von Gewalt unterbunden (Amnesty international, Report Angola 2015).
63 
Am 09.03.2014 störten Mitglieder der MPLA in der Provinz Kwanza Sul eine Gedenkveranstaltung der UNITA zu deren 48-jährigem Bestehen, wobei drei Provinzführer der UNITA während einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen einzelnen Unterstützern der beiden Parteien getötet worden sein sollen. Öffentlich zugängliche Informationen über irgendwelche Verhaftungen oder Untersuchungen durch die Polizei wegen dieser Angelegenheit seien nicht erhältlich gewesen. Die Regierung unternahm gleichwohl generell einige Schritte zur Verfolgung und Bestrafung des Missbrauchs durch Beamte, welche indes nur schwer nachvollzogen werden können (US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2014).
64 
Auch auf der Basis der dem Senat im Übrigen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen muss festgestellt werden, dass in Angola das geltende Verfassungsrecht und die gegebene Verfassungswirklichkeit nicht immer übereinstimmen, was sich vor allem in der Machtausübung der Sicherheitskräfte, der weitreichenden Korruption und einer Behinderung der Arbeit von Journalisten zeigt. Gelegentlich wird dieses Bild auch durch einzelne mitunter gewaltsame Machtdemonstrationen Angehöriger der MPLA gegenüber Anhängern der Oppositionsparteien bestätigt, ohne dass jedoch angenommen werden müsste, dass die Betätigung der Oppositionsparteien in Angola generell gefährlich ist bzw. eine solche gar staatlicherseits unterbunden wird (vgl. US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2011 und 2012; Refugee Documentation Centre Ireland v. 22.10.2009; UK Border Agency v. 01.09.2010; Freedom House Länderberichte 2010, 2011 und 2012).
65 
Zutreffend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in diesem Zusammenhang auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.09.2015 zu Angola (2015/2839(RSP)) hingewiesen, welche vor dem Hintergrund insbesondere der Festnahme des angolanischen Menschenrechtsaktivisten José Marcos Mavungo am 14.03.2015 die angolanische Regierung u.a. dazu auffordert, Fällen von willkürlicher Verhaftung, rechtswidriger Inhaftierung und Folter durch Polizei- und Sicherheitskräfte unverzüglich ein Ende zu setzen.
66 
Zusammenfassend lässt sich für den Senat festhalten, dass seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers und weitere 6 Jahre nach dem zitierten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - sich die Verhältnisse in Angola derart verstetigt haben, dass der Kläger nunmehr dort jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten hat.
67 
Diese Einschätzung beruht überdies auf der individuellen Situation des Klägers, der bereits seit Längerem nicht mehr als exilpolitischer Aktivist für die Sache der UNITA angesehen werden kann. So hat er im Rahmen des Widerrufsverfahrens nicht mehr von einer ins Gewicht fallenden Fortsetzung seiner Betätigung für die UNITA für die Zeit nach seiner Flüchtlingsanerkennung berichtet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er gar eingeräumt, seit einem ihm gegenüber ausgesprochenen Verbot der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 nur noch „auf kleiner Flamme“ politisch tätig zu sein. Insoweit gebe es nichts weiter zu berichten. Der Kläger vermittelte dem Senat auch keineswegs den Eindruck, er werde nach einer Rückkehr nach Angola seine Aktivitäten für die UNITA wieder aufnehmen, weil er sich etwa hierzu aufgrund einer tiefen inneren Überzeugung verpflichtet fühle. Die damit anzunehmende zwischenzeitliche Veränderung auch in der Person des Klägers (vgl. dazu allgemein bereits oben) verdeutlichen dem Senat, dass dieser im Fall seiner nunmehrigen Rückkehr nach Angola auch nicht von einer im Jahr 2015 möglicherweise wieder etwas verschärfteren Situation für Regimegegner betroffen wäre.
68 
Anhaltspunkte für das Vorliegen von dem Kläger nicht geltend gemachter Anfechtungsgründe (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015, a.a.O.) lassen sich für den Senat im Übrigen nicht erkennen.
69 
Dass der Kläger schließlich - wie dies sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - aufgrund des verhängten Verbots der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 einem Flüchtling, dem die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu Gute kommt, gleichzustellen sei, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
70 
d) Der Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat schließlich auch nicht aufgrund der Bestimmung des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG auszuscheiden. Denn der Kläger kann sich ersichtlich nicht auf zwingende auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen, um eine Rückkehr nach Angola abzulehnen.
71 
2. Aus dem Vorgenannten ergibt sich zugleich, dass der von dem Kläger angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 auch hinsichtlich seiner Nr. 2, wonach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der Person des Klägers nicht vorliegen, rechtmäßig ist.
72 
Es kommt daher für die Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht darauf an, ob der von ihm gewählte isolierte Antrag auf Aufhebung der diesbezüglichen Entscheidung des Bundesamtes überhaupt sachdienlich ist.
73 
Gem. § 60 Abs. 1 AufenthG i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722, darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (vgl. im Übrigen §§ 3 bis 3e AsylG).
74 
Eine nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 AufenthG im Falle einer Rückkehr drohende Gefährdung kommt ausgehend von dem Vorbringen des Klägers ebenfalls nur mit Blick auf die Befürchtung von Repressionen im Zusammenhang mit seinem geltend gemachten exilpolitischen Verhalten in Betracht. Wie bereits ausgeführt, kann insoweit jedoch für den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden, was in erster Linie darin begründet ist, dass der Kläger bereits seit Längerem so gut wie gar nicht mehr exilpolitisch tätig ist und er auch für den Fall seiner Rückkehr nach Angola in keiner Weise bekundet hat, sich dort zukünftig aktiv für die UNITA politisch betätigen zu wollen.
75 
Die Berufung des Klägers ist nach allem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
76 
Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.
77 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt in erster Linie die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der am … 1968 geborene Kläger ist ein Staatsangehöriger Sri Lankas tamilischer Volkszugehörigkeit. Ihm wurde am 20.08.2008 in Colombo ein Reiseausweis ausgestellt. Er reiste am 04.09.2008 über den Flughafen Düsseldorf in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sogleich nach der Einreise wurde er von der Bundespolizei vernommen; hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die darüber angefertigten Protokolle verwiesen.
Am 17.09.2008 stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Er wurde am 09.10.2008 zu seinem Begehren angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
Am 09.11.2009 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Dieses hat mit Urteil vom 28.06.2010, nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten, die Beklagte verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Ungeachtet, ob der Kläger bereits politische Verfolgung erlitten habe oder unmittelbar von ihr bedroht gewesen sei, habe er aufgrund der derzeitigen politischen Lage in Sri Lanka zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer politischen Verfolgung zu rechnen. Auch nach (vorläufiger) Beendigung des Bürgerkriegs habe sich die Sicherheitslage noch nicht spürbar entspannt und der Ausnahmezustand bleibe bestehen. Es komme weiterhin zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte, aber auch durch Dritte. Aus der Gesamtsituation ergebe sich, dass der Kläger jedenfalls für den Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung befürchten müsse. Denn der aus dem Norden stammende Kläger, der sich im Süden oder in Colombo niederlassen müsste, nachdem die Freizügigkeit immer noch in erheblichem Umfang eingeschränkt sei, müsse für den Fall einer Rückkehr damit rechnen, dass er dem Anfangsverdacht, der LTTE zuzugehören, ausgesetzt sei. Hieraus ergebe sich das konkrete Risiko, von den Sicherheitskräften verhaftet zu werden. Das Ende dieser Haft, die keiner gerichtlichen Kontrolle mehr unterliege, sei nicht abzusehen und mit dem Risiko erheblicher Misshandlungen verbunden. Diese erheblichen Gefahren, die an die unterstellte Unterstützung der LTTE anknüpften, begründeten unabhängig von einer Vorverfolgung die Gefahr politischer Verfolgung, sie stellten eine politisch motivierte Verfolgung dar, die an die tamilische Volkszugehörigkeit und die damit verbundene Vermutung der LTTE-Unterstützung anknüpfe.
Auf Antrag der Beklagten vom 27.07.2010 hat der damals zuständige 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Beschluss vom 16.02.2012 - A 12 S 1863/10 - die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen. Mit einem am 05.03.2012 eingegangenen Schriftsatz vom 29.02.2012 hat die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet. Sie macht im Wesentlichen geltend: Nach dem bisherigen klägerischen Vorbringen könne keine individuell erlittene Vorverfolgung oder eine Ausreise unter dem Druck bevorstehender Verfolgung festzustellen sein. Das Vorbringen des Klägers in den verschiedenen Verfahrensstadien sei erkennbar zu unterschiedlich geblieben, ohne dass sich dafür nachvollziehbare Gründe zeigten oder er dies anderweitig überzeugend hätte erklären können. Allein wegen der Zugehörigkeit zur tamilischen Volksgruppe drohe ihm keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt:
die Berufung zurückzuweisen,
10 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zu gewähren,
11 
weiter hilfsweise festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote hinsichtlich Sri Lanka bestehen.
12 
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus, er habe eine extralegale Entführung dargelegt, wobei allein diese Entführung und die Drohung mit einer Gefahr für Leib und Leben ein traumatisches Ereignis darstellten, das im Zusammenhang mit der Angst um die Familie dazu führe, dass bei einer Abschiebung oder Rückkehr ein so genanntes Wiederholungstrauma einsetze.
13 
Der Kläger ist in der Berufungsverhandlung zu den Gründen seines Asylbegehrens angehört worden; hinsichtlich seiner Angaben wird auf Anlage 1 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger folgenden Hilfsbeweisantrag gestellt (Anlage 2 der Niederschrift):
15 
Zum Beweis der Tatsachen,
16 
dass es aufgrund der 6-jährigen Dauer des Verfahrens beim VGH Baden-Württemberg bei einer Dauer von über 8 Jahren des Asylverfahrens insgesamt ein gravierender Vertrauensverstoß ist bzw. es gegen Treu und Glauben verstößt, jetzt nun nach dieser langen Zeit vom Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart abzuweichen, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 MRK wäre, ihm nach 8 Jahren Asylverfahren und 6 Jahren in der Rechtsstellung als Asylberechtigten diese nach dieser langen Dauer des Verfahrens wegzunehmen, und dass dies wegen der Dauer des Verfahrens und bei einer Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu einer gravierenden psychischen Reaktion führen würde, auch im Sinne einer psychischen Erkrankung,
17 
wird beantragt,
18 
1. ein Gutachten eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht einzuholen und
19 
2. ein Gutachten von Herrn Dr. ..., Facharzt für psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalytik, ... …, ...,
20 
einzuholen.
21 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamts und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit war in der Ladung zum Termin hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die nach Zulassung durch den 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (III.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (IV.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (V.). Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen (VI.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden:
26 
Der auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
28 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „höchsthilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
29 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
30 
1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
31 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 24 a.E.).
32 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 26 m.w.N.).
34 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 = NVwZ 2013, 936 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
35 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
36 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
37 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (zur so genannten Gruppenverfolgung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 30 ff.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
38 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die auch vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylG, Art. 8 QRL).
39 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie durch § 3c Nr. 3 AsylG (vgl. Art. 6 Buchstabe c QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
40 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne des § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit.
41 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
42 
2. Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft nicht aus individuellen Verfolgungsgründen zuzuerkennen. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe der Wahrheit entspricht. Vielmehr spricht nach Auffassung des Senats vieles dafür, dass der Kläger den wahren Grund für seine Ausreise nach wie vor für sich behält.
43 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen zunächst aus dem Grund ganz erhebliche Zweifel, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Einreise im September 2008 nicht miteinander in Einklang zu bringende Angaben zu den Gründen seiner Flucht gemacht hat. So gab er bei der Bundespolizei im Wesentlichen an, er habe schon seit zwei Jahren versucht, Sri Lanka zu verlassen, sei seit über zehn Jahren Mitglied der LTTE, habe lange Zeit das sri-lankische Militär mit Bargeld bestochen und müsse damit rechnen, vom Militär grundlos verhaftet zu werden. Von einer Entführung und Erpressung durch Mitglieder tamilischer regierungsnaher Organisationen war nicht im Ansatz die Rede. Es besteht für den Senat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass der Kläger die in den Wortprotokollen über die Vernehmungen niedergelegten Angaben gemacht hat. Nicht zuletzt wurden die Vernehmungen, bei denen ein Dolmetscher für die tamilische Sprache eingebunden war, ausweislich von beigefügten Vermerken dem Kläger vorgelesen und von ihm genehmigt. Plausible Gründe dafür, dass die Vernehmungen unrichtig wiedergegeben worden sein könnten, hat der Kläger im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung nicht gemacht; er hat sich - darauf angesprochen - mehrmals darauf beschränkt zu bestreiten, die in den Protokollen festgehaltenen Angaben gemacht zu haben. Eine ganz andere Verfolgungsgeschichte hat der Kläger dann in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt: Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass Leute ihn mitgenommen und von ihm Geld verlangt hätten; dann hätten sie ihn wieder gehen lassen. Auf Nachfragen des Anhörenden berichtete er unter anderem, die Entführung habe am 14.04.2008 stattgefunden, er sei sechs Tage in einem Haus festgehalten und ihm sei dann eine dreimonatige Zahlungsfrist gewährt worden.
44 
Die angebliche Entführung und Erpressung hat der Kläger dann auch in der mündlichen Verhandlung als Ereignis genannt, das bei ihm erst den Entschluss zur Flucht ins Ausland hat reifen lassen. Allerdings konnte er dem Senat nicht den Eindruck vermitteln, von etwas tatsächlich Erlebtem zu berichten; es spricht vielmehr viel dafür, dass der Kläger ein Schicksal, das andere Personen erlitten haben, auf sich projiziert hat. Auf die eingangs seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Grund seiner Ausreise nannte der Kläger in einigen wenigen Sätzen lediglich Eckpunkte der angeblichen Entführung und Erpressung. Wesentlich ausführlicher, detailreicher und nach Einschätzung des Senats durchaus glaubhaft wurden dann erst die Schilderungen seines Reisewegs, auf die sich die Fragestellung indes überhaupt nicht erstreckte. Die gezielten Nachfragen brachten dann auch keine Ausführungen, die den Schluss zulassen könnten, dass sich das Geschehen tatsächlich so wie vom Kläger behauptet ereignet hat. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass ihm selbstverständlich bewusst ist, dass die Erinnerung an Ereignisse mit zunehmendem Zeitablauf nachlässt; allerdings wäre die vom Kläger behauptete Entführung und Erpressung ein so einschneidendes Ereignis gewesen, dass auch nach über acht Jahren zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger zumindest einige für die Richtigkeit seiner Angaben sprechende Details hätte schildern können. Das hat er indes nicht getan. Auf die gezielten Fragen antwortete er meist wortkarg. Einzelheiten zu dem Raum etwa, in dem er immerhin sechs Tage festgehalten worden sein will, konnte er mit Ausnahme solcher, die letztlich nur ein geringes Maß an Einfallsreichtum erfordern (angebliche Größe, weiße Wandfarbe, Licht an der Decke) nicht liefern. Angaben dazu, ob der Raum Fenster hatte, wie er möbliert war und dabei insbesondere, ob er eine als solche zu bezeichnende Schlafgelegenheit hatte, wie sie eigentlich zu erwarten gewesen wären, machte der Kläger nicht. Auf die Forderungen der Entführer angesprochen verwies der Kläger stets nur auf deren Verlangen von Geld. Mit welchen Nachteilen die Entführer für den Fall der Nichtzahlung gedroht haben, war dem Kläger keiner nähren Erwähnung wert. Blass blieben auch die Ausführungen zu der angeblichen Folter. Nachdem er zunächst lediglich die Behauptung von Folter in den Raum gestellt hatte, verwies er auf Nachfrage nur darauf, dass er geschlagen worden sei. Auf weitere Nachfrage gab er sodann an, er sei mit Stiefeln getreten und mit einem Holzknüppel geschlagen worden. Wie viele Personen ihn angeblich geschlagen und getreten haben, welche Körperstellen betroffen waren und ob und welche Verletzungen er infolge der Misshandlungen erlitten hat, blieb unerwähnt. Hinzu kommt, dass es sich insoweit um gesteigertes Vorbringen handelt, da der Kläger die Thematik „Folter“ erstmals vor dem Senat erwähnt hat. Auf entsprechenden Vorhalt hat er lediglich erklärt, er sei wohl bei seiner Anhörung nicht ausdrücklich danach gefragt worden. Sollte er allerdings tatsächlich gefoltert worden sein, erscheint es fernliegend, dass er auf diesen Umstand nicht von sich aus hingewiesen hätte.
45 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch seine Angaben zu dem weiteren Geschehen nach seiner angeblichen Freilassung. Davon, dass die Erpresser bereits im Juni 2008 bei ihm zu Hause vorbeigekommen seien, wie er es in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht berichtet. Vielmehr verwies er darauf, dass die Erpresser seine bisherige Unterkunft am 20.07.2008, dem Tag des angeblichen Fristablaufs, aufgesucht hätten. Diese Angabe passt allerdings in keiner Weise zu den Ausführungen seiner Ehefrau in dem dem Bundesamt vorgelegten Brief vom 15.10.2008, wonach die Entführungsbande jetzt häufiger zu ihr nach Hause komme. Erst nach zahlreichen, eindringlichen Nachfragen, nicht zuletzt seines Prozessbevollmächtigten, gab der Kläger an, dass es auch nachfolgend - zuletzt im Jahr 2009 oder im Jahr 2010 - Probleme gegeben habe. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch einerseits angegeben, seine Ehefrau lasse sich durch ihren Bruder bei Besuchen der Erpresser verleugnen. Andererseits gab der Kläger an, es gebe Probleme, wenn die Erpresser seine Ehefrau sehen.
46 
Offenbleiben kann nach Vorstehendem, ob die Entführung und Erpressung überhaupt von flüchtlingsschutzrelevanter Bedeutung gewesen wären. In Betracht käme hier lediglich eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 3 AsylG). Der Kläger hat auf die Frage, weshalb er als Opfer der Entführung und Erpressung ausgewählt worden sei, geantwortet, dies sei geschehen, weil er wohlhabend gewesen sei. Diese Aussage ist zunächst erstaunlich, will der Kläger die - nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung, die nicht mit der Angabe in der Anhörung beim Bundesamt übereinstimmt (damals: drei Millionen Rupien) - für die Organisation der Ausreise gezahlten zwei Millionen Rupien insbesondere durch den Verkauf von Goldschmuck seiner Frau und die Aufnahme eines Darlehens aufgebracht haben. Der Aussage lässt sich aber vor allem entnehmen, dass sich der Kläger zumindest im Wesentlichen als Opfer krimineller Machenschaften sah; eine Verbindung mit seiner tamilischen Volkszugehörigkeit oder gar seiner behaupteten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE war für den Senat nicht erkennbar.
47 
Eine staatliche Verfolgung hat der Kläger schon nicht als Grund für seine Ausreise behauptet. Nicht zuletzt da dem Kläger offensichtlich ohne Probleme ein Reiseausweis ausgestellt wurde und er legal und ungehindert das Land verlassen konnte, bestehen hierfür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vom Kläger erst auf Nachfragen angeführten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE (Helfen beim Aufbauen und Dekorieren einer Bühne) waren, die Richtigkeit der Angaben unterstellt, allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Dass er konkret durch sie ins Visier der Sicherheitskräfte geraten sein könnte, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung gerade nicht vorgetragen. Es blieb insoweit bei der allgemein gehaltenen Behauptung, Armeeangehörige hätten die Veranstaltungen an den Großheldentagen überwacht.
48 
3. Auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gruppenverfolgung kommt nicht in Betracht.
49 
Tamilen waren zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im August 2008 keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt (dazu a). Sie sind es auch heute nicht (dazu b).
50 
a) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers und bezogen auf den Zeitpunkt seiner Ausreise im Wesentlichen wie im Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 09.11.2010 (A 4 S 703/10, juris) bezogen auf das Jahr 2007 dar. Dort heißt es (a.a.O. Rn. 46 ff.):
51 
Die Lage in Sri Lanka stellte sich 2007 nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen wie folgt dar:
52 
In Sri Lanka lebten 2007 geschätzt 20,01 Millionen Menschen. Der Anteil der tamilischen Bevölkerung lag ungefähr bei 10 % (Fischer-Weltalmanach 2010, S. 474). Nach den Angaben des Ministeriums für Volkszählung und Statistik lebten 2006 im Großraum Colombo 2.251.274 Einwohner, davon waren 247.739 tamilische Volkszugehörige sri-lankischer Staatsangehörigkeit und 24.821 indische Tamilen (vgl. UK Home Office, Country of Origin Report Sri Lanka vom 15.11.2007, S. 122, Nr. 20.13).
53 
Die innenpolitische Lage Sri Lankas war von dem jahrzehntelangen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen bestimmt. Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung [und] der tamilischen Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) aus dem Februar 2002 war von Präsident Rajapakse im Januar 2008 offiziell aufgekündigt worden, nachdem es von beiden Seiten seit langem nicht mehr eingehalten worden war. Bereits ab November 2005 war es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch die LTTE und die im Jahr zuvor von ihr abgespaltene, mit der Regierung kollaborierende Karuna-Gruppe unter „Oberst Karuna“ (Muralitharan Vinayagamurthi), einem ehemaligen Vertrauten des LTTE-Führers Prabahakaran, gekommen. Seit April 2006 hatte die Regierung versucht, die LTTE, die zu diesem Zeitpunkt noch den Norden und Osten des Landes kontrollierte, mit offensiven Maßnahmen zurückzudrängen. Ab Mitte 2006 war es dann zu großflächigen, längeren Kampfhandlungen gekommen. Unterstützt von den paramilitärischen Einheiten der Karuna-Gruppe, die sich als Vertretung der Ost-Tamilen verstand, konnten die Streitkräfte im Juli 2007 nach den vorhergehenden Rückzug der LTTE-Soldaten die letzten von der LTTE gehaltenen Stellungen im Osten Sri Lankas einnehmen (Lagebericht des AA vom 07.04.2009, Stand März 2009, S. 5).
54 
Eine systematische und direkte Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen Rasse, Nationalität oder politischer Überzeugung von Seiten der Regierung fand seit dem Waffenstillstandsabkommen von 2002 nicht statt (Lageberichte des AA vom 26.06.2007, Stand Juni 2007, S. 6 und vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 7). Allerdings standen Tamilen im Generalverdacht, die LTTE zu unterstützen, und mussten mit staatlichen Repressionen rechnen. Sie wurden nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt. Sie sind aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, Pkw-Kontrollen und Verhaftungen bei Vorliegen schon geringster Verdachtsmomente richteten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des „Terrorism Prevention Act“ Ende 2006 - ein Notstandsgesetz, das Verhaftungen ohne Haftbefehl und eine Inhaftierung bis zu 18 Monaten erlaubt, wenn die Behörden insbesondere den Verdacht terroristischer Aktivitäten haben (vgl. SFH, Sri Lanka, Aktuelle Situation, Update vom 11.12.2008, S. 3) - war die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wurde, musste mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung hat kommen müssen (Lagebericht des AA vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 8). So wurden am 30. und 31.12.2005 im Rahmen der von Militär und Polizei in Colombo durchgeführten Operation „Strangers Night III.“ 920 Personen, die weit überwiegende Mehrheit Tamilen, verhaftet (Human Rights Watch, Return to War - Human Rights under Siege - August 2007, S. 74).
55 
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in seiner Stellungnahme zum Bedarf an internationalem Schutz von Asylsuchenden aus Sri Lanka vom 01.02.2007, die eine Zusammenfassung und Teilübersetzung der „UNHCR Position on the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Sri Lanka (December 2006)“ enthält, unter anderem ausgeführt, dass von der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage im besonderem Maße Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes betroffen seien. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass bei dem Verdacht, dass sie Verbindungen zur LTTE unterhalten, Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Behörden oder mutmaßlich von der Regierung gestützte Paramilitärs drohten (S. 2). Für Tamilen aus Colombo bestand aufgrund der im April bzw. Dezember 2006 drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen ein erhöhtes Risiko, willkürlichen, missbräuchlichen Polizeimaßnahmen - insbesondere Sicherheitskontrollen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen oder Leibesvisitationen - unterworfen zu werden. Tamilen aus Colombo waren darüber hinaus besonders gefährdet, Opfer von Entführungen, Verschleppungen oder Tötungen zu werden. Zwischen dem 20.08.2006 und dem 02.09.2006 waren Presseberichten zufolge mehr als 25 Tamilen entführt worden, nur zwei Personen waren bis zum Dezember 2006 wieder freigekommen (S. 2 f.). Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der dauernden Bedrohung durch terroristische Attacken im Großraum Colombo waren teilweise für die gesamte tamilische Minderheit bedrohlich und stellten ihre Sicherheit in Frage. Extralegale Tötungen, die seit jeher Teil des Konflikts gewesen waren, wurden seit Dezember 2005 auch in signifikanter Zahl von Regierungsseite verübt. Viele Taten sind an gewöhnlichen Personen begangen worden, die kaum erkennbar in Verbindung zu dem Konflikt standen. Teilweise handelte es sich um Teile eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschahen sie aus politischen Motiven. Sie konnten aber auch einen kriminellen Hintergrund haben (Asylsuchende aus Sri Lanka, Position der SFH vom 01.02.2007 S. 5).
56 
Die International Crisis Group hat in ihrem Bericht vom 14.06.2007 (Sri Lanka’s Human Rights Crisis, Asia Report N. 135) unter anderem festgehalten, dass die Anzahl der Verschwundenen in den letzten achtzehn Monaten nur schwerlich mit Sicherheit festzustellen sei. Verschiedene verlässliche Quellen berichteten von mehr als 1.500 Betroffenen, wobei das Schicksal von mindestens 1.000 Personen unklar gewesen sei. Die höchste Anzahl von Betroffenen sei in den von der Regierung kontrollierten Bereichen Jaffnas festzustellen gewesen. Dort seien 731 Fälle registriert worden, in 512 Fällen gebe es noch keine Aufklärung. Im Großraum Colombo sei es zu mehr als 70 berichteten Fällen von Entführungen und des Verschwindenlassens gekommen. Die meisten der Betroffenen seien junge tamilische Volkszugehörige gewesen, die der Zusammenarbeit mit der LTTE verdächtigt worden seien. Auch eine Vielzahl von Personen ohne Verbindung zur LTTE seien Opfer dieses Verschwindenlassens geworden.
57 
Human Rights Watch (HRW) geht in seinem Bericht aus dem August 2007 (Return to War - Human Rights under Siege -) davon aus, dass Entführungen und Fälle des Verschwindenlassens seit August 2006 auch in Colombo zu einer weitverbreiteten Erscheinung geworden seien. Die Organisation gelangt auf der Grundlage von Gesprächen mit 26 Familien von verschwundenen Personen zu dieser Aussage (S. 53 f.). Landesweit geht HRW für den Zeitraum vom 14.09.2006 bis zum 25.02.2007 von 2.020 Fällen Entführter oder sonst verschwundener Personen aus. „Ungefähr 1.134 Personen“ seien lebend wieder aufgefunden worden, die anderen seien weiterhin vermisst (S. 7).
58 
Nach dem Country Report on Human Rights Practices zu Sri Lanka des U.S. Department of State 2007 vom 11.03.2008 waren extralegale Tötungen in Jaffna an der Tagesordnung. Zwischen dem 30.11.2007 und dem 02.12.2007 sind nach zwei Bombenangriffen der LTTE in und um Colombo beinahe 2.500 tamilische Volkszugehörige in der Hauptstadt und geschätzte 3.500 Tamilen im ganzen Land verhaftet worden. Die Inhaftierten, überwiegend männliche tamilische Zivilisten sollen allein aufgrund ihrer tamilischen Nachnamen verhaftet worden sein. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wurde bald wieder freigelassen. Zum Jahreswechsel waren nur noch zwölf von 372 im Boosa detention camp Inhaftierten in Gewahrsam.
59 
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich selbst dann, wenn alle Angaben zutreffen sollten, zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers Ende November 2007 nicht auf eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen schließen. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nicht feststellen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wurde keine Volksgruppe gezielt allein wegen eines unveränderlichen Merkmals verfolgt. Die Anzahl der festzustellenden Übergriffe lässt nicht ohne weiteres auf die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit eines jeden Gruppenmitglieds schließen. Selbst wenn alle Übergriffe im Großraum Colombo zwischen November 2005 und Dezember 2007 dem sri-lankischen Staat zuzurechnen wären - tatsächlich sind dabei auch Übergriffe der LTTE und „rein kriminelle Übergriffe“ mit dem Ziel der Lösegelderpressung unter den registrierten Fällen - und alle Inhaftierungen - auch die von bloß kurzer Dauer von nicht mehr als drei Tagen - gezählt werden, ist das Verhältnis von 3.400 Verhaftungen zu mehr als 240.000 tamilischen Einwohnern angesichts des Zeitraums von zwei Jahren nicht geeignet, eine Regelvermutung der Gefährdung eines jeden Gruppenmitglieds zu rechtfertigen. Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass 2.500 der Inhaftierten nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden sind und damit keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 RL 2004/83/EG erdulden mussten, ergibt sich eine Betroffenheit von 0,3 % der gesamten tamilischen Bevölkerung. Dieser - für die Bewertung des Standards der Achtung der Menschenrechte insoweit gleichwohl hohe - Prozentsatz der Betroffenen innerhalb eines Zweijahreszeitraums führt nicht zum Schluss auf die erforderliche aktuelle Gefahr der Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds.
60 
Zu einer anderen Beurteilung bezogen auf den Zeitpunkt August 2008 besteht kein Anlass. Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.
61 
b) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers derzeit wie folgt dar:
62 
aa) Bezogen auf den Zeitpunkt November 2010 führte der erkennende Gerichtshof in seinem Urteil vom 09.11.2010 aus (a.a.O. Rn. 57 ff.):
63 
Am 19.05.2009 hat der sri-lankische Staatspräsident Mahinda Rajapakse in einer Parlamentsansprache den Sieg der Regierungstruppen über die tamilische Separatistenorganisation LTTE verkündet. Tags zuvor war nach den Angaben des Militärs bei einem der letzten Gefechte der LTTE-Anführer Velupillai Prabhakaran ums Leben gekommen, nachdem zuvor fast die gesamte militärische und politische Führung der LTTE umgekommen war. Der seit 1983 mit Unterbrechungen währende Bürgerkrieg war damit beendet (Lagebericht des AA vom 02.09.2009, Stand: August 2009, S. 6). Hunderttausende Menschen mussten während des Bürgerkriegs ihre Heimatorte im tamilischen Norden und Osten des Landes verlassen. Als Binnenvertriebene suchten sie Zuflucht in weniger gefährdeten Gebieten des Landes. Viele entschieden sich auch dafür, ins Ausland zu gehen. In der Ostprovinz konnten die Binnenvertriebenen inzwischen bis auf einige Ausnahmen in ihre Heimatgemeinden zurückkehren (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 8). Rund 300.000 Zivilpersonen waren in den letzten Monaten des Bürgerkriegs im von der LTTE gehaltenen, kontinuierlich schrumpfenden Gebiet eingeschlossen. Notgedrungen zogen sie mit den LTTE-Verbänden mit und waren in der zuletzt nur wenige Quadratkilometer ausmachenden Kampfzone im Nordwesten des Landes allen Schrecken dieser Kämpfe ausgesetzt. Nach deren Beendigung brachte sie die Armee in geschlossenen Lagern hauptsächlich in Vavuniya im nördlichen Vanni unter, zu denen nationale und internationale Hilfsorganisationen lange nur eingeschränkt Zugang hatten. Die Regierung begründete diese Lagerunterbringung mit der Notwendigkeit, sich unter den Binnenvertriebenen verbergende ehemalige LTTE-Kämpfer herauszufiltern, und der Unmöglichkeit, die Betroffenen in noch verminte Heimatorte zurückkehren zu lassen. Einigen wenigen wurde die Rücksiedlung im Juni 2009 gestattet. Im August 2009 begann dann sehr zögerlich ein Rücksiedlungsprozess, der im Oktober größeren Umfang annahm und sich ab Dezember wieder verlangsamte, da die Herkunftsorte der Verbliebenen (im Juni 2010 waren noch knapp 60.000 Personen in Lagern untergebracht) noch erheblich zerstört und vermint sind. Einem gesonderten Regime unterliegen die geschlossenen, so genannten „Rehabilitationslager“, in denen rund 8.000 ehemalige LTTE-Kämpfer (bzw. Personen, die insoweit verdächtigt werden) untergebracht sind. Zu diesen Lagern haben weder das IKRK noch Hilfsorganisationen Zugang. Die Antiterrorgesetze von 1979 (Prevention of Terrorism Act) haben weiter Bestand. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere in Colombo, einschließlich der zahlreichen Kontrollpunkte von Polizei und Militär, werden aufrecht erhalten (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 9 f.).
64 
Zu den Insassen der „Rehabilitationslager“ hat Human Rights Watch festgestellt, dass zwar die meisten der Verdächtigten in den letzten Wochen der Kampfhandlungen und in der Zeit unmittelbar danach inhaftiert worden seien, dass aber auch neue Inhaftierungen, nämlich im Oktober 2009, erfolgt seien (Human Rights Watch, Legal Limbo - The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, Februar 2010, S. 6).
65 
In unterschiedlichen Bereichen kommt es zu staatlichen repressiven Maßnahmen, die Anzeichen für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung aufweisen. Davon sind nicht nur Tamilen betroffen, sondern auch regierungskritische Singhalesen. So werden oppositionelle Parlamentsabgeordnete, die der Regierung gefährlich werden können, unter fadenscheinigen Vorwürfen verhört, verhaftet oder bedroht. Der Generalverdacht, dass jeder Tamile ein Anhänger, Unterstützer oder gar Mitglied der LTTE war und ist, wird im singhalesischen Teil der Gesellschaft von vielen geteilt, insbesondere bei den staatlichen Sicherheitskräften (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 10 f.).
66 
Für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es keine Anhaltspunkte, sie müssen aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - jederzeit mit staatlichen Repressionen rechnen. Die ständigen Razzien und Hausdurchsuchungen, schikanösen Behandlungen (Beleidigungen, langes Warten, exzessive Kontrolle von Fahrzeugen, Erpressung von Geldbeträgen) bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und Verhaftungen richten sich vor allem gegen Tamilen, wobei aus dem Norden und Osten stammende Tamilen darunter noch in höherem Maße zu leiden haben. Durch Anwendung des Prevention of Terrorism Act ist die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder einer Anklageerhebung kommen muss. Die Situation hat sich seit Beendigung der Kampfhandlungen nicht verbessert (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 11).
67 
Ein Asylantrag im Ausland, der von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen wird, sich einen Aufenthaltsstatus zu verschaffen, begründet in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Sri Lanka niederlassen wollen, müssen indes einen Anfangsverdacht und entsprechendes Misstrauen bis zu Schikanen durch die Sicherheitsorgane gegenwärtigen. Mindestens ebenso stark steht unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden war. Das Ende der Kampfhandlungen hat diesbezüglich nicht zu einer Entspannung geführt. Am 26.05.2010 wurde am Flughafen Colombo bei der Einreise eine in Deutschland ansässige Sri-Lankerin unter dem Verdacht der LTTE-Unterstützung festgenommen, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Gelder eingesammelt und im Frühjahr letzten Jahres Demonstrationen organisiert haben soll. Belastbaren Berichten anderer Botschaften zufolge gibt es Einzelfälle, in denen zurückgeführte Tamilen nach Ankunft in Colombo unter LTTE-Verdacht festgenommen wurden (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 24).
68 
Aus dem „Report of Information Gathering Visit to Colombo, Sri Lanka, 23. bis 29. August 2009“ vom 22.10.2009 des „U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate“ (FCO), für den sowohl staatliche sri-lankische Stellen als auch Nichtregierungsorganisationen befragt wurden, ergibt sich, dass unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit nicht freiwillig nach Sri Lanka zurückkehrende Personen dem Criminal Investigation Department zur Feststellung der Staatsangehörigkeit und Kontrolle des Vorstrafenregisters überstellt werden. Die Befragung kann mehr als 24 Stunden dauern. Die Betroffenen werden erkennungsdienstlich behandelt. Abhängig vom Einzelfall ist eine Überstellung an den Geheimdienst (State Intelligence Service) oder das Terrorist Investigation Department zum Zwecke der Befragung denkbar. Jeder, der wegen eines Vergehens gesucht wird, muss mit seiner Verhaftung rechnen. Vorbestrafte oder Personen mit Verbindungen zur LTTE werden weitergehend befragt und gegebenenfalls in Gewahrsam genommen. Laut Nichtregierungsorganisationen würden Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes einer genaueren Überprüfung als andere unterzogen. Verschiedene Faktoren, nämlich ein offener Haftbefehl, Vorstrafen, Verbindungen zur LTTE, eine illegale Ausreise, Verbindungen zu Medien oder Nichtregierungsorganisationen und das Fehlen eines Ausweises (ID Card) oder anderer Personaldokumente, erhöhten das Risiko, Schwierigkeiten bei der Einreise zu bekommen, einschließlich einer möglichen Ingewahrsamnahme (S. 5). Hingegen konnte keine der befragte Quellen angeben, dass sichtbare Narben einen Einfluss auf die Behandlung bei der Einreise haben könnten. Im Falle, dass der Verdacht einer Verbindung zur LTTE bestünde, könnten solche Narben Anlass zu einer Befragung sein, jedoch würden diesbezüglich keine körperlichen Untersuchungen durchgeführt (S. 16).
69 
Überwiegend hätten die Befragten angegeben, dass die Anzahl der Razzien (cordon and search operations) in den letzten Monaten nicht zurückgegangen sei. Es gebe keine Informationen zu der Anzahl möglicher Festnahmen. Grundsätzlich seien junge männliche Tamilen, die aus dem Norden oder Osten des Landes stammten, im Zuge von Razzien einem besonderen Festnahmerisiko ausgesetzt. Die bereits genannten Faktoren erhöhten das Risiko. Tamilen ohne Beschäftigung oder „legitimen Aufenthaltsgrund“ würden ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als verdächtig angesehen (S. 5).
70 
Nach ganz überwiegender Meinung der Befragten hat es - wenn überhaupt - seit Juni 2009 nur noch sehr wenige Entführungen / Fälle des Verschwindenlassens gegeben. Die Entführungen erfolgten demzufolge sowohl zur Lösegelderpressung als auch aus politischen Gründen. Die Nichtregierungsquellen stimmten weitgehend darin überein, dass die Sicherheitskräfte in den meisten Fällen in gewisser Weise beteiligt seien und die Polizei keine ernsthaften Ermittlungen durchführe (S. 5 f.). Bei den Straßenkontrollen im Großraum Colombo, die nach Angabe der meisten Befragten nicht nennenswert reduziert worden seien, würde es nur sehr selten zu Festnahmen kommen. Seit Juni 2009 seien keine bekannt geworden.
