Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung.
Der am 23.09.1979 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und wurde in F. geboren. Zunächst besuchte er die Grund- und Sonderschule bis er anschließend in die Berufsschule wechselte, die er mit dem Hauptschulabschluss verließ. Eine Ausbildung absolvierte der Kläger nicht. Vielmehr machte er sich Anfang 1999 als Ausfahrer von Zeitungen und Zeitschriften mit einem von Dritten überlassenen Fahrzeug selbstständig. Seine Tätigkeit als Selbstständiger hatte jedoch keinen dauerhaften Erfolg, so dass er diese wieder aufgab und anschließend unselbstständigen Tätigkeiten nachging. Seit 2002 ist der Kläger arbeitslos. Der Kläger ist ledig und hat keine Kinder. Er lebte zuletzt bei seiner Mutter in F. und wurde von dieser unterstützt; teilweise bezog er auch Sozialhilfe. Der Vater des Klägers, der auch in F. lebte und arbeitete, ist Anfang des Jahres 2000 verstorben. Ein Bruder des Klägers lebt seit 1999 wieder in der Türkei.
Zuletzt war der Kläger im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, deren Verlängerung er am 18.04.2002 bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragte. Diese entschied über den Antrag wegen der vom Kläger begangenen Straftaten und dem anhängigen Ausweisungsverfahren zunächst nicht und erteilte dem Kläger für die Zwischenzeit entsprechende Fiktionsbescheinigungen, wovon die letzte am 18.01.2005 unwirksam wurde. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums T. vom 28.01.2005, zugestellt am 02.02.2005, wurde der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt. Die hiergegen rechtzeitig erhobene Klage ist gleichfalls hier anhängig (4 K 403/05).
Während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland wurde der Kläger ab dem Jahr 1994 mehrfach straffällig und befindet sich seit dem 27.12.2004 in Haft. Insgesamt liegen folgende Verurteilungen und Eintragungen im BZR vor:
1. Urteil des Amtsgerichts T. vom 01.06.1994, rechtskräftig seit dem 09.06.1994, wegen uneidlicher Falschaussage zur Erbringung von Arbeitsleistungen;
2. Urteil des Amtsgerichts T. vom 14.09.1994, rechtskräftig seit dem 22.09.1994, wegen Diebstahls in 5 Fällen zu einer Woche Jugendarrest;
3. Urteil des Amtsgerichts T. vom 15.02.1995, rechtskräftig seit dem 23.02.1995, wegen gefährlicher Körperverletzung zur Erbringung von Arbeitsleistungen;
4. StA R., Verstoß gegen das BtMG am 10.02.1995; Absehen von der Verfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG;
5. Urteil des Amtsgerichts T. vom 28.07.1999, rechtskräftig seit dem 05.08.1999, wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldauflage;
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6. Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.08.1999, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen Diebstahls zu einer Geldauflage, welche nachträglich wegen Verstoß gegen Auflagen in 1 Woche Jugendarrest umgewandelt wurde;
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7. Urteil des Amtsgerichts T. vom 05.09.2000, rechtskräftig seit diesem Tag, wegen Diebstahls in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten auf Bewährung, die später widerrufen wurde;
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8. Urteil des Amtsgerichts T. vom 11.01.2001, rechtskräftig seit dem 02.02.2001, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 60 DM;
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9. Urteil des Amtsgerichts T. vom 12.03.2002, rechtskräftig seit dem 20.03.2002, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 1 Monat ohne Bewährung;
14 
10. Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.06.2002, rechtskräftig seit dem 26.06.2002, wegen Diebstahls, versuchter Nötigung, versuchter Körperverletzung in 2 Fällen unter Einbeziehung der vorangegangenen Entscheidungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von  3 Monaten und 2 Wochen ohne Bewährung;
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11. Urteil des Amtsgerichts Ü. vom 19.09.2002, rechtskräftig seit dem 27.09.2002, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung;
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die Strafen unter 7. und 9. - 11. wurden im Zeitraum vom 17.06.2002 bis zum 08.04.2003 vollstreckt (JVA R.);
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12. Urteil des Amtsgerichts T. vom 22.07.2003, rechtskräftig seit dem 23.06.2004, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten ohne Bewährung;
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13. Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003, rechtskräftig seit dem 14.07.2004, wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 100 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des Diebstahls in 2 besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung; mit Beschluss vom 27.09.2004 wurde aus 12. und 13. eine Gesamtstrafe von einem Jahr gebildet
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14. Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.01.2005, rechtskräftig seit 26.01.2005, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung.
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Vor den letzten Straftaten wurde der Kläger insgesamt 2 Mal ausländerrechtlich verwarnt und zwar am 17.10.1995 über seine Eltern und persönlich am 15.03.2001. Hintergrund der Straftaten des Klägers ist sein jahrelanger Drogenkonsum (Heroinabhängigkeit). Hiergegen eingeleitete Maßnahmen (Entgiftungs-, Therapie- und Substituierungsversuche mit Methadon in den Jahren 2001 bis 2004) blieben sämtlich erfolglos bzw. wurden vom Kläger abgebrochen. Der Kläger musste nach seiner Haftentlassung im April 2003 seine weitere Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003, rechtskräftig seit dem 14.07.2004, zunächst nicht antreten, da er erneut einen Therapieplatz bekommen und das Amtsgerichts R. mit Beschluss vom 13.09.2004 einer Zurückstellung der Vollstreckung der Strafe gem. § 35 Abs. 1 BtMG zugestimmt hatte. Aufgrund des anschließenden, vorzeitigen Therapieabbruchs wurde jedoch seitens der Staatsanwaltschaft R. am 25.11.2004 ein Haftbefehl erlassen; seit dem 27.12.2004 befindet er sich in Haft. In der Haft versucht der Kläger inzwischen sein Drogenproblem aufzuarbeiten und strebt eine erneute Drogentherapie an; hierzu hat er mittlerweile eine Kostenzusage erhalten.
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Mit Schreiben vom 27.06.2002 wurde der Kläger vom Regierungspräsidium T. – B. f. A. – zur aufgrund der verübten Straftaten beabsichtigten Ausweisung angehört. Mit Schreiben vom 03.07.2002 führte der Kläger hierzu aus, er lebe seit seiner Geburt zusammen mit seiner Familie – ausgenommen des Bruders - in der Bundesrepublik Deutschland. Er habe lediglich ein Mal, im Alter von sechs Jahren die Türkei bereist. Sein Lebensmittelpunkt sei dementsprechend in Deutschland. Hier habe er auch eine deutsche Freundin, die er heiraten wolle. Die Zeit in der JVA wolle er zu einer Ausbildung nutzen und nach seiner Haftentlassung eine Drogentherapie absolvieren. Außerdem müsse er sich um seine Mutter kümmern, die momentan alleine leben würde.
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Mit Bescheid des Regierungspräsidiums T. – B. f. A. – vom 30.11.2004, zugestellt am 04.12.2004, wurde der Kläger ausgewiesen und die sofortige Vollziehung der Maßnahme angeordnet. Zudem wurde ihm unter Einräumung einer Ausreisefrist von einem Monat die Abschiebung in die Türkei bzw. einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist, angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vom Kläger begangenen Straftaten aus dem Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.06.2002 sowie dem Urteil des Amtsgerichts Ü. vom 19.09.2002, vor allem aber aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003, würden einen zwingenden Ausweisungsgrund darstellen. Ein besonderer Ausweisungsschutz ergebe sich weder aus der befristeten Aufenthaltserlaubnis, noch aus der Tatsache, dass sich der Kläger seit seiner Geburt im Bundesgebiet befinde. Auch würde er nicht unter die besonderen Ausweisungsschutzbestimmungen des ARB 1/80 Assoziationsabkommen fallen, da er weder dem regulären Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland angehöre noch eine Berufsausbildung abgeschlossen habe. Der Kläger sei lediglich Gelegenheitsarbeiten bei verschiedenen Arbeitgebern nachgegangen, jedoch habe er nie für mindestens 1 Jahr für ein und denselben Arbeitgeber gearbeitet. Seiner Tätigkeit als Selbstständiger sei er ebenfalls nur kurzfristig nachgegangen. Da ein besonderer Ausweisungsschutz somit für den Kläger nicht vorhanden sei, und er wegen einer vorsätzlichen Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde und weder in den Tathandlungen noch in seiner Person eine Atypik erkennbar sei, liege ein zwingender Ausweisungsgrund vor. Eine Herabstufung sei daher nicht vorzunehmen. Darüber hinaus sei die Ausweisung aber auch aus ermessensrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Die Maßnahme sei geeignet, erforderlich und angemessen. Geeignet sei sie, da sie den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleiste und die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten, die der Kläger begehen könnte, schützen würde.
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Der Kläger habe in der Vergangenheit zahlreiche Straftaten auf der Ebene der mittleren und schweren Kriminalität begangen, die ein hohes Schutzgut, nämlich die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen gefährde. Erforderlich sei sie, weil mildere Mittel, wie z.B. die 2 ausländerrechtlichen Verwarnungen, zu keinem Erfolg geführt hätten und die Drogentherapie seitens des Klägers im November 2004 abgebrochen worden sei und sich dieser bei der Stadt F. obdachlos gemeldet habe. Aufgrund der schwerwiegenden Verstöße gegen die Rechtsordnung bestehe daher die konkrete Gefahr, dass der Kläger weitere einschlägige Straftaten begehe. Angemessen sei sie, da bei Abwägung des öffentlichen Interesses gegen das private Interesse des Klägers dem öffentlichen Interesse Vorrang zu geben sei. Zwar treffe die Maßnahme den Kläger nicht unerheblich, da er seit seiner Geburt in der Bundesrepublik Deutschland gelebt habe; andererseits könne von einer gelungenen Integration angesichts der zahlreichen Straftaten sowie der mangelnden Ausbildung und des fehlenden festen Arbeitsverhältnisses nicht ausgegangen werden. Es werde angenommen, dass der Kläger die türkische Sprache beherrsche und er verfüge durch den Familienverband auch über genügend Anknüpfungspunkte zu den türkischen Lebensgewohnheiten und Kulturen. Ferner könne er bei seinem seit 1999 in der Türkei lebenden Bruder eine Anlaufstelle und Unterstützung bekommen. Nachdem seine Mutter ihn zuletzt nicht mehr zuhause aufgenommen habe, fehle ihm auch die familiäre Perspektive in der BRD. Daher bestehe nach einer Ausreise in die Türkei die Chance, sein Leben neu zu ordnen und unter veränderten Umständen in geregelte Bahnen zu lenken. Für ihn und seine Familienangehörigen seien die Folgen der Ausweisung zumutbar und hinzunehmen. Nachdem die Abschiebung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht unmöglich sei und bei einer Ausweisung auch keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Klägers bestehe, ergebe sich angesichts seiner privaten Lebenssituation und den von ihm begangenen Straftaten, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung dem privaten Interesse des Klägers, weiterhin in der BRD verbleiben zu können, deutlich überwiege. Weiter verstoße die Ausweisung auch nicht gegen höherrangiges Recht. Art 6 GG stehe nicht entgegen, da der Kläger weder verheiratet sei noch Kinder habe und zu seinem Elternhaus kein sehr guter Kontakt mehr bestehe.
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Eine besondere Beistandspflicht für seine Eltern sei nicht geltend gemacht worden und mit seiner deutschen Freundin führe er noch keine längere Lebensgemeinschaft. Unter Berücksichtigung der Art und Schwere der von ihm begangenen Straftaten sei es ihm zumutbar, mit 25 Jahren getrennt von seinen Eltern zu leben. Letztendlich sei auch ein Teil seiner Familie, sein Bruder, seit 1999 in der Türkei. Auch stehe Art 8 EMRK der Ausweisung nicht entgegen, da dieser abgesehen von seiner Anwendbarkeit nicht über die grundrechtlichen Schutzbestimmungen des Art. 6 GG hinausgehe.   Ebenso wenig verstoße die Ausweisung gegen Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkei aus dem Jahr 1927. Einem besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 3 Abs. 3 ENA stehe entgegen, dass er keiner geregelten Arbeit im Bundesgebiet nachgegangen sei. Aufgrund der verfügten Ausweisung – unter Anordnung des Sofortvollzugs – besitze der Kläger keine Aufenthaltsgenehmigung für die BRD mehr, so dass eine Abschiebungsandrohung zu erfolgen hatte. Der Kläger sei somit vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ausreisefrist von einem Monat ergebe sich aufgrund seines langjährigen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland.
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Am 04.01.2005 hat der Kläger hier Klage erhoben und trägt zu deren Begründung vor, der Bescheid sei bereits in formeller Hinsicht nicht rechtmäßig, da das Regierungspräsidium nach seiner Haftentlassung am 08.04.2003 für den Erlass des Ausweisungsbescheides nicht mehr zuständig gewesen sei. Des weiteren sei die Verfügung des Beklagten auch materiell rechtswidrig. Der Beklagte gehe davon aus, dass er einen Ist - Ausweisungstatbestand verwirklicht habe. Dies sei jedoch nicht der Fall, da er – entgegen der Auffassung des Beklagten - unter die besonderen Ausweisungsschutzbestimmungen des ARB 1/80 falle. Zum einen gehöre er selbst dem Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland an. Der Beklagte verkenne, dass er sowohl in dem Unternehmen D. Transporte, als auch in dem Unternehmen des Herrn Ö. L. über ein Jahr ordnungsgemäß beschäftigt gewesen sei und es sich hierbei nicht um Gelegenheitsjobs gehandelt habe. Vielmehr habe er für seine Tätigkeit bei dem Unternehmen des Herrn Ö. L. eine monatliche Vergütung erhalten. Zum anderen sei er Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der BRD angehörigen türkischen Arbeitnehmers, da sein Vater seit den siebziger Jahren in Deutschland gelebt und gearbeitet habe. Auch habe er selbst sich stets um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bemüht. Zudem sei festzustellen, dass er als Familienangehöriger zwar das Recht auf freien Zugang zum Arbeitsmarkt habe – eine Pflicht bzw. die Koppelung einer Beschäftigung an die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung ergebe sich daraus aber gerade nicht. Weder die Unterbrechung durch die Inhaftierung noch das Erreichen der Volljährigkeit führe zum Verlust dieser Rechtsstellung, da entsprechende Beschränkungen innerhalb der Norm fehlen würden. Auch seien andere Verlusttatbestände nicht ersichtlich – er habe die BRD nie dauerhaft verlassen. Auch weise die Norm einen geringeren Arbeitsmarktbezug auf, da es ihr primär um die Integration von Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedsstaat ginge. Letztendlich habe er seine Rechtsstellung als Familienangehöriger auch dadurch nicht verloren, dass er einer Beschäftigung als Arbeitnehmer im regulären Arbeitsmarkt der BRD nachgegangen sei – die Normen würden nebeneinander bestehen bleiben. Daher bestehe ein besonderer Ausweisungsschutz, der zur Folge habe, dass er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen werden dürfte. Diese Prüfung sei aber von dem Beklagten unterlassen worden, da dieser gerade nicht die Frage geklärt habe, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, dass er erneut mit den Strafvorschriften in Konflikt geraten werde und ob dieser Wahrscheinlichkeitsgrad ausreiche, um eine Ausweisung trotz des ihm zu gewährenden erhöhten Ausweisungsschutzes zu rechtfertigen. Aufgrund des besonderen Ausweisungsschutzes sei eine Ist - Ausweisung - wie vom Beklagten durchgeführt - falsch.
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Diesbezüglich habe der Beklagte auch übersehen, dass die Voraussetzungen für eine Ist - Ausweisung nicht erfüllt seien, da weder aus dem Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 noch aus den anderen Urteilen ersichtlich sei, ob allein die Verurteilung wegen der Drogendelikte zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung geführt habe. Die Ist-Ausweisung scheide daher als Rechtsgrundlage aus; hierauf habe jedoch der Beklagte die Ausweisung primär gestützt. Nur hilfsweise sei die Ausweisung noch auf der Grundlage einer ausländerbehördlichen Ermessenentscheidung bejaht worden. Hier sei das Ermessen allerdings fehlerhaft ausgeübt worden. Eine notwendig durchzuführende Gefahrenprognose sei nicht getroffen worden, eine etwaige Wiederholungsgefahr sei seitens des Beklagten nicht einmal erwähnt worden. Auch könne auf diese nicht durch die Verurteilungen in der Vergangenheit geschlossen werden. Vielmehr müsse eine Prognose für die Zukunft aufgestellt werden. Da er sich bei Haftantritt einem kalten Entzug habe unterziehen müssen, konsumiere er seitdem auch keine Drogen mehr; er befinde sich derzeit auch in keiner Methadonbehandlung. Eine Betäubungsmittelabhängigkeit seit daher zu verneinen, so dass eine Wiederholungsgefahr gerade ausscheide. Zudem habe er inzwischen eine Kostenzusage für eine Entziehungstherapie. Da sich der Beklagte mit der Gefahrenprognose - die Tatbestandsvoraussetzung für die Ausweisung sei - nicht auseinandergesetzt habe, sei das Ermessen fehlerhaft.
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Darüber hinaus habe der Beklagte keine angemessene Abwägung des öffentlichen Interesses mit seinen Interessen durchgeführt. Der Beklagte habe lediglich angenommen, dass er die türkische Sprache beherrsche. Daraus werde ersichtlich, dass sich der Beklagte nicht ausreichend mit dem Sachverhalt beschäftigt habe. Er sei mit 5 Jahren in die BRD eingereist, so dass die Verhältnisse in Deutschland für seine Entwicklung und Persönlichkeit maßgeblich und prägend gewesen seien. Er habe weder soziale noch schulische Kontakte in der Türkei aufgebaut. Die Tatsache, dass sein Bruder in der Türkei lebe und er somit eine Anlaufstelle habe, könne hierbei nicht ausschlaggebend sein. Vielmehr müsse er hierfür die türkische Sprache beherrschen, was nicht einfach unterstellt werden könnte. Zudem sei er so gut wie nie in der Türkei gewesen. Er besitze somit keine anderen Verbindungen zu diesem Land als die Staatsangehörigkeit, so dass auch hier ein Ermessensfehler vorliege. Ebenso habe er enge Bindung zu den Familienangehörigen und seine Hilfe sei für die Mutter unerlässlich, da der Vater bereits verstorben sei. Auch habe der Beklagte den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht umfassend berücksichtigt. Der Beklagte habe die betroffenen Interessen nicht ausreichend ermittelt und in ihrem jeweiligen Gewicht unberücksichtigt gelassen. Er stelle eine unerlässliche Hilfe für seine Mutter dar und wohne noch bei dieser. Außerdem wolle er seine deutsche Freundin heiraten. Dieser sei es aber nicht zumutbar, das Bundesgebiet zu verlassen um die eheliche Lebensgemeinschaft verwirklichen zu können. Dies habe der Beklagte verkannt. Ebenso verstoße die Ausweisung gegen Art. 3 ENA. Hiernach müssten besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, das hieße, es müsse insbesondere eine konkrete Gefahr für eine erneute Störung gegeben sein. Der Beklagte habe jedoch eben eine solche Prognose nicht durchgeführt. Auch verlange Art. 3 ENA eine jeweils individuelle Bewertung der Hinnehmbarkeit des weiteren Aufenthalts eines Vertragsausländers – diese sei jedoch aus der Begründung des Bescheids nicht zu entnehmen. Die mangelnde Auseinandersetzung des Beklagten mit dem Sachverhalt ergebe sich auch daraus, dass dieser von einer bis zum 11.04.2003 befristeten Aufenthaltsgenehmigung ausgegangen sei. Demgegenüber habe er aber am 18.04.2002 die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsgenehmigung beantragt. Seither seien ihm Fiktionsbescheinigungen erteilt worden, die erst mit der Zweckerfüllung, d.h. bei der Antragsablehnung als solche erlöschen würden. Daher habe er bis zur Antragsablehnung am 28.01.2005 eine Aufenthaltsgenehmigung gehabt. Auch dies habe die Beklagte übersehen. Der Bescheid sei daher insgesamt nicht sachgerecht, geeignet, erforderlich und angemessen. Auch verstoße die Ausweisung gegen Grundrechte, da sie ohne Befristung erfolgt sei. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines Befristungsantrags genüge nicht; die Ausweisung ohne Befristung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff i. S. von Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. Der Beklagte müsse daher die Ausweisung bei türkischen Staatsangehörigen von vorn herein befristen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 30.11.2004 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
32 
Zur Begründung wird auf den Bescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass dem Kläger zwar ein – im Bescheid zu Unrecht verneinter – besonderer Ausweisungsschutz aus Art. 7 ARB 1/80 zukomme, da die Mutter des Klägers von September 1982 bis September 1990 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, die hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen würden jedoch den erhöhten Anforderungen des Assoziationsrechts genügen. Die gesteigerte Wiederholungsgefahr sei vorhanden. Dies belege auch die neuerliche Verurteilung des Klägers durch das Amtsgerichts T. vom 18.01.2005 wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung. Vor allem habe der Kläger noch keine längerfristigen therapeutischen Maßnahmen gegen seine Drogenabhängigkeit durchlaufen. Die Kostenzusage und das Innehaben eines Therapieplatzes ändere an diesem Umstand nichts. Die Drogenprobleme des Klägers könnten auch in der Türkei hinreichend behandelt werden. Darüber hinaus habe der Kläger am 19.11.2004 um Zuweisung einer Obdachlosenwohnung bei der Stadtverwaltung Friedrichshafen gebeten, so dass davon auszugehen sei, dass er nicht mehr bei seiner Mutter wohne. Ferner würden noch andere Geschwister des Klägers in der BRD leben, die sich um die Mutter kümmern könnten. Der Umstand, dass die Ausweisung ohne zeitliche Befristung erfolgt sei, führe nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausweisungsbescheides, da dem Grundsatz der Antragsbefristung genügt worden sei. Eine Befristung von Amts wegen sei hier nicht geboten gewesen, da die besonderen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben gewesen seien.
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In der mündlichen Verhandlung wurde der Kläger angehört. Er führte im Wesentlichen aus, sein Vater sei am 16.02.2000 gestorben. Er habe zwei Brüder, eine Schwester und drei Halbbrüder. Diese befänden sich, bis auf den Bruder, der 1999 wegen einer Ausweisung in die Türkei zurückgekehrt sei, alle hier. Seit 1992 habe er fortlaufend Drogen konsumiert. Zunächst habe er gekifft, ab dem sechzehnten Lebensjahr dann aber harte Drogen und insbesondere Heroin genommen. Zweimal sei er in einem Methadonprogramm gewesen, habe aber dabei immer ab und zu Beikonsum, auch von Heroin, gehabt. Bei der letzten Therapie habe er bereits die Entgiftung abgebrochen, da er ein Mädchen - seine Freundin - kennen gelernt habe, welches ebenfalls drogenabhängig sei. Die Freundin wohne in N. In der Haft arbeite er derzeit in der Montage. Er wolle möglichst bald eine erneute Therapie beginnen, um später eine Berufsausbildung zu machen. In der Haft könne er keine Berufsausbildung absolvieren, da dazu die Haftdauer zu kurz sei.
34 
Neben dem Hauptsacheverfahren zur Aufenthaltserlaubnis (4 K 403/05), welches gleichzeitig verhandelt wurde, ist beim Gericht jeweils noch ein Eilverfahren zur Ausweisung (4 K 19/05) und zur Aufenthaltserlaubnis (4 K 416/05) anhängig. Die Klage und der Eilantrag zur Aufenthaltserlaubnis wurden in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen; die jeweiligen Verfahren wurden eingestellt.
35 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die Gerichtsakten der weiteren, anhängigen Verfahren und auf die Behördenakten, die vorgelegen haben, verwiesen. Dem Gericht haben auch die Strafakten zum Urteil des Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 (.../..) vorgelegen; auf deren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
36 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
37 
Die im Bescheid vom 30.11.2004 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung sind zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
38 
Die Ausweisung findet gegenwärtig ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
39 
Die Ausweisung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere war das Regierungspräsidium T. - entgegen der Auffassung des Klägers - für deren Erlass sachlich zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 in Strafhaft befand und diese Zuständigkeit mit seiner Haftentlassung im April 2003 nicht (wieder) beendet wurde. Sachlich zuständige Behörde war nach dem AuslG (§ 63 Abs. 1 AuslG) und ist heute nach dem AufenthG71 Abs. 1 AufenthG) die Ausländerbehörde. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 AuslG i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 1995 (GBl. v. 19.08.1995, S. 589) und nach § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 2005 (GBl. v. 14.01.2005, S. 95) ist das Regierungspräsidium als höhere Ausländerbehörde für die Ausweisung straffälliger Ausländer, wenn sich diese - wie hier - auf richterliche Anordnung in Strafhaft oder länger als eine Woche in Untersuchungshaft befinden, durchgängig zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt nach der inhaltsgleichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 1995 und in § 10 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 2005 bis zur Entscheidung über die Ausweisung bestehen, auch wenn der Ausländer aus der Haft entlassen wird. Hieraus geht gerade nicht hervor, dass die Ausweisungsentscheidung noch während der Haft oder unmittelbar nach der Haftentlassung getroffen werden muss. Vielmehr bleibt die besondere Zuständigkeit des Regierungspräsidiums bis zum Entscheidungszeitpunkt über die Ausweisung durch Erlass einer entsprechenden Verfügung oder die Einstellung des Ausweisungsverfahrens bestehen. Ersichtlich dient diese Regelung der Vermeidung eventueller ineffektiver Zuständigkeitswechsel durch Haftentlassungen, Haftunterbrechungen oder durch wiederholte kurzfristige Inhaftierungen. Das Regierungspräsidium ist zudem gemäß § 9 Abs. 2 AAZuVO 1995 und § 10 Abs. 3 AAZuVO 2005 bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Ausweisung auch für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels sowie zum Erlass der Abschiebungsandrohung oder -anordnung sachlich zuständig. Für „Haftfälle“ - wie hier - ist daher bis zum Abschluss des Ausweisungsverfahrens die gesamte ausländerrechtliche Zuständigkeit beim Regierungspräsidium konzentriert. Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG auch angehört worden.
40 
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kann sich auf ein gesetzliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer Ausweisungsschutz zukommt. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 vorliegen, begründet Art. 7 ARB 1/80 einen besonderen Ausweisungsschutz für den Kläger und die Möglichkeit der Berufung auf die Regelungen und Wirkungen des ARB 1/80. Der Kläger hat als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der BRD angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Genehmigung erhalten zu ihm zu ziehen. Hierbei ist es zunächst unbeachtlich, ob der Kläger bereits seit seiner Geburt 1979 oder erst 1984 in die BRD eingereist ist. Zwar ist in Art. 7 ARB 1/80 die Rede von „Genehmigung erhalten“, dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Verfasser des Beschlusses diejenigen Familienangehörigen ausschließen wollten, die im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats geboren wurden. Art. 7 ARB 1/80 verfolgt den Zweck, günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet wird, bei den Wanderarbeitnehmern zu leben, und ihre Stellung nach einer gewissen Zeit durch die Verleihung des Rechts gestärkt wird, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen (EuGH, Urteil vom 17. April 1997, C-351/95, Kadiman; EuGH, Urteil vom 16.03.2000, C-329/97, Ergat). Die Genehmigung hierfür ist erforderlich, da die erstmalige Zulassung der Einreise solcher Staatsangehöriger in einen Mitgliedsstaat im Grundsatz ausschließlich dem Recht dieses Staates unterliegt und die Einreisebestimmungen durch den ARB nicht berührt werden. Die Genehmigung bezweckt daher ausschließlich, diejenigen Familienangehörigen von Art. 7 ARB 1/80 auszunehmen, die unter Verstoß der Einreisebestimmungen in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind und dort wohnen. Daher kann sich der Kläger als Kind eines in Art. 7 S. 1 ARB 1/80 bezeichneten türkischen Arbeitnehmers darauf berufen, dass diese Vorschrift zu seinen Gunsten gilt, auch wenn er im Aufnahmemitgliedsstaat geboren ist und dort stets gelebt hat. Sowohl der Vater des Klägers hat seit den siebziger Jahren in der BRD gearbeitet, ebenso war seine Mutter von September 1982 bis September 1990 versicherungspflichtig in der BRD beschäftigt. Sein Vater ist zwischenzeitlich (1999) verstorben.
41 
Das Recht aus Art. 7 ARB 1/80 wird jedoch auch dadurch nicht verloren, dass der betreffende Arbeitnehmer zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedsstaates angehört. Gem. Art 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen hinsichtlich der Beschäftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80 herleiten können, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt außerdem zwangsläufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig ist. Art 7 ARB 1/80 gewährt dem Familienangehörigen somit ein unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen Mitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Daher kann der Kläger, nachdem er mehr als fünf Jahre ordnungsgemäß mit seinen Eltern zusammengelebt hat, diese Rechte ausüben, auch wenn der Arbeitnehmer nicht mehr dem Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaates angehört. Dementsprechend kann der Kläger seine Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 auch dann ausüben, wenn er volljährig ist (vgl. zusammenfassend: EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya).
42 
Der Kläger kann sich somit als türkischer Staatsangehöriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat zur Folge, dass zu seinen Gunsten von veränderten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-482/01, Orfanopoulos, DVBl 2004, 876 ff.) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich diese Entscheidung des EuGH auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, sie ist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsätze auf türkische Staatsangehörige zu übertragen, die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei“ aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Angehörigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des ARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die im Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.02.2000, C-340/97, Nazli, und Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung kombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (Orfanopoulos) ergeben sich für türkische Staatsangehörige, die die Rechte aus dem ARB 1/80 besitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 03.08.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -):
43 
1. Dies bedeutet zunächst, dass privilegierte türkische Staatsangehörige nur nach einer individuellen Entscheidung der zuständigen Behörde ausgewiesen werden dürfen, was zur Folge hat, dass die Tatbestände der zwingenden Ausweisung und einer Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80 privilegierte türkische Staatsangehörige nach den einschlägigen gemeinschaftlichen Grundsätzen nur aufgrund einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden kann.
44 
2. Erforderlich für eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte zu beschränken und darf sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Darüber hinaus hängt die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen davon ab, ob das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Dem gemeinschaftlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt hierbei besondere Bedeutung zu.
45 
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist nicht - wie bisher - grundsätzlich der Erlass des Widerspruchbescheids. Vielmehr sind für türkische Staatsangehörige, die durch das Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsächliche und rechtliche Änderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht zu berücksichtigen, da das Gericht nach den europarechtlichen Vorgaben eine aktuelle Gefahrenprognose anstellen muss (EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 03.08.2004, - BVerwG 1 C 29.02 -). In allen bis zum 31.01.2005 anhängig gewordenen Verwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die im Wege einer Ist- oder Regelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Ausländerbehörde mit Rücksicht auf die Rechtsprechungsänderung auch Gelegenheit zu geben, eine danach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung neuer Tatsachen in gemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren.
46 
Diesen Grundsätzen wird die hier streitige Ausweisungsentscheidung gerecht.
47 
Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung im Bescheid vom 31.11.2004 zwar primär auf die Rechtsgrundlage des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG und somit auf einen Ist - Ausweisungstatbestand gestützt, der aufgrund der gemeinschaftlichen Grundsätze bei einem privilegierten türkischen Staatsangehörigen nicht angewendet werden kann. Hilfsweise wurde jedoch auch eine Ermessensentscheidung nach §§ 45, 46 AuslG getroffen, die unter Berücksichtigung der im Klageverfahren ergänzten Ermessenserwägungen den dargelegten, erhöhten Anforderungen bei der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen entspricht.
48 
Allerdings ist aufgrund des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts der mündlichen Verhandlung hier nicht mehr das der Ausweisungsentscheidung zugrunde gelegte AuslG, sondern das am 1.1.2005 in Kraft getretene AufenthG anzuwenden. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung ist somit nur noch auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung gemäß § 55 AufenthG und nicht nach §§ 45, 46 AuslG zu beurteilen. Die genannten Normen des Aufenthaltsgesetzes und des Ausländergesetzes sind jedoch nahezu identisch. Nur einzelne Ausweisungsgründe, namentlich die Nr. 8a und b des § 55 AufenthG, sind durch die Reform hinzugekommen. Diesen kommt jedoch im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Die Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage der Ausweisung ist daher zulässig und begegnet keinen Bedenken.
49 
Der Ermessensentscheidung des Beklagten liegen keine Ermessensfehler zugrunde. Vielmehr hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers sein Ermessen entsprechend § 55 AufentG i. V. m. Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig ausgeübt. Dass er seine Entscheidung primär auf eine Ist - Ausweisung gestützt und die Ermessensentscheidung nur hilfsweise begründet hat und diese Begründung erst durch die Ausführungen im Klageverfahren auf den besonderen Ausweisungsschutz konkretisiert wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass die dort angegebenen Argumente eine Ausweisung rechtfertigen. Die Ergänzung der Ermessensbegründung erst im Klageverfahren ist gem. § 114 VwGO ebenso zulässig, wie die mit Schriftsatz vom 10.06.2005 nachgeholte Würdigung der Umstände, die sich nach dem Ergehen des Ausweisungsbescheids bis zur mündlichen Verhandlung ergeben haben. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine komplette Auswechslung der Begründung oder um die Einbeziehung völlig neuer, vorher übersehener Gesichtspunkte. Das Gericht kann lediglich die Rechtmäßigkeit der zuletzt begründeten Ermessensentscheidung überprüfen. Hiernach hat der Beklagte eine einzelfallbezogene Prüfung vorgenommen, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht und hieraus eine Gefahrenprognose getroffen, die sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte beschränkt. Lediglich zur deren Untermauerung wurden die zahlreichen Verurteilungen in der Vergangenheit und jene vom 18.01.2005 herangezogen. Der Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass er aufgrund der schweren Drogenabhängigkeit des Klägers sowie der abgebrochen Therapien von einer gesteigerten, konkreten Wiederholungsgefahr ausgeht. Auch hat er diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass weder die zwei ausländerrechtlichen Verwarnungen noch die Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 beim Kläger eine Verhaltensänderung bewirkt haben. Vielmehr ist er danach trotzdem erneut straffällig geworden und dies sogar während eines Strafvollzugs in der Haftanstalt, was auf seine schwere, unbewältigte Drogenabhängigkeit zurückzuführen ist. Nur so lässt sich auch der in der Haft begangene Heroinhandel, der zur Verurteilung durch das Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 führte, erklären. Der Rückschluss, dass die Delikte wegen der Drogenabhängigkeit begangen wurden, wird im Übrigen vom Kläger in seinem Schreiben an das Gericht vom 19.01.2005, zugegangen am 22.01.2005, durchweg bestätigt; zudem hat der Kläger dies auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Insgesamt begründet daher die noch vorhandene, unbewältigte Drogenabhängigkeit des Klägers die vom Beklagten zu Recht angenommene, gesteigerte Wiederholungsgefahr.
50 
Der Kläger hält die Annahme, dass von ihm eine gesteigerte Wiederholungsgefahr ausgehe, zwar für unzutreffend. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zur Begründung seiner Auffassung verweist der Kläger in erster Linie auf ein Schreiben der Caritas B.-O. vom 15.12.2004, aus dem hervorgeht, dass er sich einer Methadonbehandlung unterzogen habe und dass diese Substitution die körperliche und psychosoziale Stabilisierung bezwecke, um baldmöglichst eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit vor gelagerter körperlichen Entzugsbehandlung beginnen zu können. Aufgrund der fortgeschrittenen Opiatabhängigkeit des Klägers sei danach eine Therapie indiziert, für die eine Kostenzusage des Landeswohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg vorliege. Zudem weist der Kläger auf den mit dem Antritt der Strafhaft im Dezember 2004 verbundenen, kalten Drogenentzug hin. Diese Tatsachen erlauben jedoch nach Auffassung des Gerichts keine positive Änderung der bisherigen Gefahrenprognose. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn der Kläger die Therapie bereits erfolgreich beendet hätte. Die bloße Möglichkeit der Aufnahme einer Drogentherapie begründet ebenso wenig wie die Methadonbehandlung oder der kalte Entzug eine die Prognose positiv beeinflussende Tatsachenlage, da der Kläger nach wie vor drogenabhängig ist; gerade deshalb bedarf es ja der Durchführung einer Therapie. Insbesondere die Therapieabbrüche in der Vergangenheit und die erfolglosen Substitutionsversuche mit Methadon, die beim Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung mit einem ständigen Beikonsum - auch von Heroin - einhergingen, zeigen deutlich, dass allein das Innehaben eines Therapieplatzes oder die zeitweilige (erzwungene) Drogenfreiheit keine ausschlaggebenden Kriterien für die Gefahrenprognose bei einem langjährig Drogenabhängigen, wie dem Kläger, sein können. Darüber hinaus wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.01.2005, rechtskräftig seit dem 26.01.2005, wegen eines im November 2004, unmittelbar nach dem Abbruch der letzten Therapie begangenen Diebstahls zu einer neuerlichen Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dies belegt anschaulich, dass der Kläger ohne erfolgreich durchgeführte Therapie weder von seiner Drogenabhängigkeit noch von der damit verbundenen Beschaffungskriminalität weg kommt. Hierzu ist des weiteren auch die gegenwärtige Inhaftierung nicht geeignet, da die vom Kläger von Juni 2002 bis April 2003 bereits verbüßte Haft insoweit keinen Erfolg zeitigte. Die Gefahrenprognose des Regierungspräsidiums ist daher auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt zutreffend und nicht zu beanstanden.
51 
Auch hat der Beklagte dargelegt, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 14 ARB 1/80, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Diesbezüglich wurde vor allem auf jene vom Kläger begangene Straftaten hingewiesen, die zeitlich nach den ausländerrechtlichen Verwarnungen liegen. Zu Recht hat der Beklagte in den vielfältigen Straftaten, die vom Diebstahl, versuchter Nötigung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bis hin zur gefährlichen Körperverletzung reichen, eine mittlere bis schwerere Kriminalität gesehen. Er ging auch zu Recht davon aus, dass die Ausweisung für den Schutz der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, da keine der zahlreichen bisherigen, milderen Maßnahmen den Kläger von diesem weg haben abbringen können. Auch übte der Beklagte sein Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei aus. So legte er dar, dass er sich über die nicht unerheblichen Konsequenzen für den Kläger durchaus bewusst sei. Auch berücksichtigte er, dass der Kläger seit seiner Geburt in der BRD lebte. Dass der Beklagte davon ausging, dass der Kläger die türkische Sprache spreche, was im Übrigen seitens des Klägers auch nicht verneint wird, begründet ebenfalls keinen Ermessensfehler, solange nichts Gegenteiliges belegt ist. Weiter hat der Beklagte den Umstand berücksichtigt, dass die Mutter des Klägers seiner Unterstützung bedürfe, indem er in sein Ermessen mit einbezogen hat, dass der Kläger noch andere in der BRD lebende Geschwister habe, die sich um die Mutter kümmern könnten. Auch hat der Beklagte zu Recht den Umstand herangezogen, dass der Kläger durch seinen Bruder eine Anlaufstelle in der Türkei hat. Letztlich ist die Entscheidung, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem privaten Interesse des Klägers an dem Verbleib in der BRD deutlich überwiegt, insgesamt ermessensfehlerfrei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde hierbei ausreichend berücksichtigt.
52 
Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK liegt nicht vor. Die betroffenen Interessen wurden ausreichend ermittelt und mit ihrem jeweiligen Gewicht berücksichtigt. Dem volljährigen Kläger fehlt nicht jedweder Bezug zu seinem Heimatland und es ist ihm zumutbar, sich in den dortigen Lebensverhältnissen zurecht zu finden. Er beherrscht in ausreichendem Maße die türkische Sprache und hat in seinem seit 1999 wieder in der Türkei lebenden Bruder dort einen Anlaufpunkt. Besondere familiäre Bindungen in der BRD besitzt er nicht. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang lediglich dargelegt, er müsse seine hier lebende Mutter unterstützen. Diesbezüglich aber hat der Beklagte zutreffend ausgeführt, dass weder eine besondere Hilfsbedürftigkeit der Mutter ersichtlich sei noch hierfür gerade der Kläger benötigt werde. Vielmehr könnten die anderen in der BRD lebenden Geschwister des Klägers ihrer Mutter bei Bedarf helfend zur Seite stehen. Außerdem sei die familiäre Beziehung des Klägers wohl nicht mehr allzu eng, da er sich bei der Stadt Friedrichshafen zeitweise obdachlos gemeldet habe. Diese Ausführungen tragen den maßgeblichen Umständen hinreichend Rechnung und sind nicht zu beanstanden; sie wurden vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten oder gar widerlegt. Die noch nicht sehr gefestigte Beziehung zu seiner Freundin fällt nicht unter den Schutzbereich des Art. 8 EMRK, da keine konkreten Heiratspläne vorhanden sind.
53 
Auch liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 ENA nicht vor. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die gesetzgeberische Wertung in § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen jenen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 56 Abs. 1 AufenthG (vgl. zum inhaltsgleichen § 48 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urteil vom 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG48 Abs. 1 Satz 2 AuslG) liegen solche schwerwiegenden Gründe in der Regel in den Fällen der Ist - Ausweisung nach § 53 AufenthG47 Abs. 1 AuslG) vor. Mit der Verurteilung durch das Amtsgericht R. vom 17.10.2003 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 100 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des Diebstahls in 2 besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung hat der Kläger den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) erfüllt. Die Begründung der Strafzumessung in diesem Urteil und im zugehörigen Berufungsurteil nebst den angeführten Einsatzstrafen belegt auch, dass gerade wegen der festgestellten, erheblichen Betäubungsmittelstraftaten eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung ausgesprochen wurde.
54 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 1 C 8.96 - InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.N.).
55 
Die Ausweisung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG, die auch für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 gilt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.06.2005, C-136/03, Dörr/Ünal), rechtswidrig. Hiernach trifft, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist. Eine dem entsprechende Stellungnahme einer nicht für die Ausweisung zuständigen Stelle ist vorliegend nicht ergangen, zumal hier aufgrund von § 6 a AGVwGO auch kein Vorverfahren durchgeführt wurde. Ob die Verfahrensgarantien des Art 9 der Richtlinie 64/221/EWG generell durch den Rechtsschutz erfüllt werden, den die Verwaltungsgerichte in Deutschland gewähren (so VGH B.-W., Urteil vom 21.07.2004, - 11 S 535/04 -), kann offen bleiben. Denn die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann jedenfalls „in dringenden Fällen“ unterbleiben; diese Ausnahme ist in Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für alle drei Fallgestaltungen ausdrücklich vorgesehen (vgl. VGH B.-W., Beschluss vom 22.03.2004, - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff). Vom Vorliegen eines „dringenden Falles“ in diesem Sinne ist das Regierungspräsidium beim Erlass der gegen den Kläger ergangenen Ausweisungsverfügung vom 30.11.2004 ausgegangen; denn es hat die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - auch - aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich gehalten und hat diese in der Annahme für sofort vollziehbar erklärt, dass die begründete Besorgnis bestehe, dass sich die vom Kläger ausgehende, mit seiner Ausweisung bekämpfte Gefahr schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werde. Diese Bewertung hält das Gericht zum Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsentscheidung (der Kläger wurde damals nach dem Therapieabbruch per Haftbefehl gesucht) wie auch gegenwärtig für zutreffend; dementsprechend hat die Kammer unter Anwendung des gleichen Prüfungsmaßstabs im am Tag der mündlichen Verhandlung entschiedenen Eilverfahren (4 K 18/05) das Vorliegen eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses bejaht. Die Annahme des Bestehens eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung rechtfertigt grundsätzlich die gleichzeitige Annahme des Bestehens eines „dringenden Falls“. Lag im Fall des Klägers aber ein „dringender Fall“ vor, so folgt hieraus, dass das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ der Entscheidung über seine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorauszugehen hatte und dass sein Unterbleiben mithin nicht gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien verstößt.
56 
Die Ausweisung bedarf darüber hinaus auch keiner Befristung. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines Befristungsantrages ist ausreichend. Es liegen hier keine besonderen Umstände vor, die eine Verknüpfung der Ausweisungsentscheidung mit einer Befristung erforderlich machen würden. In dem von dem Kläger genannten Urteil liegen – wie vom Beklagten zu Recht geltend gemacht – andere Voraussetzungen vor, namentlich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und ein minderjähriges Kind.
57 
Die Ausweisung ist daher gegenwärtig insgesamt materiell rechtmäßig.
58 
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG50 AuslG). Da mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung zugleich die Ausreisepflicht vollziehbar ist (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 5, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; §§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), ist die Abschiebungsandrohung, die eine ausreichend bemessene Ausreisefrist und die Bezeichnung des Zielstaates der Abschiebung enthält, ebenfalls rechtmäßig.
59 
Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Gründe

