Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 14. Juli 2005 - 4 K 743/03

bei uns veröffentlicht am14.07.2005

Tenor

Die Verfügung des Regierungspräsidiums Tübingen - Bezirksstelle für Asyl - vom 24. März 2003 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger setzt sich gegen seine Ausweisung und Abschiebung zur Wehr.
Der am ... in K. in der Türkei geborene, ledige Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wuchs bis zu seinem 12. Lebensjahr mit einer älteren Schwester und zwei jüngeren Brüdern in der Türkei bei seiner Mutter auf. Sein seit ca. 28 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland berufstätiger Vater B. D. holte im Jahr 1992 zunächst den Kläger und seine Schwester nach Deutschland. Im Jahr 1993 folgte die Mutter Z. D. mit den beiden Brüdern. Die Familie wohnte bis 1.4.1999 in einer Obdachlosenunterkunft in M., wo der Kläger zunächst zwei Jahre eine Vorbereitungsklasse besuchte, um die deutsche Sprache zu lernen. Anschließend ging er in die reguläre Hauptschule, wobei er, bedingt durch Sprachprobleme, erhebliche Schwierigkeiten hatte. 1996 wurde er nach Beendigung der siebten Hauptschulklasse entlassen. Danach nahm er vom 23.9.1997 bis 28.8.1998 beim ...-haus in S. erfolgreich an einem Lehrgang zur Verbesserung beruflicher Bildungs- und Eingliederungschancen teil. Die beabsichtigte Ausbildung als Maurer und Dachdecker konnte er danach aber nicht verwirklichen. Stattdessen arbeitete er ab 27.10.1998 bis Sommer 1999 bei einer Gebäudereinigungsfirma in O. Anschließend war er bis August 2000 bei der Fa. M. ... in E.-M.beschäftigt. Danach war er einige Monate arbeitslos. Von April bis Juni 2001 arbeitete er beim Autohaus G. in M. Eine geplante Ausbildung im Autohaus kam ebenfalls nicht zustande. Von September 2001 bis zur Inhaftierung am 22.2.2002 arbeitete er beim Baugeschäft H. in E.-D. Nach seiner Haftentlassung war er vom Januar bis Mai 2004 als Bauhelfer bei der Fa. ... tätig. Danach war er arbeitslos. Seit dem 1.4.2005 ist er bei der ... auf 165-EUR-Basis beschäftigt. Dem Kläger wurde am 17.11.1999 vom Landratsamt ... eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.
Strafrechtlich ist der Kläger wie folgt in Erscheinung getreten:
- Mit Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 24.8.2000, rechtskräftig seit dem 19.9.2000 - ... - wurde gegen ihn wegen des Besitzes eines nach dem Waffenrecht verbotenen Gegenstands (Metall-Nunchaku) eine Geldstrafe in Höhe von 15 Tagessätzen zu je 30 DM verhängt.
- Mit Urteil des Amtsgerichts E. - ... - vom 5.12.2000 wurde er wegen sechs Vergehen des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln, eines Vergehens der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr sowie eines Vergehens des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Jugendstrafe von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Verurteilung bezog sich auf folgende Taten: 1. An einem nicht näher bestimmbaren Wochenende um den 25.8.2000 herum kaufte er in W. in der Diskothek „...“ ca. 2,5 g Kokain für 400 DM, das er in den folgenden Tagen schnupfte. 2. In der Nacht vom 1. zum 2.9.2000 kaufte er in der gleichen Diskothek gut ein Gramm Kokain für 170 DM, das er noch am gleichen Wochenende verbrauchte. 3. Am 3.9.2000 kaufte er in U. vor dem Cafe´ ... ca. sieben Gramm Kokain für 980 DM, das er im Lauf der nächsten Tage schnupfte. 4. In der Nacht vom 9. zum 10.9.2000 kaufte er in R. in der Diskothek „...“ ein Gramm Kokain für 140 DM, das er sofort verbrauchte. 5. Am 12.9.2000 fuhr er mit seinem PKW nach U. und kaufte dort ca. 1 Gramm Heroin. 6. Am selben Tag nahm er gegen 16:30 Uhr die Hälfte des Heroins zu sich. Nachdem er die Wirkung deutlich spürte, fuhr er mit seinem PKW nach M. zurück, dort für längere Zeit umher und schließlich über E. wieder Richtung U. Gegen 20:30 Uhr fiel er wegen seiner Fahrweise einer Polizeistreife auf, die die Fahrt beendete. 7. Obwohl sein Führerschein in Gewahrsam genommen und beschlagnahmt worden war, fuhr der Kläger am 14.9.2000 mit seinem PKW. Zur Strafzumessung ist im Urteil ausgeführt: „ ... Der Angeklagte steht an einem gefährlichen Scheideweg, das Gericht hatte bei diesem Sachverhalt von schädlichen Neigungen im Sinne von § 17 JGG, die bei dem Angeklagten vorliegen, auszugehen... Die Vollstreckung konnte noch zur Bewährung ausgesetzt werden. Es besteht nach der Hauptverhandlung Anlass zur Hoffnung, dass der Angeklagte sich jetzt besinnen und künftig straffrei führen wird und insbesondere ein Reifeprozess durchläuft, der zu einer sozialen Eingliederung führen wird.
- Mit Strafbefehl des Amtsgerichts E. vom 9.5.2001, rechtskräftig sei dem 13.7.2001, - ... - wurde gegen den Kläger, weil er am 24.11.2000 Betäubungsmittel (0,2 g Kokain) in seinem Besitz gehabt hatte, eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 DM verhängt.
- Mit Urteil des Amtsgerichts U. vom 29.5.2002, rechtskräftig seit dem 29.5.2002, - ... - wurde der Kläger unter Einbeziehung der Verurteilung vom 5.12.2000 wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 11 Fällen, dabei einmal in Tateinheit mit vorsätzlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die Verurteilung bezog sich auf folgende Taten: 1. Von Mitte 1999 bis März 2000 veräußerte der Kläger in mindestens fünf Fällen unter anderem aus seiner Wohnung in M. Ecstasy. Dabei veräußerte er in zwei Fällen jeweils 400 Stück, in zwei weiteren Fällen jeweils 300 Stück und in einem Fall 100 Tabletten. Die für 9 DM pro Stück erworbenen Tabletten veräußerte der Kläger zur Finanzierung der eigenen Betäubungsmittelabhängigkeit zum Stückpreis von 10 / 11 DM weiter. 2. Anfang Mai 2000 kaufte der Kläger in Rotterdam 700 Ecstasy - Tabletten zum Stückpreis von 1 - 1,50 DM und führte die Tabletten anschließend in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er sie unter anderem in der Diskothek ... in R. zum Stückpreis von 20 DM verkaufte, um den Gewinn zur Finanzierung seiner eigenen Betäubungsmittelabhängigkeit zu verwenden. 3. Im Mai und Juni 2000 veräußerte der Kläger in M. in seiner Wohnung in vier Fällen Haschisch, in zwei Fällen für jeweils 50 DM, in zwei weiteren Fällen für jeweils 100 DM und in einem Fall 65 g für 700 DM. Zur Strafzumessung ist im Urteil ausgeführt: „ ... Der zur Tatzeit 19/20 Jahre alte Angeklagte war Heranwachsender, Retardierungen aus seiner Persönlichkeitsentwicklung führen jedoch vorliegend zur Anwendung von Jugendstrafrecht ... Bei der Bemessung ... war zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er über einen sehr langen Zeitraum von fast einem Jahr mit insgesamt 2200 Ecstasy-Tabletten Handel betrieben hat ... Seit der Hauptverhandlung im Dezember 2000 beim Amtsgericht - Jugendgericht - E. ist der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht mehr auffällig geworden, woraus sich ergibt, dass er die Verurteilung zu einer Jugendstrafe mit Bewährung ernst genommen hat. ... Zu berücksichtigen war auch der persönliche Werdegang, die anfangs bestehenden Sprachprobleme, nachdem er als Jugendlicher in ein für ihn völlig neues Umfeld wechseln musste und die damit verbundenen anfänglichen Integrationsprobleme. Dennoch hat er sich im Laufe der Zeit hier integriert, war in der Jugendarbeit im alternativen Jugendhaus in M. tätig und will sich auch weiterhin in die hiesige Gesellschaft integrieren. Er ist bereit, eine stationäre Langzeittherapie aufzunehmen ... Angesichts dieser Gesamtumstände waren vorliegend schädliche Neigungen im Sinne des § 17 JGG mit Sicherheit festzustellen, diese liegen auch noch im Zeitpunkt der Hauptverhandlung vor. ...“
Der Kläger befand sich vom 22.2.2002 bis zum 23.8.2003 in Strafhaft. Mit Beschluss des Amtsgerichts R. vom 20.8.2003 wurde seine Restjugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Für die Bewährungszeit von zwei Jahren wurde der Kläger der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. In dem Beschluss wurde ausgeführt, der Kläger sei Erstverbüßer. Er habe sich bezüglich seiner Drogenabhängigkeit selbstkritisch gezeigt und habe von Anfang an die Absicht gehabt, eine Drogenlangzeittherapie zu machen. Alle in der Haftzeit durchgeführten Urinkontrollen hätten mit einem negativen Ergebnis geendet. Er habe im ständigen Kontakt mit der Drogenberatung in der Justizvollzugsanstalt R. gestanden.
Mit Schreiben des Regierungspräsidiums T. - Bezirksstelle für Asyl - vom 1.3.2002 wurde der Kläger zur beabsichtigten Ausweisung angehört. Er brachte dazu vor, die am 29.5.2002 abgeurteilten Straftaten lägen zeitlich alle vor seiner Verurteilung vom 5.12.2000. Die Ergebnisse laufender Drogen-Screenings belegten, dass er keine Drogen mehr konsumiere. Außerdem wolle er sich einer Drogentherapie unterziehen, was bisher nur wegen fehlender Kostenzusage nicht geschehen sei. Die Kostenzusage erhalte er nicht, weil nicht geklärt sei, ob er weiter in der Bundesrepublik Deutschland bleiben könne. Für die Zeit nach seiner Entlassung stehe ihm ein Arbeitsplatz zur Verfügung.
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Mit Verfügung vom 24.3.2003 wurde der Kläger vom Regierungspräsidium T. - Bezirksstelle für Asyl - aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen. Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wurde angeordnet. Dem Kläger wurde die Abschiebung direkt aus der Strafhaft angedroht. Für den Fall, dass die Abschiebung nicht zum Haftende erfolgen könne und dass der Kläger nicht freiwillig ausreise, wurde die Abschiebung in die Türkei angedroht. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe den Ist-Ausweisungstatbestand des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG verwirklicht. Wegen des vom Kläger zu beanspruchenden besonderen Ausweisungsschutzes sei die Ist-Ausweisung zu einer Regelausweisung herabgestuft. Deren Voraussetzungen seien gegeben, nachdem bei ihm schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in spezialpräventiver Hinsicht vorlägen. Beim Kläger müsse wegen seiner bisherigen Straftaten konkret von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden und es bestehe die begründete Besorgnis, dass der Kläger vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erneut straffällig werde. Deswegen sei die Ausweisung auch in Ansehung des Ausweisungsschutzes, den der Kläger nach Art. 14 ARB 1/80 beanspruchen könne, zwingend geboten. Das Verhalten des Klägers deute auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hin.
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Am 25.4.2003 hat der Kläger gegen die Ausweisung Klage erhoben. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger genieße als Abkömmling eine Rechtsstellung nach Art. 7 ARB 1/80. Die Frage, ob er ausgewiesen werden könne, beantworte sich daher bei ihm nicht nach den Vorschriften des aktuellen Ausländergesetzes, die entgegen der Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 verschärft worden seien, sondern nach den Vorschriften der Ausländergesetze von 1965 oder 1990. Insofern fehle bislang eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung, die auch den langjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtige. Außerdem lägen die Voraussetzungen nach Art. 14 ARB 1/80 für eine Ausweisung des Klägers nicht vor. Bei ihm bestehe nach dem Bericht des Leiters der Vollzugsanstalt R. vom 6.8.2003, nach den Ausführungen im Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts R. vom 20.8.2003 und nach dem Bericht des Bewährungshelfers vom 3.2.2005 keine konkrete Wiederholungsgefahr. Der Bericht des Bewährungshelfers belege, dass sich der Kläger nach der Haftentlassung weiterhin positiv entwickelt habe. Er sei mittlerweile sozial integriert und in der Jugendarbeit auf kommunaler Ebene engagiert. Die damit erfolgte, völlige Abkehr des Klägers von seinem früheren Verhalten, würde durch die schriftlichen Aussagen des Bürgermeisters von M. und die Angaben von Polizeihauptkommissar K., der den örtlichen Polizeiposten in M. leite, bestätigt. Der Kläger arbeite seit seiner Haftentlassung mit der Gemeinde und mit dem örtlichen Polizeiposten bei der Betreuung und Integration von vorwiegend türkischstämmigen Jugendlichen zusammen. Insofern engagiere er sich auch mit Erfolg im örtlichen Alternativen Jugendzentrum, dessen Vorstand er angehöre. Der positive Bericht von Polizeihauptkommissar K. sei auch deswegen beachtlich, weil der Polizist den Kläger auch aus der Zeit kenne, als er die abgeurteilten Straftaten beging und insofern seine Fortschritte beurteilen könne. Schließlich könne der Kläger seine seit Februar 2002 bestehende Drogenabstinenz durch diverse Drogenscreenings und eine Haaranalyse nahezu lückenlos belegen. Seine letzte Straftat sei von ihm im November 2000 begangen worden und liege daher nunmehr 4,5 Jahre zurück. Er sei in seine Großfamilie integriert und arbeite nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes im Moment auf 165-EUR-Basis bei einer Reinigungsfirma. Zugleich bemühe er sich um eine Lehrstelle als Metallfacharbeiter oder Autolackierer. Sein Vater helfe ihm finanziell. Zur endgültigen Verarbeitung seiner Suchterfahrung halte er Kontakt zur Psychosozialen Beratungsstelle der Drogenhilfe U. e.V.. Von dort werde weiter versucht, eine Kostenzusage für eine Therapie, die der Kläger seit 2002 machen wolle, zu erwirken.
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Der Kläger beantragt,
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die Verfügung vom 24. März 2003 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird zunächst ausgeführt, die Regelungen des Ausländergesetzes zur Ausweisung seien in Bezug auf den Fall des Klägers nicht schärfer als die in früheren Ausländergesetzen. Nach früherem Ausländerrecht von 1965 habe eine Ausweisung bei illegalem Rauschgifthandel regelmäßig ohne Ermessensfehler erfolgen können. Mit Telefaxschreiben an das Gericht vom 1.4.2005 und 8.6.2005 wird ausgeführt, die Ausweisungsentscheidung sei nunmehr nach der neuesten Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (Ermessensausweisung) zu stützen. Wegen der mit dem Handeln mit harten Drogen verbundenen erheblichen kriminellen Energie sei bereits bei einmaliger Bestrafung wegen unerlaubten Handeltreiben mit Drogen von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Außerdem hätten die Straftaten des Klägers alle im Zusammenhang mit seiner Drogenabhängigkeit, zuletzt Heroinabhängigkeit gestanden. Dass diese Suchtproblematik nicht bewältigt sei, ergebe sich auch aus dem vom Kläger vorgelegten Fahreignungsgutachten vom 8.11.2004, welches von einer Suchtproblematik ausgehe und von grundlegenden Persönlichkeits- und Einstellungsmängeln spreche. Aufgrund der danach bestehenden konkreten Wiederholungsgefahr überwiege das öffentliche Interesse an einer Ausweisung des Klägers. Mit weiterem Telefaxschreiben an das Gericht vom 4.7.2005 wird vorgetragen, das Ermessen werde weiter aktualisiert. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 8.6.2005 stellten die Ausweisungsverfügung ergänzende Ermessenserwägungen dar. Im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung sei der Beklagte weiterhin der Ansicht, dass beim Kläger wegen der Drogenvorgeschichte eine Wiederholungsgefahr bestehe, weil er eine Therapie benötige und weil bisher keine Therapie durchgeführt worden sei. Daran ändere sich durch die Haaranalyse, mit der der Kläger seine Drogenabstinenz während der letzten 5 bis 6 Monate nachweisen könne, nichts. Auch die positiven Stellungnahmen des Bürgermeisters der Stadt M. und des Polizeihauptkommissars K. zur positiven Entwicklung des Klägers und zu seinem sozialen Einsatz bei der Integration von vorwiegend türkischstämmigen Jugendlichen änderten an der Bewertung nichts. Bei ehemaligen Heroinabhängigen sei mit einer sehr hohen Rückfallquote, selbst bei Therapierten, auszugehen. Der Kläger habe noch nicht einmal eine Therapie begonnen.
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Im Eilverfahren hat die Kammer dem Aussetzungsantrag des Klägers mit Beschluss vom 5.11.2003, rechtskräftig seit dem 3.12.2003, stattgegeben; zur Begründung wurde ausgeführt, ein besonderes Vollzugsinteresse liege nicht vor. Es sei nicht zu erwarten, dass der Kläger bis zur Entscheidung in der Hauptsache weitere erhebliche Straftaten begehen werde.
18 
In der mündlichen Verhandlung vom 14.6.2005 wurde Polizeihauptmeister K. vom örtlichen Polizeiposten in M. zur Entwicklung des Klägers angehört. Er gab an, er habe den Kläger auch schon vor seiner Haft gekannt. Nach Verbüßung seiner Jugendstrafe habe der Kläger erfolgreich mit dem örtlichen Polizeiposten bei der Integration vorwiegend türkischstämmiger Jugendlicher zusammengearbeitet. Seit dem Jahr 2004 sei der Kläger außerdem in der Vorstandschaft des Alternativen Jugendzentrums in M. tätig. Er habe sich als freundlicher und jederzeit verlässlicher Gesprächspartner bewährt. Seit seiner Haftentlassung seien keinerlei negative Erkenntnisse über den Kläger bekannt geworden. Seine Entwicklung sei sehr positiv.
19 
Die Beteiligten schlossen in der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Entwicklung des Klägers den aus der Gerichtsaktenseite 110 ersichtlichen Vergleich, der vom Beklagten am 21.6.2005 widerrufen wurde. Die Beteiligten haben auf Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet.
20 
Dem Gericht haben die einschlägigen Ausländerakten des Landratsamts ... (1 Band) und des Regierungspräsidiums T. - Bezirksstelle für Asyl - (2 Bände) sowie die Strafakte des Amtsgerichts U. im Verfahren - ... -vorgelegen. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der vom Kläger vorgelegten Unterlagen sowie auf die Ausführungen der Beteiligten in ihren Schriftsätzen verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Das Gericht kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Klage ist zulässig und begründet.
23 
Die im Bescheid vom 24.3.2003 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung sind rechtswidrig und verletzen den Kläger daher in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
24 
I. Die gegenwärtige Rechtsgrundlage für die Ausweisung des Klägers ist § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 14 ARB 1/80. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. EUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya).
25 
Die Behörde hat bei der Ausweisung des Klägers die sich für ihn aus dem Assoziationsratsbeschluss 1/80 vom 19.9.1980 in materiell- und verfahrensrechtlicher Hinsicht ergebenden Schutzwirkungen zu beachten. Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kann sich auf ein gesetzliches Aufenthaltsrecht nach dem Art. 7 ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer Ausweisungsschutz zukommt. Gemäß Art. 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen hinsichtlich der Beschäftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80 herleiten können, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt außerdem zwangsläufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig ist. Art. 7 ARB 1/80 gewährt dem Familienangehörigen somit ein unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen Mitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Dieses Recht kann der Kläger - hiervon gehen auch die Beteiligten aus - von seinem Vater ableiten, der seit den siebziger Jahren in der BRD arbeitet. Der Kläger hat dieses Recht weder durch Erlangung der Volljährigkeit noch durch Arbeitslosigkeit oder Inhaftierung verloren (vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya).
26 
1. Bei Beachtung der assoziationsrechtlichen Rechtsstellung des Klägers erweist sich die Ausweisungsverfügung vom 24.3.2003 als bereits formell rechtswidrig.
27 
Nach der Rechtsprechung des EUGH gelten die Rechtsschutzgarantien der Artikel 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auch für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 zukommt (vgl. EUGH, Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 -Dörr/Ünal). Dem gegen die Anwendbarkeit der Richtlinie vorgebrachten Einwand des Regierungspräsidiums Tübingen - Bezirksstelle für Asyl -, dass die Bestimmung wegen der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 überholt und daher nicht anzuwenden sei, vermag das Gericht wegen der anders lautenden Übergangsregelungen in Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG nicht zu folgen. Nach diesen Regelungen wird die Richtlinie 64/221/EWG erst zum 30.4.2006 und nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.
28 
Nach Art. 9 der danach im vorliegenden Fall anzuwendenden Richtlinie 64/221/EWG trifft die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist.
29 
Die - vorherige - Einschaltung einer zuständigen Stelle war hier erforderlich. Das hier nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfügung gegebene Rechtsmittel der Anfechtungsklage betrifft nach §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO „nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung“ (a.) Ein „dringender Fall“ im Sinne der Richtlinie lag beim Kläger nicht vor (b.). Der danach gegebene Verfahrensfehler wurde auch nicht nachträglich geheilt (c.).
30 
a.) Das nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfügung gegebene Rechtsmittel betrifft nach §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO „nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung“, so dass die - vorherige - Einschaltung einer unabhängigen Stelle erforderlich ist. Auszulegen war der von der Richtlinie 64/221/EWG verwendete unbestimmte Rechtsbegriff „Gesetzmäßigkeit“ der Entscheidung. Hierfür war zu ermitteln, welchen Inhalt die von der Richtlinie vorgesehene Überprüfung durch die unabhängige Stelle haben soll. Der EUGH hat dazu im Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 - Dörr/Ünal ausgeführt:
31 
„... Es ist daran zu erinnern, dass das Eingreifen einer solchen Stelle dem Betroffenen ermöglichen muss, eine erschöpfende Prüfung aller Tatsachen und Umstände einschließlich der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme zu erwirken, ehe die Entscheidung endgültig getroffen wird (Urteile vom 22. Mai 1980 in der Rechtssache 131/79, Santillo, Slg. 1980, 1585, Randnr. 12, sowie vom 18. Mai 1982 in den Rechtssachen 115/81 und 116/81, Adoui und Cornuaille, Slg. 1982, 1665, Randnr. 15).“
32 
Nach diesen eindeutigen Ausführungen kann davon ausgegangen werden, dass die gerichtliche Entscheidung über den Rechtsbehelf immer dann „nur die Gesetzmäßigkeit“ der Entscheidung betrifft, wenn sie in materieller Hinsicht hinter dem vom EUGH in diesem Zusammenhang geforderten umfassenden Prüfprogramm zurückbleibt. Dies ist bei den nationalen deutschen Regelungen der Fall (vgl. EUGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-482/01 - Orfanopoulos/Oliveri, Absätze 109 ff.). Gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium Tübingen - Bezirksstelle für Asyl - kann der Betroffene nach § 42 Abs. 1 VwGO nur eine Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung der Verfügung erheben. Ein Vorverfahren ist nach § 6a AGVwGO Bad.-Württ. ausgeschlossen. Der vom Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Anfechtungsklage nach § 42 VwGO anzulegende Prüfungsmaßstab ergibt sich bei einer - hier allein möglichen - Ermessensentscheidung (vgl. EUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C 467/02 - Cetinkaya) aus den §§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 114 Satz 1 VwGO. Danach unterliegt die Ausweisungsverfügung nur dann der Aufhebung, wenn der Kläger durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt wird. Dies ist der Fall, wenn die tatbestandsmäßigen gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Ausweisungsverfügung nicht gegeben sind, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder wenn von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Dieses auf die Überprüfung der Voraussetzungen des gesetzlichen Ausweisungstatbestands, der gesetzlichen Ermessensgrenzen und der Einhaltung des gesetzlichen Zwecks der Ermächtigung beschränkte Prüfprogramm bleibt ganz erheblich hinter dem vom EUGH im Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 - Dörr/Ünal geforderten umfassenden Prüfprogramm zurück. Dieses Ergebnis bestätigt im übrigen der Umstand, dass nach nationalem Recht die vorgelagerte Ausübung des Entschließungsermessens vom Gericht nicht überprüft werden kann. Die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger mit einer Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 darf nur aus spezialpräventiven Gründen und nur im Ermessensweg erfolgen (vgl. EUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C 467/02 - Cetinkaya). Daher ist es für die Frage, ob der Prüfungsumfang umfassend ist, von zentraler Bedeutung, ob die vorgelagerte Ausübung des Entschließungsermessens vom Gericht überprüft werden darf oder nicht. Also ob das Gericht seiner Prüfung auch zugrunde legen darf, ob die Ausweisungsentscheidung nach seiner Einschätzung unter Beachtung aller integrations- und sicherheitspolitischen sowie persönlichen Belange im Einzelfall zweckmäßig erscheint oder ob sie untunlich ist. Eine solchermaßen weite Zweckmäßigkeitsüberprüfung nach nationalem Recht der Exekutive vorbehalten. Eine Kontrolle ist durch das Gericht nach den §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO nicht vorgesehen. Danach ist bei dem nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfügung gegebenen Rechtsmittel im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG die Überprüfung auf die „Gesetzmäßigkeit“ der Entscheidung beschränkt.
33 
b.) Von der danach erforderlichen - vorherigen - Einschaltung einer zuständigen Stelle konnte im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden. Die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann nur „in dringenden Fällen“ unterbleiben (vgl. Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG). Ein dringender Fall lag beim Kläger zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 24.3.2003 nicht vor. Zur Begründung kann auf die den Beteiligten bekannten Ausführungen im Eilbeschluss vom 5.11.2003 im Verfahren - 4 K 744/03 - verwiesen werden, wonach ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsentscheidung beim Kläger nicht festgestellt werden konnte. Wegen des gleichen Prüfungsmaßstabs rechtfertigt die Annahme des Fehlens eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung grundsätzlich die gleichzeitige Annahme des Fehlens eines „dringenden Falls“ (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 14.6.2005 - 4 K 17/05 -). Das Fehlen eines besonderen Vollzugsinteresses zum Zeitpunkt des Erlasses des Eilbeschlusses am 5.11.2003 indiziert zusammen mit der Entwicklung des Klägers und mit der Dauer des bereits am 1.3.2002 eingeleiteten Ausweisungsverfahrens, dass im Fall des Klägers auch zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung kein „dringender Fall“ vorlag. Danach war die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ erforderlich und das Absehen von der - vorherigen - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ stellt demnach einen Verfahrensfehler dar.
34 
c.) Der Verfahrensfehler ist auch beachtlich und führt daher zur Rechtswidrigkeit der Ausweisungsentscheidung. Eine nachträgliche Heilung kommt nicht in Betracht (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG Bad.-Württ.). Weder wurde die fehlende Beteiligung der unabhängigen Stelle durch eine behördliche Entscheidung nachgeholt noch kann das gegen die Ausweisungsentscheidung durchgeführte Klagverfahren eine Heilung bewirken.
35 
Das Unterlassen der - vorherigen - Einschaltung einer unabhängigen Stelle führt damit zu einem Verstoß gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien und damit zur formellen Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung.
36 
2. Die Ausweisungsentscheidung ist aber auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig.
37 
Dabei sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt, nachdem durch die Straftaten nicht nur vereinzelte oder geringfügige Verstöße gegen die Rechtsordnung vorliegen. Das Ausweisungsermessen ist danach eröffnet.
38 
Der Kläger kann sich - wie oben ausgeführt - als türkischer Staatsangehöriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat zur Folge, dass zu seinen Gunsten von veränderten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-482/01 - Orfanopoulos/Oliveri) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich diese Entscheidung des EuGH auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, sie ist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsätze auf türkische Staatsangehörige zu übertragen, die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei“ aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Angehörigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des ARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die im Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.2.2000, C-340/97, Nazli, und Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung kombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.4.2004 (Orfanopoulos/Oliveri) ergeben sich für türkische Staatsangehörige, die die Rechte aus dem ARB 1/80 besitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 3.8.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -):
39 
a.) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist nicht - wie bisher - grundsätzlich der Erlass des Widerspruchbescheids. Vielmehr sind für türkische Staatsangehörige, die durch das Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsächliche und rechtliche Änderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht zu berücksichtigen, da nach den europarechtlichen Vorgaben über die Ausweisung anhand einer aktuellen Gefahrenprognose entschieden werden muss (EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 3.8.2004, - BVerwG 1 C 29.02 -). In allen bis zum 31.1.2005 anhängig gewordenen Verwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die - wie hier - im Wege einer Ist- oder Regelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Ausländerbehörde mit Rücksicht auf die Rechtsprechungsänderung auch Gelegenheit zu geben, eine danach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung neuer Tatsachen in gemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren.
40 
b.) Privilegierte türkische Staatsangehörige dürfen nur nach einer individuellen Entscheidung der zuständigen Behörde ausgewiesen werden, was zur Folge hat, dass die Tatbestände der zwingenden Ausweisung und einer Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80 privilegierte türkische Staatsangehörige nach den einschlägigen gemeinschaftlichen Grundsätzen nur aufgrund einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden kann.
41 
c.) Erforderlich für eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte zu beschränken und darf sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Darüber hinaus hängt die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen davon ab, ob das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Dem gemeinschaftlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt hierbei besondere Bedeutung zu.
42 
Damit setzt die Ausweisung eines assoziationsrechtlich privilegierten türkischen Staatsangehörigen das Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts voraus. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ist nur erfüllt, wenn eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der Betroffene durch sein Verhalten die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit tatsächlich und schwerwiegend gefährdet (EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya, Absätze 36 ff.). Dies ist dann der Fall, wenn beim Betroffenen weitere schwere Straftaten zu erwarten sind, die im Hinblick auf das berechtigte Interesse des Mitgliedstaates am Schutz der öffentlichen Sicherheit nicht mehr hinnehmbar sind und die auch bei Berücksichtigung der persönlichen Belange des Betroffenen seine Entfernung aus dem Mitgliedstaat rechtfertigen.
43 
Die gerichtliche Gefahrenprognose ergibt, dass beim Kläger gegenwärtig keine qualifizierte Wiederholungsgefahr besteht. Die von der Behörde erkannte, vom Kläger weiterhin ausgehende theoretische Gefahr, reicht hierfür nicht aus. Sie beschränkt sich auf die allgemeine Rückfallgefahr, die bei jedem ehemals Drogensüchtigen besteht und die auch durch Entgiftung und Entwöhnung nicht völlig beseitigt wird. Dabei stellt die Möglichkeit eines Rückfalls in den Drogenkonsum lediglich einen Teilaspekt der notwendigen Gesamtwürdigung dar und reicht für sich genommen zur Begründung der erforderlichen qualifizierten Wiederholungsgefahr nicht aus. Insofern misst der Beklagte dem Ergebnis der fahrerlaubnisrechtlich veranlassten Untersuchung des Klägers durch eine medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle zu Unrecht eine entscheidende Bedeutung bei. Ausschlaggebend für die ausländerpolizeirechtliche Gefahrenprognose ist nicht dieser einzelne Aspekt, sondern der Gesamteindruck, bei dem nicht nur die begangenen Straftaten sondern auch die persönliche Entwicklung, das Verhalten nach Bestrafungen und die Einschätzung anderer befasster Stellen zu beachten und zu bewerten sind.
44 
Wird auf den maßgeblichen Gesamteindruck abgestellt, hält die Gefahrenprognose des Beklagten der gerichtlichen Überprüfung nicht Stand. Bei der Gesamtwürdigung sind folgende Punkte zu berücksichtigen:
45 
Die Straftaten wurden im Zeitraum Mitte 1999 bis November 2000 begangen. Sie liegen 4,5 Jahre zurück und wurden wegen Retardierungen der Persönlichkeitsentwicklung nach Jugendstrafrecht abgeurteilt. Alle abgeurteilte Taten liegen vor der ersten Verurteilung am 5.12.2000. Der Kläger lebt seit Februar 2002 drogenabstinent. Dies ist durch die Ergebnisse mehrfacher unangekündigter Urinkontrollen, die in der Haftzeit, durch den Bewährungshelfer und durch das medizinisch-psychologische Institut beim TÜV erfolgten, sowie durch das Ergebnis der bei ihm durchgeführten Haaranalyse nachgewiesen. Der Kläger hat damit seit 3,5 Jahren keine illegalen Drogen mehr konsumiert. Eine glaubhafte Änderung der Einstellungen des Klägers ist mehrfach dokumentiert. Nach dem Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt R. vom 6.8.2003 war beim Kläger von Beginn an die Absicht erkennbar, sich einer Drogentherapie zu unterziehen. Dazu nahm er Kontakt zur Drogenberatung auf, nahm an einer Motivationsgruppe teil und hielt Kontakt zu einer Therapieeinrichtung. Sämtliche Urinkontrollen in der Haftzeit sind negativ gewesen. Eine günstige Sozialprognose wurde dem Kläger auch im Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts R. vom 20.8.2003 gestellt. Dabei wurde dem Kläger seine ordentliches Verhalten im Vollzug zugute gehalten und der Umstand, dass sämtliche Urinkontrollen negativ gewesen sind. Die von Anfang an vorhandene Absicht, an einer Drogenlangzeittherapie teilzunehmen, sei nur an der fehlenden Kostenzusage gescheitert, was der Kläger nicht zu vertreten habe. Die Bemühungen des Klägers um eine Drogentherapie sind auch durch die Bescheinigung der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas ... vom 14.8.2003 belegt. Dass der Kläger seine Abkehr vom früheren negativen Verhalten nach der Haftzeit beibehalten hat, bestätigen die von ihm vorgelegten Bescheinigungen über seine Versuche eine Lehrstelle zu finden und - bezüglich seines sozialen Engagements bei der Integration vorwiegend türkischstämmiger Jugendlicher - das Bestätigungsschreiben des Bürgermeisters von M. vom 8.6.2005 und die Angaben von Polizeihauptmeister K. in der mündlichen Verhandlung am 14.6.2005. Der Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, war positiv. Auch aufgrund dieses Eindrucks nimmt das Gericht dem Kläger ab, dass er seine Fehler eingesehen und ernsthaft bereut hat und dass er weiter entschlossen und in der Lage ist, in Zukunft ein straf- und drogenfreies Leben zu führen. Der Kläger ist nach dem Eindruck des Gerichts auch in seiner Persönlichkeitsentwicklung gefertigt und durchaus selbstkritisch. Ihm ist klar, dass er zur endgültigen Bereinigung seiner Drogenproblematik auf eine Langzeitdrogentherapie angewiesen ist. Die Absicht, diese Therapie durchzuführen, ist bei ihm vorhanden.
46 
Danach gibt es beim Kläger eine insgesamt positive Entwicklung. Wird sie gesehen und in die Prognoseentscheidung eingestellt, erscheint die allein auf eine allgemeine Rückfallgefahr und auf die nach Jugendstrafrecht abgeurteilten und 4,5 Jahre zurückliegenden Betäubungsmittelstraftaten gestützte Gefahrenprognose der Behörde in der Wahrnehmung lückenhaft und im Ergebnis verfehlt. Eine gegenwärtige konkrete Gefahr, dass der Kläger in absehbarer Zeit schwere Straftaten begehen und dadurch die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erheblich stören wird, ist für das Gericht gegenwärtig auch nicht im Ansatz erkennbar. Eine qualifizierte Wiederholungsgefahr im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 besteht daher beim Kläger, der weiß, dass er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen darf, nicht.
47 
Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 für die Ausweisung des assoziationsrechtlich privilegierten türkischen Staatsbürgers gegenwärtig nicht vor. Die Ausweisungsentscheidung ist daher rechtswidrig, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die Bezirksstelle die Ausweisung in wirksamer Weise auf eine Ermessensentscheidung gestützt und das Ermessen dabei auch bezüglich der Gefahrenprognose fehlerfrei ausgeübt hat. Die Ausweisungsentscheidung war in der Folge aufzuheben.
48 
II. Die Abschiebungsandrohung unterliegt ebenfalls der Aufhebung. Sie ist rechtswidrig weil nach der Aufhebung der Ausweisungsentscheidung beim Kläger keine vollziehbare Ausreisepflicht besteht. Eine Abschiebungsandrohung durfte daher nicht ergehen (vgl. § 59 AufenthG50 AuslG).
49 
Der Klage war danach insgesamt stattzugeben.
50 
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, weil er unterliegt (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO).