71 
Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.06.2010 und der (ältere) Bericht des U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate ergänzen sich. Jedenfalls die hier zitierten allgemeinen Feststellungen (S. 5 f.), die auf mindestens weit überwiegend übereinstimmenden Angaben der Befragten beruhen, sind geeignet, die insoweit knapper gehaltenen Aussagen der Lageberichte zu den Gefährdungen von Tamilen zu illustrieren. Eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen (im wehrfähigen Alter) lässt sich auf der Basis der wiedergegebenen Erkenntnisse nicht feststellen. Insbesondere angesichts des Umstands, dass Verhaftungen bei Razzien ebenso selten geworden sind wie an Straßenkontrollpunkten und Fälle des Verschwindenlassens ebenfalls kaum mehr vorkommen, lässt sich eine generelle staatliche oder staatlich tolerierte Verfolgung der Gruppe der Tamilen nicht feststellen. Anderes lässt sich auch nicht aus dem Fortbestehen der „rehabilitation camps“ schließen. Denn jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass nach deren Begründung noch Personen in einer für die Annahme einer Gruppenverfolgung aller - jedenfalls der im wehrfähigen Alter befindlichen - Tamilen relevanten Größenordnung in diese Lager verbracht worden sind. Aus dem vom Kläger zitierten Bericht von Human Rights Watch, Legal Limbo, The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, ergibt sich unter Bezugnahme auf den „Indian Express“ vom 28. Oktober 2009, dass mindestens 300 LTTE Kader, die sich unter den Binnenvertriebenen versteckt hätten, verhaftet worden seien. Damit ist weder ein Bezug zu der Gruppe aller Tamilen oder jedenfalls derjenigen im wehrfähigen Alter aufgezeigt noch ergibt sich aus den berichteten Vorkommnissen, dass diese bis zum Tag der mündlichen Verhandlung gleichsam an der Tagesordnung gewesen wären.
72 
Die Einlassung des Klägers, aus dem zitierten Bericht von Human Rights Watch ergebe sich eine Zunahme der Fälle des Verschwindenlassens, vermag stichhaltige Indizien für eine Gruppenverfolgung aller (wehrfähigen) Tamilen nicht darzutun. Den dortigen Ausführungen im Unterkapitel „Concerns about Possible Enforced Disappearances“ sind vielmehr zunächst zwei Einzelfälle des Verschwindens nach Ende des Bürgerkriegs zu entnehmen. Darüber hinaus wird über eine Internierung von Dutzenden von Personen aus dem Lager „Menik Farm“ berichtet. Es wird weiter geschildert, dass das Schicksal der internierten Personen häufig - bis zum Tag des Berichts - unklar geblieben sei. Daraus lässt sich ein erhöhtes Risiko für solche Personen ableiten, die aus Sicht der Behörden im Verdacht stehen, mit der LTTE zusammengearbeitet haben, nicht jedoch eine Gruppenverfolgung aller (jungen männlichen) Tamilen. Der gegen alle Tamilen gerichtete so genannte „Generalverdacht“ führt offenkundig für sich genommen noch nicht regelmäßig zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden. Vielmehr kommt es auf individuell gefahrerhöhende Umstände an, bei deren Vorliegen im Einzelfall eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen sein kann.
73 
Auch aus dem vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Gutachten des European Center for Constitutional and Human Rights „Study on Criminal Accoutability in Sri Lanka as of January 2009“ aus dem Juni 2010 lässt sich die von ihm behauptete Gruppenverfolgung nicht ableiten. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass die Anzahl der in den „welfare centers“ in Gewahrsam gehaltenen Personen von 280.000 (zwischen März 2008 und Juni 2009) bis in den Januar 2010 auf rund 80.000 abgenommen hat. Dem Bericht, der sich mit den Zuständen in den Lagern beschäftigt, ist nicht zu entnehmen, dass sri-lankische Staatsangehörige nach ihrer Wiedereinreise dazu gezwungen worden wären, in solchen Lagern zu leben. Weiter beschäftigt sich das Gutachten unter Zitierung des bereits erwähnten Berichts von Human Rights Watch aus dem Februar 2010 mit der Behandlung von der LTTE-Mitgliedschaft Verdächtigten. Auch diesen Ausführungen ist nichts zu einer anhaltenden Verhaftungswelle - wie sie für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendig wäre - nach Beendigung des Bürgerkriegs und in den folgenden Monaten im Jahr 2009 zu entnehmen.
74 
Schließlich führt insoweit der Verweis des Klägers auf die Lageeinschätzung der International Crisis Group vom 17.02.2010, die sein Prozessbevollmächtigter im „Parallelverfahren“ (A 4 S 693/10) vorgelegt hat, nicht zum Erfolg seiner Klage. Dem Bericht ist zwar zu entnehmen, dass das Vorgehen der Regierung im Norden und Osten des Landes zur Verängstigung und Entfremdung der Minderheiten führe. Das aus dieser Behandlung aber ein systematisches Ausgrenzen der tamilischen Minderheit aus der staatlichen, übergreifenden Friedensordnung im Sinne einer Entrechtung abzuleiten wäre, ergibt sich weder aus diesem Bericht noch aus der Gesamtschau. Ebenso wenig lässt sich ein staatliches Verfolgungsprogramm hinsichtlich aller Tamilen oder auch nur der im wehrfähigen Alter befindlichen Gruppenmitglieder feststellen. Anderes kann möglicherweise für die im Zuge der Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen unmittelbar in den rehabilitation camps Inhaftierten oder die aus den Flüchtlingslagern „herausgefilterten“, in rehabilitation camps verbrachten Personen gelten. Jedoch ist ein solches systematisches Vorgehen gegenüber etwa in Colombo lebenden Tamilen nicht feststellbar.
75 
Die rechtliche Einschätzung zur fehlenden begründeten Furcht vor einer Gruppenverfolgung entspricht auch der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 08.07.2009 - 3 A 3295/07.A - und vom 24.08.2010 - 3 A 864/09.A -) und - der Sache nach - des UK Asylum and Immigration Tribunal (TK (Tamils - LP updated) Sri Lanka CG [2009]UKAIT 00049 RdNr. 73).
76 
bb) Erst recht ist die Annahme einer Gruppenverfolgung zum derzeitigen Zeitpunkt (Oktober 2016) nicht gerechtfertigt.
77 
(1) In Sri Lanka leben nach Auskunft des Auswärtigen Amts (Länderinformation, Stand: Februar 2015) 20,7 Millionen Menschen. Der Anteil der Sri-Lanka-Tamilen beträgt 11,2 % (auch Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7); es ist mithin von etwa 2,3 Millionen Volkszugehörigen auszugehen. „Indian Tamils“ machen 4,2 % der Bevölkerung aus.
78 
Am 08.01.2015 wurde Maithripala Sirisena bei der Präsidentenwahl, bei der die Wahlbeteiligung bei 81,5 % lag, zum Präsidenten Sri Lankas gewählt. Er setzte sich mit 51,28 % der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Rajapaksa durch, der 47,58 % erhielt. Am 17.08.2015 fanden Parlamentswahlen statt, die nach Einschätzung des Auswärtigen Amts frei und fair waren (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6). Die Tamilenpartei ITAK erhielt 4,62 % der Stimmen und damit 16 Mandate, sie stellt mit Rajavarothiam Sampanthan den Oppositionsführer (a.a.O.).
79 
Mit dem Amtsantritt Sirisenas am 09.01.2015 hat sich die politische Situation in Sri Lanka nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5) erheblich zum Positiven verändert. Demokratie und Rechtsstaat seien gestärkt worden. Die Menschenrechte, insbesondere die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden wieder respektiert. Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition seien nicht mehr eingeschränkt (a.a.O. S. 7). Menschenrechtsorganisationen hätten größere Freiräume (a.a.O. S. 6). So genannte Verschwundenen-Fälle seien seit dem Amtsantritt der neuen Regierung nicht mehr bekannt geworden (a.a.O. S. 12).
80 
Das Auswärtige Amt merkt in seinem jüngsten Lagebericht aber auch an, dass insbesondere im Norden und Osten noch nicht alle Menschenrechtsverletzungen abgestellt seien (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Einzelne Menschenrechtsvertreter würden dort vom Sicherheitsapparat verfolgt und ihre Gesprächspartner würden gelegentlich noch von Sicherheitskräften ausgefragt (a.a.O. S. 6, auch S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte von Menschenrechtsverteidigern zu Überwachungen durch die Polizei und das Militär im Norden und Osten sowie Befragungen). Die Polizei wende mitunter noch immer unverhältnismäßigen Zwang an (a.a.O. S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Beschwerden über die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt bei Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Demonstrationen). Als Beispiel nennt das Auswärtige Amt die Beendigung friedlicher Studentendemonstrationen mittels Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken (a.a.O. S. 7); es verweist zudem auf Angaben Internationaler Organisationen und Presseberichte, wonach Folter weiterhin gelegentlich zur Erpressung von Geständnissen angewandt wird (a.a.O. S. 11; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte über Folter und andere Misshandlungen). Auch sollen Misshandlungen bei der Festnahme von Verdächtigen sowie in Gefängnissen weiter vorkommen (a.a.O. S. 12).
81 
Amnesty International (Amnesty Report 2016, Sri Lanka) verweist darüber hinaus auf Berichte über ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam; Häftlinge würden häufig an Verletzungen sterben, die den Schluss zuließen, dass sie gefoltert und misshandelt worden seien.
82 
Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat die neue Regierung zahlreiche Schritte unternommen, um die Wiederversöhnung zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Land voranzubringen (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Sie suche aktiv den Dialog mit der tamilischen Diaspora (auch a.a.O. S. 10). Amnesty International berichtet zudem darüber (Amnesty Report 2015, Sri Lanka), dass im Jahr 2015 am Jahrestag der Beendigung des bewaffneten Konflikts öffentliche Gedenkfeiern von Tamilen im Wesentlichen erlaubt waren (vgl. auch Human Rights Watch, Sri Lanka After the Tigers, 19.02.2016, mit dem Hinweis, dass Gedenkfeiern für verstorbene Tamilen mittlerweile erlaubt seien), und fügt hinzu, dass über eine starke Polizeipräsenz bei derartigen Zusammenkünften berichtet worden sei (vgl. auch Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Insbesondere Human Rights Watch macht aber auch darauf aufmerksam, dass ein Erfolg versprechender Versöhnungsprozess, der unter anderem auch eine Aufarbeitung der beiderseitigen Kriegsverbrechen beinhaltet, noch nicht wirklich ins Werk gesetzt worden ist (vgl. etwa die Beiträge „Time to seize the Moment“ [25.05.2016] und „Unfinished Business in Sri Lanka“ [01.09.2016]).
83 
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts gibt es gegenüber Tamilen im Norden und Osten seit dem Amtsantritt Sirisenas „keine direkten staatlichen Repressionen mehr“ (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7). In Sri Lanka gebe es keine diskriminierende Gesetzgebung, Verwaltungspraxis oder Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis (a.a.O. S. 8). Der von der Polizei angewendete unverhältnismäßige Zwang richte sich nicht gegen eine bestimmte Gruppe (a.a.O. S. 7). Während die Anwendung von Folter früher vor allem Tamilen betroffen habe, sollen mittlerweile Singhalesen in gleichem Maß betroffen sein (a.a.O. S. 11 unter Berufung auf Berichte von Human Rights Watch und lokale Menschenrechtsorganisationen; Human Rights Watch [Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016] spricht von „continued reports of the torture of detainees“ [fortgesetzten Berichten über die Folter von Inhaftierten]).
84 
Das Auswärtige Amt führt weiter aus, dass der infolge des langjährigen Bürgerkriegs umfassende Sicherheitsapparat nach Ende des Konflikts 2009 kaum reduziert wurde und insbesondere im Norden und Osten noch stark vertreten ist (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6, auch S. 7; vgl. auch Human Rights Watch, Unfinished Business in Sri Lanka, 01.09.2016). Es verweist zudem darauf, dass nach Angaben der sri-lankischen NGO Groundviews 2015 noch immer mindestens 181 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder -Symphatisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hätten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert seien; bis November 2015 seien 38 davon gegen Kaution freigelassen worden (a.a.O. S. 12).
85 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe weist in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 „Sri Lanka: Gefährdung bei Rückkehr und Zugang zu medizinischer Versorgung in Haft“ darauf hin (S. 3), dass Berichte der NGO Freedom from Torture und International Truth & Justice Project Sri Lanka vom Januar 2016 insgesamt 27 Fälle dokumentierten, in denen tamilische Personen durch sri-lankische Sicherheitskräfte gefoltert, willkürlich verhaftet oder entführt worden seien. Der jüngste in dem letztgenannten Bericht dokumentierte Fall (von insgesamt 20 Fällen) habe sich im Dezember 2015 zugetragen (vgl. a.a.O. S. 4). Während der Verhöre seien mehrere der Betroffenen beschuldigt worden, die LTTE wiederaufbauen zu wollen oder das Land in Unruhe zu bringen. 19 der Personen seien Opfer von Entführungen mittels weißer Lieferwagen geworden („White Van Abduction“). 16 der Personen hätten in der Vergangenheit eine Funktion der LTTE auf niedriger Stufe gehabt.
86 
Der Prevention of Terrorism Act (s. o. aa und a) ist weiterhin in Kraft (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7 und 12; auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, und Human Rights Watch, UN Human Rights Council: High Commissioner’s Report on human rights of Rohingya Muslims and other minorities in Burma/Maanmar and on Sri Lanka, 30.06.2016). Das Auswärtige Amt führt aus, die Regierung gebe an, 181 Personen seien auf seiner Grundlage inhaftiert, wobei die Mehrheit tamilischer Herkunft sei, die Zivilgesellschaft gehe hingegen von rund 250 Personen aus (a.a.O. S. 7). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verweist darauf, dass verschiedene Schätzungen „sich auf bis über 200 Personen“ beliefen (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6). Amnesty International zitiert eine Erklärung des Oppositionsführers Sampanthan vor dem Parlament, dass noch 217 Personen auf der Grundlage der Bestimmungen des PTA inhaftiert seien (Amnesty Report 2016, Sri Lanka). Nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wird er „weiterhin eingesetzt, um tamilische Personen zu verhaften, welche der angeblichen Verbindungen zur LTTE verdächtigt werden“ (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6; entsprechend Amnesty Report 2016, Sri Lanka; ferner Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Die Flüchtlingshilfe verweist auch auf eine sri-lankische Zeitung, die von Verhaftungen von Militärpersonal unter dem PTA berichtet hat.
87 
Rückkehrer müssen nach Einschätzung des Auswärtigen Amts grundsätzlich keine staatlichen Repressalien gegen sich fürchten, jedoch müssen sie sich nach Rückkehr Vernehmungen durch die Immigration, das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen; ob es zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 13). Mit solchen Vernehmungen ist insbesondere zu rechnen, wenn die rückkehrende Person keinen gültigen sri-lankischen Reisepass vorlegen kann; Fälle diskriminierender Behandlung solcher Personen (auch von Tamilen) sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (a.a.O. S. 14). Bei der Einreise mit gültigem sri-lankischem Reisepass würden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt; dies gelte auch für Zurückgeführte (a.a.O. S. 14).
88 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 aus (S. 1), dass es auch nach Amtsantritt des neuen Präsidenten zu Verhaftungen von tamilischen Rückkehrenden kam. Die Verhaftungen schienen oft mit angeblichen Verbindungen zur LTTE zusammenzuhängen. Eine zuvor erfolgte illegale Ausreise könne bei der Rückkehr ebenfalls zu einer Verhaftung führen. Die Flüchtlingshilfe führt nach diesen einleitenden Bemerkungen unter Berufung auf verschiedene Quellen einzelne Fälle auf. So verweist sie zunächst auf einen Bericht der Zeitung Ceylon News vom 19.04.2016, wonach ein aus Mullaitivu stammender Tamile bei seiner Rückkehr aus Doha am 12.04.2016 durch das Terrorist Investigation Department am Flughafen aufgegriffen und anschließend sieben Stunden verhört worden sei (a.a.O. S. 1 f.). Anschließend sei er mit der Aufforderung freigelassen worden, am nächsten Morgen das TID-Büro in Colombo aufzusuchen. Am folgenden Tag sei er dort verhaftet worden. Die Flüchtlingshilfe spricht außerdem etwa den Fall eines tamilischen Journalisten an, der nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka durch die sri-lankischen Behörden verhaftet worden sei (a.a.O. S. 2). Der Journalist und Aktivist sei im Jahr 2012 nach Australien geflohen und habe sich aufgrund der positiven Signale der aktuellen sri-lankischen Regierung für die Rückkehr entschieden. Er sei nach der Inhaftierung auf Kaution freigelassen worden. Ihm seien aber Auslandsreisen für fünf Jahre untersagt worden und er müsse sich jeden Monat im berüchtigten vierten Stock des Hauptquartiers des CID in Colombo melden. Unter Berufung auf TamilNet führt die Flüchtlingshilfe auch aus, dass viele tamilische Rückkehrende aus dem Nahen Osten in der jüngsten Zeit durch den sri-lankischen Militärgeheimdienst verhaftet worden seien (a.a.O. S 2). Die Flüchtlingshilfe zitiert schließlich etwa auch aus einem Bericht der International Crisis Group, wonach weiterhin rückkehrende tamilische Personen unter Anwendung des Prevention auf Terror Act (PTA) wegen des Verdachts auf zurückliegende LTTE-Verbindungen verhaftet würden; viele würden in durch das Militär betriebene Rehabilitationsprogramme geschickt.
89 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe trägt in der Auskunft vom 22.04.2016 auch vor, dass das International Truth & Justice Project Sri Lanka im Januar 2016 zu dem Schluss gekommen sei, dass tamilische Personen, welche aus dem Ausland zurückkehrten, überwacht würden (a.a.O. S. 4). So gebe es weiterhin ein umfangreiches Netzwerk von tamilischen Informanten, welche Rückkehrende beobachteten. Das sichere Verlassen des Flughafens sei deswegen keine Garantie für die spätere Sicherheit. Die Flüchtlingshilfe gibt ferner die Einschätzung von International Truth & Justice Project wieder, dass es für tamilische Personen im Ausland noch nicht sicher sei, nach Sri Lanka zurückzukehren, wenn die betroffene Person in der Vergangenheit eine Verbindung zur LTTE aufweise (a.a.O. S. 5).
90 
(2) Diese Erkenntnisse lassen, selbst wenn sich alle Angaben zu flüchtlingsschutzrelevanten Menschenrechtsverletzungen als zutreffend erweisen sollten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht den Schluss auf eine Gruppenverfolgung von Tamilen, auch nicht vom männlichen Tamilen aus dem Norden, zu. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nach wie vor nicht feststellen. Auch die Zahl an Verhaftungen und Überwachungen von Tamilen sowie an ihnen gegenüber vorgenommene Handlungen, die als Folter einzustufen sind, lässt nicht annähernd auf die Gefahr schließen, dass (nahezu) jedes Gruppenmitglied mit solchen Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei ist auch zu bedenken, dass nicht jede Verhaftung mit anschließendem Verhör schon eine Menschenrechtsverletzung darstellt.
91 
Der nach den vorliegenden Erkenntnismitteln bestehenden, im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2010 deutlich verbesserten Gesamtsituation der Tamilen in Sri Lanka hat der Kläger nichts entgegengehalten.
III.
92 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
93 
1. Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315; jüngst etwa Kammerbeschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16 - juris Rn. 12). Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfGE 80, 315). An gezielten Rechtsverletzungen fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfGE 80, 315, 335). Ob eine gezielte Verletzung von Rechten vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfGE 80, 315, 335).
94 
Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (BVerfGE 80, 315, 344). Nach dem hierdurch geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberechtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrte und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestände).
95 
Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (BVerfGE 80, 315, 344).
96 
Ergibt die rückschauende Betrachtung, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter regelmäßig in Betracht. Ergibt sie eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war. Steht fest, dass Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist ist und dass ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates im beschriebenen Sinn unzumutbar war, so ist er gemäß Art. 16a Abs. 1 GG asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Daher muss sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist; eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nicht geboten, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet.
97 
Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht (BVerfGE 80, 315, 345 f.). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere unzumutbare Nachteile oder Gefahren.
98 
2. Der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten steht entgegen, dass nach Überzeugung des Senats die nach dem Vorbringen des Klägers fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe nicht der Wahrheit entspricht (s. o. II. 2.) und er zum Zeitpunkt der Ausreise nicht Mitglied einer verfolgten Gruppe war (s. o. II. 3. a) sowie er ein solches auch zum heutigen Zeitpunkt nicht ist (s. o. II. 3. b bb).
IV.
99 
Der Kläger hat weiterhin nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in Sri Lanka ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
V.
100 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
VI.
101 
Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
102 
1. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines Gutachtens eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht gerichtet ist, zielt der Antrag auf die Klärung einer Rechtsfrage, nicht aber auf eine dem (Sachverständigen-)Beweis zugängliche Tatsachenfrage. Die Ermittlung der Rechtslage und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf einen konkreten Fall ist ureigene Aufgabe der Rechtsprechung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO: s. a. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 293 Rn. 1, nicht zuletzt unter Hinweis auf den Grundsatz „iura novit curia“). Die Ermittlung der Rechtslage ist infolgedessen in aller Regel keine Tatsachenfeststellung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist (Urteil vom 19.07.2012 - 10 C 2.12 - NJW 2012, 3461 Rn. 16; kritisch dazu Geimer, a.a.O. Rn. 14). Denn die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Auslegung und Anwendung auf seinen Fall der Kläger geklärt haben will, ist kein ausländisches Recht. Die EMRK gilt vielmehr in der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307, 315); deutsche Gerichte haben sie wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG, a.a.O. S. 317).
103 
b) Der Beweisantrag geht weiterhin von einer unzutreffenden Ausgangslage aus. Die Beklagte hat gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts das statthafte Rechtsmittel eingelegt; infolge des Suspensiveffekts (zunächst des Antrags auf Zulassung der Berufung, sodann der Berufung) war sie nicht verpflichtet, der ihr vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Folglich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Asylberechtigten inne.
104 
c) Die Auffassung des Klägers, der Senat sei infolge der Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof daran gehindert, auf die Berufung der Beklagten das verwaltungsgerichtliche Urteil zu ändern, teilt der Senat nicht. Er vermag weder dem vom Kläger ausdrücklich angesprochenen Art. 3 EMRK noch dem von ihm der Sache nach angesprochenen Art. 4 EMRK auch nur im Ansatz eine derartige Wirkung zu entnehmen. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unangemessen lange gedauert haben dürfte (vgl. § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Rechtsfolge einer unangemessenen Verfahrensdauer - die der Kläger allerdings nicht mit einer Verzögerungsrüge (vgl. § 198 Abs. 3 GVG) beanstandet hat - ist indessen grundsätzlich eine angemessene Entschädigung in Geld. Dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer über das Fehlen materieller Anspruchsvoraussetzungen hinweghelfen könnte, ist gesetzlich nicht vorgesehen und es besteht aus Sicht des Senats auch kein Anlass für eine hierauf gerichtete - was ihre Zulässigkeit angeht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/00 - BVerfGE 128, 193), problematische - richterliche Rechtsfortbildung. Auch der Kläger nennt keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die auch nur einen Ansatz für seine Auffassung bieten könnte.
105 
2. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gerichtet ist, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Ein solcher liegt vor, wenn Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - juris Rn. 133). Hiervon ist auszugehen, wenn für den Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BVerwG, Beschluss vom 17.09.2014 - 8 B 15.14 - juris Rn. 10). So liegt es hier. Zum einen hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass er tatsächlich darauf vertraut hat, als Asylberechtigter anerkannt zu werden; das wäre schon deshalb veranlasst gewesen, weil der Kläger bereits mit der Stellung des Zulassungsantrags damit rechnen musste, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben würde. Zum anderen und vor allem gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger infolge der Zurückweisung der Berufung psychisch erkranken würde. Der Kläger hat nicht vorgetragen, geschweige denn - etwa mittels Vorlage eines ärztlichen Schreibens - untermauert, gegenwärtig an einer psychischen (Grund-)Erkrankung zu leiden, die sich im Fall einer Klageabweisung verschlechtern würde.
106 
b) Abgesehen davon ist der Beweisantrag auch aus dem Grund abzulehnen, dass die vom Kläger in den Raum gestellte „gravierende psychische Reaktion … auch im Sinne einer psychischen Erkrankung“ keine entscheidungserhebliche Tatsache ist. Eine eventuelle psychische Erkrankung könnte im Rahmen der vorliegenden Klage lediglich Bedeutung hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Bedeutung erlangen. Hierfür ist erforderlich, dass sich eine vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leben und Leib führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr droht. Der Kläger stellt hier schon nicht eine Erkrankung unter Beweis, die bereits vorhanden ist, er behauptet vielmehr, im Fall der Abweisung seiner Klage zu erkranken. Hinzu kommt, dass von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht Schutz vor Abschiebung nicht bei Vorliegen jeglicher Erkrankung gewährt wird. Vielmehr schützt die Vorschrift nur vor einer erheblichen und alsbaldigen Verschlimmerung für den Fall einer Rückkehr. Darum geht es dem Kläger aber mit seinem Beweisantrag nicht.
VII.
107 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
108 
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.

Gründe

 
22 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit war in der Ladung zum Termin hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die nach Zulassung durch den 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (III.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (IV.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (V.). Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen (VI.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden:
26 
Der auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
28 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „höchsthilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
29 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
30 
1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
31 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 24 a.E.).
32 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 26 m.w.N.).
34 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 = NVwZ 2013, 936 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
35 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
36 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
37 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (zur so genannten Gruppenverfolgung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 30 ff.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
38 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die auch vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylG, Art. 8 QRL).
39 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie durch § 3c Nr. 3 AsylG (vgl. Art. 6 Buchstabe c QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
40 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne des § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit.
41 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
42 
2. Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft nicht aus individuellen Verfolgungsgründen zuzuerkennen. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe der Wahrheit entspricht. Vielmehr spricht nach Auffassung des Senats vieles dafür, dass der Kläger den wahren Grund für seine Ausreise nach wie vor für sich behält.
43 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen zunächst aus dem Grund ganz erhebliche Zweifel, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Einreise im September 2008 nicht miteinander in Einklang zu bringende Angaben zu den Gründen seiner Flucht gemacht hat. So gab er bei der Bundespolizei im Wesentlichen an, er habe schon seit zwei Jahren versucht, Sri Lanka zu verlassen, sei seit über zehn Jahren Mitglied der LTTE, habe lange Zeit das sri-lankische Militär mit Bargeld bestochen und müsse damit rechnen, vom Militär grundlos verhaftet zu werden. Von einer Entführung und Erpressung durch Mitglieder tamilischer regierungsnaher Organisationen war nicht im Ansatz die Rede. Es besteht für den Senat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass der Kläger die in den Wortprotokollen über die Vernehmungen niedergelegten Angaben gemacht hat. Nicht zuletzt wurden die Vernehmungen, bei denen ein Dolmetscher für die tamilische Sprache eingebunden war, ausweislich von beigefügten Vermerken dem Kläger vorgelesen und von ihm genehmigt. Plausible Gründe dafür, dass die Vernehmungen unrichtig wiedergegeben worden sein könnten, hat der Kläger im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung nicht gemacht; er hat sich - darauf angesprochen - mehrmals darauf beschränkt zu bestreiten, die in den Protokollen festgehaltenen Angaben gemacht zu haben. Eine ganz andere Verfolgungsgeschichte hat der Kläger dann in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt: Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass Leute ihn mitgenommen und von ihm Geld verlangt hätten; dann hätten sie ihn wieder gehen lassen. Auf Nachfragen des Anhörenden berichtete er unter anderem, die Entführung habe am 14.04.2008 stattgefunden, er sei sechs Tage in einem Haus festgehalten und ihm sei dann eine dreimonatige Zahlungsfrist gewährt worden.
44 
Die angebliche Entführung und Erpressung hat der Kläger dann auch in der mündlichen Verhandlung als Ereignis genannt, das bei ihm erst den Entschluss zur Flucht ins Ausland hat reifen lassen. Allerdings konnte er dem Senat nicht den Eindruck vermitteln, von etwas tatsächlich Erlebtem zu berichten; es spricht vielmehr viel dafür, dass der Kläger ein Schicksal, das andere Personen erlitten haben, auf sich projiziert hat. Auf die eingangs seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Grund seiner Ausreise nannte der Kläger in einigen wenigen Sätzen lediglich Eckpunkte der angeblichen Entführung und Erpressung. Wesentlich ausführlicher, detailreicher und nach Einschätzung des Senats durchaus glaubhaft wurden dann erst die Schilderungen seines Reisewegs, auf die sich die Fragestellung indes überhaupt nicht erstreckte. Die gezielten Nachfragen brachten dann auch keine Ausführungen, die den Schluss zulassen könnten, dass sich das Geschehen tatsächlich so wie vom Kläger behauptet ereignet hat. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass ihm selbstverständlich bewusst ist, dass die Erinnerung an Ereignisse mit zunehmendem Zeitablauf nachlässt; allerdings wäre die vom Kläger behauptete Entführung und Erpressung ein so einschneidendes Ereignis gewesen, dass auch nach über acht Jahren zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger zumindest einige für die Richtigkeit seiner Angaben sprechende Details hätte schildern können. Das hat er indes nicht getan. Auf die gezielten Fragen antwortete er meist wortkarg. Einzelheiten zu dem Raum etwa, in dem er immerhin sechs Tage festgehalten worden sein will, konnte er mit Ausnahme solcher, die letztlich nur ein geringes Maß an Einfallsreichtum erfordern (angebliche Größe, weiße Wandfarbe, Licht an der Decke) nicht liefern. Angaben dazu, ob der Raum Fenster hatte, wie er möbliert war und dabei insbesondere, ob er eine als solche zu bezeichnende Schlafgelegenheit hatte, wie sie eigentlich zu erwarten gewesen wären, machte der Kläger nicht. Auf die Forderungen der Entführer angesprochen verwies der Kläger stets nur auf deren Verlangen von Geld. Mit welchen Nachteilen die Entführer für den Fall der Nichtzahlung gedroht haben, war dem Kläger keiner nähren Erwähnung wert. Blass blieben auch die Ausführungen zu der angeblichen Folter. Nachdem er zunächst lediglich die Behauptung von Folter in den Raum gestellt hatte, verwies er auf Nachfrage nur darauf, dass er geschlagen worden sei. Auf weitere Nachfrage gab er sodann an, er sei mit Stiefeln getreten und mit einem Holzknüppel geschlagen worden. Wie viele Personen ihn angeblich geschlagen und getreten haben, welche Körperstellen betroffen waren und ob und welche Verletzungen er infolge der Misshandlungen erlitten hat, blieb unerwähnt. Hinzu kommt, dass es sich insoweit um gesteigertes Vorbringen handelt, da der Kläger die Thematik „Folter“ erstmals vor dem Senat erwähnt hat. Auf entsprechenden Vorhalt hat er lediglich erklärt, er sei wohl bei seiner Anhörung nicht ausdrücklich danach gefragt worden. Sollte er allerdings tatsächlich gefoltert worden sein, erscheint es fernliegend, dass er auf diesen Umstand nicht von sich aus hingewiesen hätte.
45 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch seine Angaben zu dem weiteren Geschehen nach seiner angeblichen Freilassung. Davon, dass die Erpresser bereits im Juni 2008 bei ihm zu Hause vorbeigekommen seien, wie er es in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht berichtet. Vielmehr verwies er darauf, dass die Erpresser seine bisherige Unterkunft am 20.07.2008, dem Tag des angeblichen Fristablaufs, aufgesucht hätten. Diese Angabe passt allerdings in keiner Weise zu den Ausführungen seiner Ehefrau in dem dem Bundesamt vorgelegten Brief vom 15.10.2008, wonach die Entführungsbande jetzt häufiger zu ihr nach Hause komme. Erst nach zahlreichen, eindringlichen Nachfragen, nicht zuletzt seines Prozessbevollmächtigten, gab der Kläger an, dass es auch nachfolgend - zuletzt im Jahr 2009 oder im Jahr 2010 - Probleme gegeben habe. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch einerseits angegeben, seine Ehefrau lasse sich durch ihren Bruder bei Besuchen der Erpresser verleugnen. Andererseits gab der Kläger an, es gebe Probleme, wenn die Erpresser seine Ehefrau sehen.
46 
Offenbleiben kann nach Vorstehendem, ob die Entführung und Erpressung überhaupt von flüchtlingsschutzrelevanter Bedeutung gewesen wären. In Betracht käme hier lediglich eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 3 AsylG). Der Kläger hat auf die Frage, weshalb er als Opfer der Entführung und Erpressung ausgewählt worden sei, geantwortet, dies sei geschehen, weil er wohlhabend gewesen sei. Diese Aussage ist zunächst erstaunlich, will der Kläger die - nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung, die nicht mit der Angabe in der Anhörung beim Bundesamt übereinstimmt (damals: drei Millionen Rupien) - für die Organisation der Ausreise gezahlten zwei Millionen Rupien insbesondere durch den Verkauf von Goldschmuck seiner Frau und die Aufnahme eines Darlehens aufgebracht haben. Der Aussage lässt sich aber vor allem entnehmen, dass sich der Kläger zumindest im Wesentlichen als Opfer krimineller Machenschaften sah; eine Verbindung mit seiner tamilischen Volkszugehörigkeit oder gar seiner behaupteten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE war für den Senat nicht erkennbar.
47 
Eine staatliche Verfolgung hat der Kläger schon nicht als Grund für seine Ausreise behauptet. Nicht zuletzt da dem Kläger offensichtlich ohne Probleme ein Reiseausweis ausgestellt wurde und er legal und ungehindert das Land verlassen konnte, bestehen hierfür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vom Kläger erst auf Nachfragen angeführten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE (Helfen beim Aufbauen und Dekorieren einer Bühne) waren, die Richtigkeit der Angaben unterstellt, allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Dass er konkret durch sie ins Visier der Sicherheitskräfte geraten sein könnte, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung gerade nicht vorgetragen. Es blieb insoweit bei der allgemein gehaltenen Behauptung, Armeeangehörige hätten die Veranstaltungen an den Großheldentagen überwacht.
48 
3. Auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gruppenverfolgung kommt nicht in Betracht.
49 
Tamilen waren zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im August 2008 keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt (dazu a). Sie sind es auch heute nicht (dazu b).
50 
a) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers und bezogen auf den Zeitpunkt seiner Ausreise im Wesentlichen wie im Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 09.11.2010 (A 4 S 703/10, juris) bezogen auf das Jahr 2007 dar. Dort heißt es (a.a.O. Rn. 46 ff.):
51 
Die Lage in Sri Lanka stellte sich 2007 nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen wie folgt dar:
52 
In Sri Lanka lebten 2007 geschätzt 20,01 Millionen Menschen. Der Anteil der tamilischen Bevölkerung lag ungefähr bei 10 % (Fischer-Weltalmanach 2010, S. 474). Nach den Angaben des Ministeriums für Volkszählung und Statistik lebten 2006 im Großraum Colombo 2.251.274 Einwohner, davon waren 247.739 tamilische Volkszugehörige sri-lankischer Staatsangehörigkeit und 24.821 indische Tamilen (vgl. UK Home Office, Country of Origin Report Sri Lanka vom 15.11.2007, S. 122, Nr. 20.13).
53 
Die innenpolitische Lage Sri Lankas war von dem jahrzehntelangen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen bestimmt. Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung [und] der tamilischen Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) aus dem Februar 2002 war von Präsident Rajapakse im Januar 2008 offiziell aufgekündigt worden, nachdem es von beiden Seiten seit langem nicht mehr eingehalten worden war. Bereits ab November 2005 war es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch die LTTE und die im Jahr zuvor von ihr abgespaltene, mit der Regierung kollaborierende Karuna-Gruppe unter „Oberst Karuna“ (Muralitharan Vinayagamurthi), einem ehemaligen Vertrauten des LTTE-Führers Prabahakaran, gekommen. Seit April 2006 hatte die Regierung versucht, die LTTE, die zu diesem Zeitpunkt noch den Norden und Osten des Landes kontrollierte, mit offensiven Maßnahmen zurückzudrängen. Ab Mitte 2006 war es dann zu großflächigen, längeren Kampfhandlungen gekommen. Unterstützt von den paramilitärischen Einheiten der Karuna-Gruppe, die sich als Vertretung der Ost-Tamilen verstand, konnten die Streitkräfte im Juli 2007 nach den vorhergehenden Rückzug der LTTE-Soldaten die letzten von der LTTE gehaltenen Stellungen im Osten Sri Lankas einnehmen (Lagebericht des AA vom 07.04.2009, Stand März 2009, S. 5).
54 
Eine systematische und direkte Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen Rasse, Nationalität oder politischer Überzeugung von Seiten der Regierung fand seit dem Waffenstillstandsabkommen von 2002 nicht statt (Lageberichte des AA vom 26.06.2007, Stand Juni 2007, S. 6 und vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 7). Allerdings standen Tamilen im Generalverdacht, die LTTE zu unterstützen, und mussten mit staatlichen Repressionen rechnen. Sie wurden nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt. Sie sind aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, Pkw-Kontrollen und Verhaftungen bei Vorliegen schon geringster Verdachtsmomente richteten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des „Terrorism Prevention Act“ Ende 2006 - ein Notstandsgesetz, das Verhaftungen ohne Haftbefehl und eine Inhaftierung bis zu 18 Monaten erlaubt, wenn die Behörden insbesondere den Verdacht terroristischer Aktivitäten haben (vgl. SFH, Sri Lanka, Aktuelle Situation, Update vom 11.12.2008, S. 3) - war die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wurde, musste mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung hat kommen müssen (Lagebericht des AA vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 8). So wurden am 30. und 31.12.2005 im Rahmen der von Militär und Polizei in Colombo durchgeführten Operation „Strangers Night III.“ 920 Personen, die weit überwiegende Mehrheit Tamilen, verhaftet (Human Rights Watch, Return to War - Human Rights under Siege - August 2007, S. 74).