 
36 
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
37 
Die im Bescheid vom 30.11.2004 verfügte Ausweisung und die Abschiebungsandrohung sind zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
38 
Die Ausweisung findet gegenwärtig ihre Rechtsgrundlage in § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AufenthG.
39 
Die Ausweisung ist formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere war das Regierungspräsidium T. - entgegen der Auffassung des Klägers - für deren Erlass sachlich zuständig, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 in Strafhaft befand und diese Zuständigkeit mit seiner Haftentlassung im April 2003 nicht (wieder) beendet wurde. Sachlich zuständige Behörde war nach dem AuslG (§ 63 Abs. 1 AuslG) und ist heute nach dem AufenthG71 Abs. 1 AufenthG) die Ausländerbehörde. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 AuslG i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 1995 (GBl. v. 19.08.1995, S. 589) und nach § 71 Abs. 1 Satz 2 AufenthG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 AAZuVO 2005 (GBl. v. 14.01.2005, S. 95) ist das Regierungspräsidium als höhere Ausländerbehörde für die Ausweisung straffälliger Ausländer, wenn sich diese - wie hier - auf richterliche Anordnung in Strafhaft oder länger als eine Woche in Untersuchungshaft befinden, durchgängig zuständig. Diese Zuständigkeit bleibt nach der inhaltsgleichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 1995 und in § 10 Abs. 1 Satz 2 AAZuVO 2005 bis zur Entscheidung über die Ausweisung bestehen, auch wenn der Ausländer aus der Haft entlassen wird. Hieraus geht gerade nicht hervor, dass die Ausweisungsentscheidung noch während der Haft oder unmittelbar nach der Haftentlassung getroffen werden muss. Vielmehr bleibt die besondere Zuständigkeit des Regierungspräsidiums bis zum Entscheidungszeitpunkt über die Ausweisung durch Erlass einer entsprechenden Verfügung oder die Einstellung des Ausweisungsverfahrens bestehen. Ersichtlich dient diese Regelung der Vermeidung eventueller ineffektiver Zuständigkeitswechsel durch Haftentlassungen, Haftunterbrechungen oder durch wiederholte kurzfristige Inhaftierungen. Das Regierungspräsidium ist zudem gemäß § 9 Abs. 2 AAZuVO 1995 und § 10 Abs. 3 AAZuVO 2005 bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Ausweisung auch für die Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels sowie zum Erlass der Abschiebungsandrohung oder -anordnung sachlich zuständig. Für „Haftfälle“ - wie hier - ist daher bis zum Abschluss des Ausweisungsverfahrens die gesamte ausländerrechtliche Zuständigkeit beim Regierungspräsidium konzentriert. Vor Erlass der angefochtenen Verfügung ist der Kläger entsprechend § 28 LVwVfG auch angehört worden.
40 
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und kann sich auf ein gesetzliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen, mit dem ihm ein besonderer Ausweisungsschutz zukommt. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Art. 6 ARB 1/80 vorliegen, begründet Art. 7 ARB 1/80 einen besonderen Ausweisungsschutz für den Kläger und die Möglichkeit der Berufung auf die Regelungen und Wirkungen des ARB 1/80. Der Kläger hat als Familienangehöriger eines dem regulären Arbeitsmarkt der BRD angehörenden türkischen Arbeitnehmers die Genehmigung erhalten zu ihm zu ziehen. Hierbei ist es zunächst unbeachtlich, ob der Kläger bereits seit seiner Geburt 1979 oder erst 1984 in die BRD eingereist ist. Zwar ist in Art. 7 ARB 1/80 die Rede von „Genehmigung erhalten“, dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Verfasser des Beschlusses diejenigen Familienangehörigen ausschließen wollten, die im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats geboren wurden. Art. 7 ARB 1/80 verfolgt den Zweck, günstige Voraussetzungen für die Familienzusammenführung im Aufnahmemitgliedstaat zu schaffen, indem den Familienangehörigen zunächst gestattet wird, bei den Wanderarbeitnehmern zu leben, und ihre Stellung nach einer gewissen Zeit durch die Verleihung des Rechts gestärkt wird, in diesem Staat eine Beschäftigung aufzunehmen (EuGH, Urteil vom 17. April 1997, C-351/95, Kadiman; EuGH, Urteil vom 16.03.2000, C-329/97, Ergat). Die Genehmigung hierfür ist erforderlich, da die erstmalige Zulassung der Einreise solcher Staatsangehöriger in einen Mitgliedsstaat im Grundsatz ausschließlich dem Recht dieses Staates unterliegt und die Einreisebestimmungen durch den ARB nicht berührt werden. Die Genehmigung bezweckt daher ausschließlich, diejenigen Familienangehörigen von Art. 7 ARB 1/80 auszunehmen, die unter Verstoß der Einreisebestimmungen in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind und dort wohnen. Daher kann sich der Kläger als Kind eines in Art. 7 S. 1 ARB 1/80 bezeichneten türkischen Arbeitnehmers darauf berufen, dass diese Vorschrift zu seinen Gunsten gilt, auch wenn er im Aufnahmemitgliedsstaat geboren ist und dort stets gelebt hat. Sowohl der Vater des Klägers hat seit den siebziger Jahren in der BRD gearbeitet, ebenso war seine Mutter von September 1982 bis September 1990 versicherungspflichtig in der BRD beschäftigt. Sein Vater ist zwischenzeitlich (1999) verstorben.
41 
Das Recht aus Art. 7 ARB 1/80 wird jedoch auch dadurch nicht verloren, dass der betreffende Arbeitnehmer zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr dem regulären Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedsstaates angehört. Gem. Art 7 S. 1, 2. Gedankenstrich ARB 1/80 hat der Familienangehörige eines dem regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaats angehörenden türkischen Arbeitnehmers nach fünfjährigem ordnungsgemäßen Wohnsitz bei diesem ein Recht auf freien Zugang zur Beschäftigung im Aufnahmemitgliedsstaat erworben. Daraus folgt nicht nur, dass die Betroffenen hinsichtlich der Beschäftigung ein individuelles Recht aus dem ARB 1/80 herleiten können, sondern die praktische Wirksamkeit dieses Rechts setzt außerdem zwangsläufig die Existenz eines entsprechenden Aufenthaltsrechts voraus, das ebenfalls auf dem Gemeinschaftsrecht beruht und vom Fortbestehen der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Rechten unabhängig ist. Art 7 ARB 1/80 gewährt dem Familienangehörigen somit ein unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abgeleitetes und der Disposition des jeweiligen Mitgliedstaates weitgehend entzogenes Aufenthaltsrecht. Daher kann der Kläger, nachdem er mehr als fünf Jahre ordnungsgemäß mit seinen Eltern zusammengelebt hat, diese Rechte ausüben, auch wenn der Arbeitnehmer nicht mehr dem Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaates angehört. Dementsprechend kann der Kläger seine Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 auch dann ausüben, wenn er volljährig ist (vgl. zusammenfassend: EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya).
42 
Der Kläger kann sich somit als türkischer Staatsangehöriger auf ein Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 berufen. Dies hat zur Folge, dass zu seinen Gunsten von veränderten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (vgl. hierzu: EuGH, Urteil vom 29.04.2004, C-482/01, Orfanopoulos, DVBl 2004, 876 ff.) an eine Ausweisung auszugehen ist. Zwar bezieht sich diese Entscheidung des EuGH auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger, sie ist jedoch hinsichtlich ihrer materiellen Grundsätze auf türkische Staatsangehörige zu übertragen, die ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach dem ARB 1/80 besitzen. Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 beruht auf dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei“ aus dem Jahr 1963, das der EuGH als integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsordnung ansieht. Die Gleichstellung türkischer Staatsangehöriger mit EU-Angehörigen ergibt sich zum einen aus dem Zweck des ARB 1/80 sowie aus der Tatsache, dass der Vorbehalt in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 der Regelung in Art. 39 Abs. 3 EG entspricht. Daher ist abzuleiten, dass die im Rahmen der Art. 39 ff EG geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, welche die im ARB 1/80 eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden sollen (EuGH, Urteil vom 10.02.2000, C-340/97, Nazli, und Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). Aus dieser Gleichstellung kombiniert mit der Entscheidung des EuGH vom 29.04.2004 (Orfanopoulos) ergeben sich für türkische Staatsangehörige, die die Rechte aus dem ARB 1/80 besitzen, mehrere rechtliche Folgerungen (vgl. auch: BVerwG, Urteile vom 03.08.2004 - BVerwG 1 C 30.02 - und - BVerwG 1 C 29.02 -):
43 
1. Dies bedeutet zunächst, dass privilegierte türkische Staatsangehörige nur nach einer individuellen Entscheidung der zuständigen Behörde ausgewiesen werden dürfen, was zur Folge hat, dass die Tatbestände der zwingenden Ausweisung und einer Regelausweisung als Rechtsgrundlagen ausscheiden und der durch den ARB 1/80 privilegierte türkische Staatsangehörige nach den einschlägigen gemeinschaftlichen Grundsätzen nur aufgrund einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung ausgewiesen werden kann.
44 
2. Erforderlich für eine solche Ausweisung ist eine einzelfallbezogene Prüfung, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht. Die dabei anzustellende Gefahrenprognose hat sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte zu beschränken und darf sich nicht allein an einer strafgerichtlichen Verurteilung orientieren. Darüber hinaus hängt die Rechtmäßigkeit der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen davon ab, ob das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80, der im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG auszulegen ist, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Dem gemeinschaftlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt hierbei besondere Bedeutung zu.
45 
3. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung ist nicht - wie bisher - grundsätzlich der Erlass des Widerspruchbescheids. Vielmehr sind für türkische Staatsangehörige, die durch das Assoziationsrecht privilegiert sind, tatsächliche und rechtliche Änderungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht zu berücksichtigen, da das Gericht nach den europarechtlichen Vorgaben eine aktuelle Gefahrenprognose anstellen muss (EuGH, Urteil vom 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya; BVerwG, Urteil vom 03.08.2004, - BVerwG 1 C 29.02 -). In allen bis zum 31.01.2005 anhängig gewordenen Verwaltungsstreitverfahren von nach dem ARB 1/80 aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, die im Wege einer Ist- oder Regelausweisung ausgewiesen worden sind, ist der Ausländerbehörde mit Rücksicht auf die Rechtsprechungsänderung auch Gelegenheit zu geben, eine danach erforderliche Ermessensentscheidung nachzuholen oder die Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung neuer Tatsachen in gemeinschaftskonformer Anwendung von § 114 Satz 2 VwGO zu aktualisieren.
46 
Diesen Grundsätzen wird die hier streitige Ausweisungsentscheidung gerecht.
47 
Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung im Bescheid vom 31.11.2004 zwar primär auf die Rechtsgrundlage des § 47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG und somit auf einen Ist - Ausweisungstatbestand gestützt, der aufgrund der gemeinschaftlichen Grundsätze bei einem privilegierten türkischen Staatsangehörigen nicht angewendet werden kann. Hilfsweise wurde jedoch auch eine Ermessensentscheidung nach §§ 45, 46 AuslG getroffen, die unter Berücksichtigung der im Klageverfahren ergänzten Ermessenserwägungen den dargelegten, erhöhten Anforderungen bei der Ausweisung eines durch den ARB 1/80 privilegierten türkischen Staatsangehörigen entspricht.
48 
Allerdings ist aufgrund des maßgebenden Beurteilungszeitpunkts der mündlichen Verhandlung hier nicht mehr das der Ausweisungsentscheidung zugrunde gelegte AuslG, sondern das am 1.1.2005 in Kraft getretene AufenthG anzuwenden. Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung ist somit nur noch auf der Grundlage einer ausländerrechtlichen Ermessensentscheidung gemäß § 55 AufenthG und nicht nach §§ 45, 46 AuslG zu beurteilen. Die genannten Normen des Aufenthaltsgesetzes und des Ausländergesetzes sind jedoch nahezu identisch. Nur einzelne Ausweisungsgründe, namentlich die Nr. 8a und b des § 55 AufenthG, sind durch die Reform hinzugekommen. Diesen kommt jedoch im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Die Auswechslung der Ermächtigungsgrundlage der Ausweisung ist daher zulässig und begegnet keinen Bedenken.
49 
Der Ermessensentscheidung des Beklagten liegen keine Ermessensfehler zugrunde. Vielmehr hat der Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers sein Ermessen entsprechend § 55 AufentG i. V. m. Art. 14 ARB 1/80 rechtmäßig ausgeübt. Dass er seine Entscheidung primär auf eine Ist - Ausweisung gestützt und die Ermessensentscheidung nur hilfsweise begründet hat und diese Begründung erst durch die Ausführungen im Klageverfahren auf den besonderen Ausweisungsschutz konkretisiert wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass die dort angegebenen Argumente eine Ausweisung rechtfertigen. Die Ergänzung der Ermessensbegründung erst im Klageverfahren ist gem. § 114 VwGO ebenso zulässig, wie die mit Schriftsatz vom 10.06.2005 nachgeholte Würdigung der Umstände, die sich nach dem Ergehen des Ausweisungsbescheids bis zur mündlichen Verhandlung ergeben haben. Hierbei handelt es sich gerade nicht um eine komplette Auswechslung der Begründung oder um die Einbeziehung völlig neuer, vorher übersehener Gesichtspunkte. Das Gericht kann lediglich die Rechtmäßigkeit der zuletzt begründeten Ermessensentscheidung überprüfen. Hiernach hat der Beklagte eine einzelfallbezogene Prüfung vorgenommen, die vom persönlichen Verhalten des privilegierten türkischen Staatsangehörigen ausgeht und hieraus eine Gefahrenprognose getroffen, die sich auf spezialpräventive Gesichtspunkte beschränkt. Lediglich zur deren Untermauerung wurden die zahlreichen Verurteilungen in der Vergangenheit und jene vom 18.01.2005 herangezogen. Der Beklagte hat hinreichend dargelegt, dass er aufgrund der schweren Drogenabhängigkeit des Klägers sowie der abgebrochen Therapien von einer gesteigerten, konkreten Wiederholungsgefahr ausgeht. Auch hat er diesbezüglich zutreffend ausgeführt, dass weder die zwei ausländerrechtlichen Verwarnungen noch die Einleitung des Ausweisungsverfahrens im Juni 2002 beim Kläger eine Verhaltensänderung bewirkt haben. Vielmehr ist er danach trotzdem erneut straffällig geworden und dies sogar während eines Strafvollzugs in der Haftanstalt, was auf seine schwere, unbewältigte Drogenabhängigkeit zurückzuführen ist. Nur so lässt sich auch der in der Haft begangene Heroinhandel, der zur Verurteilung durch das Amtsgerichts R. vom 17.10.2003 führte, erklären. Der Rückschluss, dass die Delikte wegen der Drogenabhängigkeit begangen wurden, wird im Übrigen vom Kläger in seinem Schreiben an das Gericht vom 19.01.2005, zugegangen am 22.01.2005, durchweg bestätigt; zudem hat der Kläger dies auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt. Insgesamt begründet daher die noch vorhandene, unbewältigte Drogenabhängigkeit des Klägers die vom Beklagten zu Recht angenommene, gesteigerte Wiederholungsgefahr.
50 
Der Kläger hält die Annahme, dass von ihm eine gesteigerte Wiederholungsgefahr ausgehe, zwar für unzutreffend. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Zur Begründung seiner Auffassung verweist der Kläger in erster Linie auf ein Schreiben der Caritas B.-O. vom 15.12.2004, aus dem hervorgeht, dass er sich einer Methadonbehandlung unterzogen habe und dass diese Substitution die körperliche und psychosoziale Stabilisierung bezwecke, um baldmöglichst eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit vor gelagerter körperlichen Entzugsbehandlung beginnen zu können. Aufgrund der fortgeschrittenen Opiatabhängigkeit des Klägers sei danach eine Therapie indiziert, für die eine Kostenzusage des Landeswohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg vorliege. Zudem weist der Kläger auf den mit dem Antritt der Strafhaft im Dezember 2004 verbundenen, kalten Drogenentzug hin. Diese Tatsachen erlauben jedoch nach Auffassung des Gerichts keine positive Änderung der bisherigen Gefahrenprognose. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn der Kläger die Therapie bereits erfolgreich beendet hätte. Die bloße Möglichkeit der Aufnahme einer Drogentherapie begründet ebenso wenig wie die Methadonbehandlung oder der kalte Entzug eine die Prognose positiv beeinflussende Tatsachenlage, da der Kläger nach wie vor drogenabhängig ist; gerade deshalb bedarf es ja der Durchführung einer Therapie. Insbesondere die Therapieabbrüche in der Vergangenheit und die erfolglosen Substitutionsversuche mit Methadon, die beim Kläger nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung mit einem ständigen Beikonsum - auch von Heroin - einhergingen, zeigen deutlich, dass allein das Innehaben eines Therapieplatzes oder die zeitweilige (erzwungene) Drogenfreiheit keine ausschlaggebenden Kriterien für die Gefahrenprognose bei einem langjährig Drogenabhängigen, wie dem Kläger, sein können. Darüber hinaus wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts T. vom 18.01.2005, rechtskräftig seit dem 26.01.2005, wegen eines im November 2004, unmittelbar nach dem Abbruch der letzten Therapie begangenen Diebstahls zu einer neuerlichen Freiheitsstrafe von 2 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dies belegt anschaulich, dass der Kläger ohne erfolgreich durchgeführte Therapie weder von seiner Drogenabhängigkeit noch von der damit verbundenen Beschaffungskriminalität weg kommt. Hierzu ist des weiteren auch die gegenwärtige Inhaftierung nicht geeignet, da die vom Kläger von Juni 2002 bis April 2003 bereits verbüßte Haft insoweit keinen Erfolg zeitigte. Die Gefahrenprognose des Regierungspräsidiums ist daher auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt zutreffend und nicht zu beanstanden.
51 
Auch hat der Beklagte dargelegt, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 14 ARB 1/80, das private Interesse des türkischen Staatsangehörigen an seinem Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt. Diesbezüglich wurde vor allem auf jene vom Kläger begangene Straftaten hingewiesen, die zeitlich nach den ausländerrechtlichen Verwarnungen liegen. Zu Recht hat der Beklagte in den vielfältigen Straftaten, die vom Diebstahl, versuchter Nötigung, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bis hin zur gefährlichen Körperverletzung reichen, eine mittlere bis schwerere Kriminalität gesehen. Er ging auch zu Recht davon aus, dass die Ausweisung für den Schutz der öffentlichen Ordnung erforderlich ist, da keine der zahlreichen bisherigen, milderen Maßnahmen den Kläger von diesem weg haben abbringen können. Auch übte der Beklagte sein Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei aus. So legte er dar, dass er sich über die nicht unerheblichen Konsequenzen für den Kläger durchaus bewusst sei. Auch berücksichtigte er, dass der Kläger seit seiner Geburt in der BRD lebte. Dass der Beklagte davon ausging, dass der Kläger die türkische Sprache spreche, was im Übrigen seitens des Klägers auch nicht verneint wird, begründet ebenfalls keinen Ermessensfehler, solange nichts Gegenteiliges belegt ist. Weiter hat der Beklagte den Umstand berücksichtigt, dass die Mutter des Klägers seiner Unterstützung bedürfe, indem er in sein Ermessen mit einbezogen hat, dass der Kläger noch andere in der BRD lebende Geschwister habe, die sich um die Mutter kümmern könnten. Auch hat der Beklagte zu Recht den Umstand herangezogen, dass der Kläger durch seinen Bruder eine Anlaufstelle in der Türkei hat. Letztlich ist die Entscheidung, dass das öffentliche Interesse am Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem privaten Interesse des Klägers an dem Verbleib in der BRD deutlich überwiegt, insgesamt ermessensfehlerfrei. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde hierbei ausreichend berücksichtigt.
52 
Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Ein Verstoß gegen Art. 8 EMRK liegt nicht vor. Die betroffenen Interessen wurden ausreichend ermittelt und mit ihrem jeweiligen Gewicht berücksichtigt. Dem volljährigen Kläger fehlt nicht jedweder Bezug zu seinem Heimatland und es ist ihm zumutbar, sich in den dortigen Lebensverhältnissen zurecht zu finden. Er beherrscht in ausreichendem Maße die türkische Sprache und hat in seinem seit 1999 wieder in der Türkei lebenden Bruder dort einen Anlaufpunkt. Besondere familiäre Bindungen in der BRD besitzt er nicht. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang lediglich dargelegt, er müsse seine hier lebende Mutter unterstützen. Diesbezüglich aber hat der Beklagte zutreffend ausgeführt, dass weder eine besondere Hilfsbedürftigkeit der Mutter ersichtlich sei noch hierfür gerade der Kläger benötigt werde. Vielmehr könnten die anderen in der BRD lebenden Geschwister des Klägers ihrer Mutter bei Bedarf helfend zur Seite stehen. Außerdem sei die familiäre Beziehung des Klägers wohl nicht mehr allzu eng, da er sich bei der Stadt Friedrichshafen zeitweise obdachlos gemeldet habe. Diese Ausführungen tragen den maßgeblichen Umständen hinreichend Rechnung und sind nicht zu beanstanden; sie wurden vom Kläger auch nicht substantiiert bestritten oder gar widerlegt. Die noch nicht sehr gefestigte Beziehung zu seiner Freundin fällt nicht unter den Schutzbereich des Art. 8 EMRK, da keine konkreten Heiratspläne vorhanden sind.
53 
Auch liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 ENA nicht vor. Danach dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates, die, wie der Kläger, seit mehr als zehn Jahren ihren ordnungsgemäßen Aufenthalt im Gebiet eines Vertragsstaates haben, nur aus Gründen der Sicherheit des Staates, oder wenn die übrigen in Absatz 1 aufgeführten Gründe besonders schwerwiegend sind, ausgewiesen werden. Im Hinblick auf den für die Ausweisung des Klägers danach erforderlichen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung kann auf die gesetzgeberische Wertung in § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG verwiesen werden. Denn die Voraussetzungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 ENA entsprechen jenen der schwerwiegenden Gründe im Sinne des § 56 Abs. 1 AufenthG (vgl. zum inhaltsgleichen § 48 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 07.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; Urteil vom 26.02.2002 - 1 C 21.00 -, InfAuslR 2002, 338). Nach § 56 Abs. 1 Satz 3 AufenthG48 Abs. 1 Satz 2 AuslG) liegen solche schwerwiegenden Gründe in der Regel in den Fällen der Ist - Ausweisung nach § 53 AufenthG47 Abs. 1 AuslG) vor. Mit der Verurteilung durch das Amtsgericht R. vom 17.10.2003 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 100 Fällen, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie des Diebstahls in 2 besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung hat der Kläger den zwingenden Ausweisungstatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG47 Abs. 1 Nr. 2 AuslG) erfüllt. Die Begründung der Strafzumessung in diesem Urteil und im zugehörigen Berufungsurteil nebst den angeführten Einsatzstrafen belegt auch, dass gerade wegen der festgestellten, erheblichen Betäubungsmittelstraftaten eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung ausgesprochen wurde.
54 
Art. 7 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 12. Januar 1927 (RGBl II S. 76), das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angewendet wird (BGBl II 1952 S. 608), begründet ebenfalls keinen besonderen Ausweisungsschutz. Denn nach dieser Vertragsvorschrift sind Ausweisungen als Einzelmaßnahmen gemäß den Gesetzen der Vertragsstaaten zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 1 C 8.96 - InfAuslR 1999, 54, 58 m.w.N.).
55 
Die Ausweisung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG, die auch für türkische Staatsangehörige mit einer Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 gilt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.06.2005, C-136/03, Dörr/Ünal), rechtswidrig. Hiernach trifft, sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben, die Verwaltungsbehörde die Entscheidung über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet außer in dringenden Fällen erst nach Erhalt der Stellungnahme einer zuständigen Stelle des Aufnahmelandes, vor der sich der Betroffene entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann. Diese Stelle muss eine andere sein als diejenige, welche für die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zuständig ist. Eine dem entsprechende Stellungnahme einer nicht für die Ausweisung zuständigen Stelle ist vorliegend nicht ergangen, zumal hier aufgrund von § 6 a AGVwGO auch kein Vorverfahren durchgeführt wurde. Ob die Verfahrensgarantien des Art 9 der Richtlinie 64/221/EWG generell durch den Rechtsschutz erfüllt werden, den die Verwaltungsgerichte in Deutschland gewähren (so VGH B.-W., Urteil vom 21.07.2004, - 11 S 535/04 -), kann offen bleiben. Denn die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann jedenfalls „in dringenden Fällen“ unterbleiben; diese Ausnahme ist in Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für alle drei Fallgestaltungen ausdrücklich vorgesehen (vgl. VGH B.-W., Beschluss vom 22.03.2004, - 13 S 585/04 -, InfAuslR 2004, 284 ff). Vom Vorliegen eines „dringenden Falles“ in diesem Sinne ist das Regierungspräsidium beim Erlass der gegen den Kläger ergangenen Ausweisungsverfügung vom 30.11.2004 ausgegangen; denn es hat die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - auch - aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich gehalten und hat diese in der Annahme für sofort vollziehbar erklärt, dass die begründete Besorgnis bestehe, dass sich die vom Kläger ausgehende, mit seiner Ausweisung bekämpfte Gefahr schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werde. Diese Bewertung hält das Gericht zum Zeitpunkt des Ergehens der Ausweisungsentscheidung (der Kläger wurde damals nach dem Therapieabbruch per Haftbefehl gesucht) wie auch gegenwärtig für zutreffend; dementsprechend hat die Kammer unter Anwendung des gleichen Prüfungsmaßstabs im am Tag der mündlichen Verhandlung entschiedenen Eilverfahren (4 K 18/05) das Vorliegen eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses bejaht. Die Annahme des Bestehens eines gegenwärtigen, besonderen Sofortvollzugsinteresses an der Ausweisung rechtfertigt grundsätzlich die gleichzeitige Annahme des Bestehens eines „dringenden Falls“. Lag im Fall des Klägers aber ein „dringender Fall“ vor, so folgt hieraus, dass das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ der Entscheidung über seine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorauszugehen hatte und dass sein Unterbleiben mithin nicht gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien verstößt.
56 
Die Ausweisung bedarf darüber hinaus auch keiner Befristung. Der Hinweis auf die Möglichkeit eines Befristungsantrages ist ausreichend. Es liegen hier keine besonderen Umstände vor, die eine Verknüpfung der Ausweisungsentscheidung mit einer Befristung erforderlich machen würden. In dem von dem Kläger genannten Urteil liegen – wie vom Beklagten zu Recht geltend gemacht – andere Voraussetzungen vor, namentlich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und ein minderjähriges Kind.
57 
Die Ausweisung ist daher gegenwärtig insgesamt materiell rechtmäßig.
58 
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 AufenthG50 AuslG). Da mit der Vollziehbarkeit der Ausweisung zugleich die Ausreisepflicht vollziehbar ist (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 Nr. 5, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; §§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), ist die Abschiebungsandrohung, die eine ausreichend bemessene Ausreisefrist und die Bezeichnung des Zielstaates der Abschiebung enthält, ebenfalls rechtmäßig.
59 
Die Klage ist daher insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 14. Juni 2005 - 4 K 17/05

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Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 14. Juni 2005 - 4 K 17/05 zitiert 19 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 55 Bleibeinteresse


(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer 1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 53 Ausweisung


(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 56 Überwachung ausreisepflichtiger Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit


(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei de

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung


(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so k

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 71 Zuständigkeit


(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann be

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 48 Ausweisrechtliche Pflichten


(1) Ein Ausländer ist verpflichtet, 1. seinen Pass, seinen Passersatz oder seinen Ausweisersatz und2. seinen Aufenthaltstitel oder eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebungauf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten B

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 45 Absehen von der Verfolgung


(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen. (2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits dur

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 47 Verbot und Beschränkung der politischen Betätigung


(1) Ausländer dürfen sich im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften politisch betätigen. Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie 1. die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschlan

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Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 14. Juni 2005 - 4 K 17/05 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 21. Juli 2004 - 11 S 535/04

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Tenor Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. Januar 2004 - 1 K 560/02 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 22. März 2004 - 13 S 585/04

bei uns veröffentlicht am 22.03.2004

Tenor Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Februar 2004 - 6 K 817/03 - aufgehoben. Gründe   1  Die Beschwerde ist statthaft (§ 146 Abs. 1 VwGO), da es sich bei der Entscheid
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 14. Juni 2005 - 4 K 17/05.

