Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Nov. 2015 - A 12 S 1999/14

bei uns veröffentlicht am19.11.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2006 - A 1 K 10388/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein am xxx geborener angolanischer Staatsangehöriger bakongolesischer Volkszugehörigkeit, wendet sich gegen den Widerruf der Feststellung, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes - AuslG - (nunmehr § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG) vorliegen.
Der Kläger reiste am 24.12.1990 gemeinsam mit seiner Ehefrau in das Bundesgebiet ein und beantragte mit ihr zunächst erfolglos die Anerkennung als Asylberechtigter (VG Stuttgart, Urteil v. 09.02.1993 - A 6 K 13516/92 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 22.02.1995 - A 13 S 3176/94 -). Am 03.07.1995 beantragten beide erneut erfolglos ihre Anerkennung als Asylberechtigte in einem (ersten) Asylfolgeverfahren (VG Stuttgart, Urteil v. 24.09.1996 - A 14 K 15135/95 - und VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 18.02.1997 - A 13 S 3461/96). Auch ein weiterer Asylfolgeantrag vom 22.01.1998 wurde mit Bescheid vom 30.12.1998 durch das seinerzeitige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge abgelehnt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Angola angedroht. Auf die von dem Kläger und seiner Ehefrau erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 23.03.2001 - A 9 K 10000/01 - unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 30.12.1998 die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und bei seiner Ehefrau ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG jeweils in Bezug auf Angola vorliegen. Zur Begründung der Klage hatte der Kläger dem Verwaltungsgericht mehrere Belege für eine exilpolitische Betätigung vorgelegt. Hinsichtlich seiner Klage hat das Verwaltungsgericht ausgeführt:
„Die Funktion des Klägers zu 1 als Informationssekretär der in den angolanischen Bürgerkrieg verwickelten UNITA in Verbindung mit seinen vielfältigen exilpolitischen Aktivitäten an verantwortlicher Stelle, auch etwa beim AK Asyl, führt dazu, dass dem Kläger zu 1 mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Angola politische Verfolgung droht. Es handelt sich dabei zwar um selbstgeschaffene Nachfluchtgründe, die gemäß § 28 Satz 1 AsylVfG nicht zur Asylberechtigung nach Art. 16 a Abs. 1 GG führen können, da sie - nach Auffassung des Gerichts - nicht den Ausdruck einer festen, bereits in Angola erkennbar betätigten Überzeugung darstellen. Denn der Kläger zu 1 ist nach den rechtskräftigen Feststellungen des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22.02.1995 (A 13 S 3176/94) aus Angola weder vorverfolgt noch aufgrund einer latenten Gefährdungslage ausgereist. Sein Vorbringen bezüglich konkreter politischer Aktivitäten in Angola wurde als widersprüchlich und nicht glaubhaft eingestuft. Selbst wenn der Kläger zu 1 in Angola als Anhänger der tocoistischen Kirche eine UNITA-freundliche Überzeugung gehabt haben sollte, so wurde diese jedenfalls nicht i.S.d. § 28 S. 1 AsylVfG „erkennbar betätigt" (vgl. BVerwG - 9 C 42.87 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 75).
Beim Kläger zu 1 liegen jedoch wegen der genannten Umstände die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vor („kleines Asyl"). Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Eine solche Abschiebungseinschränkung kommt in Betracht, wenn dem Ausländer im Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht. Dieser Prognosemaßstab gilt für unverfolgt aus ihrem Heimatstaat ausgereiste Schutzsuchende im Abschiebungsschutz des § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Asylanerkennungsverfahren. Er setzt voraus, dass bei „qualifizierender" Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Entscheidend ist nicht eine mathematisch-statistische Wahrscheinlichkeitssicht, sondern eine wertende Betrachtungsweise, die auch die Schwere des befürchteten Verfolgungseingriffs berücksichtigt. Je gravierender die möglichen Rechtsgutverletzungen sind, desto weniger kann es dem Betroffenen zugemutet werden, sich der Verfolgungsgefahr auszusetzen.
Gemessen an diesen Maßstäben droht dem Kläger zu 1 bei qualifizierender Betrachtungsweise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Angola politische Verfolgung. Die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers zu 1 waren und sind gezielt gegen die angolanische Regierung gerichteten. Sie sind öffentlichkeitswirksam und von Gewicht. Es muss davon ausgegangen werden, dass diese nunmehr seit einigen Jahren andauernden Aktivitäten pro UNITA den angolanischen Sicherheitsbehörden bekannt geworden sind und von ihnen als ernst zu nehmender Versuch gewertet werden, das Regime in der Öffentlichkeit zu diskreditieren oder zu schwächen. Denn nach der Einschätzung des Auswärtigen Amtes im - zum Gegenstand des Verfahrens gemachten - Lagebericht vom 15.11.2000 achtet die angolanische Regierung bei den im Ausland agierenden UNITA-Vertretern insbesondere auf Führungspersönlichkeiten. Bei UNITA-Zugehörigkeit sei mit staatlichen Repressalien zu rechnen, insbesondere, wenn sich diese Zugehörigkeit - wie bei dem Kläger zu 1 - in nachgewiesenen, langjährigen und gewichtigen Aktivitäten manifestiert hat. Selbst wenn der Kläger zu 1 in Angola wegen dieser Aktivitäten im Ergebnis, entgegen seiner weiterreichenden Befürchtungen, „nur" mit Freiheitsentziehung zu rechnen hätte, würde dies für § 51 Abs. 1 AuslG ausreichen. Nach den Schilderungen des Lageberichts ist der angolanische Strafvollzug im Übrigen selbst für afrikanische Verhältnisse extrem hart. Die dort herrschenden Zustände bedeuten eine außergewöhnliche Verschärfung jeder Freiheitsstrafe, die vielfach als unmenschlich und lebensbedrohend qualifiziert werden muss. Weder die Ernährung noch die medizinische Versorgung noch die Unterbringung in den Gefängnissen erfüllten im entferntesten Minimalbedingungen.
Nach Einschätzung des Gerichts drohen dem Kläger zu 1 in Angola mithin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zumindest unmenschliche oder erniedrigende Maßnahmen durch die angolanischen Sicherheitsbehörden. Bei einer Abschiebung nach Angola könnte sich der Kläger zu 1 zudem den Sicherheitsbehörden praktisch kaum entziehen. Denn nach den Informationen des Auswärtigen Amtes im Lagebericht vom 15.11.2000 führt der einzig mögliche Abschiebeweg nach Angola über den internationalen Flughafen von Luanda; wegen der schlechten Sicherheitslage sei eine Weiterreise in die von der UNITA kontrollierten Gebiete kaum möglich.“
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge kam den Verpflichtungen des Verwaltungsgerichts mit Bescheiden vom 15.05.2001 nach.
Hinsichtlich der in den Jahren 1992, 1994 und 1998 geborenen Kinder des Klägers und seiner Ehefrau stellte das Bundesamt mit Bescheiden vom 03.08.1998 und 30.04.2001 auf eine entsprechende Verpflichtung durch das Verwaltungsgericht Stuttgart hin fest, dass bei ihnen Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG in Bezug auf Angola vorliegen.
Mit Verfügung vom 08.11.2004 leitete das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge Widerrufsverfahren gemäß § 73 AsylVfG gegen den Kläger und seine Familie ein. Mit Anhörungsschreiben vom 11.11.2004 vertrat das Bundesamt die Auffassung, mit Abschluss des Waffenstillstandsabkommens zwischen der Regierung und den UNITA-Rebellen vom 04.04.2002, das de facto als Friedensvertrag wirke, könnten Verfolgungsmaßnahmen des angolanischen Staates nunmehr mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wandte sich hiergegen mit Schreiben vom 13.12.2004.
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Mit Bescheid vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989-223) widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die mit Bescheid vom 15.05.2001 erfolgte Feststellung, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Ferner stellte es fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der seinerzeitigen Fassung noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Zur Begründung führte es u.a. aus, ein Widerruf erfordere bei erlittener Vorverfolgung hinreichende Sicherheit vor einer Wiederholung der Verfolgung. Sei der Ausländer von konkreten Verfolgungsmaßnahmen bedroht gewesen, sei der Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen nach dem herabgeminderten Prognosemaßstab zu beurteilen. Vor dem Hintergrund des seit der Beendigung des Bürgerkriegs in Angola neuen Verhältnisses zwischen der Regierung und der größten Oppositionspartei UNITA bestehe keine Gefährdung angolanischer Staatsangehöriger aufgrund von exilpolitischen Tätigkeiten für die UNITA in der Bundesrepublik Deutschland. Ein gegenteiliger Schluss könne auch nicht aus der konkret angeführten Teilnahme des Klägers an der gegen die Ausländerpolitik der Bundesrepublik und nicht gegen den angolanischen Staat gerichteten Aktion „Solidarität statt Abschiebung“ des Arbeitskreises Asyl in xxx am 04.12.2004 gezogen werden. Zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe gemäß § 73 Abs.1 S. 3 AsylVfG, aus denen der Ausländer die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ablehnen könne, seien nicht ersichtlich. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 und § 60 Abs. 2-7 AufenthG lägen nicht vor.
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Mit weiterem Bescheid vom 10.02.2005 widerrief das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die mit Bescheiden vom 03.08.1998, 30.04.2001 und 15.05.2001 erfolgten Feststellungen, dass bei der Ehefrau des Klägers und seinen Kindern jeweils ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG gegeben ist. Außerdem wurde festgestellt, dass bei diesen weder die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2-7 AufenthG vorliegen.
13 
Am 23.02.2005 haben der Kläger, seine Ehefrau und die Kinder beim Verwaltungsgericht Stuttgart Anfechtungsklagen gegen die Bescheide des Bundesamtes vom 10.02.2005 erhoben und hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2-7 AufenthG vorliegen. Zur Begründung hat der Kläger für sich im Wesentlichen vorgetragen, er sei Informationssekretär und herausgehobenes Mitglied des UNITA-Komitees xxx und setze sich, den Zielen des Komitees entsprechend, für eine Autonomielösung für das angolanische Bekongo-Gebiet ein. Die UNITA werde in Angola durch die MPLA verfolgt, auch sei sein Name dem angolanischen Geheimdienst bekannt. Außerdem sei er Mitglied des Arbeitskreises Asyl xxx, in dem er sich für die Rechte angolanischer und sonstiger Asylbewerber einsetze. Er nehme dort an Veranstaltungen und Aktionen teil, halte wegen des UNITA-Verbots aber keine Reden mehr. Auch habe er in der Vergangenheit die angolanische Regierung kritisierende Artikel in den Zeitungen „Flash Flash“ und „Eveil“ veröffentlicht. Hinzu komme, dass seine Familie und er aufgrund des langen Aufenthalts in Deutschland und der damit verbundenen fehlenden Anpassung an die angolanischen Lebensverhältnisse sowohl sozial als auch gesundheitsmäßig nicht, jedenfalls nicht würdig, überleben könnten. Ob noch Verwandte in Angola leben würden, sei ihm unbekannt, jedenfalls gebe es mit den in Frage kommenden Personen ohnehin persönliche Probleme.