Gründe

 
21 
Das Gericht kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Klage ist zulässig und begründet.
23 
Die im Bescheid vom 24.3.2003 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung sind rechtswidrig und verletzen den Kläger daher in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
24 
I. Die gegenwärtige Rechtsgrundlage für die Ausweisung des Klägers ist § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 14 ARB 1/80. Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. EUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya).
25 
Die Behörde hat bei der Ausweisung des Klägers die sich für ihn aus dem Assoziationsratsbeschluss 1/80 vom 19.9.1980 in materiell- und verfahrensrechtlicher Hinsicht ergebenden Schutzwirkungen zu beachten. Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kann sich auf ein gesetzliches Aufenthaltsrecht nach dem Art. 7 ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer Ausweisungsschutz zukommt. Gemäß Art. 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen hinsichtlich der Beschäftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80 herleiten können, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt außerdem zwangsläufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig ist. Art. 7 ARB 1/80 gewährt dem Familienangehörigen somit ein unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen Mitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Dieses Recht kann der Kläger - hiervon gehen auch die Beteiligten aus - von seinem Vater ableiten, der seit den siebziger Jahren in der BRD arbeitet. Der Kläger hat dieses Recht weder durch Erlangung der Volljährigkeit noch durch Arbeitslosigkeit oder Inhaftierung verloren (vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya).
26 
1. Bei Beachtung der assoziationsrechtlichen Rechtsstellung des Klägers erweist sich die Ausweisungsverfügung vom 24.3.2003 als bereits formell rechtswidrig.
27 
Nach der Rechtsprechung des EUGH gelten die Rechtsschutzgarantien der Artikel 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auch für türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB 1/80 zukommt (vgl. EUGH, Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 -Dörr/Ünal). Dem gegen die Anwendbarkeit der Richtlinie vorgebrachten Einwand des Regierungspräsidiums Tübingen - Bezirksstelle für Asyl -, dass die Bestimmung wegen der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 überholt und daher nicht anzuwenden sei, vermag das Gericht wegen der anders lautenden Übergangsregelungen in Art. 38 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG nicht zu folgen. Nach diesen Regelungen wird die Richtlinie 64/221/EWG erst zum 30.4.2006 und nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.
28 
Nach Art. 9 der danach im vorliegenden Fall anzuwendenden Richtlinie 64/221/EWG trifft die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist.
29 
Die - vorherige - Einschaltung einer zuständigen Stelle war hier erforderlich. Das hier nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfügung gegebene Rechtsmittel der Anfechtungsklage betrifft nach §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO „nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung“ (a.) Ein „dringender Fall“ im Sinne der Richtlinie lag beim Kläger nicht vor (b.). Der danach gegebene Verfahrensfehler wurde auch nicht nachträglich geheilt (c.).
30 
a.) Das nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfügung gegebene Rechtsmittel betrifft nach §§ 42 Abs. 2 und 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO „nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung“, so dass die - vorherige - Einschaltung einer unabhängigen Stelle erforderlich ist. Auszulegen war der von der Richtlinie 64/221/EWG verwendete unbestimmte Rechtsbegriff „Gesetzmäßigkeit“ der Entscheidung. Hierfür war zu ermitteln, welchen Inhalt die von der Richtlinie vorgesehene Überprüfung durch die unabhängige Stelle haben soll. Der EUGH hat dazu im Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 - Dörr/Ünal ausgeführt:
31 
„... Es ist daran zu erinnern, dass das Eingreifen einer solchen Stelle dem Betroffenen ermöglichen muss, eine erschöpfende Prüfung aller Tatsachen und Umstände einschließlich der Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Maßnahme zu erwirken, ehe die Entscheidung endgültig getroffen wird (Urteile vom 22. Mai 1980 in der Rechtssache 131/79, Santillo, Slg. 1980, 1585, Randnr. 12, sowie vom 18. Mai 1982 in den Rechtssachen 115/81 und 116/81, Adoui und Cornuaille, Slg. 1982, 1665, Randnr. 15).“
32 
Nach diesen eindeutigen Ausführungen kann davon ausgegangen werden, dass die gerichtliche Entscheidung über den Rechtsbehelf immer dann „nur die Gesetzmäßigkeit“ der Entscheidung betrifft, wenn sie in materieller Hinsicht hinter dem vom EUGH in diesem Zusammenhang geforderten umfassenden Prüfprogramm zurückbleibt. Dies ist bei den nationalen deutschen Regelungen der Fall (vgl. EUGH, Urteil vom 29.4.2004 - C-482/01 - Orfanopoulos/Oliveri, Absätze 109 ff.). Gegen die Ausweisung durch das Regierungspräsidium Tübingen - Bezirksstelle für Asyl - kann der Betroffene nach § 42 Abs. 1 VwGO nur eine Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung der Verfügung erheben. Ein Vorverfahren ist nach § 6a AGVwGO Bad.-Württ. ausgeschlossen. Der vom Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Anfechtungsklage nach § 42 VwGO anzulegende Prüfungsmaßstab ergibt sich bei einer - hier allein möglichen - Ermessensentscheidung (vgl. EUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C 467/02 - Cetinkaya) aus den §§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 114 Satz 1 VwGO. Danach unterliegt die Ausweisungsverfügung nur dann der Aufhebung, wenn der Kläger durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt wird. Dies ist der Fall, wenn die tatbestandsmäßigen gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Ausweisungsverfügung nicht gegeben sind, wenn die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder wenn von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Dieses auf die Überprüfung der Voraussetzungen des gesetzlichen Ausweisungstatbestands, der gesetzlichen Ermessensgrenzen und der Einhaltung des gesetzlichen Zwecks der Ermächtigung beschränkte Prüfprogramm bleibt ganz erheblich hinter dem vom EUGH im Urteil vom 2.6.2005 - C-136/03 - Dörr/Ünal geforderten umfassenden Prüfprogramm zurück. Dieses Ergebnis bestätigt im übrigen der Umstand, dass nach nationalem Recht die vorgelagerte Ausübung des Entschließungsermessens vom Gericht nicht überprüft werden kann. Die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger mit einer Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 darf nur aus spezialpräventiven Gründen und nur im Ermessensweg erfolgen (vgl. EUGH, Urteil vom 11.11.2004 - C 467/02 - Cetinkaya). Daher ist es für die Frage, ob der Prüfungsumfang umfassend ist, von zentraler Bedeutung, ob die vorgelagerte Ausübung des Entschließungsermessens vom Gericht überprüft werden darf oder nicht. Also ob das Gericht seiner Prüfung auch zugrunde legen darf, ob die Ausweisungsentscheidung nach seiner Einschätzung unter Beachtung aller integrations- und sicherheitspolitischen sowie persönlichen Belange im Einzelfall zweckmäßig erscheint oder ob sie untunlich ist. Eine solchermaßen weite Zweckmäßigkeitsüberprüfung nach nationalem Recht der Exekutive vorbehalten. Eine Kontrolle ist durch das Gericht nach den §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO nicht vorgesehen. Danach ist bei dem nach nationalem Recht gegen die Ausweisungsverfügung gegebenen Rechtsmittel im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG die Überprüfung auf die „Gesetzmäßigkeit“ der Entscheidung beschränkt.
33 
b.) Von der danach erforderlichen - vorherigen - Einschaltung einer zuständigen Stelle konnte im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise abgesehen werden. Die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann nur „in dringenden Fällen“ unterbleiben (vgl. Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG). Ein dringender Fall lag beim Kläger zum insofern maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung am 24.3.2003 nicht vor. Zur Begründung kann auf die den Beteiligten bekannten Ausführungen im Eilbeschluss vom 5.11.2003 im Verfahren - 4 K 744/03 - verwiesen werden, wonach ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsentscheidung beim Kläger nicht festgestellt werden konnte. Wegen des gleichen Prüfungsmaßstabs rechtfertigt die Annahme des Fehlens eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung grundsätzlich die gleichzeitige Annahme des Fehlens eines „dringenden Falls“ (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 14.6.2005 - 4 K 17/05 -). Das Fehlen eines besonderen Vollzugsinteresses zum Zeitpunkt des Erlasses des Eilbeschlusses am 5.11.2003 indiziert zusammen mit der Entwicklung des Klägers und mit der Dauer des bereits am 1.3.2002 eingeleiteten Ausweisungsverfahrens, dass im Fall des Klägers auch zum Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung kein „dringender Fall“ vorlag. Danach war die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ erforderlich und das Absehen von der - vorherigen - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ stellt demnach einen Verfahrensfehler dar.
34 
c.) Der Verfahrensfehler ist auch beachtlich und führt daher zur Rechtswidrigkeit der Ausweisungsentscheidung. Eine nachträgliche Heilung kommt nicht in Betracht (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG Bad.-Württ.). Weder wurde die fehlende Beteiligung der unabhängigen Stelle durch eine behördliche Entscheidung nachgeholt noch kann das gegen die Ausweisungsentscheidung durchgeführte Klagverfahren eine Heilung bewirken.
35 
Das Unterlassen der - vorherigen - Einschaltung einer unabhängigen Stelle führt damit zu einem Verstoß gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien und damit zur formellen Rechtswidrigkeit der Ausweisungsverfügung.
36 
2. Die Ausweisungsentscheidung ist aber auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig.
37 
Dabei sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt, nachdem durch die Straftaten nicht nur vereinzelte oder geringfügige Verstöße gegen die Rechtsordnung vorliegen. Das Ausweisungsermessen ist danach eröffnet.
38 
Der Kläger kann sich - wie oben ausgeführt - als türkischer Staatsangehöriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat zur Folge, dass zu seinen Gunsten von veränderten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-482/01 - Orfanopoulos/Oliveri) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich diese Entscheidung des EuGH auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, sie ist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsätze auf türkische Staatsangehörige zu übertragen, die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei“ aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Angehörigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des ARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die im Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.2.2000, C-340/97, Nazli, und Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung kombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.4.2004 (Orfanopoulos/Oliveri) ergeben sich für türkische Staatsangehörige, die die Rechte aus dem ARB 1/80 besitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 3.8.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -):
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a.) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist nicht - wie bisher - grundsätzlich der Erlass des Widerspruchbescheids. Vielmehr sind für türkische Staatsangehörige, die durch das Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsächliche und rechtliche Änderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht zu berücksichtigen, da nach den europarechtlichen Vorgaben über die Ausweisung anhand einer aktuellen Gefahrenprognose entschieden werden muss (EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 3.8.2004, - BVerwG 1 C 29.02 -). In allen bis zum 31.1.2005 anhängig gewordenen Verwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die - wie hier - im Wege einer Ist- oder Regelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Ausländerbehörde mit Rücksicht auf die Rechtsprechungsänderung auch Gelegenheit zu geben, eine danach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung neuer Tatsachen in gemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren.
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b.) Privilegierte türkische Staatsangehörige dürfen nur nach einer individuellen Entscheidung der zuständigen Behörde ausgewiesen werden, was zur Folge hat, dass die Tatbestände der zwingenden Ausweisung und einer Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80 privilegierte türkische Staatsangehörige nach den einschlägigen gemeinschaftlichen Grundsätzen nur aufgrund einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden kann.
41 
c.) Erforderlich für eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte zu beschränken und darf sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Darüber hinaus hängt die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen davon ab, ob das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Dem gemeinschaftlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt hierbei besondere Bedeutung zu.
42 
Damit setzt die Ausweisung eines assoziationsrechtlich privilegierten türkischen Staatsangehörigen das Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts voraus. Dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 ist nur erfüllt, wenn eine Prognoseentscheidung ergibt, dass der Betroffene durch sein Verhalten die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit tatsächlich und schwerwiegend gefährdet (EuGH, Urteil vom 11.11.2004 - C-467/02 - Cetinkaya, Absätze 36 ff.). Dies ist dann der Fall, wenn beim Betroffenen weitere schwere Straftaten zu erwarten sind, die im Hinblick auf das berechtigte Interesse des Mitgliedstaates am Schutz der öffentlichen Sicherheit nicht mehr hinnehmbar sind und die auch bei Berücksichtigung der persönlichen Belange des Betroffenen seine Entfernung aus dem Mitgliedstaat rechtfertigen.
43 
Die gerichtliche Gefahrenprognose ergibt, dass beim Kläger gegenwärtig keine qualifizierte Wiederholungsgefahr besteht. Die von der Behörde erkannte, vom Kläger weiterhin ausgehende theoretische Gefahr, reicht hierfür nicht aus. Sie beschränkt sich auf die allgemeine Rückfallgefahr, die bei jedem ehemals Drogensüchtigen besteht und die auch durch Entgiftung und Entwöhnung nicht völlig beseitigt wird. Dabei stellt die Möglichkeit eines Rückfalls in den Drogenkonsum lediglich einen Teilaspekt der notwendigen Gesamtwürdigung dar und reicht für sich genommen zur Begründung der erforderlichen qualifizierten Wiederholungsgefahr nicht aus. Insofern misst der Beklagte dem Ergebnis der fahrerlaubnisrechtlich veranlassten Untersuchung des Klägers durch eine medizinisch-psychologische Untersuchungsstelle zu Unrecht eine entscheidende Bedeutung bei. Ausschlaggebend für die ausländerpolizeirechtliche Gefahrenprognose ist nicht dieser einzelne Aspekt, sondern der Gesamteindruck, bei dem nicht nur die begangenen Straftaten sondern auch die persönliche Entwicklung, das Verhalten nach Bestrafungen und die Einschätzung anderer befasster Stellen zu beachten und zu bewerten sind.
44 
Wird auf den maßgeblichen Gesamteindruck abgestellt, hält die Gefahrenprognose des Beklagten der gerichtlichen Überprüfung nicht Stand. Bei der Gesamtwürdigung sind folgende Punkte zu berücksichtigen:
45 
Die Straftaten wurden im Zeitraum Mitte 1999 bis November 2000 begangen. Sie liegen 4,5 Jahre zurück und wurden wegen Retardierungen der Persönlichkeitsentwicklung nach Jugendstrafrecht abgeurteilt. Alle abgeurteilte Taten liegen vor der ersten Verurteilung am 5.12.2000. Der Kläger lebt seit Februar 2002 drogenabstinent. Dies ist durch die Ergebnisse mehrfacher unangekündigter Urinkontrollen, die in der Haftzeit, durch den Bewährungshelfer und durch das medizinisch-psychologische Institut beim TÜV erfolgten, sowie durch das Ergebnis der bei ihm durchgeführten Haaranalyse nachgewiesen. Der Kläger hat damit seit 3,5 Jahren keine illegalen Drogen mehr konsumiert. Eine glaubhafte Änderung der Einstellungen des Klägers ist mehrfach dokumentiert. Nach dem Bericht des Leiters der Justizvollzugsanstalt R. vom 6.8.2003 war beim Kläger von Beginn an die Absicht erkennbar, sich einer Drogentherapie zu unterziehen. Dazu nahm er Kontakt zur Drogenberatung auf, nahm an einer Motivationsgruppe teil und hielt Kontakt zu einer Therapieeinrichtung. Sämtliche Urinkontrollen in der Haftzeit sind negativ gewesen. Eine günstige Sozialprognose wurde dem Kläger auch im Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts R. vom 20.8.2003 gestellt. Dabei wurde dem Kläger seine ordentliches Verhalten im Vollzug zugute gehalten und der Umstand, dass sämtliche Urinkontrollen negativ gewesen sind. Die von Anfang an vorhandene Absicht, an einer Drogenlangzeittherapie teilzunehmen, sei nur an der fehlenden Kostenzusage gescheitert, was der Kläger nicht zu vertreten habe. Die Bemühungen des Klägers um eine Drogentherapie sind auch durch die Bescheinigung der Psychosozialen Beratungsstelle der Caritas ... vom 14.8.2003 belegt. Dass der Kläger seine Abkehr vom früheren negativen Verhalten nach der Haftzeit beibehalten hat, bestätigen die von ihm vorgelegten Bescheinigungen über seine Versuche eine Lehrstelle zu finden und - bezüglich seines sozialen Engagements bei der Integration vorwiegend türkischstämmiger Jugendlicher - das Bestätigungsschreiben des Bürgermeisters von M. vom 8.6.2005 und die Angaben von Polizeihauptmeister K. in der mündlichen Verhandlung am 14.6.2005. Der Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, war positiv. Auch aufgrund dieses Eindrucks nimmt das Gericht dem Kläger ab, dass er seine Fehler eingesehen und ernsthaft bereut hat und dass er weiter entschlossen und in der Lage ist, in Zukunft ein straf- und drogenfreies Leben zu führen. Der Kläger ist nach dem Eindruck des Gerichts auch in seiner Persönlichkeitsentwicklung gefertigt und durchaus selbstkritisch. Ihm ist klar, dass er zur endgültigen Bereinigung seiner Drogenproblematik auf eine Langzeitdrogentherapie angewiesen ist. Die Absicht, diese Therapie durchzuführen, ist bei ihm vorhanden.
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Danach gibt es beim Kläger eine insgesamt positive Entwicklung. Wird sie gesehen und in die Prognoseentscheidung eingestellt, erscheint die allein auf eine allgemeine Rückfallgefahr und auf die nach Jugendstrafrecht abgeurteilten und 4,5 Jahre zurückliegenden Betäubungsmittelstraftaten gestützte Gefahrenprognose der Behörde in der Wahrnehmung lückenhaft und im Ergebnis verfehlt. Eine gegenwärtige konkrete Gefahr, dass der Kläger in absehbarer Zeit schwere Straftaten begehen und dadurch die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland erheblich stören wird, ist für das Gericht gegenwärtig auch nicht im Ansatz erkennbar. Eine qualifizierte Wiederholungsgefahr im Sinne des Art. 14 ARB 1/80 besteht daher beim Kläger, der weiß, dass er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen darf, nicht.
47 
Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 für die Ausweisung des assoziationsrechtlich privilegierten türkischen Staatsbürgers gegenwärtig nicht vor. Die Ausweisungsentscheidung ist daher rechtswidrig, ohne dass es noch darauf ankäme, ob die Bezirksstelle die Ausweisung in wirksamer Weise auf eine Ermessensentscheidung gestützt und das Ermessen dabei auch bezüglich der Gefahrenprognose fehlerfrei ausgeübt hat. Die Ausweisungsentscheidung war in der Folge aufzuheben.
48 
II. Die Abschiebungsandrohung unterliegt ebenfalls der Aufhebung. Sie ist rechtswidrig weil nach der Aufhebung der Ausweisungsentscheidung beim Kläger keine vollziehbare Ausreisepflicht besteht. Eine Abschiebungsandrohung durfte daher nicht ergehen (vgl. § 59 AufenthG50 AuslG).
49 
Der Klage war danach insgesamt stattzugeben.
50 
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, weil er unterliegt (vgl. § 154 Abs. 1 VwGO).