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 14. Juli 2005 - 4 K 743/03

bei uns veröffentlicht am 14.07.2005

Tenor Die Verfügung des Regierungspräsidiums Tübingen - Bezirksstelle für Asyl - vom 24. März 2003 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1  Der Kläger setzt sich gegen seine Ausweisung un

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(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen.

(2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Der Staatsanwalt regt die Erteilung einer Ermahnung, von Weisungen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, 7 und 9 oder von Auflagen durch den Jugendrichter an, wenn der Beschuldigte geständig ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden. § 47 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. Nach Satz 2 kann durch die zuständigen Stellen der betroffenen Länder auch geregelt werden, dass den Ausländerbehörden eines Landes für die Bezirke von Ausländerbehörden verschiedener Länder Aufgaben zugeordnet werden. Für die Vollziehung von Abschiebungen ist in den Ländern jeweils eine zentral zuständige Stelle zu bestimmen. Die Länder sollen jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten, die bei Visumanträgen nach § 6 zu Zwecken nach den §§ 16a, 16d, 17 Absatz 1, den §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19, 19b, 19c und 20 sowie bei Visumanträgen des Ehegatten oder der minderjährigen ledigen Kinder zum Zweck des Familiennachzugs, die in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden, die zuständige Ausländerbehörde ist.

(2) Im Ausland sind für Pass- und Visaangelegenheiten die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Das Auswärtige Amt wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines Visums zu übertragen. Soweit von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, stehen dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Befugnisse zur Datenverarbeitung sowie alle sonstigen Aufgaben und Befugnisse einer Auslandsvertretung bei der Erteilung von Visa gemäß Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b sowie gemäß den §§ 54, 66, 68, 69, 72, 72a, 73, 73a, 75, 87, 90c, 91d und 91g zu.

(3) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden sind zuständig für

1.
die Zurückweisung und die Zurückschiebung an der Grenze, einschließlich der Überstellung von Drittstaatsangehörigen auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird,
1a.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bei oder nach der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/399 (Binnengrenze) aufgegriffen wird,
1b.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bereits unerlaubt eingereist ist, sich danach weiter fortbewegt hat und in einem anderen Grenzraum oder auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen, Flug- oder Landeplatz oder See- oder Binnenhafen aufgegriffen wird,
1c.
die Befristung der Wirkungen auf Grund der von ihnen vorgenommenen Ab- und Zurückschiebungen nach § 11 Absatz 2, 4 und 8,
1d.
die Rückführungen von Ausländern aus anderen und in andere Staaten; die Zuständigkeit besteht neben derjenigen der in Absatz 1 und in Absatz 5 bestimmten Stellen,
1e.
die Beantragung von Haft und die Festnahme, soweit es zur Vornahme der in den Nummern 1 bis 1d bezeichneten Maßnahmen erforderlich ist,
2.
die Erteilung eines Visums und die Ausstellung eines Passersatzes nach § 14 Abs. 2 sowie die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2a,
3.
die Rücknahme und den Widerruf eines nationalen Visums sowie die Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009
a)
im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, soweit die Voraussetzungen der Nummer 1a oder 1b erfüllt sind,
b)
auf Ersuchen der Auslandsvertretung, die das Visum erteilt hat, oder
c)
auf Ersuchen der Ausländerbehörde, die der Erteilung des Visums zugestimmt hat, sofern diese ihrer Zustimmung bedurfte,
4.
das Ausreiseverbot und die Maßnahmen nach § 66 Abs. 5 an der Grenze,
5.
die Prüfung an der Grenze, ob Beförderungsunternehmer und sonstige Dritte die Vorschriften dieses Gesetzes und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Anordnungen beachtet haben,
6.
sonstige ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen, soweit sich deren Notwendigkeit an der Grenze ergibt und sie vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hierzu allgemein oder im Einzelfall ermächtigt sind,
7.
die Beschaffung von Heimreisedokumenten im Wege der Amtshilfe in Einzelfällen für Ausländer,
8.
die Erteilung von in Rechtsvorschriften der Europäischen Union vorgesehenen Vermerken und Bescheinigungen vom Datum und Ort der Einreise über die Außengrenze eines Mitgliedstaates, der den Schengen-Besitzstand vollständig anwendet; die Zuständigkeit der Ausländerbehörden oder anderer durch die Länder bestimmter Stellen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

(4) Für die erforderlichen Maßnahmen nach den §§ 48, 48a und 49 Absatz 2 bis 9 sind die Ausländerbehörden, die Polizeivollzugsbehörden der Länder sowie bei Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben die Bundespolizei und andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörden zuständig. In den Fällen des § 49 Abs. 4 sind auch die Behörden zuständig, die die Verteilung nach § 15a veranlassen. In den Fällen des § 49 Absatz 5 Nummer 5 und 6 sind die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. In den Fällen des § 49 Absatz 8 und 9 sind auch die Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge befugt, bei Tätigwerden in Amtshilfe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die unbegleitet in das Bundesgebiet eingereist sind, vorzunehmen; diese Maßnahmen sollen im Beisein des zuvor zur vorläufigen Inobhutnahme verständigten Jugendamtes und in kindgerechter Weise durchgeführt werden.

(5) Für die Zurückschiebung sowie die Durchsetzung der Verlassenspflicht des § 12 Abs. 3 und die Durchführung der Abschiebung und, soweit es zur Vorbereitung und Sicherung dieser Maßnahmen erforderlich ist, die Festnahme und Beantragung der Haft sind auch die Polizeien der Länder zuständig.

(6) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle entscheidet im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt über die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren (§ 3 Abs. 1); die Entscheidungen ergehen als Allgemeinverfügung und können im Bundesanzeiger bekannt gegeben werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ein Ausländer ist verpflichtet,

1.
seinen Pass, seinen Passersatz oder seinen Ausweisersatz und
2.
seinen Aufenthaltstitel oder eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung
auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Ein deutscher Staatsangehöriger, der zugleich eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, ist verpflichtet, seinen ausländischen Pass oder Passersatz auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, wenn
1.
ihm nach § 7 Absatz 1 des Passgesetzes der deutsche Pass versagt, nach § 8 des Passgesetzes der deutsche Pass entzogen worden ist oder gegen ihn eine Anordnung nach § 6 Absatz 7 des Personalausweisgesetzes ergangen ist, wenn Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer beabsichtigt, das Bundesgebiet zu verlassen oder
2.
die Voraussetzungen für eine Untersagung der Ausreise nach § 10 Absatz 1 des Passgesetzes vorliegen und die Vorlage, Aushändigung und vorübergehende Überlassung des ausländischen Passes oder Passersatzes zur Durchführung oder Sicherung des Ausreiseverbots erforderlich sind.

(2) Ein Ausländer, der einen Pass oder Passersatz weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann, genügt der Ausweispflicht mit der Bescheinigung über einen Aufenthaltstitel oder die Aussetzung der Abschiebung, wenn sie mit den Angaben zur Person und einem Lichtbild versehen und als Ausweisersatz bezeichnet ist.

(3) Besitzt der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden, sonstigen Unterlagen und Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Kommt der Ausländer seiner Verpflichtung nicht nach und bestehen tatsächliche Anhaltspunkte, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist, können er und die von ihm mitgeführten Sachen durchsucht werden. Der Ausländer hat die Maßnahme zu dulden.

(3a) Die Auswertung von Datenträgern ist nur zulässig, soweit dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat nach Maßgabe von Absatz 3 erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch die Auswertung von Datenträgern allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. Der Ausländer hat die notwendigen Zugangsdaten für eine zulässige Auswertung von Datenträgern zur Verfügung zu stellen. Die Datenträger dürfen nur von einem Bediensteten ausgewertet werden, der die Befähigung zum Richteramt hat. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch die Auswertung von Datenträgern erlangt werden, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist aktenkundig zu machen.

(4) Wird nach § 5 Abs. 3 oder § 33 von der Erfüllung der Passpflicht (§ 3 Abs. 1) abgesehen, wird ein Ausweisersatz ausgestellt. Absatz 3 bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ausländer dürfen sich im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften politisch betätigen. Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie

1.
die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,
2.
den außenpolitischen Interessen oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen kann,
3.
gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unter Anwendung von Gewalt, verstößt oder
4.
bestimmt ist, Parteien, andere Vereinigungen, Einrichtungen oder Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets zu fördern, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind.

(2) Die politische Betätigung eines Ausländers wird untersagt, soweit sie

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder den kodifizierten Normen des Völkerrechts widerspricht,
2.
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange öffentlich unterstützt, befürwortet oder hervorzurufen bezweckt oder geeignet ist oder
3.
Vereinigungen, politische Bewegungen oder Gruppen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die im Bundesgebiet Anschläge gegen Personen oder Sachen oder außerhalb des Bundesgebiets Anschläge gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen veranlasst, befürwortet oder angedroht haben.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ausländer dürfen sich im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften politisch betätigen. Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie

1.
die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,
2.
den außenpolitischen Interessen oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen kann,
3.
gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unter Anwendung von Gewalt, verstößt oder
4.
bestimmt ist, Parteien, andere Vereinigungen, Einrichtungen oder Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets zu fördern, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind.