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Mit Urteil vom 27.07.2006 - A 1 K 10388/05 - hat das Verwaltungsgericht Stuttgart - neben den Klagen seiner Ehefrau und seiner Kinder - auch die Klage des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung sei zu Recht erfolgt, da sich die innenpolitischen und sonstigen Verhältnisse in Angola nach dem maßgeblichen Zeitpunkt erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert hätten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Angola keine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG mehr drohe. Eine politische Verfolgung des unverfolgt ausgereisten Klägers in Angola wegen seiner exilpolitischen Tätigkeit könne, selbst wenn diese Tätigkeit in Angola bekannt wäre, mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Mit staatlichen Repressionen müssten lediglich Personen rechnen, die in besonders ausgeprägter Weise an Kampfhandlungen gegen das Regime teilgenommen hätten. Übergriffe auf UNITA-Angehörige seien nur vereinzelt bekannt geworden und bezögen sich auf Personen, die vor Ort in Kampfhandlungen verstrickt gewesen seien. Gegenüber exilpolitisch Tätigen seien keine Übergriffe bekannt, die Tätigkeit des Klägers sei im Übrigen keine exponierte politische Aktivität. Eine politische Verfolgung aus anderen Gründen drohe ebenfalls nicht mit hinreichender Sicherheit, insbesondere auch nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo. Ferner lägen keine Gefahren aufgrund der allgemeinen angolanischen Sicherheits- und Versorgungslage vor, die gemäß § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG ein Absehen von der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Unzumutbarkeit der Rückkehr rechtfertigten. Es bestehe auch kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 - 5 und 7 AufenthG. Was § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG angehe, verleihe diese Vorschrift dem Ausländer dann keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots, wenn er sich auf Gefahren berufe, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der er angehöre, allgemein ausgesetzt sei. So liege es hier etwa im Hinblick auf die Gefahr der Erkrankung an Malaria und Cholera in Angola.
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Gegen das dem Kläger am 21.09.2006 zugestellte Urteil hat dieser mit Schriftsatz vom 05.10.2006 die Zulassung der Berufung beantragt.
16 
Mit Beschluss vom 15.01.2008 - A 5 S 1130/06 -, dem Kläger zugestellt am 23.01.2008, hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen und ihm Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, die Rechtssache habe grundlegende Bedeutung in Bezug auf die Frage, ob sich die Situation in Angola nach Ende des Bürgerkriegs im April 2002 so erheblich und nicht nur vorübergehend geändert habe, dass Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Personen, die für die UNITA tätig gewesen seien, auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen seien.
17 
Unter dem 28.01.2008 hat der Kläger die Berufung begründet.
18 
Er trägt vor, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung der Rechtskraft des Urteils im Vorverfahren. Denn ein Widerruf der Asylanerkennung sei nur dann zulässig, wenn sich die im Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert hätten, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen sei und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung drohe. Das Verwaltungsgericht habe aber unter Bezugnahme auf den Bundesamtsbescheid vom 10.02.2005 lediglich darauf abgehoben, ob dem Kläger politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe. Die Elemente „nicht nur vorübergehend“ und „hinreichende Sicherheit auf absehbare Zeit“ habe es ignoriert. Es verfehle auch die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Kriterien, wonach im Heimatstaat eine funktionierende Regierung, grundlegende Verwaltungsstrukturen und eine angemessene Infrastruktur gegeben sein müssten. Diese Voraussetzungen lägen in Angola nicht vor. Die die Vorverfolgung begründenden Machtstrukturen seien auch nach Beendigung der militärischen Kämpfe bestehen geblieben. Die MPLA als derzeit allein herrschende politische Kraft sei erheblich konsolidiert. Zwar könne gegenwärtig nicht mehr davon ausgegangen werden, dass UNITA-Aktivisten generell verfolgt würden. Dass dies nicht nur vorübergehend, sondern auf absehbare Zeit ausgeschlossen sei, könne aufgrund der faktischen Alleinherrschaft der MPLA jedoch derzeit mangels gewaltenteilender, rechtsstaatlicher, demokratischer und menschenrechtsbeachtender Strukturen nicht festgestellt werden. Als gegenwärtige Oppositionspartei sei die UNITA angesichts der Vorherrschaft der MPLA in einer Position der Schwäche. In den Provinzen habe es auf Distrikt- und Kommunalebene eine Reihe gewalttätiger Angriffe gegen UNITA-Delegationen und andere Parteien gegeben. Entgegen den Versicherungen von MPLA-Regierungsvertretern, diese „Exzesse von Individuen“ seien Sache der Polizei und Justiz, seien bislang keine Strafverfolgungsmaßnahmen bekannt geworden. Ungenügende Infrastruktur und Kommunikation, chronischer Mangel an qualifiziertem Personal und mangelnde Gewaltenteilung zeichneten das angolanische Justizsystem nach wie vor aus, weshalb Straflosigkeit und Selbstjustiz noch immer verbreitet seien. Dementsprechend seien auch Attentate auf oppositionelle Parlamentarier wie gegen den UNITA-Parlamentarier Vicente Tembo, der am 11.11.2004 von Unbekannten angeschossen worden sei, unaufgeklärt geblieben. Ungeachtet der Tatsache, dass es eine generelle politische Verfolgung von Mitgliedern der Opposition in Angola derzeit nicht gebe, könne doch ein politisch motiviertes asylrelevantes Vorgehen von Teilen der Sicherheitskräfte oder Angehörigen des MPLA-Machtapparats und/oder von den herrschenden Kräften angestacheltes und/oder jedenfalls nicht verhindertes Vorgehen Dritter gegen UNITA-Mitglieder derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Gegen solche Übergriffe sei auch kein Schutz durch staatliche Autorität zu erwarten. Zudem werde die angolanische Menschenrechtsorganisation AJPD von der Regierung bedroht. Es herrsche ein Klima der politischen Intoleranz und Angst. Auch die Wahlen am 05.09.2008 seien weder frei noch fair gewesen. Aus diesen Gründen könne die erneute Verfolgung des Klägers aufgrund seiner UNITA-Mitgliedschaft nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.
19 
Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27.07.2006 - A 1 K 10388/05 -, soweit es ihn selbst betrifft, zu ändern, sowie die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989-223) aufzuheben.
21 
Die Beklagte tritt dem entgegen und macht geltend, der Bürgerkrieg in Angola sei beendet, sodass Angehörigen der UNITA keine Verfolgung mehr drohe. Dies gelte selbst für militante Kämpfer und hochrangige Mitglieder der Organisation. Es lägen für die vergangenen Jahre keine Hinweise auf asylrechtlich relevante Verfolgungsmaßnahmen von Mitgliedern der UNITA im Gegensatz zu Aktivisten der Organisation FLEC, die für eine Unabhängigkeit der Provinz Cabinda eintrete, vor.
22 
Mit Beschluss vom 21.01.2010 - A 5 S 135/08 - hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Das Verfahren ist nach dem Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 02.03.2010 in den Rechtssachen C 175/08, C 176/08, C 178/08 und C 179/08 zur Auslegung von Art. 11 Abs. 1 e der Richtlinie 2004/83/EU des Rates vom 29.04.2004 (Qualifikationsrichtlinie) mit Schriftsatz des Beklagten vom 12.01.2011 wieder angerufen worden. Hiernach sei, so der Beklagte, bei der Prüfung eines Anspruchs auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft generell zu beachten, dass der der Prognose zu Grunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab selbst dann unverändert bleibe, wenn der Schutzsuchende bereits Vorverfolgung erlitten habe, weshalb die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie im Einzelfall selbst dann widerlegt sein könne, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs gegeben sei. Die Rechtskraft des zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führenden verwaltungsrechtlichen Urteils könne dem nicht entgegenstehen. Es werde zudem auf das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25.02.2010 - A 5 S 640/09 - Bezug genommen. Sei mit dem Verwaltungsgericht mit dem Grad der hinreichenden Sicherheit eine Gefährdung des Klägers nach einer Rückkehr nach Angola auszuschließen, könne dies nur als stichhaltiger Grund im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie eingestuft werden. Denn bei festzustellender hinreichender Verfolgungssicherheit sei im Ergebnis dem Erfordernis stichhaltiger Gründe Genüge getan.
23 
Mit Schriftsatz vom 25.07.2012 ließ der Kläger mitteilen, er sei im Besitz einer Niederlassungserlaubnis und bemühe sich um seine Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
24 
Mit Beschluss vom 17.12.2012 - A 5 S 148/11 - ist auf Antrag der Beteiligten erneut das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.
25 
Unter dem 06.10.2014 hat der Beklagte das Verfahren wieder angerufen, nachdem sich kein positiver Abschluss des Einbürgerungsverfahrens des Klägers abgezeichnet hat. Das Verfahren wird seither unter dem Aktenzeichen A 12 S 1999/14 fortgeführt.
26 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu den Az. 2313865-223 und 5132989-223 sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu den Verfahren A 9 K 10000/01 und A 1 K 10388/05 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
27 
Die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2008 - A 5 S 1130/06 - zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung (vgl. § 124a Abs. 6 VwGO) des Klägers ist nicht begründet.
28 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989.223) - nur hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers - zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger kann nicht die Aufhebung des Widerrufs der mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 15.05.2001 getroffenen Feststellung verlangen, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorliegen (vgl. nachfolgend unter 1.). Ihm kommt auch kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. §§ 3 bis 3e AsylG (jeweils i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722) zu (vgl. unter 2.).
29 
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 ist in seiner Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG für den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegeben.
30 
a) Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. gegeben sind, hatte bei Entscheidungen über Asylanträge, die vor dem 01.01.2005 unanfechtbar geworden sind, spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen (§ 73 Abs. 2a, Abs. 7 AsylVfG a.F.), was vorliegend mit der Entscheidung des Bundesamtes vom 10.02.2005 beachtet worden ist.
31 
b) Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist in materieller Hinsicht § 73 AsylG in der Fassung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722. Nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
32 
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. Nr. L 304 S. 12; berichtigt ABl. 2005 Nr. L 204 S. 24; nunmehr: Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mir Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 S. 9) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG sind daher unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren.
33 
Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.
34 
Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 02.03.2010 (Rs. C-​175/08 u.a., Abdulla u.a. -, NVwZ 2010, 505) weiter konkretisiert. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt danach voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 72 ff.; zur Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit vgl. auch BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O., m.w.N.).