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Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 14. Juli 2005 - 4 K 743/03 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


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(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung. (2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder

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Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 14. Juni 2005 - 4 K 17/05

bei uns veröffentlicht am 14.06.2005

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1  Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung. 2  Der am 23.09.1979 geborene Kläger ist türkischer Staatsangeh
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 29. Juni 2006 - 11 S 2299/05

bei uns veröffentlicht am 29.06.2006

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. September 2005 - 3 K 3786/04 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Tatbestan

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(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
Der am 23.09.1979 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und wurde in F. geboren. Zunächst besuchte er die Grund- und Sonderschule bis er anschließend in die Berufsschule wechselte, die er mit dem Hauptschulabschluss verließ. Eine Ausbildung absolvierte der Kläger nicht. Vielmehr machte er sich Anfang 1999 als Ausfahrer von Zeitungen und Zeitschriften mit einem von Dritten überlassenen Fahrzeug selbstständig. Seine Tätigkeit als Selbstständiger hatte jedoch keinen dauerhaften Erfolg, so dass er diese wieder aufgab und anschließend unselbstständigen Tätigkeiten nachging. Seit 2002 ist der Kläger arbeitslos. Der Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Er lebte zuletzt bei seiner Mutter in F. und wurde von dieser unterstützt; teilweise bezog er auch Sozialhilfe. Der Vater des Klägers, der auch in F. lebte und arbeitete, ist Anfang des Jahres 2000 verstorben. Ein Bruder des Klägers lebt seit 1999 wieder in der Türkei.
Zuletzt war der Kläger im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, deren Verlängerung er am 18.04.2002 bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragte. Diese entschied über den Antrag wegen der vom Kläger begangenen Straftaten und dem anhängigen Ausweisungsverfahren zunächst nicht und erteilte dem Kläger für die Zwischenzeit entsprechende Fiktionsbescheinigungen, wovon die letzte am 18.01.2005 unwirksam wurde. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums T. vom 28.01.2005, zugestellt am 02.02.2005, wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt. Die hiergegen rechtzeitig erhobene Klage ist gleichfalls hier anhängig (4 K 403/05).
Während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland wurde der Kläger ab dem Jahr 1994 mehrfach straffällig und befindet sich seit dem 27.12.2004 in Haft. Insgesamt liegen folgende Verurteilungen und Eintragungen im BZR vor:
1. Urteil des Amtsgerichts T. vom 01.06.1994, rechtskräftig seit dem 09.06.1994, wegen uneidlicher Falschaussage zur Erbringung von Arbeitsleistungen;
2. Urteil des Amtsgerichts T. vom 14.09.1994, rechtskräftig seit dem 22.09.1994, wegen Diebstahls in 5 Fällen zu einer Woche Jugendarrest;
3. Urteil des Amtsgerichts T. vom 15.02.1995, rechtskräftig seit dem 23.02.1995, wegen gefährlicher Körperverletzung zur Erbringung von Arbeitsleistungen;
4. StA R., Verstoß gegen das BtMG am 10.02.1995; Absehen von der Verfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG;
5. Urteil des Amtsgerichts T. vom 28.07.1999, rechtskräftig seit dem 05.08.1999, wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldauflage;
10 
6. Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.08.1999, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen Diebstahls zu einer Geldauflage, welche nachträglich wegen Verstoß gegen Auflagen in 1 Woche Jugendarrest umgewandelt wurde;
11 
7. Urteil des Amtsgerichts T. vom 05.09.2000, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten auf Bewährung, die später widerrufen wurde;
12 
8. Urteil des Amtsgerichts T. vom 11.01.2001, rechtskräftig seit dem 02.02.2001, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 60 DM;
13 
9. Urteil des Amtsgerichts T. vom 12.03.2002, rechtskräftig seit dem 20.03.2002, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat ohne Bewährung;
14 
10. Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.06.2002, rechtskräftig seit dem 26.06.2002, wegen Diebstahls, versuchter Nötigung, versuchter Körperverletzung in 2 Fällen unter Einbeziehung der vorangegangenen Entscheidungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von  3 Monaten und 2 Wochen ohne Bewährung;
15 
11. Urteil des Amtsgerichts Ü. vom 19.09.2002, rechtskräftig seit dem 27.09.2002, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung;
16 
die Strafen unter 7. und 9. - 11. wurden im Zeitraum vom 17.06.2002 bis zum 08.04.2003 vollstreckt (JVA R.);
17 
12. Urteil des Amtsgerichts T. vom 22.07.2003, rechtskräftig seit dem 23.06.2004, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten ohne Bewährung;
18 
13. Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003, rechtskräftig seit dem 14.07.2004, wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 100 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des Diebstahls in 2 besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung; mit Beschluss vom 27.09.2004 wurde aus 12. und 13. eine Gesamtstrafe von einem Jahr gebildet
19 
14. Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.01.2005, rechtskräftig seit 26.01.2005, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung.
20 
Vor den letzten Straftaten wurde der Kläger insgesamt 2 Mal ausländerrechtlich verwarnt und zwar am 17.10.1995 über seine Eltern und persönlich am 15.03.2001. Hintergrund der Straftaten des Klägers ist sein jahrelanger Drogenkonsum (Heroinabhängigkeit). Hiergegen eingeleitete Maßnahmen (Entgiftungs-, Therapie- und Substituierungsversuche mit Methadon in den Jahren 2001 bis 2004) blieben sämtlich erfolglos bzw. wurden vom Kläger abgebrochen. Der Kläger musste nach seiner Haftentlassung im April 2003 seine weitere Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003, rechtskräftig seit dem 14.07.2004, zunächst nicht antreten, da er erneut einen Therapieplatz bekommen und das Amtsgerichts R. mit Beschluss vom 13.09.2004 einer Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe gem. § 35 Abs. 1 BtMG zugestimmt hatte. Aufgrund des anschließenden, vorzeitigen Therapieabbruchs wurde jedoch seitens der Staatsanwaltschaft R. am 25.11.2004 ein Haftbefehl erlassen; seit dem 27.12.2004 befindet er sich in Haft. In der Haft versucht der Kläger inzwischen sein Drogenproblem aufzuarbeiten und strebt eine erneute Drogentherapie an; hierzu hat er mittlerweile eine Kostenzusage erhalten.
21 
Mit Schreiben vom 27.06.2002 wurde der Kläger vom Regierungspräsidium T. – B. f. A. – zur aufgrund der verübten Straftaten beabsichtigten Ausweisung angehört. Mit Schreiben vom 03.07.2002 führte der Kläger hierzu aus, er lebe seit seiner Geburt zusammen mit seiner Familie – ausgenommen des Bruders - in der Bundesrepublik Deutschland. Er habe lediglich ein Mal, im Alter von sechs Jahren die Türkei bereist. Sein Lebensmittelpunkt sei dementsprechend in Deutschland. Hier habe er auch eine deutsche Freundin, die er heiraten wolle. Die Zeit in der JVA wolle er zu einer Ausbildung nutzen und nach seiner Haftentlassung eine Drogentherapie absolvieren. Außerdem müsse er sich um seine Mutter kümmern, die momentan alleine leben würde.
22 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums T. – B. f. A. – vom 30.11.2004, zugestellt am 04.12.2004, wurde der Kläger ausgewiesen und die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Zudem wurde ihm unter Einräumung einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung in die Türkei bzw. einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist, angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vom Kläger begangenen Straftaten aus dem Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.06.2002 sowie dem Urteil des Amtsgerichts Ü. vom 19.09.2002, vor allem aber aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003, würden einen zwingenden Ausweisungsgrund darstellen. Ein besonderer Ausweisungsschutz ergebe sich weder aus der befristeten Aufenthaltserlaubnis, noch aus der Tatsache, dass sich der Kläger seit seiner Geburt im Bundesgebiet befinde. Auch würde er nicht unter die besonderen Ausweisungsschutzbestimmungen des ARB 1/80 Assoziationsabkommen fallen, da er weder dem regulären Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland angehöre noch eine Berufsausbildung abgeschlossen habe. Der Kläger sei lediglich Gelegenheitsarbeiten bei verschiedenen Arbeitgebern nachgegangen, jedoch habe er nie für mindestens 1 Jahr für ein und denselben Arbeitgeber gearbeitet. Seiner Tätigkeit als Selbstständiger sei er ebenfalls nur kurzfristig nachgegangen. Da ein besonderer Ausweisungsschutz somit für den Kläger nicht vorhanden sei, und er wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde und weder in den Tathandlungen noch in seiner Person eine Atypik erkennbar sei, liege ein zwingender Ausweisungsgrund vor. Eine Herabstufung sei daher nicht vorzunehmen. Darüber hinaus sei die Ausweisung aber auch aus ermessensrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Die Maßnahme sei geeignet, erforderlich und angemessen. Geeignet sei sie, da sie den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleiste und die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten, die der Kläger begehen könnte, schützen würde.
23 
Der Kläger habe in der Vergangenheit zahlreiche Straftaten auf der Ebene der mittleren und schweren Kriminalität begangen, die ein hohes Schutzgut, nämlich die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen gefährde. Erforderlich sei sie, weil mildere Mittel, wie z.B. die 2 ausländerrechtlichen Verwarnungen, zu keinem Erfolg geführt hätten und die Drogentherapie seitens des Klägers im November 2004 abgebrochen worden sei und sich dieser bei der Stadt F. obdachlos gemeldet habe. Aufgrund der schwerwiegenden Verstöße gegen die Rechtsordnung bestehe daher die konkrete Gefahr, dass der Kläger weitere einschlägige Straftaten begehe. Angemessen sei sie, da bei Abwägung des öffentlichen Interesses gegen das private Interesse des Klägers dem öffentlichen Interesse Vorrang zu geben sei. Zwar treffe die Maßnahme den Kläger nicht unerheblich, da er seit seiner Geburt in der Bundesrepublik Deutschland gelebt habe; andererseits könne von einer gelungenen Integration angesichts der zahlreichen Straftaten sowie der mangelnden Ausbildung und des fehlenden festen Arbeitsverhältnisses nicht ausgegangen werden. Es werde angenommen, dass der Kläger die türkische Sprache beherrsche und er verfüge durch den Familienverband auch über genügend Anknüpfungspunkte zu den türkischen Lebensgewohnheiten und Kulturen. Ferner könne er bei seinem seit 1999 in der Türkei lebenden Bruder eine Anlaufstelle und Unterstützung bekommen. Nachdem seine Mutter ihn zuletzt nicht mehr zuhause aufgenommen habe, fehle ihm auch die familiäre Perspektive in der BRD. Daher bestehe nach einer Ausreise in die Türkei die Chance, sein Leben neu zu ordnen und unter veränderten Umständen in geregelte Bahnen zu lenken. Für ihn und seine Familienangehörigen seien die Folgen der Ausweisung zumutbar und hinzunehmen. Nachdem die Abschiebung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht unmöglich sei und bei einer Ausweisung auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers bestehe, ergebe sich angesichts seiner privaten Lebenssituation und den von ihm begangenen Straftaten, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung dem privaten Interesse des Klägers, weiterhin in der BRD verbleiben zu können, deutlich überwiege. Weiter verstoße die Ausweisung auch nicht gegen höherrangiges Recht. Art 6 GG stehe nicht entgegen, da der Kläger weder verheiratet sei noch Kinder habe und zu seinem Elternhaus kein sehr guter Kontakt mehr bestehe.
24 
Eine besondere Beistandspflicht für seine Eltern sei nicht geltend gemacht worden und mit seiner deutschen Freundin führe er noch keine längere Lebensgemeinschaft. Unter Berücksichtigung der Art und Schwere der von ihm begangenen Straftaten sei es ihm zumutbar, mit 25 Jahren getrennt von seinen Eltern zu leben. Letztendlich sei auch ein Teil seiner Familie, sein Bruder, seit 1999 in der Türkei. Auch stehe Art 8 EMRK der Ausweisung nicht entgegen, da dieser abgesehen von seiner Anwendbarkeit nicht über die grundrechtlichen Schutzbestimmungen des Art. 6 GG hinausgehe.   Ebenso wenig verstoße die Ausweisung gegen Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkei aus dem Jahr 1927. Einem besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 3 Abs. 3 ENA stehe entgegen, dass er keiner geregelten Arbeit im Bundesgebiet nachgegangen sei. Aufgrund der verfügten Ausweisung – unter Anordnung des Sofortvollzugs – besitze der Kläger keine Aufenthaltsgenehmigung für die BRD mehr, so dass eine Abschiebungsandrohung zu erfolgen hatte. Der Kläger sei somit vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ausreisefrist von einem Monat ergebe sich aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland.
25 
Am 04.01.2005 hat der Kläger hier Klage erhoben und trägt zu deren Begründung vor, der Bescheid sei bereits in formeller Hinsicht nicht rechtmäßig, da das Regierungspräsidium nach seiner Haftentlassung am 08.04.2003 für den Erlass des Ausweisungsbescheides nicht mehr zuständig gewesen sei. Des weiteren sei die Verfügung des Beklagten auch materiell rechtswidrig. Der Beklagte gehe davon aus, dass er einen Ist - Ausweisungstatbestand verwirklicht habe. Dies sei jedoch nicht der Fall, da er – entgegen der Auffassung des Beklagten - unter die besonderen Ausweisungsschutzbestimmungen des ARB 1/80 falle. Zum einen gehöre er selbst dem Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland an. Der Beklagte verkenne, dass er sowohl in dem Unternehmen D. Transporte, als auch in dem Unternehmen des Herrn Ö. L. über ein Jahr ordnungsgemäß beschäftigt gewesen sei und es sich hierbei nicht um Gelegenheitsjobs gehandelt habe. Vielmehr habe er für seine Tätigkeit bei dem Unternehmen des Herrn Ö. L. eine monatliche Vergütung erhalten. Zum anderen sei er Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der BRD angehörigen türkischen Arbeitnehmers, da sein Vater seit den siebziger Jahren in Deutschland gelebt und gearbeitet habe. Auch habe er selbst sich stets um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bemüht. Zudem sei festzustellen, dass er als Familienangehöriger zwar das Recht auf freien Zugang zum Arbeitsmarkt habe – eine Pflicht bzw. die Koppelung einer Beschäftigung an die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung ergebe sich daraus aber gerade nicht. Weder die Unterbrechung durch die Inhaftierung noch das Erreichen der Volljährigkeit führe zum Verlust dieser Rechtsstellung, da entsprechende Beschränkungen innerhalb der Norm fehlen würden. Auch seien andere Verlusttatbestände nicht ersichtlich – er habe die BRD nie dauerhaft verlassen. Auch weise die Norm einen geringeren Arbeitsmarktbezug auf, da es ihr primär um die Integration von Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedsstaat ginge. Letztendlich habe er seine Rechtsstellung als Familienangehöriger auch dadurch nicht verloren, dass er einer Beschäftigung als Arbeitnehmer im regulären Arbeitsmarkt der BRD nachgegangen sei – die Normen würden nebeneinander bestehen bleiben. Daher bestehe ein besonderer Ausweisungsschutz, der zur Folge habe, dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden dürfte. Diese Prüfung sei aber von dem Beklagten unterlassen worden, da dieser gerade nicht die Frage geklärt habe, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, dass er erneut mit den Strafvorschriften in Konflikt geraten werde und ob dieser Wahrscheinlichkeitsgrad ausreiche, um eine Ausweisung trotz des ihm zu gewährenden erhöhten Ausweisungsschutzes zu rechtfertigen. Aufgrund des besonderen Ausweisungsschutzes sei eine Ist - Ausweisung - wie vom Beklagten durchgeführt - falsch.
26 
Diesbezüglich habe der Beklagte auch übersehen, dass die Voraussetzungen für eine Ist - Ausweisung nicht erfüllt seien, da weder aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 noch aus den anderen Urteilen ersichtlich sei, ob allein die Verurteilung wegen der Drogendelikte zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung geführt habe. Die Ist-Ausweisung scheide daher als Rechtsgrundlage aus; hierauf habe jedoch der Beklagte die Ausweisung primär gestützt. Nur hilfsweise sei die Ausweisung noch auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessenentscheidung bejaht worden. Hier sei das Ermessen allerdings fehlerhaft ausgeübt worden. Eine notwendig durchzuführende Gefahrenprognose sei nicht getroffen worden, eine etwaige Wiederholungsgefahr sei seitens des Beklagten nicht einmal erwähnt worden. Auch könne auf diese nicht durch die Verurteilungen in der Vergangenheit geschlossen werden. Vielmehr müsse eine Prognose für die Zukunft aufgestellt werden. Da er sich bei Haftantritt einem kalten Entzug habe unterziehen müssen, konsumiere er seitdem auch keine Drogen mehr; er befinde sich derzeit auch in keiner Methadonbehandlung. Eine Betäubungsmittelabhängigkeit seit daher zu verneinen, so dass eine Wiederholungsgefahr gerade ausscheide. Zudem habe er inzwischen eine Kostenzusage für eine Entziehungstherapie. Da sich der Beklagte mit der Gefahrenprognose - die Tatbestandsvoraussetzung für die Ausweisung sei - nicht auseinandergesetzt habe, sei das Ermessen fehlerhaft.
27 
Darüber hinaus habe der Beklagte keine angemessene Abwägung des öffentlichen Interesses mit seinen Interessen durchgeführt. Der Beklagte habe lediglich angenommen, dass er die türkische Sprache beherrsche. Daraus werde ersichtlich, dass sich der Beklagte nicht ausreichend mit dem Sachverhalt beschäftigt habe. Er sei mit 5 Jahren in die BRD eingereist, so dass die Verhältnisse in Deutschland für seine Entwicklung und Persönlichkeit maßgeblich und prägend gewesen seien. Er habe weder soziale noch schulische Kontakte in der Türkei aufgebaut. Die Tatsache, dass sein Bruder in der Türkei lebe und er somit eine Anlaufstelle habe, könne hierbei nicht ausschlaggebend sein. Vielmehr müsse er hierfür die türkische Sprache beherrschen, was nicht einfach unterstellt werden könnte. Zudem sei er so gut wie nie in der Türkei gewesen. Er besitze somit keine anderen Verbindungen zu diesem Land als die Staatsangehörigkeit, so dass auch hier ein Ermessensfehler vorliege. Ebenso habe er enge Bindung zu den Familienangehörigen und seine Hilfe sei für die Mutter unerlässlich, da der Vater bereits verstorben sei. Auch habe der Beklagte den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht umfassend berücksichtigt. Der Beklagte habe die betroffenen Interessen nicht ausreichend ermittelt und in ihrem jeweiligen Gewicht unberücksichtigt gelassen. Er stelle eine unerlässliche Hilfe für seine Mutter dar und wohne noch bei dieser. Außerdem wolle er seine deutsche Freundin heiraten. Dieser sei es aber nicht zumutbar, das Bundesgebiet zu verlassen um die eheliche Lebensgemeinschaft verwirklichen zu können. Dies habe der Beklagte verkannt. Ebenso verstoße die Ausweisung gegen Art. 3 ENA. Hiernach müssten besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, das hieße, es müsse insbesondere eine konkrete Gefahr für eine erneute Störung gegeben sein. Der Beklagte habe jedoch eben eine solche Prognose nicht durchgeführt. Auch verlange Art. 3 ENA eine jeweils individuelle Bewertung der Hinnehmbarkeit des weiteren Aufenthalts eines Vertragsausländers – diese sei jedoch aus der Begründung des Bescheids nicht zu entnehmen. Die mangelnde Auseinandersetzung des Beklagten mit dem Sachverhalt ergebe sich auch daraus, dass dieser von einer bis zum 11.04.2003 befristeten Aufenthaltsgenehmigung ausgegangen sei. Demgegenüber habe er aber am 18.04.2002 die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsgenehmigung beantragt. Seither seien ihm Fiktionsbescheinigungen erteilt worden, die erst mit der Zweckerfüllung, d.h. bei der Antragsablehnung als solche erlöschen würden. Daher habe er bis zur Antragsablehnung am 28.01.2005 eine Aufenthaltsgenehmigung gehabt. Auch dies habe die Beklagte übersehen. Der Bescheid sei daher insgesamt nicht sachgerecht, geeignet, erforderlich und angemessen. Auch verstoße die Ausweisung gegen Grundrechte, da sie ohne Befristung erfolgt sei. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines Befristungsantrags genüge nicht; die Ausweisung ohne Befristung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff i. S. von Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. Der Beklagte müsse daher die Ausweisung bei türkischen Staatsangehörigen von vorn herein befristen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 30.11.2004 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
32 
Zur Begründung wird auf den Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass dem Kläger zwar ein – im Bescheid zu Unrecht verneinter – besonderer Ausweisungsschutz aus Art. 7 ARB 1/80 zukomme, da die Mutter des Klägers von September 1982 bis September 1990 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, die hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen würden jedoch den erhöhten Anforderungen des Assoziationsrechts genügen. Die gesteigerte Wiederholungsgefahr sei vorhanden. Dies belege auch die neuerliche Verurteilung des Klägers durch das Amtsgerichts T. vom 18.01.2005 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung. Vor allem habe der Kläger noch keine längerfristigen therapeutischen Maßnahmen gegen seine Drogenabhängigkeit durchlaufen. Die Kostenzusage und das Innehaben eines Therapieplatzes ändere an diesem Umstand nichts. Die Drogenprobleme des Klägers könnten auch in der Türkei hinreichend behandelt werden. Darüber hinaus habe der Kläger am 19.11.2004 um Zuweisung einer Obdachlosenwohnung bei der Stadtverwaltung Friedrichshafen gebeten, so dass davon auszugehen sei, dass er nicht mehr bei seiner Mutter wohne. Ferner würden noch andere Geschwister des Klägers in der BRD leben, die sich um die Mutter kümmern könnten. Der Umstand, dass die Ausweisung ohne zeitliche Befristung erfolgt sei, führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausweisungsbescheides, da dem Grundsatz der Antragsbefristung genügt worden sei. Eine Befristung von Amts wegen sei hier nicht geboten gewesen, da die besonderen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben gewesen seien.
33 
In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger angehört. Er führte im Wesentlichen aus, sein Vater sei am 16.02.2000 gestorben. Er habe zwei Brüder, eine Schwester und drei Halbbrüder. Diese befänden sich, bis auf den Bruder, der 1999 wegen einer Ausweisung in die Türkei zurückgekehrt sei, alle hier. Seit 1992 habe er fortlaufend Drogen konsumiert. Zunächst habe er gekifft, ab dem sechzehnten Lebensjahr dann aber harte Drogen und insbesondere Heroin genommen. Zweimal sei er in einem Methadonprogramm gewesen, habe aber dabei immer ab und zu Beikonsum, auch von Heroin, gehabt. Bei der letzten Therapie habe er bereits die Entgiftung abgebrochen, da er ein Mädchen - seine Freundin - kennen gelernt habe, welches ebenfalls drogenabhängig sei. Die Freundin wohne in N. In der Haft arbeite er derzeit in der Montage. Er wolle möglichst bald eine erneute Therapie beginnen, um später eine Berufsausbildung zu machen. In der Haft könne er keine Berufsausbildung absolvieren, da dazu die Haftdauer zu kurz sei.
34 
Neben dem Hauptsacheverfahren zur Aufenthaltserlaubnis (4 K 403/05), welches gleichzeitig verhandelt wurde, ist beim Gericht jeweils noch ein Eilverfahren zur Ausweisung (4 K 19/05) und zur Aufenthaltserlaubnis (4 K 416/05) anhängig. Die Klage und der Eilantrag zur Aufenthaltserlaubnis wurden in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen; die jeweiligen Verfahren wurden eingestellt.
35 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Gerichtsakten der weiteren, anhängigen Verfahren und auf die Behördenakten, die vorgelegen haben, verwiesen. Dem Gericht haben auch die Strafakten zum Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 (.../..) vorgelegen; auf deren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
37 
Die im Bescheid vom 30.11.2004 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung sind zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
38 
Die Ausweisung findet gegenwärtig ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
39 