55 
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in seiner Stellungnahme zum Bedarf an internationalem Schutz von Asylsuchenden aus Sri Lanka vom 01.02.2007, die eine Zusammenfassung und Teilübersetzung der „UNHCR Position on the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Sri Lanka (December 2006)“ enthält, unter anderem ausgeführt, dass von der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage im besonderem Maße Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes betroffen seien. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass bei dem Verdacht, dass sie Verbindungen zur LTTE unterhalten, Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Behörden oder mutmaßlich von der Regierung gestützte Paramilitärs drohten (S. 2). Für Tamilen aus Colombo bestand aufgrund der im April bzw. Dezember 2006 drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen ein erhöhtes Risiko, willkürlichen, missbräuchlichen Polizeimaßnahmen - insbesondere Sicherheitskontrollen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen oder Leibesvisitationen - unterworfen zu werden. Tamilen aus Colombo waren darüber hinaus besonders gefährdet, Opfer von Entführungen, Verschleppungen oder Tötungen zu werden. Zwischen dem 20.08.2006 und dem 02.09.2006 waren Presseberichten zufolge mehr als 25 Tamilen entführt worden, nur zwei Personen waren bis zum Dezember 2006 wieder freigekommen (S. 2 f.). Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der dauernden Bedrohung durch terroristische Attacken im Großraum Colombo waren teilweise für die gesamte tamilische Minderheit bedrohlich und stellten ihre Sicherheit in Frage. Extralegale Tötungen, die seit jeher Teil des Konflikts gewesen waren, wurden seit Dezember 2005 auch in signifikanter Zahl von Regierungsseite verübt. Viele Taten sind an gewöhnlichen Personen begangen worden, die kaum erkennbar in Verbindung zu dem Konflikt standen. Teilweise handelte es sich um Teile eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschahen sie aus politischen Motiven. Sie konnten aber auch einen kriminellen Hintergrund haben (Asylsuchende aus Sri Lanka, Position der SFH vom 01.02.2007 S. 5).
56 
Die International Crisis Group hat in ihrem Bericht vom 14.06.2007 (Sri Lanka’s Human Rights Crisis, Asia Report N. 135) unter anderem festgehalten, dass die Anzahl der Verschwundenen in den letzten achtzehn Monaten nur schwerlich mit Sicherheit festzustellen sei. Verschiedene verlässliche Quellen berichteten von mehr als 1.500 Betroffenen, wobei das Schicksal von mindestens 1.000 Personen unklar gewesen sei. Die höchste Anzahl von Betroffenen sei in den von der Regierung kontrollierten Bereichen Jaffnas festzustellen gewesen. Dort seien 731 Fälle registriert worden, in 512 Fällen gebe es noch keine Aufklärung. Im Großraum Colombo sei es zu mehr als 70 berichteten Fällen von Entführungen und des Verschwindenlassens gekommen. Die meisten der Betroffenen seien junge tamilische Volkszugehörige gewesen, die der Zusammenarbeit mit der LTTE verdächtigt worden seien. Auch eine Vielzahl von Personen ohne Verbindung zur LTTE seien Opfer dieses Verschwindenlassens geworden.
57 
Human Rights Watch (HRW) geht in seinem Bericht aus dem August 2007 (Return to War - Human Rights under Siege -) davon aus, dass Entführungen und Fälle des Verschwindenlassens seit August 2006 auch in Colombo zu einer weitverbreiteten Erscheinung geworden seien. Die Organisation gelangt auf der Grundlage von Gesprächen mit 26 Familien von verschwundenen Personen zu dieser Aussage (S. 53 f.). Landesweit geht HRW für den Zeitraum vom 14.09.2006 bis zum 25.02.2007 von 2.020 Fällen Entführter oder sonst verschwundener Personen aus. „Ungefähr 1.134 Personen“ seien lebend wieder aufgefunden worden, die anderen seien weiterhin vermisst (S. 7).
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Nach dem Country Report on Human Rights Practices zu Sri Lanka des U.S. Department of State 2007 vom 11.03.2008 waren extralegale Tötungen in Jaffna an der Tagesordnung. Zwischen dem 30.11.2007 und dem 02.12.2007 sind nach zwei Bombenangriffen der LTTE in und um Colombo beinahe 2.500 tamilische Volkszugehörige in der Hauptstadt und geschätzte 3.500 Tamilen im ganzen Land verhaftet worden. Die Inhaftierten, überwiegend männliche tamilische Zivilisten sollen allein aufgrund ihrer tamilischen Nachnamen verhaftet worden sein. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wurde bald wieder freigelassen. Zum Jahreswechsel waren nur noch zwölf von 372 im Boosa detention camp Inhaftierten in Gewahrsam.
59 
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich selbst dann, wenn alle Angaben zutreffen sollten, zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers Ende November 2007 nicht auf eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen schließen. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nicht feststellen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wurde keine Volksgruppe gezielt allein wegen eines unveränderlichen Merkmals verfolgt. Die Anzahl der festzustellenden Übergriffe lässt nicht ohne weiteres auf die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit eines jeden Gruppenmitglieds schließen. Selbst wenn alle Übergriffe im Großraum Colombo zwischen November 2005 und Dezember 2007 dem sri-lankischen Staat zuzurechnen wären - tatsächlich sind dabei auch Übergriffe der LTTE und „rein kriminelle Übergriffe“ mit dem Ziel der Lösegelderpressung unter den registrierten Fällen - und alle Inhaftierungen - auch die von bloß kurzer Dauer von nicht mehr als drei Tagen - gezählt werden, ist das Verhältnis von 3.400 Verhaftungen zu mehr als 240.000 tamilischen Einwohnern angesichts des Zeitraums von zwei Jahren nicht geeignet, eine Regelvermutung der Gefährdung eines jeden Gruppenmitglieds zu rechtfertigen. Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass 2.500 der Inhaftierten nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden sind und damit keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 RL 2004/83/EG erdulden mussten, ergibt sich eine Betroffenheit von 0,3 % der gesamten tamilischen Bevölkerung. Dieser - für die Bewertung des Standards der Achtung der Menschenrechte insoweit gleichwohl hohe - Prozentsatz der Betroffenen innerhalb eines Zweijahreszeitraums führt nicht zum Schluss auf die erforderliche aktuelle Gefahr der Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds.
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Zu einer anderen Beurteilung bezogen auf den Zeitpunkt August 2008 besteht kein Anlass. Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.
61 
b) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers derzeit wie folgt dar:
62 
aa) Bezogen auf den Zeitpunkt November 2010 führte der erkennende Gerichtshof in seinem Urteil vom 09.11.2010 aus (a.a.O. Rn. 57 ff.):
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Am 19.05.2009 hat der sri-lankische Staatspräsident Mahinda Rajapakse in einer Parlamentsansprache den Sieg der Regierungstruppen über die tamilische Separatistenorganisation LTTE verkündet. Tags zuvor war nach den Angaben des Militärs bei einem der letzten Gefechte der LTTE-Anführer Velupillai Prabhakaran ums Leben gekommen, nachdem zuvor fast die gesamte militärische und politische Führung der LTTE umgekommen war. Der seit 1983 mit Unterbrechungen währende Bürgerkrieg war damit beendet (Lagebericht des AA vom 02.09.2009, Stand: August 2009, S. 6). Hunderttausende Menschen mussten während des Bürgerkriegs ihre Heimatorte im tamilischen Norden und Osten des Landes verlassen. Als Binnenvertriebene suchten sie Zuflucht in weniger gefährdeten Gebieten des Landes. Viele entschieden sich auch dafür, ins Ausland zu gehen. In der Ostprovinz konnten die Binnenvertriebenen inzwischen bis auf einige Ausnahmen in ihre Heimatgemeinden zurückkehren (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 8). Rund 300.000 Zivilpersonen waren in den letzten Monaten des Bürgerkriegs im von der LTTE gehaltenen, kontinuierlich schrumpfenden Gebiet eingeschlossen. Notgedrungen zogen sie mit den LTTE-Verbänden mit und waren in der zuletzt nur wenige Quadratkilometer ausmachenden Kampfzone im Nordwesten des Landes allen Schrecken dieser Kämpfe ausgesetzt. Nach deren Beendigung brachte sie die Armee in geschlossenen Lagern hauptsächlich in Vavuniya im nördlichen Vanni unter, zu denen nationale und internationale Hilfsorganisationen lange nur eingeschränkt Zugang hatten. Die Regierung begründete diese Lagerunterbringung mit der Notwendigkeit, sich unter den Binnenvertriebenen verbergende ehemalige LTTE-Kämpfer herauszufiltern, und der Unmöglichkeit, die Betroffenen in noch verminte Heimatorte zurückkehren zu lassen. Einigen wenigen wurde die Rücksiedlung im Juni 2009 gestattet. Im August 2009 begann dann sehr zögerlich ein Rücksiedlungsprozess, der im Oktober größeren Umfang annahm und sich ab Dezember wieder verlangsamte, da die Herkunftsorte der Verbliebenen (im Juni 2010 waren noch knapp 60.000 Personen in Lagern untergebracht) noch erheblich zerstört und vermint sind. Einem gesonderten Regime unterliegen die geschlossenen, so genannten „Rehabilitationslager“, in denen rund 8.000 ehemalige LTTE-Kämpfer (bzw. Personen, die insoweit verdächtigt werden) untergebracht sind. Zu diesen Lagern haben weder das IKRK noch Hilfsorganisationen Zugang. Die Antiterrorgesetze von 1979 (Prevention of Terrorism Act) haben weiter Bestand. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere in Colombo, einschließlich der zahlreichen Kontrollpunkte von Polizei und Militär, werden aufrecht erhalten (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 9 f.).
64 
Zu den Insassen der „Rehabilitationslager“ hat Human Rights Watch festgestellt, dass zwar die meisten der Verdächtigten in den letzten Wochen der Kampfhandlungen und in der Zeit unmittelbar danach inhaftiert worden seien, dass aber auch neue Inhaftierungen, nämlich im Oktober 2009, erfolgt seien (Human Rights Watch, Legal Limbo - The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, Februar 2010, S. 6).
65 
In unterschiedlichen Bereichen kommt es zu staatlichen repressiven Maßnahmen, die Anzeichen für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung aufweisen. Davon sind nicht nur Tamilen betroffen, sondern auch regierungskritische Singhalesen. So werden oppositionelle Parlamentsabgeordnete, die der Regierung gefährlich werden können, unter fadenscheinigen Vorwürfen verhört, verhaftet oder bedroht. Der Generalverdacht, dass jeder Tamile ein Anhänger, Unterstützer oder gar Mitglied der LTTE war und ist, wird im singhalesischen Teil der Gesellschaft von vielen geteilt, insbesondere bei den staatlichen Sicherheitskräften (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 10 f.).
66 
Für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es keine Anhaltspunkte, sie müssen aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - jederzeit mit staatlichen Repressionen rechnen. Die ständigen Razzien und Hausdurchsuchungen, schikanösen Behandlungen (Beleidigungen, langes Warten, exzessive Kontrolle von Fahrzeugen, Erpressung von Geldbeträgen) bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und Verhaftungen richten sich vor allem gegen Tamilen, wobei aus dem Norden und Osten stammende Tamilen darunter noch in höherem Maße zu leiden haben. Durch Anwendung des Prevention of Terrorism Act ist die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder einer Anklageerhebung kommen muss. Die Situation hat sich seit Beendigung der Kampfhandlungen nicht verbessert (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 11).
67 
Ein Asylantrag im Ausland, der von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen wird, sich einen Aufenthaltsstatus zu verschaffen, begründet in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Sri Lanka niederlassen wollen, müssen indes einen Anfangsverdacht und entsprechendes Misstrauen bis zu Schikanen durch die Sicherheitsorgane gegenwärtigen. Mindestens ebenso stark steht unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden war. Das Ende der Kampfhandlungen hat diesbezüglich nicht zu einer Entspannung geführt. Am 26.05.2010 wurde am Flughafen Colombo bei der Einreise eine in Deutschland ansässige Sri-Lankerin unter dem Verdacht der LTTE-Unterstützung festgenommen, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Gelder eingesammelt und im Frühjahr letzten Jahres Demonstrationen organisiert haben soll. Belastbaren Berichten anderer Botschaften zufolge gibt es Einzelfälle, in denen zurückgeführte Tamilen nach Ankunft in Colombo unter LTTE-Verdacht festgenommen wurden (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 24).
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Aus dem „Report of Information Gathering Visit to Colombo, Sri Lanka, 23. bis 29. August 2009“ vom 22.10.2009 des „U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate“ (FCO), für den sowohl staatliche sri-lankische Stellen als auch Nichtregierungsorganisationen befragt wurden, ergibt sich, dass unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit nicht freiwillig nach Sri Lanka zurückkehrende Personen dem Criminal Investigation Department zur Feststellung der Staatsangehörigkeit und Kontrolle des Vorstrafenregisters überstellt werden. Die Befragung kann mehr als 24 Stunden dauern. Die Betroffenen werden erkennungsdienstlich behandelt. Abhängig vom Einzelfall ist eine Überstellung an den Geheimdienst (State Intelligence Service) oder das Terrorist Investigation Department zum Zwecke der Befragung denkbar. Jeder, der wegen eines Vergehens gesucht wird, muss mit seiner Verhaftung rechnen. Vorbestrafte oder Personen mit Verbindungen zur LTTE werden weitergehend befragt und gegebenenfalls in Gewahrsam genommen. Laut Nichtregierungsorganisationen würden Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes einer genaueren Überprüfung als andere unterzogen. Verschiedene Faktoren, nämlich ein offener Haftbefehl, Vorstrafen, Verbindungen zur LTTE, eine illegale Ausreise, Verbindungen zu Medien oder Nichtregierungsorganisationen und das Fehlen eines Ausweises (ID Card) oder anderer Personaldokumente, erhöhten das Risiko, Schwierigkeiten bei der Einreise zu bekommen, einschließlich einer möglichen Ingewahrsamnahme (S. 5). Hingegen konnte keine der befragte Quellen angeben, dass sichtbare Narben einen Einfluss auf die Behandlung bei der Einreise haben könnten. Im Falle, dass der Verdacht einer Verbindung zur LTTE bestünde, könnten solche Narben Anlass zu einer Befragung sein, jedoch würden diesbezüglich keine körperlichen Untersuchungen durchgeführt (S. 16).
69 
Überwiegend hätten die Befragten angegeben, dass die Anzahl der Razzien (cordon and search operations) in den letzten Monaten nicht zurückgegangen sei. Es gebe keine Informationen zu der Anzahl möglicher Festnahmen. Grundsätzlich seien junge männliche Tamilen, die aus dem Norden oder Osten des Landes stammten, im Zuge von Razzien einem besonderen Festnahmerisiko ausgesetzt. Die bereits genannten Faktoren erhöhten das Risiko. Tamilen ohne Beschäftigung oder „legitimen Aufenthaltsgrund“ würden ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als verdächtig angesehen (S. 5).
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Nach ganz überwiegender Meinung der Befragten hat es - wenn überhaupt - seit Juni 2009 nur noch sehr wenige Entführungen / Fälle des Verschwindenlassens gegeben. Die Entführungen erfolgten demzufolge sowohl zur Lösegelderpressung als auch aus politischen Gründen. Die Nichtregierungsquellen stimmten weitgehend darin überein, dass die Sicherheitskräfte in den meisten Fällen in gewisser Weise beteiligt seien und die Polizei keine ernsthaften Ermittlungen durchführe (S. 5 f.). Bei den Straßenkontrollen im Großraum Colombo, die nach Angabe der meisten Befragten nicht nennenswert reduziert worden seien, würde es nur sehr selten zu Festnahmen kommen. Seit Juni 2009 seien keine bekannt geworden.
71 
Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.06.2010 und der (ältere) Bericht des U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate ergänzen sich. Jedenfalls die hier zitierten allgemeinen Feststellungen (S. 5 f.), die auf mindestens weit überwiegend übereinstimmenden Angaben der Befragten beruhen, sind geeignet, die insoweit knapper gehaltenen Aussagen der Lageberichte zu den Gefährdungen von Tamilen zu illustrieren. Eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen (im wehrfähigen Alter) lässt sich auf der Basis der wiedergegebenen Erkenntnisse nicht feststellen. Insbesondere angesichts des Umstands, dass Verhaftungen bei Razzien ebenso selten geworden sind wie an Straßenkontrollpunkten und Fälle des Verschwindenlassens ebenfalls kaum mehr vorkommen, lässt sich eine generelle staatliche oder staatlich tolerierte Verfolgung der Gruppe der Tamilen nicht feststellen. Anderes lässt sich auch nicht aus dem Fortbestehen der „rehabilitation camps“ schließen. Denn jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass nach deren Begründung noch Personen in einer für die Annahme einer Gruppenverfolgung aller - jedenfalls der im wehrfähigen Alter befindlichen - Tamilen relevanten Größenordnung in diese Lager verbracht worden sind. Aus dem vom Kläger zitierten Bericht von Human Rights Watch, Legal Limbo, The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, ergibt sich unter Bezugnahme auf den „Indian Express“ vom 28. Oktober 2009, dass mindestens 300 LTTE Kader, die sich unter den Binnenvertriebenen versteckt hätten, verhaftet worden seien. Damit ist weder ein Bezug zu der Gruppe aller Tamilen oder jedenfalls derjenigen im wehrfähigen Alter aufgezeigt noch ergibt sich aus den berichteten Vorkommnissen, dass diese bis zum Tag der mündlichen Verhandlung gleichsam an der Tagesordnung gewesen wären.
72 
Die Einlassung des Klägers, aus dem zitierten Bericht von Human Rights Watch ergebe sich eine Zunahme der Fälle des Verschwindenlassens, vermag stichhaltige Indizien für eine Gruppenverfolgung aller (wehrfähigen) Tamilen nicht darzutun. Den dortigen Ausführungen im Unterkapitel „Concerns about Possible Enforced Disappearances“ sind vielmehr zunächst zwei Einzelfälle des Verschwindens nach Ende des Bürgerkriegs zu entnehmen. Darüber hinaus wird über eine Internierung von Dutzenden von Personen aus dem Lager „Menik Farm“ berichtet. Es wird weiter geschildert, dass das Schicksal der internierten Personen häufig - bis zum Tag des Berichts - unklar geblieben sei. Daraus lässt sich ein erhöhtes Risiko für solche Personen ableiten, die aus Sicht der Behörden im Verdacht stehen, mit der LTTE zusammengearbeitet haben, nicht jedoch eine Gruppenverfolgung aller (jungen männlichen) Tamilen. Der gegen alle Tamilen gerichtete so genannte „Generalverdacht“ führt offenkundig für sich genommen noch nicht regelmäßig zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden. Vielmehr kommt es auf individuell gefahrerhöhende Umstände an, bei deren Vorliegen im Einzelfall eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen sein kann.
73 
Auch aus dem vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Gutachten des European Center for Constitutional and Human Rights „Study on Criminal Accoutability in Sri Lanka as of January 2009“ aus dem Juni 2010 lässt sich die von ihm behauptete Gruppenverfolgung nicht ableiten. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass die Anzahl der in den „welfare centers“ in Gewahrsam gehaltenen Personen von 280.000 (zwischen März 2008 und Juni 2009) bis in den Januar 2010 auf rund 80.000 abgenommen hat. Dem Bericht, der sich mit den Zuständen in den Lagern beschäftigt, ist nicht zu entnehmen, dass sri-lankische Staatsangehörige nach ihrer Wiedereinreise dazu gezwungen worden wären, in solchen Lagern zu leben. Weiter beschäftigt sich das Gutachten unter Zitierung des bereits erwähnten Berichts von Human Rights Watch aus dem Februar 2010 mit der Behandlung von der LTTE-Mitgliedschaft Verdächtigten. Auch diesen Ausführungen ist nichts zu einer anhaltenden Verhaftungswelle - wie sie für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendig wäre - nach Beendigung des Bürgerkriegs und in den folgenden Monaten im Jahr 2009 zu entnehmen.
74 
Schließlich führt insoweit der Verweis des Klägers auf die Lageeinschätzung der International Crisis Group vom 17.02.2010, die sein Prozessbevollmächtigter im „Parallelverfahren“ (A 4 S 693/10) vorgelegt hat, nicht zum Erfolg seiner Klage. Dem Bericht ist zwar zu entnehmen, dass das Vorgehen der Regierung im Norden und Osten des Landes zur Verängstigung und Entfremdung der Minderheiten führe. Das aus dieser Behandlung aber ein systematisches Ausgrenzen der tamilischen Minderheit aus der staatlichen, übergreifenden Friedensordnung im Sinne einer Entrechtung abzuleiten wäre, ergibt sich weder aus diesem Bericht noch aus der Gesamtschau. Ebenso wenig lässt sich ein staatliches Verfolgungsprogramm hinsichtlich aller Tamilen oder auch nur der im wehrfähigen Alter befindlichen Gruppenmitglieder feststellen. Anderes kann möglicherweise für die im Zuge der Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen unmittelbar in den rehabilitation camps Inhaftierten oder die aus den Flüchtlingslagern „herausgefilterten“, in rehabilitation camps verbrachten Personen gelten. Jedoch ist ein solches systematisches Vorgehen gegenüber etwa in Colombo lebenden Tamilen nicht feststellbar.
75 
Die rechtliche Einschätzung zur fehlenden begründeten Furcht vor einer Gruppenverfolgung entspricht auch der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 08.07.2009 - 3 A 3295/07.A - und vom 24.08.2010 - 3 A 864/09.A -) und - der Sache nach - des UK Asylum and Immigration Tribunal (TK (Tamils - LP updated) Sri Lanka CG [2009]UKAIT 00049 RdNr. 73).
76 
bb) Erst recht ist die Annahme einer Gruppenverfolgung zum derzeitigen Zeitpunkt (Oktober 2016) nicht gerechtfertigt.
77 
(1) In Sri Lanka leben nach Auskunft des Auswärtigen Amts (Länderinformation, Stand: Februar 2015) 20,7 Millionen Menschen. Der Anteil der Sri-Lanka-Tamilen beträgt 11,2 % (auch Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7); es ist mithin von etwa 2,3 Millionen Volkszugehörigen auszugehen. „Indian Tamils“ machen 4,2 % der Bevölkerung aus.
78 
Am 08.01.2015 wurde Maithripala Sirisena bei der Präsidentenwahl, bei der die Wahlbeteiligung bei 81,5 % lag, zum Präsidenten Sri Lankas gewählt. Er setzte sich mit 51,28 % der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Rajapaksa durch, der 47,58 % erhielt. Am 17.08.2015 fanden Parlamentswahlen statt, die nach Einschätzung des Auswärtigen Amts frei und fair waren (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6). Die Tamilenpartei ITAK erhielt 4,62 % der Stimmen und damit 16 Mandate, sie stellt mit Rajavarothiam Sampanthan den Oppositionsführer (a.a.O.).
79 
Mit dem Amtsantritt Sirisenas am 09.01.2015 hat sich die politische Situation in Sri Lanka nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5) erheblich zum Positiven verändert. Demokratie und Rechtsstaat seien gestärkt worden. Die Menschenrechte, insbesondere die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden wieder respektiert. Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition seien nicht mehr eingeschränkt (a.a.O. S. 7). Menschenrechtsorganisationen hätten größere Freiräume (a.a.O. S. 6). So genannte Verschwundenen-Fälle seien seit dem Amtsantritt der neuen Regierung nicht mehr bekannt geworden (a.a.O. S. 12).
80 
Das Auswärtige Amt merkt in seinem jüngsten Lagebericht aber auch an, dass insbesondere im Norden und Osten noch nicht alle Menschenrechtsverletzungen abgestellt seien (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Einzelne Menschenrechtsvertreter würden dort vom Sicherheitsapparat verfolgt und ihre Gesprächspartner würden gelegentlich noch von Sicherheitskräften ausgefragt (a.a.O. S. 6, auch S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte von Menschenrechtsverteidigern zu Überwachungen durch die Polizei und das Militär im Norden und Osten sowie Befragungen). Die Polizei wende mitunter noch immer unverhältnismäßigen Zwang an (a.a.O. S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Beschwerden über die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt bei Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Demonstrationen). Als Beispiel nennt das Auswärtige Amt die Beendigung friedlicher Studentendemonstrationen mittels Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken (a.a.O. S. 7); es verweist zudem auf Angaben Internationaler Organisationen und Presseberichte, wonach Folter weiterhin gelegentlich zur Erpressung von Geständnissen angewandt wird (a.a.O. S. 11; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte über Folter und andere Misshandlungen). Auch sollen Misshandlungen bei der Festnahme von Verdächtigen sowie in Gefängnissen weiter vorkommen (a.a.O. S. 12).
81 
Amnesty International (Amnesty Report 2016, Sri Lanka) verweist darüber hinaus auf Berichte über ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam; Häftlinge würden häufig an Verletzungen sterben, die den Schluss zuließen, dass sie gefoltert und misshandelt worden seien.
82 
Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat die neue Regierung zahlreiche Schritte unternommen, um die Wiederversöhnung zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Land voranzubringen (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Sie suche aktiv den Dialog mit der tamilischen Diaspora (auch a.a.O. S. 10). Amnesty International berichtet zudem darüber (Amnesty Report 2015, Sri Lanka), dass im Jahr 2015 am Jahrestag der Beendigung des bewaffneten Konflikts öffentliche Gedenkfeiern von Tamilen im Wesentlichen erlaubt waren (vgl. auch Human Rights Watch, Sri Lanka After the Tigers, 19.02.2016, mit dem Hinweis, dass Gedenkfeiern für verstorbene Tamilen mittlerweile erlaubt seien), und fügt hinzu, dass über eine starke Polizeipräsenz bei derartigen Zusammenkünften berichtet worden sei (vgl. auch Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Insbesondere Human Rights Watch macht aber auch darauf aufmerksam, dass ein Erfolg versprechender Versöhnungsprozess, der unter anderem auch eine Aufarbeitung der beiderseitigen Kriegsverbrechen beinhaltet, noch nicht wirklich ins Werk gesetzt worden ist (vgl. etwa die Beiträge „Time to seize the Moment“ [25.05.2016] und „Unfinished Business in Sri Lanka“ [01.09.2016]).
83 
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts gibt es gegenüber Tamilen im Norden und Osten seit dem Amtsantritt Sirisenas „keine direkten staatlichen Repressionen mehr“ (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7). In Sri Lanka gebe es keine diskriminierende Gesetzgebung, Verwaltungspraxis oder Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis (a.a.O. S. 8). Der von der Polizei angewendete unverhältnismäßige Zwang richte sich nicht gegen eine bestimmte Gruppe (a.a.O. S. 7). Während die Anwendung von Folter früher vor allem Tamilen betroffen habe, sollen mittlerweile Singhalesen in gleichem Maß betroffen sein (a.a.O. S. 11 unter Berufung auf Berichte von Human Rights Watch und lokale Menschenrechtsorganisationen; Human Rights Watch [Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016] spricht von „continued reports of the torture of detainees“ [fortgesetzten Berichten über die Folter von Inhaftierten]).
84 
Das Auswärtige Amt führt weiter aus, dass der infolge des langjährigen Bürgerkriegs umfassende Sicherheitsapparat nach Ende des Konflikts 2009 kaum reduziert wurde und insbesondere im Norden und Osten noch stark vertreten ist (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6, auch S. 7; vgl. auch Human Rights Watch, Unfinished Business in Sri Lanka, 01.09.2016). Es verweist zudem darauf, dass nach Angaben der sri-lankischen NGO Groundviews 2015 noch immer mindestens 181 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder -Symphatisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hätten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert seien; bis November 2015 seien 38 davon gegen Kaution freigelassen worden (a.a.O. S. 12).
85 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe weist in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 „Sri Lanka: Gefährdung bei Rückkehr und Zugang zu medizinischer Versorgung in Haft“ darauf hin (S. 3), dass Berichte der NGO Freedom from Torture und International Truth & Justice Project Sri Lanka vom Januar 2016 insgesamt 27 Fälle dokumentierten, in denen tamilische Personen durch sri-lankische Sicherheitskräfte gefoltert, willkürlich verhaftet oder entführt worden seien. Der jüngste in dem letztgenannten Bericht dokumentierte Fall (von insgesamt 20 Fällen) habe sich im Dezember 2015 zugetragen (vgl. a.a.O. S. 4). Während der Verhöre seien mehrere der Betroffenen beschuldigt worden, die LTTE wiederaufbauen zu wollen oder das Land in Unruhe zu bringen. 19 der Personen seien Opfer von Entführungen mittels weißer Lieferwagen geworden („White Van Abduction“). 16 der Personen hätten in der Vergangenheit eine Funktion der LTTE auf niedriger Stufe gehabt.
86 
Der Prevention of Terrorism Act (s. o. aa und a) ist weiterhin in Kraft (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7 und 12; auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, und Human Rights Watch, UN Human Rights Council: High Commissioner’s Report on human rights of Rohingya Muslims and other minorities in Burma/Maanmar and on Sri Lanka, 30.06.2016). Das Auswärtige Amt führt aus, die Regierung gebe an, 181 Personen seien auf seiner Grundlage inhaftiert, wobei die Mehrheit tamilischer Herkunft sei, die Zivilgesellschaft gehe hingegen von rund 250 Personen aus (a.a.O. S. 7). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verweist darauf, dass verschiedene Schätzungen „sich auf bis über 200 Personen“ beliefen (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6). Amnesty International zitiert eine Erklärung des Oppositionsführers Sampanthan vor dem Parlament, dass noch 217 Personen auf der Grundlage der Bestimmungen des PTA inhaftiert seien (Amnesty Report 2016, Sri Lanka). Nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wird er „weiterhin eingesetzt, um tamilische Personen zu verhaften, welche der angeblichen Verbindungen zur LTTE verdächtigt werden“ (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6; entsprechend Amnesty Report 2016, Sri Lanka; ferner Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Die Flüchtlingshilfe verweist auch auf eine sri-lankische Zeitung, die von Verhaftungen von Militärpersonal unter dem PTA berichtet hat.
87 
Rückkehrer müssen nach Einschätzung des Auswärtigen Amts grundsätzlich keine staatlichen Repressalien gegen sich fürchten, jedoch müssen sie sich nach Rückkehr Vernehmungen durch die Immigration, das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen; ob es zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 13). Mit solchen Vernehmungen ist insbesondere zu rechnen, wenn die rückkehrende Person keinen gültigen sri-lankischen Reisepass vorlegen kann; Fälle diskriminierender Behandlung solcher Personen (auch von Tamilen) sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (a.a.O. S. 14). Bei der Einreise mit gültigem sri-lankischem Reisepass würden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt; dies gelte auch für Zurückgeführte (a.a.O. S. 14).
88 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 aus (S. 1), dass es auch nach Amtsantritt des neuen Präsidenten zu Verhaftungen von tamilischen Rückkehrenden kam. Die Verhaftungen schienen oft mit angeblichen Verbindungen zur LTTE zusammenzuhängen. Eine zuvor erfolgte illegale Ausreise könne bei der Rückkehr ebenfalls zu einer Verhaftung führen. Die Flüchtlingshilfe führt nach diesen einleitenden Bemerkungen unter Berufung auf verschiedene Quellen einzelne Fälle auf. So verweist sie zunächst auf einen Bericht der Zeitung Ceylon News vom 19.04.2016, wonach ein aus Mullaitivu stammender Tamile bei seiner Rückkehr aus Doha am 12.04.2016 durch das Terrorist Investigation Department am Flughafen aufgegriffen und anschließend sieben Stunden verhört worden sei (a.a.O. S. 1 f.). Anschließend sei er mit der Aufforderung freigelassen worden, am nächsten Morgen das TID-Büro in Colombo aufzusuchen. Am folgenden Tag sei er dort verhaftet worden. Die Flüchtlingshilfe spricht außerdem etwa den Fall eines tamilischen Journalisten an, der nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka durch die sri-lankischen Behörden verhaftet worden sei (a.a.O. S. 2). Der Journalist und Aktivist sei im Jahr 2012 nach Australien geflohen und habe sich aufgrund der positiven Signale der aktuellen sri-lankischen Regierung für die Rückkehr entschieden. Er sei nach der Inhaftierung auf Kaution freigelassen worden. Ihm seien aber Auslandsreisen für fünf Jahre untersagt worden und er müsse sich jeden Monat im berüchtigten vierten Stock des Hauptquartiers des CID in Colombo melden. Unter Berufung auf TamilNet führt die Flüchtlingshilfe auch aus, dass viele tamilische Rückkehrende aus dem Nahen Osten in der jüngsten Zeit durch den sri-lankischen Militärgeheimdienst verhaftet worden seien (a.a.O. S 2). Die Flüchtlingshilfe zitiert schließlich etwa auch aus einem Bericht der International Crisis Group, wonach weiterhin rückkehrende tamilische Personen unter Anwendung des Prevention auf Terror Act (PTA) wegen des Verdachts auf zurückliegende LTTE-Verbindungen verhaftet würden; viele würden in durch das Militär betriebene Rehabilitationsprogramme geschickt.
89 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe trägt in der Auskunft vom 22.04.2016 auch vor, dass das International Truth & Justice Project Sri Lanka im Januar 2016 zu dem Schluss gekommen sei, dass tamilische Personen, welche aus dem Ausland zurückkehrten, überwacht würden (a.a.O. S. 4). So gebe es weiterhin ein umfangreiches Netzwerk von tamilischen Informanten, welche Rückkehrende beobachteten. Das sichere Verlassen des Flughafens sei deswegen keine Garantie für die spätere Sicherheit. Die Flüchtlingshilfe gibt ferner die Einschätzung von International Truth & Justice Project wieder, dass es für tamilische Personen im Ausland noch nicht sicher sei, nach Sri Lanka zurückzukehren, wenn die betroffene Person in der Vergangenheit eine Verbindung zur LTTE aufweise (a.a.O. S. 5).
90 
(2) Diese Erkenntnisse lassen, selbst wenn sich alle Angaben zu flüchtlingsschutzrelevanten Menschenrechtsverletzungen als zutreffend erweisen sollten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht den Schluss auf eine Gruppenverfolgung von Tamilen, auch nicht vom männlichen Tamilen aus dem Norden, zu. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nach wie vor nicht feststellen. Auch die Zahl an Verhaftungen und Überwachungen von Tamilen sowie an ihnen gegenüber vorgenommene Handlungen, die als Folter einzustufen sind, lässt nicht annähernd auf die Gefahr schließen, dass (nahezu) jedes Gruppenmitglied mit solchen Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei ist auch zu bedenken, dass nicht jede Verhaftung mit anschließendem Verhör schon eine Menschenrechtsverletzung darstellt.
91 
Der nach den vorliegenden Erkenntnismitteln bestehenden, im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2010 deutlich verbesserten Gesamtsituation der Tamilen in Sri Lanka hat der Kläger nichts entgegengehalten.
III.
92 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
93 
1. Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315; jüngst etwa Kammerbeschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16 - juris Rn. 12). Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfGE 80, 315). An gezielten Rechtsverletzungen fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfGE 80, 315, 335). Ob eine gezielte Verletzung von Rechten vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfGE 80, 315, 335).
94 
Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (BVerfGE 80, 315, 344). Nach dem hierdurch geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberechtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrte und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestände).
95 
Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (BVerfGE 80, 315, 344).
96 
Ergibt die rückschauende Betrachtung, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter regelmäßig in Betracht. Ergibt sie eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war. Steht fest, dass Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist ist und dass ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates im beschriebenen Sinn unzumutbar war, so ist er gemäß Art. 16a Abs. 1 GG asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Daher muss sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist; eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nicht geboten, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet.
97 
Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht (BVerfGE 80, 315, 345 f.). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere unzumutbare Nachteile oder Gefahren.
98 
2. Der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten steht entgegen, dass nach Überzeugung des Senats die nach dem Vorbringen des Klägers fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe nicht der Wahrheit entspricht (s. o. II. 2.) und er zum Zeitpunkt der Ausreise nicht Mitglied einer verfolgten Gruppe war (s. o. II. 3. a) sowie er ein solches auch zum heutigen Zeitpunkt nicht ist (s. o. II. 3. b bb).
IV.
99 
Der Kläger hat weiterhin nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in Sri Lanka ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
V.
100 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
VI.
101 
Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
102 
1. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines Gutachtens eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht gerichtet ist, zielt der Antrag auf die Klärung einer Rechtsfrage, nicht aber auf eine dem (Sachverständigen-)Beweis zugängliche Tatsachenfrage. Die Ermittlung der Rechtslage und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf einen konkreten Fall ist ureigene Aufgabe der Rechtsprechung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO: s. a. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 293 Rn. 1, nicht zuletzt unter Hinweis auf den Grundsatz „iura novit curia“). Die Ermittlung der Rechtslage ist infolgedessen in aller Regel keine Tatsachenfeststellung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist (Urteil vom 19.07.2012 - 10 C 2.12 - NJW 2012, 3461 Rn. 16; kritisch dazu Geimer, a.a.O. Rn. 14). Denn die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Auslegung und Anwendung auf seinen Fall der Kläger geklärt haben will, ist kein ausländisches Recht. Die EMRK gilt vielmehr in der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307, 315); deutsche Gerichte haben sie wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG, a.a.O. S. 317).
103 
b) Der Beweisantrag geht weiterhin von einer unzutreffenden Ausgangslage aus. Die Beklagte hat gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts das statthafte Rechtsmittel eingelegt; infolge des Suspensiveffekts (zunächst des Antrags auf Zulassung der Berufung, sodann der Berufung) war sie nicht verpflichtet, der ihr vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Folglich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Asylberechtigten inne.
104 
c) Die Auffassung des Klägers, der Senat sei infolge der Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof daran gehindert, auf die Berufung der Beklagten das verwaltungsgerichtliche Urteil zu ändern, teilt der Senat nicht. Er vermag weder dem vom Kläger ausdrücklich angesprochenen Art. 3 EMRK noch dem von ihm der Sache nach angesprochenen Art. 4 EMRK auch nur im Ansatz eine derartige Wirkung zu entnehmen. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unangemessen lange gedauert haben dürfte (vgl. § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Rechtsfolge einer unangemessenen Verfahrensdauer - die der Kläger allerdings nicht mit einer Verzögerungsrüge (vgl. § 198 Abs. 3 GVG) beanstandet hat - ist indessen grundsätzlich eine angemessene Entschädigung in Geld. Dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer über das Fehlen materieller Anspruchsvoraussetzungen hinweghelfen könnte, ist gesetzlich nicht vorgesehen und es besteht aus Sicht des Senats auch kein Anlass für eine hierauf gerichtete - was ihre Zulässigkeit angeht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/00 - BVerfGE 128, 193), problematische - richterliche Rechtsfortbildung. Auch der Kläger nennt keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die auch nur einen Ansatz für seine Auffassung bieten könnte.
105 
2. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gerichtet ist, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Ein solcher liegt vor, wenn Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - juris Rn. 133). Hiervon ist auszugehen, wenn für den Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BVerwG, Beschluss vom 17.09.2014 - 8 B 15.14 - juris Rn. 10). So liegt es hier. Zum einen hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass er tatsächlich darauf vertraut hat, als Asylberechtigter anerkannt zu werden; das wäre schon deshalb veranlasst gewesen, weil der Kläger bereits mit der Stellung des Zulassungsantrags damit rechnen musste, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben würde. Zum anderen und vor allem gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger infolge der Zurückweisung der Berufung psychisch erkranken würde. Der Kläger hat nicht vorgetragen, geschweige denn - etwa mittels Vorlage eines ärztlichen Schreibens - untermauert, gegenwärtig an einer psychischen (Grund-)Erkrankung zu leiden, die sich im Fall einer Klageabweisung verschlechtern würde.