35 
Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der früheren, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht mehr festgehalten werden. Der Richtlinie 2004/83/EG ist ein solches materiellrechtliches Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose fremd. Sie verfolgt vielmehr unter Zugrundelegung eines einheitlichen Prognosemaßstabs für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 und der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Demzufolge gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich auch das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 84 ff., 98 f.; BVerwG, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 7.11- Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 43).
36 
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Unzumutbar kann aber eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn auch nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162).
37 
Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d. h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Eine Veränderung kann in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (BVerwG, Urteil v. 24.02.2011 - 10 C 3.11 - BVerwGE 139, 109). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991, a.a.O.), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.).
38 
Die Rechtskraft des zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils aus dem Jahr 2001 steht einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft,; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 m.w.N.). Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht befugt, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.). Die Behörde ist aber bei einer entscheidungserheblichen Änderung des für die Flüchtlingsanerkennung maßgeblichen Sachverhalts nicht gehindert, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, den sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil erlassen hat. Das ist im Asylrecht dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.).
39 
Die Rechtskraftwirkung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.). Allerdings entfalten fehlerhafte Urteile keine weitergehende Rechtskraftwirkung als fehlerfreie Urteile. Eine Lösung von der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das das Bundesamt zur Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling verpflichtet hat, ist vielmehr immer dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat, unabhängig davon, ob das zur Anerkennung verpflichtende Urteil richtig oder fehlerhaft war.
40 
Die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung entsprechen damit weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG gelten. Denn auch § 73 Abs. 1 AsylG setzt eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse voraus. Für den Widerruf einer Behördenentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 - 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80). Der Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht danach auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. Dies gilt erst recht für den Widerruf der auf einem Verpflichtungsurteil beruhenden Anerkennung, von deren Rechtmäßigkeit wegen der Rechtskraft des Urteils auch im Rahmen der Widerrufsprüfung auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.11.2011 - 10 C 29.10 - NVwZ 2012, 1042, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 8.11 - AuAS 2012, 153).
41 
Zwar kann ein reiner Zeitablauf für sich genommen keine Sachlagenänderung bewirken. Allerdings sind - so das Bundesverwaltungsgericht - „wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt“ (Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.), und können sich Widerrufsgründe nach der Auffassung des Senats durchaus auch aus Veränderungen in der Person des Flüchtlings ergeben (GK-AsylVfG, Stand August 2012, § 73 Rn. 23 und 28; vgl. auch OVG Saarland, Urteil v. 25.08.2011 - 3 A 34/10 -, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil v. 14.05.2013 - 14a K 1699/11.A - juris).
42 
Für den Widerruf der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung ist schließlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015 - 1 C 2.15 - InfAuslR 2015, 401) entschieden, dass der Widerrufsbescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen ist und das Gericht auch vom Kläger nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe sowie von der Behörde nicht angeführte Widerrufsgründe einzubeziehen hat (BVerwG, Urteil v. 31.01.2013 - 10 C 17.12 - BVerwGE 146, 31). Denn die Aufhebung eines solchen, nicht im Ermessen der Behörde stehenden, Verwaltungsaktes setzt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unter anderem seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er aus einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Liegt der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund nicht vor, so ist eine Klage erst dann begründet, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Dies entspricht der im Asylverfahren geltenden Konzentrations-und Beschleunigungsmaxime, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (s.a. BVerwG, Urteil v. 8.09.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319; Beschluss v. 10.10.2011 - 10 B 24.11 - juris).
43 
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich für den Kläger aus heutiger Sicht aufgrund der in Angola seit Mitte des Jahres 2002 eingetretenen veränderten Verhältnisse sowie aufgrund der seither verstrichenen Zeit von über 13 Jahren und des individuellen Vorbringens der Klägers nicht (mehr) mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dieser bei einer unterstellten nunmehrigen Rückkehr nach Angola von nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen werden wird, was letztlich auch die Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.03.2001 nach den o.g. Maßstäben rechtfertigt.
44 
Der insoweit anzustellenden Prognose ist zunächst die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2001 zu Grunde zu legen, wonach der in seiner Heimat nicht tatsächlich verfolgte und von politischer Verfolgung auch nicht unmittelbar bedroht gewesene Kläger seinerzeit in Deutschland als im Exil befindlicher Informationssekretär der UNITA aufgrund selbstgeschaffener Nachfluchtgründe in Angola zumindest mit seiner Inhaftierung zu rechnen hatte, was aufgrund der dortigen spezifischen Haftbedingungen zudem eine unmenschliche bzw. erniedrigende Maßnahme dargestellt hätte.
45 
Relevant ist vor diesem Hintergrund in erster Linie, ob sich die Verhältnisse in Angola seither derart nachhaltig und stabil geändert haben, dass seitens des angolanischen Staates entsprechende Maßnahmen „asylrelevanter Weise“ bei einer unterstellten jetzigen Rückkehr des Klägers nach Angola nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.03.2012, a.a.O.). Insbesondere ist daher von Bedeutung, ob es in Angola zu einer hinreichend erheblichen und dauerhaften Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2003/83/EG gekommen ist, weil sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben hat, so dass für den Kläger keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht, er insbesondere nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat, der dargestellten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
46 
Die Veränderung der Verhältnisse muss danach kausal für den Wegfall der beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung sein (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 04.08.2011 - A 2 S 1381/11- juris), wobei das Erfordernis der Veränderung der Verhältnisse in Widerrufsfällen gerade auch deshalb einer gesonderten Prüfung bedarf, um eine unzulässige Neubewertung der Gefährdungslage auf ein und derselben Tatsachengrundlage zu vermeiden.
47 
Nach der jüngeren Rechtsprechung (des 5. Senats) des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg stellt sich Situation in Angola nach dem schon im Jahr 2002 beendeten, insbesondere zwischen der MPLA und der UNITA geführten Bürgerkrieg so dar, dass angolanischen Staatsangehörigen im Falle einer Rückkehr nach Angola weder wegen Stellung eines Asylantrags und eines Auslandsaufenthalts noch wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo bzw. einer Nähe zur UNITA mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK widersprechende menschenrechtswidrige Behandlung droht. Auch wenn es immer noch zu von den staatlichen Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen komme, habe sich die Menschenrechtlage zwischenzeitlich deutlich verbessert (Urt. v. 25.02.2010 - A 5 S 640/09 - juris). In einem Verfahren, in welchem der dortige Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Angola Mitglied der UNITA gewesen ist und als tatsächlich verfolgt anzusehen war, hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs - noch ohne Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 02.03.2010 (a.a.O.) - das Folgende ausgeführt (Urteil v. 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - juris):
48 
„Dem Kläger zu 1 droht zwar aufgrund seiner früheren - unter den Beteiligten nicht streitigen - Tätigkeit für die UNITA und seiner späteren exilpolitischen Betätigung bei einer Rückkehr nach Angola ersichtlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (vgl. insbes. British Home Office, Operational Guidance Note v. 11. bzw. 29.07.2008, 3.8.8 „clearly unfounded“), doch ist er vor einer solchen - derzeit und auf absehbare Zeit - nicht hinreichend sicher. (…)
49 
Bei seiner Einschätzung geht der Senat (vgl. bereits Senatsurt. v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 -, InfAuslR 2009, 215f) aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen von folgender Situation in Angola aus:
50 
Nachdem der jahrzehntelange Bürgerkrieg zwischen der Rebellen-UNITA und der MPLA-Regierung im März 2002 sein Ende gefunden und die Verhandlungen zwischen den Bürgerkriegsparteien am 04.04.2002 zu einem Waffenstillstandsabkommen mit einer Wiederaufnahme der Umsetzung des Lusaka-Protokolls vom November 1994 geführt hatten, gibt es seitdem in fast allen Bereichen Fortschritte zu verzeichnen. Die UNITA wurde an der Regierung beteiligt und erhielt daneben auch führende Positionen in den Provinzen. Die Regierung hatte auch zugesagt, die Reorganisation der UNITA zur politischen Partei nicht zu behindern. Die beschlossene Demobilisierung der UNITA-Kämpfer konnte trotz Anlaufschwierigkeiten ohne nennenswerte Zwischenfälle durchgeführt und am 30.07.2002 abgeschlossen werden; die demobilisierten Kämpfer erhielten Hilfen zur Integration in das zivile Leben bzw. wurden zu einem kleinen Teil (ca. 5.000) bis Oktober 2004 in die angolanischen Streitkräfte FAA integriert. Auch das bereits am 02.04.2002 vom Parlament verabschiedete Amnestiegesetz, das Straffreiheit für alle UNITA-Kombattanten vorsieht, die sich innerhalb von 45 Tagen ergeben und ihre soziale Integration in die Gesellschaft akzeptiert haben, wurde umgesetzt. Diese Bestimmungen werden auch auf Personen angewandt, die erst jetzt aus dem Ausland zurückkehren. Ob davon auch lediglich politisch tätige Anhänger der UNITA profitieren konnten, ist allerdings nicht bekannt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002). Am 05.09.2008 haben nunmehr auch die seit 1992 ersten Parlamentswahlen stattgefunden, die zuletzt mehrfach vertagt worden waren. An diesen konnte sich auch die UNITA beteiligen, die sich inzwischen zu einer ihre verschiedenen Fraktionen wieder vereinigenden politischen Partei entwickelt hatte. Auch wenn sich politische Parteien seit 2002 grundsätz-lich betätigen können, kann von für alle Parteien gleichen Voraussetzungen nicht die Rede sein. Abgesehen davon, dass die staatlichen Medienanstalten zugunsten der MPLA eingesetzt wurden (vgl. FAS v. 08.09.2008 „Die bösen Jahre sind noch nicht vorbei“) und für die Oppositionsparteien außerhalb Luandas kein freier Zugang zu den elektronischen Medien bestand, wurde von staatlich finanzierten Wahlgeschenken (vgl. hierzu auch Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007) durch die MPLA und Einschüchterungen durch deren Sympathisanten gesprochen (vgl. British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006, S. 7; Refugee Documentation Centre (Ireland) vom 09.11.2009; FR v. 05.09.2008 „Das reichste arme Land der Welt wählt“). Die Wahl wurde von der Regierungspartei MPLA mit knapp 82 % der abgegebenen Stimmen gewonnen, während die UNITA nur etwas mehr als 10 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die Grundsätze der Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit der Gerichte, der Gewährleistung rechtlichen Gehörs und der Möglichkeit der Verteidigung sind zwar verfassungsrechtlich verankert, auch sind die bestehenden Gesetze an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichtet, jedoch laufen entsprechende Rechte aufgrund des materiell schlecht ausgestatteten, langsam arbeitenden und korruptionsanfälligen Justizsystems weitgehend leer. Der Justizweg ist insofern allenfalls eingeschränkt gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab-schieberelevante Lage in der Republik Angola v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; Africa Yearbook 2006, Angola, S. 410, 2007). Ermittlungsbehörden und Gerichte sind überlastet, unterbezahlt, ineffektiv und korruptionsanfällig. Straffreiheit für kriminelle Vergehen und Menschenrechtsverletzungen sind insofern keine Seltenheit (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006, S. 2; amnesty international, Jahresbericht Angola 2007).