Die Ausweisung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere war das Regierungspräsidium T. - entgegen der Auffassung des Klägers - für deren Erlass sachlich zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 in Strafhaft befand und diese Zuständigkeit mit seiner Haftentlassung im April 2003 nicht (wieder) beendet wurde. Sachlich zuständige Behörde war nach dem AuslG (§ 63 Abs. 1 AuslG) und ist heute nach dem AufenthG71 Abs. 1 AufenthG) die Ausländerbehörde. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 AuslG i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 1995 (GBl. v. 19.08.1995, S. 589) und nach § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 2005 (GBl. v. 14.01.2005, S. 95) ist das Regierungspräsidium als höhere Ausländerbehörde für die Ausweisung straffälliger Ausländer, wenn sich diese - wie hier - auf richterliche Anordnung in Strafhaft oder länger als eine Woche in Untersuchungshaft befinden, durchgängig zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt nach der inhaltsgleichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 1995 und in § 10 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 2005 bis zur Entscheidung über die Ausweisung bestehen, auch wenn der Ausländer aus der Haft entlassen wird. Hieraus geht gerade nicht hervor, dass die Ausweisungsentscheidung noch während der Haft oder unmittelbar nach der Haftentlassung getroffen werden muss. Vielmehr bleibt die besondere Zuständigkeit des Regierungspräsidiums bis zum Entscheidungszeitpunkt über die Ausweisung durch Erlass einer entsprechenden Verfügung oder die Einstellung des Ausweisungsverfahrens bestehen. Ersichtlich dient diese Regelung der Vermeidung eventueller ineffektiver Zuständigkeitswechsel durch Haftentlassungen, Haftunterbrechungen oder durch wiederholte kurzfristige Inhaftierungen. Das Regierungspräsidium ist zudem gemäß § 9 Abs. 2 AAZuVO 1995 und § 10 Abs. 3 AAZuVO 2005 bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Ausweisung auch für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels sowie zum Erlass der Abschiebungsandrohung oder -anordnung sachlich zuständig. Für „Haftfälle“ - wie hier - ist daher bis zum Abschluss des Ausweisungsverfahrens die gesamte ausländerrechtliche Zuständigkeit beim Regierungspräsidium konzentriert. Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG auch angehört worden.
40 
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kann sich auf ein gesetzliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer Ausweisungsschutz zukommt. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 vorliegen, begründet Art. 7 ARB 1/80 einen besonderen Ausweisungsschutz für den Kläger und die Möglichkeit der Berufung auf die Regelungen und Wirkungen des ARB 1/80. Der Kläger hat als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der BRD angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Genehmigung erhalten zu ihm zu ziehen. Hierbei ist es zunächst unbeachtlich, ob der Kläger bereits seit seiner Geburt 1979 oder erst 1984 in die BRD eingereist ist. Zwar ist in Art. 7 ARB 1/80 die Rede von „Genehmigung erhalten“, dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Verfasser des Beschlusses diejenigen Familienangehörigen ausschließen wollten, die im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats geboren wurden. Art. 7 ARB 1/80 verfolgt den Zweck, günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet wird, bei den Wanderarbeitnehmern zu leben, und ihre Stellung nach einer gewissen Zeit durch die Verleihung des Rechts gestärkt wird, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen (EuGH, Urteil vom 17. April 1997, C-351/95, Kadiman; EuGH, Urteil vom 16.03.2000, C-329/97, Ergat). Die Genehmigung hierfür ist erforderlich, da die erstmalige Zulassung der Einreise solcher Staatsangehöriger in einen Mitgliedsstaat im Grundsatz ausschließlich dem Recht dieses Staates unterliegt und die Einreisebestimmungen durch den ARB nicht berührt werden. Die Genehmigung bezweckt daher ausschließlich, diejenigen Familienangehörigen von Art. 7 ARB 1/80 auszunehmen, die unter Verstoß der Einreisebestimmungen in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind und dort wohnen. Daher kann sich der Kläger als Kind eines in Art. 7 S. 1 ARB 1/80 bezeichneten türkischen Arbeitnehmers darauf berufen, dass diese Vorschrift zu seinen Gunsten gilt, auch wenn er im Aufnahmemitgliedsstaat geboren ist und dort stets gelebt hat. Sowohl der Vater des Klägers hat seit den siebziger Jahren in der BRD gearbeitet, ebenso war seine Mutter von September 1982 bis September 1990 versicherungspflichtig in der BRD beschäftigt. Sein Vater ist zwischenzeitlich (1999) verstorben.
41 
Das Recht aus Art. 7 ARB 1/80 wird jedoch auch dadurch nicht verloren, dass der betreffende Arbeitnehmer zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedsstaates angehört. Gem. Art 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen hinsichtlich der Beschäftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80 herleiten können, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt außerdem zwangsläufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig ist. Art 7 ARB 1/80 gewährt dem Familienangehörigen somit ein unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen Mitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Daher kann der Kläger, nachdem er mehr als fünf Jahre ordnungsgemäß mit seinen Eltern zusammengelebt hat, diese Rechte ausüben, auch wenn der Arbeitnehmer nicht mehr dem Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaates angehört. Dementsprechend kann der Kläger seine Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 auch dann ausüben, wenn er volljährig ist (vgl. zusammenfassend: EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya).
42 
Der Kläger kann sich somit als türkischer Staatsangehöriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat zur Folge, dass zu seinen Gunsten von veränderten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-482/01, Orfanopoulos, DVBl 2004, 876 ff.) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich diese Entscheidung des EuGH auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, sie ist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsätze auf türkische Staatsangehörige zu übertragen, die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei“ aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Angehörigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des ARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die im Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.02.2000, C-340/97, Nazli, und Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung kombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (Orfanopoulos) ergeben sich für türkische Staatsangehörige, die die Rechte aus dem ARB 1/80 besitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 03.08.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -):
43 
1. Dies bedeutet zunächst, dass privilegierte türkische Staatsangehörige nur nach einer individuellen Entscheidung der zuständigen Behörde ausgewiesen werden dürfen, was zur Folge hat, dass die Tatbestände der zwingenden Ausweisung und einer Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80 privilegierte türkische Staatsangehörige nach den einschlägigen gemeinschaftlichen Grundsätzen nur aufgrund einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden kann.
44 
2. Erforderlich für eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte zu beschränken und darf sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Darüber hinaus hängt die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen davon ab, ob das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Dem gemeinschaftlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt hierbei besondere Bedeutung zu.
45 
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist nicht - wie bisher - grundsätzlich der Erlass des Widerspruchbescheids. Vielmehr sind für türkische Staatsangehörige, die durch das Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsächliche und rechtliche Änderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht zu berücksichtigen, da das Gericht nach den europarechtlichen Vorgaben eine aktuelle Gefahrenprognose anstellen muss (EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 03.08.2004, - BVerwG 1 C 29.02 -). In allen bis zum 31.01.2005 anhängig gewordenen Verwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die im Wege einer Ist- oder Regelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Ausländerbehörde mit Rücksicht auf die Rechtsprechungsänderung auch Gelegenheit zu geben, eine danach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung neuer Tatsachen in gemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren.
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Diesen Grundsätzen wird die hier streitige Ausweisungsentscheidung gerecht.
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Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung im Bescheid vom 31.11.2004 zwar primär auf die Rechtsgrundlage des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG und somit auf einen Ist - Ausweisungstatbestand gestützt, der aufgrund der gemeinschaftlichen Grundsätze bei einem privilegierten türkischen Staatsangehörigen nicht angewendet werden kann. Hilfsweise wurde jedoch auch eine Ermessensentscheidung nach §§ 45, 46 AuslG getroffen, die unter Berücksichtigung der im Klageverfahren ergänzten Ermessenserwägungen den dargelegten, erhöhten Anforderungen bei der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen entspricht.
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Allerdings ist aufgrund des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts der mündlichen Verhandlung hier nicht mehr das der Ausweisungsentscheidung zugrunde gelegte AuslG, sondern das am 1.1.2005 in Kraft getretene AufenthG anzuwenden. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung ist somit nur noch auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung gemäß § 55 AufenthG und nicht nach §§ 45, 46 AuslG zu beurteilen. Die genannten Normen des Aufenthaltsgesetzes und des Ausländergesetzes sind jedoch nahezu identisch. Nur einzelne Ausweisungsgründe, namentlich die Nr. 8a und b des § 55 AufenthG, sind durch die Reform hinzugekommen. Diesen kommt jedoch im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Die Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage der Ausweisung ist daher zulässig und begegnet keinen Bedenken.
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Der Ermessensentscheidung des Beklagten liegen keine Ermessensfehler zugrunde. Vielmehr hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers sein Ermessen entsprechend § 55 AufentG i. V. m. Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig ausgeübt. Dass er seine Entscheidung primär auf eine Ist - Ausweisung gestützt und die Ermessensentscheidung nur hilfsweise begründet hat und diese Begründung erst durch die Ausführungen im Klageverfahren auf den besonderen Ausweisungsschutz konkretisiert wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass die dort angegebenen Argumente eine Ausweisung rechtfertigen. Die Ergänzung der Ermessensbegründung erst im Klageverfahren ist gem. § 114 VwGO ebenso zulässig, wie die mit Schriftsatz vom 10.06.2005 nachgeholte Würdigung der Umstände, die sich nach dem Ergehen des Ausweisungsbescheids bis zur mündlichen Verhandlung ergeben haben. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine komplette Auswechslung der Begründung oder um die Einbeziehung völlig neuer, vorher übersehener Gesichtspunkte. Das Gericht kann lediglich die Rechtmäßigkeit der zuletzt begründeten Ermessensentscheidung überprüfen. Hiernach hat der Beklagte eine einzelfallbezogene Prüfung vorgenommen, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht und hieraus eine Gefahrenprognose getroffen, die sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte beschränkt. Lediglich zur deren Untermauerung wurden die zahlreichen Verurteilungen in der Vergangenheit und jene vom 18.01.2005 herangezogen. Der Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass er aufgrund der schweren Drogenabhängigkeit des Klägers sowie der abgebrochen Therapien von einer gesteigerten, konkreten Wiederholungsgefahr ausgeht. Auch hat er diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass weder die zwei ausländerrechtlichen Verwarnungen noch die Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 beim Kläger eine Verhaltensänderung bewirkt haben. Vielmehr ist er danach trotzdem erneut straffällig geworden und dies sogar während eines Strafvollzugs in der Haftanstalt, was auf seine schwere, unbewältigte Drogenabhängigkeit zurückzuführen ist. Nur so lässt sich auch der in der Haft begangene Heroinhandel, der zur Verurteilung durch das Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 führte, erklären. Der Rückschluss, dass die Delikte wegen der Drogenabhängigkeit begangen wurden, wird im Übrigen vom Kläger in seinem Schreiben an das Gericht vom 19.01.2005, zugegangen am 22.01.2005, durchweg bestätigt; zudem hat der Kläger dies auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Insgesamt begründet daher die noch vorhandene, unbewältigte Drogenabhängigkeit des Klägers die vom Beklagten zu Recht angenommene, gesteigerte Wiederholungsgefahr.
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Der Kläger hält die Annahme, dass von ihm eine gesteigerte Wiederholungsgefahr ausgehe, zwar für unzutreffend. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zur Begründung seiner Auffassung verweist der Kläger in erster Linie auf ein Schreiben der Caritas B.-O. vom 15.12.2004, aus dem hervorgeht, dass er sich einer Methadonbehandlung unterzogen habe und dass diese Substitution die körperliche und psychosoziale Stabilisierung bezwecke, um baldmöglichst eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit vor gelagerter körperlichen Entzugsbehandlung beginnen zu können. Aufgrund der fortgeschrittenen Opiatabhängigkeit des Klägers sei danach eine Therapie indiziert, für die eine Kostenzusage des Landeswohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg vorliege. Zudem weist der Kläger auf den mit dem Antritt der Strafhaft im Dezember 2004 verbundenen, kalten Drogenentzug hin. Diese Tatsachen erlauben jedoch nach Auffassung des Gerichts keine positive Änderung der bisherigen Gefahrenprognose. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn der Kläger die Therapie bereits erfolgreich beendet hätte. Die bloße Möglichkeit der Aufnahme einer Drogentherapie begründet ebenso wenig wie die Methadonbehandlung oder der kalte Entzug eine die Prognose positiv beeinflussende Tatsachenlage, da der Kläger nach wie vor drogenabhängig ist; gerade deshalb bedarf es ja der Durchführung einer Therapie. Insbesondere die Therapieabbrüche in der Vergangenheit und die erfolglosen Substitutionsversuche mit Methadon, die beim Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung mit einem ständigen Beikonsum - auch von Heroin - einhergingen, zeigen deutlich, dass allein das Innehaben eines Therapieplatzes oder die zeitweilige (erzwungene) Drogenfreiheit keine ausschlaggebenden Kriterien für die Gefahrenprognose bei einem langjährig Drogenabhängigen, wie dem Kläger, sein können. Darüber hinaus wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.01.2005, rechtskräftig seit dem 26.01.2005, wegen eines im November 2004, unmittelbar nach dem Abbruch der letzten Therapie begangenen Diebstahls zu einer neuerlichen Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dies belegt anschaulich, dass der Kläger ohne erfolgreich durchgeführte Therapie weder von seiner Drogenabhängigkeit noch von der damit verbundenen Beschaffungskriminalität weg kommt. Hierzu ist des weiteren auch die gegenwärtige Inhaftierung nicht geeignet, da die vom Kläger von Juni 2002 bis April 2003 bereits verbüßte Haft insoweit keinen Erfolg zeitigte. Die Gefahrenprognose des Regierungspräsidiums ist daher auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt zutreffend und nicht zu beanstanden.
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Auch hat der Beklagte dargelegt, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 14 ARB 1/80, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Diesbezüglich wurde vor allem auf jene vom Kläger begangene Straftaten hingewiesen, die zeitlich nach den ausländerrechtlichen Verwarnungen liegen. Zu Recht hat der Beklagte in den vielfältigen Straftaten, die vom Diebstahl, versuchter Nötigung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bis hin zur gefährlichen Körperverletzung reichen, eine mittlere bis schwerere Kriminalität gesehen. Er ging auch zu Recht davon aus, dass die Ausweisung für den Schutz der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, da keine der zahlreichen bisherigen, milderen Maßnahmen den Kläger von diesem Weg haben abbringen können. Auch übte der Beklagte sein Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei aus. So legte er dar, dass er sich über die nicht unerheblichen Konsequenzen für den Kläger durchaus bewusst sei. Auch berücksichtigte er, dass der Kläger seit seiner Geburt in der BRD lebte. Dass der Beklagte davon ausging, dass der Kläger die türkische Sprache spreche, was im Übrigen seitens des Klägers auch nicht verneint wird, begründet ebenfalls keinen Ermessensfehler, solange nichts Gegenteiliges belegt ist. Weiter hat der Beklagte den Umstand berücksichtigt, dass die Mutter des Klägers seiner Unterstützung bedürfe, indem er in sein Ermessen mit einbezogen hat, dass der Kläger noch andere in der BRD lebende Geschwister habe, die sich um die Mutter kümmern könnten. Auch hat der Beklagte zu Recht den Umstand herangezogen, dass der Kläger durch seinen Bruder eine Anlaufstelle in der Türkei hat. Letztlich ist die Entscheidung, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem privaten Interesse des Klägers an dem Verbleib in der BRD deutlich überwiegt, insgesamt ermessensfehlerfrei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde hierbei ausreichend berücksichtigt.
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Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK liegt nicht vor. Die betroffenen Interessen wurden ausreichend ermittelt und mit ihrem jeweiligen Gewicht berücksichtigt. Dem volljährigen Kläger fehlt nicht jedweder Bezug zu seinem Heimatland und es ist ihm zumutbar, sich in den dortigen Lebensverhältnissen zurecht zu finden. Er beherrscht in ausreichendem Maße die türkische Sprache und hat in seinem seit 1999 wieder in der Türkei lebenden Bruder dort einen Anlaufpunkt. Besondere familiäre Bindungen in der BRD besitzt er nicht. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang lediglich dargelegt, er müsse seine hier lebende Mutter unterstützen. Diesbezüglich aber hat der Beklagte zutreffend ausgeführt, dass weder eine besondere Hilfsbedürftigkeit der Mutter ersichtlich sei noch hierfür gerade der Kläger benötigt werde. Vielmehr könnten die anderen in der BRD lebenden Geschwister des Klägers ihrer Mutter bei Bedarf helfend zur Seite stehen. Außerdem sei die familiäre Beziehung des Klägers wohl nicht mehr allzu eng, da er sich bei der Stadt Friedrichshafen zeitweise obdachlos gemeldet habe. Diese Ausführungen tragen den maßgeblichen Umständen hinreichend Rechnung und sind nicht zu beanstanden; sie wurden vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten oder gar widerlegt. Die noch nicht sehr gefestigte Beziehung zu seiner Freundin fällt nicht unter den Schutzbereich des Art. 8 EMRK, da keine konkreten Heiratspläne vorhanden sind.
53 
Auch liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 ENA nicht vor. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die gesetzgeberische Wertung in § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen jenen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 56 Abs. 1 AufenthG (vgl. zum inhaltsgleichen § 48 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urteil vom 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG48 Abs. 1 Satz 2 AuslG) liegen solche schwerwiegenden Gründe in der Regel in den Fällen der Ist - Ausweisung nach § 53 AufenthG47 Abs. 1 AuslG) vor. Mit der Verurteilung durch das Amtsgericht R. vom 17.10.2003 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 100 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des Diebstahls in 2 besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung hat der Kläger den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) erfüllt. Die Begründung der Strafzumessung in diesem Urteil und im zugehörigen Berufungsurteil nebst den angeführten Einsatzstrafen belegt auch, dass gerade wegen der festgestellten, erheblichen Betäubungsmittelstraftaten eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung ausgesprochen wurde.
54 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 1 C 8.96 - InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.N.).
55 
Die Ausweisung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG, die auch für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 gilt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.06.2005, C-136/03, Dörr/Ünal), rechtswidrig. Hiernach trifft, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist. Eine dem entsprechende Stellungnahme einer nicht für die Ausweisung zuständigen Stelle ist vorliegend nicht ergangen, zumal hier aufgrund von § 6 a AGVwGO auch kein Vorverfahren durchgeführt wurde. Ob die Verfahrensgarantien des Art 9 der Richtlinie 64/221/EWG generell durch den Rechtsschutz erfüllt werden, den die Verwaltungsgerichte in Deutschland gewähren (so VGH B.-W., Urteil vom 21.07.2004, - 11 S 535/04 -), kann offen bleiben. Denn die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann jedenfalls „in dringenden Fällen“ unterbleiben; diese Ausnahme ist in Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für alle drei Fallgestaltungen ausdrücklich vorgesehen (vgl. VGH B.-W., Beschluss vom 22.03.2004, - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff). Vom Vorliegen eines „dringenden Falles“ in diesem Sinne ist das Regierungspräsidium beim Erlass der gegen den Kläger ergangenen Ausweisungsverfügung vom 30.11.2004 ausgegangen; denn es hat die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - auch - aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich gehalten und hat diese in der Annahme für sofort vollziehbar erklärt, dass die begründete Besorgnis bestehe, dass sich die vom Kläger ausgehende, mit seiner Ausweisung bekämpfte Gefahr schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werde. Diese Bewertung hält das Gericht zum Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsentscheidung (der Kläger wurde damals nach dem Therapieabbruch per Haftbefehl gesucht) wie auch gegenwärtig für zutreffend; dementsprechend hat die Kammer unter Anwendung des gleichen Prüfungsmaßstabs im am Tag der mündlichen Verhandlung entschiedenen Eilverfahren (4 K 18/05) das Vorliegen eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses bejaht. Die Annahme des Bestehens eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung rechtfertigt grundsätzlich die gleichzeitige Annahme des Bestehens eines „dringenden Falls“. Lag im Fall des Klägers aber ein „dringender Fall“ vor, so folgt hieraus, dass das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ der Entscheidung über seine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorauszugehen hatte und dass sein Unterbleiben mithin nicht gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien verstößt.
56 
Die Ausweisung bedarf darüber hinaus auch keiner Befristung. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines Befristungsantrages ist ausreichend. Es liegen hier keine besonderen Umstände vor, die eine Verknüpfung der Ausweisungsentscheidung mit einer Befristung erforderlich machen würden. In dem von dem Kläger genannten Urteil liegen – wie vom Beklagten zu Recht geltend gemacht – andere Voraussetzungen vor, namentlich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und ein minderjähriges Kind.
57 
Die Ausweisung ist daher gegenwärtig insgesamt materiell rechtmäßig.
58 
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG50 AuslG). Da mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung zugleich die Ausreisepflicht vollziehbar ist (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 5, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; §§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), ist die Abschiebungsandrohung, die eine ausreichend bemessene Ausreisefrist und die Bezeichnung des Zielstaates der Abschiebung enthält, ebenfalls rechtmäßig.
59 
Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Gründe