(2) Die politische Betätigung eines Ausländers wird untersagt, soweit sie

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder den kodifizierten Normen des Völkerrechts widerspricht,
2.
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange öffentlich unterstützt, befürwortet oder hervorzurufen bezweckt oder geeignet ist oder
3.
Vereinigungen, politische Bewegungen oder Gruppen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die im Bundesgebiet Anschläge gegen Personen oder Sachen oder außerhalb des Bundesgebiets Anschläge gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen veranlasst, befürwortet oder angedroht haben.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. Januar 2004 - 1 K 560/02 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am 10.12.1964 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er hält sich seit April 1987 in der Bundesrepublik Deutschland auf, wo er als Textilarbeiter erwerbstätig war. Am 10.6.1997 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt.
Am 22.3.1991 schloss der Kläger mit einer französischen Staatsangehörigen die Ehe. Aus dieser Ehe gingen ein (am 20.5.1991 geborener) Sohn und eine (am 3.12.1994 geborene) Tochter hervor. Die Ehefrau und die Kinder des Klägers leben inzwischen in Frankreich.
Der Kläger wurde im Jahr 1998 psychisch auffällig und ab September/Oktober 1998 gegen seine Ehefrau und gegen seine Kinder gewalttätig. Am 13.10.1998 schlug er sich nackt in der Garage mit einem Gürtel. Daraufhin erfolgte seine erste Einweisung in das Zentrum für Psychiatrie Reichenau, wo er in der Zeit vom 14.10.1998 bis zum 13.11.1998 stationär aufgenommen wurde. Aus dem Entlassbericht (vom 7.12.1998) ergibt sich die Abschlussdiagnose: „Akute psychogene Psychose mit paranoid-halluzinatorischer Ausprägung (ICD-9:298.4)“. In der Folgezeit wurde der Kläger medikamentös behandelt. Im November 1999 lehnte er eine weitere Medikation mit einem Neuroleptikum ab und setzte seine Medikamente ab, wodurch sich eine psychische Dekompensation anbahnte. Nachdem er in der Öffentlichkeit auffällig geworden war, indem er seine Ehefrau (auf einem Friedhof) misshandelt hatte, erfolgte sein zweiter stationärer Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie Reichenau in der Zeit vom 15.11.1999 bis zum 19.11.1999 (Abschlussdiagnose - gemäß Entlassbericht vom 25.11.1999 -: „Anpassungsstörung vorwiegend im Sozialverhalten [ICD-9 309.3] mit aggressivem Verhalten gegenüber der Ehefrau nach bekannter psychotischer Episode mit paranoid-halluzinatorischer Ausprägung im Oktober 1998“; als Differentialdiagnose wurde eine „gereizte manische Episode“ erwogen). Nachdem der Kläger am 20.11.1999 in der Schweiz einen Verkehrsunfall verursacht hatte, indem er ungebremst auf einen gut beleuchteten Anhänger aufgefahren war, erfolgte sein dritter stationärer Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie Reichenau in der Zeit vom 22.11.1999 bis zum 1.2.2000 (Abschlussdiagnose - gemäß Entlassbericht vom 14.2.2000 -: „Schizoaffektive Psychose, depressive Phase [ICD-10 F 25.1]“). Als Abschlussbefund wurde in dem Entlassbericht mitgeteilt: „Bewusstseinsklar und allseits orientiert, im Kontakt offen. Kein Anhalt für inhaltliche oder formale Denkstörungen. Einfach strukturiert, Auffassung ausreichend. Geringe Umstellfähigkeit, im sozialen Verhalten fordernd, oft ungeschickt wirkend. Affekt unausgeglichen, Stimmung depressiv, gereizt, z.T. gespannt, auch nachdenklich und ratlos. Er erscheint mit den Anforderungen des Alltagslebens rasch überfordert. Traditionell männliche Einstellung. Keine Suizidalität.“ Im Dezember 1999 wurde für den Kläger ein Betreuer bestellt (Aufgabenkreis: Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung).
Als der Kläger am 24.7.2000 mit seiner Ehefrau in der Küche beim Kaffeetrinken saß, zog er plötzlich und unvermittelt aus einem Messerblock ein großes, spitz zulaufendes Küchenmesser (Klingenlänge 19,7 cm, Breite 4 cm) und stach seiner Ehefrau zweimal wenigstens je ca. 15 cm und maximal je ca. 30 cm tief in den linken Ober- und den rechten Unterbauch, um sie in einem Wahn aus Eifersucht und Wut zu töten. Er lebte in der Wahnvorstellung, seine Frau betrüge ihn mit anderen Männern und sei für seinen psychischen Zustand verantwortlich, da sie ihn verhext habe. Nachdem die Ehefrau des Klägers bis zur Wohnungstür geflüchtet war, versetzte ihr der Kläger von hinten vier, mit großer Kraft geführte, ca. 15 cm tiefe Stiche in den Hals, wodurch die harte, knöcherne Halswirbelsäule erheblich verletzt wurde; es erfolgte eine weitgehende Durchtrennung des Halsmarkes sowie eine Speiseröhrenverletzung. Nach dem letzten Stich ließ der Kläger das Messer im Hals seiner Frau stecken und verließ die Wohnung. Gegenüber herbeigeeilten Nachbarinnen erklärte der Kläger: „Holet die Polizei, ich hab meine Frau tot gemacht“ und „Frau kaputt gemacht, Hure“. Durch die Tat erlitt die Ehefrau des Klägers schwerste Stichverletzungen im Hals- und Abdominalbereich. Die weitgehende Durchtrennung des Halsmarkes verursachte eine hohe Querschnittslähmung, welche nicht nur zu einer Lähmung aller vier Extremitäten (Tetraplegie) führte, sondern auch die Atemmuskulatur in Mitleidenschaft zog. Wäre das Helikopterrettungsteam, das die Ehefrau des Klägers in eine Klinik nach Zürich brachte, einige Minuten später eingetroffen, hätte sie wahrscheinlich nicht überlebt. Ihre Ernährung findet über eine Sonde direkt durch die Bauchwand in den Magen und die Beatmung größtenteils mit Hilfe eine Beatmungsgeräts über eine Trachealkanüle statt.
Diese Feststellungen des Geschehens ergeben sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 20.9.2001, mit dem die Maßregel der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde. Die Schwurgerichtskammer stellte fest, dass der Kläger im Zustand der Schuldunfähigkeit einen versuchten Totschlag in Tateinheit mit einer schweren Körperverletzung begangen hat. Der Kläger habe sich bei der Tatbegehung in einem Zustand befunden, in dem seine Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung, nämlich einer endogenen Psychose, aufgehoben gewesen sei. Dabei sei die endogene Psychose entweder als schizophrene Erkrankung oder als schizoaffektive Psychose einzuordnen. Die Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis zeichne sich bei dem genetisch vorbelasteten Kläger durch einen Eifersuchts- und Beeinträchtigungswahn aus. Ohne medikamentöse Behandlung leide der Kläger unter akustischen Halluzinationen in Form von kommentierenden und imperativen Stimmen. Ohne die gebotene stationäre psychiatrische Behandlung sei bei einem Wiederaufleben der Psychose mit einer weiteren aggressiven Entgleisung des Klägers und daher mit erheblichen rechtswidrigen Taten zu rechnen. Er sei damit als für die Allgemeinheit gefährlich im Sinne des § 63 StGB anzusehen. Günstig für den Kläger sei zwar zu werten, dass er sich unter der jeweils verordneten neuroleptischen Medikation schnell von seinen Wahnideen und Halluzinationen habe distanzieren können und die bei ihm diagnostizierte endogene Psychose zumindest eine gewisse Nähe zu den sogenannten schizoaffektiven Psychosen aufweise, bei denen eine signifikant günstigere Langzeitprognose als bei den übrigen Schizophrenien festzustellen sei. Im Ergebnis müsse die Langzeitprognose für den Kläger jedoch ungünstig ausfallen. Er zeige zwar eine gewisse Krankheitseinsicht, indem er eingestehe, unter einer Psychose zu leiden. Andererseits beteilige er sich in keiner Weise an seiner Behandlung im Zentrum für Psychiatrie Reichenau; es sei bisher lediglich seine medikamentöse Ruhigstellung gelungen. Die Allgemeingefährlichkeit des Klägers lasse sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt verneinen, dass sich die Anlasstat nur gegen eine bestimmte Person - seine Ehefrau - gerichtet habe. Es handle sich nämlich gerade nicht um eine reine Affekttat, die Tat sei vielmehr wahnhaft motiviert gewesen. Der Kläger habe in der Vergangenheit Veränderungen an sich wahrgenommen und sie auf die Annahme zurückgeführt, seine Frau habe ihn verhext. Der - vom Strafgericht beauftragte - Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger im Rahmen eines - bei einer jetzigen Entlassung aus der stationären Behandlung sehr wahrscheinlichen - neuen Krankheitsschubes eine andere Bezugsperson für die Veränderungen an seiner Person verantwortlich machen werde und sich seine Aggressionen im folgenden dann gegen diese Person richten würden. In 85 bis 90 Prozent handle es sich bei diesen Personen um engste Familienangehörige, so dass vor allem die Familie des Klägers in Italien und seine Kinder in Frankreich in Betracht kämen. Für die zu treffende Prognose stelle es sich weiter als ungünstig dar, dass der Kläger seinen Wahn nicht als für ihn lebensbedrohlich empfunden habe. Unter diesem Gesichtspunkt komme den in ihrer Wucht mit Vernichtungswillen geführten Stichen in den Halsbereich der Verletzten für die Bewertung der künftigen Allgemeingefährlichkeit des Klägers eine signifikante Bedeutung zu. Der Kläger habe sich durch die Tötung seiner Ehefrau nicht einer in seinem Wahn als lebensbedrohlich eingestuften Situation erwehren, sondern vor allem seiner Ehefrau die Kränkung heimzahlen wollen, die sie ihm durch wahnhaft angenommene Intimverhältnisse zu anderen Männern zugefügt habe. Eine kritische Auseinandersetzung des Klägers mit seiner Tat sei nur eingeschränkt festzustellen.
Nach Anhörung wies das Regierungspräsidium Freiburg den Kläger mit Verfügung vom 7.3.2002 - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - aus dem Bundesgebiet aus und drohte seine Abschiebung nach Italien an, die nicht vor einem Monat nach Bekanntgabe der Verfügung erfolgen dürfe; zugleich wurde die Abschiebung aus dem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Diese Verfügung wurde im Wesentlichen damit begründet, es lägen die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG vor. Da der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EG besitze, sei er den in § 48 Abs. 1 AuslG genannten Personen gleichgestellt. Sein Fehlverhalten stelle jedoch einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund in dem dafür erforderlichen Sinne dar. Die Ausübung des Ermessens führe in seinem Fall zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung und Entfernung aus dem Bundesgebiet sein persönliches Interesse an einem weiteren Verbleib oder einer erneuten Einreise als Tourist überwiege. Der in § 2 Abs. 2 AuslG geregelte Vorrang des Europäischen Gemeinschaftsrechts und das Aufenthaltsgesetz/EWG stünden der Ausweisung des Klägers nicht entgegen.
Der vom Kläger gegen diese Verfügung erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 16.1.2004 stattgegeben und die Verfügung vom 7.3.2002 aufgehoben. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Verfügung sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Zwar seien die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 AuslG erfüllt, da vom Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr ausgehe, dass er krankheitsbedingt erneut in einem erheblichen Maße gegenüber Dritten gewalttätig werde. Die vom Kläger ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass er auf Grund des Urteils des Landgerichts Waldshut-Tiengen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wurde, da diese freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung die Möglichkeiten der Ordnungsbehörden nicht verdränge, den Betroffenen auszuweisen und somit die der Unterbringung zugrunde liegende Gefahr für die Allgemeinheit sowie die Verantwortlichkeit für deren Bekämpfung in den Heimatstaat des Ausländers zu verlagern. Allerdings stehe der Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über die Ausweisung des Klägers die Regelung des Art. 4 der Richtlinie 64/221/EWG entgegen. Die beim Kläger gegebene endogene Psychose sei eine Krankheit, die im Anhang  B der Richtlinie  aufgeführt sei. Diese Krankheit könne seine Ausweisung nicht mehr rechtfertigen, da sie lange nach der ersten Erteilung der Aufenthaltserlaubnis-EG an den Kläger aufgetreten sei. Dies schließe auch aus, ihn wegen der krankheitsbedingten Gefahr wahngesteuerter aggressiver Verhaltensweisen gegenüber Dritten auszuweisen. Denn den in Anhang B der Richtlinie 64/221/EWG genannten Krankheiten sei es immanent, dass sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht durch ihr bloßes Auftreten gefährden, sondern immer nur durch ein krankheitsbedingtes weiteres Verhalten des Betroffenen. Eine Ausweisung nach Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG sei zumindest in all den Fällen ausgeschlossen, in denen die vom Unionsbürger ausgehenden Gefahren ausschließlich auf seine Krankheit zurückgeführt werden können, weil die Handlungen - wie im Fall des Klägers - in einem solchen Maße durch die psychische Krankheit bedingt seien, dass es sogar an einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit für diese mangle. Die Regelung des Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG sei auch unmittelbar zugunsten des Klägers anwendbar, da es an der notwendigen fristgerechten und vollständigen Umsetzung der Regelung in das nationale Ausländerrecht fehle. Es werde offen gelassen, ob die Ausweisung des Klägers auch in formeller Hinsicht wegen des Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG rechtswidrig sei. Gerade der Fall des Klägers zeige, dass der Ausländerbehörde noch ein erheblicher Ermessensspielraum eingeräumt gewesen sei, der im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht vollständig überprüft werden könne. Da sich die Ausweisungsentscheidung als rechtswidrig darstelle, seien auch die Abschiebungsandrohung und die Abschiebungsanordnung aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht - durch den Berichterstatter - hat in diesem Urteil die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die Frage nach der Ausschlusswirkung des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG bei krankheitsbedingten Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit habe grundsätzliche Bedeutung.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 22.1.2004 zugestellt worden ist, hat der Beklagte am 17.2.2004 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 12.3.2004, eingegangen am 16.3.2004, eine Begründung dazu vorgelegt.
10 
Der Beklagte trägt vor, die dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugrunde liegende Rechtsauffassung sei unzutreffend. Aus den Bestimmungen von Art. 4 Abs. 2 der RL 64/221/EWG, die mit § 12 Abs. 6 Satz 2 AufenthG/EWG in deutsches Recht umgesetzt worden seien, ergebe sich, dass die dort aufgeführten Krankheiten nicht mehr zur Grundlage einer auf Entfernung aus dem Bundesgebiet gerichteten ausländerrechtlichen Maßnahme gemacht werden könnten, wenn sie erst aufträten, nachdem der Ausländer die Erlaubnis für seinen Aufenthalt erhalten habe. Die Bestimmungen von Art. 4 Abs. 2 der RL 64/221/EWG und von § 12 Abs. 6 Satz 2 AufenthG/EWG schlössen jedoch nicht aus, dass Personen, die an den dort genannten Krankheiten leiden, aus anderen Gründen ausgewiesen werden könnten. Der Kläger sei nicht deshalb ausgewiesen worden, weil er an einer Psychose leide, sondern weil er einen versuchten Totschlag in Tateinheit mit einer schweren Körperverletzung begangen habe und die konkrete Gefahr bestehe, dass er auch in Zukunft Gewalttaten begehen werde.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.1.2004 - 1 K 560/02 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Der Kläger verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor: Das bloße Leiden an einer Krankheit allein könne niemals die öffentliche Sicherheit und Ordnung in einer Weise gefährden, die eine Ausweisung rechtfertige. Art. 4 der Richtlinie betreffe nur die Fälle, in denen die vom Ausländer ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar auf seine Krankheit zurückgeführt werden könnten. Dies sei hier eindeutig der Fall.
16 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die vom Beklagten eingelegte Berufung, die vom Verwaltungsgericht - durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) - zugelassen wurde, ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 2 und 3 VwGO sind erfüllt.
18 
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die angefochtene Ausweisungsverfügung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Die Ausweisung des Klägers erweist sich bei der - gleichsam auf einer ersten Stufe vorzunehmenden - rechtlichen Beurteilung nach nationalem deutschem Ausländerrecht  als rechtmäßig (dazu unter I.) und ist auch nach der - gleichsam auf einer zweiten Stufe vorzunehmenden - Prüfung der Vereinbarkeit dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit hier zu beachtendem Europäischem Gemeinschaftsrecht rechtlich nicht zu beanstanden (dazu unter II.)
20 
I. Für die rechtliche Beurteilung des Begehrens des Klägers auf Aufhebung einer Ausweisungsverfügung, die nach nationalem deutschem Ausländerrecht als rechtliche Folge sowohl die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts - durch Erlöschen einer Aufenthaltsgenehmigung und das Entstehen der Ausreisepflicht (vgl. §§ 44 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 1, 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG) - herbeiführt als auch ein Wiedereinreiseverbot enthält (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG), das auch gegenüber freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140 = NVwZ 2000, 688 = InfAuslR 2000, 176 = VBlBW 2000, 273), ist eine rechtliche Beurteilung gleichsam auf zwei Stufen vorzunehmen (sog. „Zwei-Stufen-Modell“, vgl. Alber/Schneider, DÖV 2004, 313, 315; dazu auch VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.4.2002 - 11 S 1823/01 -, InfAuslR 2002, 375 = EZAR 034 Nr. 13, und vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 - EZAR 034 Nr. 14). Dabei ist es zunächst ausschließlich – und unabhängig vom Europäischen Gemeinschaftsrecht – die Aufgabe der deutschen Gerichte, nach der hier geltenden (nationalen) Rechtsordnung die behördliche Eingriffsmaßnahme der Ausweisung auf ihre Rechtmäßigkeit nach deutschem Recht zu überprüfen und damit über den Rechtsschutz nach innerstaatlichem deutschem Recht zu entscheiden. Denn es unterliegt nicht der Prüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), über die Auslegung und Anwendung nationaler Vorschriften zu entscheiden (vgl. dazu u.a. EuGH, Urteil vom 29.4.2004 in den verbundenen Rechtssachen C-482/01 und C-493/01 , RdNr. 42). Nur für den Fall, dass im Rahmen einer Überprüfung nach deutschem Recht dem Begehren des Unionsbürgers nicht bereits entsprochen werden kann, muss eine Prüfung unter Beachtung der Regelungen des Gemeinschaftsrechts erfolgen, wobei zu prüfen ist, ob insoweit der Vorrang des Gemeinschaftsrechts eine andere rechtliche Beurteilung gebietet. Die europarechtliche Prüfung hat selbständig und unabhängig von der Systematik und den Vorgaben der nationalen Prüfungsebene (etwa: Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung) zu erfolgen. Diese differenzierte Beurteilung auf zwei Stufen ist im Fall eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers - wie hier des Klägers - angezeigt. Die Ausweisung regelt zwar nach dem differenzierten Regelungssystem des deutschen Ausländerrechts für sich genommen (noch) nicht unmittelbar eine zwangsweise Beendigung des Aufenthalts des davon betroffenen Ausländers. Vielmehr führt erst die Abschiebung (§ 49 AuslG), die unabhängig von der Ausweisung geregelt ist und der Vollstreckung der - durch die Ausweisung entstandenen - Ausreisepflicht dient, zur Entfernung des Ausländers aus dem deutschen Hoheitsgebiet. Unter Beachtung des Regelungszusammenhangs der insoweit maßgebenden Bestimmungen des deutschen Ausländerrechts ist jedoch davon auszugehen, dass bereits die Ausweisung unmittelbare Auswirkungen auf die Ausübung des aus der Freizügigkeit folgenden Rechts auf freie und ungehinderte Einreise und dementsprechenden Aufenthalt eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers hat.
21 
Im Fall des Klägers ist - nach deutschem Recht - das Regierungspräsidium Freiburg als zuständige Ausländerbehörde (§ 7 Abs. 1 AAZuVO) zu Recht davon ausgegangen, dass die §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG als erforderliche gesetzliche Grundlagen für die Ausweisung den Erlass dieser Maßnahme nach Ermessen ermöglicht haben. Zu dem für die gerichtliche Beurteilung insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des ausländerbehördlichen Verfahrens (s. dazu im Folgenden unter 1.) waren die tatbestandlichen Voraussetzungen für diese Eingriffsmaßnahme (s. dazu im Folgenden unter 2.) gegeben, und die Behörde hat sowohl beachtet, dass dem Kläger ein besonderer Schutz vor einer Ausweisung zukommt (s. dazu im Folgenden unter 3.), als auch das ihr eröffnete Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (s. dazu im Folgenden unter 4.).
22 
1. Für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisungsverfügung ist nach innerstaatlichem deutschem Recht grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 17.11.1994 - 1 B 224.94 -, InfAuslR 1995, 150; vom 17.1.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 - ; vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288, vom 18.9.2001 - 1 C 17.00 -, NVwZ 2002, 339, und vom 8.1.2003 - 1 B 253.02 -; Urteile vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249, und - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296 und vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; sowie VGH Bad.-Württ., Urteile vom 4.12.1996  -  11 S 2511/96 -,  vom  28.7.1999 - 11 S 2387/98 -, vom 19.4.2000 - 11 S
23 
1387/99 -, VBlBW 2001, 25, vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 - und vom 27.1.2004 -10 S 1610/03 -). Dies gilt unabhängig davon, dass die Gerichte Erkenntnismittel auswerten dürfen, die nach Erlass des letzten Behördenbescheides entstanden sind, wenn ihnen Anhaltspunkte für die Richtigkeit oder auch für die Unrichtigkeit der im Zeitpunkt dieser Entscheidung getroffenen Einschätzung entnommen werden können (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; Be-schlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 129.96 -, AuAS 1997, 218; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 - und vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288).
24 
2. Als Maßnahme, die in den Rechtskreis des betroffenen Ausländers belastend eingreift, bedarf die Ausweisung nach geltendem deutschem Recht - unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes, der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) seine Grundlage hat - einer gesetzlichen Grundlage. Die insoweit erforderlichen gesetzlichen Grundlagen für eine Ausweisung sind in den §§ 45 ff AuslG in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise geregelt und im Geltungsbereich des Grundgesetzes von den Behörden und Gerichten auch in Bezug auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger zu beachten, da es im Recht der Europäischen Gemeinschaften keine Rechtsgrundlage für den Erlass einer Ausweisung gibt (vgl. dazu VGH Bad.-Württ.,  Urteil vom 17.4.2002 - 11 S 1823/01 -, InfAuslR 2002, 375 = EZAR 034 Nr. 13). Die Ausweisung - als eine ausschließlich im nationalen Recht angelegte Maßnahme - muss vielmehr nur in Bezug auf die damit eintretende Beschränkung des aus der Freizügigkeit folgenden Aufenthaltsrechts den Anforderungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts entsprechen (s. dazu unter II.). Dementsprechend regelt auch das - derzeit noch geltende - (deutsche) Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Aufenthaltsgesetz/EWG - AufenthG/EWG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.1.1980, BGBl. I S. 116 - mit Änderungen -), durch das die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964 S. 850 - im Folgenden: RL 64/221/EWG), in geltendes deutsches Recht umgesetzt worden ist, keine tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Ausweisungsverfügung gegen Personen, die unter dieses Gesetz fallen, sondern setzt die Möglichkeit des rechtmäßigen Erlasses einer solchen Verfügung nach deutschem Recht voraus und regelt (nur) die - aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht folgenden - Voraussetzungen für die Einschränkung der Freizügigkeit.
25 
Im Fall des Klägers wurde die Ausweisung nach nationalem Recht zutreffend auf der rechtlichen Grundlage der §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG verfügt.
26 
§ 45 Abs. 1 AuslG - als die Grundnorm für alle Formen der Ausweisung - regelt, dass ein Ausländer ausgewiesen werden kann, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Gemäß § 46 Nr. 2 AuslG kann ein Ausländer nach § 45 Abs. 1 AuslG insbesondere ausgewiesen werden, wenn er - soweit hier maßgeblich - einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Diese tatbestandliche Voraussetzung hat der Kläger erfüllt, da er durch seine Tat (versuchter Totschlag in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung) einen schweren Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung in hohem Maße beeinträchtigt hat. Es kommt für die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen nicht darauf an, dass der Kläger wegen dieser Tat strafrechtlich mangels Schuldfähigkeit nicht bestraft wurde. Denn die Ausweisung ist keine (weitere) Strafe, sondern ausschließlich eine ordnungsrechtliche Maßnahme, die der Abwehr und Bekämpfung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dient.
27 
Zum Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit der angefochtenen Verfügung - durch ihre Bekanntgabe an den Kläger am 11.3.2002 - bestanden keine rechtserheblichen Bedenken gegen die Annahme, dass vom Kläger Gefahren für die Allgemeinheit ausgingen, die ein ausländerrechtliches Einschreiten geboten haben. Wie sich aus den Feststellungen des Landgerichts Waldshut-Tiengen im Urteil vom 20.9.2001 ergibt, mit dem die Maßregel der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, war der Kläger als für die Allgemeinheit gefährlich (im Sinne des § 63 StGB) anzusehen. Es bestanden insoweit in seinem Fall keine rechtserheblichen Unterschiede in der Beurteilung der Sachlage in Bezug auf die durch das Strafgericht als freiheitsentziehende Maßregel angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in Bezug auf die durch die Ausländerbehörde verfügte - nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen grundsätzlich unterschiedlich zu beurteilende - ordnungsrechtliche Maßnahme der Ausweisung. Die vom Kläger ausgehenden Gefahren waren - und sind - auch nicht etwa wegen seiner Unterbringung entfallen, zumal da mit dieser Maßregel kein auf Dauer angelegter stationärer Aufenthalt unter medizinischer Überwachung verbunden ist (vgl. dazu auch § 67e StGB) und die unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten zu treffende Prognose auch den Fall der Beendigung der Unterbringung berücksichtigen muss. Insoweit ist die Situation mit der tatsächlichen Lage im Fall der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe vergleichbar. Wie sich im Übrigen aus der - vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegten - Stellungnahme vom 13.7.2004 des Zentrums für Psychiatrie, in dem der Kläger untergebracht ist, ergibt, halten es die ihn behandelnden Ärzte ersichtlich wegen der von ihm noch immer ausgehenden Gefahren für erforderlich, dass er im Maßregelvollzug verbleibt, bis ein - bisher aus ärztlicher Sicht (noch) nicht gewährleisteter - sozialer  Empfangsraum für ihn vorhanden ist.
28 
3. Die Ausländerbehörde hat auch zu Recht berücksichtigt, dass dem Kläger nach nationalem deutschem Recht ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG zugute kommt, da ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt wurde. Dieser Ausweisungsschutz entspricht inhaltlich der Schutznorm des § 48 Abs. 1 AuslG. Nach der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG, die über die Vorgaben durch die RL 64/221/EWG hinaus eine weitere innerstaatlich beachtliche Ausweisungsschranke enthält, darf der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausgewiesen werden. Solche Gründe liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Bei einer Ausweisung zu spezialpräventiven Zwecken - wie im Fall des Klägers - ist ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht erforderlich, was sich bei Straftaten insbesondere aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergibt. Zum anderen müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Straftaten des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.6.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, und vom 26.2.2002 - 1 C 21.00 -, BVerwGE 116, 55 = NVwZ 2002, 1512). Die Behörde und das Verwaltungsgericht sind zu Recht davon ausgegangen, dass der Ausweisungsschutz des § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG der Ausweisung des Klägers nicht entgegensteht, da in seinem Fall angesichts der erheblichen Gefahren, die von ihm - auch weiterhin - ausgehen, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in dem hier maßgeblichen Sinne vorliegen. Dies ergibt sich besonders daraus, dass er durch sein - wenngleich strafrechtlich schuldloses - Verhalten einen Anlass von außerordentlichem Gewicht für ein Einschreiten zur Gefahrenabwehr geschaffen hat, indem er seine Ehefrau töten wollte und durch sein entsprechendes Vorgehen ihr Leben in höchstem Maße gefährdet und ihr schwerste Verletzungen zugefügt hat, die auf Dauer in außerordentlich schwerwiegender Weise ihre Gesundheit beeinträchtigen werden. Die Gefahr der Wiederholung eines solchen Verhaltens ist auch nicht deshalb entfallen oder von geringerem Gewicht, weil die Ehefrau und die Kinder des Klägers sich derzeit in Frankreich aufhalten. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen in dem beim Landgericht Waldshut-Tiengen anhängig gewesenen Verfahren besteht die Gefahr, dass der Kläger beim Auftreten eines neuen Krankheitsschubes eine andere Bezugsperson für die Veränderungen an seiner Person verantwortlich macht und sich seine Aggressionen dann gegen diese Person richten können.
29 
4. Die Ermessensausübung des Regierungspräsidiums ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Behörde hat dem öffentlichen Interesse an einer Entfernung des Klägers aus dem Bundesgebiet und der Verhinderung seiner Wiedereinreise wegen der von ihm ausgehenden Gefahren ohne Rechtsfehler Vorrang vor seinem entgegenstehenden privaten Interesse eingeräumt. Auch unter Beachtung der nach § 45 Abs. 2 AuslG zu berücksichtigenden Gesichtspunkte erweist sich die behördliche Entscheidung als rechtsfehlerfrei. Die Ausweisung des Klägers ist auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Dabei ist zu beachten, dass sich allein aus der Dauer des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 1 AuslG) seit dem Jahr 1987, während der er keine besonderen Beziehungen oder Bindungen zu Deutschland geschaffen hat, keine schutzwürdige aufenthaltsrechtliche Position ergibt, deren Beendigung unter Beachtung seiner hohen Gefährlichkeit außer Verhältnis zu dem mit der Ausweisung verfolgten Zweck der Abwehr weiterer vom Kläger drohender Gefahren steht. Den in § 45 Abs. 2 Nr. 2 AuslG genannten Gesichtspunkten - der Berücksichtigung der Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben - kommt im Fall des Klägers keine ausschlaggebende Rolle zu, da seine unmittelbaren Familienangehörigen (seine Ehefrau und seine beiden Kinder) sich nicht mehr in Deutschland aufhalten und seine weiteren Verwandten ebenfalls im Ausland leben. Die Ausweisung erscheint auch nicht deshalb rechtlich fehlerhaft, weil etwa ein in § 55 Abs. 2 AuslG genannter Duldungsgrund zu beachten gewesen wäre (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG).
30 
II. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung  des Klägers auch als vereinbar mit Europäischem Gemeinschaftsrecht.
31 
1. Der Kläger besitzt als italienischer Staatsangehöriger die Unionsbürgerschaft und hat daher die im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (in der konsolidierten Fassung durch den Vertrag von Amsterdam - im Folgenden: EG) vorgesehenen Rechte und Pflichten (Art. 17 EG). Dementsprechend hat er das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen aufzuhalten (Art. 18 Abs. 1 EG). Als (Wander-)Arbeitnehmer steht ihm zudem Freizügigkeit nach Art. 39 Abs. 1 EG zu, die ihm ein Aufenthaltsrecht vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen gibt (vgl. Art. 39 Abs. 3 EG). Seine Rechtsstellung zur Inanspruchnahme der Arbeitnehmerfreizügigkeit hat der Kläger bereits durch den Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis-EG nachgewiesen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288 = InfAuslR 2001, 312).  Anhaltspunkte dafür, dass diese Arbeitnehmer-Freizügigkeit durch endgültiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt erloschen wäre, sind nicht ersichtlich.
32 
2. Die im vorliegenden Fall zu beachtenden Beschränkungen der Freizügigkeit und des daraus folgenden Aufenthaltsrechts ergeben sich unter Berücksichtigung der in der hier maßgeblichen Durchführungsvorschrift (RL 64/221/EWG) vorgegebenen Schranken. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Richtlinie grundsätzlich (nur) für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt (vgl. Art. 249 Abs. 3 EG). Daher wird den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum zur Umsetzung eröffnet; der Einzelne kann sich grundsätzlich nicht unmittelbar auf die Regelungen einer Richtlinie berufen. Lediglich ausnahmsweise ist eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien dann anerkannt, wenn die Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, nicht fristgemäß oder inhaltlich nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurden (vgl. dazu Nettesheim in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Komm. zu Art. 249 EG, RdNr. 155 ff mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
33 
3. Die Ausweisung des Klägers ist als eine Beschränkung seiner Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung (im Sinne von Art. 39 Abs. 3 EG) gerechtfertigt.
34 
a) Im Fall des Klägers ist die Einschränkung seiner Freizügigkeit und seines daraus folgenden Aufenthaltsrechts durch die Ausweisung nicht unmittelbar an den - die Vorbehalte des Art. 39 Abs. 3 EG konkretisierenden - Bestimmungen der RL 64/221/EWG zu messen, sondern vorrangig nach den Regelungen in § 12 AufenthG/EWG zu beurteilen, die inhaltlich mit den Vorgaben der RL 64/221/EWG in Einklang stehen. Mit der gesetzlichen Vorschrift des § 12 AufenthG/EWG wurde die RL 64/221/EWG, soweit sie im vorliegenden Fall maßgeblich ist, ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt.
35 
b) Die Ausweisung des Klägers, dem in Deutschland als Arbeitnehmer Freizügigkeit gewährt wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG/EWG), ist unter Beachtung der rechtlichen Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG/EWG aus Gründen der öffentlichen Ordnung rechtmäßig verfügt worden. Insoweit ist zu beachten, dass die durch die Ausweisung eintretende Beschränkung der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts als Ausnahme von dieser gemeinschaftsrechtlichen Freiheit eng auszulegen und - unter Beachtung der Vorgaben aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht - nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie ausschließlich auf das persönliche Verhalten des Betroffenen gestützt ist und eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. u.a. EuGH, Urteile vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 - , Slg. 1977, 1999, und vom 29.4.2004 - verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 ).  Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers erfüllt. Die Beschränkung seiner Freizügigkeit erfolgt ausschließlich auf Grund seines eigenen Verhaltens, mit dem er in äußerst schwer wiegender Weise ein Grundinteresse der Gesellschaft verletzt hat, indem er einen anderen Menschen durch mehrere Messerstiche töten wollte und ihm dabei schwerste Verletzungen zugefügt hat, die das Opfer seiner Tat  lebenslang in schwerster Weise behindern werden. Auch im Bereich des Europäischen Gemeinschaftsrechts kommt es im Zusammenhang mit einer Beendigung des Aufenthalts eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers aus Gründen der öffentlichen Ordnung nicht darauf an, ob er strafrechtlich wegen seines Verhaltens zur Rechenschaft gezogen werden kann oder ob wegen Schuldunfähigkeit eine Bestrafung nicht erfolgen kann. Denn insoweit ist - wie im innerstaatlichen deutschen Recht - der Eingriff zur Abwehr von Gefahren gerechtfertigt, die von dem Betroffenen ausgehen. Diesen Anforderungen entspricht die Ausweisung des Klägers. In seinem Fall besteht auch eine hohe Gefahr der erneuten Begehung entsprechender Taten, da - wie in dem gerichtlichen Verfahren festgestellt wurde, in dem seine Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erfolgte - keine günstige Langzeitprognose möglich ist, der Kläger sich in keiner Weise an seiner Behandlung beteiligt und von ihm auch künftig eine Allgemeingefährlichkeit - insbesondere für jeweilige Bezugspersonen - ausgeht.
36 
c) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass etwa zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung des Senats eine Änderung in der Beurteilung der Gefährlichkeit des Klägers eingetreten wäre. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass in Anbetracht der Zeit zwischen dem Eintritt der Wirksamkeit der Ausweisung (11.3.2002) und dem Zeitpunkt der heutigen Entscheidung des Senats (21.7.2004) ein „längerer Zeitraum“ (im Sinne des Entscheidungssatzes Nr. 3 des Urteils des EuGH vom 29.4.2004, a.a.O.) vergangen ist und daher eine nachträgliche Veränderung der Sachlage zu berücksichtigen wäre, die nach der letzten Behördenentscheidung - zu Gunsten wie zu Lasten des Klägers - eingetreten wäre. Dies kann zu einer Änderung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts aus Gründen des Europäischen Gemeinschaftsrechts führen (vgl. EuGH, Urteil vom 29.4.2004, a.a.O.). Ob einer nachträglichen, für den ausgewiesenen Ausländer günstigen Veränderung der Sachlage dadurch Rechnung getragen wird, dass die Ausweisung ab dem Zeitpunkt des Wegfalls oder der nicht unerheblichen Verminderung der europarechtlich erforderlichen Gefährdungslage aufgehoben oder aber - gemäß dem System des nationalen deutschen Ausländerrechts - auf diesen Zeitpunkt (gegebenenfalls auch rückwirkend) nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG befristet wird, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn im Fall des Klägers ist nichts dafür ersichtlich, dass etwa zwischenzeitlich ein Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefahr eingetreten ist. Insoweit ergibt sich vielmehr aus der - genannten - Stellungnahme vom 13.7.2004 des psychiatrischen Krankenhauses, in dem der Kläger noch immer untergebracht ist, dass er nach wie vor gefährlich ist.
37 
4. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung des Klägers auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig, weil sie mit Art. 4 der RL 64/221/EWG nicht vereinbar wäre.
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Regelung des Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG sei unmittelbar zugunsten des Klägers anwendbar, da es - jedenfalls im konkreten Fall des Klägers - an der notwendigen fristgerechten und vollständigen Umsetzung der Regelung in das nationale Ausländerrecht fehle. Die deutsche Regelung entspreche nicht der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung des Art. 4 RL 64/221/EWG. Im deutschen Recht sei die Möglichkeit einer aufenthaltsbeschränkenden Regelung bei Vorliegen der in § 12 Abs. 6 Satz 1 AufenthG/EWG genannten Krankheiten „zum Schutz der öffentlichen Gesundheit“ eröffnet und die in Satz 2 festgelegte Einschränkung - durch die Bezugnahme auf Satz 1 - sei auch nur auf Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit bezogen, obwohl die ihr zugrunde liegende Norm des Art. 4 RL 64/221/EWG bei der Aufzählung der Krankheiten und Gebrechen im Anhang zu der Richtlinie ausdrücklich zwischen Krankheiten differenziere, die die öffentliche Gesundheit gefährden und solchen, die die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden können. Damit entnimmt das Verwaltungsgericht der Regelung in Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG ein allgemeines Ausweisungsverbot für alle Fälle, in denen Krankheiten nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis-EG auftreten und in denen der Kranke über das „Auftreten“ der Krankheit hinaus die öffentliche Ordnung konkret und schwerwiegend gefährdet. Dies ist nicht gerechtfertigt. Die rechtlichen und praktischen Konsequenzen, die sich aus dieser Auslegung ergeben würden (z.B. das Verbot der Ausweisung eines Alkohol- oder Drogenabhängigen - und damit Suchtkranken - ungeachtet von ihm im Rahmen der Beschaffungskriminalität begangener Straftaten oder eines geisteskranken Terroristen, falls dem Freizügigkeitsberechtigten bereits eine Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt wurde), sind durch das Europäische Gemeinschaftsrecht nicht geboten.
39 
b) Die Regelungen der Richtlinie 64/221/EWG sind auch in Bezug auf Art. 4 dieser Richtlinie ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt worden und stehen einer Ausweisung des Klägers nicht entgegen.
40 
aa) Die Richtlinie, die aus dem Jahr 1964 stammt und an die Mitgliedstaaten gerichtet war, sieht in Art. 4 die Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit und des daraus folgenden Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Gesundheit wie folgt vor:
41 
 „(1) Als Krankheiten oder Gebrechen, die eine Verweigerung der Einreise oder der ersten Aufenthaltserlaubnis rechtfertigen, gelten nur diejenigen, die im Anhang aufgeführt sind.
42 
(2) Das Auftreten von Krankheiten oder Gebrechen nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis kann die Verweigerung einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet nicht rechtfertigen.“
43 
Dazu enthält der Anhang folgende Liste der Krankheiten bzw. Krankheitsgruppen, die als Grund für eine Maßnahme nach Art. 4 Abs. 1 RL 64/221/EWG in Frage kommen:
44 
„A. Krankheiten, welche die öffentliche Gesundheit gefährden können:
45 
1.    quarantänepflichtige Krankheiten,...
46 
2.    Tuberkulose ....
47 
3.    Syphilis;
48 
4.    andere ansteckende oder übertragbare parasitäre Krankheiten und Leiden, ...
49 
B. Krankheiten und Gebrechen, welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können:
50 
1.    Suchtkrankheiten;
51 
2. schwere geistige und seelische Störungen; offensichtliche Psychosen mit Erregungszuständen, Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschungen und mit Verwirrungszuständen.“
52 
Die (seit 1.1.2001 geänderte) gesetzliche Regelung des § 12 Abs. 6 AufenthG/EWG entspricht den Vorgaben des Art. 4 der RL 64/221/EWG. Die Bestimmung des § 12 Abs. 6 AufenthG/EWG hat folgenden Wortlaut:
53 
„Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit dürfen die in Absatz 1 genannten Entscheidungen oder Maßnahmen nur getroffen werden, wenn der Ausländer
54 
1.    an einer Krankheit im Sinne von § 6 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) leidet oder mit einem Krankheitserreger im Sinne von § 7 des Infektionsschutzgesetzes infiziert ist, oder
55 
2.    an Suchtkrankheiten, schweren geistigen oder seelischen Störungen, manifesten Psychosen mit Erregungszuständen, Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschungen mit Verwirrungszuständen leidet.
56 
Tritt die Krankheit oder das Gebrechen erst nach der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis-EG auf, so kann dies die Versagung der Verlängerung oder die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis-EG, die Ausweisung oder Abschiebung nicht begründen.“
57 
bb) Die Regelungen der RL 64/221/EWG konkretisieren die Vorgaben, die - soweit hier maßgeblich - in Art. 39 Abs. 3 EG als Vorbehalte für die Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ausdrücklich aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit als gerechtfertigt anerkannt werden. Dabei ist danach zu unterscheiden, aus welchem dieser Gründe die Beschränkung erfolgt. Dementsprechend sind die Gründe der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit von den Gründen der öffentlichen Gesundheit (d.h. der Volksgesundheit, vgl. dazu auch die Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 25.5.2004 in der Rs. C-275/02, RdNr. 30) zu unterscheiden. Dem trägt auch die RL 64/221/EWG Rechnung. Die Regelungen in Art. 4 RL 64/221/EWG lassen erkennen, dass eine Beschränkung der Freizügigkeit eines Unionsbürgers, die ausschließlich wegen gesundheitlicher Gründe - d.h. wenn eine der Krankheiten vorliegt, die im Anhang zu der Richtlinie aufgeführt sind (vgl. Art. 4 Abs. 1 RL 64/221/EWG) - erfolgt, nur vor einem Aufenthalt (durch Verweigerung der Einreise) oder zu Beginn des Aufenthalts in dem Aufnahmemitgliedstaat (durch Verweigerung der ersten Aufenthaltserlaubnis, über die spätestens innerhalb von 6 Monaten nach Antragstellung entschieden werden muss, vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der RL 64/221/EWG) als gerechtfertigt angesehen wird. Damit kommt deutlich zum Ausdruck, dass nicht eine konkrete Gefahrenlage in gesundheitlicher Hinsicht, sondern - zum einen - eine Belastung des Gesundheitswesens des Aufnahmemitgliedstaats und - zum anderen - zugleich eine abstrakte Gefährdung durch eine dieser Krankheiten vermieden werden soll. Dafür spricht auch der Wortlaut des Anhangs zu der RL 64/221/EWG, da dort die Krankheiten aufgeführt sind, welche die öffentliche Gesundheit (unter A.) oder die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (unter B.) gefährden können. Insoweit ist auch die (letzte) Begründungserwägung zur RL 64/221/EWG aufschlussreich; dort heißt es: „Eine Aufzählung der Krankheiten und Gebrechen, die die öffentliche Gesundheit, Ordnung und Sicherheit gefährden können, hätte wenig praktischen Wert und wäre kaum erschöpfend, und es genügt, diese Leiden nach Gruppen zu ordnen“. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass mit der gruppenweisen Aufzählung der Krankheiten für die Mitgliedstaaten lediglich die - sehr eingeschränkte - Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit wegen der abstrakten Gefährdungen, die durch die aufgeführten Krankheiten eintreten können, eröffnet werden sollte.
58 
Aus der Unterscheidung - A. und B. - im Anhang zur RL 64/221/EWG ergibt sich nicht etwa eine inhaltliche Differenzierung dahingehend, dass bei Vorliegen einer der Krankheiten oder Gebrechen, „welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können“, generell - und ungeachtet des Vorliegens eines sonstigen Grundes, der eine Beschränkung der Freizügigkeit rechtfertigt - im Blick auf die Regelung in Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis eine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nicht mehr möglich sein soll. Aus dem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit Art. 3 der RL 64/221/EWG ergibt sich vielmehr, dass eine Beendigung des Aufenthalts nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis allein aus Gründen der Gesundheit nicht mehr möglich ist, dass jedoch eine entsprechende Beschränkung der Freizügigkeit (z.B. durch eine Ausweisung) aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit des Mitgliedstaats durchaus noch gerechtfertigt sein kann. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass für eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung eine abstrakte Gefährdung nicht ausreicht, sondern eine erhebliche konkrete (gegenwärtige) Gefahr durch das persönliche Verhalten des Betroffenen vorliegen muss, d.h. eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Abwehr weiterer von dem Ausländer drohender Gefährdungen berührt. Dies kommt auch in der (nicht datierten) Mitteilung der Europäischen Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament zu den Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (dort unter Nr. 3.1.3) zum Ausdruck. Danach schränkt Art. 4 der RL 64/221/EWG (nur) „die Möglichkeit ein, eine Maßnahme aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zu treffen“.
59 
Für eine solche Auslegung spricht weiter die - bereits am 1.5.2004 in Kraft getretene, jedoch erst innerhalb von zwei Jahren umzusetzende - Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (ABl. L 158 S. 77), mit der die Ausübung des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts erleichtert (vgl. dazu die Begründungserwägung [4]) und eine genauere Definition der Umstände und Verfahrensgarantien sichergestellt  werden soll, unter denen Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen die Erlaubnis zur Einreise verweigert werden kann und unter denen sie ausgewiesen werden können (vgl. dazu die Begründungserwägung [22]). In Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie wird darauf abgestellt, dass „als Krankheiten, die eine die Freizügigkeit beschränkende Maßnahme rechtfertigen“, „ausschließlich“ Krankheiten „mit epidemischem Potenzial“ und „sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten“ gelten. In Abs. 2 dieser Richtlinie ist geregelt, dass Krankheiten, die nach Ablauf einer Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreise eintreten, keinen Ausweisungsgrund darstellen. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass eine Beschränkung der Freizügigkeit ausschließlich aus Gründen der öffentlichen Gesundheit nur in sehr eingeschränktem Maße zulässig sein soll; damit ist aber nichts darüber gesagt, dass etwa deshalb eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nach Ablauf dieser Frist ausgeschlossen sein soll, wenn durch ein - krankheitsbedingtes - persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr eingetreten oder zu erwarten ist, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. dazu Art. 27 Abs. 2 der genannten Richtlinie).
60 
cc) Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung des Klägers ausdrücklich nicht auf Gründe der Gesundheit, sondern auf Gründe der öffentlichen Ordnung gestützt und dies in der Begründung der angefochtenen Verfügung zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Bedeutung der Begründung einer Entscheidung über die Beschränkung der Freizügigkeit auch Art. 6 der RL 64/221/EWG). Diese Gründe rechtfertigen - wie ausgeführt - die Ausweisung. Insbesondere ist zu beachten, dass das Regierungspräsidium nicht etwa nach dem ersten Auftreten der Krankheit des Klägers und seiner Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus bereits die Beendigung seines Aufenthalts - aus Gründen der Gesundheit - verfügt hat, sondern erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger ein erhebliches gefährliches Verhalten gezeigt hat, die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung angeordnet hat.
61 
5. Die Ausweisung des Klägers verstößt auch nicht gegen Verfahrensgarantien des Europäischen Gemeinschaftsrechts.
62 
 
63 
a) Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG deshalb vorliege, weil das Regierungspräsidium die angefochtene Verfügung erlassen hat und nach innerstaatlichem deutschem Recht - hier: in Baden-Württemberg - gegen diese Verfügung kein Widerspruchsverfahren stattfindet (vgl. § 6a [bad.-württ.] AGVwGO), dem Betroffenen vielmehr unmittelbar die Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichts im Wege der Anfechtungsklage eröffnet ist. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 29.4.2004 (verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 , a.a.O.) bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte gewährte Rechtsschutz den Anforderungen dieser Richtlinie genügt.
64 
b) Zwar hat der EuGH in dem Urteil vom 29.4.2004 (a.a.O.) zur Erfüllung der Voraussetzungen in Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG - nämlich dass die Rechtsmittel nicht nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen - eine „umfassende materiell-rechtliche Prüfung“ nicht als ausreichend angesehen (RdNr. 109 des Urteils). Vielmehr verlangt der EuGH hierfür zusätzlich eine erschöpfende Prüfung (bzw. Entscheidung) in Bezug auf die „Zweckmäßigkeit“ der Ausweisung im Hinblick auf die Erfordernisse eines hinreichend effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. RdNr. 110 des Urteils). Um den Inhalt dieses Begriffs der „Zweckmäßigkeit“ zu bestimmen, ist jedoch nicht vom deutschen Rechtsverständnis dieses Begriffs (etwa im Zusammenhang mit der Zweckmäßigkeits-Kontrolle im Widerspruchsverfahren, vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO) auszugehen, sondern davon, welcher Bereich außer der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ zur Gewährleistung des (vom EuGH geforderten) „effektiven gerichtlichen Schutzes“ Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein muss. Daher ist zunächst zu untersuchen, was der EuGH unter einer „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ versteht. Auch dabei ist nicht vom deutschen Rechtsverständnis auszugehen, sondern – ausgehend von dem auf einem europäischen Mindestkonsens beruhenden Begriffsniveau - von der Vorstellung einer zwar vertieften, aber doch auf die Übereinstimmung mit dem materiellen Gesetz (d.h. der Eingriffsnorm; unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes) beschränkten Kontrolle, wie sich dies auch aus der französischen Übersetzung der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ („ vérification approfondie du droit matériel “, RdNr. 109 des Urteils) ersehen lässt. Die Bedeutung des Begriffs der „Zweckmäßigkeit“ in dem hier maßgeblichen Sinne ist demnach unter Abgrenzung gegenüber diesem Begriffsinhalt der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ aus dem Normgefüge und -verständnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts nach Sinn und Zweck der Regelung in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zu bestimmen. Um den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, der vom EuGH - insbesondere zur Garantie des „effet utile“ (der praktischen Wirksamkeit) des EG-Rechts - zu Recht gefordert wird, ist als eine „erschöpfende“ (= uneingeschränkte) Prüfung einer Ausweisung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der „Zweckmäßigkeit“ im gemeinschaftsrechtlichen Sinn eine umfassende inhaltliche (Rechts-) Kontrolle der Maßnahme in Bezug auf ihre (rechtliche) Übereinstimmung mit dem Zweck der Norm zu verstehen. Zwar hat der EuGH in dem Urteil vom 29.4.2004 (a.a.O.) insoweit das dafür maßgebliche Prüfprogramm nicht aufgeführt. Jedoch lässt sich aus den Anforderungen, die der EuGH im Entscheidungssatz 5 dieses Urteils für die gemeinschaftsrechtliche Unbedenklichkeit einer Ausweisung aufgeführt hat, ersehen, welche Kriterien für die Prüfung der „Zweckmäßigkeit“ maßgeblich sein sollen. Der EuGH hat an dieser Stelle entschieden, dass Art. 39 EG und die RL 64/221/EWG der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der wegen bestimmter Delikte zu einer bestimmten Strafe verurteilt worden ist und der einerseits eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt und sich andererseits seit vielen Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat und sich gegenüber dieser Ausweisung auf Umstände familiärer Art berufen kann, nicht entgegen stehen, sofern die von den innerstaatlichen Behörden im Einzelfall vorgenommene Beurteilung der Frage, wo der angemessene Ausgleich zwischen den betroffenen berechtigten Interessen liegt, „unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere unter Wahrung der Grundrechte wie desjenigen auf Schutz des Familienlebens erfolgt“. Daraus ergibt sich, dass im Fall der Ausweisung und anderer aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger eine strenge rechtliche Prüfung anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (in seinen Ausprägungen der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit des Ausgleichs zwischen den betroffenen öffentlichen und privaten Interessen [sog. Mittel-Zweck-Relation]) sowie anhand der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte stattfinden muss, wobei auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen ist (zu den einzelnen Kriterien vgl. insbesondere die Begründung in RdNrn. 95 – 99 des Urteils). Hingegen verlangt der EuGH nicht, dass eine Ausweisung ausschließlich nach Ermessen erfolgen darf. Dies folgt auch deutlich aus der französischen Fassung des Urteils. Darin wird der deutsche Rechtsbegriff der „Zweckmäßigkeit“ mit „opportunité“ übersetzt (vgl. RdNr. 110), während in der französischen Rechtssprache Ermessen „pouvoir discrétionnaire“ und freies Ermessen „pouvoir discrétionnaire libre“ bedeutet (vgl. Doucet/Fleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, 1977, Band 2, S. 130 z. Stichwort Ermessen/Verwaltungsermessen).
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Die demnach vom EuGH geforderte rechtliche Prüfungsdichte ist in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang garantiert. Wie der Senat bereits in dem (rechtskräftigen) Urteil vom 28.11.2002 – 11 S 1270/02 – (EZAR 034 Nr. 14 = VBlBW 2003, 289 [Ls]) ausgeführt hat, unterliegt die erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer Ausweisung im jeweiligen Einzelfall keiner prozessualen Beschränkung; die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung wird in vollem Umfang geprüft und der maßgebliche Sachverhalt von Amts wegen aufgeklärt (s. UA S. 31 ff). Alle Umstände, die von rechtlicher Bedeutung für die Ausweisung sind, werden berücksichtigt und an den rechtlichen Vorgaben - in einer „ersten Stufe“ - des nationalen und - in einer „zweiten Stufe“ - des supranationalen Rechts sowie des zwischenstaatlichen und des Völkerrechts geprüft. Dabei werden die Anforderungen an eine strenge, an den Grundrechten orientierte Verhältnismäßigkeitskontrolle erfüllt. Diese Kontrolle bezieht sich - unter Beachtung des im deutschen Recht gewährleisteten subjektiven Rechtsschutzes - ausschließlich auf den jeweiligen Einzelfall. Ob im nationalen deutschen Recht eine Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung vorliegt, ist für die europarechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung unerheblich. Eine solche stringente Rechts- und Verhältnismäßigkeitskontrolle wird den Anforderungen des EuGH an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gerecht; eine weitergehende „Zweckmäßigkeits“-Entscheidung, bei der etwa außer-rechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt würden, wäre zudem mit den Anforderungen der Art. 8 und 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG schwerlich vereinbar. Der Befassung einer - weiteren - „zuständigen Stelle“ bedarf es demnach nicht.
66 
Diese Auslegung wird schließlich bestätigt durch die Regelungen in Art. 31 Abs. 1 und Abs. 3 (in Verbindung mit Art. 28) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (ABl. L 158 S. 77), die „Verfahrensgarantien“ regeln und ersichtlich nicht hinter dem Schutzstandard der RL 64/221/EWG zurückbleiben sollen. In dieser Richtlinie ist die Stellungnahme einer anderen „zuständigen Stelle“ nicht mehr vorgesehen. Nach Art. 31 Abs. 1 dieser Richtlinie müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Gemäß Art. 31 Abs. 3 dieser Richtlinie sind im Rechtsbehelfsverfahren die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen. Es gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Artikel 28 („Schutz vor Ausweisung“) nicht unverhältnismäßig ist. Insoweit ist insbesondere Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie von Bedeutung, der einen Beispielskatalog der wichtigsten in diesem Zusammenhang beachtlichen Beurteilungskriterien enthält. In  Art. 28 Abs. 1 ist geregelt, dass der Aufnahmemitgliedstaat - bevor er eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt - insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat berücksichtigt.
67 
Mit der vorliegenden Entscheidung führt der Senat seine Rechtsprechung fort, die er in dem (rechtskräftigen) Urteil vom 28.11.2002 (a.a.O.) zu den hier maßgeblichen Fragen eingeleitet hat.
68 
III. Die Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung der Abschiebung in der angefochtenen Verfügung begegnen im Übrigen weder nach nationalem deutschem Ausländerrecht noch nach Europäischem Gemeinschaftsrecht rechtlichen Bedenken.
69 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
70 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Gründe