106 
b) Abgesehen davon ist der Beweisantrag auch aus dem Grund abzulehnen, dass die vom Kläger in den Raum gestellte „gravierende psychische Reaktion … auch im Sinne einer psychischen Erkrankung“ keine entscheidungserhebliche Tatsache ist. Eine eventuelle psychische Erkrankung könnte im Rahmen der vorliegenden Klage lediglich Bedeutung hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Bedeutung erlangen. Hierfür ist erforderlich, dass sich eine vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leben und Leib führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr droht. Der Kläger stellt hier schon nicht eine Erkrankung unter Beweis, die bereits vorhanden ist, er behauptet vielmehr, im Fall der Abweisung seiner Klage zu erkranken. Hinzu kommt, dass von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht Schutz vor Abschiebung nicht bei Vorliegen jeglicher Erkrankung gewährt wird. Vielmehr schützt die Vorschrift nur vor einer erheblichen und alsbaldigen Verschlimmerung für den Fall einer Rückkehr. Darum geht es dem Kläger aber mit seinem Beweisantrag nicht.
VII.
107 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
108 
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.

(2) Mit jedem Asylantrag wird die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 beantragt. Der Ausländer kann den Asylantrag auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränken. Er ist über die Folgen einer Beschränkung des Antrags zu belehren. § 24 Absatz 2 bleibt unberührt.

(3) Ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist, hat an der Grenze um Asyl nachzusuchen (§ 18). Im Falle der unerlaubten Einreise hat er sich unverzüglich bei einer Aufnahmeeinrichtung zu melden (§ 22) oder bei der Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nachzusuchen (§ 19). Der nachfolgende Asylantrag ist unverzüglich zu stellen.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.

(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.

(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2006 - A 1 K 10388/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am xxx geborener angolanischer Staatsangehöriger bakongolesischer Volkszugehörigkeit, wendet sich gegen den Widerruf der Feststellung, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - (nunmehr § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG) vorliegen.
Der Kläger reiste am 24.12.1990 gemeinsam mit seiner Ehefrau in das Bundesgebiet ein und beantragte mit ihr zunächst erfolglos die Anerkennung als Asylberechtigter (VG Stuttgart, Urteil v. 09.02.1993 - A 6 K 13516/92 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 22.02.1995 - A 13 S 3176/94 -). Am 03.07.1995 beantragten beide erneut erfolglos ihre Anerkennung als Asylberechtigte in einem (ersten) Asylfolgeverfahren (VG Stuttgart, Urteil v. 24.09.1996 - A 14 K 15135/95 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.02.1997 - A 13 S 3461/96). Auch ein weiterer Asylfolgeantrag vom 22.01.1998 wurde mit Bescheid vom 30.12.1998 durch das seinerzeitige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Angola angedroht. Auf die von dem Kläger und seiner Ehefrau erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 23.03.2001 - A 9 K 10000/01 - unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 30.12.1998 die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und bei seiner Ehefrau ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG jeweils in Bezug auf Angola vorliegen. Zur Begründung der Klage hatte der Kläger dem Verwaltungsgericht mehrere Belege für eine exilpolitische Betätigung vorgelegt. Hinsichtlich seiner Klage hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:
„Die Funktion des Klägers zu 1 als Informationssekretär der in den angolanischen Bürgerkrieg verwickelten UNITA in Verbindung mit seinen vielfältigen exilpolitischen Aktivitäten an verantwortlicher Stelle, auch etwa beim AK Asyl, führt dazu, dass dem Kläger zu 1 mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Angola politische Verfolgung droht. Es handelt sich dabei zwar um selbstgeschaffene Nachfluchtgründe, die gemäß § 28 Satz 1 AsylVfG nicht zur Asylberechtigung nach Art. 16 a Abs. 1 GG führen können, da sie - nach Auffassung des Gerichts - nicht den Ausdruck einer festen, bereits in Angola erkennbar betätigten Überzeugung darstellen. Denn der Kläger zu 1 ist nach den rechtskräftigen Feststellungen des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22.02.1995 (A 13 S 3176/94) aus Angola weder vorverfolgt noch aufgrund einer latenten Gefährdungslage ausgereist. Sein Vorbringen bezüglich konkreter politischer Aktivitäten in Angola wurde als widersprüchlich und nicht glaubhaft eingestuft. Selbst wenn der Kläger zu 1 in Angola als Anhänger der tocoistischen Kirche eine UNITA-freundliche Überzeugung gehabt haben sollte, so wurde diese jedenfalls nicht i.S.d. § 28 S. 1 AsylVfG „erkennbar betätigt" (vgl. BVerwG - 9 C 42.87 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 75).
Beim Kläger zu 1 liegen jedoch wegen der genannten Umstände die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vor („kleines Asyl"). Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine solche Abschiebungseinschränkung kommt in Betracht, wenn dem Ausländer im Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht. Dieser Prognosemaßstab gilt für unverfolgt aus ihrem Heimatstaat ausgereiste Schutzsuchende im Abschiebungsschutz des § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Asylanerkennungsverfahren. Er setzt voraus, dass bei „qualifizierender" Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Entscheidend ist nicht eine mathematisch-statistische Wahrscheinlichkeitssicht, sondern eine wertende Betrachtungsweise, die auch die Schwere des befürchteten Verfolgungseingriffs berücksichtigt. Je gravierender die möglichen Rechtsgutverletzungen sind, desto weniger kann es dem Betroffenen zugemutet werden, sich der Verfolgungsgefahr auszusetzen.
Gemessen an diesen Maßstäben droht dem Kläger zu 1 bei qualifizierender Betrachtungsweise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Angola politische Verfolgung. Die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers zu 1 waren und sind gezielt gegen die angolanische Regierung gerichteten. Sie sind öffentlichkeitswirksam und von Gewicht. Es muss davon ausgegangen werden, dass diese nunmehr seit einigen Jahren andauernden Aktivitäten pro UNITA den angolanischen Sicherheitsbehörden bekannt geworden sind und von ihnen als ernst zu nehmender Versuch gewertet werden, das Regime in der Öffentlichkeit zu diskreditieren oder zu schwächen. Denn nach der Einschätzung des Auswärtigen Amtes im - zum Gegenstand des Verfahrens gemachten - Lagebericht vom 15.11.2000 achtet die angolanische Regierung bei den im Ausland agierenden UNITA-Vertretern insbesondere auf Führungspersönlichkeiten. Bei UNITA-Zugehörigkeit sei mit staatlichen Repressalien zu rechnen, insbesondere, wenn sich diese Zugehörigkeit - wie bei dem Kläger zu 1 - in nachgewiesenen, langjährigen und gewichtigen Aktivitäten manifestiert hat. Selbst wenn der Kläger zu 1 in Angola wegen dieser Aktivitäten im Ergebnis, entgegen seiner weiterreichenden Befürchtungen, „nur" mit Freiheitsentziehung zu rechnen hätte, würde dies für § 51 Abs. 1 AuslG ausreichen. Nach den Schilderungen des Lageberichts ist der angolanische Strafvollzug im Übrigen selbst für afrikanische Verhältnisse extrem hart. Die dort herrschenden Zustände bedeuten eine außergewöhnliche Verschärfung jeder Freiheitsstrafe, die vielfach als unmenschlich und lebensbedrohend qualifiziert werden muss. Weder die Ernährung noch die medizinische Versorgung noch die Unterbringung in den Gefängnissen erfüllten im entferntesten Minimalbedingungen.
Nach Einschätzung des Gerichts drohen dem Kläger zu 1 in Angola mithin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zumindest unmenschliche oder erniedrigende Maßnahmen durch die angolanischen Sicherheitsbehörden. Bei einer Abschiebung nach Angola könnte sich der Kläger zu 1 zudem den Sicherheitsbehörden praktisch kaum entziehen. Denn nach den Informationen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 15.11.2000 führt der einzig mögliche Abschiebeweg nach Angola über den internationalen Flughafen von Luanda; wegen der schlechten Sicherheitslage sei eine Weiterreise in die von der UNITA kontrollierten Gebiete kaum möglich.“
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge kam den Verpflichtungen des Verwaltungsgerichts mit Bescheiden vom 15.05.2001 nach.
Hinsichtlich der in den Jahren 1992, 1994 und 1998 geborenen Kinder des Klägers und seiner Ehefrau stellte das Bundesamt mit Bescheiden vom 03.08.1998 und 30.04.2001 auf eine entsprechende Verpflichtung durch das Verwaltungsgericht Stuttgart hin fest, dass bei ihnen Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG in Bezug auf Angola vorliegen.
Mit Verfügung vom 08.11.2004 leitete das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Widerrufsverfahren gemäß § 73 AsylVfG gegen den Kläger und seine Familie ein. Mit Anhörungsschreiben vom 11.11.2004 vertrat das Bundesamt die Auffassung, mit Abschluss des Waffenstillstandsabkommens zwischen der Regierung und den UNITA-Rebellen vom 04.04.2002, das de facto als Friedensvertrag wirke, könnten Verfolgungsmaßnahmen des angolanischen Staates nunmehr mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
10 
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wandte sich hiergegen mit Schreiben vom 13.12.2004.
11 
Mit Bescheid vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989-223) widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die mit Bescheid vom 15.05.2001 erfolgte Feststellung, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Ferner stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der seinerzeitigen Fassung noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Zur Begründung führte es u.a. aus, ein Widerruf erfordere bei erlittener Vorverfolgung hinreichende Sicherheit vor einer Wiederholung der Verfolgung. Sei der Ausländer von konkreten Verfolgungsmaßnahmen bedroht gewesen, sei der Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen nach dem herabgeminderten Prognosemaßstab zu beurteilen. Vor dem Hintergrund des seit der Beendigung des Bürgerkriegs in Angola neuen Verhältnisses zwischen der Regierung und der größten Oppositionspartei UNITA bestehe keine Gefährdung angolanischer Staatsangehöriger aufgrund von exilpolitischen Tätigkeiten für die UNITA in der Bundesrepublik Deutschland. Ein gegenteiliger Schluss könne auch nicht aus der konkret angeführten Teilnahme des Klägers an der gegen die Ausländerpolitik der Bundesrepublik und nicht gegen den angolanischen Staat gerichteten Aktion „Solidarität statt Abschiebung“ des Arbeitskreises Asyl in xxx am 04.12.2004 gezogen werden. Zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe gemäß § 73 Abs.1 S. 3 AsylVfG, aus denen der Ausländer die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ablehnen könne, seien nicht ersichtlich. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 und § 60 Abs. 2-7 AufenthG lägen nicht vor.
12 
Mit weiterem Bescheid vom 10.02.2005 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die mit Bescheiden vom 03.08.1998, 30.04.2001 und 15.05.2001 erfolgten Feststellungen, dass bei der Ehefrau des Klägers und seinen Kindern jeweils ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG gegeben ist. Außerdem wurde festgestellt, dass bei diesen weder die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG vorliegen.
13 
Am 23.02.2005 haben der Kläger, seine Ehefrau und die Kinder beim Verwaltungsgericht Stuttgart Anfechtungsklagen gegen die Bescheide des Bundesamtes vom 10.02.2005 erhoben und hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2-7 AufenthG vorliegen. Zur Begründung hat der Kläger für sich im Wesentlichen vorgetragen, er sei Informationssekretär und herausgehobenes Mitglied des UNITA-Komitees xxx und setze sich, den Zielen des Komitees entsprechend, für eine Autonomielösung für das angolanische Bekongo-Gebiet ein. Die UNITA werde in Angola durch die MPLA verfolgt, auch sei sein Name dem angolanischen Geheimdienst bekannt. Außerdem sei er Mitglied des Arbeitskreises Asyl xxx, in dem er sich für die Rechte angolanischer und sonstiger Asylbewerber einsetze. Er nehme dort an Veranstaltungen und Aktionen teil, halte wegen des UNITA-Verbots aber keine Reden mehr. Auch habe er in der Vergangenheit die angolanische Regierung kritisierende Artikel in den Zeitungen „Flash Flash“ und „Eveil“ veröffentlicht. Hinzu komme, dass seine Familie und er aufgrund des langen Aufenthalts in Deutschland und der damit verbundenen fehlenden Anpassung an die angolanischen Lebensverhältnisse sowohl sozial als auch gesundheitsmäßig nicht, jedenfalls nicht würdig, überleben könnten. Ob noch Verwandte in Angola leben würden, sei ihm unbekannt, jedenfalls gebe es mit den in Frage kommenden Personen ohnehin persönliche Probleme.
14 
Mit Urteil vom 27.07.2006 - A 1 K 10388/05 - hat das Verwaltungsgericht Stuttgart - neben den Klagen seiner Ehefrau und seiner Kinder - auch die Klage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung sei zu Recht erfolgt, da sich die innenpolitischen und sonstigen Verhältnisse in Angola nach dem maßgeblichen Zeitpunkt erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert hätten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Angola keine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG mehr drohe. Eine politische Verfolgung des unverfolgt ausgereisten Klägers in Angola wegen seiner exilpolitischen Tätigkeit könne, selbst wenn diese Tätigkeit in Angola bekannt wäre, mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Mit staatlichen Repressionen müssten lediglich Personen rechnen, die in besonders ausgeprägter Weise an Kampfhandlungen gegen das Regime teilgenommen hätten. Übergriffe auf UNITA-Angehörige seien nur vereinzelt bekannt geworden und bezögen sich auf Personen, die vor Ort in Kampfhandlungen verstrickt gewesen seien. Gegenüber exilpolitisch Tätigen seien keine Übergriffe bekannt, die Tätigkeit des Klägers sei im Übrigen keine exponierte politische Aktivität. Eine politische Verfolgung aus anderen Gründen drohe ebenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit, insbesondere auch nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo. Ferner lägen keine Gefahren aufgrund der allgemeinen angolanischen Sicherheits- und Versorgungslage vor, die gemäß § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG ein Absehen von der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Unzumutbarkeit der Rückkehr rechtfertigten. Es bestehe auch kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 - 5 und 7 AufenthG. Was § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG angehe, verleihe diese Vorschrift dem Ausländer dann keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots, wenn er sich auf Gefahren berufe, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der er angehöre, allgemein ausgesetzt sei. So liege es hier etwa im Hinblick auf die Gefahr der Erkrankung an Malaria und Cholera in Angola.
15 
Gegen das dem Kläger am 21.09.2006 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 05.10.2006 die Zulassung der Berufung beantragt.
16 
Mit Beschluss vom 15.01.2008 - A 5 S 1130/06 -, dem Kläger zugestellt am 23.01.2008, hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen und ihm Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Rechtssache habe grundlegende Bedeutung in Bezug auf die Frage, ob sich die Situation in Angola nach Ende des Bürgerkriegs im April 2002 so erheblich und nicht nur vorübergehend geändert habe, dass Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Personen, die für die UNITA tätig gewesen seien, auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen seien.
17 
Unter dem 28.01.2008 hat der Kläger die Berufung begründet.
18 
Er trägt vor, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung der Rechtskraft des Urteils im Vorverfahren. Denn ein Widerruf der Asylanerkennung sei nur dann zulässig, wenn sich die im Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert hätten, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen sei und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung drohe. Das Verwaltungsgericht habe aber unter Bezugnahme auf den Bundesamtsbescheid vom 10.02.2005 lediglich darauf abgehoben, ob dem Kläger politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe. Die Elemente „nicht nur vorübergehend“ und „hinreichende Sicherheit auf absehbare Zeit“ habe es ignoriert. Es verfehle auch die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien, wonach im Heimatstaat eine funktionierende Regierung, grundlegende Verwaltungsstrukturen und eine angemessene Infrastruktur gegeben sein müssten. Diese Voraussetzungen lägen in Angola nicht vor. Die die Vorverfolgung begründenden Machtstrukturen seien auch nach Beendigung der militärischen Kämpfe bestehen geblieben. Die MPLA als derzeit allein herrschende politische Kraft sei erheblich konsolidiert. Zwar könne gegenwärtig nicht mehr davon ausgegangen werden, dass UNITA-Aktivisten generell verfolgt würden. Dass dies nicht nur vorübergehend, sondern auf absehbare Zeit ausgeschlossen sei, könne aufgrund der faktischen Alleinherrschaft der MPLA jedoch derzeit mangels gewaltenteilender, rechtsstaatlicher, demokratischer und menschenrechtsbeachtender Strukturen nicht festgestellt werden. Als gegenwärtige Oppositionspartei sei die UNITA angesichts der Vorherrschaft der MPLA in einer Position der Schwäche. In den Provinzen habe es auf Distrikt- und Kommunalebene eine Reihe gewalttätiger Angriffe gegen UNITA-Delegationen und andere Parteien gegeben. Entgegen den Versicherungen von MPLA-Regierungsvertretern, diese „Exzesse von Individuen“ seien Sache der Polizei und Justiz, seien bislang keine Strafverfolgungsmaßnahmen bekannt geworden. Ungenügende Infrastruktur und Kommunikation, chronischer Mangel an qualifiziertem Personal und mangelnde Gewaltenteilung zeichneten das angolanische Justizsystem nach wie vor aus, weshalb Straflosigkeit und Selbstjustiz noch immer verbreitet seien. Dementsprechend seien auch Attentate auf oppositionelle Parlamentarier wie gegen den UNITA-Parlamentarier Vicente Tembo, der am 11.11.2004 von Unbekannten angeschossen worden sei, unaufgeklärt geblieben. Ungeachtet der Tatsache, dass es eine generelle politische Verfolgung von Mitgliedern der Opposition in Angola derzeit nicht gebe, könne doch ein politisch motiviertes asylrelevantes Vorgehen von Teilen der Sicherheitskräfte oder Angehörigen des MPLA-Machtapparats und/oder von den herrschenden Kräften angestacheltes und/oder jedenfalls nicht verhindertes Vorgehen Dritter gegen UNITA-Mitglieder derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Gegen solche Übergriffe sei auch kein Schutz durch staatliche Autorität zu erwarten. Zudem werde die angolanische Menschenrechtsorganisation AJPD von der Regierung bedroht. Es herrsche ein Klima der politischen Intoleranz und Angst. Auch die Wahlen am 05.09.2008 seien weder frei noch fair gewesen. Aus diesen Gründen könne die erneute Verfolgung des Klägers aufgrund seiner UNITA-Mitgliedschaft nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27.07.2006 - A 1 K 10388/05 -, soweit es ihn selbst betrifft, zu ändern, sowie die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989-223) aufzuheben.
21 
Die Beklagte tritt dem entgegen und macht geltend, der Bürgerkrieg in Angola sei beendet, sodass Angehörigen der UNITA keine Verfolgung mehr drohe. Dies gelte selbst für militante Kämpfer und hochrangige Mitglieder der Organisation. Es lägen für die vergangenen Jahre keine Hinweise auf asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen von Mitgliedern der UNITA im Gegensatz zu Aktivisten der Organisation FLEC, die für eine Unabhängigkeit der Provinz Cabinda eintrete, vor.
22 
Mit Beschluss vom 21.01.2010 - A 5 S 135/08 - hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Verfahren ist nach dem Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 02.03.2010 in den Rechtssachen C 175/08, C 176/08, C 178/08 und C 179/08 zur Auslegung von Art. 11 Abs. 1 e der Richtlinie 2004/83/EU des Rates vom 29.04.2004 (Qualifikationsrichtlinie) mit Schriftsatz des Beklagten vom 12.01.2011 wieder angerufen worden. Hiernach sei, so der Beklagte, bei der Prüfung eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft generell zu beachten, dass der der Prognose zu Grunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab selbst dann unverändert bleibe, wenn der Schutzsuchende bereits Vorverfolgung erlitten habe, weshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie im Einzelfall selbst dann widerlegt sein könne, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs gegeben sei. Die Rechtskraft des zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führenden verwaltungsrechtlichen Urteils könne dem nicht entgegenstehen. Es werde zudem auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25.02.2010 - A 5 S 640/09 - Bezug genommen. Sei mit dem Verwaltungsgericht mit dem Grad der hinreichenden Sicherheit eine Gefährdung des Klägers nach einer Rückkehr nach Angola auszuschließen, könne dies nur als stichhaltiger Grund im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie eingestuft werden. Denn bei festzustellender hinreichender Verfolgungssicherheit sei im Ergebnis dem Erfordernis stichhaltiger Gründe Genüge getan.
23 
Mit Schriftsatz vom 25.07.2012 ließ der Kläger mitteilen, er sei im Besitz einer Niederlassungserlaubnis und bemühe sich um seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
24 
Mit Beschluss vom 17.12.2012 - A 5 S 148/11 - ist auf Antrag der Beteiligten erneut das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
25 
Unter dem 06.10.2014 hat der Beklagte das Verfahren wieder angerufen, nachdem sich kein positiver Abschluss des Einbürgerungsverfahrens des Klägers abgezeichnet hat. Das Verfahren wird seither unter dem Aktenzeichen A 12 S 1999/14 fortgeführt.
26 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu den Az. 2313865-223 und 5132989-223 sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu den Verfahren A 9 K 10000/01 und A 1 K 10388/05 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2008 - A 5 S 1130/06 - zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung (vgl. § 124a Abs. 6 VwGO) des Klägers ist nicht begründet.
28 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989.223) - nur hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers - zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger kann nicht die Aufhebung des Widerrufs der mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 15.05.2001 getroffenen Feststellung verlangen, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorliegen (vgl. nachfolgend unter 1.). Ihm kommt auch kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. §§ 3 bis 3e AsylG (jeweils i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722) zu (vgl. unter 2.).
29 
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 ist in seiner Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG für den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegeben.
30 
a) Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. gegeben sind, hatte bei Entscheidungen über Asylanträge, die vor dem 01.01.2005 unanfechtbar geworden sind, spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen (§ 73 Abs. 2a, Abs. 7 AsylVfG a.F.), was vorliegend mit der Entscheidung des Bundesamtes vom 10.02.2005 beachtet worden ist.
31 
b) Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist in materieller Hinsicht § 73 AsylG in der Fassung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722. Nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
32 
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. Nr. L 304 S. 12; berichtigt ABl. 2005 Nr. L 204 S. 24; nunmehr: Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mir Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 S. 9) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG sind daher unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren.
33 
Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.
34 
Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 02.03.2010 (Rs. C-​175/08 u.a., Abdulla u.a. -, NVwZ 2010, 505) weiter konkretisiert. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt danach voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 72 ff.; zur Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit vgl. auch BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O., m.w.N.).
35 
Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der früheren, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht mehr festgehalten werden. Der Richtlinie 2004/83/EG ist ein solches materiellrechtliches Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose fremd. Sie verfolgt vielmehr unter Zugrundelegung eines einheitlichen Prognosemaßstabs für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 und der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Demzufolge gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich auch das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 84 ff., 98 f.; BVerwG, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 7.11- Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 43).
36 
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Unzumutbar kann aber eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn auch nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162).
37 
Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d. h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Eine Veränderung kann in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (BVerwG, Urteil v. 24.02.2011 - 10 C 3.11 - BVerwGE 139, 109). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991, a.a.O.), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.).
38 
Die Rechtskraft des zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils aus dem Jahr 2001 steht einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft,; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 m.w.N.). Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht befugt, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.). Die Behörde ist aber bei einer entscheidungserheblichen Änderung des für die Flüchtlingsanerkennung maßgeblichen Sachverhalts nicht gehindert, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, den sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil erlassen hat. Das ist im Asylrecht dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.).
39 
Die Rechtskraftwirkung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.). Allerdings entfalten fehlerhafte Urteile keine weitergehende Rechtskraftwirkung als fehlerfreie Urteile. Eine Lösung von der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das das Bundesamt zur Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling verpflichtet hat, ist vielmehr immer dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat, unabhängig davon, ob das zur Anerkennung verpflichtende Urteil richtig oder fehlerhaft war.
40 
Die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung entsprechen damit weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG gelten. Denn auch § 73 Abs. 1 AsylG setzt eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse voraus. Für den Widerruf einer Behördenentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 - 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80). Der Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht danach auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. Dies gilt erst recht für den Widerruf der auf einem Verpflichtungsurteil beruhenden Anerkennung, von deren Rechtmäßigkeit wegen der Rechtskraft des Urteils auch im Rahmen der Widerrufsprüfung auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.11.2011 - 10 C 29.10 - NVwZ 2012, 1042, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 8.11 - AuAS 2012, 153).
41 
Zwar kann ein reiner Zeitablauf für sich genommen keine Sachlagenänderung bewirken. Allerdings sind - so das Bundesverwaltungsgericht - „wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt“ (Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.), und können sich Widerrufsgründe nach der Auffassung des Senats durchaus auch aus Veränderungen in der Person des Flüchtlings ergeben (GK-AsylVfG, Stand August 2012, § 73 Rn. 23 und 28; vgl. auch OVG Saarland, Urteil v. 25.08.2011 - 3 A 34/10 -, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil v. 14.05.2013 - 14a K 1699/11.A - juris).
42 
Für den Widerruf der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung ist schließlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015 - 1 C 2.15 - InfAuslR 2015, 401) entschieden, dass der Widerrufsbescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen ist und das Gericht auch vom Kläger nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe sowie von der Behörde nicht angeführte Widerrufsgründe einzubeziehen hat (BVerwG, Urteil v. 31.01.2013 - 10 C 17.12 - BVerwGE 146, 31). Denn die Aufhebung eines solchen, nicht im Ermessen der Behörde stehenden, Verwaltungsaktes setzt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unter anderem seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er aus einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Liegt der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund nicht vor, so ist eine Klage erst dann begründet, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Dies entspricht der im Asylverfahren geltenden Konzentrations-und Beschleunigungsmaxime, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (s.a. BVerwG, Urteil v. 8.09.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319; Beschluss v. 10.10.2011 - 10 B 24.11 - juris).
43 
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich für den Kläger aus heutiger Sicht aufgrund der in Angola seit Mitte des Jahres 2002 eingetretenen veränderten Verhältnisse sowie aufgrund der seither verstrichenen Zeit von über 13 Jahren und des individuellen Vorbringens der Klägers nicht (mehr) mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dieser bei einer unterstellten nunmehrigen Rückkehr nach Angola von nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen werden wird, was letztlich auch die Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.03.2001 nach den o.g. Maßstäben rechtfertigt.
44 
Der insoweit anzustellenden Prognose ist zunächst die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2001 zu Grunde zu legen, wonach der in seiner Heimat nicht tatsächlich verfolgte und von politischer Verfolgung auch nicht unmittelbar bedroht gewesene Kläger seinerzeit in Deutschland als im Exil befindlicher Informationssekretär der UNITA aufgrund selbstgeschaffener Nachfluchtgründe in Angola zumindest mit seiner Inhaftierung zu rechnen hatte, was aufgrund der dortigen spezifischen Haftbedingungen zudem eine unmenschliche bzw. erniedrigende Maßnahme dargestellt hätte.
45 
Relevant ist vor diesem Hintergrund in erster Linie, ob sich die Verhältnisse in Angola seither derart nachhaltig und stabil geändert haben, dass seitens des angolanischen Staates entsprechende Maßnahmen „asylrelevanter Weise“ bei einer unterstellten jetzigen Rückkehr des Klägers nach Angola nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.03.2012, a.a.O.). Insbesondere ist daher von Bedeutung, ob es in Angola zu einer hinreichend erheblichen und dauerhaften Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2003/83/EG gekommen ist, weil sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben hat, so dass für den Kläger keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht, er insbesondere nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat, der dargestellten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
46 
Die Veränderung der Verhältnisse muss danach kausal für den Wegfall der beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung sein (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 04.08.2011 - A 2 S 1381/11- juris), wobei das Erfordernis der Veränderung der Verhältnisse in Widerrufsfällen gerade auch deshalb einer gesonderten Prüfung bedarf, um eine unzulässige Neubewertung der Gefährdungslage auf ein und derselben Tatsachengrundlage zu vermeiden.
47 
Nach der jüngeren Rechtsprechung (des 5. Senats) des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg stellt sich Situation in Angola nach dem schon im Jahr 2002 beendeten, insbesondere zwischen der MPLA und der UNITA geführten Bürgerkrieg so dar, dass angolanischen Staatsangehörigen im Falle einer Rückkehr nach Angola weder wegen Stellung eines Asylantrags und eines Auslandsaufenthalts noch wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo bzw. einer Nähe zur UNITA mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK widersprechende menschenrechtswidrige Behandlung droht. Auch wenn es immer noch zu von den staatlichen Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen komme, habe sich die Menschenrechtlage zwischenzeitlich deutlich verbessert (Urt. v. 25.02.2010 - A 5 S 640/09 - juris). In einem Verfahren, in welchem der dortige Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Angola Mitglied der UNITA gewesen ist und als tatsächlich verfolgt anzusehen war, hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs - noch ohne Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 02.03.2010 (a.a.O.) - das Folgende ausgeführt (Urteil v. 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - juris):
48 
„Dem Kläger zu 1 droht zwar aufgrund seiner früheren - unter den Beteiligten nicht streitigen - Tätigkeit für die UNITA und seiner späteren exilpolitischen Betätigung bei einer Rückkehr nach Angola ersichtlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (vgl. insbes. British Home Office, Operational Guidance Note v. 11. bzw. 29.07.2008, 3.8.8 „clearly unfounded“), doch ist er vor einer solchen - derzeit und auf absehbare Zeit - nicht hinreichend sicher. (…)
49 
Bei seiner Einschätzung geht der Senat (vgl. bereits Senatsurt. v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 -, InfAuslR 2009, 215f) aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen von folgender Situation in Angola aus:
50 
Nachdem der jahrzehntelange Bürgerkrieg zwischen der Rebellen-UNITA und der MPLA-Regierung im März 2002 sein Ende gefunden und die Verhandlungen zwischen den Bürgerkriegsparteien am 04.04.2002 zu einem Waffenstillstandsabkommen mit einer Wiederaufnahme der Umsetzung des Lusaka-Protokolls vom November 1994 geführt hatten, gibt es seitdem in fast allen Bereichen Fortschritte zu verzeichnen. Die UNITA wurde an der Regierung beteiligt und erhielt daneben auch führende Positionen in den Provinzen. Die Regierung hatte auch zugesagt, die Reorganisation der UNITA zur politischen Partei nicht zu behindern. Die beschlossene Demobilisierung der UNITA-Kämpfer konnte trotz Anlaufschwierigkeiten ohne nennenswerte Zwischenfälle durchgeführt und am 30.07.2002 abgeschlossen werden; die demobilisierten Kämpfer erhielten Hilfen zur Integration in das zivile Leben bzw. wurden zu einem kleinen Teil (ca. 5.000) bis Oktober 2004 in die angolanischen Streitkräfte FAA integriert. Auch das bereits am 02.04.2002 vom Parlament verabschiedete Amnestiegesetz, das Straffreiheit für alle UNITA-Kombattanten vorsieht, die sich innerhalb von 45 Tagen ergeben und ihre soziale Integration in die Gesellschaft akzeptiert haben, wurde umgesetzt. Diese Bestimmungen werden auch auf Personen angewandt, die erst jetzt aus dem Ausland zurückkehren. Ob davon auch lediglich politisch tätige Anhänger der UNITA profitieren konnten, ist allerdings nicht bekannt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002). Am 05.09.2008 haben nunmehr auch die seit 1992 ersten Parlamentswahlen stattgefunden, die zuletzt mehrfach vertagt worden waren. An diesen konnte sich auch die UNITA beteiligen, die sich inzwischen zu einer ihre verschiedenen Fraktionen wieder vereinigenden politischen Partei entwickelt hatte. Auch wenn sich politische Parteien seit 2002 grundsätz-lich betätigen können, kann von für alle Parteien gleichen Voraussetzungen nicht die Rede sein. Abgesehen davon, dass die staatlichen Medienanstalten zugunsten der MPLA eingesetzt wurden (vgl. FAS v. 08.09.2008 „Die bösen Jahre sind noch nicht vorbei“) und für die Oppositionsparteien außerhalb Luandas kein freier Zugang zu den elektronischen Medien bestand, wurde von staatlich finanzierten Wahlgeschenken (vgl. hierzu auch Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007) durch die MPLA und Einschüchterungen durch deren Sympathisanten gesprochen (vgl. British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006, S. 7; Refugee Documentation Centre (Ireland) vom 09.11.2009; FR v. 05.09.2008 „Das reichste arme Land der Welt wählt“). Die Wahl wurde von der Regierungspartei MPLA mit knapp 82 % der abgegebenen Stimmen gewonnen, während die UNITA nur etwas mehr als 10 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die Grundsätze der Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit der Gerichte, der Gewährleistung rechtlichen Gehörs und der Möglichkeit der Verteidigung sind zwar verfassungsrechtlich verankert, auch sind die bestehenden Gesetze an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichtet, jedoch laufen entsprechende Rechte aufgrund des materiell schlecht ausgestatteten, langsam arbeitenden und korruptionsanfälligen Justizsystems weitgehend leer. Der Justizweg ist insofern allenfalls eingeschränkt gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab-schieberelevante Lage in der Republik Angola v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; Africa Yearbook 2006, Angola, S. 410, 2007). Ermittlungsbehörden und Gerichte sind überlastet, unterbezahlt, ineffektiv und korruptionsanfällig. Straffreiheit für kriminelle Vergehen und Menschenrechtsverletzungen sind insofern keine Seltenheit (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006, S. 2; amnesty international, Jahresbericht Angola 2007).
51 
Staatliche Repressionsmaßnahmen, die systematisch gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer politischen Überzeugung eingesetzt werden, gibt es - insoweit ist dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht zu folgen - nicht mehr. Allerdings sind solche im Einzelfall weiterhin nicht auszuschließen, zumal der Schutz der Menschenrechte noch immer unzureichend ist und sowohl staatliche als auch nicht staatliche Akteure weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006; amnesty international, Report Angola 2008 und 2009, Jahresberichte Angola 2007; US Department of State, Human Rights Report vom 25.02.2009; Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009).
52 
Zwar müssen selbst ehemalige UNITA-Kämpfer in Angola grundsätzlich nicht mehr mit staatlichen Repressionen rechnen. So spielen hochrangige ehemalige UNITA-Militärführer inzwischen durchaus eine wichtige Rolle als Politiker bzw. sind in den angolanischen Streitkräften FAA weiterhin als solche tätig. Allerdings kam es Mitte Juli 2004 in vier Orten im Landesinnern zu Übergriffen der lokalen Bevölkerung auf ehemalige UNITA-Angehörige, die sich dort niederlassen wollten. Besonders schwer waren die Übergriffe in Cazombo in der Provinz Moxico, bei denen 80 Häuser zerstört worden sein sollen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Angola v. 05.11.2004 bzw. v. 18.04.2006), nachdem ein ehemaliger UNITA-General die Leitung des dortigen UNITA-Büros hatte übernehmen wollen. Zwar wurden entsprechende Übergriffe von Regierungsseite öffentlich kritisiert, doch gibt es verschiedene glaubhafte Berichte, wonach lokale MPLA-Vertreter in derartige Vorkommnisse involviert waren und die Polizei nicht zum Schutz der Opposition einschritt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007).
53 
Für UNITA-Angehörige, die sich in Angola für Dritte erkennbar politisch für die UNITA betätigen, besteht schließlich auch mehr als sieben Jahre nach Ende des Bürgerkriegs noch ein gewisses Risiko, erheblichen Repressionen seitens der Anhänger der Regierungspartei MPLA bzw. ihr zuzurechnenden Gruppierungen ausgesetzt zu sein. So beklagen die verschiedenen Oppositionsparteien – namentlich die UNITA – regelmäßig Akte „politischer Intoleranz“ hauptsächlich in den ländlichen Gebieten verschiedener Provinzen, wobei die Verantwortlichen regelmäßig nicht zur Rechenschaft gezogen würden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free an Fair Elections, 12.08.2008; UK Border Agency, Operational Guidance Note Angola vom 01.06.2009). An dem tief verwurzelten Klima der Intoleranz wird sich aufgrund der weiteren Marginalisierung der Zivilgesellschaft und zivilen Oppositionsparteien voraussichtlich auch in absehbarer Zeit nichts ändern, da insofern das bestehende autoritäre politische System und die politische Bipolarität zwischen den Bürgerkriegsparteien MPLA und UNITA unangetastet bleiben dürfte (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002).