 
36 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
37 
Die im Bescheid vom 30.11.2004 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung sind zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
38 
Die Ausweisung findet gegenwärtig ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
39 
Die Ausweisung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere war das Regierungspräsidium T. - entgegen der Auffassung des Klägers - für deren Erlass sachlich zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 in Strafhaft befand und diese Zuständigkeit mit seiner Haftentlassung im April 2003 nicht (wieder) beendet wurde. Sachlich zuständige Behörde war nach dem AuslG (§ 63 Abs. 1 AuslG) und ist heute nach dem AufenthG71 Abs. 1 AufenthG) die Ausländerbehörde. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 AuslG i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 1995 (GBl. v. 19.08.1995, S. 589) und nach § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 2005 (GBl. v. 14.01.2005, S. 95) ist das Regierungspräsidium als höhere Ausländerbehörde für die Ausweisung straffälliger Ausländer, wenn sich diese - wie hier - auf richterliche Anordnung in Strafhaft oder länger als eine Woche in Untersuchungshaft befinden, durchgängig zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt nach der inhaltsgleichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 1995 und in § 10 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 2005 bis zur Entscheidung über die Ausweisung bestehen, auch wenn der Ausländer aus der Haft entlassen wird. Hieraus geht gerade nicht hervor, dass die Ausweisungsentscheidung noch während der Haft oder unmittelbar nach der Haftentlassung getroffen werden muss. Vielmehr bleibt die besondere Zuständigkeit des Regierungspräsidiums bis zum Entscheidungszeitpunkt über die Ausweisung durch Erlass einer entsprechenden Verfügung oder die Einstellung des Ausweisungsverfahrens bestehen. Ersichtlich dient diese Regelung der Vermeidung eventueller ineffektiver Zuständigkeitswechsel durch Haftentlassungen, Haftunterbrechungen oder durch wiederholte kurzfristige Inhaftierungen. Das Regierungspräsidium ist zudem gemäß § 9 Abs. 2 AAZuVO 1995 und § 10 Abs. 3 AAZuVO 2005 bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Ausweisung auch für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels sowie zum Erlass der Abschiebungsandrohung oder -anordnung sachlich zuständig. Für „Haftfälle“ - wie hier - ist daher bis zum Abschluss des Ausweisungsverfahrens die gesamte ausländerrechtliche Zuständigkeit beim Regierungspräsidium konzentriert. Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG auch angehört worden.
40 
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kann sich auf ein gesetzliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer Ausweisungsschutz zukommt. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 vorliegen, begründet Art. 7 ARB 1/80 einen besonderen Ausweisungsschutz für den Kläger und die Möglichkeit der Berufung auf die Regelungen und Wirkungen des ARB 1/80. Der Kläger hat als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der BRD angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Genehmigung erhalten zu ihm zu ziehen. Hierbei ist es zunächst unbeachtlich, ob der Kläger bereits seit seiner Geburt 1979 oder erst 1984 in die BRD eingereist ist. Zwar ist in Art. 7 ARB 1/80 die Rede von „Genehmigung erhalten“, dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Verfasser des Beschlusses diejenigen Familienangehörigen ausschließen wollten, die im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats geboren wurden. Art. 7 ARB 1/80 verfolgt den Zweck, günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet wird, bei den Wanderarbeitnehmern zu leben, und ihre Stellung nach einer gewissen Zeit durch die Verleihung des Rechts gestärkt wird, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen (EuGH, Urteil vom 17. April 1997, C-351/95, Kadiman; EuGH, Urteil vom 16.03.2000, C-329/97, Ergat). Die Genehmigung hierfür ist erforderlich, da die erstmalige Zulassung der Einreise solcher Staatsangehöriger in einen Mitgliedsstaat im Grundsatz ausschließlich dem Recht dieses Staates unterliegt und die Einreisebestimmungen durch den ARB nicht berührt werden. Die Genehmigung bezweckt daher ausschließlich, diejenigen Familienangehörigen von Art. 7 ARB 1/80 auszunehmen, die unter Verstoß der Einreisebestimmungen in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind und dort wohnen. Daher kann sich der Kläger als Kind eines in Art. 7 S. 1 ARB 1/80 bezeichneten türkischen Arbeitnehmers darauf berufen, dass diese Vorschrift zu seinen Gunsten gilt, auch wenn er im Aufnahmemitgliedsstaat geboren ist und dort stets gelebt hat. Sowohl der Vater des Klägers hat seit den siebziger Jahren in der BRD gearbeitet, ebenso war seine Mutter von September 1982 bis September 1990 versicherungspflichtig in der BRD beschäftigt. Sein Vater ist zwischenzeitlich (1999) verstorben.
41 
Das Recht aus Art. 7 ARB 1/80 wird jedoch auch dadurch nicht verloren, dass der betreffende Arbeitnehmer zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedsstaates angehört. Gem. Art 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen hinsichtlich der Beschäftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80 herleiten können, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt außerdem zwangsläufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig ist. Art 7 ARB 1/80 gewährt dem Familienangehörigen somit ein unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen Mitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Daher kann der Kläger, nachdem er mehr als fünf Jahre ordnungsgemäß mit seinen Eltern zusammengelebt hat, diese Rechte ausüben, auch wenn der Arbeitnehmer nicht mehr dem Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaates angehört. Dementsprechend kann der Kläger seine Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 auch dann ausüben, wenn er volljährig ist (vgl. zusammenfassend: EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya).
42 
Der Kläger kann sich somit als türkischer Staatsangehöriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat zur Folge, dass zu seinen Gunsten von veränderten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-482/01, Orfanopoulos, DVBl 2004, 876 ff.) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich diese Entscheidung des EuGH auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, sie ist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsätze auf türkische Staatsangehörige zu übertragen, die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei“ aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Angehörigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des ARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die im Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.02.2000, C-340/97, Nazli, und Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung kombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (Orfanopoulos) ergeben sich für türkische Staatsangehörige, die die Rechte aus dem ARB 1/80 besitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 03.08.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -):
43 
1. Dies bedeutet zunächst, dass privilegierte türkische Staatsangehörige nur nach einer individuellen Entscheidung der zuständigen Behörde ausgewiesen werden dürfen, was zur Folge hat, dass die Tatbestände der zwingenden Ausweisung und einer Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80 privilegierte türkische Staatsangehörige nach den einschlägigen gemeinschaftlichen Grundsätzen nur aufgrund einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden kann.
44 
2. Erforderlich für eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte zu beschränken und darf sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Darüber hinaus hängt die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen davon ab, ob das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Dem gemeinschaftlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt hierbei besondere Bedeutung zu.
45 
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist nicht - wie bisher - grundsätzlich der Erlass des Widerspruchbescheids. Vielmehr sind für türkische Staatsangehörige, die durch das Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsächliche und rechtliche Änderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht zu berücksichtigen, da das Gericht nach den europarechtlichen Vorgaben eine aktuelle Gefahrenprognose anstellen muss (EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 03.08.2004, - BVerwG 1 C 29.02 -). In allen bis zum 31.01.2005 anhängig gewordenen Verwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die im Wege einer Ist- oder Regelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Ausländerbehörde mit Rücksicht auf die Rechtsprechungsänderung auch Gelegenheit zu geben, eine danach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung neuer Tatsachen in gemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren.
46 
Diesen Grundsätzen wird die hier streitige Ausweisungsentscheidung gerecht.
47 
Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung im Bescheid vom 31.11.2004 zwar primär auf die Rechtsgrundlage des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG und somit auf einen Ist - Ausweisungstatbestand gestützt, der aufgrund der gemeinschaftlichen Grundsätze bei einem privilegierten türkischen Staatsangehörigen nicht angewendet werden kann. Hilfsweise wurde jedoch auch eine Ermessensentscheidung nach §§ 45, 46 AuslG getroffen, die unter Berücksichtigung der im Klageverfahren ergänzten Ermessenserwägungen den dargelegten, erhöhten Anforderungen bei der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen entspricht.
48 
Allerdings ist aufgrund des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts der mündlichen Verhandlung hier nicht mehr das der Ausweisungsentscheidung zugrunde gelegte AuslG, sondern das am 1.1.2005 in Kraft getretene AufenthG anzuwenden. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung ist somit nur noch auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung gemäß § 55 AufenthG und nicht nach §§ 45, 46 AuslG zu beurteilen. Die genannten Normen des Aufenthaltsgesetzes und des Ausländergesetzes sind jedoch nahezu identisch. Nur einzelne Ausweisungsgründe, namentlich die Nr. 8a und b des § 55 AufenthG, sind durch die Reform hinzugekommen. Diesen kommt jedoch im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Die Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage der Ausweisung ist daher zulässig und begegnet keinen Bedenken.
49 
Der Ermessensentscheidung des Beklagten liegen keine Ermessensfehler zugrunde. Vielmehr hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers sein Ermessen entsprechend § 55 AufentG i. V. m. Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig ausgeübt. Dass er seine Entscheidung primär auf eine Ist - Ausweisung gestützt und die Ermessensentscheidung nur hilfsweise begründet hat und diese Begründung erst durch die Ausführungen im Klageverfahren auf den besonderen Ausweisungsschutz konkretisiert wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass die dort angegebenen Argumente eine Ausweisung rechtfertigen. Die Ergänzung der Ermessensbegründung erst im Klageverfahren ist gem. § 114 VwGO ebenso zulässig, wie die mit Schriftsatz vom 10.06.2005 nachgeholte Würdigung der Umstände, die sich nach dem Ergehen des Ausweisungsbescheids bis zur mündlichen Verhandlung ergeben haben. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine komplette Auswechslung der Begründung oder um die Einbeziehung völlig neuer, vorher übersehener Gesichtspunkte. Das Gericht kann lediglich die Rechtmäßigkeit der zuletzt begründeten Ermessensentscheidung überprüfen. Hiernach hat der Beklagte eine einzelfallbezogene Prüfung vorgenommen, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht und hieraus eine Gefahrenprognose getroffen, die sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte beschränkt. Lediglich zur deren Untermauerung wurden die zahlreichen Verurteilungen in der Vergangenheit und jene vom 18.01.2005 herangezogen. Der Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass er aufgrund der schweren Drogenabhängigkeit des Klägers sowie der abgebrochen Therapien von einer gesteigerten, konkreten Wiederholungsgefahr ausgeht. Auch hat er diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass weder die zwei ausländerrechtlichen Verwarnungen noch die Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 beim Kläger eine Verhaltensänderung bewirkt haben. Vielmehr ist er danach trotzdem erneut straffällig geworden und dies sogar während eines Strafvollzugs in der Haftanstalt, was auf seine schwere, unbewältigte Drogenabhängigkeit zurückzuführen ist. Nur so lässt sich auch der in der Haft begangene Heroinhandel, der zur Verurteilung durch das Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 führte, erklären. Der Rückschluss, dass die Delikte wegen der Drogenabhängigkeit begangen wurden, wird im Übrigen vom Kläger in seinem Schreiben an das Gericht vom 19.01.2005, zugegangen am 22.01.2005, durchweg bestätigt; zudem hat der Kläger dies auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Insgesamt begründet daher die noch vorhandene, unbewältigte Drogenabhängigkeit des Klägers die vom Beklagten zu Recht angenommene, gesteigerte Wiederholungsgefahr.
50 
Der Kläger hält die Annahme, dass von ihm eine gesteigerte Wiederholungsgefahr ausgehe, zwar für unzutreffend. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zur Begründung seiner Auffassung verweist der Kläger in erster Linie auf ein Schreiben der Caritas B.-O. vom 15.12.2004, aus dem hervorgeht, dass er sich einer Methadonbehandlung unterzogen habe und dass diese Substitution die körperliche und psychosoziale Stabilisierung bezwecke, um baldmöglichst eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit vor gelagerter körperlichen Entzugsbehandlung beginnen zu können. Aufgrund der fortgeschrittenen Opiatabhängigkeit des Klägers sei danach eine Therapie indiziert, für die eine Kostenzusage des Landeswohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg vorliege. Zudem weist der Kläger auf den mit dem Antritt der Strafhaft im Dezember 2004 verbundenen, kalten Drogenentzug hin. Diese Tatsachen erlauben jedoch nach Auffassung des Gerichts keine positive Änderung der bisherigen Gefahrenprognose. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn der Kläger die Therapie bereits erfolgreich beendet hätte. Die bloße Möglichkeit der Aufnahme einer Drogentherapie begründet ebenso wenig wie die Methadonbehandlung oder der kalte Entzug eine die Prognose positiv beeinflussende Tatsachenlage, da der Kläger nach wie vor drogenabhängig ist; gerade deshalb bedarf es ja der Durchführung einer Therapie. Insbesondere die Therapieabbrüche in der Vergangenheit und die erfolglosen Substitutionsversuche mit Methadon, die beim Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung mit einem ständigen Beikonsum - auch von Heroin - einhergingen, zeigen deutlich, dass allein das Innehaben eines Therapieplatzes oder die zeitweilige (erzwungene) Drogenfreiheit keine ausschlaggebenden Kriterien für die Gefahrenprognose bei einem langjährig Drogenabhängigen, wie dem Kläger, sein können. Darüber hinaus wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.01.2005, rechtskräftig seit dem 26.01.2005, wegen eines im November 2004, unmittelbar nach dem Abbruch der letzten Therapie begangenen Diebstahls zu einer neuerlichen Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dies belegt anschaulich, dass der Kläger ohne erfolgreich durchgeführte Therapie weder von seiner Drogenabhängigkeit noch von der damit verbundenen Beschaffungskriminalität weg kommt. Hierzu ist des weiteren auch die gegenwärtige Inhaftierung nicht geeignet, da die vom Kläger von Juni 2002 bis April 2003 bereits verbüßte Haft insoweit keinen Erfolg zeitigte. Die Gefahrenprognose des Regierungspräsidiums ist daher auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt zutreffend und nicht zu beanstanden.
51 
Auch hat der Beklagte dargelegt, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 14 ARB 1/80, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Diesbezüglich wurde vor allem auf jene vom Kläger begangene Straftaten hingewiesen, die zeitlich nach den ausländerrechtlichen Verwarnungen liegen. Zu Recht hat der Beklagte in den vielfältigen Straftaten, die vom Diebstahl, versuchter Nötigung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bis hin zur gefährlichen Körperverletzung reichen, eine mittlere bis schwerere Kriminalität gesehen. Er ging auch zu Recht davon aus, dass die Ausweisung für den Schutz der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, da keine der zahlreichen bisherigen, milderen Maßnahmen den Kläger von diesem Weg haben abbringen können. Auch übte der Beklagte sein Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei aus. So legte er dar, dass er sich über die nicht unerheblichen Konsequenzen für den Kläger durchaus bewusst sei. Auch berücksichtigte er, dass der Kläger seit seiner Geburt in der BRD lebte. Dass der Beklagte davon ausging, dass der Kläger die türkische Sprache spreche, was im Übrigen seitens des Klägers auch nicht verneint wird, begründet ebenfalls keinen Ermessensfehler, solange nichts Gegenteiliges belegt ist. Weiter hat der Beklagte den Umstand berücksichtigt, dass die Mutter des Klägers seiner Unterstützung bedürfe, indem er in sein Ermessen mit einbezogen hat, dass der Kläger noch andere in der BRD lebende Geschwister habe, die sich um die Mutter kümmern könnten. Auch hat der Beklagte zu Recht den Umstand herangezogen, dass der Kläger durch seinen Bruder eine Anlaufstelle in der Türkei hat. Letztlich ist die Entscheidung, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem privaten Interesse des Klägers an dem Verbleib in der BRD deutlich überwiegt, insgesamt ermessensfehlerfrei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde hierbei ausreichend berücksichtigt.
52 
Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK liegt nicht vor. Die betroffenen Interessen wurden ausreichend ermittelt und mit ihrem jeweiligen Gewicht berücksichtigt. Dem volljährigen Kläger fehlt nicht jedweder Bezug zu seinem Heimatland und es ist ihm zumutbar, sich in den dortigen Lebensverhältnissen zurecht zu finden. Er beherrscht in ausreichendem Maße die türkische Sprache und hat in seinem seit 1999 wieder in der Türkei lebenden Bruder dort einen Anlaufpunkt. Besondere familiäre Bindungen in der BRD besitzt er nicht. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang lediglich dargelegt, er müsse seine hier lebende Mutter unterstützen. Diesbezüglich aber hat der Beklagte zutreffend ausgeführt, dass weder eine besondere Hilfsbedürftigkeit der Mutter ersichtlich sei noch hierfür gerade der Kläger benötigt werde. Vielmehr könnten die anderen in der BRD lebenden Geschwister des Klägers ihrer Mutter bei Bedarf helfend zur Seite stehen. Außerdem sei die familiäre Beziehung des Klägers wohl nicht mehr allzu eng, da er sich bei der Stadt Friedrichshafen zeitweise obdachlos gemeldet habe. Diese Ausführungen tragen den maßgeblichen Umständen hinreichend Rechnung und sind nicht zu beanstanden; sie wurden vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten oder gar widerlegt. Die noch nicht sehr gefestigte Beziehung zu seiner Freundin fällt nicht unter den Schutzbereich des Art. 8 EMRK, da keine konkreten Heiratspläne vorhanden sind.
53 
Auch liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 ENA nicht vor. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die gesetzgeberische Wertung in § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen jenen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 56 Abs. 1 AufenthG (vgl. zum inhaltsgleichen § 48 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urteil vom 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG48 Abs. 1 Satz 2 AuslG) liegen solche schwerwiegenden Gründe in der Regel in den Fällen der Ist - Ausweisung nach § 53 AufenthG47 Abs. 1 AuslG) vor. Mit der Verurteilung durch das Amtsgericht R. vom 17.10.2003 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 100 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des Diebstahls in 2 besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung hat der Kläger den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) erfüllt. Die Begründung der Strafzumessung in diesem Urteil und im zugehörigen Berufungsurteil nebst den angeführten Einsatzstrafen belegt auch, dass gerade wegen der festgestellten, erheblichen Betäubungsmittelstraftaten eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung ausgesprochen wurde.
54 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 1 C 8.96 - InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.N.).
55 
Die Ausweisung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG, die auch für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 gilt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.06.2005, C-136/03, Dörr/Ünal), rechtswidrig. Hiernach trifft, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist. Eine dem entsprechende Stellungnahme einer nicht für die Ausweisung zuständigen Stelle ist vorliegend nicht ergangen, zumal hier aufgrund von § 6 a AGVwGO auch kein Vorverfahren durchgeführt wurde. Ob die Verfahrensgarantien des Art 9 der Richtlinie 64/221/EWG generell durch den Rechtsschutz erfüllt werden, den die Verwaltungsgerichte in Deutschland gewähren (so VGH B.-W., Urteil vom 21.07.2004, - 11 S 535/04 -), kann offen bleiben. Denn die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann jedenfalls „in dringenden Fällen“ unterbleiben; diese Ausnahme ist in Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für alle drei Fallgestaltungen ausdrücklich vorgesehen (vgl. VGH B.-W., Beschluss vom 22.03.2004, - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff). Vom Vorliegen eines „dringenden Falles“ in diesem Sinne ist das Regierungspräsidium beim Erlass der gegen den Kläger ergangenen Ausweisungsverfügung vom 30.11.2004 ausgegangen; denn es hat die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - auch - aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich gehalten und hat diese in der Annahme für sofort vollziehbar erklärt, dass die begründete Besorgnis bestehe, dass sich die vom Kläger ausgehende, mit seiner Ausweisung bekämpfte Gefahr schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werde. Diese Bewertung hält das Gericht zum Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsentscheidung (der Kläger wurde damals nach dem Therapieabbruch per Haftbefehl gesucht) wie auch gegenwärtig für zutreffend; dementsprechend hat die Kammer unter Anwendung des gleichen Prüfungsmaßstabs im am Tag der mündlichen Verhandlung entschiedenen Eilverfahren (4 K 18/05) das Vorliegen eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses bejaht. Die Annahme des Bestehens eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung rechtfertigt grundsätzlich die gleichzeitige Annahme des Bestehens eines „dringenden Falls“. Lag im Fall des Klägers aber ein „dringender Fall“ vor, so folgt hieraus, dass das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ der Entscheidung über seine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorauszugehen hatte und dass sein Unterbleiben mithin nicht gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien verstößt.
56 
Die Ausweisung bedarf darüber hinaus auch keiner Befristung. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines Befristungsantrages ist ausreichend. Es liegen hier keine besonderen Umstände vor, die eine Verknüpfung der Ausweisungsentscheidung mit einer Befristung erforderlich machen würden. In dem von dem Kläger genannten Urteil liegen – wie vom Beklagten zu Recht geltend gemacht – andere Voraussetzungen vor, namentlich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und ein minderjähriges Kind.
57 
Die Ausweisung ist daher gegenwärtig insgesamt materiell rechtmäßig.
58 