51 
Staatliche Repressionsmaßnahmen, die systematisch gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer politischen Überzeugung eingesetzt werden, gibt es - insoweit ist dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht zu folgen - nicht mehr. Allerdings sind solche im Einzelfall weiterhin nicht auszuschließen, zumal der Schutz der Menschenrechte noch immer unzureichend ist und sowohl staatliche als auch nicht staatliche Akteure weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006; amnesty international, Report Angola 2008 und 2009, Jahresberichte Angola 2007; US Department of State, Human Rights Report vom 25.02.2009; Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009).
52 
Zwar müssen selbst ehemalige UNITA-Kämpfer in Angola grundsätzlich nicht mehr mit staatlichen Repressionen rechnen. So spielen hochrangige ehemalige UNITA-Militärführer inzwischen durchaus eine wichtige Rolle als Politiker bzw. sind in den angolanischen Streitkräften FAA weiterhin als solche tätig. Allerdings kam es Mitte Juli 2004 in vier Orten im Landesinnern zu Übergriffen der lokalen Bevölkerung auf ehemalige UNITA-Angehörige, die sich dort niederlassen wollten. Besonders schwer waren die Übergriffe in Cazombo in der Provinz Moxico, bei denen 80 Häuser zerstört worden sein sollen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Angola v. 05.11.2004 bzw. v. 18.04.2006), nachdem ein ehemaliger UNITA-General die Leitung des dortigen UNITA-Büros hatte übernehmen wollen. Zwar wurden entsprechende Übergriffe von Regierungsseite öffentlich kritisiert, doch gibt es verschiedene glaubhafte Berichte, wonach lokale MPLA-Vertreter in derartige Vorkommnisse involviert waren und die Polizei nicht zum Schutz der Opposition einschritt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007).
53 
Für UNITA-Angehörige, die sich in Angola für Dritte erkennbar politisch für die UNITA betätigen, besteht schließlich auch mehr als sieben Jahre nach Ende des Bürgerkriegs noch ein gewisses Risiko, erheblichen Repressionen seitens der Anhänger der Regierungspartei MPLA bzw. ihr zuzurechnenden Gruppierungen ausgesetzt zu sein. So beklagen die verschiedenen Oppositionsparteien – namentlich die UNITA – regelmäßig Akte „politischer Intoleranz“ hauptsächlich in den ländlichen Gebieten verschiedener Provinzen, wobei die Verantwortlichen regelmäßig nicht zur Rechenschaft gezogen würden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free an Fair Elections, 12.08.2008; UK Border Agency, Operational Guidance Note Angola vom 01.06.2009). An dem tief verwurzelten Klima der Intoleranz wird sich aufgrund der weiteren Marginalisierung der Zivilgesellschaft und zivilen Oppositionsparteien voraussichtlich auch in absehbarer Zeit nichts ändern, da insofern das bestehende autoritäre politische System und die politische Bipolarität zwischen den Bürgerkriegsparteien MPLA und UNITA unangetastet bleiben dürfte (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002).
54 
Bereits 2004 wurden von der UNITA zunehmend Fälle von Einschüchterung ihrer Funktionäre beklagt, die u. a. von Angehörigen einer MPLA-nahen Miliz ausgegangen sein sollen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 31.03.2005, S. 7; British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch wurde beklagt, dass zunehmend Erpressung und Druck ausgeübt werde, in die MPLA einzutreten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, S. 1; Africa Yearbook 2004, Angola, S. 388, 2005: Africa Yearbook 2005, S. 399, 2006). Wiederholt wurde 2003/2004 von Verfolgungen, Ein-schüchterungen und Gewalt gegen Funktionäre in verschiedenen Provinzen und Städten im Landesinneren berichtet (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch 2005 kam es zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Parteien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; British Home Office, Operational Guidance Note Angola,11. bzw. 29.07.2008). Im März 2005 sollen in der Stadt Mavinga eine Person gar getötet und 28 weitere Personen verletzt worden sein, als UNITA-Mitglieder ihre Parteiflagge zu hissen versuchten (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008; amnesty international, Jahresbericht Angola 2006). Die UNITA sprach von gezielter Aufhetzung der Bevölkerung durch die MPLA und die lokalen Behörden mit dem Ziel, die landesweite Errichtung oppositioneller Strukturen zu verhindern. Selbst Angolas Präsident dos Santos soll nach den Vorfällen Ende Februar und Mitte März die Besorgnis der UNITA als „legitim“ anerkannt haben (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 21.03.2005). 2006 berichteten UNITA und MPLA von wechselseitigen körperlichen Angriffen politischer bzw. militanter Aktivisten auf ihre Mitglieder (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Reports on Human Rights Practices - 2006 v. 06.03.2007, Section 3). Die UNITA sprach gar von 13 getöteten Parteimitgliedern (vgl. Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007). Auch 2007 berichteten die Oppositionsparteien von Belästigungen, Einschüchterungen und Körperverletzungen durch Anhänger der Regierungspartei (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Re-ports on Human Rights Practices - 2007 v. 11.03.2008, Section 3). Im März 2007 sollen Unbekannte (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola v. 11. bzw. 29.07.2008; U.S. Departement of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, a.a.O.), möglicherweise gar Polizisten (vgl. amnesty international, Report Angola 2008), in der Provinz Kwanza Norte während einer Sitzung im örtlichen Parteibüro auf den zu Besuch anwesenden Parteivorsitzenden der UNITA – Isaias Samakuva – geschossen haben, der dabei leicht verletzt wurde; über das Ergebnis der deswegen in Gang gesetzten Untersuchung ist - soweit ersichtlich - noch nichts bekannt. Mitglieder der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft berichteten auch 2007 von zunehmender „politischer Intoleranz“. Auch im unmittelbaren Vorfeld der für Herbst 2008 angesetzten Parlamentswahlen wurde von Fällen politischer Gewalt hauptsächlich in den ländlichen Gebieten berichtet. So seien am 02.03.2008 Mitglieder einer kommunalen UNITA-Delegation im Dorf Kafindua in der Provinz Benguela von einer Gruppe örtlicher MPLA-Aktivisten geschlagen worden, als sie ihre Parteiflagge hätten hissen wollen. Die Polizei habe die Angreifer zwar verhört, jedoch wieder laufen lassen; diese hätten anschließend erklärt, „die Polizei gehöre ihnen“. Traditionelle Autoritäten seien zunehmend dem Druck der MPLA ausgesetzt, Aktivitäten der UNITA in den verschiedenen Dörfern zu verhindern. Am 30.05.2008 habe eine Gruppe von MPLA-Anhängern den traditionellen Führer im Dorf Bongue Kandala in der Provinz Benguela sowie fünf UNITA-Mitglieder zusammengeschlagen, weil jener zuvor erlaubt hätte, die Parteifahne hochzuhalten (vgl. Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free and Fair Elections, 12.08.2008). Am 13.08.2008 sollen UNITA-Mitglieder während einer öffentlichen Versammlung in Kipeio in der Provinz Huambo von einer Gruppe mit Stöcken und Steinen angegriffen worden sein; eine Frau musste im Krankenhaus behandelt werden, die anderen erlitten weniger ernste Verletzungen. Die Polizei sei zwar eingeschritten, die Angreifer seien jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen worden. In der Provinz Benguela sollen UNITA-Mitglieder am 23.08.2008 gesteinigt worden sein. In Chico da Waiti sei eine 40-köpfige Delegation von UNITA-Mitglieder mit Steinen beworfen worden, wobei 8 Personen verletzt worden seien. Die Polizei habe die Delegation eskortiert, jedoch niemanden verhaftet. Der zuständige Gemeindeverwaltungsbeamte habe später erklärt, dass er lediglich die Sicherheit der Wahlbeobachter der UNITA, nicht aber für deren Wahlkampagne garantiere (vgl. Human Rights Watch, Angola: Irregula-rities Marred Historic Elections, 14.09.2008).
55 
Für 2009 sind den bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnismitteln zwar keine entsprechenden Vorkommnisse im Zusammenhang mit der UNITA zu entnehmen, lediglich in Zusammenhang mit dem Vorgehen des Militärs gegen bewaffnete Rebellen der Liberation Front of the Enclave Cabinda (FLEC) in der Provinz Cabinda soll es in 2009 zu willkürlichen Verhaftungen gekommen sein (Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009). Es ist aber noch völlig offen, ob sich diese positive Entwicklung in der Zukunft verstetigt. Derzeit und auf absehbare Zeit kann deshalb nach wie vor nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Angola vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher wäre.“
56 
Dem Kläger des zu entscheidenden Berufungsverfahrens, der im Gegensatz zu dem Kläger zu 1 jenes Verfahrens vor seiner Ausreise keine Verfolgung erlitten hat und der von einer solchen auch nicht unmittelbar bedroht gewesen ist, droht danach im Falle einer Rückkehr nach Angola politische Verfolgung jedenfalls nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil v. 03.12.2009 - A 5 S 122/08 - juris, Urteil v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 - InfAuslR 2009, 215, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1729/97 - juris, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1730/97 - juris).
57 
Diese Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der in das Berufungsverfahren eingeführten neueren Erkenntnisquellen für den gegenwärtigen Zeitpunkt aufrecht zu erhalten.
58 
So hat sich die Situation in Angola in den vergangenen Jahren weiter verstetigt, ohne dass es dabei zu besonderen Veränderungen mit einer Tendenz zum Besseren oder zum Schlechteren gekommen wäre. Von besonderer Bedeutung auch für den politischen Prozess der Aussöhnung zwischen den früheren Bürgerkriegsparteien waren die am 31.08.2012 abgehaltenen Parlamentswahlen, bei welchen die regierende MPLA zu Gunsten der Oppositionsparteien Stimmenverluste hinnehmen musste. Die UNITA als größte Oppositionspartei vermochte ihren Stimmenanteil auf 18,66 % auszubauen, obwohl sich von ihr zuvor die neue Oppositionspartei CASA-CE abgespalten hatte, die ihrerseits 6 % der Stimmen errang. Alle am Bürgerkrieg beteiligten Parteien unterstützen die Wiederaufbauphase, in der sich das Land nach wie vor befindet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.09.2009 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden).