54 
Bereits 2004 wurden von der UNITA zunehmend Fälle von Einschüchterung ihrer Funktionäre beklagt, die u. a. von Angehörigen einer MPLA-nahen Miliz ausgegangen sein sollen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 31.03.2005, S. 7; British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch wurde beklagt, dass zunehmend Erpressung und Druck ausgeübt werde, in die MPLA einzutreten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, S. 1; Africa Yearbook 2004, Angola, S. 388, 2005: Africa Yearbook 2005, S. 399, 2006). Wiederholt wurde 2003/2004 von Verfolgungen, Ein-schüchterungen und Gewalt gegen Funktionäre in verschiedenen Provinzen und Städten im Landesinneren berichtet (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch 2005 kam es zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Parteien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; British Home Office, Operational Guidance Note Angola,11. bzw. 29.07.2008). Im März 2005 sollen in der Stadt Mavinga eine Person gar getötet und 28 weitere Personen verletzt worden sein, als UNITA-Mitglieder ihre Parteiflagge zu hissen versuchten (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008; amnesty international, Jahresbericht Angola 2006). Die UNITA sprach von gezielter Aufhetzung der Bevölkerung durch die MPLA und die lokalen Behörden mit dem Ziel, die landesweite Errichtung oppositioneller Strukturen zu verhindern. Selbst Angolas Präsident dos Santos soll nach den Vorfällen Ende Februar und Mitte März die Besorgnis der UNITA als „legitim“ anerkannt haben (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 21.03.2005). 2006 berichteten UNITA und MPLA von wechselseitigen körperlichen Angriffen politischer bzw. militanter Aktivisten auf ihre Mitglieder (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Reports on Human Rights Practices - 2006 v. 06.03.2007, Section 3). Die UNITA sprach gar von 13 getöteten Parteimitgliedern (vgl. Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007). Auch 2007 berichteten die Oppositionsparteien von Belästigungen, Einschüchterungen und Körperverletzungen durch Anhänger der Regierungspartei (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Re-ports on Human Rights Practices - 2007 v. 11.03.2008, Section 3). Im März 2007 sollen Unbekannte (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola v. 11. bzw. 29.07.2008; U.S. Departement of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, a.a.O.), möglicherweise gar Polizisten (vgl. amnesty international, Report Angola 2008), in der Provinz Kwanza Norte während einer Sitzung im örtlichen Parteibüro auf den zu Besuch anwesenden Parteivorsitzenden der UNITA – Isaias Samakuva – geschossen haben, der dabei leicht verletzt wurde; über das Ergebnis der deswegen in Gang gesetzten Untersuchung ist - soweit ersichtlich - noch nichts bekannt. Mitglieder der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft berichteten auch 2007 von zunehmender „politischer Intoleranz“. Auch im unmittelbaren Vorfeld der für Herbst 2008 angesetzten Parlamentswahlen wurde von Fällen politischer Gewalt hauptsächlich in den ländlichen Gebieten berichtet. So seien am 02.03.2008 Mitglieder einer kommunalen UNITA-Delegation im Dorf Kafindua in der Provinz Benguela von einer Gruppe örtlicher MPLA-Aktivisten geschlagen worden, als sie ihre Parteiflagge hätten hissen wollen. Die Polizei habe die Angreifer zwar verhört, jedoch wieder laufen lassen; diese hätten anschließend erklärt, „die Polizei gehöre ihnen“. Traditionelle Autoritäten seien zunehmend dem Druck der MPLA ausgesetzt, Aktivitäten der UNITA in den verschiedenen Dörfern zu verhindern. Am 30.05.2008 habe eine Gruppe von MPLA-Anhängern den traditionellen Führer im Dorf Bongue Kandala in der Provinz Benguela sowie fünf UNITA-Mitglieder zusammengeschlagen, weil jener zuvor erlaubt hätte, die Parteifahne hochzuhalten (vgl. Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free and Fair Elections, 12.08.2008). Am 13.08.2008 sollen UNITA-Mitglieder während einer öffentlichen Versammlung in Kipeio in der Provinz Huambo von einer Gruppe mit Stöcken und Steinen angegriffen worden sein; eine Frau musste im Krankenhaus behandelt werden, die anderen erlitten weniger ernste Verletzungen. Die Polizei sei zwar eingeschritten, die Angreifer seien jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen worden. In der Provinz Benguela sollen UNITA-Mitglieder am 23.08.2008 gesteinigt worden sein. In Chico da Waiti sei eine 40-köpfige Delegation von UNITA-Mitglieder mit Steinen beworfen worden, wobei 8 Personen verletzt worden seien. Die Polizei habe die Delegation eskortiert, jedoch niemanden verhaftet. Der zuständige Gemeindeverwaltungsbeamte habe später erklärt, dass er lediglich die Sicherheit der Wahlbeobachter der UNITA, nicht aber für deren Wahlkampagne garantiere (vgl. Human Rights Watch, Angola: Irregula-rities Marred Historic Elections, 14.09.2008).
55 
Für 2009 sind den bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnismitteln zwar keine entsprechenden Vorkommnisse im Zusammenhang mit der UNITA zu entnehmen, lediglich in Zusammenhang mit dem Vorgehen des Militärs gegen bewaffnete Rebellen der Liberation Front of the Enclave Cabinda (FLEC) in der Provinz Cabinda soll es in 2009 zu willkürlichen Verhaftungen gekommen sein (Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009). Es ist aber noch völlig offen, ob sich diese positive Entwicklung in der Zukunft verstetigt. Derzeit und auf absehbare Zeit kann deshalb nach wie vor nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Angola vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher wäre.“
56 
Dem Kläger des zu entscheidenden Berufungsverfahrens, der im Gegensatz zu dem Kläger zu 1 jenes Verfahrens vor seiner Ausreise keine Verfolgung erlitten hat und der von einer solchen auch nicht unmittelbar bedroht gewesen ist, droht danach im Falle einer Rückkehr nach Angola politische Verfolgung jedenfalls nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil v. 03.12.2009 - A 5 S 122/08 - juris, Urteil v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 - InfAuslR 2009, 215, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1729/97 - juris, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1730/97 - juris).
57 
Diese Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der in das Berufungsverfahren eingeführten neueren Erkenntnisquellen für den gegenwärtigen Zeitpunkt aufrecht zu erhalten.
58 
So hat sich die Situation in Angola in den vergangenen Jahren weiter verstetigt, ohne dass es dabei zu besonderen Veränderungen mit einer Tendenz zum Besseren oder zum Schlechteren gekommen wäre. Von besonderer Bedeutung auch für den politischen Prozess der Aussöhnung zwischen den früheren Bürgerkriegsparteien waren die am 31.08.2012 abgehaltenen Parlamentswahlen, bei welchen die regierende MPLA zu Gunsten der Oppositionsparteien Stimmenverluste hinnehmen musste. Die UNITA als größte Oppositionspartei vermochte ihren Stimmenanteil auf 18,66 % auszubauen, obwohl sich von ihr zuvor die neue Oppositionspartei CASA-CE abgespalten hatte, die ihrerseits 6 % der Stimmen errang. Alle am Bürgerkrieg beteiligten Parteien unterstützen die Wiederaufbauphase, in der sich das Land nach wie vor befindet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.09.2009 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden).
59 
Hingegen ist die MPLA die führende und die Geschicke des Landes vorherrschend bestimmende Organisation geblieben, die letztlich alle anderen Parteien im Fokus hat und alle führenden Persönlichkeiten überwacht (Deutsche Botschaft Luanda, Auskunft vom 15.09.2011 an das Verwaltungsgericht Minden). In dieser Situation kommt es in Angola immer noch zu Menschenrechtsverletzungen seitens der Polizei, etwa durch den exzessiven Einsatz von Gewalt und staatlichem Mord. Nur wenige Beamte mussten sich hierfür bislang strafrechtlich verantworten. Es wurde über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen durch die Polizei berichtet, die ihre Funktionen zudem parteiisch ausübt, vor allem während einiger gegen die Regierung gerichteter Demonstrationen. Bei der Auflösung von Demonstrationen wurde zum Teil mit exzessiver Gewalt vorgegangen (Amnesty international, Report Angola 2010 und 2012).
60 
Insbesondere im Vorfeld der Wahlen von 2012 gab es Berichte über sporadische politisch motivierte Gewalttaten von Mitgliedern der MPLA, die sich gegen die UNITA und das Bündnis CASA-CE richteten. Den Berichten zufolge war aber auch die UNITA für vereinzelte gewaltsame Handlungen gegen die MPLA verantwortlich, die politisch motiviert waren (Amnesty international, Report Angola 2013).
61 
Am 23.11.2013 wurden in Luanda bei einer vom Innenministerium verbotenen Demonstration, zu der die UNITA aufgerufen hatte, 292 Personen festgenommen. Die Demonstration sollte an das ungeklärte Schicksal zweier Aktivisten erinnern, nachdem Informationen bekannt geworden waren, wonach die beiden im Mai 2012 durch staatliche Kräfte entführt, gefoltert und getötet worden sein sollen (BaMF-Briefing Notes vom 25.11.2013).
62 
Auch für das Jahr 2014 berichtet Amnesty International nach wie vor über - allerdings ausdrücklich nur sporadische - politisch motivierte Gewalttaten zwischen Mitgliedern der regierenden MPLA und solchen der UNITA. Friedliche Demonstrationen wurden mitunter von Polizei und Sicherheitskräften unter Anwendung von Gewalt unterbunden (Amnesty international, Report Angola 2015).
63 
Am 09.03.2014 störten Mitglieder der MPLA in der Provinz Kwanza Sul eine Gedenkveranstaltung der UNITA zu deren 48-jährigem Bestehen, wobei drei Provinzführer der UNITA während einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen einzelnen Unterstützern der beiden Parteien getötet worden sein sollen. Öffentlich zugängliche Informationen über irgendwelche Verhaftungen oder Untersuchungen durch die Polizei wegen dieser Angelegenheit seien nicht erhältlich gewesen. Die Regierung unternahm gleichwohl generell einige Schritte zur Verfolgung und Bestrafung des Missbrauchs durch Beamte, welche indes nur schwer nachvollzogen werden können (US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2014).
64 
Auch auf der Basis der dem Senat im Übrigen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen muss festgestellt werden, dass in Angola das geltende Verfassungsrecht und die gegebene Verfassungswirklichkeit nicht immer übereinstimmen, was sich vor allem in der Machtausübung der Sicherheitskräfte, der weitreichenden Korruption und einer Behinderung der Arbeit von Journalisten zeigt. Gelegentlich wird dieses Bild auch durch einzelne mitunter gewaltsame Machtdemonstrationen Angehöriger der MPLA gegenüber Anhängern der Oppositionsparteien bestätigt, ohne dass jedoch angenommen werden müsste, dass die Betätigung der Oppositionsparteien in Angola generell gefährlich ist bzw. eine solche gar staatlicherseits unterbunden wird (vgl. US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2011 und 2012; Refugee Documentation Centre Ireland v. 22.10.2009; UK Border Agency v. 01.09.2010; Freedom House Länderberichte 2010, 2011 und 2012).
65 
Zutreffend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in diesem Zusammenhang auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.09.2015 zu Angola (2015/2839(RSP)) hingewiesen, welche vor dem Hintergrund insbesondere der Festnahme des angolanischen Menschenrechtsaktivisten José Marcos Mavungo am 14.03.2015 die angolanische Regierung u.a. dazu auffordert, Fällen von willkürlicher Verhaftung, rechtswidriger Inhaftierung und Folter durch Polizei- und Sicherheitskräfte unverzüglich ein Ende zu setzen.
66 
Zusammenfassend lässt sich für den Senat festhalten, dass seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers und weitere 6 Jahre nach dem zitierten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - sich die Verhältnisse in Angola derart verstetigt haben, dass der Kläger nunmehr dort jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten hat.
67 
Diese Einschätzung beruht überdies auf der individuellen Situation des Klägers, der bereits seit Längerem nicht mehr als exilpolitischer Aktivist für die Sache der UNITA angesehen werden kann. So hat er im Rahmen des Widerrufsverfahrens nicht mehr von einer ins Gewicht fallenden Fortsetzung seiner Betätigung für die UNITA für die Zeit nach seiner Flüchtlingsanerkennung berichtet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er gar eingeräumt, seit einem ihm gegenüber ausgesprochenen Verbot der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 nur noch „auf kleiner Flamme“ politisch tätig zu sein. Insoweit gebe es nichts weiter zu berichten. Der Kläger vermittelte dem Senat auch keineswegs den Eindruck, er werde nach einer Rückkehr nach Angola seine Aktivitäten für die UNITA wieder aufnehmen, weil er sich etwa hierzu aufgrund einer tiefen inneren Überzeugung verpflichtet fühle. Die damit anzunehmende zwischenzeitliche Veränderung auch in der Person des Klägers (vgl. dazu allgemein bereits oben) verdeutlichen dem Senat, dass dieser im Fall seiner nunmehrigen Rückkehr nach Angola auch nicht von einer im Jahr 2015 möglicherweise wieder etwas verschärfteren Situation für Regimegegner betroffen wäre.
68 
Anhaltspunkte für das Vorliegen von dem Kläger nicht geltend gemachter Anfechtungsgründe (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015, a.a.O.) lassen sich für den Senat im Übrigen nicht erkennen.
69 
Dass der Kläger schließlich - wie dies sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - aufgrund des verhängten Verbots der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 einem Flüchtling, dem die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu Gute kommt, gleichzustellen sei, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
70 
d) Der Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat schließlich auch nicht aufgrund der Bestimmung des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG auszuscheiden. Denn der Kläger kann sich ersichtlich nicht auf zwingende auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen, um eine Rückkehr nach Angola abzulehnen.
71 
2. Aus dem Vorgenannten ergibt sich zugleich, dass der von dem Kläger angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 auch hinsichtlich seiner Nr. 2, wonach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der Person des Klägers nicht vorliegen, rechtmäßig ist.
72 
Es kommt daher für die Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht darauf an, ob der von ihm gewählte isolierte Antrag auf Aufhebung der diesbezüglichen Entscheidung des Bundesamtes überhaupt sachdienlich ist.
73 
Gem. § 60 Abs. 1 AufenthG i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722, darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (vgl. im Übrigen §§ 3 bis 3e AsylG).
74 
Eine nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 AufenthG im Falle einer Rückkehr drohende Gefährdung kommt ausgehend von dem Vorbringen des Klägers ebenfalls nur mit Blick auf die Befürchtung von Repressionen im Zusammenhang mit seinem geltend gemachten exilpolitischen Verhalten in Betracht. Wie bereits ausgeführt, kann insoweit jedoch für den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden, was in erster Linie darin begründet ist, dass der Kläger bereits seit Längerem so gut wie gar nicht mehr exilpolitisch tätig ist und er auch für den Fall seiner Rückkehr nach Angola in keiner Weise bekundet hat, sich dort zukünftig aktiv für die UNITA politisch betätigen zu wollen.
75 
Die Berufung des Klägers ist nach allem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
76 
Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.
77 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

 
27 
Die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2008 - A 5 S 1130/06 - zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung (vgl. § 124a Abs. 6 VwGO) des Klägers ist nicht begründet.
28 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989.223) - nur hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers - zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger kann nicht die Aufhebung des Widerrufs der mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 15.05.2001 getroffenen Feststellung verlangen, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorliegen (vgl. nachfolgend unter 1.). Ihm kommt auch kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. §§ 3 bis 3e AsylG (jeweils i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722) zu (vgl. unter 2.).
29 
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 ist in seiner Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG für den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegeben.
30 
a) Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. gegeben sind, hatte bei Entscheidungen über Asylanträge, die vor dem 01.01.2005 unanfechtbar geworden sind, spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen (§ 73 Abs. 2a, Abs. 7 AsylVfG a.F.), was vorliegend mit der Entscheidung des Bundesamtes vom 10.02.2005 beachtet worden ist.
31 
b) Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist in materieller Hinsicht § 73 AsylG in der Fassung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722. Nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
32 
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. Nr. L 304 S. 12; berichtigt ABl. 2005 Nr. L 204 S. 24; nunmehr: Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mir Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 S. 9) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG sind daher unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren.
33 
Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.
34 
Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 02.03.2010 (Rs. C-​175/08 u.a., Abdulla u.a. -, NVwZ 2010, 505) weiter konkretisiert. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt danach voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 72 ff.; zur Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit vgl. auch BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O., m.w.N.).
35 
Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der früheren, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht mehr festgehalten werden. Der Richtlinie 2004/83/EG ist ein solches materiellrechtliches Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose fremd. Sie verfolgt vielmehr unter Zugrundelegung eines einheitlichen Prognosemaßstabs für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 und der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Demzufolge gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich auch das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 84 ff., 98 f.; BVerwG, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 7.11- Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 43).
36 
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Unzumutbar kann aber eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn auch nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162).
37 
Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d. h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Eine Veränderung kann in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (BVerwG, Urteil v. 24.02.2011 - 10 C 3.11 - BVerwGE 139, 109). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991, a.a.O.), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.).
38 
Die Rechtskraft des zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils aus dem Jahr 2001 steht einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft,; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 m.w.N.). Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht befugt, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.). Die Behörde ist aber bei einer entscheidungserheblichen Änderung des für die Flüchtlingsanerkennung maßgeblichen Sachverhalts nicht gehindert, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, den sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil erlassen hat. Das ist im Asylrecht dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.).
39 
Die Rechtskraftwirkung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.). Allerdings entfalten fehlerhafte Urteile keine weitergehende Rechtskraftwirkung als fehlerfreie Urteile. Eine Lösung von der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das das Bundesamt zur Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling verpflichtet hat, ist vielmehr immer dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat, unabhängig davon, ob das zur Anerkennung verpflichtende Urteil richtig oder fehlerhaft war.
40 
Die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung entsprechen damit weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG gelten. Denn auch § 73 Abs. 1 AsylG setzt eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse voraus. Für den Widerruf einer Behördenentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 - 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80). Der Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht danach auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. Dies gilt erst recht für den Widerruf der auf einem Verpflichtungsurteil beruhenden Anerkennung, von deren Rechtmäßigkeit wegen der Rechtskraft des Urteils auch im Rahmen der Widerrufsprüfung auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.11.2011 - 10 C 29.10 - NVwZ 2012, 1042, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 8.11 - AuAS 2012, 153).
41 
Zwar kann ein reiner Zeitablauf für sich genommen keine Sachlagenänderung bewirken. Allerdings sind - so das Bundesverwaltungsgericht - „wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt“ (Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.), und können sich Widerrufsgründe nach der Auffassung des Senats durchaus auch aus Veränderungen in der Person des Flüchtlings ergeben (GK-AsylVfG, Stand August 2012, § 73 Rn. 23 und 28; vgl. auch OVG Saarland, Urteil v. 25.08.2011 - 3 A 34/10 -, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil v. 14.05.2013 - 14a K 1699/11.A - juris).
42 
Für den Widerruf der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung ist schließlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015 - 1 C 2.15 - InfAuslR 2015, 401) entschieden, dass der Widerrufsbescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen ist und das Gericht auch vom Kläger nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe sowie von der Behörde nicht angeführte Widerrufsgründe einzubeziehen hat (BVerwG, Urteil v. 31.01.2013 - 10 C 17.12 - BVerwGE 146, 31). Denn die Aufhebung eines solchen, nicht im Ermessen der Behörde stehenden, Verwaltungsaktes setzt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unter anderem seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er aus einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Liegt der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund nicht vor, so ist eine Klage erst dann begründet, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Dies entspricht der im Asylverfahren geltenden Konzentrations-und Beschleunigungsmaxime, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (s.a. BVerwG, Urteil v. 8.09.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319; Beschluss v. 10.10.2011 - 10 B 24.11 - juris).
43 
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich für den Kläger aus heutiger Sicht aufgrund der in Angola seit Mitte des Jahres 2002 eingetretenen veränderten Verhältnisse sowie aufgrund der seither verstrichenen Zeit von über 13 Jahren und des individuellen Vorbringens der Klägers nicht (mehr) mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dieser bei einer unterstellten nunmehrigen Rückkehr nach Angola von nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen werden wird, was letztlich auch die Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.03.2001 nach den o.g. Maßstäben rechtfertigt.
44 
Der insoweit anzustellenden Prognose ist zunächst die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2001 zu Grunde zu legen, wonach der in seiner Heimat nicht tatsächlich verfolgte und von politischer Verfolgung auch nicht unmittelbar bedroht gewesene Kläger seinerzeit in Deutschland als im Exil befindlicher Informationssekretär der UNITA aufgrund selbstgeschaffener Nachfluchtgründe in Angola zumindest mit seiner Inhaftierung zu rechnen hatte, was aufgrund der dortigen spezifischen Haftbedingungen zudem eine unmenschliche bzw. erniedrigende Maßnahme dargestellt hätte.
45 
Relevant ist vor diesem Hintergrund in erster Linie, ob sich die Verhältnisse in Angola seither derart nachhaltig und stabil geändert haben, dass seitens des angolanischen Staates entsprechende Maßnahmen „asylrelevanter Weise“ bei einer unterstellten jetzigen Rückkehr des Klägers nach Angola nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.03.2012, a.a.O.). Insbesondere ist daher von Bedeutung, ob es in Angola zu einer hinreichend erheblichen und dauerhaften Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2003/83/EG gekommen ist, weil sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben hat, so dass für den Kläger keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht, er insbesondere nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat, der dargestellten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
46 
Die Veränderung der Verhältnisse muss danach kausal für den Wegfall der beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung sein (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 04.08.2011 - A 2 S 1381/11- juris), wobei das Erfordernis der Veränderung der Verhältnisse in Widerrufsfällen gerade auch deshalb einer gesonderten Prüfung bedarf, um eine unzulässige Neubewertung der Gefährdungslage auf ein und derselben Tatsachengrundlage zu vermeiden.
47 
Nach der jüngeren Rechtsprechung (des 5. Senats) des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg stellt sich Situation in Angola nach dem schon im Jahr 2002 beendeten, insbesondere zwischen der MPLA und der UNITA geführten Bürgerkrieg so dar, dass angolanischen Staatsangehörigen im Falle einer Rückkehr nach Angola weder wegen Stellung eines Asylantrags und eines Auslandsaufenthalts noch wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo bzw. einer Nähe zur UNITA mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK widersprechende menschenrechtswidrige Behandlung droht. Auch wenn es immer noch zu von den staatlichen Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen komme, habe sich die Menschenrechtlage zwischenzeitlich deutlich verbessert (Urt. v. 25.02.2010 - A 5 S 640/09 - juris). In einem Verfahren, in welchem der dortige Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Angola Mitglied der UNITA gewesen ist und als tatsächlich verfolgt anzusehen war, hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs - noch ohne Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 02.03.2010 (a.a.O.) - das Folgende ausgeführt (Urteil v. 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - juris):
48 
„Dem Kläger zu 1 droht zwar aufgrund seiner früheren - unter den Beteiligten nicht streitigen - Tätigkeit für die UNITA und seiner späteren exilpolitischen Betätigung bei einer Rückkehr nach Angola ersichtlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (vgl. insbes. British Home Office, Operational Guidance Note v. 11. bzw. 29.07.2008, 3.8.8 „clearly unfounded“), doch ist er vor einer solchen - derzeit und auf absehbare Zeit - nicht hinreichend sicher. (…)
49 
Bei seiner Einschätzung geht der Senat (vgl. bereits Senatsurt. v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 -, InfAuslR 2009, 215f) aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen von folgender Situation in Angola aus:
50 
Nachdem der jahrzehntelange Bürgerkrieg zwischen der Rebellen-UNITA und der MPLA-Regierung im März 2002 sein Ende gefunden und die Verhandlungen zwischen den Bürgerkriegsparteien am 04.04.2002 zu einem Waffenstillstandsabkommen mit einer Wiederaufnahme der Umsetzung des Lusaka-Protokolls vom November 1994 geführt hatten, gibt es seitdem in fast allen Bereichen Fortschritte zu verzeichnen. Die UNITA wurde an der Regierung beteiligt und erhielt daneben auch führende Positionen in den Provinzen. Die Regierung hatte auch zugesagt, die Reorganisation der UNITA zur politischen Partei nicht zu behindern. Die beschlossene Demobilisierung der UNITA-Kämpfer konnte trotz Anlaufschwierigkeiten ohne nennenswerte Zwischenfälle durchgeführt und am 30.07.2002 abgeschlossen werden; die demobilisierten Kämpfer erhielten Hilfen zur Integration in das zivile Leben bzw. wurden zu einem kleinen Teil (ca. 5.000) bis Oktober 2004 in die angolanischen Streitkräfte FAA integriert. Auch das bereits am 02.04.2002 vom Parlament verabschiedete Amnestiegesetz, das Straffreiheit für alle UNITA-Kombattanten vorsieht, die sich innerhalb von 45 Tagen ergeben und ihre soziale Integration in die Gesellschaft akzeptiert haben, wurde umgesetzt. Diese Bestimmungen werden auch auf Personen angewandt, die erst jetzt aus dem Ausland zurückkehren. Ob davon auch lediglich politisch tätige Anhänger der UNITA profitieren konnten, ist allerdings nicht bekannt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002). Am 05.09.2008 haben nunmehr auch die seit 1992 ersten Parlamentswahlen stattgefunden, die zuletzt mehrfach vertagt worden waren. An diesen konnte sich auch die UNITA beteiligen, die sich inzwischen zu einer ihre verschiedenen Fraktionen wieder vereinigenden politischen Partei entwickelt hatte. Auch wenn sich politische Parteien seit 2002 grundsätz-lich betätigen können, kann von für alle Parteien gleichen Voraussetzungen nicht die Rede sein. Abgesehen davon, dass die staatlichen Medienanstalten zugunsten der MPLA eingesetzt wurden (vgl. FAS v. 08.09.2008 „Die bösen Jahre sind noch nicht vorbei“) und für die Oppositionsparteien außerhalb Luandas kein freier Zugang zu den elektronischen Medien bestand, wurde von staatlich finanzierten Wahlgeschenken (vgl. hierzu auch Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007) durch die MPLA und Einschüchterungen durch deren Sympathisanten gesprochen (vgl. British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006, S. 7; Refugee Documentation Centre (Ireland) vom 09.11.2009; FR v. 05.09.2008 „Das reichste arme Land der Welt wählt“). Die Wahl wurde von der Regierungspartei MPLA mit knapp 82 % der abgegebenen Stimmen gewonnen, während die UNITA nur etwas mehr als 10 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die Grundsätze der Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit der Gerichte, der Gewährleistung rechtlichen Gehörs und der Möglichkeit der Verteidigung sind zwar verfassungsrechtlich verankert, auch sind die bestehenden Gesetze an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichtet, jedoch laufen entsprechende Rechte aufgrund des materiell schlecht ausgestatteten, langsam arbeitenden und korruptionsanfälligen Justizsystems weitgehend leer. Der Justizweg ist insofern allenfalls eingeschränkt gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab-schieberelevante Lage in der Republik Angola v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; Africa Yearbook 2006, Angola, S. 410, 2007). Ermittlungsbehörden und Gerichte sind überlastet, unterbezahlt, ineffektiv und korruptionsanfällig. Straffreiheit für kriminelle Vergehen und Menschenrechtsverletzungen sind insofern keine Seltenheit (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006, S. 2; amnesty international, Jahresbericht Angola 2007).
51 
Staatliche Repressionsmaßnahmen, die systematisch gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer politischen Überzeugung eingesetzt werden, gibt es - insoweit ist dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht zu folgen - nicht mehr. Allerdings sind solche im Einzelfall weiterhin nicht auszuschließen, zumal der Schutz der Menschenrechte noch immer unzureichend ist und sowohl staatliche als auch nicht staatliche Akteure weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006; amnesty international, Report Angola 2008 und 2009, Jahresberichte Angola 2007; US Department of State, Human Rights Report vom 25.02.2009; Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009).
52 
Zwar müssen selbst ehemalige UNITA-Kämpfer in Angola grundsätzlich nicht mehr mit staatlichen Repressionen rechnen. So spielen hochrangige ehemalige UNITA-Militärführer inzwischen durchaus eine wichtige Rolle als Politiker bzw. sind in den angolanischen Streitkräften FAA weiterhin als solche tätig. Allerdings kam es Mitte Juli 2004 in vier Orten im Landesinnern zu Übergriffen der lokalen Bevölkerung auf ehemalige UNITA-Angehörige, die sich dort niederlassen wollten. Besonders schwer waren die Übergriffe in Cazombo in der Provinz Moxico, bei denen 80 Häuser zerstört worden sein sollen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Angola v. 05.11.2004 bzw. v. 18.04.2006), nachdem ein ehemaliger UNITA-General die Leitung des dortigen UNITA-Büros hatte übernehmen wollen. Zwar wurden entsprechende Übergriffe von Regierungsseite öffentlich kritisiert, doch gibt es verschiedene glaubhafte Berichte, wonach lokale MPLA-Vertreter in derartige Vorkommnisse involviert waren und die Polizei nicht zum Schutz der Opposition einschritt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007).
53 
Für UNITA-Angehörige, die sich in Angola für Dritte erkennbar politisch für die UNITA betätigen, besteht schließlich auch mehr als sieben Jahre nach Ende des Bürgerkriegs noch ein gewisses Risiko, erheblichen Repressionen seitens der Anhänger der Regierungspartei MPLA bzw. ihr zuzurechnenden Gruppierungen ausgesetzt zu sein. So beklagen die verschiedenen Oppositionsparteien – namentlich die UNITA – regelmäßig Akte „politischer Intoleranz“ hauptsächlich in den ländlichen Gebieten verschiedener Provinzen, wobei die Verantwortlichen regelmäßig nicht zur Rechenschaft gezogen würden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free an Fair Elections, 12.08.2008; UK Border Agency, Operational Guidance Note Angola vom 01.06.2009). An dem tief verwurzelten Klima der Intoleranz wird sich aufgrund der weiteren Marginalisierung der Zivilgesellschaft und zivilen Oppositionsparteien voraussichtlich auch in absehbarer Zeit nichts ändern, da insofern das bestehende autoritäre politische System und die politische Bipolarität zwischen den Bürgerkriegsparteien MPLA und UNITA unangetastet bleiben dürfte (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002).
54 
Bereits 2004 wurden von der UNITA zunehmend Fälle von Einschüchterung ihrer Funktionäre beklagt, die u. a. von Angehörigen einer MPLA-nahen Miliz ausgegangen sein sollen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 31.03.2005, S. 7; British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch wurde beklagt, dass zunehmend Erpressung und Druck ausgeübt werde, in die MPLA einzutreten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, S. 1; Africa Yearbook 2004, Angola, S. 388, 2005: Africa Yearbook 2005, S. 399, 2006). Wiederholt wurde 2003/2004 von Verfolgungen, Ein-schüchterungen und Gewalt gegen Funktionäre in verschiedenen Provinzen und Städten im Landesinneren berichtet (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch 2005 kam es zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Parteien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; British Home Office, Operational Guidance Note Angola,11. bzw. 29.07.2008). Im März 2005 sollen in der Stadt Mavinga eine Person gar getötet und 28 weitere Personen verletzt worden sein, als UNITA-Mitglieder ihre Parteiflagge zu hissen versuchten (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008; amnesty international, Jahresbericht Angola 2006). Die UNITA sprach von gezielter Aufhetzung der Bevölkerung durch die MPLA und die lokalen Behörden mit dem Ziel, die landesweite Errichtung oppositioneller Strukturen zu verhindern. Selbst Angolas Präsident dos Santos soll nach den Vorfällen Ende Februar und Mitte März die Besorgnis der UNITA als „legitim“ anerkannt haben (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 21.03.2005). 2006 berichteten UNITA und MPLA von wechselseitigen körperlichen Angriffen politischer bzw. militanter Aktivisten auf ihre Mitglieder (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Reports on Human Rights Practices - 2006 v. 06.03.2007, Section 3). Die UNITA sprach gar von 13 getöteten Parteimitgliedern (vgl. Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007). Auch 2007 berichteten die Oppositionsparteien von Belästigungen, Einschüchterungen und Körperverletzungen durch Anhänger der Regierungspartei (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Re-ports on Human Rights Practices - 2007 v. 11.03.2008, Section 3). Im März 2007 sollen Unbekannte (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola v. 11. bzw. 29.07.2008; U.S. Departement of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, a.a.O.), möglicherweise gar Polizisten (vgl. amnesty international, Report Angola 2008), in der Provinz Kwanza Norte während einer Sitzung im örtlichen Parteibüro auf den zu Besuch anwesenden Parteivorsitzenden der UNITA – Isaias Samakuva – geschossen haben, der dabei leicht verletzt wurde; über das Ergebnis der deswegen in Gang gesetzten Untersuchung ist - soweit ersichtlich - noch nichts bekannt. Mitglieder der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft berichteten auch 2007 von zunehmender „politischer Intoleranz“. Auch im unmittelbaren Vorfeld der für Herbst 2008 angesetzten Parlamentswahlen wurde von Fällen politischer Gewalt hauptsächlich in den ländlichen Gebieten berichtet. So seien am 02.03.2008 Mitglieder einer kommunalen UNITA-Delegation im Dorf Kafindua in der Provinz Benguela von einer Gruppe örtlicher MPLA-Aktivisten geschlagen worden, als sie ihre Parteiflagge hätten hissen wollen. Die Polizei habe die Angreifer zwar verhört, jedoch wieder laufen lassen; diese hätten anschließend erklärt, „die Polizei gehöre ihnen“. Traditionelle Autoritäten seien zunehmend dem Druck der MPLA ausgesetzt, Aktivitäten der UNITA in den verschiedenen Dörfern zu verhindern. Am 30.05.2008 habe eine Gruppe von MPLA-Anhängern den traditionellen Führer im Dorf Bongue Kandala in der Provinz Benguela sowie fünf UNITA-Mitglieder zusammengeschlagen, weil jener zuvor erlaubt hätte, die Parteifahne hochzuhalten (vgl. Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free and Fair Elections, 12.08.2008). Am 13.08.2008 sollen UNITA-Mitglieder während einer öffentlichen Versammlung in Kipeio in der Provinz Huambo von einer Gruppe mit Stöcken und Steinen angegriffen worden sein; eine Frau musste im Krankenhaus behandelt werden, die anderen erlitten weniger ernste Verletzungen. Die Polizei sei zwar eingeschritten, die Angreifer seien jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen worden. In der Provinz Benguela sollen UNITA-Mitglieder am 23.08.2008 gesteinigt worden sein. In Chico da Waiti sei eine 40-köpfige Delegation von UNITA-Mitglieder mit Steinen beworfen worden, wobei 8 Personen verletzt worden seien. Die Polizei habe die Delegation eskortiert, jedoch niemanden verhaftet. Der zuständige Gemeindeverwaltungsbeamte habe später erklärt, dass er lediglich die Sicherheit der Wahlbeobachter der UNITA, nicht aber für deren Wahlkampagne garantiere (vgl. Human Rights Watch, Angola: Irregula-rities Marred Historic Elections, 14.09.2008).
55 
Für 2009 sind den bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnismitteln zwar keine entsprechenden Vorkommnisse im Zusammenhang mit der UNITA zu entnehmen, lediglich in Zusammenhang mit dem Vorgehen des Militärs gegen bewaffnete Rebellen der Liberation Front of the Enclave Cabinda (FLEC) in der Provinz Cabinda soll es in 2009 zu willkürlichen Verhaftungen gekommen sein (Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009). Es ist aber noch völlig offen, ob sich diese positive Entwicklung in der Zukunft verstetigt. Derzeit und auf absehbare Zeit kann deshalb nach wie vor nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Angola vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher wäre.“
56 
Dem Kläger des zu entscheidenden Berufungsverfahrens, der im Gegensatz zu dem Kläger zu 1 jenes Verfahrens vor seiner Ausreise keine Verfolgung erlitten hat und der von einer solchen auch nicht unmittelbar bedroht gewesen ist, droht danach im Falle einer Rückkehr nach Angola politische Verfolgung jedenfalls nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil v. 03.12.2009 - A 5 S 122/08 - juris, Urteil v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 - InfAuslR 2009, 215, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1729/97 - juris, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1730/97 - juris).
57 
Diese Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der in das Berufungsverfahren eingeführten neueren Erkenntnisquellen für den gegenwärtigen Zeitpunkt aufrecht zu erhalten.
58 
So hat sich die Situation in Angola in den vergangenen Jahren weiter verstetigt, ohne dass es dabei zu besonderen Veränderungen mit einer Tendenz zum Besseren oder zum Schlechteren gekommen wäre. Von besonderer Bedeutung auch für den politischen Prozess der Aussöhnung zwischen den früheren Bürgerkriegsparteien waren die am 31.08.2012 abgehaltenen Parlamentswahlen, bei welchen die regierende MPLA zu Gunsten der Oppositionsparteien Stimmenverluste hinnehmen musste. Die UNITA als größte Oppositionspartei vermochte ihren Stimmenanteil auf 18,66 % auszubauen, obwohl sich von ihr zuvor die neue Oppositionspartei CASA-CE abgespalten hatte, die ihrerseits 6 % der Stimmen errang. Alle am Bürgerkrieg beteiligten Parteien unterstützen die Wiederaufbauphase, in der sich das Land nach wie vor befindet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.09.2009 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden).
59 
Hingegen ist die MPLA die führende und die Geschicke des Landes vorherrschend bestimmende Organisation geblieben, die letztlich alle anderen Parteien im Fokus hat und alle führenden Persönlichkeiten überwacht (Deutsche Botschaft Luanda, Auskunft vom 15.09.2011 an das Verwaltungsgericht Minden). In dieser Situation kommt es in Angola immer noch zu Menschenrechtsverletzungen seitens der Polizei, etwa durch den exzessiven Einsatz von Gewalt und staatlichem Mord. Nur wenige Beamte mussten sich hierfür bislang strafrechtlich verantworten. Es wurde über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen durch die Polizei berichtet, die ihre Funktionen zudem parteiisch ausübt, vor allem während einiger gegen die Regierung gerichteter Demonstrationen. Bei der Auflösung von Demonstrationen wurde zum Teil mit exzessiver Gewalt vorgegangen (Amnesty international, Report Angola 2010 und 2012).
60 
Insbesondere im Vorfeld der Wahlen von 2012 gab es Berichte über sporadische politisch motivierte Gewalttaten von Mitgliedern der MPLA, die sich gegen die UNITA und das Bündnis CASA-CE richteten. Den Berichten zufolge war aber auch die UNITA für vereinzelte gewaltsame Handlungen gegen die MPLA verantwortlich, die politisch motiviert waren (Amnesty international, Report Angola 2013).
61 
Am 23.11.2013 wurden in Luanda bei einer vom Innenministerium verbotenen Demonstration, zu der die UNITA aufgerufen hatte, 292 Personen festgenommen. Die Demonstration sollte an das ungeklärte Schicksal zweier Aktivisten erinnern, nachdem Informationen bekannt geworden waren, wonach die beiden im Mai 2012 durch staatliche Kräfte entführt, gefoltert und getötet worden sein sollen (BaMF-Briefing Notes vom 25.11.2013).
62 
Auch für das Jahr 2014 berichtet Amnesty International nach wie vor über - allerdings ausdrücklich nur sporadische - politisch motivierte Gewalttaten zwischen Mitgliedern der regierenden MPLA und solchen der UNITA. Friedliche Demonstrationen wurden mitunter von Polizei und Sicherheitskräften unter Anwendung von Gewalt unterbunden (Amnesty international, Report Angola 2015).
63 
Am 09.03.2014 störten Mitglieder der MPLA in der Provinz Kwanza Sul eine Gedenkveranstaltung der UNITA zu deren 48-jährigem Bestehen, wobei drei Provinzführer der UNITA während einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen einzelnen Unterstützern der beiden Parteien getötet worden sein sollen. Öffentlich zugängliche Informationen über irgendwelche Verhaftungen oder Untersuchungen durch die Polizei wegen dieser Angelegenheit seien nicht erhältlich gewesen. Die Regierung unternahm gleichwohl generell einige Schritte zur Verfolgung und Bestrafung des Missbrauchs durch Beamte, welche indes nur schwer nachvollzogen werden können (US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2014).
64 
Auch auf der Basis der dem Senat im Übrigen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen muss festgestellt werden, dass in Angola das geltende Verfassungsrecht und die gegebene Verfassungswirklichkeit nicht immer übereinstimmen, was sich vor allem in der Machtausübung der Sicherheitskräfte, der weitreichenden Korruption und einer Behinderung der Arbeit von Journalisten zeigt. Gelegentlich wird dieses Bild auch durch einzelne mitunter gewaltsame Machtdemonstrationen Angehöriger der MPLA gegenüber Anhängern der Oppositionsparteien bestätigt, ohne dass jedoch angenommen werden müsste, dass die Betätigung der Oppositionsparteien in Angola generell gefährlich ist bzw. eine solche gar staatlicherseits unterbunden wird (vgl. US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2011 und 2012; Refugee Documentation Centre Ireland v. 22.10.2009; UK Border Agency v. 01.09.2010; Freedom House Länderberichte 2010, 2011 und 2012).