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG50 AuslG). Da mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung zugleich die Ausreisepflicht vollziehbar ist (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 5, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; §§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), ist die Abschiebungsandrohung, die eine ausreichend bemessene Ausreisefrist und die Bezeichnung des Zielstaates der Abschiebung enthält, ebenfalls rechtmäßig.
59 
Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
Der am 23.09.1979 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und wurde in F. geboren. Zunächst besuchte er die Grund- und Sonderschule bis er anschließend in die Berufsschule wechselte, die er mit dem Hauptschulabschluss verließ. Eine Ausbildung absolvierte der Kläger nicht. Vielmehr machte er sich Anfang 1999 als Ausfahrer von Zeitungen und Zeitschriften mit einem von Dritten überlassenen Fahrzeug selbstständig. Seine Tätigkeit als Selbstständiger hatte jedoch keinen dauerhaften Erfolg, so dass er diese wieder aufgab und anschließend unselbstständigen Tätigkeiten nachging. Seit 2002 ist der Kläger arbeitslos. Der Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Er lebte zuletzt bei seiner Mutter in F. und wurde von dieser unterstützt; teilweise bezog er auch Sozialhilfe. Der Vater des Klägers, der auch in F. lebte und arbeitete, ist Anfang des Jahres 2000 verstorben. Ein Bruder des Klägers lebt seit 1999 wieder in der Türkei.
Zuletzt war der Kläger im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, deren Verlängerung er am 18.04.2002 bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragte. Diese entschied über den Antrag wegen der vom Kläger begangenen Straftaten und dem anhängigen Ausweisungsverfahren zunächst nicht und erteilte dem Kläger für die Zwischenzeit entsprechende Fiktionsbescheinigungen, wovon die letzte am 18.01.2005 unwirksam wurde. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums T. vom 28.01.2005, zugestellt am 02.02.2005, wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt. Die hiergegen rechtzeitig erhobene Klage ist gleichfalls hier anhängig (4 K 403/05).
Während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland wurde der Kläger ab dem Jahr 1994 mehrfach straffällig und befindet sich seit dem 27.12.2004 in Haft. Insgesamt liegen folgende Verurteilungen und Eintragungen im BZR vor:
1. Urteil des Amtsgerichts T. vom 01.06.1994, rechtskräftig seit dem 09.06.1994, wegen uneidlicher Falschaussage zur Erbringung von Arbeitsleistungen;
2. Urteil des Amtsgerichts T. vom 14.09.1994, rechtskräftig seit dem 22.09.1994, wegen Diebstahls in 5 Fällen zu einer Woche Jugendarrest;
3. Urteil des Amtsgerichts T. vom 15.02.1995, rechtskräftig seit dem 23.02.1995, wegen gefährlicher Körperverletzung zur Erbringung von Arbeitsleistungen;
4. StA R., Verstoß gegen das BtMG am 10.02.1995; Absehen von der Verfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG;
5. Urteil des Amtsgerichts T. vom 28.07.1999, rechtskräftig seit dem 05.08.1999, wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldauflage;
10 
6. Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.08.1999, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen Diebstahls zu einer Geldauflage, welche nachträglich wegen Verstoß gegen Auflagen in 1 Woche Jugendarrest umgewandelt wurde;
11 
7. Urteil des Amtsgerichts T. vom 05.09.2000, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten auf Bewährung, die später widerrufen wurde;
12 
8. Urteil des Amtsgerichts T. vom 11.01.2001, rechtskräftig seit dem 02.02.2001, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 60 DM;
13 
9. Urteil des Amtsgerichts T. vom 12.03.2002, rechtskräftig seit dem 20.03.2002, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat ohne Bewährung;
14 
10. Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.06.2002, rechtskräftig seit dem 26.06.2002, wegen Diebstahls, versuchter Nötigung, versuchter Körperverletzung in 2 Fällen unter Einbeziehung der vorangegangenen Entscheidungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von  3 Monaten und 2 Wochen ohne Bewährung;
15 
11. Urteil des Amtsgerichts Ü. vom 19.09.2002, rechtskräftig seit dem 27.09.2002, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung;
16 
die Strafen unter 7. und 9. - 11. wurden im Zeitraum vom 17.06.2002 bis zum 08.04.2003 vollstreckt (JVA R.);
17 
12. Urteil des Amtsgerichts T. vom 22.07.2003, rechtskräftig seit dem 23.06.2004, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten ohne Bewährung;
18 
13. Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003, rechtskräftig seit dem 14.07.2004, wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 100 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des Diebstahls in 2 besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung; mit Beschluss vom 27.09.2004 wurde aus 12. und 13. eine Gesamtstrafe von einem Jahr gebildet
19 
14. Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.01.2005, rechtskräftig seit 26.01.2005, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung.
20 
Vor den letzten Straftaten wurde der Kläger insgesamt 2 Mal ausländerrechtlich verwarnt und zwar am 17.10.1995 über seine Eltern und persönlich am 15.03.2001. Hintergrund der Straftaten des Klägers ist sein jahrelanger Drogenkonsum (Heroinabhängigkeit). Hiergegen eingeleitete Maßnahmen (Entgiftungs-, Therapie- und Substituierungsversuche mit Methadon in den Jahren 2001 bis 2004) blieben sämtlich erfolglos bzw. wurden vom Kläger abgebrochen. Der Kläger musste nach seiner Haftentlassung im April 2003 seine weitere Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003, rechtskräftig seit dem 14.07.2004, zunächst nicht antreten, da er erneut einen Therapieplatz bekommen und das Amtsgerichts R. mit Beschluss vom 13.09.2004 einer Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe gem. § 35 Abs. 1 BtMG zugestimmt hatte. Aufgrund des anschließenden, vorzeitigen Therapieabbruchs wurde jedoch seitens der Staatsanwaltschaft R. am 25.11.2004 ein Haftbefehl erlassen; seit dem 27.12.2004 befindet er sich in Haft. In der Haft versucht der Kläger inzwischen sein Drogenproblem aufzuarbeiten und strebt eine erneute Drogentherapie an; hierzu hat er mittlerweile eine Kostenzusage erhalten.
21 
Mit Schreiben vom 27.06.2002 wurde der Kläger vom Regierungspräsidium T. – B. f. A. – zur aufgrund der verübten Straftaten beabsichtigten Ausweisung angehört. Mit Schreiben vom 03.07.2002 führte der Kläger hierzu aus, er lebe seit seiner Geburt zusammen mit seiner Familie – ausgenommen des Bruders - in der Bundesrepublik Deutschland. Er habe lediglich ein Mal, im Alter von sechs Jahren die Türkei bereist. Sein Lebensmittelpunkt sei dementsprechend in Deutschland. Hier habe er auch eine deutsche Freundin, die er heiraten wolle. Die Zeit in der JVA wolle er zu einer Ausbildung nutzen und nach seiner Haftentlassung eine Drogentherapie absolvieren. Außerdem müsse er sich um seine Mutter kümmern, die momentan alleine leben würde.
22 
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums T. – B. f. A. – vom 30.11.2004, zugestellt am 04.12.2004, wurde der Kläger ausgewiesen und die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Zudem wurde ihm unter Einräumung einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung in die Türkei bzw. einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist, angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vom Kläger begangenen Straftaten aus dem Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.06.2002 sowie dem Urteil des Amtsgerichts Ü. vom 19.09.2002, vor allem aber aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003, würden einen zwingenden Ausweisungsgrund darstellen. Ein besonderer Ausweisungsschutz ergebe sich weder aus der befristeten Aufenthaltserlaubnis, noch aus der Tatsache, dass sich der Kläger seit seiner Geburt im Bundesgebiet befinde. Auch würde er nicht unter die besonderen Ausweisungsschutzbestimmungen des ARB 1/80 Assoziationsabkommen fallen, da er weder dem regulären Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland angehöre noch eine Berufsausbildung abgeschlossen habe. Der Kläger sei lediglich Gelegenheitsarbeiten bei verschiedenen Arbeitgebern nachgegangen, jedoch habe er nie für mindestens 1 Jahr für ein und denselben Arbeitgeber gearbeitet. Seiner Tätigkeit als Selbstständiger sei er ebenfalls nur kurzfristig nachgegangen. Da ein besonderer Ausweisungsschutz somit für den Kläger nicht vorhanden sei, und er wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde und weder in den Tathandlungen noch in seiner Person eine Atypik erkennbar sei, liege ein zwingender Ausweisungsgrund vor. Eine Herabstufung sei daher nicht vorzunehmen. Darüber hinaus sei die Ausweisung aber auch aus ermessensrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Die Maßnahme sei geeignet, erforderlich und angemessen. Geeignet sei sie, da sie den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleiste und die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten, die der Kläger begehen könnte, schützen würde.
23 
Der Kläger habe in der Vergangenheit zahlreiche Straftaten auf der Ebene der mittleren und schweren Kriminalität begangen, die ein hohes Schutzgut, nämlich die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen gefährde. Erforderlich sei sie, weil mildere Mittel, wie z.B. die 2 ausländerrechtlichen Verwarnungen, zu keinem Erfolg geführt hätten und die Drogentherapie seitens des Klägers im November 2004 abgebrochen worden sei und sich dieser bei der Stadt F. obdachlos gemeldet habe. Aufgrund der schwerwiegenden Verstöße gegen die Rechtsordnung bestehe daher die konkrete Gefahr, dass der Kläger weitere einschlägige Straftaten begehe. Angemessen sei sie, da bei Abwägung des öffentlichen Interesses gegen das private Interesse des Klägers dem öffentlichen Interesse Vorrang zu geben sei. Zwar treffe die Maßnahme den Kläger nicht unerheblich, da er seit seiner Geburt in der Bundesrepublik Deutschland gelebt habe; andererseits könne von einer gelungenen Integration angesichts der zahlreichen Straftaten sowie der mangelnden Ausbildung und des fehlenden festen Arbeitsverhältnisses nicht ausgegangen werden. Es werde angenommen, dass der Kläger die türkische Sprache beherrsche und er verfüge durch den Familienverband auch über genügend Anknüpfungspunkte zu den türkischen Lebensgewohnheiten und Kulturen. Ferner könne er bei seinem seit 1999 in der Türkei lebenden Bruder eine Anlaufstelle und Unterstützung bekommen. Nachdem seine Mutter ihn zuletzt nicht mehr zuhause aufgenommen habe, fehle ihm auch die familiäre Perspektive in der BRD. Daher bestehe nach einer Ausreise in die Türkei die Chance, sein Leben neu zu ordnen und unter veränderten Umständen in geregelte Bahnen zu lenken. Für ihn und seine Familienangehörigen seien die Folgen der Ausweisung zumutbar und hinzunehmen. Nachdem die Abschiebung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht unmöglich sei und bei einer Ausweisung auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers bestehe, ergebe sich angesichts seiner privaten Lebenssituation und den von ihm begangenen Straftaten, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung dem privaten Interesse des Klägers, weiterhin in der BRD verbleiben zu können, deutlich überwiege. Weiter verstoße die Ausweisung auch nicht gegen höherrangiges Recht. Art 6 GG stehe nicht entgegen, da der Kläger weder verheiratet sei noch Kinder habe und zu seinem Elternhaus kein sehr guter Kontakt mehr bestehe.
24 
Eine besondere Beistandspflicht für seine Eltern sei nicht geltend gemacht worden und mit seiner deutschen Freundin führe er noch keine längere Lebensgemeinschaft. Unter Berücksichtigung der Art und Schwere der von ihm begangenen Straftaten sei es ihm zumutbar, mit 25 Jahren getrennt von seinen Eltern zu leben. Letztendlich sei auch ein Teil seiner Familie, sein Bruder, seit 1999 in der Türkei. Auch stehe Art 8 EMRK der Ausweisung nicht entgegen, da dieser abgesehen von seiner Anwendbarkeit nicht über die grundrechtlichen Schutzbestimmungen des Art. 6 GG hinausgehe.   Ebenso wenig verstoße die Ausweisung gegen Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkei aus dem Jahr 1927. Einem besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 3 Abs. 3 ENA stehe entgegen, dass er keiner geregelten Arbeit im Bundesgebiet nachgegangen sei. Aufgrund der verfügten Ausweisung – unter Anordnung des Sofortvollzugs – besitze der Kläger keine Aufenthaltsgenehmigung für die BRD mehr, so dass eine Abschiebungsandrohung zu erfolgen hatte. Der Kläger sei somit vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ausreisefrist von einem Monat ergebe sich aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland.
25 
Am 04.01.2005 hat der Kläger hier Klage erhoben und trägt zu deren Begründung vor, der Bescheid sei bereits in formeller Hinsicht nicht rechtmäßig, da das Regierungspräsidium nach seiner Haftentlassung am 08.04.2003 für den Erlass des Ausweisungsbescheides nicht mehr zuständig gewesen sei. Des weiteren sei die Verfügung des Beklagten auch materiell rechtswidrig. Der Beklagte gehe davon aus, dass er einen Ist - Ausweisungstatbestand verwirklicht habe. Dies sei jedoch nicht der Fall, da er – entgegen der Auffassung des Beklagten - unter die besonderen Ausweisungsschutzbestimmungen des ARB 1/80 falle. Zum einen gehöre er selbst dem Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland an. Der Beklagte verkenne, dass er sowohl in dem Unternehmen D. Transporte, als auch in dem Unternehmen des Herrn Ö. L. über ein Jahr ordnungsgemäß beschäftigt gewesen sei und es sich hierbei nicht um Gelegenheitsjobs gehandelt habe. Vielmehr habe er für seine Tätigkeit bei dem Unternehmen des Herrn Ö. L. eine monatliche Vergütung erhalten. Zum anderen sei er Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der BRD angehörigen türkischen Arbeitnehmers, da sein Vater seit den siebziger Jahren in Deutschland gelebt und gearbeitet habe. Auch habe er selbst sich stets um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bemüht. Zudem sei festzustellen, dass er als Familienangehöriger zwar das Recht auf freien Zugang zum Arbeitsmarkt habe – eine Pflicht bzw. die Koppelung einer Beschäftigung an die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung ergebe sich daraus aber gerade nicht. Weder die Unterbrechung durch die Inhaftierung noch das Erreichen der Volljährigkeit führe zum Verlust dieser Rechtsstellung, da entsprechende Beschränkungen innerhalb der Norm fehlen würden. Auch seien andere Verlusttatbestände nicht ersichtlich – er habe die BRD nie dauerhaft verlassen. Auch weise die Norm einen geringeren Arbeitsmarktbezug auf, da es ihr primär um die Integration von Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedsstaat ginge. Letztendlich habe er seine Rechtsstellung als Familienangehöriger auch dadurch nicht verloren, dass er einer Beschäftigung als Arbeitnehmer im regulären Arbeitsmarkt der BRD nachgegangen sei – die Normen würden nebeneinander bestehen bleiben. Daher bestehe ein besonderer Ausweisungsschutz, der zur Folge habe, dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden dürfte. Diese Prüfung sei aber von dem Beklagten unterlassen worden, da dieser gerade nicht die Frage geklärt habe, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, dass er erneut mit den Strafvorschriften in Konflikt geraten werde und ob dieser Wahrscheinlichkeitsgrad ausreiche, um eine Ausweisung trotz des ihm zu gewährenden erhöhten Ausweisungsschutzes zu rechtfertigen. Aufgrund des besonderen Ausweisungsschutzes sei eine Ist - Ausweisung - wie vom Beklagten durchgeführt - falsch.
26 
Diesbezüglich habe der Beklagte auch übersehen, dass die Voraussetzungen für eine Ist - Ausweisung nicht erfüllt seien, da weder aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 noch aus den anderen Urteilen ersichtlich sei, ob allein die Verurteilung wegen der Drogendelikte zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung geführt habe. Die Ist-Ausweisung scheide daher als Rechtsgrundlage aus; hierauf habe jedoch der Beklagte die Ausweisung primär gestützt. Nur hilfsweise sei die Ausweisung noch auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessenentscheidung bejaht worden. Hier sei das Ermessen allerdings fehlerhaft ausgeübt worden. Eine notwendig durchzuführende Gefahrenprognose sei nicht getroffen worden, eine etwaige Wiederholungsgefahr sei seitens des Beklagten nicht einmal erwähnt worden. Auch könne auf diese nicht durch die Verurteilungen in der Vergangenheit geschlossen werden. Vielmehr müsse eine Prognose für die Zukunft aufgestellt werden. Da er sich bei Haftantritt einem kalten Entzug habe unterziehen müssen, konsumiere er seitdem auch keine Drogen mehr; er befinde sich derzeit auch in keiner Methadonbehandlung. Eine Betäubungsmittelabhängigkeit seit daher zu verneinen, so dass eine Wiederholungsgefahr gerade ausscheide. Zudem habe er inzwischen eine Kostenzusage für eine Entziehungstherapie. Da sich der Beklagte mit der Gefahrenprognose - die Tatbestandsvoraussetzung für die Ausweisung sei - nicht auseinandergesetzt habe, sei das Ermessen fehlerhaft.
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Darüber hinaus habe der Beklagte keine angemessene Abwägung des öffentlichen Interesses mit seinen Interessen durchgeführt. Der Beklagte habe lediglich angenommen, dass er die türkische Sprache beherrsche. Daraus werde ersichtlich, dass sich der Beklagte nicht ausreichend mit dem Sachverhalt beschäftigt habe. Er sei mit 5 Jahren in die BRD eingereist, so dass die Verhältnisse in Deutschland für seine Entwicklung und Persönlichkeit maßgeblich und prägend gewesen seien. Er habe weder soziale noch schulische Kontakte in der Türkei aufgebaut. Die Tatsache, dass sein Bruder in der Türkei lebe und er somit eine Anlaufstelle habe, könne hierbei nicht ausschlaggebend sein. Vielmehr müsse er hierfür die türkische Sprache beherrschen, was nicht einfach unterstellt werden könnte. Zudem sei er so gut wie nie in der Türkei gewesen. Er besitze somit keine anderen Verbindungen zu diesem Land als die Staatsangehörigkeit, so dass auch hier ein Ermessensfehler vorliege. Ebenso habe er enge Bindung zu den Familienangehörigen und seine Hilfe sei für die Mutter unerlässlich, da der Vater bereits verstorben sei. Auch habe der Beklagte den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht umfassend berücksichtigt. Der Beklagte habe die betroffenen Interessen nicht ausreichend ermittelt und in ihrem jeweiligen Gewicht unberücksichtigt gelassen. Er stelle eine unerlässliche Hilfe für seine Mutter dar und wohne noch bei dieser. Außerdem wolle er seine deutsche Freundin heiraten. Dieser sei es aber nicht zumutbar, das Bundesgebiet zu verlassen um die eheliche Lebensgemeinschaft verwirklichen zu können. Dies habe der Beklagte verkannt. Ebenso verstoße die Ausweisung gegen Art. 3 ENA. Hiernach müssten besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, das hieße, es müsse insbesondere eine konkrete Gefahr für eine erneute Störung gegeben sein. Der Beklagte habe jedoch eben eine solche Prognose nicht durchgeführt. Auch verlange Art. 3 ENA eine jeweils individuelle Bewertung der Hinnehmbarkeit des weiteren Aufenthalts eines Vertragsausländers – diese sei jedoch aus der Begründung des Bescheids nicht zu entnehmen. Die mangelnde Auseinandersetzung des Beklagten mit dem Sachverhalt ergebe sich auch daraus, dass dieser von einer bis zum 11.04.2003 befristeten Aufenthaltsgenehmigung ausgegangen sei. Demgegenüber habe er aber am 18.04.2002 die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsgenehmigung beantragt. Seither seien ihm Fiktionsbescheinigungen erteilt worden, die erst mit der Zweckerfüllung, d.h. bei der Antragsablehnung als solche erlöschen würden. Daher habe er bis zur Antragsablehnung am 28.01.2005 eine Aufenthaltsgenehmigung gehabt. Auch dies habe die Beklagte übersehen. Der Bescheid sei daher insgesamt nicht sachgerecht, geeignet, erforderlich und angemessen. Auch verstoße die Ausweisung gegen Grundrechte, da sie ohne Befristung erfolgt sei. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines Befristungsantrags genüge nicht; die Ausweisung ohne Befristung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff i. S. von Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. Der Beklagte müsse daher die Ausweisung bei türkischen Staatsangehörigen von vorn herein befristen.
28 
Der Kläger beantragt,
29 
den Bescheid des Beklagten vom 30.11.2004 aufzuheben.
30 
Der Beklagte beantragt,
31 
die Klage abzuweisen.
32 
Zur Begründung wird auf den Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass dem Kläger zwar ein – im Bescheid zu Unrecht verneinter – besonderer Ausweisungsschutz aus Art. 7 ARB 1/80 zukomme, da die Mutter des Klägers von September 1982 bis September 1990 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, die hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen würden jedoch den erhöhten Anforderungen des Assoziationsrechts genügen. Die gesteigerte Wiederholungsgefahr sei vorhanden. Dies belege auch die neuerliche Verurteilung des Klägers durch das Amtsgerichts T. vom 18.01.2005 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung. Vor allem habe der Kläger noch keine längerfristigen therapeutischen Maßnahmen gegen seine Drogenabhängigkeit durchlaufen. Die Kostenzusage und das Innehaben eines Therapieplatzes ändere an diesem Umstand nichts. Die Drogenprobleme des Klägers könnten auch in der Türkei hinreichend behandelt werden. Darüber hinaus habe der Kläger am 19.11.2004 um Zuweisung einer Obdachlosenwohnung bei der Stadtverwaltung Friedrichshafen gebeten, so dass davon auszugehen sei, dass er nicht mehr bei seiner Mutter wohne. Ferner würden noch andere Geschwister des Klägers in der BRD leben, die sich um die Mutter kümmern könnten. Der Umstand, dass die Ausweisung ohne zeitliche Befristung erfolgt sei, führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausweisungsbescheides, da dem Grundsatz der Antragsbefristung genügt worden sei. Eine Befristung von Amts wegen sei hier nicht geboten gewesen, da die besonderen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben gewesen seien.
33 
In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger angehört. Er führte im Wesentlichen aus, sein Vater sei am 16.02.2000 gestorben. Er habe zwei Brüder, eine Schwester und drei Halbbrüder. Diese befänden sich, bis auf den Bruder, der 1999 wegen einer Ausweisung in die Türkei zurückgekehrt sei, alle hier. Seit 1992 habe er fortlaufend Drogen konsumiert. Zunächst habe er gekifft, ab dem sechzehnten Lebensjahr dann aber harte Drogen und insbesondere Heroin genommen. Zweimal sei er in einem Methadonprogramm gewesen, habe aber dabei immer ab und zu Beikonsum, auch von Heroin, gehabt. Bei der letzten Therapie habe er bereits die Entgiftung abgebrochen, da er ein Mädchen - seine Freundin - kennen gelernt habe, welches ebenfalls drogenabhängig sei. Die Freundin wohne in N. In der Haft arbeite er derzeit in der Montage. Er wolle möglichst bald eine erneute Therapie beginnen, um später eine Berufsausbildung zu machen. In der Haft könne er keine Berufsausbildung absolvieren, da dazu die Haftdauer zu kurz sei.
34 
Neben dem Hauptsacheverfahren zur Aufenthaltserlaubnis (4 K 403/05), welches gleichzeitig verhandelt wurde, ist beim Gericht jeweils noch ein Eilverfahren zur Ausweisung (4 K 19/05) und zur Aufenthaltserlaubnis (4 K 416/05) anhängig. Die Klage und der Eilantrag zur Aufenthaltserlaubnis wurden in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen; die jeweiligen Verfahren wurden eingestellt.
35 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Gerichtsakten der weiteren, anhängigen Verfahren und auf die Behördenakten, die vorgelegen haben, verwiesen. Dem Gericht haben auch die Strafakten zum Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 (.../..) vorgelegen; auf deren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
37 
Die im Bescheid vom 30.11.2004 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung sind zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
38 
Die Ausweisung findet gegenwärtig ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
39 