59 
Hingegen ist die MPLA die führende und die Geschicke des Landes vorherrschend bestimmende Organisation geblieben, die letztlich alle anderen Parteien im Fokus hat und alle führenden Persönlichkeiten überwacht (Deutsche Botschaft Luanda, Auskunft vom 15.09.2011 an das Verwaltungsgericht Minden). In dieser Situation kommt es in Angola immer noch zu Menschenrechtsverletzungen seitens der Polizei, etwa durch den exzessiven Einsatz von Gewalt und staatlichem Mord. Nur wenige Beamte mussten sich hierfür bislang strafrechtlich verantworten. Es wurde über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen durch die Polizei berichtet, die ihre Funktionen zudem parteiisch ausübt, vor allem während einiger gegen die Regierung gerichteter Demonstrationen. Bei der Auflösung von Demonstrationen wurde zum Teil mit exzessiver Gewalt vorgegangen (Amnesty international, Report Angola 2010 und 2012).
60 
Insbesondere im Vorfeld der Wahlen von 2012 gab es Berichte über sporadische politisch motivierte Gewalttaten von Mitgliedern der MPLA, die sich gegen die UNITA und das Bündnis CASA-CE richteten. Den Berichten zufolge war aber auch die UNITA für vereinzelte gewaltsame Handlungen gegen die MPLA verantwortlich, die politisch motiviert waren (Amnesty international, Report Angola 2013).
61 
Am 23.11.2013 wurden in Luanda bei einer vom Innenministerium verbotenen Demonstration, zu der die UNITA aufgerufen hatte, 292 Personen festgenommen. Die Demonstration sollte an das ungeklärte Schicksal zweier Aktivisten erinnern, nachdem Informationen bekannt geworden waren, wonach die beiden im Mai 2012 durch staatliche Kräfte entführt, gefoltert und getötet worden sein sollen (BaMF-Briefing Notes vom 25.11.2013).
62 
Auch für das Jahr 2014 berichtet Amnesty International nach wie vor über - allerdings ausdrücklich nur sporadische - politisch motivierte Gewalttaten zwischen Mitgliedern der regierenden MPLA und solchen der UNITA. Friedliche Demonstrationen wurden mitunter von Polizei und Sicherheitskräften unter Anwendung von Gewalt unterbunden (Amnesty international, Report Angola 2015).
63 
Am 09.03.2014 störten Mitglieder der MPLA in der Provinz Kwanza Sul eine Gedenkveranstaltung der UNITA zu deren 48-jährigem Bestehen, wobei drei Provinzführer der UNITA während einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen einzelnen Unterstützern der beiden Parteien getötet worden sein sollen. Öffentlich zugängliche Informationen über irgendwelche Verhaftungen oder Untersuchungen durch die Polizei wegen dieser Angelegenheit seien nicht erhältlich gewesen. Die Regierung unternahm gleichwohl generell einige Schritte zur Verfolgung und Bestrafung des Missbrauchs durch Beamte, welche indes nur schwer nachvollzogen werden können (US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2014).
64 
Auch auf der Basis der dem Senat im Übrigen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen muss festgestellt werden, dass in Angola das geltende Verfassungsrecht und die gegebene Verfassungswirklichkeit nicht immer übereinstimmen, was sich vor allem in der Machtausübung der Sicherheitskräfte, der weitreichenden Korruption und einer Behinderung der Arbeit von Journalisten zeigt. Gelegentlich wird dieses Bild auch durch einzelne mitunter gewaltsame Machtdemonstrationen Angehöriger der MPLA gegenüber Anhängern der Oppositionsparteien bestätigt, ohne dass jedoch angenommen werden müsste, dass die Betätigung der Oppositionsparteien in Angola generell gefährlich ist bzw. eine solche gar staatlicherseits unterbunden wird (vgl. US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2011 und 2012; Refugee Documentation Centre Ireland v. 22.10.2009; UK Border Agency v. 01.09.2010; Freedom House Länderberichte 2010, 2011 und 2012).
65 
Zutreffend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in diesem Zusammenhang auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.09.2015 zu Angola (2015/2839(RSP)) hingewiesen, welche vor dem Hintergrund insbesondere der Festnahme des angolanischen Menschenrechtsaktivisten José Marcos Mavungo am 14.03.2015 die angolanische Regierung u.a. dazu auffordert, Fällen von willkürlicher Verhaftung, rechtswidriger Inhaftierung und Folter durch Polizei- und Sicherheitskräfte unverzüglich ein Ende zu setzen.
66 
Zusammenfassend lässt sich für den Senat festhalten, dass seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers und weitere 6 Jahre nach dem zitierten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - sich die Verhältnisse in Angola derart verstetigt haben, dass der Kläger nunmehr dort jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten hat.
67 
Diese Einschätzung beruht überdies auf der individuellen Situation des Klägers, der bereits seit Längerem nicht mehr als exilpolitischer Aktivist für die Sache der UNITA angesehen werden kann. So hat er im Rahmen des Widerrufsverfahrens nicht mehr von einer ins Gewicht fallenden Fortsetzung seiner Betätigung für die UNITA für die Zeit nach seiner Flüchtlingsanerkennung berichtet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er gar eingeräumt, seit einem ihm gegenüber ausgesprochenen Verbot der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 nur noch „auf kleiner Flamme“ politisch tätig zu sein. Insoweit gebe es nichts weiter zu berichten. Der Kläger vermittelte dem Senat auch keineswegs den Eindruck, er werde nach einer Rückkehr nach Angola seine Aktivitäten für die UNITA wieder aufnehmen, weil er sich etwa hierzu aufgrund einer tiefen inneren Überzeugung verpflichtet fühle. Die damit anzunehmende zwischenzeitliche Veränderung auch in der Person des Klägers (vgl. dazu allgemein bereits oben) verdeutlichen dem Senat, dass dieser im Fall seiner nunmehrigen Rückkehr nach Angola auch nicht von einer im Jahr 2015 möglicherweise wieder etwas verschärfteren Situation für Regimegegner betroffen wäre.
68 
Anhaltspunkte für das Vorliegen von dem Kläger nicht geltend gemachter Anfechtungsgründe (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015, a.a.O.) lassen sich für den Senat im Übrigen nicht erkennen.
69 
Dass der Kläger schließlich - wie dies sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - aufgrund des verhängten Verbots der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 einem Flüchtling, dem die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu Gute kommt, gleichzustellen sei, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
70 
d) Der Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat schließlich auch nicht aufgrund der Bestimmung des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG auszuscheiden. Denn der Kläger kann sich ersichtlich nicht auf zwingende auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen, um eine Rückkehr nach Angola abzulehnen.
71 
2. Aus dem Vorgenannten ergibt sich zugleich, dass der von dem Kläger angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 auch hinsichtlich seiner Nr. 2, wonach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der Person des Klägers nicht vorliegen, rechtmäßig ist.
72 
Es kommt daher für die Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht darauf an, ob der von ihm gewählte isolierte Antrag auf Aufhebung der diesbezüglichen Entscheidung des Bundesamtes überhaupt sachdienlich ist.
73 
Gem. § 60 Abs. 1 AufenthG i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722, darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (vgl. im Übrigen §§ 3 bis 3e AsylG).
74 
Eine nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 AufenthG im Falle einer Rückkehr drohende Gefährdung kommt ausgehend von dem Vorbringen des Klägers ebenfalls nur mit Blick auf die Befürchtung von Repressionen im Zusammenhang mit seinem geltend gemachten exilpolitischen Verhalten in Betracht. Wie bereits ausgeführt, kann insoweit jedoch für den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden, was in erster Linie darin begründet ist, dass der Kläger bereits seit Längerem so gut wie gar nicht mehr exilpolitisch tätig ist und er auch für den Fall seiner Rückkehr nach Angola in keiner Weise bekundet hat, sich dort zukünftig aktiv für die UNITA politisch betätigen zu wollen.
75 
Die Berufung des Klägers ist nach allem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
76 
Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.
77 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Gründe

 
27 
Die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 15.01.2008 - A 5 S 1130/06 - zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung (vgl. § 124a Abs. 6 VwGO) des Klägers ist nicht begründet.
28 
Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers gegen die Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 (Az. 5 132 989.223) - nur hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers - zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger kann nicht die Aufhebung des Widerrufs der mit dem Bescheid des Bundesamtes vom 15.05.2001 getroffenen Feststellung verlangen, dass für ihn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. vorliegen (vgl. nachfolgend unter 1.). Ihm kommt auch kein Anspruch auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bzw. §§ 3 bis 3e AsylG (jeweils i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722) zu (vgl. unter 2.).
29 
1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 ist in seiner Nr. 1 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sind die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG für den Widerruf der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht gegeben.
30 
a) Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG a.F. gegeben sind, hatte bei Entscheidungen über Asylanträge, die vor dem 01.01.2005 unanfechtbar geworden sind, spätestens bis zum 31.12.2008 zu erfolgen (§ 73 Abs. 2a, Abs. 7 AsylVfG a.F.), was vorliegend mit der Entscheidung des Bundesamtes vom 10.02.2005 beachtet worden ist.
31 
b) Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist in materieller Hinsicht § 73 AsylG in der Fassung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722. Nach § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.
32 
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie, ABl. Nr. L 304 S. 12; berichtigt ABl. 2005 Nr. L 204 S. 24; nunmehr: Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mir Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 S. 9) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 S. 1 und 2 AsylG sind daher unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren.
33 
Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.
34 
Die unionsrechtlichen Vorgaben für ein Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 02.03.2010 (Rs. C-​175/08 u.a., Abdulla u.a. -, NVwZ 2010, 505) weiter konkretisiert. Eine erhebliche Veränderung der der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände setzt danach voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland deutlich und wesentlich geändert haben. Des Weiteren muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 72 ff.; zur Erheblichkeit und Dauerhaftigkeit vgl. auch BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O., m.w.N.).
35 
Veränderungen im Heimatland sind nur dann hinreichend erheblich und dauerhaft, wenn sie dazu führen, dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann. Die Prüfung einer derartigen Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland ist mithin untrennbar mit einer individuellen Verfolgungsprognose verbunden. Diese hat nach Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG anhand des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen. Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und 14 Abs. 2 dieser Richtlinie enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der früheren, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht mehr festgehalten werden. Der Richtlinie 2004/83/EG ist ein solches materiellrechtliches Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose fremd. Sie verfolgt vielmehr unter Zugrundelegung eines einheitlichen Prognosemaßstabs für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 und der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie zum Ausdruck kommt. Demzufolge gilt beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose nunmehr ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich auch das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O., Rn. 84 ff., 98 f.; BVerwG, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 7.11- Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 43).
36 
Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Unzumutbar kann aber eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn auch nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die reale Möglichkeit einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162).
37 
Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d. h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Eine Veränderung kann in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (BVerwG, Urteil v. 24.02.2011 - 10 C 3.11 - BVerwGE 139, 109). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (BVerwG, Urteil v. 05.11.1991, a.a.O.), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil v. 02.03.2010, a.a.O.). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.).