65 
Zutreffend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in diesem Zusammenhang auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.09.2015 zu Angola (2015/2839(RSP)) hingewiesen, welche vor dem Hintergrund insbesondere der Festnahme des angolanischen Menschenrechtsaktivisten José Marcos Mavungo am 14.03.2015 die angolanische Regierung u.a. dazu auffordert, Fällen von willkürlicher Verhaftung, rechtswidriger Inhaftierung und Folter durch Polizei- und Sicherheitskräfte unverzüglich ein Ende zu setzen.
66 
Zusammenfassend lässt sich für den Senat festhalten, dass seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers und weitere 6 Jahre nach dem zitierten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - sich die Verhältnisse in Angola derart verstetigt haben, dass der Kläger nunmehr dort jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten hat.
67 
Diese Einschätzung beruht überdies auf der individuellen Situation des Klägers, der bereits seit Längerem nicht mehr als exilpolitischer Aktivist für die Sache der UNITA angesehen werden kann. So hat er im Rahmen des Widerrufsverfahrens nicht mehr von einer ins Gewicht fallenden Fortsetzung seiner Betätigung für die UNITA für die Zeit nach seiner Flüchtlingsanerkennung berichtet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er gar eingeräumt, seit einem ihm gegenüber ausgesprochenen Verbot der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 nur noch „auf kleiner Flamme“ politisch tätig zu sein. Insoweit gebe es nichts weiter zu berichten. Der Kläger vermittelte dem Senat auch keineswegs den Eindruck, er werde nach einer Rückkehr nach Angola seine Aktivitäten für die UNITA wieder aufnehmen, weil er sich etwa hierzu aufgrund einer tiefen inneren Überzeugung verpflichtet fühle. Die damit anzunehmende zwischenzeitliche Veränderung auch in der Person des Klägers (vgl. dazu allgemein bereits oben) verdeutlichen dem Senat, dass dieser im Fall seiner nunmehrigen Rückkehr nach Angola auch nicht von einer im Jahr 2015 möglicherweise wieder etwas verschärfteren Situation für Regimegegner betroffen wäre.
68 
Anhaltspunkte für das Vorliegen von dem Kläger nicht geltend gemachter Anfechtungsgründe (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015, a.a.O.) lassen sich für den Senat im Übrigen nicht erkennen.
69 
Dass der Kläger schließlich - wie dies sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - aufgrund des verhängten Verbots der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 einem Flüchtling, dem die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu Gute kommt, gleichzustellen sei, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
70 
d) Der Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat schließlich auch nicht aufgrund der Bestimmung des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG auszuscheiden. Denn der Kläger kann sich ersichtlich nicht auf zwingende auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen, um eine Rückkehr nach Angola abzulehnen.
71 
2. Aus dem Vorgenannten ergibt sich zugleich, dass der von dem Kläger angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 auch hinsichtlich seiner Nr. 2, wonach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der Person des Klägers nicht vorliegen, rechtmäßig ist.
72 
Es kommt daher für die Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht darauf an, ob der von ihm gewählte isolierte Antrag auf Aufhebung der diesbezüglichen Entscheidung des Bundesamtes überhaupt sachdienlich ist.
73 
Gem. § 60 Abs. 1 AufenthG i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722, darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (vgl. im Übrigen §§ 3 bis 3e AsylG).
74 
Eine nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 AufenthG im Falle einer Rückkehr drohende Gefährdung kommt ausgehend von dem Vorbringen des Klägers ebenfalls nur mit Blick auf die Befürchtung von Repressionen im Zusammenhang mit seinem geltend gemachten exilpolitischen Verhalten in Betracht. Wie bereits ausgeführt, kann insoweit jedoch für den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden, was in erster Linie darin begründet ist, dass der Kläger bereits seit Längerem so gut wie gar nicht mehr exilpolitisch tätig ist und er auch für den Fall seiner Rückkehr nach Angola in keiner Weise bekundet hat, sich dort zukünftig aktiv für die UNITA politisch betätigen zu wollen.
75 
Die Berufung des Klägers ist nach allem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
76 
Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.
77 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt in erster Linie die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der am … 1968 geborene Kläger ist ein Staatsangehöriger Sri Lankas tamilischer Volkszugehörigkeit. Ihm wurde am 20.08.2008 in Colombo ein Reiseausweis ausgestellt. Er reiste am 04.09.2008 über den Flughafen Düsseldorf in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sogleich nach der Einreise wurde er von der Bundespolizei vernommen; hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die darüber angefertigten Protokolle verwiesen.
Am 17.09.2008 stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Er wurde am 09.10.2008 zu seinem Begehren angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
Am 09.11.2009 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Dieses hat mit Urteil vom 28.06.2010, nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten, die Beklagte verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Ungeachtet, ob der Kläger bereits politische Verfolgung erlitten habe oder unmittelbar von ihr bedroht gewesen sei, habe er aufgrund der derzeitigen politischen Lage in Sri Lanka zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer politischen Verfolgung zu rechnen. Auch nach (vorläufiger) Beendigung des Bürgerkriegs habe sich die Sicherheitslage noch nicht spürbar entspannt und der Ausnahmezustand bleibe bestehen. Es komme weiterhin zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte, aber auch durch Dritte. Aus der Gesamtsituation ergebe sich, dass der Kläger jedenfalls für den Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung befürchten müsse. Denn der aus dem Norden stammende Kläger, der sich im Süden oder in Colombo niederlassen müsste, nachdem die Freizügigkeit immer noch in erheblichem Umfang eingeschränkt sei, müsse für den Fall einer Rückkehr damit rechnen, dass er dem Anfangsverdacht, der LTTE zuzugehören, ausgesetzt sei. Hieraus ergebe sich das konkrete Risiko, von den Sicherheitskräften verhaftet zu werden. Das Ende dieser Haft, die keiner gerichtlichen Kontrolle mehr unterliege, sei nicht abzusehen und mit dem Risiko erheblicher Misshandlungen verbunden. Diese erheblichen Gefahren, die an die unterstellte Unterstützung der LTTE anknüpften, begründeten unabhängig von einer Vorverfolgung die Gefahr politischer Verfolgung, sie stellten eine politisch motivierte Verfolgung dar, die an die tamilische Volkszugehörigkeit und die damit verbundene Vermutung der LTTE-Unterstützung anknüpfe.
Auf Antrag der Beklagten vom 27.07.2010 hat der damals zuständige 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Beschluss vom 16.02.2012 - A 12 S 1863/10 - die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen. Mit einem am 05.03.2012 eingegangenen Schriftsatz vom 29.02.2012 hat die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet. Sie macht im Wesentlichen geltend: Nach dem bisherigen klägerischen Vorbringen könne keine individuell erlittene Vorverfolgung oder eine Ausreise unter dem Druck bevorstehender Verfolgung festzustellen sein. Das Vorbringen des Klägers in den verschiedenen Verfahrensstadien sei erkennbar zu unterschiedlich geblieben, ohne dass sich dafür nachvollziehbare Gründe zeigten oder er dies anderweitig überzeugend hätte erklären können. Allein wegen der Zugehörigkeit zur tamilischen Volksgruppe drohe ihm keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt:
die Berufung zurückzuweisen,
10 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zu gewähren,
11 
weiter hilfsweise festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote hinsichtlich Sri Lanka bestehen.
12 
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus, er habe eine extralegale Entführung dargelegt, wobei allein diese Entführung und die Drohung mit einer Gefahr für Leib und Leben ein traumatisches Ereignis darstellten, das im Zusammenhang mit der Angst um die Familie dazu führe, dass bei einer Abschiebung oder Rückkehr ein so genanntes Wiederholungstrauma einsetze.
13 
Der Kläger ist in der Berufungsverhandlung zu den Gründen seines Asylbegehrens angehört worden; hinsichtlich seiner Angaben wird auf Anlage 1 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
14 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger folgenden Hilfsbeweisantrag gestellt (Anlage 2 der Niederschrift):
15 
Zum Beweis der Tatsachen,
16 
dass es aufgrund der 6-jährigen Dauer des Verfahrens beim VGH Baden-Württemberg bei einer Dauer von über 8 Jahren des Asylverfahrens insgesamt ein gravierender Vertrauensverstoß ist bzw. es gegen Treu und Glauben verstößt, jetzt nun nach dieser langen Zeit vom Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart abzuweichen, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 MRK wäre, ihm nach 8 Jahren Asylverfahren und 6 Jahren in der Rechtsstellung als Asylberechtigten diese nach dieser langen Dauer des Verfahrens wegzunehmen, und dass dies wegen der Dauer des Verfahrens und bei einer Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu einer gravierenden psychischen Reaktion führen würde, auch im Sinne einer psychischen Erkrankung,
17 
wird beantragt,
18 
1. ein Gutachten eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht einzuholen und
19 
2. ein Gutachten von Herrn Dr. ..., Facharzt für psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalytik, ... …, ...,
20 
einzuholen.
21 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamts und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit war in der Ladung zum Termin hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die nach Zulassung durch den 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (III.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (IV.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (V.). Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen (VI.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden:
26 
Der auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
28 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „höchsthilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
29 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
30 
1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
31 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 24 a.E.).
32 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 26 m.w.N.).
34 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 = NVwZ 2013, 936 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
35 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
36 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
37 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (zur so genannten Gruppenverfolgung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 30 ff.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
38 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die auch vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylG, Art. 8 QRL).
39 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie durch § 3c Nr. 3 AsylG (vgl. Art. 6 Buchstabe c QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
40 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne des § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit.
41 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
42 
2. Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft nicht aus individuellen Verfolgungsgründen zuzuerkennen. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe der Wahrheit entspricht. Vielmehr spricht nach Auffassung des Senats vieles dafür, dass der Kläger den wahren Grund für seine Ausreise nach wie vor für sich behält.
43 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen zunächst aus dem Grund ganz erhebliche Zweifel, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Einreise im September 2008 nicht miteinander in Einklang zu bringende Angaben zu den Gründen seiner Flucht gemacht hat. So gab er bei der Bundespolizei im Wesentlichen an, er habe schon seit zwei Jahren versucht, Sri Lanka zu verlassen, sei seit über zehn Jahren Mitglied der LTTE, habe lange Zeit das sri-lankische Militär mit Bargeld bestochen und müsse damit rechnen, vom Militär grundlos verhaftet zu werden. Von einer Entführung und Erpressung durch Mitglieder tamilischer regierungsnaher Organisationen war nicht im Ansatz die Rede. Es besteht für den Senat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass der Kläger die in den Wortprotokollen über die Vernehmungen niedergelegten Angaben gemacht hat. Nicht zuletzt wurden die Vernehmungen, bei denen ein Dolmetscher für die tamilische Sprache eingebunden war, ausweislich von beigefügten Vermerken dem Kläger vorgelesen und von ihm genehmigt. Plausible Gründe dafür, dass die Vernehmungen unrichtig wiedergegeben worden sein könnten, hat der Kläger im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung nicht gemacht; er hat sich - darauf angesprochen - mehrmals darauf beschränkt zu bestreiten, die in den Protokollen festgehaltenen Angaben gemacht zu haben. Eine ganz andere Verfolgungsgeschichte hat der Kläger dann in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt: Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass Leute ihn mitgenommen und von ihm Geld verlangt hätten; dann hätten sie ihn wieder gehen lassen. Auf Nachfragen des Anhörenden berichtete er unter anderem, die Entführung habe am 14.04.2008 stattgefunden, er sei sechs Tage in einem Haus festgehalten und ihm sei dann eine dreimonatige Zahlungsfrist gewährt worden.
44 
Die angebliche Entführung und Erpressung hat der Kläger dann auch in der mündlichen Verhandlung als Ereignis genannt, das bei ihm erst den Entschluss zur Flucht ins Ausland hat reifen lassen. Allerdings konnte er dem Senat nicht den Eindruck vermitteln, von etwas tatsächlich Erlebtem zu berichten; es spricht vielmehr viel dafür, dass der Kläger ein Schicksal, das andere Personen erlitten haben, auf sich projiziert hat. Auf die eingangs seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Grund seiner Ausreise nannte der Kläger in einigen wenigen Sätzen lediglich Eckpunkte der angeblichen Entführung und Erpressung. Wesentlich ausführlicher, detailreicher und nach Einschätzung des Senats durchaus glaubhaft wurden dann erst die Schilderungen seines Reisewegs, auf die sich die Fragestellung indes überhaupt nicht erstreckte. Die gezielten Nachfragen brachten dann auch keine Ausführungen, die den Schluss zulassen könnten, dass sich das Geschehen tatsächlich so wie vom Kläger behauptet ereignet hat. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass ihm selbstverständlich bewusst ist, dass die Erinnerung an Ereignisse mit zunehmendem Zeitablauf nachlässt; allerdings wäre die vom Kläger behauptete Entführung und Erpressung ein so einschneidendes Ereignis gewesen, dass auch nach über acht Jahren zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger zumindest einige für die Richtigkeit seiner Angaben sprechende Details hätte schildern können. Das hat er indes nicht getan. Auf die gezielten Fragen antwortete er meist wortkarg. Einzelheiten zu dem Raum etwa, in dem er immerhin sechs Tage festgehalten worden sein will, konnte er mit Ausnahme solcher, die letztlich nur ein geringes Maß an Einfallsreichtum erfordern (angebliche Größe, weiße Wandfarbe, Licht an der Decke) nicht liefern. Angaben dazu, ob der Raum Fenster hatte, wie er möbliert war und dabei insbesondere, ob er eine als solche zu bezeichnende Schlafgelegenheit hatte, wie sie eigentlich zu erwarten gewesen wären, machte der Kläger nicht. Auf die Forderungen der Entführer angesprochen verwies der Kläger stets nur auf deren Verlangen von Geld. Mit welchen Nachteilen die Entführer für den Fall der Nichtzahlung gedroht haben, war dem Kläger keiner nähren Erwähnung wert. Blass blieben auch die Ausführungen zu der angeblichen Folter. Nachdem er zunächst lediglich die Behauptung von Folter in den Raum gestellt hatte, verwies er auf Nachfrage nur darauf, dass er geschlagen worden sei. Auf weitere Nachfrage gab er sodann an, er sei mit Stiefeln getreten und mit einem Holzknüppel geschlagen worden. Wie viele Personen ihn angeblich geschlagen und getreten haben, welche Körperstellen betroffen waren und ob und welche Verletzungen er infolge der Misshandlungen erlitten hat, blieb unerwähnt. Hinzu kommt, dass es sich insoweit um gesteigertes Vorbringen handelt, da der Kläger die Thematik „Folter“ erstmals vor dem Senat erwähnt hat. Auf entsprechenden Vorhalt hat er lediglich erklärt, er sei wohl bei seiner Anhörung nicht ausdrücklich danach gefragt worden. Sollte er allerdings tatsächlich gefoltert worden sein, erscheint es fernliegend, dass er auf diesen Umstand nicht von sich aus hingewiesen hätte.
45 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch seine Angaben zu dem weiteren Geschehen nach seiner angeblichen Freilassung. Davon, dass die Erpresser bereits im Juni 2008 bei ihm zu Hause vorbeigekommen seien, wie er es in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht berichtet. Vielmehr verwies er darauf, dass die Erpresser seine bisherige Unterkunft am 20.07.2008, dem Tag des angeblichen Fristablaufs, aufgesucht hätten. Diese Angabe passt allerdings in keiner Weise zu den Ausführungen seiner Ehefrau in dem dem Bundesamt vorgelegten Brief vom 15.10.2008, wonach die Entführungsbande jetzt häufiger zu ihr nach Hause komme. Erst nach zahlreichen, eindringlichen Nachfragen, nicht zuletzt seines Prozessbevollmächtigten, gab der Kläger an, dass es auch nachfolgend - zuletzt im Jahr 2009 oder im Jahr 2010 - Probleme gegeben habe. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch einerseits angegeben, seine Ehefrau lasse sich durch ihren Bruder bei Besuchen der Erpresser verleugnen. Andererseits gab der Kläger an, es gebe Probleme, wenn die Erpresser seine Ehefrau sehen.
46 
Offenbleiben kann nach Vorstehendem, ob die Entführung und Erpressung überhaupt von flüchtlingsschutzrelevanter Bedeutung gewesen wären. In Betracht käme hier lediglich eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 3 AsylG). Der Kläger hat auf die Frage, weshalb er als Opfer der Entführung und Erpressung ausgewählt worden sei, geantwortet, dies sei geschehen, weil er wohlhabend gewesen sei. Diese Aussage ist zunächst erstaunlich, will der Kläger die - nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung, die nicht mit der Angabe in der Anhörung beim Bundesamt übereinstimmt (damals: drei Millionen Rupien) - für die Organisation der Ausreise gezahlten zwei Millionen Rupien insbesondere durch den Verkauf von Goldschmuck seiner Frau und die Aufnahme eines Darlehens aufgebracht haben. Der Aussage lässt sich aber vor allem entnehmen, dass sich der Kläger zumindest im Wesentlichen als Opfer krimineller Machenschaften sah; eine Verbindung mit seiner tamilischen Volkszugehörigkeit oder gar seiner behaupteten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE war für den Senat nicht erkennbar.
47 
Eine staatliche Verfolgung hat der Kläger schon nicht als Grund für seine Ausreise behauptet. Nicht zuletzt da dem Kläger offensichtlich ohne Probleme ein Reiseausweis ausgestellt wurde und er legal und ungehindert das Land verlassen konnte, bestehen hierfür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vom Kläger erst auf Nachfragen angeführten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE (Helfen beim Aufbauen und Dekorieren einer Bühne) waren, die Richtigkeit der Angaben unterstellt, allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Dass er konkret durch sie ins Visier der Sicherheitskräfte geraten sein könnte, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung gerade nicht vorgetragen. Es blieb insoweit bei der allgemein gehaltenen Behauptung, Armeeangehörige hätten die Veranstaltungen an den Großheldentagen überwacht.
48 
3. Auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gruppenverfolgung kommt nicht in Betracht.
49 
Tamilen waren zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im August 2008 keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt (dazu a). Sie sind es auch heute nicht (dazu b).
50 
a) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers und bezogen auf den Zeitpunkt seiner Ausreise im Wesentlichen wie im Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 09.11.2010 (A 4 S 703/10, juris) bezogen auf das Jahr 2007 dar. Dort heißt es (a.a.O. Rn. 46 ff.):
51 
Die Lage in Sri Lanka stellte sich 2007 nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen wie folgt dar:
52 
In Sri Lanka lebten 2007 geschätzt 20,01 Millionen Menschen. Der Anteil der tamilischen Bevölkerung lag ungefähr bei 10 % (Fischer-Weltalmanach 2010, S. 474). Nach den Angaben des Ministeriums für Volkszählung und Statistik lebten 2006 im Großraum Colombo 2.251.274 Einwohner, davon waren 247.739 tamilische Volkszugehörige sri-lankischer Staatsangehörigkeit und 24.821 indische Tamilen (vgl. UK Home Office, Country of Origin Report Sri Lanka vom 15.11.2007, S. 122, Nr. 20.13).
53 
Die innenpolitische Lage Sri Lankas war von dem jahrzehntelangen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen bestimmt. Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung [und] der tamilischen Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) aus dem Februar 2002 war von Präsident Rajapakse im Januar 2008 offiziell aufgekündigt worden, nachdem es von beiden Seiten seit langem nicht mehr eingehalten worden war. Bereits ab November 2005 war es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch die LTTE und die im Jahr zuvor von ihr abgespaltene, mit der Regierung kollaborierende Karuna-Gruppe unter „Oberst Karuna“ (Muralitharan Vinayagamurthi), einem ehemaligen Vertrauten des LTTE-Führers Prabahakaran, gekommen. Seit April 2006 hatte die Regierung versucht, die LTTE, die zu diesem Zeitpunkt noch den Norden und Osten des Landes kontrollierte, mit offensiven Maßnahmen zurückzudrängen. Ab Mitte 2006 war es dann zu großflächigen, längeren Kampfhandlungen gekommen. Unterstützt von den paramilitärischen Einheiten der Karuna-Gruppe, die sich als Vertretung der Ost-Tamilen verstand, konnten die Streitkräfte im Juli 2007 nach den vorhergehenden Rückzug der LTTE-Soldaten die letzten von der LTTE gehaltenen Stellungen im Osten Sri Lankas einnehmen (Lagebericht des AA vom 07.04.2009, Stand März 2009, S. 5).
54 
Eine systematische und direkte Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen Rasse, Nationalität oder politischer Überzeugung von Seiten der Regierung fand seit dem Waffenstillstandsabkommen von 2002 nicht statt (Lageberichte des AA vom 26.06.2007, Stand Juni 2007, S. 6 und vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 7). Allerdings standen Tamilen im Generalverdacht, die LTTE zu unterstützen, und mussten mit staatlichen Repressionen rechnen. Sie wurden nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt. Sie sind aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, Pkw-Kontrollen und Verhaftungen bei Vorliegen schon geringster Verdachtsmomente richteten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des „Terrorism Prevention Act“ Ende 2006 - ein Notstandsgesetz, das Verhaftungen ohne Haftbefehl und eine Inhaftierung bis zu 18 Monaten erlaubt, wenn die Behörden insbesondere den Verdacht terroristischer Aktivitäten haben (vgl. SFH, Sri Lanka, Aktuelle Situation, Update vom 11.12.2008, S. 3) - war die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wurde, musste mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung hat kommen müssen (Lagebericht des AA vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 8). So wurden am 30. und 31.12.2005 im Rahmen der von Militär und Polizei in Colombo durchgeführten Operation „Strangers Night III.“ 920 Personen, die weit überwiegende Mehrheit Tamilen, verhaftet (Human Rights Watch, Return to War - Human Rights under Siege - August 2007, S. 74).
55 
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in seiner Stellungnahme zum Bedarf an internationalem Schutz von Asylsuchenden aus Sri Lanka vom 01.02.2007, die eine Zusammenfassung und Teilübersetzung der „UNHCR Position on the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Sri Lanka (December 2006)“ enthält, unter anderem ausgeführt, dass von der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage im besonderem Maße Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes betroffen seien. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass bei dem Verdacht, dass sie Verbindungen zur LTTE unterhalten, Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Behörden oder mutmaßlich von der Regierung gestützte Paramilitärs drohten (S. 2). Für Tamilen aus Colombo bestand aufgrund der im April bzw. Dezember 2006 drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen ein erhöhtes Risiko, willkürlichen, missbräuchlichen Polizeimaßnahmen - insbesondere Sicherheitskontrollen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen oder Leibesvisitationen - unterworfen zu werden. Tamilen aus Colombo waren darüber hinaus besonders gefährdet, Opfer von Entführungen, Verschleppungen oder Tötungen zu werden. Zwischen dem 20.08.2006 und dem 02.09.2006 waren Presseberichten zufolge mehr als 25 Tamilen entführt worden, nur zwei Personen waren bis zum Dezember 2006 wieder freigekommen (S. 2 f.). Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der dauernden Bedrohung durch terroristische Attacken im Großraum Colombo waren teilweise für die gesamte tamilische Minderheit bedrohlich und stellten ihre Sicherheit in Frage. Extralegale Tötungen, die seit jeher Teil des Konflikts gewesen waren, wurden seit Dezember 2005 auch in signifikanter Zahl von Regierungsseite verübt. Viele Taten sind an gewöhnlichen Personen begangen worden, die kaum erkennbar in Verbindung zu dem Konflikt standen. Teilweise handelte es sich um Teile eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschahen sie aus politischen Motiven. Sie konnten aber auch einen kriminellen Hintergrund haben (Asylsuchende aus Sri Lanka, Position der SFH vom 01.02.2007 S. 5).
56 
Die International Crisis Group hat in ihrem Bericht vom 14.06.2007 (Sri Lanka’s Human Rights Crisis, Asia Report N. 135) unter anderem festgehalten, dass die Anzahl der Verschwundenen in den letzten achtzehn Monaten nur schwerlich mit Sicherheit festzustellen sei. Verschiedene verlässliche Quellen berichteten von mehr als 1.500 Betroffenen, wobei das Schicksal von mindestens 1.000 Personen unklar gewesen sei. Die höchste Anzahl von Betroffenen sei in den von der Regierung kontrollierten Bereichen Jaffnas festzustellen gewesen. Dort seien 731 Fälle registriert worden, in 512 Fällen gebe es noch keine Aufklärung. Im Großraum Colombo sei es zu mehr als 70 berichteten Fällen von Entführungen und des Verschwindenlassens gekommen. Die meisten der Betroffenen seien junge tamilische Volkszugehörige gewesen, die der Zusammenarbeit mit der LTTE verdächtigt worden seien. Auch eine Vielzahl von Personen ohne Verbindung zur LTTE seien Opfer dieses Verschwindenlassens geworden.
57 
Human Rights Watch (HRW) geht in seinem Bericht aus dem August 2007 (Return to War - Human Rights under Siege -) davon aus, dass Entführungen und Fälle des Verschwindenlassens seit August 2006 auch in Colombo zu einer weitverbreiteten Erscheinung geworden seien. Die Organisation gelangt auf der Grundlage von Gesprächen mit 26 Familien von verschwundenen Personen zu dieser Aussage (S. 53 f.). Landesweit geht HRW für den Zeitraum vom 14.09.2006 bis zum 25.02.2007 von 2.020 Fällen Entführter oder sonst verschwundener Personen aus. „Ungefähr 1.134 Personen“ seien lebend wieder aufgefunden worden, die anderen seien weiterhin vermisst (S. 7).
58 
Nach dem Country Report on Human Rights Practices zu Sri Lanka des U.S. Department of State 2007 vom 11.03.2008 waren extralegale Tötungen in Jaffna an der Tagesordnung. Zwischen dem 30.11.2007 und dem 02.12.2007 sind nach zwei Bombenangriffen der LTTE in und um Colombo beinahe 2.500 tamilische Volkszugehörige in der Hauptstadt und geschätzte 3.500 Tamilen im ganzen Land verhaftet worden. Die Inhaftierten, überwiegend männliche tamilische Zivilisten sollen allein aufgrund ihrer tamilischen Nachnamen verhaftet worden sein. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wurde bald wieder freigelassen. Zum Jahreswechsel waren nur noch zwölf von 372 im Boosa detention camp Inhaftierten in Gewahrsam.
59 
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich selbst dann, wenn alle Angaben zutreffen sollten, zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers Ende November 2007 nicht auf eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen schließen. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nicht feststellen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wurde keine Volksgruppe gezielt allein wegen eines unveränderlichen Merkmals verfolgt. Die Anzahl der festzustellenden Übergriffe lässt nicht ohne weiteres auf die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit eines jeden Gruppenmitglieds schließen. Selbst wenn alle Übergriffe im Großraum Colombo zwischen November 2005 und Dezember 2007 dem sri-lankischen Staat zuzurechnen wären - tatsächlich sind dabei auch Übergriffe der LTTE und „rein kriminelle Übergriffe“ mit dem Ziel der Lösegelderpressung unter den registrierten Fällen - und alle Inhaftierungen - auch die von bloß kurzer Dauer von nicht mehr als drei Tagen - gezählt werden, ist das Verhältnis von 3.400 Verhaftungen zu mehr als 240.000 tamilischen Einwohnern angesichts des Zeitraums von zwei Jahren nicht geeignet, eine Regelvermutung der Gefährdung eines jeden Gruppenmitglieds zu rechtfertigen. Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass 2.500 der Inhaftierten nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden sind und damit keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 RL 2004/83/EG erdulden mussten, ergibt sich eine Betroffenheit von 0,3 % der gesamten tamilischen Bevölkerung. Dieser - für die Bewertung des Standards der Achtung der Menschenrechte insoweit gleichwohl hohe - Prozentsatz der Betroffenen innerhalb eines Zweijahreszeitraums führt nicht zum Schluss auf die erforderliche aktuelle Gefahr der Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds.
60 
Zu einer anderen Beurteilung bezogen auf den Zeitpunkt August 2008 besteht kein Anlass. Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.
61 
b) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers derzeit wie folgt dar:
62 
aa) Bezogen auf den Zeitpunkt November 2010 führte der erkennende Gerichtshof in seinem Urteil vom 09.11.2010 aus (a.a.O. Rn. 57 ff.):
63 
Am 19.05.2009 hat der sri-lankische Staatspräsident Mahinda Rajapakse in einer Parlamentsansprache den Sieg der Regierungstruppen über die tamilische Separatistenorganisation LTTE verkündet. Tags zuvor war nach den Angaben des Militärs bei einem der letzten Gefechte der LTTE-Anführer Velupillai Prabhakaran ums Leben gekommen, nachdem zuvor fast die gesamte militärische und politische Führung der LTTE umgekommen war. Der seit 1983 mit Unterbrechungen währende Bürgerkrieg war damit beendet (Lagebericht des AA vom 02.09.2009, Stand: August 2009, S. 6). Hunderttausende Menschen mussten während des Bürgerkriegs ihre Heimatorte im tamilischen Norden und Osten des Landes verlassen. Als Binnenvertriebene suchten sie Zuflucht in weniger gefährdeten Gebieten des Landes. Viele entschieden sich auch dafür, ins Ausland zu gehen. In der Ostprovinz konnten die Binnenvertriebenen inzwischen bis auf einige Ausnahmen in ihre Heimatgemeinden zurückkehren (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 8). Rund 300.000 Zivilpersonen waren in den letzten Monaten des Bürgerkriegs im von der LTTE gehaltenen, kontinuierlich schrumpfenden Gebiet eingeschlossen. Notgedrungen zogen sie mit den LTTE-Verbänden mit und waren in der zuletzt nur wenige Quadratkilometer ausmachenden Kampfzone im Nordwesten des Landes allen Schrecken dieser Kämpfe ausgesetzt. Nach deren Beendigung brachte sie die Armee in geschlossenen Lagern hauptsächlich in Vavuniya im nördlichen Vanni unter, zu denen nationale und internationale Hilfsorganisationen lange nur eingeschränkt Zugang hatten. Die Regierung begründete diese Lagerunterbringung mit der Notwendigkeit, sich unter den Binnenvertriebenen verbergende ehemalige LTTE-Kämpfer herauszufiltern, und der Unmöglichkeit, die Betroffenen in noch verminte Heimatorte zurückkehren zu lassen. Einigen wenigen wurde die Rücksiedlung im Juni 2009 gestattet. Im August 2009 begann dann sehr zögerlich ein Rücksiedlungsprozess, der im Oktober größeren Umfang annahm und sich ab Dezember wieder verlangsamte, da die Herkunftsorte der Verbliebenen (im Juni 2010 waren noch knapp 60.000 Personen in Lagern untergebracht) noch erheblich zerstört und vermint sind. Einem gesonderten Regime unterliegen die geschlossenen, so genannten „Rehabilitationslager“, in denen rund 8.000 ehemalige LTTE-Kämpfer (bzw. Personen, die insoweit verdächtigt werden) untergebracht sind. Zu diesen Lagern haben weder das IKRK noch Hilfsorganisationen Zugang. Die Antiterrorgesetze von 1979 (Prevention of Terrorism Act) haben weiter Bestand. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere in Colombo, einschließlich der zahlreichen Kontrollpunkte von Polizei und Militär, werden aufrecht erhalten (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 9 f.).
64 
Zu den Insassen der „Rehabilitationslager“ hat Human Rights Watch festgestellt, dass zwar die meisten der Verdächtigten in den letzten Wochen der Kampfhandlungen und in der Zeit unmittelbar danach inhaftiert worden seien, dass aber auch neue Inhaftierungen, nämlich im Oktober 2009, erfolgt seien (Human Rights Watch, Legal Limbo - The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, Februar 2010, S. 6).
65 
In unterschiedlichen Bereichen kommt es zu staatlichen repressiven Maßnahmen, die Anzeichen für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung aufweisen. Davon sind nicht nur Tamilen betroffen, sondern auch regierungskritische Singhalesen. So werden oppositionelle Parlamentsabgeordnete, die der Regierung gefährlich werden können, unter fadenscheinigen Vorwürfen verhört, verhaftet oder bedroht. Der Generalverdacht, dass jeder Tamile ein Anhänger, Unterstützer oder gar Mitglied der LTTE war und ist, wird im singhalesischen Teil der Gesellschaft von vielen geteilt, insbesondere bei den staatlichen Sicherheitskräften (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 10 f.).
66 
Für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es keine Anhaltspunkte, sie müssen aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - jederzeit mit staatlichen Repressionen rechnen. Die ständigen Razzien und Hausdurchsuchungen, schikanösen Behandlungen (Beleidigungen, langes Warten, exzessive Kontrolle von Fahrzeugen, Erpressung von Geldbeträgen) bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und Verhaftungen richten sich vor allem gegen Tamilen, wobei aus dem Norden und Osten stammende Tamilen darunter noch in höherem Maße zu leiden haben. Durch Anwendung des Prevention of Terrorism Act ist die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder einer Anklageerhebung kommen muss. Die Situation hat sich seit Beendigung der Kampfhandlungen nicht verbessert (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 11).
67 
Ein Asylantrag im Ausland, der von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen wird, sich einen Aufenthaltsstatus zu verschaffen, begründet in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Sri Lanka niederlassen wollen, müssen indes einen Anfangsverdacht und entsprechendes Misstrauen bis zu Schikanen durch die Sicherheitsorgane gegenwärtigen. Mindestens ebenso stark steht unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden war. Das Ende der Kampfhandlungen hat diesbezüglich nicht zu einer Entspannung geführt. Am 26.05.2010 wurde am Flughafen Colombo bei der Einreise eine in Deutschland ansässige Sri-Lankerin unter dem Verdacht der LTTE-Unterstützung festgenommen, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Gelder eingesammelt und im Frühjahr letzten Jahres Demonstrationen organisiert haben soll. Belastbaren Berichten anderer Botschaften zufolge gibt es Einzelfälle, in denen zurückgeführte Tamilen nach Ankunft in Colombo unter LTTE-Verdacht festgenommen wurden (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 24).
68 
Aus dem „Report of Information Gathering Visit to Colombo, Sri Lanka, 23. bis 29. August 2009“ vom 22.10.2009 des „U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate“ (FCO), für den sowohl staatliche sri-lankische Stellen als auch Nichtregierungsorganisationen befragt wurden, ergibt sich, dass unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit nicht freiwillig nach Sri Lanka zurückkehrende Personen dem Criminal Investigation Department zur Feststellung der Staatsangehörigkeit und Kontrolle des Vorstrafenregisters überstellt werden. Die Befragung kann mehr als 24 Stunden dauern. Die Betroffenen werden erkennungsdienstlich behandelt. Abhängig vom Einzelfall ist eine Überstellung an den Geheimdienst (State Intelligence Service) oder das Terrorist Investigation Department zum Zwecke der Befragung denkbar. Jeder, der wegen eines Vergehens gesucht wird, muss mit seiner Verhaftung rechnen. Vorbestrafte oder Personen mit Verbindungen zur LTTE werden weitergehend befragt und gegebenenfalls in Gewahrsam genommen. Laut Nichtregierungsorganisationen würden Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes einer genaueren Überprüfung als andere unterzogen. Verschiedene Faktoren, nämlich ein offener Haftbefehl, Vorstrafen, Verbindungen zur LTTE, eine illegale Ausreise, Verbindungen zu Medien oder Nichtregierungsorganisationen und das Fehlen eines Ausweises (ID Card) oder anderer Personaldokumente, erhöhten das Risiko, Schwierigkeiten bei der Einreise zu bekommen, einschließlich einer möglichen Ingewahrsamnahme (S. 5). Hingegen konnte keine der befragte Quellen angeben, dass sichtbare Narben einen Einfluss auf die Behandlung bei der Einreise haben könnten. Im Falle, dass der Verdacht einer Verbindung zur LTTE bestünde, könnten solche Narben Anlass zu einer Befragung sein, jedoch würden diesbezüglich keine körperlichen Untersuchungen durchgeführt (S. 16).
69 
Überwiegend hätten die Befragten angegeben, dass die Anzahl der Razzien (cordon and search operations) in den letzten Monaten nicht zurückgegangen sei. Es gebe keine Informationen zu der Anzahl möglicher Festnahmen. Grundsätzlich seien junge männliche Tamilen, die aus dem Norden oder Osten des Landes stammten, im Zuge von Razzien einem besonderen Festnahmerisiko ausgesetzt. Die bereits genannten Faktoren erhöhten das Risiko. Tamilen ohne Beschäftigung oder „legitimen Aufenthaltsgrund“ würden ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als verdächtig angesehen (S. 5).
70 
Nach ganz überwiegender Meinung der Befragten hat es - wenn überhaupt - seit Juni 2009 nur noch sehr wenige Entführungen / Fälle des Verschwindenlassens gegeben. Die Entführungen erfolgten demzufolge sowohl zur Lösegelderpressung als auch aus politischen Gründen. Die Nichtregierungsquellen stimmten weitgehend darin überein, dass die Sicherheitskräfte in den meisten Fällen in gewisser Weise beteiligt seien und die Polizei keine ernsthaften Ermittlungen durchführe (S. 5 f.). Bei den Straßenkontrollen im Großraum Colombo, die nach Angabe der meisten Befragten nicht nennenswert reduziert worden seien, würde es nur sehr selten zu Festnahmen kommen. Seit Juni 2009 seien keine bekannt geworden.
71 
Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.06.2010 und der (ältere) Bericht des U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate ergänzen sich. Jedenfalls die hier zitierten allgemeinen Feststellungen (S. 5 f.), die auf mindestens weit überwiegend übereinstimmenden Angaben der Befragten beruhen, sind geeignet, die insoweit knapper gehaltenen Aussagen der Lageberichte zu den Gefährdungen von Tamilen zu illustrieren. Eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen (im wehrfähigen Alter) lässt sich auf der Basis der wiedergegebenen Erkenntnisse nicht feststellen. Insbesondere angesichts des Umstands, dass Verhaftungen bei Razzien ebenso selten geworden sind wie an Straßenkontrollpunkten und Fälle des Verschwindenlassens ebenfalls kaum mehr vorkommen, lässt sich eine generelle staatliche oder staatlich tolerierte Verfolgung der Gruppe der Tamilen nicht feststellen. Anderes lässt sich auch nicht aus dem Fortbestehen der „rehabilitation camps“ schließen. Denn jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass nach deren Begründung noch Personen in einer für die Annahme einer Gruppenverfolgung aller - jedenfalls der im wehrfähigen Alter befindlichen - Tamilen relevanten Größenordnung in diese Lager verbracht worden sind. Aus dem vom Kläger zitierten Bericht von Human Rights Watch, Legal Limbo, The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, ergibt sich unter Bezugnahme auf den „Indian Express“ vom 28. Oktober 2009, dass mindestens 300 LTTE Kader, die sich unter den Binnenvertriebenen versteckt hätten, verhaftet worden seien. Damit ist weder ein Bezug zu der Gruppe aller Tamilen oder jedenfalls derjenigen im wehrfähigen Alter aufgezeigt noch ergibt sich aus den berichteten Vorkommnissen, dass diese bis zum Tag der mündlichen Verhandlung gleichsam an der Tagesordnung gewesen wären.