Die Ausweisung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere war das Regierungspräsidium T. - entgegen der Auffassung des Klägers - für deren Erlass sachlich zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 in Strafhaft befand und diese Zuständigkeit mit seiner Haftentlassung im April 2003 nicht (wieder) beendet wurde. Sachlich zuständige Behörde war nach dem AuslG (§ 63 Abs. 1 AuslG) und ist heute nach dem AufenthG71 Abs. 1 AufenthG) die Ausländerbehörde. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 AuslG i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 1995 (GBl. v. 19.08.1995, S. 589) und nach § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 2005 (GBl. v. 14.01.2005, S. 95) ist das Regierungspräsidium als höhere Ausländerbehörde für die Ausweisung straffälliger Ausländer, wenn sich diese - wie hier - auf richterliche Anordnung in Strafhaft oder länger als eine Woche in Untersuchungshaft befinden, durchgängig zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt nach der inhaltsgleichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 1995 und in § 10 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 2005 bis zur Entscheidung über die Ausweisung bestehen, auch wenn der Ausländer aus der Haft entlassen wird. Hieraus geht gerade nicht hervor, dass die Ausweisungsentscheidung noch während der Haft oder unmittelbar nach der Haftentlassung getroffen werden muss. Vielmehr bleibt die besondere Zuständigkeit des Regierungspräsidiums bis zum Entscheidungszeitpunkt über die Ausweisung durch Erlass einer entsprechenden Verfügung oder die Einstellung des Ausweisungsverfahrens bestehen. Ersichtlich dient diese Regelung der Vermeidung eventueller ineffektiver Zuständigkeitswechsel durch Haftentlassungen, Haftunterbrechungen oder durch wiederholte kurzfristige Inhaftierungen. Das Regierungspräsidium ist zudem gemäß § 9 Abs. 2 AAZuVO 1995 und § 10 Abs. 3 AAZuVO 2005 bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Ausweisung auch für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels sowie zum Erlass der Abschiebungsandrohung oder -anordnung sachlich zuständig. Für „Haftfälle“ - wie hier - ist daher bis zum Abschluss des Ausweisungsverfahrens die gesamte ausländerrechtliche Zuständigkeit beim Regierungspräsidium konzentriert. Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG auch angehört worden.
40 
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kann sich auf ein gesetzliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer Ausweisungsschutz zukommt. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 vorliegen, begründet Art. 7 ARB 1/80 einen besonderen Ausweisungsschutz für den Kläger und die Möglichkeit der Berufung auf die Regelungen und Wirkungen des ARB 1/80. Der Kläger hat als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der BRD angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Genehmigung erhalten zu ihm zu ziehen. Hierbei ist es zunächst unbeachtlich, ob der Kläger bereits seit seiner Geburt 1979 oder erst 1984 in die BRD eingereist ist. Zwar ist in Art. 7 ARB 1/80 die Rede von „Genehmigung erhalten“, dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Verfasser des Beschlusses diejenigen Familienangehörigen ausschließen wollten, die im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats geboren wurden. Art. 7 ARB 1/80 verfolgt den Zweck, günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet wird, bei den Wanderarbeitnehmern zu leben, und ihre Stellung nach einer gewissen Zeit durch die Verleihung des Rechts gestärkt wird, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen (EuGH, Urteil vom 17. April 1997, C-351/95, Kadiman; EuGH, Urteil vom 16.03.2000, C-329/97, Ergat). Die Genehmigung hierfür ist erforderlich, da die erstmalige Zulassung der Einreise solcher Staatsangehöriger in einen Mitgliedsstaat im Grundsatz ausschließlich dem Recht dieses Staates unterliegt und die Einreisebestimmungen durch den ARB nicht berührt werden. Die Genehmigung bezweckt daher ausschließlich, diejenigen Familienangehörigen von Art. 7 ARB 1/80 auszunehmen, die unter Verstoß der Einreisebestimmungen in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind und dort wohnen. Daher kann sich der Kläger als Kind eines in Art. 7 S. 1 ARB 1/80 bezeichneten türkischen Arbeitnehmers darauf berufen, dass diese Vorschrift zu seinen Gunsten gilt, auch wenn er im Aufnahmemitgliedsstaat geboren ist und dort stets gelebt hat. Sowohl der Vater des Klägers hat seit den siebziger Jahren in der BRD gearbeitet, ebenso war seine Mutter von September 1982 bis September 1990 versicherungspflichtig in der BRD beschäftigt. Sein Vater ist zwischenzeitlich (1999) verstorben.
41 
Das Recht aus Art. 7 ARB 1/80 wird jedoch auch dadurch nicht verloren, dass der betreffende Arbeitnehmer zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedsstaates angehört. Gem. Art 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen hinsichtlich der Beschäftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80 herleiten können, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt außerdem zwangsläufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig ist. Art 7 ARB 1/80 gewährt dem Familienangehörigen somit ein unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen Mitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Daher kann der Kläger, nachdem er mehr als fünf Jahre ordnungsgemäß mit seinen Eltern zusammengelebt hat, diese Rechte ausüben, auch wenn der Arbeitnehmer nicht mehr dem Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaates angehört. Dementsprechend kann der Kläger seine Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 auch dann ausüben, wenn er volljährig ist (vgl. zusammenfassend: EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya).
42 
Der Kläger kann sich somit als türkischer Staatsangehöriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat zur Folge, dass zu seinen Gunsten von veränderten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-482/01, Orfanopoulos, DVBl 2004, 876 ff.) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich diese Entscheidung des EuGH auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, sie ist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsätze auf türkische Staatsangehörige zu übertragen, die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei“ aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Angehörigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des ARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die im Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.02.2000, C-340/97, Nazli, und Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung kombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (Orfanopoulos) ergeben sich für türkische Staatsangehörige, die die Rechte aus dem ARB 1/80 besitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 03.08.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -):
43 
1. Dies bedeutet zunächst, dass privilegierte türkische Staatsangehörige nur nach einer individuellen Entscheidung der zuständigen Behörde ausgewiesen werden dürfen, was zur Folge hat, dass die Tatbestände der zwingenden Ausweisung und einer Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80 privilegierte türkische Staatsangehörige nach den einschlägigen gemeinschaftlichen Grundsätzen nur aufgrund einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden kann.
44 
2. Erforderlich für eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte zu beschränken und darf sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Darüber hinaus hängt die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen davon ab, ob das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Dem gemeinschaftlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt hierbei besondere Bedeutung zu.
45 
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist nicht - wie bisher - grundsätzlich der Erlass des Widerspruchbescheids. Vielmehr sind für türkische Staatsangehörige, die durch das Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsächliche und rechtliche Änderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht zu berücksichtigen, da das Gericht nach den europarechtlichen Vorgaben eine aktuelle Gefahrenprognose anstellen muss (EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 03.08.2004, - BVerwG 1 C 29.02 -). In allen bis zum 31.01.2005 anhängig gewordenen Verwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die im Wege einer Ist- oder Regelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Ausländerbehörde mit Rücksicht auf die Rechtsprechungsänderung auch Gelegenheit zu geben, eine danach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung neuer Tatsachen in gemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren.
46 
Diesen Grundsätzen wird die hier streitige Ausweisungsentscheidung gerecht.
47 
Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung im Bescheid vom 31.11.2004 zwar primär auf die Rechtsgrundlage des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG und somit auf einen Ist - Ausweisungstatbestand gestützt, der aufgrund der gemeinschaftlichen Grundsätze bei einem privilegierten türkischen Staatsangehörigen nicht angewendet werden kann. Hilfsweise wurde jedoch auch eine Ermessensentscheidung nach §§ 45, 46 AuslG getroffen, die unter Berücksichtigung der im Klageverfahren ergänzten Ermessenserwägungen den dargelegten, erhöhten Anforderungen bei der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen entspricht.
48 
Allerdings ist aufgrund des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts der mündlichen Verhandlung hier nicht mehr das der Ausweisungsentscheidung zugrunde gelegte AuslG, sondern das am 1.1.2005 in Kraft getretene AufenthG anzuwenden. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung ist somit nur noch auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung gemäß § 55 AufenthG und nicht nach §§ 45, 46 AuslG zu beurteilen. Die genannten Normen des Aufenthaltsgesetzes und des Ausländergesetzes sind jedoch nahezu identisch. Nur einzelne Ausweisungsgründe, namentlich die Nr. 8a und b des § 55 AufenthG, sind durch die Reform hinzugekommen. Diesen kommt jedoch im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Die Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage der Ausweisung ist daher zulässig und begegnet keinen Bedenken.
49 
Der Ermessensentscheidung des Beklagten liegen keine Ermessensfehler zugrunde. Vielmehr hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers sein Ermessen entsprechend § 55 AufentG i. V. m. Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig ausgeübt. Dass er seine Entscheidung primär auf eine Ist - Ausweisung gestützt und die Ermessensentscheidung nur hilfsweise begründet hat und diese Begründung erst durch die Ausführungen im Klageverfahren auf den besonderen Ausweisungsschutz konkretisiert wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass die dort angegebenen Argumente eine Ausweisung rechtfertigen. Die Ergänzung der Ermessensbegründung erst im Klageverfahren ist gem. § 114 VwGO ebenso zulässig, wie die mit Schriftsatz vom 10.06.2005 nachgeholte Würdigung der Umstände, die sich nach dem Ergehen des Ausweisungsbescheids bis zur mündlichen Verhandlung ergeben haben. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine komplette Auswechslung der Begründung oder um die Einbeziehung völlig neuer, vorher übersehener Gesichtspunkte. Das Gericht kann lediglich die Rechtmäßigkeit der zuletzt begründeten Ermessensentscheidung überprüfen. Hiernach hat der Beklagte eine einzelfallbezogene Prüfung vorgenommen, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht und hieraus eine Gefahrenprognose getroffen, die sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte beschränkt. Lediglich zur deren Untermauerung wurden die zahlreichen Verurteilungen in der Vergangenheit und jene vom 18.01.2005 herangezogen. Der Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass er aufgrund der schweren Drogenabhängigkeit des Klägers sowie der abgebrochen Therapien von einer gesteigerten, konkreten Wiederholungsgefahr ausgeht. Auch hat er diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass weder die zwei ausländerrechtlichen Verwarnungen noch die Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 beim Kläger eine Verhaltensänderung bewirkt haben. Vielmehr ist er danach trotzdem erneut straffällig geworden und dies sogar während eines Strafvollzugs in der Haftanstalt, was auf seine schwere, unbewältigte Drogenabhängigkeit zurückzuführen ist. Nur so lässt sich auch der in der Haft begangene Heroinhandel, der zur Verurteilung durch das Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 führte, erklären. Der Rückschluss, dass die Delikte wegen der Drogenabhängigkeit begangen wurden, wird im Übrigen vom Kläger in seinem Schreiben an das Gericht vom 19.01.2005, zugegangen am 22.01.2005, durchweg bestätigt; zudem hat der Kläger dies auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Insgesamt begründet daher die noch vorhandene, unbewältigte Drogenabhängigkeit des Klägers die vom Beklagten zu Recht angenommene, gesteigerte Wiederholungsgefahr.
50 
Der Kläger hält die Annahme, dass von ihm eine gesteigerte Wiederholungsgefahr ausgehe, zwar für unzutreffend. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zur Begründung seiner Auffassung verweist der Kläger in erster Linie auf ein Schreiben der Caritas B.-O. vom 15.12.2004, aus dem hervorgeht, dass er sich einer Methadonbehandlung unterzogen habe und dass diese Substitution die körperliche und psychosoziale Stabilisierung bezwecke, um baldmöglichst eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit vor gelagerter körperlichen Entzugsbehandlung beginnen zu können. Aufgrund der fortgeschrittenen Opiatabhängigkeit des Klägers sei danach eine Therapie indiziert, für die eine Kostenzusage des Landeswohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg vorliege. Zudem weist der Kläger auf den mit dem Antritt der Strafhaft im Dezember 2004 verbundenen, kalten Drogenentzug hin. Diese Tatsachen erlauben jedoch nach Auffassung des Gerichts keine positive Änderung der bisherigen Gefahrenprognose. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn der Kläger die Therapie bereits erfolgreich beendet hätte. Die bloße Möglichkeit der Aufnahme einer Drogentherapie begründet ebenso wenig wie die Methadonbehandlung oder der kalte Entzug eine die Prognose positiv beeinflussende Tatsachenlage, da der Kläger nach wie vor drogenabhängig ist; gerade deshalb bedarf es ja der Durchführung einer Therapie. Insbesondere die Therapieabbrüche in der Vergangenheit und die erfolglosen Substitutionsversuche mit Methadon, die beim Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung mit einem ständigen Beikonsum - auch von Heroin - einhergingen, zeigen deutlich, dass allein das Innehaben eines Therapieplatzes oder die zeitweilige (erzwungene) Drogenfreiheit keine ausschlaggebenden Kriterien für die Gefahrenprognose bei einem langjährig Drogenabhängigen, wie dem Kläger, sein können. Darüber hinaus wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.01.2005, rechtskräftig seit dem 26.01.2005, wegen eines im November 2004, unmittelbar nach dem Abbruch der letzten Therapie begangenen Diebstahls zu einer neuerlichen Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dies belegt anschaulich, dass der Kläger ohne erfolgreich durchgeführte Therapie weder von seiner Drogenabhängigkeit noch von der damit verbundenen Beschaffungskriminalität weg kommt. Hierzu ist des weiteren auch die gegenwärtige Inhaftierung nicht geeignet, da die vom Kläger von Juni 2002 bis April 2003 bereits verbüßte Haft insoweit keinen Erfolg zeitigte. Die Gefahrenprognose des Regierungspräsidiums ist daher auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt zutreffend und nicht zu beanstanden.
51 
Auch hat der Beklagte dargelegt, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 14 ARB 1/80, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Diesbezüglich wurde vor allem auf jene vom Kläger begangene Straftaten hingewiesen, die zeitlich nach den ausländerrechtlichen Verwarnungen liegen. Zu Recht hat der Beklagte in den vielfältigen Straftaten, die vom Diebstahl, versuchter Nötigung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bis hin zur gefährlichen Körperverletzung reichen, eine mittlere bis schwerere Kriminalität gesehen. Er ging auch zu Recht davon aus, dass die Ausweisung für den Schutz der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, da keine der zahlreichen bisherigen, milderen Maßnahmen den Kläger von diesem Weg haben abbringen können. Auch übte der Beklagte sein Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei aus. So legte er dar, dass er sich über die nicht unerheblichen Konsequenzen für den Kläger durchaus bewusst sei. Auch berücksichtigte er, dass der Kläger seit seiner Geburt in der BRD lebte. Dass der Beklagte davon ausging, dass der Kläger die türkische Sprache spreche, was im Übrigen seitens des Klägers auch nicht verneint wird, begründet ebenfalls keinen Ermessensfehler, solange nichts Gegenteiliges belegt ist. Weiter hat der Beklagte den Umstand berücksichtigt, dass die Mutter des Klägers seiner Unterstützung bedürfe, indem er in sein Ermessen mit einbezogen hat, dass der Kläger noch andere in der BRD lebende Geschwister habe, die sich um die Mutter kümmern könnten. Auch hat der Beklagte zu Recht den Umstand herangezogen, dass der Kläger durch seinen Bruder eine Anlaufstelle in der Türkei hat. Letztlich ist die Entscheidung, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem privaten Interesse des Klägers an dem Verbleib in der BRD deutlich überwiegt, insgesamt ermessensfehlerfrei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde hierbei ausreichend berücksichtigt.
52 
Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK liegt nicht vor. Die betroffenen Interessen wurden ausreichend ermittelt und mit ihrem jeweiligen Gewicht berücksichtigt. Dem volljährigen Kläger fehlt nicht jedweder Bezug zu seinem Heimatland und es ist ihm zumutbar, sich in den dortigen Lebensverhältnissen zurecht zu finden. Er beherrscht in ausreichendem Maße die türkische Sprache und hat in seinem seit 1999 wieder in der Türkei lebenden Bruder dort einen Anlaufpunkt. Besondere familiäre Bindungen in der BRD besitzt er nicht. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang lediglich dargelegt, er müsse seine hier lebende Mutter unterstützen. Diesbezüglich aber hat der Beklagte zutreffend ausgeführt, dass weder eine besondere Hilfsbedürftigkeit der Mutter ersichtlich sei noch hierfür gerade der Kläger benötigt werde. Vielmehr könnten die anderen in der BRD lebenden Geschwister des Klägers ihrer Mutter bei Bedarf helfend zur Seite stehen. Außerdem sei die familiäre Beziehung des Klägers wohl nicht mehr allzu eng, da er sich bei der Stadt Friedrichshafen zeitweise obdachlos gemeldet habe. Diese Ausführungen tragen den maßgeblichen Umständen hinreichend Rechnung und sind nicht zu beanstanden; sie wurden vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten oder gar widerlegt. Die noch nicht sehr gefestigte Beziehung zu seiner Freundin fällt nicht unter den Schutzbereich des Art. 8 EMRK, da keine konkreten Heiratspläne vorhanden sind.
53 
Auch liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 ENA nicht vor. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die gesetzgeberische Wertung in § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen jenen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 56 Abs. 1 AufenthG (vgl. zum inhaltsgleichen § 48 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urteil vom 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG48 Abs. 1 Satz 2 AuslG) liegen solche schwerwiegenden Gründe in der Regel in den Fällen der Ist - Ausweisung nach § 53 AufenthG47 Abs. 1 AuslG) vor. Mit der Verurteilung durch das Amtsgericht R. vom 17.10.2003 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 100 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des Diebstahls in 2 besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung hat der Kläger den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) erfüllt. Die Begründung der Strafzumessung in diesem Urteil und im zugehörigen Berufungsurteil nebst den angeführten Einsatzstrafen belegt auch, dass gerade wegen der festgestellten, erheblichen Betäubungsmittelstraftaten eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung ausgesprochen wurde.
54 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 1 C 8.96 - InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.N.).
55 
Die Ausweisung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG, die auch für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 gilt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.06.2005, C-136/03, Dörr/Ünal), rechtswidrig. Hiernach trifft, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist. Eine dem entsprechende Stellungnahme einer nicht für die Ausweisung zuständigen Stelle ist vorliegend nicht ergangen, zumal hier aufgrund von § 6 a AGVwGO auch kein Vorverfahren durchgeführt wurde. Ob die Verfahrensgarantien des Art 9 der Richtlinie 64/221/EWG generell durch den Rechtsschutz erfüllt werden, den die Verwaltungsgerichte in Deutschland gewähren (so VGH B.-W., Urteil vom 21.07.2004, - 11 S 535/04 -), kann offen bleiben. Denn die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann jedenfalls „in dringenden Fällen“ unterbleiben; diese Ausnahme ist in Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für alle drei Fallgestaltungen ausdrücklich vorgesehen (vgl. VGH B.-W., Beschluss vom 22.03.2004, - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff). Vom Vorliegen eines „dringenden Falles“ in diesem Sinne ist das Regierungspräsidium beim Erlass der gegen den Kläger ergangenen Ausweisungsverfügung vom 30.11.2004 ausgegangen; denn es hat die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - auch - aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich gehalten und hat diese in der Annahme für sofort vollziehbar erklärt, dass die begründete Besorgnis bestehe, dass sich die vom Kläger ausgehende, mit seiner Ausweisung bekämpfte Gefahr schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werde. Diese Bewertung hält das Gericht zum Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsentscheidung (der Kläger wurde damals nach dem Therapieabbruch per Haftbefehl gesucht) wie auch gegenwärtig für zutreffend; dementsprechend hat die Kammer unter Anwendung des gleichen Prüfungsmaßstabs im am Tag der mündlichen Verhandlung entschiedenen Eilverfahren (4 K 18/05) das Vorliegen eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses bejaht. Die Annahme des Bestehens eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung rechtfertigt grundsätzlich die gleichzeitige Annahme des Bestehens eines „dringenden Falls“. Lag im Fall des Klägers aber ein „dringender Fall“ vor, so folgt hieraus, dass das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ der Entscheidung über seine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorauszugehen hatte und dass sein Unterbleiben mithin nicht gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien verstößt.
56 
Die Ausweisung bedarf darüber hinaus auch keiner Befristung. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines Befristungsantrages ist ausreichend. Es liegen hier keine besonderen Umstände vor, die eine Verknüpfung der Ausweisungsentscheidung mit einer Befristung erforderlich machen würden. In dem von dem Kläger genannten Urteil liegen – wie vom Beklagten zu Recht geltend gemacht – andere Voraussetzungen vor, namentlich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und ein minderjähriges Kind.
57 
Die Ausweisung ist daher gegenwärtig insgesamt materiell rechtmäßig.
58 
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG50 AuslG). Da mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung zugleich die Ausreisepflicht vollziehbar ist (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 5, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; §§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), ist die Abschiebungsandrohung, die eine ausreichend bemessene Ausreisefrist und die Bezeichnung des Zielstaates der Abschiebung enthält, ebenfalls rechtmäßig.
59 
Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Gründe