 
17 
Die vom Beklagten eingelegte Berufung, die vom Verwaltungsgericht - durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) - zugelassen wurde, ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 2 und 3 VwGO sind erfüllt.
18 
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die angefochtene Ausweisungsverfügung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Die Ausweisung des Klägers erweist sich bei der - gleichsam auf einer ersten Stufe vorzunehmenden - rechtlichen Beurteilung nach nationalem deutschem Ausländerrecht  als rechtmäßig (dazu unter I.) und ist auch nach der - gleichsam auf einer zweiten Stufe vorzunehmenden - Prüfung der Vereinbarkeit dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit hier zu beachtendem Europäischem Gemeinschaftsrecht rechtlich nicht zu beanstanden (dazu unter II.)
20 
I. Für die rechtliche Beurteilung des Begehrens des Klägers auf Aufhebung einer Ausweisungsverfügung, die nach nationalem deutschem Ausländerrecht als rechtliche Folge sowohl die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts - durch Erlöschen einer Aufenthaltsgenehmigung und das Entstehen der Ausreisepflicht (vgl. §§ 44 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 1, 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG) - herbeiführt als auch ein Wiedereinreiseverbot enthält (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG), das auch gegenüber freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140 = NVwZ 2000, 688 = InfAuslR 2000, 176 = VBlBW 2000, 273), ist eine rechtliche Beurteilung gleichsam auf zwei Stufen vorzunehmen (sog. „Zwei-Stufen-Modell“, vgl. Alber/Schneider, DÖV 2004, 313, 315; dazu auch VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.4.2002 - 11 S 1823/01 -, InfAuslR 2002, 375 = EZAR 034 Nr. 13, und vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 - EZAR 034 Nr. 14). Dabei ist es zunächst ausschließlich – und unabhängig vom Europäischen Gemeinschaftsrecht – die Aufgabe der deutschen Gerichte, nach der hier geltenden (nationalen) Rechtsordnung die behördliche Eingriffsmaßnahme der Ausweisung auf ihre Rechtmäßigkeit nach deutschem Recht zu überprüfen und damit über den Rechtsschutz nach innerstaatlichem deutschem Recht zu entscheiden. Denn es unterliegt nicht der Prüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), über die Auslegung und Anwendung nationaler Vorschriften zu entscheiden (vgl. dazu u.a. EuGH, Urteil vom 29.4.2004 in den verbundenen Rechtssachen C-482/01 und C-493/01 , RdNr. 42). Nur für den Fall, dass im Rahmen einer Überprüfung nach deutschem Recht dem Begehren des Unionsbürgers nicht bereits entsprochen werden kann, muss eine Prüfung unter Beachtung der Regelungen des Gemeinschaftsrechts erfolgen, wobei zu prüfen ist, ob insoweit der Vorrang des Gemeinschaftsrechts eine andere rechtliche Beurteilung gebietet. Die europarechtliche Prüfung hat selbständig und unabhängig von der Systematik und den Vorgaben der nationalen Prüfungsebene (etwa: Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung) zu erfolgen. Diese differenzierte Beurteilung auf zwei Stufen ist im Fall eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers - wie hier des Klägers - angezeigt. Die Ausweisung regelt zwar nach dem differenzierten Regelungssystem des deutschen Ausländerrechts für sich genommen (noch) nicht unmittelbar eine zwangsweise Beendigung des Aufenthalts des davon betroffenen Ausländers. Vielmehr führt erst die Abschiebung (§ 49 AuslG), die unabhängig von der Ausweisung geregelt ist und der Vollstreckung der - durch die Ausweisung entstandenen - Ausreisepflicht dient, zur Entfernung des Ausländers aus dem deutschen Hoheitsgebiet. Unter Beachtung des Regelungszusammenhangs der insoweit maßgebenden Bestimmungen des deutschen Ausländerrechts ist jedoch davon auszugehen, dass bereits die Ausweisung unmittelbare Auswirkungen auf die Ausübung des aus der Freizügigkeit folgenden Rechts auf freie und ungehinderte Einreise und dementsprechenden Aufenthalt eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers hat.
21 
Im Fall des Klägers ist - nach deutschem Recht - das Regierungspräsidium Freiburg als zuständige Ausländerbehörde (§ 7 Abs. 1 AAZuVO) zu Recht davon ausgegangen, dass die §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG als erforderliche gesetzliche Grundlagen für die Ausweisung den Erlass dieser Maßnahme nach Ermessen ermöglicht haben. Zu dem für die gerichtliche Beurteilung insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des ausländerbehördlichen Verfahrens (s. dazu im Folgenden unter 1.) waren die tatbestandlichen Voraussetzungen für diese Eingriffsmaßnahme (s. dazu im Folgenden unter 2.) gegeben, und die Behörde hat sowohl beachtet, dass dem Kläger ein besonderer Schutz vor einer Ausweisung zukommt (s. dazu im Folgenden unter 3.), als auch das ihr eröffnete Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (s. dazu im Folgenden unter 4.).
22 
1. Für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisungsverfügung ist nach innerstaatlichem deutschem Recht grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 17.11.1994 - 1 B 224.94 -, InfAuslR 1995, 150; vom 17.1.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 - ; vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288, vom 18.9.2001 - 1 C 17.00 -, NVwZ 2002, 339, und vom 8.1.2003 - 1 B 253.02 -; Urteile vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249, und - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296 und vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; sowie VGH Bad.-Württ., Urteile vom 4.12.1996  -  11 S 2511/96 -,  vom  28.7.1999 - 11 S 2387/98 -, vom 19.4.2000 - 11 S
23 
1387/99 -, VBlBW 2001, 25, vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 - und vom 27.1.2004 -10 S 1610/03 -). Dies gilt unabhängig davon, dass die Gerichte Erkenntnismittel auswerten dürfen, die nach Erlass des letzten Behördenbescheides entstanden sind, wenn ihnen Anhaltspunkte für die Richtigkeit oder auch für die Unrichtigkeit der im Zeitpunkt dieser Entscheidung getroffenen Einschätzung entnommen werden können (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; Be-schlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 129.96 -, AuAS 1997, 218; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 - und vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288).
24 
2. Als Maßnahme, die in den Rechtskreis des betroffenen Ausländers belastend eingreift, bedarf die Ausweisung nach geltendem deutschem Recht - unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes, der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) seine Grundlage hat - einer gesetzlichen Grundlage. Die insoweit erforderlichen gesetzlichen Grundlagen für eine Ausweisung sind in den §§ 45 ff AuslG in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise geregelt und im Geltungsbereich des Grundgesetzes von den Behörden und Gerichten auch in Bezug auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger zu beachten, da es im Recht der Europäischen Gemeinschaften keine Rechtsgrundlage für den Erlass einer Ausweisung gibt (vgl. dazu VGH Bad.-Württ.,  Urteil vom 17.4.2002 - 11 S 1823/01 -, InfAuslR 2002, 375 = EZAR 034 Nr. 13). Die Ausweisung - als eine ausschließlich im nationalen Recht angelegte Maßnahme - muss vielmehr nur in Bezug auf die damit eintretende Beschränkung des aus der Freizügigkeit folgenden Aufenthaltsrechts den Anforderungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts entsprechen (s. dazu unter II.). Dementsprechend regelt auch das - derzeit noch geltende - (deutsche) Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Aufenthaltsgesetz/EWG - AufenthG/EWG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.1.1980, BGBl. I S. 116 - mit Änderungen -), durch das die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964 S. 850 - im Folgenden: RL 64/221/EWG), in geltendes deutsches Recht umgesetzt worden ist, keine tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Ausweisungsverfügung gegen Personen, die unter dieses Gesetz fallen, sondern setzt die Möglichkeit des rechtmäßigen Erlasses einer solchen Verfügung nach deutschem Recht voraus und regelt (nur) die - aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht folgenden - Voraussetzungen für die Einschränkung der Freizügigkeit.
25 
Im Fall des Klägers wurde die Ausweisung nach nationalem Recht zutreffend auf der rechtlichen Grundlage der §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG verfügt.
26 
§ 45 Abs. 1 AuslG - als die Grundnorm für alle Formen der Ausweisung - regelt, dass ein Ausländer ausgewiesen werden kann, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Gemäß § 46 Nr. 2 AuslG kann ein Ausländer nach § 45 Abs. 1 AuslG insbesondere ausgewiesen werden, wenn er - soweit hier maßgeblich - einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Diese tatbestandliche Voraussetzung hat der Kläger erfüllt, da er durch seine Tat (versuchter Totschlag in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung) einen schweren Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung in hohem Maße beeinträchtigt hat. Es kommt für die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen nicht darauf an, dass der Kläger wegen dieser Tat strafrechtlich mangels Schuldfähigkeit nicht bestraft wurde. Denn die Ausweisung ist keine (weitere) Strafe, sondern ausschließlich eine ordnungsrechtliche Maßnahme, die der Abwehr und Bekämpfung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dient.
27 
Zum Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit der angefochtenen Verfügung - durch ihre Bekanntgabe an den Kläger am 11.3.2002 - bestanden keine rechtserheblichen Bedenken gegen die Annahme, dass vom Kläger Gefahren für die Allgemeinheit ausgingen, die ein ausländerrechtliches Einschreiten geboten haben. Wie sich aus den Feststellungen des Landgerichts Waldshut-Tiengen im Urteil vom 20.9.2001 ergibt, mit dem die Maßregel der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, war der Kläger als für die Allgemeinheit gefährlich (im Sinne des § 63 StGB) anzusehen. Es bestanden insoweit in seinem Fall keine rechtserheblichen Unterschiede in der Beurteilung der Sachlage in Bezug auf die durch das Strafgericht als freiheitsentziehende Maßregel angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in Bezug auf die durch die Ausländerbehörde verfügte - nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen grundsätzlich unterschiedlich zu beurteilende - ordnungsrechtliche Maßnahme der Ausweisung. Die vom Kläger ausgehenden Gefahren waren - und sind - auch nicht etwa wegen seiner Unterbringung entfallen, zumal da mit dieser Maßregel kein auf Dauer angelegter stationärer Aufenthalt unter medizinischer Überwachung verbunden ist (vgl. dazu auch § 67e StGB) und die unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten zu treffende Prognose auch den Fall der Beendigung der Unterbringung berücksichtigen muss. Insoweit ist die Situation mit der tatsächlichen Lage im Fall der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe vergleichbar. Wie sich im Übrigen aus der - vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegten - Stellungnahme vom 13.7.2004 des Zentrums für Psychiatrie, in dem der Kläger untergebracht ist, ergibt, halten es die ihn behandelnden Ärzte ersichtlich wegen der von ihm noch immer ausgehenden Gefahren für erforderlich, dass er im Maßregelvollzug verbleibt, bis ein - bisher aus ärztlicher Sicht (noch) nicht gewährleisteter - sozialer  Empfangsraum für ihn vorhanden ist.
28 
3. Die Ausländerbehörde hat auch zu Recht berücksichtigt, dass dem Kläger nach nationalem deutschem Recht ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG zugute kommt, da ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt wurde. Dieser Ausweisungsschutz entspricht inhaltlich der Schutznorm des § 48 Abs. 1 AuslG. Nach der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG, die über die Vorgaben durch die RL 64/221/EWG hinaus eine weitere innerstaatlich beachtliche Ausweisungsschranke enthält, darf der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausgewiesen werden. Solche Gründe liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Bei einer Ausweisung zu spezialpräventiven Zwecken - wie im Fall des Klägers - ist ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht erforderlich, was sich bei Straftaten insbesondere aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergibt. Zum anderen müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Straftaten des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.6.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, und vom 26.2.2002 - 1 C 21.00 -, BVerwGE 116, 55 = NVwZ 2002, 1512). Die Behörde und das Verwaltungsgericht sind zu Recht davon ausgegangen, dass der Ausweisungsschutz des § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG der Ausweisung des Klägers nicht entgegensteht, da in seinem Fall angesichts der erheblichen Gefahren, die von ihm - auch weiterhin - ausgehen, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in dem hier maßgeblichen Sinne vorliegen. Dies ergibt sich besonders daraus, dass er durch sein - wenngleich strafrechtlich schuldloses - Verhalten einen Anlass von außerordentlichem Gewicht für ein Einschreiten zur Gefahrenabwehr geschaffen hat, indem er seine Ehefrau töten wollte und durch sein entsprechendes Vorgehen ihr Leben in höchstem Maße gefährdet und ihr schwerste Verletzungen zugefügt hat, die auf Dauer in außerordentlich schwerwiegender Weise ihre Gesundheit beeinträchtigen werden. Die Gefahr der Wiederholung eines solchen Verhaltens ist auch nicht deshalb entfallen oder von geringerem Gewicht, weil die Ehefrau und die Kinder des Klägers sich derzeit in Frankreich aufhalten. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen in dem beim Landgericht Waldshut-Tiengen anhängig gewesenen Verfahren besteht die Gefahr, dass der Kläger beim Auftreten eines neuen Krankheitsschubes eine andere Bezugsperson für die Veränderungen an seiner Person verantwortlich macht und sich seine Aggressionen dann gegen diese Person richten können.
29 
4. Die Ermessensausübung des Regierungspräsidiums ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Behörde hat dem öffentlichen Interesse an einer Entfernung des Klägers aus dem Bundesgebiet und der Verhinderung seiner Wiedereinreise wegen der von ihm ausgehenden Gefahren ohne Rechtsfehler Vorrang vor seinem entgegenstehenden privaten Interesse eingeräumt. Auch unter Beachtung der nach § 45 Abs. 2 AuslG zu berücksichtigenden Gesichtspunkte erweist sich die behördliche Entscheidung als rechtsfehlerfrei. Die Ausweisung des Klägers ist auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Dabei ist zu beachten, dass sich allein aus der Dauer des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 1 AuslG) seit dem Jahr 1987, während der er keine besonderen Beziehungen oder Bindungen zu Deutschland geschaffen hat, keine schutzwürdige aufenthaltsrechtliche Position ergibt, deren Beendigung unter Beachtung seiner hohen Gefährlichkeit außer Verhältnis zu dem mit der Ausweisung verfolgten Zweck der Abwehr weiterer vom Kläger drohender Gefahren steht. Den in § 45 Abs. 2 Nr. 2 AuslG genannten Gesichtspunkten - der Berücksichtigung der Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben - kommt im Fall des Klägers keine ausschlaggebende Rolle zu, da seine unmittelbaren Familienangehörigen (seine Ehefrau und seine beiden Kinder) sich nicht mehr in Deutschland aufhalten und seine weiteren Verwandten ebenfalls im Ausland leben. Die Ausweisung erscheint auch nicht deshalb rechtlich fehlerhaft, weil etwa ein in § 55 Abs. 2 AuslG genannter Duldungsgrund zu beachten gewesen wäre (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG).
30 
II. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung  des Klägers auch als vereinbar mit Europäischem Gemeinschaftsrecht.
31 
1. Der Kläger besitzt als italienischer Staatsangehöriger die Unionsbürgerschaft und hat daher die im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (in der konsolidierten Fassung durch den Vertrag von Amsterdam - im Folgenden: EG) vorgesehenen Rechte und Pflichten (Art. 17 EG). Dementsprechend hat er das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen aufzuhalten (Art. 18 Abs. 1 EG). Als (Wander-)Arbeitnehmer steht ihm zudem Freizügigkeit nach Art. 39 Abs. 1 EG zu, die ihm ein Aufenthaltsrecht vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen gibt (vgl. Art. 39 Abs. 3 EG). Seine Rechtsstellung zur Inanspruchnahme der Arbeitnehmerfreizügigkeit hat der Kläger bereits durch den Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis-EG nachgewiesen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288 = InfAuslR 2001, 312).  Anhaltspunkte dafür, dass diese Arbeitnehmer-Freizügigkeit durch endgültiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt erloschen wäre, sind nicht ersichtlich.
32 
2. Die im vorliegenden Fall zu beachtenden Beschränkungen der Freizügigkeit und des daraus folgenden Aufenthaltsrechts ergeben sich unter Berücksichtigung der in der hier maßgeblichen Durchführungsvorschrift (RL 64/221/EWG) vorgegebenen Schranken. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Richtlinie grundsätzlich (nur) für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt (vgl. Art. 249 Abs. 3 EG). Daher wird den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum zur Umsetzung eröffnet; der Einzelne kann sich grundsätzlich nicht unmittelbar auf die Regelungen einer Richtlinie berufen. Lediglich ausnahmsweise ist eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien dann anerkannt, wenn die Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, nicht fristgemäß oder inhaltlich nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurden (vgl. dazu Nettesheim in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Komm. zu Art. 249 EG, RdNr. 155 ff mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
33 
3. Die Ausweisung des Klägers ist als eine Beschränkung seiner Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung (im Sinne von Art. 39 Abs. 3 EG) gerechtfertigt.
34 
a) Im Fall des Klägers ist die Einschränkung seiner Freizügigkeit und seines daraus folgenden Aufenthaltsrechts durch die Ausweisung nicht unmittelbar an den - die Vorbehalte des Art. 39 Abs. 3 EG konkretisierenden - Bestimmungen der RL 64/221/EWG zu messen, sondern vorrangig nach den Regelungen in § 12 AufenthG/EWG zu beurteilen, die inhaltlich mit den Vorgaben der RL 64/221/EWG in Einklang stehen. Mit der gesetzlichen Vorschrift des § 12 AufenthG/EWG wurde die RL 64/221/EWG, soweit sie im vorliegenden Fall maßgeblich ist, ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt.
35 
b) Die Ausweisung des Klägers, dem in Deutschland als Arbeitnehmer Freizügigkeit gewährt wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG/EWG), ist unter Beachtung der rechtlichen Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG/EWG aus Gründen der öffentlichen Ordnung rechtmäßig verfügt worden. Insoweit ist zu beachten, dass die durch die Ausweisung eintretende Beschränkung der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts als Ausnahme von dieser gemeinschaftsrechtlichen Freiheit eng auszulegen und - unter Beachtung der Vorgaben aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht - nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie ausschließlich auf das persönliche Verhalten des Betroffenen gestützt ist und eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. u.a. EuGH, Urteile vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 - , Slg. 1977, 1999, und vom 29.4.2004 - verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 ).  Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers erfüllt. Die Beschränkung seiner Freizügigkeit erfolgt ausschließlich auf Grund seines eigenen Verhaltens, mit dem er in äußerst schwer wiegender Weise ein Grundinteresse der Gesellschaft verletzt hat, indem er einen anderen Menschen durch mehrere Messerstiche töten wollte und ihm dabei schwerste Verletzungen zugefügt hat, die das Opfer seiner Tat  lebenslang in schwerster Weise behindern werden. Auch im Bereich des Europäischen Gemeinschaftsrechts kommt es im Zusammenhang mit einer Beendigung des Aufenthalts eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers aus Gründen der öffentlichen Ordnung nicht darauf an, ob er strafrechtlich wegen seines Verhaltens zur Rechenschaft gezogen werden kann oder ob wegen Schuldunfähigkeit eine Bestrafung nicht erfolgen kann. Denn insoweit ist - wie im innerstaatlichen deutschen Recht - der Eingriff zur Abwehr von Gefahren gerechtfertigt, die von dem Betroffenen ausgehen. Diesen Anforderungen entspricht die Ausweisung des Klägers. In seinem Fall besteht auch eine hohe Gefahr der erneuten Begehung entsprechender Taten, da - wie in dem gerichtlichen Verfahren festgestellt wurde, in dem seine Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erfolgte - keine günstige Langzeitprognose möglich ist, der Kläger sich in keiner Weise an seiner Behandlung beteiligt und von ihm auch künftig eine Allgemeingefährlichkeit - insbesondere für jeweilige Bezugspersonen - ausgeht.
36 
c) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass etwa zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung des Senats eine Änderung in der Beurteilung der Gefährlichkeit des Klägers eingetreten wäre. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass in Anbetracht der Zeit zwischen dem Eintritt der Wirksamkeit der Ausweisung (11.3.2002) und dem Zeitpunkt der heutigen Entscheidung des Senats (21.7.2004) ein „längerer Zeitraum“ (im Sinne des Entscheidungssatzes Nr. 3 des Urteils des EuGH vom 29.4.2004, a.a.O.) vergangen ist und daher eine nachträgliche Veränderung der Sachlage zu berücksichtigen wäre, die nach der letzten Behördenentscheidung - zu Gunsten wie zu Lasten des Klägers - eingetreten wäre. Dies kann zu einer Änderung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts aus Gründen des Europäischen Gemeinschaftsrechts führen (vgl. EuGH, Urteil vom 29.4.2004, a.a.O.). Ob einer nachträglichen, für den ausgewiesenen Ausländer günstigen Veränderung der Sachlage dadurch Rechnung getragen wird, dass die Ausweisung ab dem Zeitpunkt des Wegfalls oder der nicht unerheblichen Verminderung der europarechtlich erforderlichen Gefährdungslage aufgehoben oder aber - gemäß dem System des nationalen deutschen Ausländerrechts - auf diesen Zeitpunkt (gegebenenfalls auch rückwirkend) nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG befristet wird, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn im Fall des Klägers ist nichts dafür ersichtlich, dass etwa zwischenzeitlich ein Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefahr eingetreten ist. Insoweit ergibt sich vielmehr aus der - genannten - Stellungnahme vom 13.7.2004 des psychiatrischen Krankenhauses, in dem der Kläger noch immer untergebracht ist, dass er nach wie vor gefährlich ist.
37 
4. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung des Klägers auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig, weil sie mit Art. 4 der RL 64/221/EWG nicht vereinbar wäre.
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Regelung des Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG sei unmittelbar zugunsten des Klägers anwendbar, da es - jedenfalls im konkreten Fall des Klägers - an der notwendigen fristgerechten und vollständigen Umsetzung der Regelung in das nationale Ausländerrecht fehle. Die deutsche Regelung entspreche nicht der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung des Art. 4 RL 64/221/EWG. Im deutschen Recht sei die Möglichkeit einer aufenthaltsbeschränkenden Regelung bei Vorliegen der in § 12 Abs. 6 Satz 1 AufenthG/EWG genannten Krankheiten „zum Schutz der öffentlichen Gesundheit“ eröffnet und die in Satz 2 festgelegte Einschränkung - durch die Bezugnahme auf Satz 1 - sei auch nur auf Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit bezogen, obwohl die ihr zugrunde liegende Norm des Art. 4 RL 64/221/EWG bei der Aufzählung der Krankheiten und Gebrechen im Anhang zu der Richtlinie ausdrücklich zwischen Krankheiten differenziere, die die öffentliche Gesundheit gefährden und solchen, die die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden können. Damit entnimmt das Verwaltungsgericht der Regelung in Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG ein allgemeines Ausweisungsverbot für alle Fälle, in denen Krankheiten nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis-EG auftreten und in denen der Kranke über das „Auftreten“ der Krankheit hinaus die öffentliche Ordnung konkret und schwerwiegend gefährdet. Dies ist nicht gerechtfertigt. Die rechtlichen und praktischen Konsequenzen, die sich aus dieser Auslegung ergeben würden (z.B. das Verbot der Ausweisung eines Alkohol- oder Drogenabhängigen - und damit Suchtkranken - ungeachtet von ihm im Rahmen der Beschaffungskriminalität begangener Straftaten oder eines geisteskranken Terroristen, falls dem Freizügigkeitsberechtigten bereits eine Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt wurde), sind durch das Europäische Gemeinschaftsrecht nicht geboten.
39 
b) Die Regelungen der Richtlinie 64/221/EWG sind auch in Bezug auf Art. 4 dieser Richtlinie ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt worden und stehen einer Ausweisung des Klägers nicht entgegen.
40 
aa) Die Richtlinie, die aus dem Jahr 1964 stammt und an die Mitgliedstaaten gerichtet war, sieht in Art. 4 die Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit und des daraus folgenden Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Gesundheit wie folgt vor:
41 
 „(1) Als Krankheiten oder Gebrechen, die eine Verweigerung der Einreise oder der ersten Aufenthaltserlaubnis rechtfertigen, gelten nur diejenigen, die im Anhang aufgeführt sind.
42 
(2) Das Auftreten von Krankheiten oder Gebrechen nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis kann die Verweigerung einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet nicht rechtfertigen.“
43 
Dazu enthält der Anhang folgende Liste der Krankheiten bzw. Krankheitsgruppen, die als Grund für eine Maßnahme nach Art. 4 Abs. 1 RL 64/221/EWG in Frage kommen:
44 
„A. Krankheiten, welche die öffentliche Gesundheit gefährden können:
45 
1.    quarantänepflichtige Krankheiten,...
46 
2.    Tuberkulose ....
47 
3.    Syphilis;
48 
4.    andere ansteckende oder übertragbare parasitäre Krankheiten und Leiden, ...
49 
B. Krankheiten und Gebrechen, welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können:
50 
1.    Suchtkrankheiten;
51 
2. schwere geistige und seelische Störungen; offensichtliche Psychosen mit Erregungszuständen, Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschungen und mit Verwirrungszuständen.“
52 
Die (seit 1.1.2001 geänderte) gesetzliche Regelung des § 12 Abs. 6 AufenthG/EWG entspricht den Vorgaben des Art. 4 der RL 64/221/EWG. Die Bestimmung des § 12 Abs. 6 AufenthG/EWG hat folgenden Wortlaut:
53 
„Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit dürfen die in Absatz 1 genannten Entscheidungen oder Maßnahmen nur getroffen werden, wenn der Ausländer
54 
1.    an einer Krankheit im Sinne von § 6 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) leidet oder mit einem Krankheitserreger im Sinne von § 7 des Infektionsschutzgesetzes infiziert ist, oder
55 
2.    an Suchtkrankheiten, schweren geistigen oder seelischen Störungen, manifesten Psychosen mit Erregungszuständen, Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschungen mit Verwirrungszuständen leidet.
56 
Tritt die Krankheit oder das Gebrechen erst nach der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis-EG auf, so kann dies die Versagung der Verlängerung oder die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis-EG, die Ausweisung oder Abschiebung nicht begründen.“
57 
bb) Die Regelungen der RL 64/221/EWG konkretisieren die Vorgaben, die - soweit hier maßgeblich - in Art. 39 Abs. 3 EG als Vorbehalte für die Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ausdrücklich aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit als gerechtfertigt anerkannt werden. Dabei ist danach zu unterscheiden, aus welchem dieser Gründe die Beschränkung erfolgt. Dementsprechend sind die Gründe der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit von den Gründen der öffentlichen Gesundheit (d.h. der Volksgesundheit, vgl. dazu auch die Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 25.5.2004 in der Rs. C-275/02, RdNr. 30) zu unterscheiden. Dem trägt auch die RL 64/221/EWG Rechnung. Die Regelungen in Art. 4 RL 64/221/EWG lassen erkennen, dass eine Beschränkung der Freizügigkeit eines Unionsbürgers, die ausschließlich wegen gesundheitlicher Gründe - d.h. wenn eine der Krankheiten vorliegt, die im Anhang zu der Richtlinie aufgeführt sind (vgl. Art. 4 Abs. 1 RL 64/221/EWG) - erfolgt, nur vor einem Aufenthalt (durch Verweigerung der Einreise) oder zu Beginn des Aufenthalts in dem Aufnahmemitgliedstaat (durch Verweigerung der ersten Aufenthaltserlaubnis, über die spätestens innerhalb von 6 Monaten nach Antragstellung entschieden werden muss, vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der RL 64/221/EWG) als gerechtfertigt angesehen wird. Damit kommt deutlich zum Ausdruck, dass nicht eine konkrete Gefahrenlage in gesundheitlicher Hinsicht, sondern - zum einen - eine Belastung des Gesundheitswesens des Aufnahmemitgliedstaats und - zum anderen - zugleich eine abstrakte Gefährdung durch eine dieser Krankheiten vermieden werden soll. Dafür spricht auch der Wortlaut des Anhangs zu der RL 64/221/EWG, da dort die Krankheiten aufgeführt sind, welche die öffentliche Gesundheit (unter A.) oder die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (unter B.) gefährden können. Insoweit ist auch die (letzte) Begründungserwägung zur RL 64/221/EWG aufschlussreich; dort heißt es: „Eine Aufzählung der Krankheiten und Gebrechen, die die öffentliche Gesundheit, Ordnung und Sicherheit gefährden können, hätte wenig praktischen Wert und wäre kaum erschöpfend, und es genügt, diese Leiden nach Gruppen zu ordnen“. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass mit der gruppenweisen Aufzählung der Krankheiten für die Mitgliedstaaten lediglich die - sehr eingeschränkte - Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit wegen der abstrakten Gefährdungen, die durch die aufgeführten Krankheiten eintreten können, eröffnet werden sollte.
58 
Aus der Unterscheidung - A. und B. - im Anhang zur RL 64/221/EWG ergibt sich nicht etwa eine inhaltliche Differenzierung dahingehend, dass bei Vorliegen einer der Krankheiten oder Gebrechen, „welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können“, generell - und ungeachtet des Vorliegens eines sonstigen Grundes, der eine Beschränkung der Freizügigkeit rechtfertigt - im Blick auf die Regelung in Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis eine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nicht mehr möglich sein soll. Aus dem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit Art. 3 der RL 64/221/EWG ergibt sich vielmehr, dass eine Beendigung des Aufenthalts nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis allein aus Gründen der Gesundheit nicht mehr möglich ist, dass jedoch eine entsprechende Beschränkung der Freizügigkeit (z.B. durch eine Ausweisung) aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit des Mitgliedstaats durchaus noch gerechtfertigt sein kann. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass für eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung eine abstrakte Gefährdung nicht ausreicht, sondern eine erhebliche konkrete (gegenwärtige) Gefahr durch das persönliche Verhalten des Betroffenen vorliegen muss, d.h. eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Abwehr weiterer von dem Ausländer drohender Gefährdungen berührt. Dies kommt auch in der (nicht datierten) Mitteilung der Europäischen Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament zu den Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (dort unter Nr. 3.1.3) zum Ausdruck. Danach schränkt Art. 4 der RL 64/221/EWG (nur) „die Möglichkeit ein, eine Maßnahme aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zu treffen“.
59 
Für eine solche Auslegung spricht weiter die - bereits am 1.5.2004 in Kraft getretene, jedoch erst innerhalb von zwei Jahren umzusetzende - Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (ABl. L 158 S. 77), mit der die Ausübung des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts erleichtert (vgl. dazu die Begründungserwägung [4]) und eine genauere Definition der Umstände und Verfahrensgarantien sichergestellt  werden soll, unter denen Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen die Erlaubnis zur Einreise verweigert werden kann und unter denen sie ausgewiesen werden können (vgl. dazu die Begründungserwägung [22]). In Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie wird darauf abgestellt, dass „als Krankheiten, die eine die Freizügigkeit beschränkende Maßnahme rechtfertigen“, „ausschließlich“ Krankheiten „mit epidemischem Potenzial“ und „sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten“ gelten. In Abs. 2 dieser Richtlinie ist geregelt, dass Krankheiten, die nach Ablauf einer Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreise eintreten, keinen Ausweisungsgrund darstellen. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass eine Beschränkung der Freizügigkeit ausschließlich aus Gründen der öffentlichen Gesundheit nur in sehr eingeschränktem Maße zulässig sein soll; damit ist aber nichts darüber gesagt, dass etwa deshalb eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nach Ablauf dieser Frist ausgeschlossen sein soll, wenn durch ein - krankheitsbedingtes - persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr eingetreten oder zu erwarten ist, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. dazu Art. 27 Abs. 2 der genannten Richtlinie).
60 
cc) Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung des Klägers ausdrücklich nicht auf Gründe der Gesundheit, sondern auf Gründe der öffentlichen Ordnung gestützt und dies in der Begründung der angefochtenen Verfügung zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Bedeutung der Begründung einer Entscheidung über die Beschränkung der Freizügigkeit auch Art. 6 der RL 64/221/EWG). Diese Gründe rechtfertigen - wie ausgeführt - die Ausweisung. Insbesondere ist zu beachten, dass das Regierungspräsidium nicht etwa nach dem ersten Auftreten der Krankheit des Klägers und seiner Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus bereits die Beendigung seines Aufenthalts - aus Gründen der Gesundheit - verfügt hat, sondern erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger ein erhebliches gefährliches Verhalten gezeigt hat, die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung angeordnet hat.
61 
5. Die Ausweisung des Klägers verstößt auch nicht gegen Verfahrensgarantien des Europäischen Gemeinschaftsrechts.
62 
 