72 
Die Einlassung des Klägers, aus dem zitierten Bericht von Human Rights Watch ergebe sich eine Zunahme der Fälle des Verschwindenlassens, vermag stichhaltige Indizien für eine Gruppenverfolgung aller (wehrfähigen) Tamilen nicht darzutun. Den dortigen Ausführungen im Unterkapitel „Concerns about Possible Enforced Disappearances“ sind vielmehr zunächst zwei Einzelfälle des Verschwindens nach Ende des Bürgerkriegs zu entnehmen. Darüber hinaus wird über eine Internierung von Dutzenden von Personen aus dem Lager „Menik Farm“ berichtet. Es wird weiter geschildert, dass das Schicksal der internierten Personen häufig - bis zum Tag des Berichts - unklar geblieben sei. Daraus lässt sich ein erhöhtes Risiko für solche Personen ableiten, die aus Sicht der Behörden im Verdacht stehen, mit der LTTE zusammengearbeitet haben, nicht jedoch eine Gruppenverfolgung aller (jungen männlichen) Tamilen. Der gegen alle Tamilen gerichtete so genannte „Generalverdacht“ führt offenkundig für sich genommen noch nicht regelmäßig zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden. Vielmehr kommt es auf individuell gefahrerhöhende Umstände an, bei deren Vorliegen im Einzelfall eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen sein kann.
73 
Auch aus dem vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Gutachten des European Center for Constitutional and Human Rights „Study on Criminal Accoutability in Sri Lanka as of January 2009“ aus dem Juni 2010 lässt sich die von ihm behauptete Gruppenverfolgung nicht ableiten. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass die Anzahl der in den „welfare centers“ in Gewahrsam gehaltenen Personen von 280.000 (zwischen März 2008 und Juni 2009) bis in den Januar 2010 auf rund 80.000 abgenommen hat. Dem Bericht, der sich mit den Zuständen in den Lagern beschäftigt, ist nicht zu entnehmen, dass sri-lankische Staatsangehörige nach ihrer Wiedereinreise dazu gezwungen worden wären, in solchen Lagern zu leben. Weiter beschäftigt sich das Gutachten unter Zitierung des bereits erwähnten Berichts von Human Rights Watch aus dem Februar 2010 mit der Behandlung von der LTTE-Mitgliedschaft Verdächtigten. Auch diesen Ausführungen ist nichts zu einer anhaltenden Verhaftungswelle - wie sie für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendig wäre - nach Beendigung des Bürgerkriegs und in den folgenden Monaten im Jahr 2009 zu entnehmen.
74 
Schließlich führt insoweit der Verweis des Klägers auf die Lageeinschätzung der International Crisis Group vom 17.02.2010, die sein Prozessbevollmächtigter im „Parallelverfahren“ (A 4 S 693/10) vorgelegt hat, nicht zum Erfolg seiner Klage. Dem Bericht ist zwar zu entnehmen, dass das Vorgehen der Regierung im Norden und Osten des Landes zur Verängstigung und Entfremdung der Minderheiten führe. Das aus dieser Behandlung aber ein systematisches Ausgrenzen der tamilischen Minderheit aus der staatlichen, übergreifenden Friedensordnung im Sinne einer Entrechtung abzuleiten wäre, ergibt sich weder aus diesem Bericht noch aus der Gesamtschau. Ebenso wenig lässt sich ein staatliches Verfolgungsprogramm hinsichtlich aller Tamilen oder auch nur der im wehrfähigen Alter befindlichen Gruppenmitglieder feststellen. Anderes kann möglicherweise für die im Zuge der Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen unmittelbar in den rehabilitation camps Inhaftierten oder die aus den Flüchtlingslagern „herausgefilterten“, in rehabilitation camps verbrachten Personen gelten. Jedoch ist ein solches systematisches Vorgehen gegenüber etwa in Colombo lebenden Tamilen nicht feststellbar.
75 
Die rechtliche Einschätzung zur fehlenden begründeten Furcht vor einer Gruppenverfolgung entspricht auch der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 08.07.2009 - 3 A 3295/07.A - und vom 24.08.2010 - 3 A 864/09.A -) und - der Sache nach - des UK Asylum and Immigration Tribunal (TK (Tamils - LP updated) Sri Lanka CG [2009]UKAIT 00049 RdNr. 73).
76 
bb) Erst recht ist die Annahme einer Gruppenverfolgung zum derzeitigen Zeitpunkt (Oktober 2016) nicht gerechtfertigt.
77 
(1) In Sri Lanka leben nach Auskunft des Auswärtigen Amts (Länderinformation, Stand: Februar 2015) 20,7 Millionen Menschen. Der Anteil der Sri-Lanka-Tamilen beträgt 11,2 % (auch Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7); es ist mithin von etwa 2,3 Millionen Volkszugehörigen auszugehen. „Indian Tamils“ machen 4,2 % der Bevölkerung aus.
78 
Am 08.01.2015 wurde Maithripala Sirisena bei der Präsidentenwahl, bei der die Wahlbeteiligung bei 81,5 % lag, zum Präsidenten Sri Lankas gewählt. Er setzte sich mit 51,28 % der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Rajapaksa durch, der 47,58 % erhielt. Am 17.08.2015 fanden Parlamentswahlen statt, die nach Einschätzung des Auswärtigen Amts frei und fair waren (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6). Die Tamilenpartei ITAK erhielt 4,62 % der Stimmen und damit 16 Mandate, sie stellt mit Rajavarothiam Sampanthan den Oppositionsführer (a.a.O.).
79 
Mit dem Amtsantritt Sirisenas am 09.01.2015 hat sich die politische Situation in Sri Lanka nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5) erheblich zum Positiven verändert. Demokratie und Rechtsstaat seien gestärkt worden. Die Menschenrechte, insbesondere die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden wieder respektiert. Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition seien nicht mehr eingeschränkt (a.a.O. S. 7). Menschenrechtsorganisationen hätten größere Freiräume (a.a.O. S. 6). So genannte Verschwundenen-Fälle seien seit dem Amtsantritt der neuen Regierung nicht mehr bekannt geworden (a.a.O. S. 12).
80 
Das Auswärtige Amt merkt in seinem jüngsten Lagebericht aber auch an, dass insbesondere im Norden und Osten noch nicht alle Menschenrechtsverletzungen abgestellt seien (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Einzelne Menschenrechtsvertreter würden dort vom Sicherheitsapparat verfolgt und ihre Gesprächspartner würden gelegentlich noch von Sicherheitskräften ausgefragt (a.a.O. S. 6, auch S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte von Menschenrechtsverteidigern zu Überwachungen durch die Polizei und das Militär im Norden und Osten sowie Befragungen). Die Polizei wende mitunter noch immer unverhältnismäßigen Zwang an (a.a.O. S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Beschwerden über die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt bei Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Demonstrationen). Als Beispiel nennt das Auswärtige Amt die Beendigung friedlicher Studentendemonstrationen mittels Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken (a.a.O. S. 7); es verweist zudem auf Angaben Internationaler Organisationen und Presseberichte, wonach Folter weiterhin gelegentlich zur Erpressung von Geständnissen angewandt wird (a.a.O. S. 11; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte über Folter und andere Misshandlungen). Auch sollen Misshandlungen bei der Festnahme von Verdächtigen sowie in Gefängnissen weiter vorkommen (a.a.O. S. 12).
81 
Amnesty International (Amnesty Report 2016, Sri Lanka) verweist darüber hinaus auf Berichte über ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam; Häftlinge würden häufig an Verletzungen sterben, die den Schluss zuließen, dass sie gefoltert und misshandelt worden seien.
82 
Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat die neue Regierung zahlreiche Schritte unternommen, um die Wiederversöhnung zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Land voranzubringen (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Sie suche aktiv den Dialog mit der tamilischen Diaspora (auch a.a.O. S. 10). Amnesty International berichtet zudem darüber (Amnesty Report 2015, Sri Lanka), dass im Jahr 2015 am Jahrestag der Beendigung des bewaffneten Konflikts öffentliche Gedenkfeiern von Tamilen im Wesentlichen erlaubt waren (vgl. auch Human Rights Watch, Sri Lanka After the Tigers, 19.02.2016, mit dem Hinweis, dass Gedenkfeiern für verstorbene Tamilen mittlerweile erlaubt seien), und fügt hinzu, dass über eine starke Polizeipräsenz bei derartigen Zusammenkünften berichtet worden sei (vgl. auch Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Insbesondere Human Rights Watch macht aber auch darauf aufmerksam, dass ein Erfolg versprechender Versöhnungsprozess, der unter anderem auch eine Aufarbeitung der beiderseitigen Kriegsverbrechen beinhaltet, noch nicht wirklich ins Werk gesetzt worden ist (vgl. etwa die Beiträge „Time to seize the Moment“ [25.05.2016] und „Unfinished Business in Sri Lanka“ [01.09.2016]).
83 
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts gibt es gegenüber Tamilen im Norden und Osten seit dem Amtsantritt Sirisenas „keine direkten staatlichen Repressionen mehr“ (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7). In Sri Lanka gebe es keine diskriminierende Gesetzgebung, Verwaltungspraxis oder Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis (a.a.O. S. 8). Der von der Polizei angewendete unverhältnismäßige Zwang richte sich nicht gegen eine bestimmte Gruppe (a.a.O. S. 7). Während die Anwendung von Folter früher vor allem Tamilen betroffen habe, sollen mittlerweile Singhalesen in gleichem Maß betroffen sein (a.a.O. S. 11 unter Berufung auf Berichte von Human Rights Watch und lokale Menschenrechtsorganisationen; Human Rights Watch [Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016] spricht von „continued reports of the torture of detainees“ [fortgesetzten Berichten über die Folter von Inhaftierten]).
84 
Das Auswärtige Amt führt weiter aus, dass der infolge des langjährigen Bürgerkriegs umfassende Sicherheitsapparat nach Ende des Konflikts 2009 kaum reduziert wurde und insbesondere im Norden und Osten noch stark vertreten ist (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6, auch S. 7; vgl. auch Human Rights Watch, Unfinished Business in Sri Lanka, 01.09.2016). Es verweist zudem darauf, dass nach Angaben der sri-lankischen NGO Groundviews 2015 noch immer mindestens 181 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder -Symphatisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hätten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert seien; bis November 2015 seien 38 davon gegen Kaution freigelassen worden (a.a.O. S. 12).
85 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe weist in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 „Sri Lanka: Gefährdung bei Rückkehr und Zugang zu medizinischer Versorgung in Haft“ darauf hin (S. 3), dass Berichte der NGO Freedom from Torture und International Truth & Justice Project Sri Lanka vom Januar 2016 insgesamt 27 Fälle dokumentierten, in denen tamilische Personen durch sri-lankische Sicherheitskräfte gefoltert, willkürlich verhaftet oder entführt worden seien. Der jüngste in dem letztgenannten Bericht dokumentierte Fall (von insgesamt 20 Fällen) habe sich im Dezember 2015 zugetragen (vgl. a.a.O. S. 4). Während der Verhöre seien mehrere der Betroffenen beschuldigt worden, die LTTE wiederaufbauen zu wollen oder das Land in Unruhe zu bringen. 19 der Personen seien Opfer von Entführungen mittels weißer Lieferwagen geworden („White Van Abduction“). 16 der Personen hätten in der Vergangenheit eine Funktion der LTTE auf niedriger Stufe gehabt.
86 
Der Prevention of Terrorism Act (s. o. aa und a) ist weiterhin in Kraft (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7 und 12; auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, und Human Rights Watch, UN Human Rights Council: High Commissioner’s Report on human rights of Rohingya Muslims and other minorities in Burma/Maanmar and on Sri Lanka, 30.06.2016). Das Auswärtige Amt führt aus, die Regierung gebe an, 181 Personen seien auf seiner Grundlage inhaftiert, wobei die Mehrheit tamilischer Herkunft sei, die Zivilgesellschaft gehe hingegen von rund 250 Personen aus (a.a.O. S. 7). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verweist darauf, dass verschiedene Schätzungen „sich auf bis über 200 Personen“ beliefen (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6). Amnesty International zitiert eine Erklärung des Oppositionsführers Sampanthan vor dem Parlament, dass noch 217 Personen auf der Grundlage der Bestimmungen des PTA inhaftiert seien (Amnesty Report 2016, Sri Lanka). Nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wird er „weiterhin eingesetzt, um tamilische Personen zu verhaften, welche der angeblichen Verbindungen zur LTTE verdächtigt werden“ (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6; entsprechend Amnesty Report 2016, Sri Lanka; ferner Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Die Flüchtlingshilfe verweist auch auf eine sri-lankische Zeitung, die von Verhaftungen von Militärpersonal unter dem PTA berichtet hat.
87 
Rückkehrer müssen nach Einschätzung des Auswärtigen Amts grundsätzlich keine staatlichen Repressalien gegen sich fürchten, jedoch müssen sie sich nach Rückkehr Vernehmungen durch die Immigration, das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen; ob es zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 13). Mit solchen Vernehmungen ist insbesondere zu rechnen, wenn die rückkehrende Person keinen gültigen sri-lankischen Reisepass vorlegen kann; Fälle diskriminierender Behandlung solcher Personen (auch von Tamilen) sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (a.a.O. S. 14). Bei der Einreise mit gültigem sri-lankischem Reisepass würden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt; dies gelte auch für Zurückgeführte (a.a.O. S. 14).
88 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 aus (S. 1), dass es auch nach Amtsantritt des neuen Präsidenten zu Verhaftungen von tamilischen Rückkehrenden kam. Die Verhaftungen schienen oft mit angeblichen Verbindungen zur LTTE zusammenzuhängen. Eine zuvor erfolgte illegale Ausreise könne bei der Rückkehr ebenfalls zu einer Verhaftung führen. Die Flüchtlingshilfe führt nach diesen einleitenden Bemerkungen unter Berufung auf verschiedene Quellen einzelne Fälle auf. So verweist sie zunächst auf einen Bericht der Zeitung Ceylon News vom 19.04.2016, wonach ein aus Mullaitivu stammender Tamile bei seiner Rückkehr aus Doha am 12.04.2016 durch das Terrorist Investigation Department am Flughafen aufgegriffen und anschließend sieben Stunden verhört worden sei (a.a.O. S. 1 f.). Anschließend sei er mit der Aufforderung freigelassen worden, am nächsten Morgen das TID-Büro in Colombo aufzusuchen. Am folgenden Tag sei er dort verhaftet worden. Die Flüchtlingshilfe spricht außerdem etwa den Fall eines tamilischen Journalisten an, der nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka durch die sri-lankischen Behörden verhaftet worden sei (a.a.O. S. 2). Der Journalist und Aktivist sei im Jahr 2012 nach Australien geflohen und habe sich aufgrund der positiven Signale der aktuellen sri-lankischen Regierung für die Rückkehr entschieden. Er sei nach der Inhaftierung auf Kaution freigelassen worden. Ihm seien aber Auslandsreisen für fünf Jahre untersagt worden und er müsse sich jeden Monat im berüchtigten vierten Stock des Hauptquartiers des CID in Colombo melden. Unter Berufung auf TamilNet führt die Flüchtlingshilfe auch aus, dass viele tamilische Rückkehrende aus dem Nahen Osten in der jüngsten Zeit durch den sri-lankischen Militärgeheimdienst verhaftet worden seien (a.a.O. S 2). Die Flüchtlingshilfe zitiert schließlich etwa auch aus einem Bericht der International Crisis Group, wonach weiterhin rückkehrende tamilische Personen unter Anwendung des Prevention auf Terror Act (PTA) wegen des Verdachts auf zurückliegende LTTE-Verbindungen verhaftet würden; viele würden in durch das Militär betriebene Rehabilitationsprogramme geschickt.
89 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe trägt in der Auskunft vom 22.04.2016 auch vor, dass das International Truth & Justice Project Sri Lanka im Januar 2016 zu dem Schluss gekommen sei, dass tamilische Personen, welche aus dem Ausland zurückkehrten, überwacht würden (a.a.O. S. 4). So gebe es weiterhin ein umfangreiches Netzwerk von tamilischen Informanten, welche Rückkehrende beobachteten. Das sichere Verlassen des Flughafens sei deswegen keine Garantie für die spätere Sicherheit. Die Flüchtlingshilfe gibt ferner die Einschätzung von International Truth & Justice Project wieder, dass es für tamilische Personen im Ausland noch nicht sicher sei, nach Sri Lanka zurückzukehren, wenn die betroffene Person in der Vergangenheit eine Verbindung zur LTTE aufweise (a.a.O. S. 5).
90 
(2) Diese Erkenntnisse lassen, selbst wenn sich alle Angaben zu flüchtlingsschutzrelevanten Menschenrechtsverletzungen als zutreffend erweisen sollten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht den Schluss auf eine Gruppenverfolgung von Tamilen, auch nicht vom männlichen Tamilen aus dem Norden, zu. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nach wie vor nicht feststellen. Auch die Zahl an Verhaftungen und Überwachungen von Tamilen sowie an ihnen gegenüber vorgenommene Handlungen, die als Folter einzustufen sind, lässt nicht annähernd auf die Gefahr schließen, dass (nahezu) jedes Gruppenmitglied mit solchen Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei ist auch zu bedenken, dass nicht jede Verhaftung mit anschließendem Verhör schon eine Menschenrechtsverletzung darstellt.
91 
Der nach den vorliegenden Erkenntnismitteln bestehenden, im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2010 deutlich verbesserten Gesamtsituation der Tamilen in Sri Lanka hat der Kläger nichts entgegengehalten.
III.
92 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
93 
1. Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315; jüngst etwa Kammerbeschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16 - juris Rn. 12). Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfGE 80, 315). An gezielten Rechtsverletzungen fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfGE 80, 315, 335). Ob eine gezielte Verletzung von Rechten vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfGE 80, 315, 335).
94 
Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (BVerfGE 80, 315, 344). Nach dem hierdurch geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberechtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrte und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestände).
95 
Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (BVerfGE 80, 315, 344).
96 
Ergibt die rückschauende Betrachtung, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter regelmäßig in Betracht. Ergibt sie eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war. Steht fest, dass Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist ist und dass ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates im beschriebenen Sinn unzumutbar war, so ist er gemäß Art. 16a Abs. 1 GG asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Daher muss sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist; eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nicht geboten, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet.
97 
Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht (BVerfGE 80, 315, 345 f.). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere unzumutbare Nachteile oder Gefahren.
98 
2. Der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten steht entgegen, dass nach Überzeugung des Senats die nach dem Vorbringen des Klägers fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe nicht der Wahrheit entspricht (s. o. II. 2.) und er zum Zeitpunkt der Ausreise nicht Mitglied einer verfolgten Gruppe war (s. o. II. 3. a) sowie er ein solches auch zum heutigen Zeitpunkt nicht ist (s. o. II. 3. b bb).
IV.
99 
Der Kläger hat weiterhin nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in Sri Lanka ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
V.
100 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
VI.
101 
Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
102 
1. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines Gutachtens eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht gerichtet ist, zielt der Antrag auf die Klärung einer Rechtsfrage, nicht aber auf eine dem (Sachverständigen-)Beweis zugängliche Tatsachenfrage. Die Ermittlung der Rechtslage und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf einen konkreten Fall ist ureigene Aufgabe der Rechtsprechung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO: s. a. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 293 Rn. 1, nicht zuletzt unter Hinweis auf den Grundsatz „iura novit curia“). Die Ermittlung der Rechtslage ist infolgedessen in aller Regel keine Tatsachenfeststellung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist (Urteil vom 19.07.2012 - 10 C 2.12 - NJW 2012, 3461 Rn. 16; kritisch dazu Geimer, a.a.O. Rn. 14). Denn die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Auslegung und Anwendung auf seinen Fall der Kläger geklärt haben will, ist kein ausländisches Recht. Die EMRK gilt vielmehr in der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307, 315); deutsche Gerichte haben sie wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG, a.a.O. S. 317).
103 
b) Der Beweisantrag geht weiterhin von einer unzutreffenden Ausgangslage aus. Die Beklagte hat gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts das statthafte Rechtsmittel eingelegt; infolge des Suspensiveffekts (zunächst des Antrags auf Zulassung der Berufung, sodann der Berufung) war sie nicht verpflichtet, der ihr vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Folglich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Asylberechtigten inne.
104 
c) Die Auffassung des Klägers, der Senat sei infolge der Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof daran gehindert, auf die Berufung der Beklagten das verwaltungsgerichtliche Urteil zu ändern, teilt der Senat nicht. Er vermag weder dem vom Kläger ausdrücklich angesprochenen Art. 3 EMRK noch dem von ihm der Sache nach angesprochenen Art. 4 EMRK auch nur im Ansatz eine derartige Wirkung zu entnehmen. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unangemessen lange gedauert haben dürfte (vgl. § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Rechtsfolge einer unangemessenen Verfahrensdauer - die der Kläger allerdings nicht mit einer Verzögerungsrüge (vgl. § 198 Abs. 3 GVG) beanstandet hat - ist indessen grundsätzlich eine angemessene Entschädigung in Geld. Dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer über das Fehlen materieller Anspruchsvoraussetzungen hinweghelfen könnte, ist gesetzlich nicht vorgesehen und es besteht aus Sicht des Senats auch kein Anlass für eine hierauf gerichtete - was ihre Zulässigkeit angeht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/00 - BVerfGE 128, 193), problematische - richterliche Rechtsfortbildung. Auch der Kläger nennt keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die auch nur einen Ansatz für seine Auffassung bieten könnte.
105 
2. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gerichtet ist, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Ein solcher liegt vor, wenn Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - juris Rn. 133). Hiervon ist auszugehen, wenn für den Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BVerwG, Beschluss vom 17.09.2014 - 8 B 15.14 - juris Rn. 10). So liegt es hier. Zum einen hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass er tatsächlich darauf vertraut hat, als Asylberechtigter anerkannt zu werden; das wäre schon deshalb veranlasst gewesen, weil der Kläger bereits mit der Stellung des Zulassungsantrags damit rechnen musste, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben würde. Zum anderen und vor allem gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger infolge der Zurückweisung der Berufung psychisch erkranken würde. Der Kläger hat nicht vorgetragen, geschweige denn - etwa mittels Vorlage eines ärztlichen Schreibens - untermauert, gegenwärtig an einer psychischen (Grund-)Erkrankung zu leiden, die sich im Fall einer Klageabweisung verschlechtern würde.
106 
b) Abgesehen davon ist der Beweisantrag auch aus dem Grund abzulehnen, dass die vom Kläger in den Raum gestellte „gravierende psychische Reaktion … auch im Sinne einer psychischen Erkrankung“ keine entscheidungserhebliche Tatsache ist. Eine eventuelle psychische Erkrankung könnte im Rahmen der vorliegenden Klage lediglich Bedeutung hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Bedeutung erlangen. Hierfür ist erforderlich, dass sich eine vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leben und Leib führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr droht. Der Kläger stellt hier schon nicht eine Erkrankung unter Beweis, die bereits vorhanden ist, er behauptet vielmehr, im Fall der Abweisung seiner Klage zu erkranken. Hinzu kommt, dass von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht Schutz vor Abschiebung nicht bei Vorliegen jeglicher Erkrankung gewährt wird. Vielmehr schützt die Vorschrift nur vor einer erheblichen und alsbaldigen Verschlimmerung für den Fall einer Rückkehr. Darum geht es dem Kläger aber mit seinem Beweisantrag nicht.
VII.
107 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
108 
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.

Gründe

 
22 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit war in der Ladung zum Termin hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die nach Zulassung durch den 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (III.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (IV.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (V.). Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen (VI.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden:
26 
Der auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
28 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „höchsthilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
29 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
30 
1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
31 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 24 a.E.).
32 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 26 m.w.N.).
34 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 = NVwZ 2013, 936 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
35 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
36 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
37 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (zur so genannten Gruppenverfolgung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 30 ff.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
38 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die auch vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylG, Art. 8 QRL).
39 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie durch § 3c Nr. 3 AsylG (vgl. Art. 6 Buchstabe c QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
40 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne des § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit.
41 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
42 
2. Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft nicht aus individuellen Verfolgungsgründen zuzuerkennen. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe der Wahrheit entspricht. Vielmehr spricht nach Auffassung des Senats vieles dafür, dass der Kläger den wahren Grund für seine Ausreise nach wie vor für sich behält.
43 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen zunächst aus dem Grund ganz erhebliche Zweifel, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Einreise im September 2008 nicht miteinander in Einklang zu bringende Angaben zu den Gründen seiner Flucht gemacht hat. So gab er bei der Bundespolizei im Wesentlichen an, er habe schon seit zwei Jahren versucht, Sri Lanka zu verlassen, sei seit über zehn Jahren Mitglied der LTTE, habe lange Zeit das sri-lankische Militär mit Bargeld bestochen und müsse damit rechnen, vom Militär grundlos verhaftet zu werden. Von einer Entführung und Erpressung durch Mitglieder tamilischer regierungsnaher Organisationen war nicht im Ansatz die Rede. Es besteht für den Senat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass der Kläger die in den Wortprotokollen über die Vernehmungen niedergelegten Angaben gemacht hat. Nicht zuletzt wurden die Vernehmungen, bei denen ein Dolmetscher für die tamilische Sprache eingebunden war, ausweislich von beigefügten Vermerken dem Kläger vorgelesen und von ihm genehmigt. Plausible Gründe dafür, dass die Vernehmungen unrichtig wiedergegeben worden sein könnten, hat der Kläger im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung nicht gemacht; er hat sich - darauf angesprochen - mehrmals darauf beschränkt zu bestreiten, die in den Protokollen festgehaltenen Angaben gemacht zu haben. Eine ganz andere Verfolgungsgeschichte hat der Kläger dann in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt: Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass Leute ihn mitgenommen und von ihm Geld verlangt hätten; dann hätten sie ihn wieder gehen lassen. Auf Nachfragen des Anhörenden berichtete er unter anderem, die Entführung habe am 14.04.2008 stattgefunden, er sei sechs Tage in einem Haus festgehalten und ihm sei dann eine dreimonatige Zahlungsfrist gewährt worden.
44 
Die angebliche Entführung und Erpressung hat der Kläger dann auch in der mündlichen Verhandlung als Ereignis genannt, das bei ihm erst den Entschluss zur Flucht ins Ausland hat reifen lassen. Allerdings konnte er dem Senat nicht den Eindruck vermitteln, von etwas tatsächlich Erlebtem zu berichten; es spricht vielmehr viel dafür, dass der Kläger ein Schicksal, das andere Personen erlitten haben, auf sich projiziert hat. Auf die eingangs seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Grund seiner Ausreise nannte der Kläger in einigen wenigen Sätzen lediglich Eckpunkte der angeblichen Entführung und Erpressung. Wesentlich ausführlicher, detailreicher und nach Einschätzung des Senats durchaus glaubhaft wurden dann erst die Schilderungen seines Reisewegs, auf die sich die Fragestellung indes überhaupt nicht erstreckte. Die gezielten Nachfragen brachten dann auch keine Ausführungen, die den Schluss zulassen könnten, dass sich das Geschehen tatsächlich so wie vom Kläger behauptet ereignet hat. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass ihm selbstverständlich bewusst ist, dass die Erinnerung an Ereignisse mit zunehmendem Zeitablauf nachlässt; allerdings wäre die vom Kläger behauptete Entführung und Erpressung ein so einschneidendes Ereignis gewesen, dass auch nach über acht Jahren zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger zumindest einige für die Richtigkeit seiner Angaben sprechende Details hätte schildern können. Das hat er indes nicht getan. Auf die gezielten Fragen antwortete er meist wortkarg. Einzelheiten zu dem Raum etwa, in dem er immerhin sechs Tage festgehalten worden sein will, konnte er mit Ausnahme solcher, die letztlich nur ein geringes Maß an Einfallsreichtum erfordern (angebliche Größe, weiße Wandfarbe, Licht an der Decke) nicht liefern. Angaben dazu, ob der Raum Fenster hatte, wie er möbliert war und dabei insbesondere, ob er eine als solche zu bezeichnende Schlafgelegenheit hatte, wie sie eigentlich zu erwarten gewesen wären, machte der Kläger nicht. Auf die Forderungen der Entführer angesprochen verwies der Kläger stets nur auf deren Verlangen von Geld. Mit welchen Nachteilen die Entführer für den Fall der Nichtzahlung gedroht haben, war dem Kläger keiner nähren Erwähnung wert. Blass blieben auch die Ausführungen zu der angeblichen Folter. Nachdem er zunächst lediglich die Behauptung von Folter in den Raum gestellt hatte, verwies er auf Nachfrage nur darauf, dass er geschlagen worden sei. Auf weitere Nachfrage gab er sodann an, er sei mit Stiefeln getreten und mit einem Holzknüppel geschlagen worden. Wie viele Personen ihn angeblich geschlagen und getreten haben, welche Körperstellen betroffen waren und ob und welche Verletzungen er infolge der Misshandlungen erlitten hat, blieb unerwähnt. Hinzu kommt, dass es sich insoweit um gesteigertes Vorbringen handelt, da der Kläger die Thematik „Folter“ erstmals vor dem Senat erwähnt hat. Auf entsprechenden Vorhalt hat er lediglich erklärt, er sei wohl bei seiner Anhörung nicht ausdrücklich danach gefragt worden. Sollte er allerdings tatsächlich gefoltert worden sein, erscheint es fernliegend, dass er auf diesen Umstand nicht von sich aus hingewiesen hätte.
45 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch seine Angaben zu dem weiteren Geschehen nach seiner angeblichen Freilassung. Davon, dass die Erpresser bereits im Juni 2008 bei ihm zu Hause vorbeigekommen seien, wie er es in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht berichtet. Vielmehr verwies er darauf, dass die Erpresser seine bisherige Unterkunft am 20.07.2008, dem Tag des angeblichen Fristablaufs, aufgesucht hätten. Diese Angabe passt allerdings in keiner Weise zu den Ausführungen seiner Ehefrau in dem dem Bundesamt vorgelegten Brief vom 15.10.2008, wonach die Entführungsbande jetzt häufiger zu ihr nach Hause komme. Erst nach zahlreichen, eindringlichen Nachfragen, nicht zuletzt seines Prozessbevollmächtigten, gab der Kläger an, dass es auch nachfolgend - zuletzt im Jahr 2009 oder im Jahr 2010 - Probleme gegeben habe. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch einerseits angegeben, seine Ehefrau lasse sich durch ihren Bruder bei Besuchen der Erpresser verleugnen. Andererseits gab der Kläger an, es gebe Probleme, wenn die Erpresser seine Ehefrau sehen.
46 
Offenbleiben kann nach Vorstehendem, ob die Entführung und Erpressung überhaupt von flüchtlingsschutzrelevanter Bedeutung gewesen wären. In Betracht käme hier lediglich eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 3 AsylG). Der Kläger hat auf die Frage, weshalb er als Opfer der Entführung und Erpressung ausgewählt worden sei, geantwortet, dies sei geschehen, weil er wohlhabend gewesen sei. Diese Aussage ist zunächst erstaunlich, will der Kläger die - nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung, die nicht mit der Angabe in der Anhörung beim Bundesamt übereinstimmt (damals: drei Millionen Rupien) - für die Organisation der Ausreise gezahlten zwei Millionen Rupien insbesondere durch den Verkauf von Goldschmuck seiner Frau und die Aufnahme eines Darlehens aufgebracht haben. Der Aussage lässt sich aber vor allem entnehmen, dass sich der Kläger zumindest im Wesentlichen als Opfer krimineller Machenschaften sah; eine Verbindung mit seiner tamilischen Volkszugehörigkeit oder gar seiner behaupteten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE war für den Senat nicht erkennbar.
47 
Eine staatliche Verfolgung hat der Kläger schon nicht als Grund für seine Ausreise behauptet. Nicht zuletzt da dem Kläger offensichtlich ohne Probleme ein Reiseausweis ausgestellt wurde und er legal und ungehindert das Land verlassen konnte, bestehen hierfür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vom Kläger erst auf Nachfragen angeführten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE (Helfen beim Aufbauen und Dekorieren einer Bühne) waren, die Richtigkeit der Angaben unterstellt, allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Dass er konkret durch sie ins Visier der Sicherheitskräfte geraten sein könnte, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung gerade nicht vorgetragen. Es blieb insoweit bei der allgemein gehaltenen Behauptung, Armeeangehörige hätten die Veranstaltungen an den Großheldentagen überwacht.
48 
3. Auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gruppenverfolgung kommt nicht in Betracht.
49 
Tamilen waren zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im August 2008 keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt (dazu a). Sie sind es auch heute nicht (dazu b).
50 
a) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers und bezogen auf den Zeitpunkt seiner Ausreise im Wesentlichen wie im Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 09.11.2010 (A 4 S 703/10, juris) bezogen auf das Jahr 2007 dar. Dort heißt es (a.a.O. Rn. 46 ff.):
51 
Die Lage in Sri Lanka stellte sich 2007 nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen wie folgt dar:
52 
In Sri Lanka lebten 2007 geschätzt 20,01 Millionen Menschen. Der Anteil der tamilischen Bevölkerung lag ungefähr bei 10 % (Fischer-Weltalmanach 2010, S. 474). Nach den Angaben des Ministeriums für Volkszählung und Statistik lebten 2006 im Großraum Colombo 2.251.274 Einwohner, davon waren 247.739 tamilische Volkszugehörige sri-lankischer Staatsangehörigkeit und 24.821 indische Tamilen (vgl. UK Home Office, Country of Origin Report Sri Lanka vom 15.11.2007, S. 122, Nr. 20.13).
53 
Die innenpolitische Lage Sri Lankas war von dem jahrzehntelangen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen bestimmt. Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung [und] der tamilischen Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) aus dem Februar 2002 war von Präsident Rajapakse im Januar 2008 offiziell aufgekündigt worden, nachdem es von beiden Seiten seit langem nicht mehr eingehalten worden war. Bereits ab November 2005 war es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch die LTTE und die im Jahr zuvor von ihr abgespaltene, mit der Regierung kollaborierende Karuna-Gruppe unter „Oberst Karuna“ (Muralitharan Vinayagamurthi), einem ehemaligen Vertrauten des LTTE-Führers Prabahakaran, gekommen. Seit April 2006 hatte die Regierung versucht, die LTTE, die zu diesem Zeitpunkt noch den Norden und Osten des Landes kontrollierte, mit offensiven Maßnahmen zurückzudrängen. Ab Mitte 2006 war es dann zu großflächigen, längeren Kampfhandlungen gekommen. Unterstützt von den paramilitärischen Einheiten der Karuna-Gruppe, die sich als Vertretung der Ost-Tamilen verstand, konnten die Streitkräfte im Juli 2007 nach den vorhergehenden Rückzug der LTTE-Soldaten die letzten von der LTTE gehaltenen Stellungen im Osten Sri Lankas einnehmen (Lagebericht des AA vom 07.04.2009, Stand März 2009, S. 5).
54 
Eine systematische und direkte Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen Rasse, Nationalität oder politischer Überzeugung von Seiten der Regierung fand seit dem Waffenstillstandsabkommen von 2002 nicht statt (Lageberichte des AA vom 26.06.2007, Stand Juni 2007, S. 6 und vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 7). Allerdings standen Tamilen im Generalverdacht, die LTTE zu unterstützen, und mussten mit staatlichen Repressionen rechnen. Sie wurden nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt. Sie sind aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, Pkw-Kontrollen und Verhaftungen bei Vorliegen schon geringster Verdachtsmomente richteten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des „Terrorism Prevention Act“ Ende 2006 - ein Notstandsgesetz, das Verhaftungen ohne Haftbefehl und eine Inhaftierung bis zu 18 Monaten erlaubt, wenn die Behörden insbesondere den Verdacht terroristischer Aktivitäten haben (vgl. SFH, Sri Lanka, Aktuelle Situation, Update vom 11.12.2008, S. 3) - war die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wurde, musste mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung hat kommen müssen (Lagebericht des AA vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 8). So wurden am 30. und 31.12.2005 im Rahmen der von Militär und Polizei in Colombo durchgeführten Operation „Strangers Night III.“ 920 Personen, die weit überwiegende Mehrheit Tamilen, verhaftet (Human Rights Watch, Return to War - Human Rights under Siege - August 2007, S. 74).
55 
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in seiner Stellungnahme zum Bedarf an internationalem Schutz von Asylsuchenden aus Sri Lanka vom 01.02.2007, die eine Zusammenfassung und Teilübersetzung der „UNHCR Position on the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Sri Lanka (December 2006)“ enthält, unter anderem ausgeführt, dass von der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage im besonderem Maße Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes betroffen seien. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass bei dem Verdacht, dass sie Verbindungen zur LTTE unterhalten, Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Behörden oder mutmaßlich von der Regierung gestützte Paramilitärs drohten (S. 2). Für Tamilen aus Colombo bestand aufgrund der im April bzw. Dezember 2006 drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen ein erhöhtes Risiko, willkürlichen, missbräuchlichen Polizeimaßnahmen - insbesondere Sicherheitskontrollen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen oder Leibesvisitationen - unterworfen zu werden. Tamilen aus Colombo waren darüber hinaus besonders gefährdet, Opfer von Entführungen, Verschleppungen oder Tötungen zu werden. Zwischen dem 20.08.2006 und dem 02.09.2006 waren Presseberichten zufolge mehr als 25 Tamilen entführt worden, nur zwei Personen waren bis zum Dezember 2006 wieder freigekommen (S. 2 f.). Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der dauernden Bedrohung durch terroristische Attacken im Großraum Colombo waren teilweise für die gesamte tamilische Minderheit bedrohlich und stellten ihre Sicherheit in Frage. Extralegale Tötungen, die seit jeher Teil des Konflikts gewesen waren, wurden seit Dezember 2005 auch in signifikanter Zahl von Regierungsseite verübt. Viele Taten sind an gewöhnlichen Personen begangen worden, die kaum erkennbar in Verbindung zu dem Konflikt standen. Teilweise handelte es sich um Teile eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschahen sie aus politischen Motiven. Sie konnten aber auch einen kriminellen Hintergrund haben (Asylsuchende aus Sri Lanka, Position der SFH vom 01.02.2007 S. 5).