38 
Die Rechtskraft des zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtenden verwaltungsgerichtlichen Urteils aus dem Jahr 2001 steht einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG nicht entgegen, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft,; vgl. BVerwG, Urteil v. 18.09.2001 - 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 m.w.N.). Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht befugt, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.). Die Behörde ist aber bei einer entscheidungserheblichen Änderung des für die Flüchtlingsanerkennung maßgeblichen Sachverhalts nicht gehindert, einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, den sie in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus einem rechtskräftigen Verpflichtungsurteil erlassen hat. Das ist im Asylrecht dann der Fall, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.).
39 
Die Rechtskraftwirkung besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (BVerwG, Urteil v. 18.09.2001, a.a.O.). Allerdings entfalten fehlerhafte Urteile keine weitergehende Rechtskraftwirkung als fehlerfreie Urteile. Eine Lösung von der Rechtskraftwirkung eines Urteils, das das Bundesamt zur Anerkennung als Asylberechtigter und Flüchtling verpflichtet hat, ist vielmehr immer dann möglich, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat, unabhängig davon, ob das zur Anerkennung verpflichtende Urteil richtig oder fehlerhaft war.
40 
Die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung entsprechen damit weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG gelten. Denn auch § 73 Abs. 1 AsylG setzt eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse voraus. Für den Widerruf einer Behördenentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es unerheblich ist, ob die Anerkennung rechtmäßig oder rechtswidrig erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.09.2000 - 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80). Der Anwendung des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylG auf rechtswidrige Verwaltungsakte steht danach auch nicht entgegen, dass die Voraussetzungen einer zu Unrecht erfolgten Asylanerkennung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Nachhinein scheinbar nicht entfallen sein können, da sie begriffsnotwendig von Anfang an nicht vorlagen. Diese Sicht verstellt den Blick für den eigenständigen, nicht an die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids, sondern an die nachträgliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Verfolgerland anknüpfenden Regelungszweck der Widerrufsbestimmung. Dies gilt erst recht für den Widerruf der auf einem Verpflichtungsurteil beruhenden Anerkennung, von deren Rechtmäßigkeit wegen der Rechtskraft des Urteils auch im Rahmen der Widerrufsprüfung auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 22.11.2011 - 10 C 29.10 - NVwZ 2012, 1042, Urteil v. 01.03.2012 - 10 C 8.11 - AuAS 2012, 153).
41 
Zwar kann ein reiner Zeitablauf für sich genommen keine Sachlagenänderung bewirken. Allerdings sind - so das Bundesverwaltungsgericht - „wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt“ (Urteil v. 01.06.2011, a.a.O.), und können sich Widerrufsgründe nach der Auffassung des Senats durchaus auch aus Veränderungen in der Person des Flüchtlings ergeben (GK-AsylVfG, Stand August 2012, § 73 Rn. 23 und 28; vgl. auch OVG Saarland, Urteil v. 25.08.2011 - 3 A 34/10 -, a.a.O.; VG Gelsenkirchen, Urteil v. 14.05.2013 - 14a K 1699/11.A - juris).
42 
Für den Widerruf der Asyl- bzw. Flüchtlingsanerkennung ist schließlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015 - 1 C 2.15 - InfAuslR 2015, 401) entschieden, dass der Widerrufsbescheid umfassend auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen ist und das Gericht auch vom Kläger nicht geltend gemachte Anfechtungsgründe sowie von der Behörde nicht angeführte Widerrufsgründe einzubeziehen hat (BVerwG, Urteil v. 31.01.2013 - 10 C 17.12 - BVerwGE 146, 31). Denn die Aufhebung eines solchen, nicht im Ermessen der Behörde stehenden, Verwaltungsaktes setzt nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO unter anderem seine objektive Rechtswidrigkeit voraus; daran fehlt es auch dann, wenn er aus einem im Bescheid oder im Verfahren nicht angesprochenen Grund rechtmäßig ist. Liegt der im Widerrufsbescheid allein angeführte Widerrufsgrund nicht vor, so ist eine Klage erst dann begründet, wenn der Bescheid auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht haltbar ist und er den Adressaten in seinen Rechten verletzt, insbesondere also wenn auch andere in Betracht kommende Widerrufsgründe ausscheiden. Dies entspricht der im Asylverfahren geltenden Konzentrations-und Beschleunigungsmaxime, nach der alle in einem Asylprozess typischerweise relevanten Fragen in einem Prozess abschließend geklärt werden sollen (s.a. BVerwG, Urteil v. 8.09.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140, 319; Beschluss v. 10.10.2011 - 10 B 24.11 - juris).
43 
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich für den Kläger aus heutiger Sicht aufgrund der in Angola seit Mitte des Jahres 2002 eingetretenen veränderten Verhältnisse sowie aufgrund der seither verstrichenen Zeit von über 13 Jahren und des individuellen Vorbringens der Klägers nicht (mehr) mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dieser bei einer unterstellten nunmehrigen Rückkehr nach Angola von nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen werden wird, was letztlich auch die Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.03.2001 nach den o.g. Maßstäben rechtfertigt.
44 
Der insoweit anzustellenden Prognose ist zunächst die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Stuttgart aus dem Jahr 2001 zu Grunde zu legen, wonach der in seiner Heimat nicht tatsächlich verfolgte und von politischer Verfolgung auch nicht unmittelbar bedroht gewesene Kläger seinerzeit in Deutschland als im Exil befindlicher Informationssekretär der UNITA aufgrund selbstgeschaffener Nachfluchtgründe in Angola zumindest mit seiner Inhaftierung zu rechnen hatte, was aufgrund der dortigen spezifischen Haftbedingungen zudem eine unmenschliche bzw. erniedrigende Maßnahme dargestellt hätte.
45 
Relevant ist vor diesem Hintergrund in erster Linie, ob sich die Verhältnisse in Angola seither derart nachhaltig und stabil geändert haben, dass seitens des angolanischen Staates entsprechende Maßnahmen „asylrelevanter Weise“ bei einer unterstellten jetzigen Rückkehr des Klägers nach Angola nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind (vgl. BVerwG, Urteil v. 01.03.2012, a.a.O.). Insbesondere ist daher von Bedeutung, ob es in Angola zu einer hinreichend erheblichen und dauerhaften Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2003/83/EG gekommen ist, weil sich eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben hat, so dass für den Kläger keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung mehr besteht, er insbesondere nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten hat, der dargestellten unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.
46 
Die Veränderung der Verhältnisse muss danach kausal für den Wegfall der beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung sein (vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 04.08.2011 - A 2 S 1381/11- juris), wobei das Erfordernis der Veränderung der Verhältnisse in Widerrufsfällen gerade auch deshalb einer gesonderten Prüfung bedarf, um eine unzulässige Neubewertung der Gefährdungslage auf ein und derselben Tatsachengrundlage zu vermeiden.
47 
Nach der jüngeren Rechtsprechung (des 5. Senats) des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg stellt sich Situation in Angola nach dem schon im Jahr 2002 beendeten, insbesondere zwischen der MPLA und der UNITA geführten Bürgerkrieg so dar, dass angolanischen Staatsangehörigen im Falle einer Rückkehr nach Angola weder wegen Stellung eines Asylantrags und eines Auslandsaufenthalts noch wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Bakongo bzw. einer Nähe zur UNITA mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Art. 3 EMRK widersprechende menschenrechtswidrige Behandlung droht. Auch wenn es immer noch zu von den staatlichen Sicherheitskräften begangenen Menschenrechtsverletzungen komme, habe sich die Menschenrechtlage zwischenzeitlich deutlich verbessert (Urt. v. 25.02.2010 - A 5 S 640/09 - juris). In einem Verfahren, in welchem der dortige Kläger bereits vor seiner Ausreise aus Angola Mitglied der UNITA gewesen ist und als tatsächlich verfolgt anzusehen war, hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs - noch ohne Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 02.03.2010 (a.a.O.) - das Folgende ausgeführt (Urteil v. 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - juris):
48 
„Dem Kläger zu 1 droht zwar aufgrund seiner früheren - unter den Beteiligten nicht streitigen - Tätigkeit für die UNITA und seiner späteren exilpolitischen Betätigung bei einer Rückkehr nach Angola ersichtlich nicht mehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung (vgl. insbes. British Home Office, Operational Guidance Note v. 11. bzw. 29.07.2008, 3.8.8 „clearly unfounded“), doch ist er vor einer solchen - derzeit und auf absehbare Zeit - nicht hinreichend sicher. (…)
49 
Bei seiner Einschätzung geht der Senat (vgl. bereits Senatsurt. v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 -, InfAuslR 2009, 215f) aufgrund der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen von folgender Situation in Angola aus:
50 
Nachdem der jahrzehntelange Bürgerkrieg zwischen der Rebellen-UNITA und der MPLA-Regierung im März 2002 sein Ende gefunden und die Verhandlungen zwischen den Bürgerkriegsparteien am 04.04.2002 zu einem Waffenstillstandsabkommen mit einer Wiederaufnahme der Umsetzung des Lusaka-Protokolls vom November 1994 geführt hatten, gibt es seitdem in fast allen Bereichen Fortschritte zu verzeichnen. Die UNITA wurde an der Regierung beteiligt und erhielt daneben auch führende Positionen in den Provinzen. Die Regierung hatte auch zugesagt, die Reorganisation der UNITA zur politischen Partei nicht zu behindern. Die beschlossene Demobilisierung der UNITA-Kämpfer konnte trotz Anlaufschwierigkeiten ohne nennenswerte Zwischenfälle durchgeführt und am 30.07.2002 abgeschlossen werden; die demobilisierten Kämpfer erhielten Hilfen zur Integration in das zivile Leben bzw. wurden zu einem kleinen Teil (ca. 5.000) bis Oktober 2004 in die angolanischen Streitkräfte FAA integriert. Auch das bereits am 02.04.2002 vom Parlament verabschiedete Amnestiegesetz, das Straffreiheit für alle UNITA-Kombattanten vorsieht, die sich innerhalb von 45 Tagen ergeben und ihre soziale Integration in die Gesellschaft akzeptiert haben, wurde umgesetzt. Diese Bestimmungen werden auch auf Personen angewandt, die erst jetzt aus dem Ausland zurückkehren. Ob davon auch lediglich politisch tätige Anhänger der UNITA profitieren konnten, ist allerdings nicht bekannt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002). Am 05.09.2008 haben nunmehr auch die seit 1992 ersten Parlamentswahlen stattgefunden, die zuletzt mehrfach vertagt worden waren. An diesen konnte sich auch die UNITA beteiligen, die sich inzwischen zu einer ihre verschiedenen Fraktionen wieder vereinigenden politischen Partei entwickelt hatte. Auch wenn sich politische Parteien seit 2002 grundsätz-lich betätigen können, kann von für alle Parteien gleichen Voraussetzungen nicht die Rede sein. Abgesehen davon, dass die staatlichen Medienanstalten zugunsten der MPLA eingesetzt wurden (vgl. FAS v. 08.09.2008 „Die bösen Jahre sind noch nicht vorbei“) und für die Oppositionsparteien außerhalb Luandas kein freier Zugang zu den elektronischen Medien bestand, wurde von staatlich finanzierten Wahlgeschenken (vgl. hierzu auch Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007) durch die MPLA und Einschüchterungen durch deren Sympathisanten gesprochen (vgl. British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006, S. 7; Refugee Documentation Centre (Ireland) vom 09.11.2009; FR v. 05.09.2008 „Das reichste arme Land der Welt wählt“). Die Wahl wurde von der Regierungspartei MPLA mit knapp 82 % der abgegebenen Stimmen gewonnen, während die UNITA nur etwas mehr als 10 % der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Die Grundsätze der Gewaltenteilung, der Unabhängigkeit der Gerichte, der Gewährleistung rechtlichen Gehörs und der Möglichkeit der Verteidigung sind zwar verfassungsrechtlich verankert, auch sind die bestehenden Gesetze an rechtsstaatlichen Prinzipien ausgerichtet, jedoch laufen entsprechende Rechte aufgrund des materiell schlecht ausgestatteten, langsam arbeitenden und korruptionsanfälligen Justizsystems weitgehend leer. Der Justizweg ist insofern allenfalls eingeschränkt gewährleistet (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab-schieberelevante Lage in der Republik Angola v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; Africa Yearbook 2006, Angola, S. 410, 2007). Ermittlungsbehörden und Gerichte sind überlastet, unterbezahlt, ineffektiv und korruptionsanfällig. Straffreiheit für kriminelle Vergehen und Menschenrechtsverletzungen sind insofern keine Seltenheit (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006, S. 2; amnesty international, Jahresbericht Angola 2007).