63 
a) Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG deshalb vorliege, weil das Regierungspräsidium die angefochtene Verfügung erlassen hat und nach innerstaatlichem deutschem Recht - hier: in Baden-Württemberg - gegen diese Verfügung kein Widerspruchsverfahren stattfindet (vgl. § 6a [bad.-württ.] AGVwGO), dem Betroffenen vielmehr unmittelbar die Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichts im Wege der Anfechtungsklage eröffnet ist. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 29.4.2004 (verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 , a.a.O.) bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte gewährte Rechtsschutz den Anforderungen dieser Richtlinie genügt.
64 
b) Zwar hat der EuGH in dem Urteil vom 29.4.2004 (a.a.O.) zur Erfüllung der Voraussetzungen in Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG - nämlich dass die Rechtsmittel nicht nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen - eine „umfassende materiell-rechtliche Prüfung“ nicht als ausreichend angesehen (RdNr. 109 des Urteils). Vielmehr verlangt der EuGH hierfür zusätzlich eine erschöpfende Prüfung (bzw. Entscheidung) in Bezug auf die „Zweckmäßigkeit“ der Ausweisung im Hinblick auf die Erfordernisse eines hinreichend effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. RdNr. 110 des Urteils). Um den Inhalt dieses Begriffs der „Zweckmäßigkeit“ zu bestimmen, ist jedoch nicht vom deutschen Rechtsverständnis dieses Begriffs (etwa im Zusammenhang mit der Zweckmäßigkeits-Kontrolle im Widerspruchsverfahren, vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO) auszugehen, sondern davon, welcher Bereich außer der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ zur Gewährleistung des (vom EuGH geforderten) „effektiven gerichtlichen Schutzes“ Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein muss. Daher ist zunächst zu untersuchen, was der EuGH unter einer „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ versteht. Auch dabei ist nicht vom deutschen Rechtsverständnis auszugehen, sondern – ausgehend von dem auf einem europäischen Mindestkonsens beruhenden Begriffsniveau - von der Vorstellung einer zwar vertieften, aber doch auf die Übereinstimmung mit dem materiellen Gesetz (d.h. der Eingriffsnorm; unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes) beschränkten Kontrolle, wie sich dies auch aus der französischen Übersetzung der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ („ vérification approfondie du droit matériel “, RdNr. 109 des Urteils) ersehen lässt. Die Bedeutung des Begriffs der „Zweckmäßigkeit“ in dem hier maßgeblichen Sinne ist demnach unter Abgrenzung gegenüber diesem Begriffsinhalt der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ aus dem Normgefüge und -verständnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts nach Sinn und Zweck der Regelung in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zu bestimmen. Um den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, der vom EuGH - insbesondere zur Garantie des „effet utile“ (der praktischen Wirksamkeit) des EG-Rechts - zu Recht gefordert wird, ist als eine „erschöpfende“ (= uneingeschränkte) Prüfung einer Ausweisung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der „Zweckmäßigkeit“ im gemeinschaftsrechtlichen Sinn eine umfassende inhaltliche (Rechts-) Kontrolle der Maßnahme in Bezug auf ihre (rechtliche) Übereinstimmung mit dem Zweck der Norm zu verstehen. Zwar hat der EuGH in dem Urteil vom 29.4.2004 (a.a.O.) insoweit das dafür maßgebliche Prüfprogramm nicht aufgeführt. Jedoch lässt sich aus den Anforderungen, die der EuGH im Entscheidungssatz 5 dieses Urteils für die gemeinschaftsrechtliche Unbedenklichkeit einer Ausweisung aufgeführt hat, ersehen, welche Kriterien für die Prüfung der „Zweckmäßigkeit“ maßgeblich sein sollen. Der EuGH hat an dieser Stelle entschieden, dass Art. 39 EG und die RL 64/221/EWG der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der wegen bestimmter Delikte zu einer bestimmten Strafe verurteilt worden ist und der einerseits eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt und sich andererseits seit vielen Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat und sich gegenüber dieser Ausweisung auf Umstände familiärer Art berufen kann, nicht entgegen stehen, sofern die von den innerstaatlichen Behörden im Einzelfall vorgenommene Beurteilung der Frage, wo der angemessene Ausgleich zwischen den betroffenen berechtigten Interessen liegt, „unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere unter Wahrung der Grundrechte wie desjenigen auf Schutz des Familienlebens erfolgt“. Daraus ergibt sich, dass im Fall der Ausweisung und anderer aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger eine strenge rechtliche Prüfung anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (in seinen Ausprägungen der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit des Ausgleichs zwischen den betroffenen öffentlichen und privaten Interessen [sog. Mittel-Zweck-Relation]) sowie anhand der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte stattfinden muss, wobei auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen ist (zu den einzelnen Kriterien vgl. insbesondere die Begründung in RdNrn. 95 – 99 des Urteils). Hingegen verlangt der EuGH nicht, dass eine Ausweisung ausschließlich nach Ermessen erfolgen darf. Dies folgt auch deutlich aus der französischen Fassung des Urteils. Darin wird der deutsche Rechtsbegriff der „Zweckmäßigkeit“ mit „opportunité“ übersetzt (vgl. RdNr. 110), während in der französischen Rechtssprache Ermessen „pouvoir discrétionnaire“ und freies Ermessen „pouvoir discrétionnaire libre“ bedeutet (vgl. Doucet/Fleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, 1977, Band 2, S. 130 z. Stichwort Ermessen/Verwaltungsermessen).
65 
Die demnach vom EuGH geforderte rechtliche Prüfungsdichte ist in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang garantiert. Wie der Senat bereits in dem (rechtskräftigen) Urteil vom 28.11.2002 – 11 S 1270/02 – (EZAR 034 Nr. 14 = VBlBW 2003, 289 [Ls]) ausgeführt hat, unterliegt die erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer Ausweisung im jeweiligen Einzelfall keiner prozessualen Beschränkung; die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung wird in vollem Umfang geprüft und der maßgebliche Sachverhalt von Amts wegen aufgeklärt (s. UA S. 31 ff). Alle Umstände, die von rechtlicher Bedeutung für die Ausweisung sind, werden berücksichtigt und an den rechtlichen Vorgaben - in einer „ersten Stufe“ - des nationalen und - in einer „zweiten Stufe“ - des supranationalen Rechts sowie des zwischenstaatlichen und des Völkerrechts geprüft. Dabei werden die Anforderungen an eine strenge, an den Grundrechten orientierte Verhältnismäßigkeitskontrolle erfüllt. Diese Kontrolle bezieht sich - unter Beachtung des im deutschen Recht gewährleisteten subjektiven Rechtsschutzes - ausschließlich auf den jeweiligen Einzelfall. Ob im nationalen deutschen Recht eine Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung vorliegt, ist für die europarechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung unerheblich. Eine solche stringente Rechts- und Verhältnismäßigkeitskontrolle wird den Anforderungen des EuGH an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gerecht; eine weitergehende „Zweckmäßigkeits“-Entscheidung, bei der etwa außer-rechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt würden, wäre zudem mit den Anforderungen der Art. 8 und 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG schwerlich vereinbar. Der Befassung einer - weiteren - „zuständigen Stelle“ bedarf es demnach nicht.
66 
Diese Auslegung wird schließlich bestätigt durch die Regelungen in Art. 31 Abs. 1 und Abs. 3 (in Verbindung mit Art. 28) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (ABl. L 158 S. 77), die „Verfahrensgarantien“ regeln und ersichtlich nicht hinter dem Schutzstandard der RL 64/221/EWG zurückbleiben sollen. In dieser Richtlinie ist die Stellungnahme einer anderen „zuständigen Stelle“ nicht mehr vorgesehen. Nach Art. 31 Abs. 1 dieser Richtlinie müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Gemäß Art. 31 Abs. 3 dieser Richtlinie sind im Rechtsbehelfsverfahren die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen. Es gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Artikel 28 („Schutz vor Ausweisung“) nicht unverhältnismäßig ist. Insoweit ist insbesondere Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie von Bedeutung, der einen Beispielskatalog der wichtigsten in diesem Zusammenhang beachtlichen Beurteilungskriterien enthält. In  Art. 28 Abs. 1 ist geregelt, dass der Aufnahmemitgliedstaat - bevor er eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt - insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat berücksichtigt.
67 
Mit der vorliegenden Entscheidung führt der Senat seine Rechtsprechung fort, die er in dem (rechtskräftigen) Urteil vom 28.11.2002 (a.a.O.) zu den hier maßgeblichen Fragen eingeleitet hat.
68 
III. Die Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung der Abschiebung in der angefochtenen Verfügung begegnen im Übrigen weder nach nationalem deutschem Ausländerrecht noch nach Europäischem Gemeinschaftsrecht rechtlichen Bedenken.
69 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
70 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Februar 2004 - 6 K 817/03 - aufgehoben.

Gründe

 
Die Beschwerde ist statthaft (§ 146 Abs. 1 VwGO), da es sich bei der Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, nicht um eine der in § 146 Abs. 2 VwGO aufgeführten, mit dem Rechtsmittel der Beschwerde nicht anfechtbaren prozessleitenden Maßnahmen handelt (vgl. Kopp, VwGO, 13. Aufl., § 146 RdNr. 12). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ermangelt es dem Beklagten nicht an der für jeden Rechtsbehelf erforderlichen Beschwer; denn der Beklagte hat die Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO nicht beantragt, sondern in seinem Schreiben vom 19.1.2004 dem Verwaltungsgericht Stuttgart lediglich mitgeteilt, dass einer Vorgehensweise des Gerichts nach dieser Vorschrift der Vorzug gegeben werde. In dieser Erklärung kann auch kein Rechtsmittelverzicht gesehen werden. Denn der Hinweis des Beklagten in diesem Schreiben auf den Umstand, dass das Vorabentscheidungsersuchen zu der vom Verwaltungsgericht als maßgeblich angesehenen Rechtsfrage vom Österreichischen Verwaltungsgerichtshof gestellt worden ist, sowie die sich hieran anschließenden Ausführungen, mit denen er nochmals seinen Standpunkt bezüglich der Nichtanwendbarkeit von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221 des Rats der EWG vom 25.2.1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern bekräftigt, machen deutlich, dass er sich des Rechts auf Nachprüfung der gerichtlichen Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht nicht begeben wollte. Überdies könnte ein solcher Rechtsmittelverzicht durch einseitige Erklärung gegenüber dem Gericht wohl auch nur nach Erhalt der rechtsmittelfähigen Entscheidung, nicht jedoch schon zuvor wirksam erklärt werden (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 11. Aufl. § 124 RdNr. 35).
Die Beschwerde ist auch begründet. Für eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Fragen Nr. 1 und 2 des Vorlagebeschlusses des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18.3.2003 - Zlen.EU 2003/0001, 0002-1 (InfAuslR 2003, 217) bzw. über die Frage Nr. 2 des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.11.2001 - 6 K 1307/01 - (InfAuslR 2002, 66) - diese Verfahren waren wohl Anlass der hier angegriffenen Entscheidung - fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen.
Die Aussetzung eines Gerichtsverfahrens bis zur Erledigung eines in einem gleichgelagerten Fall beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV (bzw. Art. 177 EG-Vertrag) in entspr. Anw. des § 94 VwGO ist grundsätzlich zulässig. § 94 Abs. 1 VwGO ist allerdings nicht unmittelbar einschlägig. Denn diese Vorschrift regelt lediglich die Aussetzung mit Blick auf ein anderes Verfahren, in dem es um ein vorgreifliches Rechtsverhältnis geht, während die Vorabentscheidungsverfahren bei  Europäischen Gerichtshof, um derentwillen hier ausgesetzt worden ist, die Klärung von abstrakten Rechtsfragen betrifft. Auf derartige Fälle kann § 94 Satz 1 VwGO jedoch entsprechend angewendet werden, da die Interessenlage vergleichbar ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.9.2001 - 9 S 1464/01 -, DÖV 2002, 35 und BVerwG, Beschluss vom 10.11.2000 - 3 C 3.00 -, BVerwGE 112, 166).
Das Verwaltungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die vom Österreichischen Verwaltungsgerichtshof bzw. vom Verwaltungsgericht Stuttgart dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen auch im vorliegenden Verfahren, das die unter Sofortvollzug verfügte Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand hat, rechtserheblich und damit für die Entscheidung vorgreiflich sind.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit seinem Beschluss vom 20.11.2001 u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (Vorabentscheidungsverfahren C-482/01-)
„Steht Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25.2.1964 einer nationalen Regelung entgegen, die ein Widerspruchsverfahren, in dem auch eine Zweckmäßigkeitsprüfung stattfindet, gegenüber einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet nicht mehr vorsieht, wenn eine bestimmte, von der die Entscheidung treffenden Verwaltungsbehörde unabhängige Stelle nicht eingerichtet wird?“
Der Österreichische Verwaltungsgerichtshof wirft in Ziff. 1 seines Vorabentscheidungsbeschlusses vom 18.3.2003 im Wesentlichen die gleiche Rechtsfrage auf; in Ziff. 2 seines Beschlusses legt er dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 zukommt (Vorabentscheidungsverfahren C-136/03-).
Diese dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegten, die Auslegung der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG betreffenden Fragen sind im vorliegenden Verfahren nicht rechtserheblich, da die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Klage des Klägers gegen seine Ausweisung nicht von ihrer Beantwortung abhängt. Art. 8 der Richtlinie 64/221/EWG bestimmt, dass ein Betroffener gegen die Verweigerung der Einreise, einer Aufenthaltsgenehmigung oder gegen die Entfernung aus dem Aufnahmeland die Rechtsbehelfe haben muss, die Inländern gegenüber Verwaltungsakten zustehen. Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG ergänzt den Art. 8. Durch ihn soll den Personen, die von einer dieser Maßnahmen betroffen sind, ein Minimum an verfahrensmäßigem Schutz gewährleistet werden, wenn einer der drei besonderen Fälle vorliegt, die Art. 9 Abs. 1 mit den Worten „sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben“ umschreibt. Im ersten Fall soll die Möglichkeit der Anrufung einer „zuständigen Stelle“, die eine andere als die für die Entscheidung zuständige Behörde sein muss, das Fehlen jeglichen gerichtlichen Rechtsbehelfs ausgleichen. Im zweiten Fall soll die Einschaltung der zuständigen Stelle eine umfassende Prüfung der Situation des Betroffenen, einschließlich der Zweckmäßigkeit der fraglichen Maßnahme, ermöglichen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Im dritten Fall soll dieses Verfahren es dem Betroffenen ermöglichen, zu beantragen und ggf. zu erwirken, dass die Vollziehung der geplanten Maßnahme ausgesetzt wird, und ihm so einen Ausgleich dafür bieten, dass es nicht möglich ist, die Vollziehung durch die Gerichte aussetzen zu lassen. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG fordert dabei bei Vorliegen eines dieser drei besonderen Fälle die Einschaltung einer zuständigen Stelle vor Erlass der ausländerrechtlichen Maßnahme (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.1995 - C 175/94 -, Sammlung 1995, I-4253, RdNr. 20). Die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann jedoch „in dringenden Fällen“ unterbleiben; diese Ausnahme ist in Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für alle drei Fallgestaltungen ausdrücklich vorgesehen.
Vom Vorliegen eines „dringenden Falles“ in diesem Sinne ist das Regierungspräsidium Stuttgart bei Erlass der gegen den Kläger ergangenen Ausweisungsverfügung vom 20.1.2003 jedoch ausgegangen; denn es hat die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - auch - aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich gehalten und hat die Ausweisungsverfügung in der Annahme für sofort vollziehbar erklärt, dass die begründete Besorgnis bestehe, dass sich die vom Kläger ausgehende, mit seiner Ausweisung bekämpfte Gefahr schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werde. Lag im Fall des Klägers aber ein „dringender Fall“ vor, so folgt hieraus, dass das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ unabhängig davon, ob diese Vorschrift überhaupt auf den Kläger als türkischen Staatsangehörigen Anwendung finden kann, der Entscheidung über seine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorauszugehen hatte und dass sein Unterbleiben mithin nicht gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien verstößt.
10 
Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart auf den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 16.7.2203 - 6 K 1757/03 - die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.1.2003 wiederhergestellt bzw. angeordnet hat. Denn ungeachtet dessen, dass diese Entscheidung - wohl -auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung zurückwirkt (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 6.3.1992 - 12 Cs 91.3128 -, GewArch 1993, 349; Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 80 RdNr. 86; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 RdNr. 362) bedeutet dies nicht, dass in Wirklichkeit kein „dringender Fall“ im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vorgelegen hat und folglich - zumindest bei Annahme der Anwendbarkeit der Richtlinie 64/221/EWG auch auf türkische Staatsangehörige - das in dieser Vorschrift vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren zu Unrecht unterblieben ist. Die Beurteilung der Frage der Dringlichkeit in begründeten Fällen ist nämlich, wie der Europäische Gerichtshof entschieden hat (vgl. sein Urteil vom 5.3.1980 - Rs 98/79 -, Sammlung 1980, 619 RdNrn. 19 und 20) Sache der Verwaltung: Durch das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Verfahren zur Prüfung und Stellungnahme soll den Gerichten im Rahmen der verfahrensrechtlichen Überprüfung nicht das Recht zur Prüfung der Dringlichkeit einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet verliehen werden. Für die Ausübung derartige Befugnisse durch die innerstaatlichen Gerichte gilt nach Auffassung des EuGH Art. 8 der Richtlinie. Diese Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs machen deutlich, dass der Umstand, dass ein Gericht bei einer ex-post-Beurteilung zu einer anderen Auffassung der Dringlichkeit einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet kommt als die Ausländerbehörde, rechtlich nicht die Annahme rechtfertigt, das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG ansonsten vorgesehene Verfahren zur Prüfung und Stellungnahme sei zu Unrecht unterblieben.
11 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

(1) Für aufenthalts- und passrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen in anderen Gesetzen sind die Ausländerbehörden zuständig. Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle kann bestimmen, dass für einzelne Aufgaben nur eine oder mehrere bestimmte Ausländerbehörden zuständig sind. Nach Satz 2 kann durch die zuständigen Stellen der betroffenen Länder auch geregelt werden, dass den Ausländerbehörden eines Landes für die Bezirke von Ausländerbehörden verschiedener Länder Aufgaben zugeordnet werden. Für die Vollziehung von Abschiebungen ist in den Ländern jeweils eine zentral zuständige Stelle zu bestimmen. Die Länder sollen jeweils mindestens eine zentrale Ausländerbehörde einrichten, die bei Visumanträgen nach § 6 zu Zwecken nach den §§ 16a, 16d, 17 Absatz 1, den §§ 18a, 18b, 18c Absatz 3, den §§ 18d, 18f, 19, 19b, 19c und 20 sowie bei Visumanträgen des Ehegatten oder der minderjährigen ledigen Kinder zum Zweck des Familiennachzugs, die in zeitlichem Zusammenhang gestellt werden, die zuständige Ausländerbehörde ist.

(2) Im Ausland sind für Pass- und Visaangelegenheiten die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. Das Auswärtige Amt wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Entscheidung über Anträge auf Erteilung eines Visums zu übertragen. Soweit von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht wird, stehen dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten die Befugnisse zur Datenverarbeitung sowie alle sonstigen Aufgaben und Befugnisse einer Auslandsvertretung bei der Erteilung von Visa gemäß Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe b sowie gemäß den §§ 54, 66, 68, 69, 72, 72a, 73, 73a, 75, 87, 90c, 91d und 91g zu.

(3) Die mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden sind zuständig für

1.
die Zurückweisung und die Zurückschiebung an der Grenze, einschließlich der Überstellung von Drittstaatsangehörigen auf Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013, wenn der Ausländer von der Grenzbehörde im grenznahen Raum in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer unerlaubten Einreise angetroffen wird,
1a.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bei oder nach der unerlaubten Einreise über eine Grenze im Sinne des Artikels 2 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/399 (Binnengrenze) aufgegriffen wird,
1b.
Abschiebungen an der Grenze, sofern der Ausländer bereits unerlaubt eingereist ist, sich danach weiter fortbewegt hat und in einem anderen Grenzraum oder auf einem als Grenzübergangsstelle zugelassenen oder nicht zugelassenen Flughafen, Flug- oder Landeplatz oder See- oder Binnenhafen aufgegriffen wird,
1c.
die Befristung der Wirkungen auf Grund der von ihnen vorgenommenen Ab- und Zurückschiebungen nach § 11 Absatz 2, 4 und 8,
1d.
die Rückführungen von Ausländern aus anderen und in andere Staaten; die Zuständigkeit besteht neben derjenigen der in Absatz 1 und in Absatz 5 bestimmten Stellen,
1e.
die Beantragung von Haft und die Festnahme, soweit es zur Vornahme der in den Nummern 1 bis 1d bezeichneten Maßnahmen erforderlich ist,
2.
die Erteilung eines Visums und die Ausstellung eines Passersatzes nach § 14 Abs. 2 sowie die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2a,
3.
die Rücknahme und den Widerruf eines nationalen Visums sowie die Entscheidungen nach Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009
a)
im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung, soweit die Voraussetzungen der Nummer 1a oder 1b erfüllt sind,
b)
auf Ersuchen der Auslandsvertretung, die das Visum erteilt hat, oder
c)
auf Ersuchen der Ausländerbehörde, die der Erteilung des Visums zugestimmt hat, sofern diese ihrer Zustimmung bedurfte,
4.
das Ausreiseverbot und die Maßnahmen nach § 66 Abs. 5 an der Grenze,
5.
die Prüfung an der Grenze, ob Beförderungsunternehmer und sonstige Dritte die Vorschriften dieses Gesetzes und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen und Anordnungen beachtet haben,
6.
sonstige ausländerrechtliche Maßnahmen und Entscheidungen, soweit sich deren Notwendigkeit an der Grenze ergibt und sie vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hierzu allgemein oder im Einzelfall ermächtigt sind,
7.
die Beschaffung von Heimreisedokumenten im Wege der Amtshilfe in Einzelfällen für Ausländer,
8.
die Erteilung von in Rechtsvorschriften der Europäischen Union vorgesehenen Vermerken und Bescheinigungen vom Datum und Ort der Einreise über die Außengrenze eines Mitgliedstaates, der den Schengen-Besitzstand vollständig anwendet; die Zuständigkeit der Ausländerbehörden oder anderer durch die Länder bestimmter Stellen wird hierdurch nicht ausgeschlossen.

(4) Für die erforderlichen Maßnahmen nach den §§ 48, 48a und 49 Absatz 2 bis 9 sind die Ausländerbehörden, die Polizeivollzugsbehörden der Länder sowie bei Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben die Bundespolizei und andere mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragte Behörden zuständig. In den Fällen des § 49 Abs. 4 sind auch die Behörden zuständig, die die Verteilung nach § 15a veranlassen. In den Fällen des § 49 Absatz 5 Nummer 5 und 6 sind die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertretungen zuständig. In den Fällen des § 49 Absatz 8 und 9 sind auch die Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylgesetzes und die Außenstellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge befugt, bei Tätigwerden in Amtshilfe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen bei ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die unbegleitet in das Bundesgebiet eingereist sind, vorzunehmen; diese Maßnahmen sollen im Beisein des zuvor zur vorläufigen Inobhutnahme verständigten Jugendamtes und in kindgerechter Weise durchgeführt werden.

(5) Für die Zurückschiebung sowie die Durchsetzung der Verlassenspflicht des § 12 Abs. 3 und die Durchführung der Abschiebung und, soweit es zur Vorbereitung und Sicherung dieser Maßnahmen erforderlich ist, die Festnahme und Beantragung der Haft sind auch die Polizeien der Länder zuständig.

(6) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle entscheidet im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt über die Anerkennung von Pässen und Passersatzpapieren (§ 3 Abs. 1); die Entscheidungen ergehen als Allgemeinverfügung und können im Bundesanzeiger bekannt gegeben werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt besonders schwer, wenn der Ausländer

1.
eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
2.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet geboren oder als Minderjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat,
3.
eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und mit einem der in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Ausländer in ehelicher oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt,
4.
mit einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner in familiärer oder lebenspartnerschaftlicher Lebensgemeinschaft lebt, sein Personensorgerecht für einen minderjährigen ledigen Deutschen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt oder
5.
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, den §§ 24, 25 Absatz 4a Satz 3 oder nach § 29 Absatz 2 oder 4 besitzt.

(2) Das Bleibeinteresse im Sinne von § 53 Absatz 1 wiegt insbesondere schwer, wenn

1.
der Ausländer minderjährig ist und eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält,
3.
der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübt,
4.
der Ausländer minderjährig ist und sich die Eltern oder ein personensorgeberechtigter Elternteil rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten beziehungsweise aufhält,
5.
die Belange oder das Wohl eines Kindes zu berücksichtigen sind beziehungsweise ist oder
6.
der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 4a Satz 1 besitzt.

(3) Aufenthalte auf der Grundlage von § 81 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 werden als rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne der Absätze 1 und 2 nur berücksichtigt, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels entsprochen wurde.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Ein Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung auf Grund eines Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a besteht, unterliegt der Verpflichtung, sich mindestens einmal wöchentlich bei der für seinen Aufenthaltsort zuständigen polizeilichen Dienststelle zu melden, soweit die Ausländerbehörde nichts anderes bestimmt. Eine dem Satz 1 entsprechende Meldepflicht kann angeordnet werden, wenn der Ausländer

1.
vollziehbar ausreisepflichtig ist und ein in Satz 1 genanntes Ausweisungsinteresse besteht oder
2.
auf Grund anderer als der in Satz 1 genannten Ausweisungsinteressen vollziehbar ausreisepflichtig ist und die Anordnung der Meldepflicht zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.

(2) Sein Aufenthalt ist auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen trifft.

(3) Er kann verpflichtet werden, in einem anderen Wohnort oder in bestimmten Unterkünften auch außerhalb des Bezirks der Ausländerbehörde zu wohnen, wenn dies geboten erscheint, um

1.
die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden und die Einhaltung vereinsrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Auflagen und Verpflichtungen besser überwachen zu können oder
2.
die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden.

(4) Um die Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, zu einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 oder zu einer Abschiebungsanordnung nach § 58a geführt haben, zu erschweren oder zu unterbinden, kann der Ausländer auch verpflichtet werden, zu bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen und bestimmte Kommunikationsmittel oder Dienste nicht zu nutzen, soweit ihm Kommunikationsmittel verbleiben und die Beschränkungen notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Um die wiederholte Begehung erheblicher Straftaten, die zu einer Ausweisung nach § 54 Absatz 1 Nummer 1 geführt haben, zu unterbinden, können Beschränkungen nach Satz 1 angeordnet werden, soweit diese notwendig sind, um eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwenden.

(5) Die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 ruhen, wenn sich der Ausländer in Haft befindet. Eine Anordnung nach den Absätzen 3 und 4 ist sofort vollziehbar.

(1) Ein Ausländer ist verpflichtet,

1.
seinen Pass, seinen Passersatz oder seinen Ausweisersatz und
2.
seinen Aufenthaltstitel oder eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung
auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Ein deutscher Staatsangehöriger, der zugleich eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, ist verpflichtet, seinen ausländischen Pass oder Passersatz auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, wenn
1.
ihm nach § 7 Absatz 1 des Passgesetzes der deutsche Pass versagt, nach § 8 des Passgesetzes der deutsche Pass entzogen worden ist oder gegen ihn eine Anordnung nach § 6 Absatz 7 des Personalausweisgesetzes ergangen ist, wenn Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer beabsichtigt, das Bundesgebiet zu verlassen oder
2.
die Voraussetzungen für eine Untersagung der Ausreise nach § 10 Absatz 1 des Passgesetzes vorliegen und die Vorlage, Aushändigung und vorübergehende Überlassung des ausländischen Passes oder Passersatzes zur Durchführung oder Sicherung des Ausreiseverbots erforderlich sind.

(2) Ein Ausländer, der einen Pass oder Passersatz weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann, genügt der Ausweispflicht mit der Bescheinigung über einen Aufenthaltstitel oder die Aussetzung der Abschiebung, wenn sie mit den Angaben zur Person und einem Lichtbild versehen und als Ausweisersatz bezeichnet ist.

(3) Besitzt der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden, sonstigen Unterlagen und Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Kommt der Ausländer seiner Verpflichtung nicht nach und bestehen tatsächliche Anhaltspunkte, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist, können er und die von ihm mitgeführten Sachen durchsucht werden. Der Ausländer hat die Maßnahme zu dulden.

(3a) Die Auswertung von Datenträgern ist nur zulässig, soweit dies für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat nach Maßgabe von Absatz 3 erforderlich ist und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass durch die Auswertung von Datenträgern allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. Der Ausländer hat die notwendigen Zugangsdaten für eine zulässige Auswertung von Datenträgern zur Verfügung zu stellen. Die Datenträger dürfen nur von einem Bediensteten ausgewertet werden, der die Befähigung zum Richteramt hat. Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch die Auswertung von Datenträgern erlangt werden, dürfen nicht verwertet werden. Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und Löschung ist aktenkundig zu machen.

(4) Wird nach § 5 Abs. 3 oder § 33 von der Erfüllung der Passpflicht (§ 3 Abs. 1) abgesehen, wird ein Ausweisersatz ausgestellt. Absatz 3 bleibt hiervon unberührt.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ausländer dürfen sich im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften politisch betätigen. Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie

1.
die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,
2.
den außenpolitischen Interessen oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen kann,
3.
gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unter Anwendung von Gewalt, verstößt oder
4.
bestimmt ist, Parteien, andere Vereinigungen, Einrichtungen oder Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets zu fördern, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind.

(2) Die politische Betätigung eines Ausländers wird untersagt, soweit sie

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder den kodifizierten Normen des Völkerrechts widerspricht,
2.
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange öffentlich unterstützt, befürwortet oder hervorzurufen bezweckt oder geeignet ist oder
3.
Vereinigungen, politische Bewegungen oder Gruppen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die im Bundesgebiet Anschläge gegen Personen oder Sachen oder außerhalb des Bundesgebiets Anschläge gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen veranlasst, befürwortet oder angedroht haben.

(1) Ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, wird ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.

(2) Bei der Abwägung nach Absatz 1 sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.

(3) Ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht oder der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, darf nur ausgewiesen werden, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist.

(3a) Ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, darf nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden.

(4) Ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, kann nur unter der Bedingung ausgewiesen werden, dass das Asylverfahren unanfechtbar ohne Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Zuerkennung internationalen Schutzes (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes) abgeschlossen wird. Von der Bedingung wird abgesehen, wenn

1.
ein Sachverhalt vorliegt, der nach Absatz 3a eine Ausweisung rechtfertigt oder
2.
eine nach den Vorschriften des Asylgesetzes erlassene Abschiebungsandrohung vollziehbar geworden ist.

(1) Ausländer dürfen sich im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften politisch betätigen. Die politische Betätigung eines Ausländers kann beschränkt oder untersagt werden, soweit sie

1.
die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,
2.
den außenpolitischen Interessen oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwiderlaufen kann,
3.
gegen die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere unter Anwendung von Gewalt, verstößt oder
4.
bestimmt ist, Parteien, andere Vereinigungen, Einrichtungen oder Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets zu fördern, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind.

(2) Die politische Betätigung eines Ausländers wird untersagt, soweit sie

1.
die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet oder den kodifizierten Normen des Völkerrechts widerspricht,
2.
Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser oder sonstiger Belange öffentlich unterstützt, befürwortet oder hervorzurufen bezweckt oder geeignet ist oder
3.
Vereinigungen, politische Bewegungen oder Gruppen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt, die im Bundesgebiet Anschläge gegen Personen oder Sachen oder außerhalb des Bundesgebiets Anschläge gegen Deutsche oder deutsche Einrichtungen veranlasst, befürwortet oder angedroht haben.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16. Januar 2004 - 1 K 560/02 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