56 
Die International Crisis Group hat in ihrem Bericht vom 14.06.2007 (Sri Lanka’s Human Rights Crisis, Asia Report N. 135) unter anderem festgehalten, dass die Anzahl der Verschwundenen in den letzten achtzehn Monaten nur schwerlich mit Sicherheit festzustellen sei. Verschiedene verlässliche Quellen berichteten von mehr als 1.500 Betroffenen, wobei das Schicksal von mindestens 1.000 Personen unklar gewesen sei. Die höchste Anzahl von Betroffenen sei in den von der Regierung kontrollierten Bereichen Jaffnas festzustellen gewesen. Dort seien 731 Fälle registriert worden, in 512 Fällen gebe es noch keine Aufklärung. Im Großraum Colombo sei es zu mehr als 70 berichteten Fällen von Entführungen und des Verschwindenlassens gekommen. Die meisten der Betroffenen seien junge tamilische Volkszugehörige gewesen, die der Zusammenarbeit mit der LTTE verdächtigt worden seien. Auch eine Vielzahl von Personen ohne Verbindung zur LTTE seien Opfer dieses Verschwindenlassens geworden.
57 
Human Rights Watch (HRW) geht in seinem Bericht aus dem August 2007 (Return to War - Human Rights under Siege -) davon aus, dass Entführungen und Fälle des Verschwindenlassens seit August 2006 auch in Colombo zu einer weitverbreiteten Erscheinung geworden seien. Die Organisation gelangt auf der Grundlage von Gesprächen mit 26 Familien von verschwundenen Personen zu dieser Aussage (S. 53 f.). Landesweit geht HRW für den Zeitraum vom 14.09.2006 bis zum 25.02.2007 von 2.020 Fällen Entführter oder sonst verschwundener Personen aus. „Ungefähr 1.134 Personen“ seien lebend wieder aufgefunden worden, die anderen seien weiterhin vermisst (S. 7).
58 
Nach dem Country Report on Human Rights Practices zu Sri Lanka des U.S. Department of State 2007 vom 11.03.2008 waren extralegale Tötungen in Jaffna an der Tagesordnung. Zwischen dem 30.11.2007 und dem 02.12.2007 sind nach zwei Bombenangriffen der LTTE in und um Colombo beinahe 2.500 tamilische Volkszugehörige in der Hauptstadt und geschätzte 3.500 Tamilen im ganzen Land verhaftet worden. Die Inhaftierten, überwiegend männliche tamilische Zivilisten sollen allein aufgrund ihrer tamilischen Nachnamen verhaftet worden sein. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wurde bald wieder freigelassen. Zum Jahreswechsel waren nur noch zwölf von 372 im Boosa detention camp Inhaftierten in Gewahrsam.
59 
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich selbst dann, wenn alle Angaben zutreffen sollten, zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers Ende November 2007 nicht auf eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen schließen. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nicht feststellen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wurde keine Volksgruppe gezielt allein wegen eines unveränderlichen Merkmals verfolgt. Die Anzahl der festzustellenden Übergriffe lässt nicht ohne weiteres auf die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit eines jeden Gruppenmitglieds schließen. Selbst wenn alle Übergriffe im Großraum Colombo zwischen November 2005 und Dezember 2007 dem sri-lankischen Staat zuzurechnen wären - tatsächlich sind dabei auch Übergriffe der LTTE und „rein kriminelle Übergriffe“ mit dem Ziel der Lösegelderpressung unter den registrierten Fällen - und alle Inhaftierungen - auch die von bloß kurzer Dauer von nicht mehr als drei Tagen - gezählt werden, ist das Verhältnis von 3.400 Verhaftungen zu mehr als 240.000 tamilischen Einwohnern angesichts des Zeitraums von zwei Jahren nicht geeignet, eine Regelvermutung der Gefährdung eines jeden Gruppenmitglieds zu rechtfertigen. Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass 2.500 der Inhaftierten nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden sind und damit keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 RL 2004/83/EG erdulden mussten, ergibt sich eine Betroffenheit von 0,3 % der gesamten tamilischen Bevölkerung. Dieser - für die Bewertung des Standards der Achtung der Menschenrechte insoweit gleichwohl hohe - Prozentsatz der Betroffenen innerhalb eines Zweijahreszeitraums führt nicht zum Schluss auf die erforderliche aktuelle Gefahr der Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds.
60 
Zu einer anderen Beurteilung bezogen auf den Zeitpunkt August 2008 besteht kein Anlass. Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.
61 
b) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers derzeit wie folgt dar:
62 
aa) Bezogen auf den Zeitpunkt November 2010 führte der erkennende Gerichtshof in seinem Urteil vom 09.11.2010 aus (a.a.O. Rn. 57 ff.):
63 
Am 19.05.2009 hat der sri-lankische Staatspräsident Mahinda Rajapakse in einer Parlamentsansprache den Sieg der Regierungstruppen über die tamilische Separatistenorganisation LTTE verkündet. Tags zuvor war nach den Angaben des Militärs bei einem der letzten Gefechte der LTTE-Anführer Velupillai Prabhakaran ums Leben gekommen, nachdem zuvor fast die gesamte militärische und politische Führung der LTTE umgekommen war. Der seit 1983 mit Unterbrechungen währende Bürgerkrieg war damit beendet (Lagebericht des AA vom 02.09.2009, Stand: August 2009, S. 6). Hunderttausende Menschen mussten während des Bürgerkriegs ihre Heimatorte im tamilischen Norden und Osten des Landes verlassen. Als Binnenvertriebene suchten sie Zuflucht in weniger gefährdeten Gebieten des Landes. Viele entschieden sich auch dafür, ins Ausland zu gehen. In der Ostprovinz konnten die Binnenvertriebenen inzwischen bis auf einige Ausnahmen in ihre Heimatgemeinden zurückkehren (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 8). Rund 300.000 Zivilpersonen waren in den letzten Monaten des Bürgerkriegs im von der LTTE gehaltenen, kontinuierlich schrumpfenden Gebiet eingeschlossen. Notgedrungen zogen sie mit den LTTE-Verbänden mit und waren in der zuletzt nur wenige Quadratkilometer ausmachenden Kampfzone im Nordwesten des Landes allen Schrecken dieser Kämpfe ausgesetzt. Nach deren Beendigung brachte sie die Armee in geschlossenen Lagern hauptsächlich in Vavuniya im nördlichen Vanni unter, zu denen nationale und internationale Hilfsorganisationen lange nur eingeschränkt Zugang hatten. Die Regierung begründete diese Lagerunterbringung mit der Notwendigkeit, sich unter den Binnenvertriebenen verbergende ehemalige LTTE-Kämpfer herauszufiltern, und der Unmöglichkeit, die Betroffenen in noch verminte Heimatorte zurückkehren zu lassen. Einigen wenigen wurde die Rücksiedlung im Juni 2009 gestattet. Im August 2009 begann dann sehr zögerlich ein Rücksiedlungsprozess, der im Oktober größeren Umfang annahm und sich ab Dezember wieder verlangsamte, da die Herkunftsorte der Verbliebenen (im Juni 2010 waren noch knapp 60.000 Personen in Lagern untergebracht) noch erheblich zerstört und vermint sind. Einem gesonderten Regime unterliegen die geschlossenen, so genannten „Rehabilitationslager“, in denen rund 8.000 ehemalige LTTE-Kämpfer (bzw. Personen, die insoweit verdächtigt werden) untergebracht sind. Zu diesen Lagern haben weder das IKRK noch Hilfsorganisationen Zugang. Die Antiterrorgesetze von 1979 (Prevention of Terrorism Act) haben weiter Bestand. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere in Colombo, einschließlich der zahlreichen Kontrollpunkte von Polizei und Militär, werden aufrecht erhalten (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 9 f.).
64 
Zu den Insassen der „Rehabilitationslager“ hat Human Rights Watch festgestellt, dass zwar die meisten der Verdächtigten in den letzten Wochen der Kampfhandlungen und in der Zeit unmittelbar danach inhaftiert worden seien, dass aber auch neue Inhaftierungen, nämlich im Oktober 2009, erfolgt seien (Human Rights Watch, Legal Limbo - The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, Februar 2010, S. 6).
65 
In unterschiedlichen Bereichen kommt es zu staatlichen repressiven Maßnahmen, die Anzeichen für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung aufweisen. Davon sind nicht nur Tamilen betroffen, sondern auch regierungskritische Singhalesen. So werden oppositionelle Parlamentsabgeordnete, die der Regierung gefährlich werden können, unter fadenscheinigen Vorwürfen verhört, verhaftet oder bedroht. Der Generalverdacht, dass jeder Tamile ein Anhänger, Unterstützer oder gar Mitglied der LTTE war und ist, wird im singhalesischen Teil der Gesellschaft von vielen geteilt, insbesondere bei den staatlichen Sicherheitskräften (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 10 f.).
66 
Für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es keine Anhaltspunkte, sie müssen aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - jederzeit mit staatlichen Repressionen rechnen. Die ständigen Razzien und Hausdurchsuchungen, schikanösen Behandlungen (Beleidigungen, langes Warten, exzessive Kontrolle von Fahrzeugen, Erpressung von Geldbeträgen) bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und Verhaftungen richten sich vor allem gegen Tamilen, wobei aus dem Norden und Osten stammende Tamilen darunter noch in höherem Maße zu leiden haben. Durch Anwendung des Prevention of Terrorism Act ist die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder einer Anklageerhebung kommen muss. Die Situation hat sich seit Beendigung der Kampfhandlungen nicht verbessert (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 11).
67 
Ein Asylantrag im Ausland, der von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen wird, sich einen Aufenthaltsstatus zu verschaffen, begründet in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Sri Lanka niederlassen wollen, müssen indes einen Anfangsverdacht und entsprechendes Misstrauen bis zu Schikanen durch die Sicherheitsorgane gegenwärtigen. Mindestens ebenso stark steht unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden war. Das Ende der Kampfhandlungen hat diesbezüglich nicht zu einer Entspannung geführt. Am 26.05.2010 wurde am Flughafen Colombo bei der Einreise eine in Deutschland ansässige Sri-Lankerin unter dem Verdacht der LTTE-Unterstützung festgenommen, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Gelder eingesammelt und im Frühjahr letzten Jahres Demonstrationen organisiert haben soll. Belastbaren Berichten anderer Botschaften zufolge gibt es Einzelfälle, in denen zurückgeführte Tamilen nach Ankunft in Colombo unter LTTE-Verdacht festgenommen wurden (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 24).
68 
Aus dem „Report of Information Gathering Visit to Colombo, Sri Lanka, 23. bis 29. August 2009“ vom 22.10.2009 des „U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate“ (FCO), für den sowohl staatliche sri-lankische Stellen als auch Nichtregierungsorganisationen befragt wurden, ergibt sich, dass unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit nicht freiwillig nach Sri Lanka zurückkehrende Personen dem Criminal Investigation Department zur Feststellung der Staatsangehörigkeit und Kontrolle des Vorstrafenregisters überstellt werden. Die Befragung kann mehr als 24 Stunden dauern. Die Betroffenen werden erkennungsdienstlich behandelt. Abhängig vom Einzelfall ist eine Überstellung an den Geheimdienst (State Intelligence Service) oder das Terrorist Investigation Department zum Zwecke der Befragung denkbar. Jeder, der wegen eines Vergehens gesucht wird, muss mit seiner Verhaftung rechnen. Vorbestrafte oder Personen mit Verbindungen zur LTTE werden weitergehend befragt und gegebenenfalls in Gewahrsam genommen. Laut Nichtregierungsorganisationen würden Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes einer genaueren Überprüfung als andere unterzogen. Verschiedene Faktoren, nämlich ein offener Haftbefehl, Vorstrafen, Verbindungen zur LTTE, eine illegale Ausreise, Verbindungen zu Medien oder Nichtregierungsorganisationen und das Fehlen eines Ausweises (ID Card) oder anderer Personaldokumente, erhöhten das Risiko, Schwierigkeiten bei der Einreise zu bekommen, einschließlich einer möglichen Ingewahrsamnahme (S. 5). Hingegen konnte keine der befragte Quellen angeben, dass sichtbare Narben einen Einfluss auf die Behandlung bei der Einreise haben könnten. Im Falle, dass der Verdacht einer Verbindung zur LTTE bestünde, könnten solche Narben Anlass zu einer Befragung sein, jedoch würden diesbezüglich keine körperlichen Untersuchungen durchgeführt (S. 16).
69 
Überwiegend hätten die Befragten angegeben, dass die Anzahl der Razzien (cordon and search operations) in den letzten Monaten nicht zurückgegangen sei. Es gebe keine Informationen zu der Anzahl möglicher Festnahmen. Grundsätzlich seien junge männliche Tamilen, die aus dem Norden oder Osten des Landes stammten, im Zuge von Razzien einem besonderen Festnahmerisiko ausgesetzt. Die bereits genannten Faktoren erhöhten das Risiko. Tamilen ohne Beschäftigung oder „legitimen Aufenthaltsgrund“ würden ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als verdächtig angesehen (S. 5).
70 
Nach ganz überwiegender Meinung der Befragten hat es - wenn überhaupt - seit Juni 2009 nur noch sehr wenige Entführungen / Fälle des Verschwindenlassens gegeben. Die Entführungen erfolgten demzufolge sowohl zur Lösegelderpressung als auch aus politischen Gründen. Die Nichtregierungsquellen stimmten weitgehend darin überein, dass die Sicherheitskräfte in den meisten Fällen in gewisser Weise beteiligt seien und die Polizei keine ernsthaften Ermittlungen durchführe (S. 5 f.). Bei den Straßenkontrollen im Großraum Colombo, die nach Angabe der meisten Befragten nicht nennenswert reduziert worden seien, würde es nur sehr selten zu Festnahmen kommen. Seit Juni 2009 seien keine bekannt geworden.
71 
Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.06.2010 und der (ältere) Bericht des U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate ergänzen sich. Jedenfalls die hier zitierten allgemeinen Feststellungen (S. 5 f.), die auf mindestens weit überwiegend übereinstimmenden Angaben der Befragten beruhen, sind geeignet, die insoweit knapper gehaltenen Aussagen der Lageberichte zu den Gefährdungen von Tamilen zu illustrieren. Eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen (im wehrfähigen Alter) lässt sich auf der Basis der wiedergegebenen Erkenntnisse nicht feststellen. Insbesondere angesichts des Umstands, dass Verhaftungen bei Razzien ebenso selten geworden sind wie an Straßenkontrollpunkten und Fälle des Verschwindenlassens ebenfalls kaum mehr vorkommen, lässt sich eine generelle staatliche oder staatlich tolerierte Verfolgung der Gruppe der Tamilen nicht feststellen. Anderes lässt sich auch nicht aus dem Fortbestehen der „rehabilitation camps“ schließen. Denn jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass nach deren Begründung noch Personen in einer für die Annahme einer Gruppenverfolgung aller - jedenfalls der im wehrfähigen Alter befindlichen - Tamilen relevanten Größenordnung in diese Lager verbracht worden sind. Aus dem vom Kläger zitierten Bericht von Human Rights Watch, Legal Limbo, The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, ergibt sich unter Bezugnahme auf den „Indian Express“ vom 28. Oktober 2009, dass mindestens 300 LTTE Kader, die sich unter den Binnenvertriebenen versteckt hätten, verhaftet worden seien. Damit ist weder ein Bezug zu der Gruppe aller Tamilen oder jedenfalls derjenigen im wehrfähigen Alter aufgezeigt noch ergibt sich aus den berichteten Vorkommnissen, dass diese bis zum Tag der mündlichen Verhandlung gleichsam an der Tagesordnung gewesen wären.
72 
Die Einlassung des Klägers, aus dem zitierten Bericht von Human Rights Watch ergebe sich eine Zunahme der Fälle des Verschwindenlassens, vermag stichhaltige Indizien für eine Gruppenverfolgung aller (wehrfähigen) Tamilen nicht darzutun. Den dortigen Ausführungen im Unterkapitel „Concerns about Possible Enforced Disappearances“ sind vielmehr zunächst zwei Einzelfälle des Verschwindens nach Ende des Bürgerkriegs zu entnehmen. Darüber hinaus wird über eine Internierung von Dutzenden von Personen aus dem Lager „Menik Farm“ berichtet. Es wird weiter geschildert, dass das Schicksal der internierten Personen häufig - bis zum Tag des Berichts - unklar geblieben sei. Daraus lässt sich ein erhöhtes Risiko für solche Personen ableiten, die aus Sicht der Behörden im Verdacht stehen, mit der LTTE zusammengearbeitet haben, nicht jedoch eine Gruppenverfolgung aller (jungen männlichen) Tamilen. Der gegen alle Tamilen gerichtete so genannte „Generalverdacht“ führt offenkundig für sich genommen noch nicht regelmäßig zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden. Vielmehr kommt es auf individuell gefahrerhöhende Umstände an, bei deren Vorliegen im Einzelfall eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen sein kann.
73 
Auch aus dem vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Gutachten des European Center for Constitutional and Human Rights „Study on Criminal Accoutability in Sri Lanka as of January 2009“ aus dem Juni 2010 lässt sich die von ihm behauptete Gruppenverfolgung nicht ableiten. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass die Anzahl der in den „welfare centers“ in Gewahrsam gehaltenen Personen von 280.000 (zwischen März 2008 und Juni 2009) bis in den Januar 2010 auf rund 80.000 abgenommen hat. Dem Bericht, der sich mit den Zuständen in den Lagern beschäftigt, ist nicht zu entnehmen, dass sri-lankische Staatsangehörige nach ihrer Wiedereinreise dazu gezwungen worden wären, in solchen Lagern zu leben. Weiter beschäftigt sich das Gutachten unter Zitierung des bereits erwähnten Berichts von Human Rights Watch aus dem Februar 2010 mit der Behandlung von der LTTE-Mitgliedschaft Verdächtigten. Auch diesen Ausführungen ist nichts zu einer anhaltenden Verhaftungswelle - wie sie für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendig wäre - nach Beendigung des Bürgerkriegs und in den folgenden Monaten im Jahr 2009 zu entnehmen.
74 
Schließlich führt insoweit der Verweis des Klägers auf die Lageeinschätzung der International Crisis Group vom 17.02.2010, die sein Prozessbevollmächtigter im „Parallelverfahren“ (A 4 S 693/10) vorgelegt hat, nicht zum Erfolg seiner Klage. Dem Bericht ist zwar zu entnehmen, dass das Vorgehen der Regierung im Norden und Osten des Landes zur Verängstigung und Entfremdung der Minderheiten führe. Das aus dieser Behandlung aber ein systematisches Ausgrenzen der tamilischen Minderheit aus der staatlichen, übergreifenden Friedensordnung im Sinne einer Entrechtung abzuleiten wäre, ergibt sich weder aus diesem Bericht noch aus der Gesamtschau. Ebenso wenig lässt sich ein staatliches Verfolgungsprogramm hinsichtlich aller Tamilen oder auch nur der im wehrfähigen Alter befindlichen Gruppenmitglieder feststellen. Anderes kann möglicherweise für die im Zuge der Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen unmittelbar in den rehabilitation camps Inhaftierten oder die aus den Flüchtlingslagern „herausgefilterten“, in rehabilitation camps verbrachten Personen gelten. Jedoch ist ein solches systematisches Vorgehen gegenüber etwa in Colombo lebenden Tamilen nicht feststellbar.
75 
Die rechtliche Einschätzung zur fehlenden begründeten Furcht vor einer Gruppenverfolgung entspricht auch der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 08.07.2009 - 3 A 3295/07.A - und vom 24.08.2010 - 3 A 864/09.A -) und - der Sache nach - des UK Asylum and Immigration Tribunal (TK (Tamils - LP updated) Sri Lanka CG [2009]UKAIT 00049 RdNr. 73).
76 
bb) Erst recht ist die Annahme einer Gruppenverfolgung zum derzeitigen Zeitpunkt (Oktober 2016) nicht gerechtfertigt.
77 
(1) In Sri Lanka leben nach Auskunft des Auswärtigen Amts (Länderinformation, Stand: Februar 2015) 20,7 Millionen Menschen. Der Anteil der Sri-Lanka-Tamilen beträgt 11,2 % (auch Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7); es ist mithin von etwa 2,3 Millionen Volkszugehörigen auszugehen. „Indian Tamils“ machen 4,2 % der Bevölkerung aus.
78 
Am 08.01.2015 wurde Maithripala Sirisena bei der Präsidentenwahl, bei der die Wahlbeteiligung bei 81,5 % lag, zum Präsidenten Sri Lankas gewählt. Er setzte sich mit 51,28 % der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Rajapaksa durch, der 47,58 % erhielt. Am 17.08.2015 fanden Parlamentswahlen statt, die nach Einschätzung des Auswärtigen Amts frei und fair waren (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6). Die Tamilenpartei ITAK erhielt 4,62 % der Stimmen und damit 16 Mandate, sie stellt mit Rajavarothiam Sampanthan den Oppositionsführer (a.a.O.).
79 
Mit dem Amtsantritt Sirisenas am 09.01.2015 hat sich die politische Situation in Sri Lanka nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5) erheblich zum Positiven verändert. Demokratie und Rechtsstaat seien gestärkt worden. Die Menschenrechte, insbesondere die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden wieder respektiert. Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition seien nicht mehr eingeschränkt (a.a.O. S. 7). Menschenrechtsorganisationen hätten größere Freiräume (a.a.O. S. 6). So genannte Verschwundenen-Fälle seien seit dem Amtsantritt der neuen Regierung nicht mehr bekannt geworden (a.a.O. S. 12).
80 
Das Auswärtige Amt merkt in seinem jüngsten Lagebericht aber auch an, dass insbesondere im Norden und Osten noch nicht alle Menschenrechtsverletzungen abgestellt seien (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Einzelne Menschenrechtsvertreter würden dort vom Sicherheitsapparat verfolgt und ihre Gesprächspartner würden gelegentlich noch von Sicherheitskräften ausgefragt (a.a.O. S. 6, auch S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte von Menschenrechtsverteidigern zu Überwachungen durch die Polizei und das Militär im Norden und Osten sowie Befragungen). Die Polizei wende mitunter noch immer unverhältnismäßigen Zwang an (a.a.O. S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Beschwerden über die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt bei Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Demonstrationen). Als Beispiel nennt das Auswärtige Amt die Beendigung friedlicher Studentendemonstrationen mittels Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken (a.a.O. S. 7); es verweist zudem auf Angaben Internationaler Organisationen und Presseberichte, wonach Folter weiterhin gelegentlich zur Erpressung von Geständnissen angewandt wird (a.a.O. S. 11; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte über Folter und andere Misshandlungen). Auch sollen Misshandlungen bei der Festnahme von Verdächtigen sowie in Gefängnissen weiter vorkommen (a.a.O. S. 12).
81 
Amnesty International (Amnesty Report 2016, Sri Lanka) verweist darüber hinaus auf Berichte über ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam; Häftlinge würden häufig an Verletzungen sterben, die den Schluss zuließen, dass sie gefoltert und misshandelt worden seien.
82 
Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat die neue Regierung zahlreiche Schritte unternommen, um die Wiederversöhnung zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Land voranzubringen (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Sie suche aktiv den Dialog mit der tamilischen Diaspora (auch a.a.O. S. 10). Amnesty International berichtet zudem darüber (Amnesty Report 2015, Sri Lanka), dass im Jahr 2015 am Jahrestag der Beendigung des bewaffneten Konflikts öffentliche Gedenkfeiern von Tamilen im Wesentlichen erlaubt waren (vgl. auch Human Rights Watch, Sri Lanka After the Tigers, 19.02.2016, mit dem Hinweis, dass Gedenkfeiern für verstorbene Tamilen mittlerweile erlaubt seien), und fügt hinzu, dass über eine starke Polizeipräsenz bei derartigen Zusammenkünften berichtet worden sei (vgl. auch Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Insbesondere Human Rights Watch macht aber auch darauf aufmerksam, dass ein Erfolg versprechender Versöhnungsprozess, der unter anderem auch eine Aufarbeitung der beiderseitigen Kriegsverbrechen beinhaltet, noch nicht wirklich ins Werk gesetzt worden ist (vgl. etwa die Beiträge „Time to seize the Moment“ [25.05.2016] und „Unfinished Business in Sri Lanka“ [01.09.2016]).
83 
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts gibt es gegenüber Tamilen im Norden und Osten seit dem Amtsantritt Sirisenas „keine direkten staatlichen Repressionen mehr“ (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7). In Sri Lanka gebe es keine diskriminierende Gesetzgebung, Verwaltungspraxis oder Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis (a.a.O. S. 8). Der von der Polizei angewendete unverhältnismäßige Zwang richte sich nicht gegen eine bestimmte Gruppe (a.a.O. S. 7). Während die Anwendung von Folter früher vor allem Tamilen betroffen habe, sollen mittlerweile Singhalesen in gleichem Maß betroffen sein (a.a.O. S. 11 unter Berufung auf Berichte von Human Rights Watch und lokale Menschenrechtsorganisationen; Human Rights Watch [Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016] spricht von „continued reports of the torture of detainees“ [fortgesetzten Berichten über die Folter von Inhaftierten]).
84 
Das Auswärtige Amt führt weiter aus, dass der infolge des langjährigen Bürgerkriegs umfassende Sicherheitsapparat nach Ende des Konflikts 2009 kaum reduziert wurde und insbesondere im Norden und Osten noch stark vertreten ist (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6, auch S. 7; vgl. auch Human Rights Watch, Unfinished Business in Sri Lanka, 01.09.2016). Es verweist zudem darauf, dass nach Angaben der sri-lankischen NGO Groundviews 2015 noch immer mindestens 181 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder -Symphatisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hätten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert seien; bis November 2015 seien 38 davon gegen Kaution freigelassen worden (a.a.O. S. 12).
85 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe weist in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 „Sri Lanka: Gefährdung bei Rückkehr und Zugang zu medizinischer Versorgung in Haft“ darauf hin (S. 3), dass Berichte der NGO Freedom from Torture und International Truth & Justice Project Sri Lanka vom Januar 2016 insgesamt 27 Fälle dokumentierten, in denen tamilische Personen durch sri-lankische Sicherheitskräfte gefoltert, willkürlich verhaftet oder entführt worden seien. Der jüngste in dem letztgenannten Bericht dokumentierte Fall (von insgesamt 20 Fällen) habe sich im Dezember 2015 zugetragen (vgl. a.a.O. S. 4). Während der Verhöre seien mehrere der Betroffenen beschuldigt worden, die LTTE wiederaufbauen zu wollen oder das Land in Unruhe zu bringen. 19 der Personen seien Opfer von Entführungen mittels weißer Lieferwagen geworden („White Van Abduction“). 16 der Personen hätten in der Vergangenheit eine Funktion der LTTE auf niedriger Stufe gehabt.
86 
Der Prevention of Terrorism Act (s. o. aa und a) ist weiterhin in Kraft (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7 und 12; auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, und Human Rights Watch, UN Human Rights Council: High Commissioner’s Report on human rights of Rohingya Muslims and other minorities in Burma/Maanmar and on Sri Lanka, 30.06.2016). Das Auswärtige Amt führt aus, die Regierung gebe an, 181 Personen seien auf seiner Grundlage inhaftiert, wobei die Mehrheit tamilischer Herkunft sei, die Zivilgesellschaft gehe hingegen von rund 250 Personen aus (a.a.O. S. 7). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verweist darauf, dass verschiedene Schätzungen „sich auf bis über 200 Personen“ beliefen (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6). Amnesty International zitiert eine Erklärung des Oppositionsführers Sampanthan vor dem Parlament, dass noch 217 Personen auf der Grundlage der Bestimmungen des PTA inhaftiert seien (Amnesty Report 2016, Sri Lanka). Nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wird er „weiterhin eingesetzt, um tamilische Personen zu verhaften, welche der angeblichen Verbindungen zur LTTE verdächtigt werden“ (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6; entsprechend Amnesty Report 2016, Sri Lanka; ferner Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Die Flüchtlingshilfe verweist auch auf eine sri-lankische Zeitung, die von Verhaftungen von Militärpersonal unter dem PTA berichtet hat.
87 
Rückkehrer müssen nach Einschätzung des Auswärtigen Amts grundsätzlich keine staatlichen Repressalien gegen sich fürchten, jedoch müssen sie sich nach Rückkehr Vernehmungen durch die Immigration, das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen; ob es zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 13). Mit solchen Vernehmungen ist insbesondere zu rechnen, wenn die rückkehrende Person keinen gültigen sri-lankischen Reisepass vorlegen kann; Fälle diskriminierender Behandlung solcher Personen (auch von Tamilen) sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (a.a.O. S. 14). Bei der Einreise mit gültigem sri-lankischem Reisepass würden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt; dies gelte auch für Zurückgeführte (a.a.O. S. 14).
88 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 aus (S. 1), dass es auch nach Amtsantritt des neuen Präsidenten zu Verhaftungen von tamilischen Rückkehrenden kam. Die Verhaftungen schienen oft mit angeblichen Verbindungen zur LTTE zusammenzuhängen. Eine zuvor erfolgte illegale Ausreise könne bei der Rückkehr ebenfalls zu einer Verhaftung führen. Die Flüchtlingshilfe führt nach diesen einleitenden Bemerkungen unter Berufung auf verschiedene Quellen einzelne Fälle auf. So verweist sie zunächst auf einen Bericht der Zeitung Ceylon News vom 19.04.2016, wonach ein aus Mullaitivu stammender Tamile bei seiner Rückkehr aus Doha am 12.04.2016 durch das Terrorist Investigation Department am Flughafen aufgegriffen und anschließend sieben Stunden verhört worden sei (a.a.O. S. 1 f.). Anschließend sei er mit der Aufforderung freigelassen worden, am nächsten Morgen das TID-Büro in Colombo aufzusuchen. Am folgenden Tag sei er dort verhaftet worden. Die Flüchtlingshilfe spricht außerdem etwa den Fall eines tamilischen Journalisten an, der nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka durch die sri-lankischen Behörden verhaftet worden sei (a.a.O. S. 2). Der Journalist und Aktivist sei im Jahr 2012 nach Australien geflohen und habe sich aufgrund der positiven Signale der aktuellen sri-lankischen Regierung für die Rückkehr entschieden. Er sei nach der Inhaftierung auf Kaution freigelassen worden. Ihm seien aber Auslandsreisen für fünf Jahre untersagt worden und er müsse sich jeden Monat im berüchtigten vierten Stock des Hauptquartiers des CID in Colombo melden. Unter Berufung auf TamilNet führt die Flüchtlingshilfe auch aus, dass viele tamilische Rückkehrende aus dem Nahen Osten in der jüngsten Zeit durch den sri-lankischen Militärgeheimdienst verhaftet worden seien (a.a.O. S 2). Die Flüchtlingshilfe zitiert schließlich etwa auch aus einem Bericht der International Crisis Group, wonach weiterhin rückkehrende tamilische Personen unter Anwendung des Prevention auf Terror Act (PTA) wegen des Verdachts auf zurückliegende LTTE-Verbindungen verhaftet würden; viele würden in durch das Militär betriebene Rehabilitationsprogramme geschickt.
89 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe trägt in der Auskunft vom 22.04.2016 auch vor, dass das International Truth & Justice Project Sri Lanka im Januar 2016 zu dem Schluss gekommen sei, dass tamilische Personen, welche aus dem Ausland zurückkehrten, überwacht würden (a.a.O. S. 4). So gebe es weiterhin ein umfangreiches Netzwerk von tamilischen Informanten, welche Rückkehrende beobachteten. Das sichere Verlassen des Flughafens sei deswegen keine Garantie für die spätere Sicherheit. Die Flüchtlingshilfe gibt ferner die Einschätzung von International Truth & Justice Project wieder, dass es für tamilische Personen im Ausland noch nicht sicher sei, nach Sri Lanka zurückzukehren, wenn die betroffene Person in der Vergangenheit eine Verbindung zur LTTE aufweise (a.a.O. S. 5).
90 
(2) Diese Erkenntnisse lassen, selbst wenn sich alle Angaben zu flüchtlingsschutzrelevanten Menschenrechtsverletzungen als zutreffend erweisen sollten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht den Schluss auf eine Gruppenverfolgung von Tamilen, auch nicht vom männlichen Tamilen aus dem Norden, zu. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nach wie vor nicht feststellen. Auch die Zahl an Verhaftungen und Überwachungen von Tamilen sowie an ihnen gegenüber vorgenommene Handlungen, die als Folter einzustufen sind, lässt nicht annähernd auf die Gefahr schließen, dass (nahezu) jedes Gruppenmitglied mit solchen Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei ist auch zu bedenken, dass nicht jede Verhaftung mit anschließendem Verhör schon eine Menschenrechtsverletzung darstellt.
91 
Der nach den vorliegenden Erkenntnismitteln bestehenden, im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2010 deutlich verbesserten Gesamtsituation der Tamilen in Sri Lanka hat der Kläger nichts entgegengehalten.
III.
92 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
93 
1. Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315; jüngst etwa Kammerbeschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16 - juris Rn. 12). Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfGE 80, 315). An gezielten Rechtsverletzungen fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfGE 80, 315, 335). Ob eine gezielte Verletzung von Rechten vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfGE 80, 315, 335).
94 
Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (BVerfGE 80, 315, 344). Nach dem hierdurch geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberechtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrte und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestände).
95 
Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (BVerfGE 80, 315, 344).
96 
Ergibt die rückschauende Betrachtung, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter regelmäßig in Betracht. Ergibt sie eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war. Steht fest, dass Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist ist und dass ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates im beschriebenen Sinn unzumutbar war, so ist er gemäß Art. 16a Abs. 1 GG asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Daher muss sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist; eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nicht geboten, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet.
97 
Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht (BVerfGE 80, 315, 345 f.). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere unzumutbare Nachteile oder Gefahren.
98 
2. Der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten steht entgegen, dass nach Überzeugung des Senats die nach dem Vorbringen des Klägers fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe nicht der Wahrheit entspricht (s. o. II. 2.) und er zum Zeitpunkt der Ausreise nicht Mitglied einer verfolgten Gruppe war (s. o. II. 3. a) sowie er ein solches auch zum heutigen Zeitpunkt nicht ist (s. o. II. 3. b bb).
IV.
99 
Der Kläger hat weiterhin nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in Sri Lanka ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
V.
100 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
VI.
101 
Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
102 
1. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines Gutachtens eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht gerichtet ist, zielt der Antrag auf die Klärung einer Rechtsfrage, nicht aber auf eine dem (Sachverständigen-)Beweis zugängliche Tatsachenfrage. Die Ermittlung der Rechtslage und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf einen konkreten Fall ist ureigene Aufgabe der Rechtsprechung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO: s. a. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 293 Rn. 1, nicht zuletzt unter Hinweis auf den Grundsatz „iura novit curia“). Die Ermittlung der Rechtslage ist infolgedessen in aller Regel keine Tatsachenfeststellung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist (Urteil vom 19.07.2012 - 10 C 2.12 - NJW 2012, 3461 Rn. 16; kritisch dazu Geimer, a.a.O. Rn. 14). Denn die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Auslegung und Anwendung auf seinen Fall der Kläger geklärt haben will, ist kein ausländisches Recht. Die EMRK gilt vielmehr in der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307, 315); deutsche Gerichte haben sie wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG, a.a.O. S. 317).
103 
b) Der Beweisantrag geht weiterhin von einer unzutreffenden Ausgangslage aus. Die Beklagte hat gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts das statthafte Rechtsmittel eingelegt; infolge des Suspensiveffekts (zunächst des Antrags auf Zulassung der Berufung, sodann der Berufung) war sie nicht verpflichtet, der ihr vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Folglich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Asylberechtigten inne.
104 
c) Die Auffassung des Klägers, der Senat sei infolge der Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof daran gehindert, auf die Berufung der Beklagten das verwaltungsgerichtliche Urteil zu ändern, teilt der Senat nicht. Er vermag weder dem vom Kläger ausdrücklich angesprochenen Art. 3 EMRK noch dem von ihm der Sache nach angesprochenen Art. 4 EMRK auch nur im Ansatz eine derartige Wirkung zu entnehmen. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unangemessen lange gedauert haben dürfte (vgl. § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Rechtsfolge einer unangemessenen Verfahrensdauer - die der Kläger allerdings nicht mit einer Verzögerungsrüge (vgl. § 198 Abs. 3 GVG) beanstandet hat - ist indessen grundsätzlich eine angemessene Entschädigung in Geld. Dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer über das Fehlen materieller Anspruchsvoraussetzungen hinweghelfen könnte, ist gesetzlich nicht vorgesehen und es besteht aus Sicht des Senats auch kein Anlass für eine hierauf gerichtete - was ihre Zulässigkeit angeht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/00 - BVerfGE 128, 193), problematische - richterliche Rechtsfortbildung. Auch der Kläger nennt keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die auch nur einen Ansatz für seine Auffassung bieten könnte.
105 
2. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gerichtet ist, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Ein solcher liegt vor, wenn Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - juris Rn. 133). Hiervon ist auszugehen, wenn für den Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BVerwG, Beschluss vom 17.09.2014 - 8 B 15.14 - juris Rn. 10). So liegt es hier. Zum einen hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass er tatsächlich darauf vertraut hat, als Asylberechtigter anerkannt zu werden; das wäre schon deshalb veranlasst gewesen, weil der Kläger bereits mit der Stellung des Zulassungsantrags damit rechnen musste, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben würde. Zum anderen und vor allem gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger infolge der Zurückweisung der Berufung psychisch erkranken würde. Der Kläger hat nicht vorgetragen, geschweige denn - etwa mittels Vorlage eines ärztlichen Schreibens - untermauert, gegenwärtig an einer psychischen (Grund-)Erkrankung zu leiden, die sich im Fall einer Klageabweisung verschlechtern würde.
106 
b) Abgesehen davon ist der Beweisantrag auch aus dem Grund abzulehnen, dass die vom Kläger in den Raum gestellte „gravierende psychische Reaktion … auch im Sinne einer psychischen Erkrankung“ keine entscheidungserhebliche Tatsache ist. Eine eventuelle psychische Erkrankung könnte im Rahmen der vorliegenden Klage lediglich Bedeutung hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Bedeutung erlangen. Hierfür ist erforderlich, dass sich eine vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leben und Leib führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr droht. Der Kläger stellt hier schon nicht eine Erkrankung unter Beweis, die bereits vorhanden ist, er behauptet vielmehr, im Fall der Abweisung seiner Klage zu erkranken. Hinzu kommt, dass von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht Schutz vor Abschiebung nicht bei Vorliegen jeglicher Erkrankung gewährt wird. Vielmehr schützt die Vorschrift nur vor einer erheblichen und alsbaldigen Verschlimmerung für den Fall einer Rückkehr. Darum geht es dem Kläger aber mit seinem Beweisantrag nicht.
VII.
107 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
108 
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.