51 
Staatliche Repressionsmaßnahmen, die systematisch gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer politischen Überzeugung eingesetzt werden, gibt es - insoweit ist dem Bundesamt und dem Verwaltungsgericht zu folgen - nicht mehr. Allerdings sind solche im Einzelfall weiterhin nicht auszuschließen, zumal der Schutz der Menschenrechte noch immer unzureichend ist und sowohl staatliche als auch nicht staatliche Akteure weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola Update Juli 2006; British Home Office, Country of Origin Information Key Documents, 1/2006; amnesty international, Report Angola 2008 und 2009, Jahresberichte Angola 2007; US Department of State, Human Rights Report vom 25.02.2009; Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009).
52 
Zwar müssen selbst ehemalige UNITA-Kämpfer in Angola grundsätzlich nicht mehr mit staatlichen Repressionen rechnen. So spielen hochrangige ehemalige UNITA-Militärführer inzwischen durchaus eine wichtige Rolle als Politiker bzw. sind in den angolanischen Streitkräften FAA weiterhin als solche tätig. Allerdings kam es Mitte Juli 2004 in vier Orten im Landesinnern zu Übergriffen der lokalen Bevölkerung auf ehemalige UNITA-Angehörige, die sich dort niederlassen wollten. Besonders schwer waren die Übergriffe in Cazombo in der Provinz Moxico, bei denen 80 Häuser zerstört worden sein sollen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Angola v. 05.11.2004 bzw. v. 18.04.2006), nachdem ein ehemaliger UNITA-General die Leitung des dortigen UNITA-Büros hatte übernehmen wollen. Zwar wurden entsprechende Übergriffe von Regierungsseite öffentlich kritisiert, doch gibt es verschiedene glaubhafte Berichte, wonach lokale MPLA-Vertreter in derartige Vorkommnisse involviert waren und die Polizei nicht zum Schutz der Opposition einschritt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007).
53 
Für UNITA-Angehörige, die sich in Angola für Dritte erkennbar politisch für die UNITA betätigen, besteht schließlich auch mehr als sieben Jahre nach Ende des Bürgerkriegs noch ein gewisses Risiko, erheblichen Repressionen seitens der Anhänger der Regierungspartei MPLA bzw. ihr zuzurechnenden Gruppierungen ausgesetzt zu sein. So beklagen die verschiedenen Oppositionsparteien – namentlich die UNITA – regelmäßig Akte „politischer Intoleranz“ hauptsächlich in den ländlichen Gebieten verschiedener Provinzen, wobei die Verantwortlichen regelmäßig nicht zur Rechenschaft gezogen würden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht v. 26.06.2007, Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free an Fair Elections, 12.08.2008; UK Border Agency, Operational Guidance Note Angola vom 01.06.2009). An dem tief verwurzelten Klima der Intoleranz wird sich aufgrund der weiteren Marginalisierung der Zivilgesellschaft und zivilen Oppositionsparteien voraussichtlich auch in absehbarer Zeit nichts ändern, da insofern das bestehende autoritäre politische System und die politische Bipolarität zwischen den Bürgerkriegsparteien MPLA und UNITA unangetastet bleiben dürfte (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Die Situation seit dem Friedensabkommen vom 04. April 2002 - Update, Oktober 2002).
54 
Bereits 2004 wurden von der UNITA zunehmend Fälle von Einschüchterung ihrer Funktionäre beklagt, die u. a. von Angehörigen einer MPLA-nahen Miliz ausgegangen sein sollen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 31.03.2005, S. 7; British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch wurde beklagt, dass zunehmend Erpressung und Druck ausgeübt werde, in die MPLA einzutreten (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, S. 1; Africa Yearbook 2004, Angola, S. 388, 2005: Africa Yearbook 2005, S. 399, 2006). Wiederholt wurde 2003/2004 von Verfolgungen, Ein-schüchterungen und Gewalt gegen Funktionäre in verschiedenen Provinzen und Städten im Landesinneren berichtet (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008). Auch 2005 kam es zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Parteien (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola - Update Juli 2006; British Home Office, Operational Guidance Note Angola,11. bzw. 29.07.2008). Im März 2005 sollen in der Stadt Mavinga eine Person gar getötet und 28 weitere Personen verletzt worden sein, als UNITA-Mitglieder ihre Parteiflagge zu hissen versuchten (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola, 11. bzw. 29.07.2008; amnesty international, Jahresbericht Angola 2006). Die UNITA sprach von gezielter Aufhetzung der Bevölkerung durch die MPLA und die lokalen Behörden mit dem Ziel, die landesweite Errichtung oppositioneller Strukturen zu verhindern. Selbst Angolas Präsident dos Santos soll nach den Vorfällen Ende Februar und Mitte März die Besorgnis der UNITA als „legitim“ anerkannt haben (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Angola im Übergang - Update März 2005, 21.03.2005). 2006 berichteten UNITA und MPLA von wechselseitigen körperlichen Angriffen politischer bzw. militanter Aktivisten auf ihre Mitglieder (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Reports on Human Rights Practices - 2006 v. 06.03.2007, Section 3). Die UNITA sprach gar von 13 getöteten Parteimitgliedern (vgl. Africa Yearbook 2006, Angola, S. 409, 2007). Auch 2007 berichteten die Oppositionsparteien von Belästigungen, Einschüchterungen und Körperverletzungen durch Anhänger der Regierungspartei (vgl. U.S. Departement of State, Angola - Country Re-ports on Human Rights Practices - 2007 v. 11.03.2008, Section 3). Im März 2007 sollen Unbekannte (vgl. British Home Office, Operational Guidance Note Angola v. 11. bzw. 29.07.2008; U.S. Departement of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, a.a.O.), möglicherweise gar Polizisten (vgl. amnesty international, Report Angola 2008), in der Provinz Kwanza Norte während einer Sitzung im örtlichen Parteibüro auf den zu Besuch anwesenden Parteivorsitzenden der UNITA – Isaias Samakuva – geschossen haben, der dabei leicht verletzt wurde; über das Ergebnis der deswegen in Gang gesetzten Untersuchung ist - soweit ersichtlich - noch nichts bekannt. Mitglieder der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft berichteten auch 2007 von zunehmender „politischer Intoleranz“. Auch im unmittelbaren Vorfeld der für Herbst 2008 angesetzten Parlamentswahlen wurde von Fällen politischer Gewalt hauptsächlich in den ländlichen Gebieten berichtet. So seien am 02.03.2008 Mitglieder einer kommunalen UNITA-Delegation im Dorf Kafindua in der Provinz Benguela von einer Gruppe örtlicher MPLA-Aktivisten geschlagen worden, als sie ihre Parteiflagge hätten hissen wollen. Die Polizei habe die Angreifer zwar verhört, jedoch wieder laufen lassen; diese hätten anschließend erklärt, „die Polizei gehöre ihnen“. Traditionelle Autoritäten seien zunehmend dem Druck der MPLA ausgesetzt, Aktivitäten der UNITA in den verschiedenen Dörfern zu verhindern. Am 30.05.2008 habe eine Gruppe von MPLA-Anhängern den traditionellen Führer im Dorf Bongue Kandala in der Provinz Benguela sowie fünf UNITA-Mitglieder zusammengeschlagen, weil jener zuvor erlaubt hätte, die Parteifahne hochzuhalten (vgl. Human Rights Watch, Angola: Doubts Over Free and Fair Elections, 12.08.2008). Am 13.08.2008 sollen UNITA-Mitglieder während einer öffentlichen Versammlung in Kipeio in der Provinz Huambo von einer Gruppe mit Stöcken und Steinen angegriffen worden sein; eine Frau musste im Krankenhaus behandelt werden, die anderen erlitten weniger ernste Verletzungen. Die Polizei sei zwar eingeschritten, die Angreifer seien jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen worden. In der Provinz Benguela sollen UNITA-Mitglieder am 23.08.2008 gesteinigt worden sein. In Chico da Waiti sei eine 40-köpfige Delegation von UNITA-Mitglieder mit Steinen beworfen worden, wobei 8 Personen verletzt worden seien. Die Polizei habe die Delegation eskortiert, jedoch niemanden verhaftet. Der zuständige Gemeindeverwaltungsbeamte habe später erklärt, dass er lediglich die Sicherheit der Wahlbeobachter der UNITA, nicht aber für deren Wahlkampagne garantiere (vgl. Human Rights Watch, Angola: Irregula-rities Marred Historic Elections, 14.09.2008).