 
36 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
37 
Die im Bescheid vom 30.11.2004 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung sind zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
38 
Die Ausweisung findet gegenwärtig ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
39 
Die Ausweisung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere war das Regierungspräsidium T. - entgegen der Auffassung des Klägers - für deren Erlass sachlich zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 in Strafhaft befand und diese Zuständigkeit mit seiner Haftentlassung im April 2003 nicht (wieder) beendet wurde. Sachlich zuständige Behörde war nach dem AuslG (§ 63 Abs. 1 AuslG) und ist heute nach dem AufenthG71 Abs. 1 AufenthG) die Ausländerbehörde. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 AuslG i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 1995 (GBl. v. 19.08.1995, S. 589) und nach § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 2005 (GBl. v. 14.01.2005, S. 95) ist das Regierungspräsidium als höhere Ausländerbehörde für die Ausweisung straffälliger Ausländer, wenn sich diese - wie hier - auf richterliche Anordnung in Strafhaft oder länger als eine Woche in Untersuchungshaft befinden, durchgängig zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt nach der inhaltsgleichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 1995 und in § 10 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 2005 bis zur Entscheidung über die Ausweisung bestehen, auch wenn der Ausländer aus der Haft entlassen wird. Hieraus geht gerade nicht hervor, dass die Ausweisungsentscheidung noch während der Haft oder unmittelbar nach der Haftentlassung getroffen werden muss. Vielmehr bleibt die besondere Zuständigkeit des Regierungspräsidiums bis zum Entscheidungszeitpunkt über die Ausweisung durch Erlass einer entsprechenden Verfügung oder die Einstellung des Ausweisungsverfahrens bestehen. Ersichtlich dient diese Regelung der Vermeidung eventueller ineffektiver Zuständigkeitswechsel durch Haftentlassungen, Haftunterbrechungen oder durch wiederholte kurzfristige Inhaftierungen. Das Regierungspräsidium ist zudem gemäß § 9 Abs. 2 AAZuVO 1995 und § 10 Abs. 3 AAZuVO 2005 bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Ausweisung auch für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels sowie zum Erlass der Abschiebungsandrohung oder -anordnung sachlich zuständig. Für „Haftfälle“ - wie hier - ist daher bis zum Abschluss des Ausweisungsverfahrens die gesamte ausländerrechtliche Zuständigkeit beim Regierungspräsidium konzentriert. Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG auch angehört worden.
40 
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kann sich auf ein gesetzliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer Ausweisungsschutz zukommt. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 vorliegen, begründet Art. 7 ARB 1/80 einen besonderen Ausweisungsschutz für den Kläger und die Möglichkeit der Berufung auf die Regelungen und Wirkungen des ARB 1/80. Der Kläger hat als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der BRD angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Genehmigung erhalten zu ihm zu ziehen. Hierbei ist es zunächst unbeachtlich, ob der Kläger bereits seit seiner Geburt 1979 oder erst 1984 in die BRD eingereist ist. Zwar ist in Art. 7 ARB 1/80 die Rede von „Genehmigung erhalten“, dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Verfasser des Beschlusses diejenigen Familienangehörigen ausschließen wollten, die im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats geboren wurden. Art. 7 ARB 1/80 verfolgt den Zweck, günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet wird, bei den Wanderarbeitnehmern zu leben, und ihre Stellung nach einer gewissen Zeit durch die Verleihung des Rechts gestärkt wird, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen (EuGH, Urteil vom 17. April 1997, C-351/95, Kadiman; EuGH, Urteil vom 16.03.2000, C-329/97, Ergat). Die Genehmigung hierfür ist erforderlich, da die erstmalige Zulassung der Einreise solcher Staatsangehöriger in einen Mitgliedsstaat im Grundsatz ausschließlich dem Recht dieses Staates unterliegt und die Einreisebestimmungen durch den ARB nicht berührt werden. Die Genehmigung bezweckt daher ausschließlich, diejenigen Familienangehörigen von Art. 7 ARB 1/80 auszunehmen, die unter Verstoß der Einreisebestimmungen in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind und dort wohnen. Daher kann sich der Kläger als Kind eines in Art. 7 S. 1 ARB 1/80 bezeichneten türkischen Arbeitnehmers darauf berufen, dass diese Vorschrift zu seinen Gunsten gilt, auch wenn er im Aufnahmemitgliedsstaat geboren ist und dort stets gelebt hat. Sowohl der Vater des Klägers hat seit den siebziger Jahren in der BRD gearbeitet, ebenso war seine Mutter von September 1982 bis September 1990 versicherungspflichtig in der BRD beschäftigt. Sein Vater ist zwischenzeitlich (1999) verstorben.
41 
Das Recht aus Art. 7 ARB 1/80 wird jedoch auch dadurch nicht verloren, dass der betreffende Arbeitnehmer zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedsstaates angehört. Gem. Art 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen hinsichtlich der Beschäftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80 herleiten können, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt außerdem zwangsläufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig ist. Art 7 ARB 1/80 gewährt dem Familienangehörigen somit ein unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen Mitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Daher kann der Kläger, nachdem er mehr als fünf Jahre ordnungsgemäß mit seinen Eltern zusammengelebt hat, diese Rechte ausüben, auch wenn der Arbeitnehmer nicht mehr dem Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaates angehört. Dementsprechend kann der Kläger seine Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 auch dann ausüben, wenn er volljährig ist (vgl. zusammenfassend: EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya).
42 
Der Kläger kann sich somit als türkischer Staatsangehöriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat zur Folge, dass zu seinen Gunsten von veränderten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-482/01, Orfanopoulos, DVBl 2004, 876 ff.) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich diese Entscheidung des EuGH auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, sie ist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsätze auf türkische Staatsangehörige zu übertragen, die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei“ aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Angehörigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des ARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die im Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.02.2000, C-340/97, Nazli, und Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung kombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (Orfanopoulos) ergeben sich für türkische Staatsangehörige, die die Rechte aus dem ARB 1/80 besitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 03.08.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -):
43 
1. Dies bedeutet zunächst, dass privilegierte türkische Staatsangehörige nur nach einer individuellen Entscheidung der zuständigen Behörde ausgewiesen werden dürfen, was zur Folge hat, dass die Tatbestände der zwingenden Ausweisung und einer Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80 privilegierte türkische Staatsangehörige nach den einschlägigen gemeinschaftlichen Grundsätzen nur aufgrund einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden kann.
44 
2. Erforderlich für eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte zu beschränken und darf sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Darüber hinaus hängt die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen davon ab, ob das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Dem gemeinschaftlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt hierbei besondere Bedeutung zu.
45 
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist nicht - wie bisher - grundsätzlich der Erlass des Widerspruchbescheids. Vielmehr sind für türkische Staatsangehörige, die durch das Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsächliche und rechtliche Änderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht zu berücksichtigen, da das Gericht nach den europarechtlichen Vorgaben eine aktuelle Gefahrenprognose anstellen muss (EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 03.08.2004, - BVerwG 1 C 29.02 -). In allen bis zum 31.01.2005 anhängig gewordenen Verwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die im Wege einer Ist- oder Regelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Ausländerbehörde mit Rücksicht auf die Rechtsprechungsänderung auch Gelegenheit zu geben, eine danach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung neuer Tatsachen in gemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren.
46 
Diesen Grundsätzen wird die hier streitige Ausweisungsentscheidung gerecht.
47 
Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung im Bescheid vom 31.11.2004 zwar primär auf die Rechtsgrundlage des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG und somit auf einen Ist - Ausweisungstatbestand gestützt, der aufgrund der gemeinschaftlichen Grundsätze bei einem privilegierten türkischen Staatsangehörigen nicht angewendet werden kann. Hilfsweise wurde jedoch auch eine Ermessensentscheidung nach §§ 45, 46 AuslG getroffen, die unter Berücksichtigung der im Klageverfahren ergänzten Ermessenserwägungen den dargelegten, erhöhten Anforderungen bei der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen entspricht.
48 
Allerdings ist aufgrund des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts der mündlichen Verhandlung hier nicht mehr das der Ausweisungsentscheidung zugrunde gelegte AuslG, sondern das am 1.1.2005 in Kraft getretene AufenthG anzuwenden. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung ist somit nur noch auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung gemäß § 55 AufenthG und nicht nach §§ 45, 46 AuslG zu beurteilen. Die genannten Normen des Aufenthaltsgesetzes und des Ausländergesetzes sind jedoch nahezu identisch. Nur einzelne Ausweisungsgründe, namentlich die Nr. 8a und b des § 55 AufenthG, sind durch die Reform hinzugekommen. Diesen kommt jedoch im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Die Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage der Ausweisung ist daher zulässig und begegnet keinen Bedenken.
49 
Der Ermessensentscheidung des Beklagten liegen keine Ermessensfehler zugrunde. Vielmehr hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers sein Ermessen entsprechend § 55 AufentG i. V. m. Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig ausgeübt. Dass er seine Entscheidung primär auf eine Ist - Ausweisung gestützt und die Ermessensentscheidung nur hilfsweise begründet hat und diese Begründung erst durch die Ausführungen im Klageverfahren auf den besonderen Ausweisungsschutz konkretisiert wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass die dort angegebenen Argumente eine Ausweisung rechtfertigen. Die Ergänzung der Ermessensbegründung erst im Klageverfahren ist gem. § 114 VwGO ebenso zulässig, wie die mit Schriftsatz vom 10.06.2005 nachgeholte Würdigung der Umstände, die sich nach dem Ergehen des Ausweisungsbescheids bis zur mündlichen Verhandlung ergeben haben. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine komplette Auswechslung der Begründung oder um die Einbeziehung völlig neuer, vorher übersehener Gesichtspunkte. Das Gericht kann lediglich die Rechtmäßigkeit der zuletzt begründeten Ermessensentscheidung überprüfen. Hiernach hat der Beklagte eine einzelfallbezogene Prüfung vorgenommen, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht und hieraus eine Gefahrenprognose getroffen, die sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte beschränkt. Lediglich zur deren Untermauerung wurden die zahlreichen Verurteilungen in der Vergangenheit und jene vom 18.01.2005 herangezogen. Der Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass er aufgrund der schweren Drogenabhängigkeit des Klägers sowie der abgebrochen Therapien von einer gesteigerten, konkreten Wiederholungsgefahr ausgeht. Auch hat er diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass weder die zwei ausländerrechtlichen Verwarnungen noch die Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 beim Kläger eine Verhaltensänderung bewirkt haben. Vielmehr ist er danach trotzdem erneut straffällig geworden und dies sogar während eines Strafvollzugs in der Haftanstalt, was auf seine schwere, unbewältigte Drogenabhängigkeit zurückzuführen ist. Nur so lässt sich auch der in der Haft begangene Heroinhandel, der zur Verurteilung durch das Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 führte, erklären. Der Rückschluss, dass die Delikte wegen der Drogenabhängigkeit begangen wurden, wird im Übrigen vom Kläger in seinem Schreiben an das Gericht vom 19.01.2005, zugegangen am 22.01.2005, durchweg bestätigt; zudem hat der Kläger dies auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Insgesamt begründet daher die noch vorhandene, unbewältigte Drogenabhängigkeit des Klägers die vom Beklagten zu Recht angenommene, gesteigerte Wiederholungsgefahr.
50 
Der Kläger hält die Annahme, dass von ihm eine gesteigerte Wiederholungsgefahr ausgehe, zwar für unzutreffend. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zur Begründung seiner Auffassung verweist der Kläger in erster Linie auf ein Schreiben der Caritas B.-O. vom 15.12.2004, aus dem hervorgeht, dass er sich einer Methadonbehandlung unterzogen habe und dass diese Substitution die körperliche und psychosoziale Stabilisierung bezwecke, um baldmöglichst eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit vor gelagerter körperlichen Entzugsbehandlung beginnen zu können. Aufgrund der fortgeschrittenen Opiatabhängigkeit des Klägers sei danach eine Therapie indiziert, für die eine Kostenzusage des Landeswohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg vorliege. Zudem weist der Kläger auf den mit dem Antritt der Strafhaft im Dezember 2004 verbundenen, kalten Drogenentzug hin. Diese Tatsachen erlauben jedoch nach Auffassung des Gerichts keine positive Änderung der bisherigen Gefahrenprognose. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn der Kläger die Therapie bereits erfolgreich beendet hätte. Die bloße Möglichkeit der Aufnahme einer Drogentherapie begründet ebenso wenig wie die Methadonbehandlung oder der kalte Entzug eine die Prognose positiv beeinflussende Tatsachenlage, da der Kläger nach wie vor drogenabhängig ist; gerade deshalb bedarf es ja der Durchführung einer Therapie. Insbesondere die Therapieabbrüche in der Vergangenheit und die erfolglosen Substitutionsversuche mit Methadon, die beim Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung mit einem ständigen Beikonsum - auch von Heroin - einhergingen, zeigen deutlich, dass allein das Innehaben eines Therapieplatzes oder die zeitweilige (erzwungene) Drogenfreiheit keine ausschlaggebenden Kriterien für die Gefahrenprognose bei einem langjährig Drogenabhängigen, wie dem Kläger, sein können. Darüber hinaus wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.01.2005, rechtskräftig seit dem 26.01.2005, wegen eines im November 2004, unmittelbar nach dem Abbruch der letzten Therapie begangenen Diebstahls zu einer neuerlichen Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dies belegt anschaulich, dass der Kläger ohne erfolgreich durchgeführte Therapie weder von seiner Drogenabhängigkeit noch von der damit verbundenen Beschaffungskriminalität weg kommt. Hierzu ist des weiteren auch die gegenwärtige Inhaftierung nicht geeignet, da die vom Kläger von Juni 2002 bis April 2003 bereits verbüßte Haft insoweit keinen Erfolg zeitigte. Die Gefahrenprognose des Regierungspräsidiums ist daher auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt zutreffend und nicht zu beanstanden.
51 
Auch hat der Beklagte dargelegt, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 14 ARB 1/80, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Diesbezüglich wurde vor allem auf jene vom Kläger begangene Straftaten hingewiesen, die zeitlich nach den ausländerrechtlichen Verwarnungen liegen. Zu Recht hat der Beklagte in den vielfältigen Straftaten, die vom Diebstahl, versuchter Nötigung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bis hin zur gefährlichen Körperverletzung reichen, eine mittlere bis schwerere Kriminalität gesehen. Er ging auch zu Recht davon aus, dass die Ausweisung für den Schutz der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, da keine der zahlreichen bisherigen, milderen Maßnahmen den Kläger von diesem Weg haben abbringen können. Auch übte der Beklagte sein Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei aus. So legte er dar, dass er sich über die nicht unerheblichen Konsequenzen für den Kläger durchaus bewusst sei. Auch berücksichtigte er, dass der Kläger seit seiner Geburt in der BRD lebte. Dass der Beklagte davon ausging, dass der Kläger die türkische Sprache spreche, was im Übrigen seitens des Klägers auch nicht verneint wird, begründet ebenfalls keinen Ermessensfehler, solange nichts Gegenteiliges belegt ist. Weiter hat der Beklagte den Umstand berücksichtigt, dass die Mutter des Klägers seiner Unterstützung bedürfe, indem er in sein Ermessen mit einbezogen hat, dass der Kläger noch andere in der BRD lebende Geschwister habe, die sich um die Mutter kümmern könnten. Auch hat der Beklagte zu Recht den Umstand herangezogen, dass der Kläger durch seinen Bruder eine Anlaufstelle in der Türkei hat. Letztlich ist die Entscheidung, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem privaten Interesse des Klägers an dem Verbleib in der BRD deutlich überwiegt, insgesamt ermessensfehlerfrei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde hierbei ausreichend berücksichtigt.
52 
Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK liegt nicht vor. Die betroffenen Interessen wurden ausreichend ermittelt und mit ihrem jeweiligen Gewicht berücksichtigt. Dem volljährigen Kläger fehlt nicht jedweder Bezug zu seinem Heimatland und es ist ihm zumutbar, sich in den dortigen Lebensverhältnissen zurecht zu finden. Er beherrscht in ausreichendem Maße die türkische Sprache und hat in seinem seit 1999 wieder in der Türkei lebenden Bruder dort einen Anlaufpunkt. Besondere familiäre Bindungen in der BRD besitzt er nicht. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang lediglich dargelegt, er müsse seine hier lebende Mutter unterstützen. Diesbezüglich aber hat der Beklagte zutreffend ausgeführt, dass weder eine besondere Hilfsbedürftigkeit der Mutter ersichtlich sei noch hierfür gerade der Kläger benötigt werde. Vielmehr könnten die anderen in der BRD lebenden Geschwister des Klägers ihrer Mutter bei Bedarf helfend zur Seite stehen. Außerdem sei die familiäre Beziehung des Klägers wohl nicht mehr allzu eng, da er sich bei der Stadt Friedrichshafen zeitweise obdachlos gemeldet habe. Diese Ausführungen tragen den maßgeblichen Umständen hinreichend Rechnung und sind nicht zu beanstanden; sie wurden vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten oder gar widerlegt. Die noch nicht sehr gefestigte Beziehung zu seiner Freundin fällt nicht unter den Schutzbereich des Art. 8 EMRK, da keine konkreten Heiratspläne vorhanden sind.
53 
Auch liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 ENA nicht vor. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die gesetzgeberische Wertung in § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen jenen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 56 Abs. 1 AufenthG (vgl. zum inhaltsgleichen § 48 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urteil vom 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG48 Abs. 1 Satz 2 AuslG) liegen solche schwerwiegenden Gründe in der Regel in den Fällen der Ist - Ausweisung nach § 53 AufenthG47 Abs. 1 AuslG) vor. Mit der Verurteilung durch das Amtsgericht R. vom 17.10.2003 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 100 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des Diebstahls in 2 besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung hat der Kläger den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) erfüllt. Die Begründung der Strafzumessung in diesem Urteil und im zugehörigen Berufungsurteil nebst den angeführten Einsatzstrafen belegt auch, dass gerade wegen der festgestellten, erheblichen Betäubungsmittelstraftaten eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung ausgesprochen wurde.
54 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 1 C 8.96 - InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.N.).
55 
Die Ausweisung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG, die auch für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 gilt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.06.2005, C-136/03, Dörr/Ünal), rechtswidrig. Hiernach trifft, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist. Eine dem entsprechende Stellungnahme einer nicht für die Ausweisung zuständigen Stelle ist vorliegend nicht ergangen, zumal hier aufgrund von § 6 a AGVwGO auch kein Vorverfahren durchgeführt wurde. Ob die Verfahrensgarantien des Art 9 der Richtlinie 64/221/EWG generell durch den Rechtsschutz erfüllt werden, den die Verwaltungsgerichte in Deutschland gewähren (so VGH B.-W., Urteil vom 21.07.2004, - 11 S 535/04 -), kann offen bleiben. Denn die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann jedenfalls „in dringenden Fällen“ unterbleiben; diese Ausnahme ist in Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für alle drei Fallgestaltungen ausdrücklich vorgesehen (vgl. VGH B.-W., Beschluss vom 22.03.2004, - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff). Vom Vorliegen eines „dringenden Falles“ in diesem Sinne ist das Regierungspräsidium beim Erlass der gegen den Kläger ergangenen Ausweisungsverfügung vom 30.11.2004 ausgegangen; denn es hat die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - auch - aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich gehalten und hat diese in der Annahme für sofort vollziehbar erklärt, dass die begründete Besorgnis bestehe, dass sich die vom Kläger ausgehende, mit seiner Ausweisung bekämpfte Gefahr schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werde. Diese Bewertung hält das Gericht zum Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsentscheidung (der Kläger wurde damals nach dem Therapieabbruch per Haftbefehl gesucht) wie auch gegenwärtig für zutreffend; dementsprechend hat die Kammer unter Anwendung des gleichen Prüfungsmaßstabs im am Tag der mündlichen Verhandlung entschiedenen Eilverfahren (4 K 18/05) das Vorliegen eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses bejaht. Die Annahme des Bestehens eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung rechtfertigt grundsätzlich die gleichzeitige Annahme des Bestehens eines „dringenden Falls“. Lag im Fall des Klägers aber ein „dringender Fall“ vor, so folgt hieraus, dass das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ der Entscheidung über seine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorauszugehen hatte und dass sein Unterbleiben mithin nicht gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien verstößt.
56 
Die Ausweisung bedarf darüber hinaus auch keiner Befristung. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines Befristungsantrages ist ausreichend. Es liegen hier keine besonderen Umstände vor, die eine Verknüpfung der Ausweisungsentscheidung mit einer Befristung erforderlich machen würden. In dem von dem Kläger genannten Urteil liegen – wie vom Beklagten zu Recht geltend gemacht – andere Voraussetzungen vor, namentlich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und ein minderjähriges Kind.
57 
Die Ausweisung ist daher gegenwärtig insgesamt materiell rechtmäßig.
58 
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG50 AuslG). Da mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung zugleich die Ausreisepflicht vollziehbar ist (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 5, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; §§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), ist die Abschiebungsandrohung, die eine ausreichend bemessene Ausreisefrist und die Bezeichnung des Zielstaates der Abschiebung enthält, ebenfalls rechtmäßig.
59 
Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.