 
Der am 10.12.1964 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er hält sich seit April 1987 in der Bundesrepublik Deutschland auf, wo er als Textilarbeiter erwerbstätig war. Am 10.6.1997 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt.
Am 22.3.1991 schloss der Kläger mit einer französischen Staatsangehörigen die Ehe. Aus dieser Ehe gingen ein (am 20.5.1991 geborener) Sohn und eine (am 3.12.1994 geborene) Tochter hervor. Die Ehefrau und die Kinder des Klägers leben inzwischen in Frankreich.
Der Kläger wurde im Jahr 1998 psychisch auffällig und ab September/Oktober 1998 gegen seine Ehefrau und gegen seine Kinder gewalttätig. Am 13.10.1998 schlug er sich nackt in der Garage mit einem Gürtel. Daraufhin erfolgte seine erste Einweisung in das Zentrum für Psychiatrie Reichenau, wo er in der Zeit vom 14.10.1998 bis zum 13.11.1998 stationär aufgenommen wurde. Aus dem Entlassbericht (vom 7.12.1998) ergibt sich die Abschlussdiagnose: „Akute psychogene Psychose mit paranoid-halluzinatorischer Ausprägung (ICD-9:298.4)“. In der Folgezeit wurde der Kläger medikamentös behandelt. Im November 1999 lehnte er eine weitere Medikation mit einem Neuroleptikum ab und setzte seine Medikamente ab, wodurch sich eine psychische Dekompensation anbahnte. Nachdem er in der Öffentlichkeit auffällig geworden war, indem er seine Ehefrau (auf einem Friedhof) misshandelt hatte, erfolgte sein zweiter stationärer Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie Reichenau in der Zeit vom 15.11.1999 bis zum 19.11.1999 (Abschlussdiagnose - gemäß Entlassbericht vom 25.11.1999 -: „Anpassungsstörung vorwiegend im Sozialverhalten [ICD-9 309.3] mit aggressivem Verhalten gegenüber der Ehefrau nach bekannter psychotischer Episode mit paranoid-halluzinatorischer Ausprägung im Oktober 1998“; als Differentialdiagnose wurde eine „gereizte manische Episode“ erwogen). Nachdem der Kläger am 20.11.1999 in der Schweiz einen Verkehrsunfall verursacht hatte, indem er ungebremst auf einen gut beleuchteten Anhänger aufgefahren war, erfolgte sein dritter stationärer Aufenthalt im Zentrum für Psychiatrie Reichenau in der Zeit vom 22.11.1999 bis zum 1.2.2000 (Abschlussdiagnose - gemäß Entlassbericht vom 14.2.2000 -: „Schizoaffektive Psychose, depressive Phase [ICD-10 F 25.1]“). Als Abschlussbefund wurde in dem Entlassbericht mitgeteilt: „Bewusstseinsklar und allseits orientiert, im Kontakt offen. Kein Anhalt für inhaltliche oder formale Denkstörungen. Einfach strukturiert, Auffassung ausreichend. Geringe Umstellfähigkeit, im sozialen Verhalten fordernd, oft ungeschickt wirkend. Affekt unausgeglichen, Stimmung depressiv, gereizt, z.T. gespannt, auch nachdenklich und ratlos. Er erscheint mit den Anforderungen des Alltagslebens rasch überfordert. Traditionell männliche Einstellung. Keine Suizidalität.“ Im Dezember 1999 wurde für den Kläger ein Betreuer bestellt (Aufgabenkreis: Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung).
Als der Kläger am 24.7.2000 mit seiner Ehefrau in der Küche beim Kaffeetrinken saß, zog er plötzlich und unvermittelt aus einem Messerblock ein großes, spitz zulaufendes Küchenmesser (Klingenlänge 19,7 cm, Breite 4 cm) und stach seiner Ehefrau zweimal wenigstens je ca. 15 cm und maximal je ca. 30 cm tief in den linken Ober- und den rechten Unterbauch, um sie in einem Wahn aus Eifersucht und Wut zu töten. Er lebte in der Wahnvorstellung, seine Frau betrüge ihn mit anderen Männern und sei für seinen psychischen Zustand verantwortlich, da sie ihn verhext habe. Nachdem die Ehefrau des Klägers bis zur Wohnungstür geflüchtet war, versetzte ihr der Kläger von hinten vier, mit großer Kraft geführte, ca. 15 cm tiefe Stiche in den Hals, wodurch die harte, knöcherne Halswirbelsäule erheblich verletzt wurde; es erfolgte eine weitgehende Durchtrennung des Halsmarkes sowie eine Speiseröhrenverletzung. Nach dem letzten Stich ließ der Kläger das Messer im Hals seiner Frau stecken und verließ die Wohnung. Gegenüber herbeigeeilten Nachbarinnen erklärte der Kläger: „Holet die Polizei, ich hab meine Frau tot gemacht“ und „Frau kaputt gemacht, Hure“. Durch die Tat erlitt die Ehefrau des Klägers schwerste Stichverletzungen im Hals- und Abdominalbereich. Die weitgehende Durchtrennung des Halsmarkes verursachte eine hohe Querschnittslähmung, welche nicht nur zu einer Lähmung aller vier Extremitäten (Tetraplegie) führte, sondern auch die Atemmuskulatur in Mitleidenschaft zog. Wäre das Helikopterrettungsteam, das die Ehefrau des Klägers in eine Klinik nach Zürich brachte, einige Minuten später eingetroffen, hätte sie wahrscheinlich nicht überlebt. Ihre Ernährung findet über eine Sonde direkt durch die Bauchwand in den Magen und die Beatmung größtenteils mit Hilfe eine Beatmungsgeräts über eine Trachealkanüle statt.
Diese Feststellungen des Geschehens ergeben sich aus dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 20.9.2001, mit dem die Maßregel der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde. Die Schwurgerichtskammer stellte fest, dass der Kläger im Zustand der Schuldunfähigkeit einen versuchten Totschlag in Tateinheit mit einer schweren Körperverletzung begangen hat. Der Kläger habe sich bei der Tatbegehung in einem Zustand befunden, in dem seine Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung, nämlich einer endogenen Psychose, aufgehoben gewesen sei. Dabei sei die endogene Psychose entweder als schizophrene Erkrankung oder als schizoaffektive Psychose einzuordnen. Die Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis zeichne sich bei dem genetisch vorbelasteten Kläger durch einen Eifersuchts- und Beeinträchtigungswahn aus. Ohne medikamentöse Behandlung leide der Kläger unter akustischen Halluzinationen in Form von kommentierenden und imperativen Stimmen. Ohne die gebotene stationäre psychiatrische Behandlung sei bei einem Wiederaufleben der Psychose mit einer weiteren aggressiven Entgleisung des Klägers und daher mit erheblichen rechtswidrigen Taten zu rechnen. Er sei damit als für die Allgemeinheit gefährlich im Sinne des § 63 StGB anzusehen. Günstig für den Kläger sei zwar zu werten, dass er sich unter der jeweils verordneten neuroleptischen Medikation schnell von seinen Wahnideen und Halluzinationen habe distanzieren können und die bei ihm diagnostizierte endogene Psychose zumindest eine gewisse Nähe zu den sogenannten schizoaffektiven Psychosen aufweise, bei denen eine signifikant günstigere Langzeitprognose als bei den übrigen Schizophrenien festzustellen sei. Im Ergebnis müsse die Langzeitprognose für den Kläger jedoch ungünstig ausfallen. Er zeige zwar eine gewisse Krankheitseinsicht, indem er eingestehe, unter einer Psychose zu leiden. Andererseits beteilige er sich in keiner Weise an seiner Behandlung im Zentrum für Psychiatrie Reichenau; es sei bisher lediglich seine medikamentöse Ruhigstellung gelungen. Die Allgemeingefährlichkeit des Klägers lasse sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt verneinen, dass sich die Anlasstat nur gegen eine bestimmte Person - seine Ehefrau - gerichtet habe. Es handle sich nämlich gerade nicht um eine reine Affekttat, die Tat sei vielmehr wahnhaft motiviert gewesen. Der Kläger habe in der Vergangenheit Veränderungen an sich wahrgenommen und sie auf die Annahme zurückgeführt, seine Frau habe ihn verhext. Der - vom Strafgericht beauftragte - Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass der Kläger im Rahmen eines - bei einer jetzigen Entlassung aus der stationären Behandlung sehr wahrscheinlichen - neuen Krankheitsschubes eine andere Bezugsperson für die Veränderungen an seiner Person verantwortlich machen werde und sich seine Aggressionen im folgenden dann gegen diese Person richten würden. In 85 bis 90 Prozent handle es sich bei diesen Personen um engste Familienangehörige, so dass vor allem die Familie des Klägers in Italien und seine Kinder in Frankreich in Betracht kämen. Für die zu treffende Prognose stelle es sich weiter als ungünstig dar, dass der Kläger seinen Wahn nicht als für ihn lebensbedrohlich empfunden habe. Unter diesem Gesichtspunkt komme den in ihrer Wucht mit Vernichtungswillen geführten Stichen in den Halsbereich der Verletzten für die Bewertung der künftigen Allgemeingefährlichkeit des Klägers eine signifikante Bedeutung zu. Der Kläger habe sich durch die Tötung seiner Ehefrau nicht einer in seinem Wahn als lebensbedrohlich eingestuften Situation erwehren, sondern vor allem seiner Ehefrau die Kränkung heimzahlen wollen, die sie ihm durch wahnhaft angenommene Intimverhältnisse zu anderen Männern zugefügt habe. Eine kritische Auseinandersetzung des Klägers mit seiner Tat sei nur eingeschränkt festzustellen.
Nach Anhörung wies das Regierungspräsidium Freiburg den Kläger mit Verfügung vom 7.3.2002 - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - aus dem Bundesgebiet aus und drohte seine Abschiebung nach Italien an, die nicht vor einem Monat nach Bekanntgabe der Verfügung erfolgen dürfe; zugleich wurde die Abschiebung aus dem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Diese Verfügung wurde im Wesentlichen damit begründet, es lägen die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG vor. Da der Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EG besitze, sei er den in § 48 Abs. 1 AuslG genannten Personen gleichgestellt. Sein Fehlverhalten stelle jedoch einen schwerwiegenden Ausweisungsgrund in dem dafür erforderlichen Sinne dar. Die Ausübung des Ermessens führe in seinem Fall zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausweisung und Entfernung aus dem Bundesgebiet sein persönliches Interesse an einem weiteren Verbleib oder einer erneuten Einreise als Tourist überwiege. Der in § 2 Abs. 2 AuslG geregelte Vorrang des Europäischen Gemeinschaftsrechts und das Aufenthaltsgesetz/EWG stünden der Ausweisung des Klägers nicht entgegen.
Der vom Kläger gegen diese Verfügung erhobenen Klage hat das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 16.1.2004 stattgegeben und die Verfügung vom 7.3.2002 aufgehoben. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Verfügung sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Zwar seien die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 AuslG erfüllt, da vom Kläger mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Gefahr ausgehe, dass er krankheitsbedingt erneut in einem erheblichen Maße gegenüber Dritten gewalttätig werde. Die vom Kläger ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass er auf Grund des Urteils des Landgerichts Waldshut-Tiengen in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wurde, da diese freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung die Möglichkeiten der Ordnungsbehörden nicht verdränge, den Betroffenen auszuweisen und somit die der Unterbringung zugrunde liegende Gefahr für die Allgemeinheit sowie die Verantwortlichkeit für deren Bekämpfung in den Heimatstaat des Ausländers zu verlagern. Allerdings stehe der Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über die Ausweisung des Klägers die Regelung des Art. 4 der Richtlinie 64/221/EWG entgegen. Die beim Kläger gegebene endogene Psychose sei eine Krankheit, die im Anhang  B der Richtlinie  aufgeführt sei. Diese Krankheit könne seine Ausweisung nicht mehr rechtfertigen, da sie lange nach der ersten Erteilung der Aufenthaltserlaubnis-EG an den Kläger aufgetreten sei. Dies schließe auch aus, ihn wegen der krankheitsbedingten Gefahr wahngesteuerter aggressiver Verhaltensweisen gegenüber Dritten auszuweisen. Denn den in Anhang B der Richtlinie 64/221/EWG genannten Krankheiten sei es immanent, dass sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht durch ihr bloßes Auftreten gefährden, sondern immer nur durch ein krankheitsbedingtes weiteres Verhalten des Betroffenen. Eine Ausweisung nach Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG sei zumindest in all den Fällen ausgeschlossen, in denen die vom Unionsbürger ausgehenden Gefahren ausschließlich auf seine Krankheit zurückgeführt werden können, weil die Handlungen - wie im Fall des Klägers - in einem solchen Maße durch die psychische Krankheit bedingt seien, dass es sogar an einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit für diese mangle. Die Regelung des Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG sei auch unmittelbar zugunsten des Klägers anwendbar, da es an der notwendigen fristgerechten und vollständigen Umsetzung der Regelung in das nationale Ausländerrecht fehle. Es werde offen gelassen, ob die Ausweisung des Klägers auch in formeller Hinsicht wegen des Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG rechtswidrig sei. Gerade der Fall des Klägers zeige, dass der Ausländerbehörde noch ein erheblicher Ermessensspielraum eingeräumt gewesen sei, der im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht vollständig überprüft werden könne. Da sich die Ausweisungsentscheidung als rechtswidrig darstelle, seien auch die Abschiebungsandrohung und die Abschiebungsanordnung aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht - durch den Berichterstatter - hat in diesem Urteil die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen. Die Frage nach der Ausschlusswirkung des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 64/221/EWG bei krankheitsbedingten Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit habe grundsätzliche Bedeutung.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 22.1.2004 zugestellt worden ist, hat der Beklagte am 17.2.2004 Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 12.3.2004, eingegangen am 16.3.2004, eine Begründung dazu vorgelegt.
10 
Der Beklagte trägt vor, die dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugrunde liegende Rechtsauffassung sei unzutreffend. Aus den Bestimmungen von Art. 4 Abs. 2 der RL 64/221/EWG, die mit § 12 Abs. 6 Satz 2 AufenthG/EWG in deutsches Recht umgesetzt worden seien, ergebe sich, dass die dort aufgeführten Krankheiten nicht mehr zur Grundlage einer auf Entfernung aus dem Bundesgebiet gerichteten ausländerrechtlichen Maßnahme gemacht werden könnten, wenn sie erst aufträten, nachdem der Ausländer die Erlaubnis für seinen Aufenthalt erhalten habe. Die Bestimmungen von Art. 4 Abs. 2 der RL 64/221/EWG und von § 12 Abs. 6 Satz 2 AufenthG/EWG schlössen jedoch nicht aus, dass Personen, die an den dort genannten Krankheiten leiden, aus anderen Gründen ausgewiesen werden könnten. Der Kläger sei nicht deshalb ausgewiesen worden, weil er an einer Psychose leide, sondern weil er einen versuchten Totschlag in Tateinheit mit einer schweren Körperverletzung begangen habe und die konkrete Gefahr bestehe, dass er auch in Zukunft Gewalttaten begehen werde.
11 
Der Beklagte beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.1.2004 - 1 K 560/02 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Der Kläger verweist auf die Gründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor: Das bloße Leiden an einer Krankheit allein könne niemals die öffentliche Sicherheit und Ordnung in einer Weise gefährden, die eine Ausweisung rechtfertige. Art. 4 der Richtlinie betreffe nur die Fälle, in denen die vom Ausländer ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar auf seine Krankheit zurückgeführt werden könnten. Dies sei hier eindeutig der Fall.
16 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Senat vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

 
17 
Die vom Beklagten eingelegte Berufung, die vom Verwaltungsgericht - durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) - zugelassen wurde, ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 2 und 3 VwGO sind erfüllt.
18 
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die angefochtene Ausweisungsverfügung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Die Ausweisung des Klägers erweist sich bei der - gleichsam auf einer ersten Stufe vorzunehmenden - rechtlichen Beurteilung nach nationalem deutschem Ausländerrecht  als rechtmäßig (dazu unter I.) und ist auch nach der - gleichsam auf einer zweiten Stufe vorzunehmenden - Prüfung der Vereinbarkeit dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit hier zu beachtendem Europäischem Gemeinschaftsrecht rechtlich nicht zu beanstanden (dazu unter II.)
20 
I. Für die rechtliche Beurteilung des Begehrens des Klägers auf Aufhebung einer Ausweisungsverfügung, die nach nationalem deutschem Ausländerrecht als rechtliche Folge sowohl die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts - durch Erlöschen einer Aufenthaltsgenehmigung und das Entstehen der Ausreisepflicht (vgl. §§ 44 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 1, 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG) - herbeiführt als auch ein Wiedereinreiseverbot enthält (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG), das auch gegenüber freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140 = NVwZ 2000, 688 = InfAuslR 2000, 176 = VBlBW 2000, 273), ist eine rechtliche Beurteilung gleichsam auf zwei Stufen vorzunehmen (sog. „Zwei-Stufen-Modell“, vgl. Alber/Schneider, DÖV 2004, 313, 315; dazu auch VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.4.2002 - 11 S 1823/01 -, InfAuslR 2002, 375 = EZAR 034 Nr. 13, und vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 - EZAR 034 Nr. 14). Dabei ist es zunächst ausschließlich – und unabhängig vom Europäischen Gemeinschaftsrecht – die Aufgabe der deutschen Gerichte, nach der hier geltenden (nationalen) Rechtsordnung die behördliche Eingriffsmaßnahme der Ausweisung auf ihre Rechtmäßigkeit nach deutschem Recht zu überprüfen und damit über den Rechtsschutz nach innerstaatlichem deutschem Recht zu entscheiden. Denn es unterliegt nicht der Prüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), über die Auslegung und Anwendung nationaler Vorschriften zu entscheiden (vgl. dazu u.a. EuGH, Urteil vom 29.4.2004 in den verbundenen Rechtssachen C-482/01 und C-493/01 , RdNr. 42). Nur für den Fall, dass im Rahmen einer Überprüfung nach deutschem Recht dem Begehren des Unionsbürgers nicht bereits entsprochen werden kann, muss eine Prüfung unter Beachtung der Regelungen des Gemeinschaftsrechts erfolgen, wobei zu prüfen ist, ob insoweit der Vorrang des Gemeinschaftsrechts eine andere rechtliche Beurteilung gebietet. Die europarechtliche Prüfung hat selbständig und unabhängig von der Systematik und den Vorgaben der nationalen Prüfungsebene (etwa: Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung) zu erfolgen. Diese differenzierte Beurteilung auf zwei Stufen ist im Fall eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers - wie hier des Klägers - angezeigt. Die Ausweisung regelt zwar nach dem differenzierten Regelungssystem des deutschen Ausländerrechts für sich genommen (noch) nicht unmittelbar eine zwangsweise Beendigung des Aufenthalts des davon betroffenen Ausländers. Vielmehr führt erst die Abschiebung (§ 49 AuslG), die unabhängig von der Ausweisung geregelt ist und der Vollstreckung der - durch die Ausweisung entstandenen - Ausreisepflicht dient, zur Entfernung des Ausländers aus dem deutschen Hoheitsgebiet. Unter Beachtung des Regelungszusammenhangs der insoweit maßgebenden Bestimmungen des deutschen Ausländerrechts ist jedoch davon auszugehen, dass bereits die Ausweisung unmittelbare Auswirkungen auf die Ausübung des aus der Freizügigkeit folgenden Rechts auf freie und ungehinderte Einreise und dementsprechenden Aufenthalt eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers hat.
21 
Im Fall des Klägers ist - nach deutschem Recht - das Regierungspräsidium Freiburg als zuständige Ausländerbehörde (§ 7 Abs. 1 AAZuVO) zu Recht davon ausgegangen, dass die §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG als erforderliche gesetzliche Grundlagen für die Ausweisung den Erlass dieser Maßnahme nach Ermessen ermöglicht haben. Zu dem für die gerichtliche Beurteilung insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des ausländerbehördlichen Verfahrens (s. dazu im Folgenden unter 1.) waren die tatbestandlichen Voraussetzungen für diese Eingriffsmaßnahme (s. dazu im Folgenden unter 2.) gegeben, und die Behörde hat sowohl beachtet, dass dem Kläger ein besonderer Schutz vor einer Ausweisung zukommt (s. dazu im Folgenden unter 3.), als auch das ihr eröffnete Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (s. dazu im Folgenden unter 4.).
22 
1. Für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisungsverfügung ist nach innerstaatlichem deutschem Recht grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 17.11.1994 - 1 B 224.94 -, InfAuslR 1995, 150; vom 17.1.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 - ; vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288, vom 18.9.2001 - 1 C 17.00 -, NVwZ 2002, 339, und vom 8.1.2003 - 1 B 253.02 -; Urteile vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249, und - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296 und vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; sowie VGH Bad.-Württ., Urteile vom 4.12.1996  -  11 S 2511/96 -,  vom  28.7.1999 - 11 S 2387/98 -, vom 19.4.2000 - 11 S
23 
1387/99 -, VBlBW 2001, 25, vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 - und vom 27.1.2004 -10 S 1610/03 -). Dies gilt unabhängig davon, dass die Gerichte Erkenntnismittel auswerten dürfen, die nach Erlass des letzten Behördenbescheides entstanden sind, wenn ihnen Anhaltspunkte für die Richtigkeit oder auch für die Unrichtigkeit der im Zeitpunkt dieser Entscheidung getroffenen Einschätzung entnommen werden können (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; Be-schlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 129.96 -, AuAS 1997, 218; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 - und vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288).
24 
2. Als Maßnahme, die in den Rechtskreis des betroffenen Ausländers belastend eingreift, bedarf die Ausweisung nach geltendem deutschem Recht - unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes, der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) seine Grundlage hat - einer gesetzlichen Grundlage. Die insoweit erforderlichen gesetzlichen Grundlagen für eine Ausweisung sind in den §§ 45 ff AuslG in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise geregelt und im Geltungsbereich des Grundgesetzes von den Behörden und Gerichten auch in Bezug auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger zu beachten, da es im Recht der Europäischen Gemeinschaften keine Rechtsgrundlage für den Erlass einer Ausweisung gibt (vgl. dazu VGH Bad.-Württ.,  Urteil vom 17.4.2002 - 11 S 1823/01 -, InfAuslR 2002, 375 = EZAR 034 Nr. 13). Die Ausweisung - als eine ausschließlich im nationalen Recht angelegte Maßnahme - muss vielmehr nur in Bezug auf die damit eintretende Beschränkung des aus der Freizügigkeit folgenden Aufenthaltsrechts den Anforderungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts entsprechen (s. dazu unter II.). Dementsprechend regelt auch das - derzeit noch geltende - (deutsche) Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Aufenthaltsgesetz/EWG - AufenthG/EWG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.1.1980, BGBl. I S. 116 - mit Änderungen -), durch das die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964 S. 850 - im Folgenden: RL 64/221/EWG), in geltendes deutsches Recht umgesetzt worden ist, keine tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Ausweisungsverfügung gegen Personen, die unter dieses Gesetz fallen, sondern setzt die Möglichkeit des rechtmäßigen Erlasses einer solchen Verfügung nach deutschem Recht voraus und regelt (nur) die - aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht folgenden - Voraussetzungen für die Einschränkung der Freizügigkeit.
25 
Im Fall des Klägers wurde die Ausweisung nach nationalem Recht zutreffend auf der rechtlichen Grundlage der §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG verfügt.
26 
§ 45 Abs. 1 AuslG - als die Grundnorm für alle Formen der Ausweisung - regelt, dass ein Ausländer ausgewiesen werden kann, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Gemäß § 46 Nr. 2 AuslG kann ein Ausländer nach § 45 Abs. 1 AuslG insbesondere ausgewiesen werden, wenn er - soweit hier maßgeblich - einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Diese tatbestandliche Voraussetzung hat der Kläger erfüllt, da er durch seine Tat (versuchter Totschlag in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung) einen schweren Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung in hohem Maße beeinträchtigt hat. Es kommt für die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen nicht darauf an, dass der Kläger wegen dieser Tat strafrechtlich mangels Schuldfähigkeit nicht bestraft wurde. Denn die Ausweisung ist keine (weitere) Strafe, sondern ausschließlich eine ordnungsrechtliche Maßnahme, die der Abwehr und Bekämpfung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dient.
27 
Zum Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit der angefochtenen Verfügung - durch ihre Bekanntgabe an den Kläger am 11.3.2002 - bestanden keine rechtserheblichen Bedenken gegen die Annahme, dass vom Kläger Gefahren für die Allgemeinheit ausgingen, die ein ausländerrechtliches Einschreiten geboten haben. Wie sich aus den Feststellungen des Landgerichts Waldshut-Tiengen im Urteil vom 20.9.2001 ergibt, mit dem die Maßregel der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, war der Kläger als für die Allgemeinheit gefährlich (im Sinne des § 63 StGB) anzusehen. Es bestanden insoweit in seinem Fall keine rechtserheblichen Unterschiede in der Beurteilung der Sachlage in Bezug auf die durch das Strafgericht als freiheitsentziehende Maßregel angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in Bezug auf die durch die Ausländerbehörde verfügte - nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen grundsätzlich unterschiedlich zu beurteilende - ordnungsrechtliche Maßnahme der Ausweisung. Die vom Kläger ausgehenden Gefahren waren - und sind - auch nicht etwa wegen seiner Unterbringung entfallen, zumal da mit dieser Maßregel kein auf Dauer angelegter stationärer Aufenthalt unter medizinischer Überwachung verbunden ist (vgl. dazu auch § 67e StGB) und die unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten zu treffende Prognose auch den Fall der Beendigung der Unterbringung berücksichtigen muss. Insoweit ist die Situation mit der tatsächlichen Lage im Fall der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe vergleichbar. Wie sich im Übrigen aus der - vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegten - Stellungnahme vom 13.7.2004 des Zentrums für Psychiatrie, in dem der Kläger untergebracht ist, ergibt, halten es die ihn behandelnden Ärzte ersichtlich wegen der von ihm noch immer ausgehenden Gefahren für erforderlich, dass er im Maßregelvollzug verbleibt, bis ein - bisher aus ärztlicher Sicht (noch) nicht gewährleisteter - sozialer  Empfangsraum für ihn vorhanden ist.
28 
3. Die Ausländerbehörde hat auch zu Recht berücksichtigt, dass dem Kläger nach nationalem deutschem Recht ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG zugute kommt, da ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt wurde. Dieser Ausweisungsschutz entspricht inhaltlich der Schutznorm des § 48 Abs. 1 AuslG. Nach der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG, die über die Vorgaben durch die RL 64/221/EWG hinaus eine weitere innerstaatlich beachtliche Ausweisungsschranke enthält, darf der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausgewiesen werden. Solche Gründe liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Bei einer Ausweisung zu spezialpräventiven Zwecken - wie im Fall des Klägers - ist ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht erforderlich, was sich bei Straftaten insbesondere aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergibt. Zum anderen müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Straftaten des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.6.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, und vom 26.2.2002 - 1 C 21.00 -, BVerwGE 116, 55 = NVwZ 2002, 1512). Die Behörde und das Verwaltungsgericht sind zu Recht davon ausgegangen, dass der Ausweisungsschutz des § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG der Ausweisung des Klägers nicht entgegensteht, da in seinem Fall angesichts der erheblichen Gefahren, die von ihm - auch weiterhin - ausgehen, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in dem hier maßgeblichen Sinne vorliegen. Dies ergibt sich besonders daraus, dass er durch sein - wenngleich strafrechtlich schuldloses - Verhalten einen Anlass von außerordentlichem Gewicht für ein Einschreiten zur Gefahrenabwehr geschaffen hat, indem er seine Ehefrau töten wollte und durch sein entsprechendes Vorgehen ihr Leben in höchstem Maße gefährdet und ihr schwerste Verletzungen zugefügt hat, die auf Dauer in außerordentlich schwerwiegender Weise ihre Gesundheit beeinträchtigen werden. Die Gefahr der Wiederholung eines solchen Verhaltens ist auch nicht deshalb entfallen oder von geringerem Gewicht, weil die Ehefrau und die Kinder des Klägers sich derzeit in Frankreich aufhalten. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen in dem beim Landgericht Waldshut-Tiengen anhängig gewesenen Verfahren besteht die Gefahr, dass der Kläger beim Auftreten eines neuen Krankheitsschubes eine andere Bezugsperson für die Veränderungen an seiner Person verantwortlich macht und sich seine Aggressionen dann gegen diese Person richten können.
29 
4. Die Ermessensausübung des Regierungspräsidiums ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Behörde hat dem öffentlichen Interesse an einer Entfernung des Klägers aus dem Bundesgebiet und der Verhinderung seiner Wiedereinreise wegen der von ihm ausgehenden Gefahren ohne Rechtsfehler Vorrang vor seinem entgegenstehenden privaten Interesse eingeräumt. Auch unter Beachtung der nach § 45 Abs. 2 AuslG zu berücksichtigenden Gesichtspunkte erweist sich die behördliche Entscheidung als rechtsfehlerfrei. Die Ausweisung des Klägers ist auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Dabei ist zu beachten, dass sich allein aus der Dauer des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 1 AuslG) seit dem Jahr 1987, während der er keine besonderen Beziehungen oder Bindungen zu Deutschland geschaffen hat, keine schutzwürdige aufenthaltsrechtliche Position ergibt, deren Beendigung unter Beachtung seiner hohen Gefährlichkeit außer Verhältnis zu dem mit der Ausweisung verfolgten Zweck der Abwehr weiterer vom Kläger drohender Gefahren steht. Den in § 45 Abs. 2 Nr. 2 AuslG genannten Gesichtspunkten - der Berücksichtigung der Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben - kommt im Fall des Klägers keine ausschlaggebende Rolle zu, da seine unmittelbaren Familienangehörigen (seine Ehefrau und seine beiden Kinder) sich nicht mehr in Deutschland aufhalten und seine weiteren Verwandten ebenfalls im Ausland leben. Die Ausweisung erscheint auch nicht deshalb rechtlich fehlerhaft, weil etwa ein in § 55 Abs. 2 AuslG genannter Duldungsgrund zu beachten gewesen wäre (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG).
30 
II. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung  des Klägers auch als vereinbar mit Europäischem Gemeinschaftsrecht.
31 
1. Der Kläger besitzt als italienischer Staatsangehöriger die Unionsbürgerschaft und hat daher die im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (in der konsolidierten Fassung durch den Vertrag von Amsterdam - im Folgenden: EG) vorgesehenen Rechte und Pflichten (Art. 17 EG). Dementsprechend hat er das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen aufzuhalten (Art. 18 Abs. 1 EG). Als (Wander-)Arbeitnehmer steht ihm zudem Freizügigkeit nach Art. 39 Abs. 1 EG zu, die ihm ein Aufenthaltsrecht vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen gibt (vgl. Art. 39 Abs. 3 EG). Seine Rechtsstellung zur Inanspruchnahme der Arbeitnehmerfreizügigkeit hat der Kläger bereits durch den Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis-EG nachgewiesen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288 = InfAuslR 2001, 312).  Anhaltspunkte dafür, dass diese Arbeitnehmer-Freizügigkeit durch endgültiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt erloschen wäre, sind nicht ersichtlich.
32 
2. Die im vorliegenden Fall zu beachtenden Beschränkungen der Freizügigkeit und des daraus folgenden Aufenthaltsrechts ergeben sich unter Berücksichtigung der in der hier maßgeblichen Durchführungsvorschrift (RL 64/221/EWG) vorgegebenen Schranken. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Richtlinie grundsätzlich (nur) für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt (vgl. Art. 249 Abs. 3 EG). Daher wird den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum zur Umsetzung eröffnet; der Einzelne kann sich grundsätzlich nicht unmittelbar auf die Regelungen einer Richtlinie berufen. Lediglich ausnahmsweise ist eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien dann anerkannt, wenn die Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, nicht fristgemäß oder inhaltlich nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurden (vgl. dazu Nettesheim in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Komm. zu Art. 249 EG, RdNr. 155 ff mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
33 
3. Die Ausweisung des Klägers ist als eine Beschränkung seiner Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung (im Sinne von Art. 39 Abs. 3 EG) gerechtfertigt.
34 
a) Im Fall des Klägers ist die Einschränkung seiner Freizügigkeit und seines daraus folgenden Aufenthaltsrechts durch die Ausweisung nicht unmittelbar an den - die Vorbehalte des Art. 39 Abs. 3 EG konkretisierenden - Bestimmungen der RL 64/221/EWG zu messen, sondern vorrangig nach den Regelungen in § 12 AufenthG/EWG zu beurteilen, die inhaltlich mit den Vorgaben der RL 64/221/EWG in Einklang stehen. Mit der gesetzlichen Vorschrift des § 12 AufenthG/EWG wurde die RL 64/221/EWG, soweit sie im vorliegenden Fall maßgeblich ist, ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt.
35 
b) Die Ausweisung des Klägers, dem in Deutschland als Arbeitnehmer Freizügigkeit gewährt wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG/EWG), ist unter Beachtung der rechtlichen Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG/EWG aus Gründen der öffentlichen Ordnung rechtmäßig verfügt worden. Insoweit ist zu beachten, dass die durch die Ausweisung eintretende Beschränkung der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts als Ausnahme von dieser gemeinschaftsrechtlichen Freiheit eng auszulegen und - unter Beachtung der Vorgaben aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht - nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie ausschließlich auf das persönliche Verhalten des Betroffenen gestützt ist und eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. u.a. EuGH, Urteile vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 - , Slg. 1977, 1999, und vom 29.4.2004 - verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 ).  Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers erfüllt. Die Beschränkung seiner Freizügigkeit erfolgt ausschließlich auf Grund seines eigenen Verhaltens, mit dem er in äußerst schwer wiegender Weise ein Grundinteresse der Gesellschaft verletzt hat, indem er einen anderen Menschen durch mehrere Messerstiche töten wollte und ihm dabei schwerste Verletzungen zugefügt hat, die das Opfer seiner Tat  lebenslang in schwerster Weise behindern werden. Auch im Bereich des Europäischen Gemeinschaftsrechts kommt es im Zusammenhang mit einer Beendigung des Aufenthalts eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers aus Gründen der öffentlichen Ordnung nicht darauf an, ob er strafrechtlich wegen seines Verhaltens zur Rechenschaft gezogen werden kann oder ob wegen Schuldunfähigkeit eine Bestrafung nicht erfolgen kann. Denn insoweit ist - wie im innerstaatlichen deutschen Recht - der Eingriff zur Abwehr von Gefahren gerechtfertigt, die von dem Betroffenen ausgehen. Diesen Anforderungen entspricht die Ausweisung des Klägers. In seinem Fall besteht auch eine hohe Gefahr der erneuten Begehung entsprechender Taten, da - wie in dem gerichtlichen Verfahren festgestellt wurde, in dem seine Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erfolgte - keine günstige Langzeitprognose möglich ist, der Kläger sich in keiner Weise an seiner Behandlung beteiligt und von ihm auch künftig eine Allgemeingefährlichkeit - insbesondere für jeweilige Bezugspersonen - ausgeht.
36 
c) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass etwa zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung des Senats eine Änderung in der Beurteilung der Gefährlichkeit des Klägers eingetreten wäre. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass in Anbetracht der Zeit zwischen dem Eintritt der Wirksamkeit der Ausweisung (11.3.2002) und dem Zeitpunkt der heutigen Entscheidung des Senats (21.7.2004) ein „längerer Zeitraum“ (im Sinne des Entscheidungssatzes Nr. 3 des Urteils des EuGH vom 29.4.2004, a.a.O.) vergangen ist und daher eine nachträgliche Veränderung der Sachlage zu berücksichtigen wäre, die nach der letzten Behördenentscheidung - zu Gunsten wie zu Lasten des Klägers - eingetreten wäre. Dies kann zu einer Änderung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts aus Gründen des Europäischen Gemeinschaftsrechts führen (vgl. EuGH, Urteil vom 29.4.2004, a.a.O.). Ob einer nachträglichen, für den ausgewiesenen Ausländer günstigen Veränderung der Sachlage dadurch Rechnung getragen wird, dass die Ausweisung ab dem Zeitpunkt des Wegfalls oder der nicht unerheblichen Verminderung der europarechtlich erforderlichen Gefährdungslage aufgehoben oder aber - gemäß dem System des nationalen deutschen Ausländerrechts - auf diesen Zeitpunkt (gegebenenfalls auch rückwirkend) nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG befristet wird, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn im Fall des Klägers ist nichts dafür ersichtlich, dass etwa zwischenzeitlich ein Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefahr eingetreten ist. Insoweit ergibt sich vielmehr aus der - genannten - Stellungnahme vom 13.7.2004 des psychiatrischen Krankenhauses, in dem der Kläger noch immer untergebracht ist, dass er nach wie vor gefährlich ist.
37 
4. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung des Klägers auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig, weil sie mit Art. 4 der RL 64/221/EWG nicht vereinbar wäre.
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Regelung des Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG sei unmittelbar zugunsten des Klägers anwendbar, da es - jedenfalls im konkreten Fall des Klägers - an der notwendigen fristgerechten und vollständigen Umsetzung der Regelung in das nationale Ausländerrecht fehle. Die deutsche Regelung entspreche nicht der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung des Art. 4 RL 64/221/EWG. Im deutschen Recht sei die Möglichkeit einer aufenthaltsbeschränkenden Regelung bei Vorliegen der in § 12 Abs. 6 Satz 1 AufenthG/EWG genannten Krankheiten „zum Schutz der öffentlichen Gesundheit“ eröffnet und die in Satz 2 festgelegte Einschränkung - durch die Bezugnahme auf Satz 1 - sei auch nur auf Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit bezogen, obwohl die ihr zugrunde liegende Norm des Art. 4 RL 64/221/EWG bei der Aufzählung der Krankheiten und Gebrechen im Anhang zu der Richtlinie ausdrücklich zwischen Krankheiten differenziere, die die öffentliche Gesundheit gefährden und solchen, die die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden können. Damit entnimmt das Verwaltungsgericht der Regelung in Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG ein allgemeines Ausweisungsverbot für alle Fälle, in denen Krankheiten nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis-EG auftreten und in denen der Kranke über das „Auftreten“ der Krankheit hinaus die öffentliche Ordnung konkret und schwerwiegend gefährdet. Dies ist nicht gerechtfertigt. Die rechtlichen und praktischen Konsequenzen, die sich aus dieser Auslegung ergeben würden (z.B. das Verbot der Ausweisung eines Alkohol- oder Drogenabhängigen - und damit Suchtkranken - ungeachtet von ihm im Rahmen der Beschaffungskriminalität begangener Straftaten oder eines geisteskranken Terroristen, falls dem Freizügigkeitsberechtigten bereits eine Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt wurde), sind durch das Europäische Gemeinschaftsrecht nicht geboten.
39 
b) Die Regelungen der Richtlinie 64/221/EWG sind auch in Bezug auf Art. 4 dieser Richtlinie ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt worden und stehen einer Ausweisung des Klägers nicht entgegen.
40 
aa) Die Richtlinie, die aus dem Jahr 1964 stammt und an die Mitgliedstaaten gerichtet war, sieht in Art. 4 die Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit und des daraus folgenden Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Gesundheit wie folgt vor:
41 
 „(1) Als Krankheiten oder Gebrechen, die eine Verweigerung der Einreise oder der ersten Aufenthaltserlaubnis rechtfertigen, gelten nur diejenigen, die im Anhang aufgeführt sind.
42 
(2) Das Auftreten von Krankheiten oder Gebrechen nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis kann die Verweigerung einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet nicht rechtfertigen.“
43 
Dazu enthält der Anhang folgende Liste der Krankheiten bzw. Krankheitsgruppen, die als Grund für eine Maßnahme nach Art. 4 Abs. 1 RL 64/221/EWG in Frage kommen:
44 
„A. Krankheiten, welche die öffentliche Gesundheit gefährden können:
45 
1.    quarantänepflichtige Krankheiten,...
46 
2.    Tuberkulose ....
47 
3.    Syphilis;
48 
4.    andere ansteckende oder übertragbare parasitäre Krankheiten und Leiden, ...
49 
B. Krankheiten und Gebrechen, welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können:
50 
1.    Suchtkrankheiten;
51 
2. schwere geistige und seelische Störungen; offensichtliche Psychosen mit Erregungszuständen, Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschungen und mit Verwirrungszuständen.“
52 
Die (seit 1.1.2001 geänderte) gesetzliche Regelung des § 12 Abs. 6 AufenthG/EWG entspricht den Vorgaben des Art. 4 der RL 64/221/EWG. Die Bestimmung des § 12 Abs. 6 AufenthG/EWG hat folgenden Wortlaut:
53 
„Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit dürfen die in Absatz 1 genannten Entscheidungen oder Maßnahmen nur getroffen werden, wenn der Ausländer
54 
1.    an einer Krankheit im Sinne von § 6 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) leidet oder mit einem Krankheitserreger im Sinne von § 7 des Infektionsschutzgesetzes infiziert ist, oder
55 
2.    an Suchtkrankheiten, schweren geistigen oder seelischen Störungen, manifesten Psychosen mit Erregungszuständen, Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschungen mit Verwirrungszuständen leidet.
56 
Tritt die Krankheit oder das Gebrechen erst nach der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis-EG auf, so kann dies die Versagung der Verlängerung oder die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis-EG, die Ausweisung oder Abschiebung nicht begründen.“
57 
bb) Die Regelungen der RL 64/221/EWG konkretisieren die Vorgaben, die - soweit hier maßgeblich - in Art. 39 Abs. 3 EG als Vorbehalte für die Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ausdrücklich aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit als gerechtfertigt anerkannt werden. Dabei ist danach zu unterscheiden, aus welchem dieser Gründe die Beschränkung erfolgt. Dementsprechend sind die Gründe der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit von den Gründen der öffentlichen Gesundheit (d.h. der Volksgesundheit, vgl. dazu auch die Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 25.5.2004 in der Rs. C-275/02, RdNr. 30) zu unterscheiden. Dem trägt auch die RL 64/221/EWG Rechnung. Die Regelungen in Art. 4 RL 64/221/EWG lassen erkennen, dass eine Beschränkung der Freizügigkeit eines Unionsbürgers, die ausschließlich wegen gesundheitlicher Gründe - d.h. wenn eine der Krankheiten vorliegt, die im Anhang zu der Richtlinie aufgeführt sind (vgl. Art. 4 Abs. 1 RL 64/221/EWG) - erfolgt, nur vor einem Aufenthalt (durch Verweigerung der Einreise) oder zu Beginn des Aufenthalts in dem Aufnahmemitgliedstaat (durch Verweigerung der ersten Aufenthaltserlaubnis, über die spätestens innerhalb von 6 Monaten nach Antragstellung entschieden werden muss, vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der RL 64/221/EWG) als gerechtfertigt angesehen wird. Damit kommt deutlich zum Ausdruck, dass nicht eine konkrete Gefahrenlage in gesundheitlicher Hinsicht, sondern - zum einen - eine Belastung des Gesundheitswesens des Aufnahmemitgliedstaats und - zum anderen - zugleich eine abstrakte Gefährdung durch eine dieser Krankheiten vermieden werden soll. Dafür spricht auch der Wortlaut des Anhangs zu der RL 64/221/EWG, da dort die Krankheiten aufgeführt sind, welche die öffentliche Gesundheit (unter A.) oder die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (unter B.) gefährden können. Insoweit ist auch die (letzte) Begründungserwägung zur RL 64/221/EWG aufschlussreich; dort heißt es: „Eine Aufzählung der Krankheiten und Gebrechen, die die öffentliche Gesundheit, Ordnung und Sicherheit gefährden können, hätte wenig praktischen Wert und wäre kaum erschöpfend, und es genügt, diese Leiden nach Gruppen zu ordnen“. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass mit der gruppenweisen Aufzählung der Krankheiten für die Mitgliedstaaten lediglich die - sehr eingeschränkte - Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit wegen der abstrakten Gefährdungen, die durch die aufgeführten Krankheiten eintreten können, eröffnet werden sollte.
58 
Aus der Unterscheidung - A. und B. - im Anhang zur RL 64/221/EWG ergibt sich nicht etwa eine inhaltliche Differenzierung dahingehend, dass bei Vorliegen einer der Krankheiten oder Gebrechen, „welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können“, generell - und ungeachtet des Vorliegens eines sonstigen Grundes, der eine Beschränkung der Freizügigkeit rechtfertigt - im Blick auf die Regelung in Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis eine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nicht mehr möglich sein soll. Aus dem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit Art. 3 der RL 64/221/EWG ergibt sich vielmehr, dass eine Beendigung des Aufenthalts nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis allein aus Gründen der Gesundheit nicht mehr möglich ist, dass jedoch eine entsprechende Beschränkung der Freizügigkeit (z.B. durch eine Ausweisung) aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit des Mitgliedstaats durchaus noch gerechtfertigt sein kann. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass für eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung eine abstrakte Gefährdung nicht ausreicht, sondern eine erhebliche konkrete (gegenwärtige) Gefahr durch das persönliche Verhalten des Betroffenen vorliegen muss, d.h. eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Abwehr weiterer von dem Ausländer drohender Gefährdungen berührt. Dies kommt auch in der (nicht datierten) Mitteilung der Europäischen Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament zu den Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (dort unter Nr. 3.1.3) zum Ausdruck. Danach schränkt Art. 4 der RL 64/221/EWG (nur) „die Möglichkeit ein, eine Maßnahme aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zu treffen“.
59 
Für eine solche Auslegung spricht weiter die - bereits am 1.5.2004 in Kraft getretene, jedoch erst innerhalb von zwei Jahren umzusetzende - Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (ABl. L 158 S. 77), mit der die Ausübung des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts erleichtert (vgl. dazu die Begründungserwägung [4]) und eine genauere Definition der Umstände und Verfahrensgarantien sichergestellt  werden soll, unter denen Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen die Erlaubnis zur Einreise verweigert werden kann und unter denen sie ausgewiesen werden können (vgl. dazu die Begründungserwägung [22]). In Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie wird darauf abgestellt, dass „als Krankheiten, die eine die Freizügigkeit beschränkende Maßnahme rechtfertigen“, „ausschließlich“ Krankheiten „mit epidemischem Potenzial“ und „sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten“ gelten. In Abs. 2 dieser Richtlinie ist geregelt, dass Krankheiten, die nach Ablauf einer Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreise eintreten, keinen Ausweisungsgrund darstellen. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass eine Beschränkung der Freizügigkeit ausschließlich aus Gründen der öffentlichen Gesundheit nur in sehr eingeschränktem Maße zulässig sein soll; damit ist aber nichts darüber gesagt, dass etwa deshalb eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nach Ablauf dieser Frist ausgeschlossen sein soll, wenn durch ein - krankheitsbedingtes - persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr eingetreten oder zu erwarten ist, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. dazu Art. 27 Abs. 2 der genannten Richtlinie).
60 
cc) Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung des Klägers ausdrücklich nicht auf Gründe der Gesundheit, sondern auf Gründe der öffentlichen Ordnung gestützt und dies in der Begründung der angefochtenen Verfügung zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Bedeutung der Begründung einer Entscheidung über die Beschränkung der Freizügigkeit auch Art. 6 der RL 64/221/EWG). Diese Gründe rechtfertigen - wie ausgeführt - die Ausweisung. Insbesondere ist zu beachten, dass das Regierungspräsidium nicht etwa nach dem ersten Auftreten der Krankheit des Klägers und seiner Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus bereits die Beendigung seines Aufenthalts - aus Gründen der Gesundheit - verfügt hat, sondern erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger ein erhebliches gefährliches Verhalten gezeigt hat, die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung angeordnet hat.
61 
5. Die Ausweisung des Klägers verstößt auch nicht gegen Verfahrensgarantien des Europäischen Gemeinschaftsrechts.
62 
 