55 
Für 2009 sind den bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden Erkenntnismitteln zwar keine entsprechenden Vorkommnisse im Zusammenhang mit der UNITA zu entnehmen, lediglich in Zusammenhang mit dem Vorgehen des Militärs gegen bewaffnete Rebellen der Liberation Front of the Enclave Cabinda (FLEC) in der Provinz Cabinda soll es in 2009 zu willkürlichen Verhaftungen gekommen sein (Human Rights Watch, Bericht vom 22.06.2009). Es ist aber noch völlig offen, ob sich diese positive Entwicklung in der Zukunft verstetigt. Derzeit und auf absehbare Zeit kann deshalb nach wie vor nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Angola vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher wäre.“
56 
Dem Kläger des zu entscheidenden Berufungsverfahrens, der im Gegensatz zu dem Kläger zu 1 jenes Verfahrens vor seiner Ausreise keine Verfolgung erlitten hat und der von einer solchen auch nicht unmittelbar bedroht gewesen ist, droht danach im Falle einer Rückkehr nach Angola politische Verfolgung jedenfalls nicht (mehr) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil v. 03.12.2009 - A 5 S 122/08 - juris, Urteil v. 11.12.2008 - A 5 S 1251/06 - InfAuslR 2009, 215, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1729/97 - juris, Urteil v. 01.02.2002 - A 13 S 1730/97 - juris).
57 
Diese Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der in das Berufungsverfahren eingeführten neueren Erkenntnisquellen für den gegenwärtigen Zeitpunkt aufrecht zu erhalten.
58 
So hat sich die Situation in Angola in den vergangenen Jahren weiter verstetigt, ohne dass es dabei zu besonderen Veränderungen mit einer Tendenz zum Besseren oder zum Schlechteren gekommen wäre. Von besonderer Bedeutung auch für den politischen Prozess der Aussöhnung zwischen den früheren Bürgerkriegsparteien waren die am 31.08.2012 abgehaltenen Parlamentswahlen, bei welchen die regierende MPLA zu Gunsten der Oppositionsparteien Stimmenverluste hinnehmen musste. Die UNITA als größte Oppositionspartei vermochte ihren Stimmenanteil auf 18,66 % auszubauen, obwohl sich von ihr zuvor die neue Oppositionspartei CASA-CE abgespalten hatte, die ihrerseits 6 % der Stimmen errang. Alle am Bürgerkrieg beteiligten Parteien unterstützen die Wiederaufbauphase, in der sich das Land nach wie vor befindet (Auswärtiges Amt, Auskunft vom 22.09.2009 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden).
59 
Hingegen ist die MPLA die führende und die Geschicke des Landes vorherrschend bestimmende Organisation geblieben, die letztlich alle anderen Parteien im Fokus hat und alle führenden Persönlichkeiten überwacht (Deutsche Botschaft Luanda, Auskunft vom 15.09.2011 an das Verwaltungsgericht Minden). In dieser Situation kommt es in Angola immer noch zu Menschenrechtsverletzungen seitens der Polizei, etwa durch den exzessiven Einsatz von Gewalt und staatlichem Mord. Nur wenige Beamte mussten sich hierfür bislang strafrechtlich verantworten. Es wurde über willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen durch die Polizei berichtet, die ihre Funktionen zudem parteiisch ausübt, vor allem während einiger gegen die Regierung gerichteter Demonstrationen. Bei der Auflösung von Demonstrationen wurde zum Teil mit exzessiver Gewalt vorgegangen (Amnesty international, Report Angola 2010 und 2012).
60 
Insbesondere im Vorfeld der Wahlen von 2012 gab es Berichte über sporadische politisch motivierte Gewalttaten von Mitgliedern der MPLA, die sich gegen die UNITA und das Bündnis CASA-CE richteten. Den Berichten zufolge war aber auch die UNITA für vereinzelte gewaltsame Handlungen gegen die MPLA verantwortlich, die politisch motiviert waren (Amnesty international, Report Angola 2013).
61 
Am 23.11.2013 wurden in Luanda bei einer vom Innenministerium verbotenen Demonstration, zu der die UNITA aufgerufen hatte, 292 Personen festgenommen. Die Demonstration sollte an das ungeklärte Schicksal zweier Aktivisten erinnern, nachdem Informationen bekannt geworden waren, wonach die beiden im Mai 2012 durch staatliche Kräfte entführt, gefoltert und getötet worden sein sollen (BaMF-Briefing Notes vom 25.11.2013).
62 
Auch für das Jahr 2014 berichtet Amnesty International nach wie vor über - allerdings ausdrücklich nur sporadische - politisch motivierte Gewalttaten zwischen Mitgliedern der regierenden MPLA und solchen der UNITA. Friedliche Demonstrationen wurden mitunter von Polizei und Sicherheitskräften unter Anwendung von Gewalt unterbunden (Amnesty international, Report Angola 2015).
63 
Am 09.03.2014 störten Mitglieder der MPLA in der Provinz Kwanza Sul eine Gedenkveranstaltung der UNITA zu deren 48-jährigem Bestehen, wobei drei Provinzführer der UNITA während einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen einzelnen Unterstützern der beiden Parteien getötet worden sein sollen. Öffentlich zugängliche Informationen über irgendwelche Verhaftungen oder Untersuchungen durch die Polizei wegen dieser Angelegenheit seien nicht erhältlich gewesen. Die Regierung unternahm gleichwohl generell einige Schritte zur Verfolgung und Bestrafung des Missbrauchs durch Beamte, welche indes nur schwer nachvollzogen werden können (US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2014).
64 
Auch auf der Basis der dem Senat im Übrigen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen muss festgestellt werden, dass in Angola das geltende Verfassungsrecht und die gegebene Verfassungswirklichkeit nicht immer übereinstimmen, was sich vor allem in der Machtausübung der Sicherheitskräfte, der weitreichenden Korruption und einer Behinderung der Arbeit von Journalisten zeigt. Gelegentlich wird dieses Bild auch durch einzelne mitunter gewaltsame Machtdemonstrationen Angehöriger der MPLA gegenüber Anhängern der Oppositionsparteien bestätigt, ohne dass jedoch angenommen werden müsste, dass die Betätigung der Oppositionsparteien in Angola generell gefährlich ist bzw. eine solche gar staatlicherseits unterbunden wird (vgl. US Department of State, Country Report on Human Rights Angola 2011 und 2012; Refugee Documentation Centre Ireland v. 22.10.2009; UK Border Agency v. 01.09.2010; Freedom House Länderberichte 2010, 2011 und 2012).
65 
Zutreffend hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in diesem Zusammenhang auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.09.2015 zu Angola (2015/2839(RSP)) hingewiesen, welche vor dem Hintergrund insbesondere der Festnahme des angolanischen Menschenrechtsaktivisten José Marcos Mavungo am 14.03.2015 die angolanische Regierung u.a. dazu auffordert, Fällen von willkürlicher Verhaftung, rechtswidriger Inhaftierung und Folter durch Polizei- und Sicherheitskräfte unverzüglich ein Ende zu setzen.
66 
Zusammenfassend lässt sich für den Senat festhalten, dass seit der Flüchtlingsanerkennung des Klägers und weitere 6 Jahre nach dem zitierten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 01.02.2010 - A 5 S 123/08 - sich die Verhältnisse in Angola derart verstetigt haben, dass der Kläger nunmehr dort jedenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten hat.
67 
Diese Einschätzung beruht überdies auf der individuellen Situation des Klägers, der bereits seit Längerem nicht mehr als exilpolitischer Aktivist für die Sache der UNITA angesehen werden kann. So hat er im Rahmen des Widerrufsverfahrens nicht mehr von einer ins Gewicht fallenden Fortsetzung seiner Betätigung für die UNITA für die Zeit nach seiner Flüchtlingsanerkennung berichtet. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er gar eingeräumt, seit einem ihm gegenüber ausgesprochenen Verbot der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 nur noch „auf kleiner Flamme“ politisch tätig zu sein. Insoweit gebe es nichts weiter zu berichten. Der Kläger vermittelte dem Senat auch keineswegs den Eindruck, er werde nach einer Rückkehr nach Angola seine Aktivitäten für die UNITA wieder aufnehmen, weil er sich etwa hierzu aufgrund einer tiefen inneren Überzeugung verpflichtet fühle. Die damit anzunehmende zwischenzeitliche Veränderung auch in der Person des Klägers (vgl. dazu allgemein bereits oben) verdeutlichen dem Senat, dass dieser im Fall seiner nunmehrigen Rückkehr nach Angola auch nicht von einer im Jahr 2015 möglicherweise wieder etwas verschärfteren Situation für Regimegegner betroffen wäre.
68 
Anhaltspunkte für das Vorliegen von dem Kläger nicht geltend gemachter Anfechtungsgründe (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.06.2015, a.a.O.) lassen sich für den Senat im Übrigen nicht erkennen.
69 
Dass der Kläger schließlich - wie dies sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat - aufgrund des verhängten Verbots der politischen Betätigung durch die Stadt xxx vom 07.05.2001 einem Flüchtling, dem die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zu Gute kommt, gleichzustellen sei, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.
70 
d) Der Widerruf der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hat schließlich auch nicht aufgrund der Bestimmung des § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylG auszuscheiden. Denn der Kläger kann sich ersichtlich nicht auf zwingende auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen, um eine Rückkehr nach Angola abzulehnen.
71 
2. Aus dem Vorgenannten ergibt sich zugleich, dass der von dem Kläger angegriffene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10.02.2005 auch hinsichtlich seiner Nr. 2, wonach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG in der Person des Klägers nicht vorliegen, rechtmäßig ist.
72 
Es kommt daher für die Entscheidung über die Berufung des Klägers nicht darauf an, ob der von ihm gewählte isolierte Antrag auf Aufhebung der diesbezüglichen Entscheidung des Bundesamtes überhaupt sachdienlich ist.
73 
Gem. § 60 Abs. 1 AufenthG i.d.F. des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl. I S. 1722, darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (vgl. im Übrigen §§ 3 bis 3e AsylG).
74 
Eine nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 AufenthG im Falle einer Rückkehr drohende Gefährdung kommt ausgehend von dem Vorbringen des Klägers ebenfalls nur mit Blick auf die Befürchtung von Repressionen im Zusammenhang mit seinem geltend gemachten exilpolitischen Verhalten in Betracht. Wie bereits ausgeführt, kann insoweit jedoch für den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht von einer beachtlichen Verfolgungsgefahr ausgegangen werden, was in erster Linie darin begründet ist, dass der Kläger bereits seit Längerem so gut wie gar nicht mehr exilpolitisch tätig ist und er auch für den Fall seiner Rückkehr nach Angola in keiner Weise bekundet hat, sich dort zukünftig aktiv für die UNITA politisch betätigen zu wollen.
75 
Die Berufung des Klägers ist nach allem mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
76 
Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylVfG nicht erhoben.
77 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

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Tenor Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom ...10.2016 wird hinsichtlich dessen Ziffer 2 aufgehoben.Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Die Beklagte trägt die Kosten des gericht

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.