63 
a) Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG deshalb vorliege, weil das Regierungspräsidium die angefochtene Verfügung erlassen hat und nach innerstaatlichem deutschem Recht - hier: in Baden-Württemberg - gegen diese Verfügung kein Widerspruchsverfahren stattfindet (vgl. § 6a [bad.-württ.] AGVwGO), dem Betroffenen vielmehr unmittelbar die Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichts im Wege der Anfechtungsklage eröffnet ist. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 29.4.2004 (verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 , a.a.O.) bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte gewährte Rechtsschutz den Anforderungen dieser Richtlinie genügt.
64 
b) Zwar hat der EuGH in dem Urteil vom 29.4.2004 (a.a.O.) zur Erfüllung der Voraussetzungen in Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG - nämlich dass die Rechtsmittel nicht nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen - eine „umfassende materiell-rechtliche Prüfung“ nicht als ausreichend angesehen (RdNr. 109 des Urteils). Vielmehr verlangt der EuGH hierfür zusätzlich eine erschöpfende Prüfung (bzw. Entscheidung) in Bezug auf die „Zweckmäßigkeit“ der Ausweisung im Hinblick auf die Erfordernisse eines hinreichend effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. RdNr. 110 des Urteils). Um den Inhalt dieses Begriffs der „Zweckmäßigkeit“ zu bestimmen, ist jedoch nicht vom deutschen Rechtsverständnis dieses Begriffs (etwa im Zusammenhang mit der Zweckmäßigkeits-Kontrolle im Widerspruchsverfahren, vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO) auszugehen, sondern davon, welcher Bereich außer der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ zur Gewährleistung des (vom EuGH geforderten) „effektiven gerichtlichen Schutzes“ Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein muss. Daher ist zunächst zu untersuchen, was der EuGH unter einer „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ versteht. Auch dabei ist nicht vom deutschen Rechtsverständnis auszugehen, sondern – ausgehend von dem auf einem europäischen Mindestkonsens beruhenden Begriffsniveau - von der Vorstellung einer zwar vertieften, aber doch auf die Übereinstimmung mit dem materiellen Gesetz (d.h. der Eingriffsnorm; unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes) beschränkten Kontrolle, wie sich dies auch aus der französischen Übersetzung der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ („ vérification approfondie du droit matériel “, RdNr. 109 des Urteils) ersehen lässt. Die Bedeutung des Begriffs der „Zweckmäßigkeit“ in dem hier maßgeblichen Sinne ist demnach unter Abgrenzung gegenüber diesem Begriffsinhalt der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ aus dem Normgefüge und -verständnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts nach Sinn und Zweck der Regelung in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zu bestimmen. Um den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, der vom EuGH - insbesondere zur Garantie des „effet utile“ (der praktischen Wirksamkeit) des EG-Rechts - zu Recht gefordert wird, ist als eine „erschöpfende“ (= uneingeschränkte) Prüfung einer Ausweisung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der „Zweckmäßigkeit“ im gemeinschaftsrechtlichen Sinn eine umfassende inhaltliche (Rechts-) Kontrolle der Maßnahme in Bezug auf ihre (rechtliche) Übereinstimmung mit dem Zweck der Norm zu verstehen. Zwar hat der EuGH in dem Urteil vom 29.4.2004 (a.a.O.) insoweit das dafür maßgebliche Prüfprogramm nicht aufgeführt. Jedoch lässt sich aus den Anforderungen, die der EuGH im Entscheidungssatz 5 dieses Urteils für die gemeinschaftsrechtliche Unbedenklichkeit einer Ausweisung aufgeführt hat, ersehen, welche Kriterien für die Prüfung der „Zweckmäßigkeit“ maßgeblich sein sollen. Der EuGH hat an dieser Stelle entschieden, dass Art. 39 EG und die RL 64/221/EWG der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der wegen bestimmter Delikte zu einer bestimmten Strafe verurteilt worden ist und der einerseits eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt und sich andererseits seit vielen Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat und sich gegenüber dieser Ausweisung auf Umstände familiärer Art berufen kann, nicht entgegen stehen, sofern die von den innerstaatlichen Behörden im Einzelfall vorgenommene Beurteilung der Frage, wo der angemessene Ausgleich zwischen den betroffenen berechtigten Interessen liegt, „unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere unter Wahrung der Grundrechte wie desjenigen auf Schutz des Familienlebens erfolgt“. Daraus ergibt sich, dass im Fall der Ausweisung und anderer aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger eine strenge rechtliche Prüfung anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (in seinen Ausprägungen der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit des Ausgleichs zwischen den betroffenen öffentlichen und privaten Interessen [sog. Mittel-Zweck-Relation]) sowie anhand der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte stattfinden muss, wobei auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen ist (zu den einzelnen Kriterien vgl. insbesondere die Begründung in RdNrn. 95 – 99 des Urteils). Hingegen verlangt der EuGH nicht, dass eine Ausweisung ausschließlich nach Ermessen erfolgen darf. Dies folgt auch deutlich aus der französischen Fassung des Urteils. Darin wird der deutsche Rechtsbegriff der „Zweckmäßigkeit“ mit „opportunité“ übersetzt (vgl. RdNr. 110), während in der französischen Rechtssprache Ermessen „pouvoir discrétionnaire“ und freies Ermessen „pouvoir discrétionnaire libre“ bedeutet (vgl. Doucet/Fleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, 1977, Band 2, S. 130 z. Stichwort Ermessen/Verwaltungsermessen).
65 
Die demnach vom EuGH geforderte rechtliche Prüfungsdichte ist in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang garantiert. Wie der Senat bereits in dem (rechtskräftigen) Urteil vom 28.11.2002 – 11 S 1270/02 – (EZAR 034 Nr. 14 = VBlBW 2003, 289 [Ls]) ausgeführt hat, unterliegt die erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer Ausweisung im jeweiligen Einzelfall keiner prozessualen Beschränkung; die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung wird in vollem Umfang geprüft und der maßgebliche Sachverhalt von Amts wegen aufgeklärt (s. UA S. 31 ff). Alle Umstände, die von rechtlicher Bedeutung für die Ausweisung sind, werden berücksichtigt und an den rechtlichen Vorgaben - in einer „ersten Stufe“ - des nationalen und - in einer „zweiten Stufe“ - des supranationalen Rechts sowie des zwischenstaatlichen und des Völkerrechts geprüft. Dabei werden die Anforderungen an eine strenge, an den Grundrechten orientierte Verhältnismäßigkeitskontrolle erfüllt. Diese Kontrolle bezieht sich - unter Beachtung des im deutschen Recht gewährleisteten subjektiven Rechtsschutzes - ausschließlich auf den jeweiligen Einzelfall. Ob im nationalen deutschen Recht eine Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung vorliegt, ist für die europarechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung unerheblich. Eine solche stringente Rechts- und Verhältnismäßigkeitskontrolle wird den Anforderungen des EuGH an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gerecht; eine weitergehende „Zweckmäßigkeits“-Entscheidung, bei der etwa außer-rechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt würden, wäre zudem mit den Anforderungen der Art. 8 und 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG schwerlich vereinbar. Der Befassung einer - weiteren - „zuständigen Stelle“ bedarf es demnach nicht.
66 
Diese Auslegung wird schließlich bestätigt durch die Regelungen in Art. 31 Abs. 1 und Abs. 3 (in Verbindung mit Art. 28) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (ABl. L 158 S. 77), die „Verfahrensgarantien“ regeln und ersichtlich nicht hinter dem Schutzstandard der RL 64/221/EWG zurückbleiben sollen. In dieser Richtlinie ist die Stellungnahme einer anderen „zuständigen Stelle“ nicht mehr vorgesehen. Nach Art. 31 Abs. 1 dieser Richtlinie müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Gemäß Art. 31 Abs. 3 dieser Richtlinie sind im Rechtsbehelfsverfahren die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen. Es gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Artikel 28 („Schutz vor Ausweisung“) nicht unverhältnismäßig ist. Insoweit ist insbesondere Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie von Bedeutung, der einen Beispielskatalog der wichtigsten in diesem Zusammenhang beachtlichen Beurteilungskriterien enthält. In  Art. 28 Abs. 1 ist geregelt, dass der Aufnahmemitgliedstaat - bevor er eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt - insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat berücksichtigt.
67 
Mit der vorliegenden Entscheidung führt der Senat seine Rechtsprechung fort, die er in dem (rechtskräftigen) Urteil vom 28.11.2002 (a.a.O.) zu den hier maßgeblichen Fragen eingeleitet hat.
68 
III. Die Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung der Abschiebung in der angefochtenen Verfügung begegnen im Übrigen weder nach nationalem deutschem Ausländerrecht noch nach Europäischem Gemeinschaftsrecht rechtlichen Bedenken.
69 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
70 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Gründe

 
17 
Die vom Beklagten eingelegte Berufung, die vom Verwaltungsgericht - durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO) - zugelassen wurde, ist statthaft und auch sonst zulässig. Die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 2 und 3 VwGO sind erfüllt.
18 
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist die angefochtene Ausweisungsverfügung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Die Ausweisung des Klägers erweist sich bei der - gleichsam auf einer ersten Stufe vorzunehmenden - rechtlichen Beurteilung nach nationalem deutschem Ausländerrecht  als rechtmäßig (dazu unter I.) und ist auch nach der - gleichsam auf einer zweiten Stufe vorzunehmenden - Prüfung der Vereinbarkeit dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit hier zu beachtendem Europäischem Gemeinschaftsrecht rechtlich nicht zu beanstanden (dazu unter II.)
20 
I. Für die rechtliche Beurteilung des Begehrens des Klägers auf Aufhebung einer Ausweisungsverfügung, die nach nationalem deutschem Ausländerrecht als rechtliche Folge sowohl die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts - durch Erlöschen einer Aufenthaltsgenehmigung und das Entstehen der Ausreisepflicht (vgl. §§ 44 Abs. 1 Nr. 1, 42 Abs. 1, 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG) - herbeiführt als auch ein Wiedereinreiseverbot enthält (§ 8 Abs. 2 Satz 1 AuslG), das auch gegenüber freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140 = NVwZ 2000, 688 = InfAuslR 2000, 176 = VBlBW 2000, 273), ist eine rechtliche Beurteilung gleichsam auf zwei Stufen vorzunehmen (sog. „Zwei-Stufen-Modell“, vgl. Alber/Schneider, DÖV 2004, 313, 315; dazu auch VGH Bad.-Württ., Urteile vom 17.4.2002 - 11 S 1823/01 -, InfAuslR 2002, 375 = EZAR 034 Nr. 13, und vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 - EZAR 034 Nr. 14). Dabei ist es zunächst ausschließlich – und unabhängig vom Europäischen Gemeinschaftsrecht – die Aufgabe der deutschen Gerichte, nach der hier geltenden (nationalen) Rechtsordnung die behördliche Eingriffsmaßnahme der Ausweisung auf ihre Rechtmäßigkeit nach deutschem Recht zu überprüfen und damit über den Rechtsschutz nach innerstaatlichem deutschem Recht zu entscheiden. Denn es unterliegt nicht der Prüfung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), über die Auslegung und Anwendung nationaler Vorschriften zu entscheiden (vgl. dazu u.a. EuGH, Urteil vom 29.4.2004 in den verbundenen Rechtssachen C-482/01 und C-493/01 , RdNr. 42). Nur für den Fall, dass im Rahmen einer Überprüfung nach deutschem Recht dem Begehren des Unionsbürgers nicht bereits entsprochen werden kann, muss eine Prüfung unter Beachtung der Regelungen des Gemeinschaftsrechts erfolgen, wobei zu prüfen ist, ob insoweit der Vorrang des Gemeinschaftsrechts eine andere rechtliche Beurteilung gebietet. Die europarechtliche Prüfung hat selbständig und unabhängig von der Systematik und den Vorgaben der nationalen Prüfungsebene (etwa: Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung) zu erfolgen. Diese differenzierte Beurteilung auf zwei Stufen ist im Fall eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers - wie hier des Klägers - angezeigt. Die Ausweisung regelt zwar nach dem differenzierten Regelungssystem des deutschen Ausländerrechts für sich genommen (noch) nicht unmittelbar eine zwangsweise Beendigung des Aufenthalts des davon betroffenen Ausländers. Vielmehr führt erst die Abschiebung (§ 49 AuslG), die unabhängig von der Ausweisung geregelt ist und der Vollstreckung der - durch die Ausweisung entstandenen - Ausreisepflicht dient, zur Entfernung des Ausländers aus dem deutschen Hoheitsgebiet. Unter Beachtung des Regelungszusammenhangs der insoweit maßgebenden Bestimmungen des deutschen Ausländerrechts ist jedoch davon auszugehen, dass bereits die Ausweisung unmittelbare Auswirkungen auf die Ausübung des aus der Freizügigkeit folgenden Rechts auf freie und ungehinderte Einreise und dementsprechenden Aufenthalt eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers hat.
21 
Im Fall des Klägers ist - nach deutschem Recht - das Regierungspräsidium Freiburg als zuständige Ausländerbehörde (§ 7 Abs. 1 AAZuVO) zu Recht davon ausgegangen, dass die §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG als erforderliche gesetzliche Grundlagen für die Ausweisung den Erlass dieser Maßnahme nach Ermessen ermöglicht haben. Zu dem für die gerichtliche Beurteilung insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des ausländerbehördlichen Verfahrens (s. dazu im Folgenden unter 1.) waren die tatbestandlichen Voraussetzungen für diese Eingriffsmaßnahme (s. dazu im Folgenden unter 2.) gegeben, und die Behörde hat sowohl beachtet, dass dem Kläger ein besonderer Schutz vor einer Ausweisung zukommt (s. dazu im Folgenden unter 3.), als auch das ihr eröffnete Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt (s. dazu im Folgenden unter 4.).
22 
1. Für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisungsverfügung ist nach innerstaatlichem deutschem Recht grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgebend (vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 17.11.1994 - 1 B 224.94 -, InfAuslR 1995, 150; vom 17.1.1996 - 1 B 3.96 -, InfAuslR 1996, 137; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 - ; vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288, vom 18.9.2001 - 1 C 17.00 -, NVwZ 2002, 339, und vom 8.1.2003 - 1 B 253.02 -; Urteile vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 -, BVerwGE 102, 249, und - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; vom 28.1.1997 - 1 C 17.94 -, InfAuslR 1997, 296 und vom 7.12.1999 - 1 C 13.99 -, BVerwGE 110, 140; sowie VGH Bad.-Württ., Urteile vom 4.12.1996  -  11 S 2511/96 -,  vom  28.7.1999 - 11 S 2387/98 -, vom 19.4.2000 - 11 S
23 
1387/99 -, VBlBW 2001, 25, vom 28.11.2002 - 11 S 1270/02 - und vom 27.1.2004 -10 S 1610/03 -). Dies gilt unabhängig davon, dass die Gerichte Erkenntnismittel auswerten dürfen, die nach Erlass des letzten Behördenbescheides entstanden sind, wenn ihnen Anhaltspunkte für die Richtigkeit oder auch für die Unrichtigkeit der im Zeitpunkt dieser Entscheidung getroffenen Einschätzung entnommen werden können (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 C 25.94 -, InfAuslR 1997, 152; Be-schlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 129.96 -, AuAS 1997, 218; vom 27.6.1997 - 1 B 132.97 - und vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288).
24 
2. Als Maßnahme, die in den Rechtskreis des betroffenen Ausländers belastend eingreift, bedarf die Ausweisung nach geltendem deutschem Recht - unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes, der im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) seine Grundlage hat - einer gesetzlichen Grundlage. Die insoweit erforderlichen gesetzlichen Grundlagen für eine Ausweisung sind in den §§ 45 ff AuslG in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise geregelt und im Geltungsbereich des Grundgesetzes von den Behörden und Gerichten auch in Bezug auf freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger zu beachten, da es im Recht der Europäischen Gemeinschaften keine Rechtsgrundlage für den Erlass einer Ausweisung gibt (vgl. dazu VGH Bad.-Württ.,  Urteil vom 17.4.2002 - 11 S 1823/01 -, InfAuslR 2002, 375 = EZAR 034 Nr. 13). Die Ausweisung - als eine ausschließlich im nationalen Recht angelegte Maßnahme - muss vielmehr nur in Bezug auf die damit eintretende Beschränkung des aus der Freizügigkeit folgenden Aufenthaltsrechts den Anforderungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts entsprechen (s. dazu unter II.). Dementsprechend regelt auch das - derzeit noch geltende - (deutsche) Gesetz über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Aufenthaltsgesetz/EWG - AufenthG/EWG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.1.1980, BGBl. I S. 116 - mit Änderungen -), durch das die Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. 1964 S. 850 - im Folgenden: RL 64/221/EWG), in geltendes deutsches Recht umgesetzt worden ist, keine tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Ausweisungsverfügung gegen Personen, die unter dieses Gesetz fallen, sondern setzt die Möglichkeit des rechtmäßigen Erlasses einer solchen Verfügung nach deutschem Recht voraus und regelt (nur) die - aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht folgenden - Voraussetzungen für die Einschränkung der Freizügigkeit.
25 
Im Fall des Klägers wurde die Ausweisung nach nationalem Recht zutreffend auf der rechtlichen Grundlage der §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG verfügt.
26 
§ 45 Abs. 1 AuslG - als die Grundnorm für alle Formen der Ausweisung - regelt, dass ein Ausländer ausgewiesen werden kann, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt. Gemäß § 46 Nr. 2 AuslG kann ein Ausländer nach § 45 Abs. 1 AuslG insbesondere ausgewiesen werden, wenn er - soweit hier maßgeblich - einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Diese tatbestandliche Voraussetzung hat der Kläger erfüllt, da er durch seine Tat (versuchter Totschlag in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung) einen schweren Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen und dadurch die öffentliche Sicherheit und Ordnung in hohem Maße beeinträchtigt hat. Es kommt für die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen nicht darauf an, dass der Kläger wegen dieser Tat strafrechtlich mangels Schuldfähigkeit nicht bestraft wurde. Denn die Ausweisung ist keine (weitere) Strafe, sondern ausschließlich eine ordnungsrechtliche Maßnahme, die der Abwehr und Bekämpfung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dient.
27 
Zum Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit der angefochtenen Verfügung - durch ihre Bekanntgabe an den Kläger am 11.3.2002 - bestanden keine rechtserheblichen Bedenken gegen die Annahme, dass vom Kläger Gefahren für die Allgemeinheit ausgingen, die ein ausländerrechtliches Einschreiten geboten haben. Wie sich aus den Feststellungen des Landgerichts Waldshut-Tiengen im Urteil vom 20.9.2001 ergibt, mit dem die Maßregel der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, war der Kläger als für die Allgemeinheit gefährlich (im Sinne des § 63 StGB) anzusehen. Es bestanden insoweit in seinem Fall keine rechtserheblichen Unterschiede in der Beurteilung der Sachlage in Bezug auf die durch das Strafgericht als freiheitsentziehende Maßregel angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in Bezug auf die durch die Ausländerbehörde verfügte - nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen grundsätzlich unterschiedlich zu beurteilende - ordnungsrechtliche Maßnahme der Ausweisung. Die vom Kläger ausgehenden Gefahren waren - und sind - auch nicht etwa wegen seiner Unterbringung entfallen, zumal da mit dieser Maßregel kein auf Dauer angelegter stationärer Aufenthalt unter medizinischer Überwachung verbunden ist (vgl. dazu auch § 67e StGB) und die unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten zu treffende Prognose auch den Fall der Beendigung der Unterbringung berücksichtigen muss. Insoweit ist die Situation mit der tatsächlichen Lage im Fall der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe vergleichbar. Wie sich im Übrigen aus der - vom Kläger in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegten - Stellungnahme vom 13.7.2004 des Zentrums für Psychiatrie, in dem der Kläger untergebracht ist, ergibt, halten es die ihn behandelnden Ärzte ersichtlich wegen der von ihm noch immer ausgehenden Gefahren für erforderlich, dass er im Maßregelvollzug verbleibt, bis ein - bisher aus ärztlicher Sicht (noch) nicht gewährleisteter - sozialer  Empfangsraum für ihn vorhanden ist.
28 
3. Die Ausländerbehörde hat auch zu Recht berücksichtigt, dass dem Kläger nach nationalem deutschem Recht ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG zugute kommt, da ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt wurde. Dieser Ausweisungsschutz entspricht inhaltlich der Schutznorm des § 48 Abs. 1 AuslG. Nach der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG, die über die Vorgaben durch die RL 64/221/EWG hinaus eine weitere innerstaatlich beachtliche Ausweisungsschranke enthält, darf der Kläger nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ausgewiesen werden. Solche Gründe liegen vor, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung im Vergleich zu dem vom Gesetz bezweckten Schutz des Ausländers vor Ausweisung ein deutliches Übergewicht hat. Bei einer Ausweisung zu spezialpräventiven Zwecken - wie im Fall des Klägers - ist ein Ausweisungsanlass von besonderem Gewicht erforderlich, was sich bei Straftaten insbesondere aus ihrer Art, Schwere und Häufigkeit ergibt. Zum anderen müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch neue Straftaten des Ausländers ernsthaft droht und damit von ihm eine bedeutsame Gefahr für ein wichtiges Schutzgut ausgeht (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.6.1996 - 1 C 24.94 -, BVerwGE 101, 247, und vom 26.2.2002 - 1 C 21.00 -, BVerwGE 116, 55 = NVwZ 2002, 1512). Die Behörde und das Verwaltungsgericht sind zu Recht davon ausgegangen, dass der Ausweisungsschutz des § 12 Abs. 1 Satz 2 AufenthG/EWG der Ausweisung des Klägers nicht entgegensteht, da in seinem Fall angesichts der erheblichen Gefahren, die von ihm - auch weiterhin - ausgehen, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in dem hier maßgeblichen Sinne vorliegen. Dies ergibt sich besonders daraus, dass er durch sein - wenngleich strafrechtlich schuldloses - Verhalten einen Anlass von außerordentlichem Gewicht für ein Einschreiten zur Gefahrenabwehr geschaffen hat, indem er seine Ehefrau töten wollte und durch sein entsprechendes Vorgehen ihr Leben in höchstem Maße gefährdet und ihr schwerste Verletzungen zugefügt hat, die auf Dauer in außerordentlich schwerwiegender Weise ihre Gesundheit beeinträchtigen werden. Die Gefahr der Wiederholung eines solchen Verhaltens ist auch nicht deshalb entfallen oder von geringerem Gewicht, weil die Ehefrau und die Kinder des Klägers sich derzeit in Frankreich aufhalten. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen in dem beim Landgericht Waldshut-Tiengen anhängig gewesenen Verfahren besteht die Gefahr, dass der Kläger beim Auftreten eines neuen Krankheitsschubes eine andere Bezugsperson für die Veränderungen an seiner Person verantwortlich macht und sich seine Aggressionen dann gegen diese Person richten können.
29 
4. Die Ermessensausübung des Regierungspräsidiums ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Die Behörde hat dem öffentlichen Interesse an einer Entfernung des Klägers aus dem Bundesgebiet und der Verhinderung seiner Wiedereinreise wegen der von ihm ausgehenden Gefahren ohne Rechtsfehler Vorrang vor seinem entgegenstehenden privaten Interesse eingeräumt. Auch unter Beachtung der nach § 45 Abs. 2 AuslG zu berücksichtigenden Gesichtspunkte erweist sich die behördliche Entscheidung als rechtsfehlerfrei. Die Ausweisung des Klägers ist auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Dabei ist zu beachten, dass sich allein aus der Dauer des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 1 AuslG) seit dem Jahr 1987, während der er keine besonderen Beziehungen oder Bindungen zu Deutschland geschaffen hat, keine schutzwürdige aufenthaltsrechtliche Position ergibt, deren Beendigung unter Beachtung seiner hohen Gefährlichkeit außer Verhältnis zu dem mit der Ausweisung verfolgten Zweck der Abwehr weiterer vom Kläger drohender Gefahren steht. Den in § 45 Abs. 2 Nr. 2 AuslG genannten Gesichtspunkten - der Berücksichtigung der Folgen der Ausweisung für die Familienangehörigen des Ausländers, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten und mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft leben - kommt im Fall des Klägers keine ausschlaggebende Rolle zu, da seine unmittelbaren Familienangehörigen (seine Ehefrau und seine beiden Kinder) sich nicht mehr in Deutschland aufhalten und seine weiteren Verwandten ebenfalls im Ausland leben. Die Ausweisung erscheint auch nicht deshalb rechtlich fehlerhaft, weil etwa ein in § 55 Abs. 2 AuslG genannter Duldungsgrund zu beachten gewesen wäre (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3 AuslG).
30 
II. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung  des Klägers auch als vereinbar mit Europäischem Gemeinschaftsrecht.
31 
1. Der Kläger besitzt als italienischer Staatsangehöriger die Unionsbürgerschaft und hat daher die im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (in der konsolidierten Fassung durch den Vertrag von Amsterdam - im Folgenden: EG) vorgesehenen Rechte und Pflichten (Art. 17 EG). Dementsprechend hat er das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen aufzuhalten (Art. 18 Abs. 1 EG). Als (Wander-)Arbeitnehmer steht ihm zudem Freizügigkeit nach Art. 39 Abs. 1 EG zu, die ihm ein Aufenthaltsrecht vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen gibt (vgl. Art. 39 Abs. 3 EG). Seine Rechtsstellung zur Inanspruchnahme der Arbeitnehmerfreizügigkeit hat der Kläger bereits durch den Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis-EG nachgewiesen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.5.2001 - 1 B 125.00 -, NVwZ 2001, 1288 = InfAuslR 2001, 312).  Anhaltspunkte dafür, dass diese Arbeitnehmer-Freizügigkeit durch endgültiges Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt erloschen wäre, sind nicht ersichtlich.
32 
2. Die im vorliegenden Fall zu beachtenden Beschränkungen der Freizügigkeit und des daraus folgenden Aufenthaltsrechts ergeben sich unter Berücksichtigung der in der hier maßgeblichen Durchführungsvorschrift (RL 64/221/EWG) vorgegebenen Schranken. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Richtlinie grundsätzlich (nur) für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich ist, jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel überlässt (vgl. Art. 249 Abs. 3 EG). Daher wird den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum zur Umsetzung eröffnet; der Einzelne kann sich grundsätzlich nicht unmittelbar auf die Regelungen einer Richtlinie berufen. Lediglich ausnahmsweise ist eine unmittelbare Wirkung von Richtlinien dann anerkannt, wenn die Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, nicht fristgemäß oder inhaltlich nicht ordnungsgemäß umgesetzt wurden (vgl. dazu Nettesheim in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Komm. zu Art. 249 EG, RdNr. 155 ff mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
33 
3. Die Ausweisung des Klägers ist als eine Beschränkung seiner Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung (im Sinne von Art. 39 Abs. 3 EG) gerechtfertigt.
34 
a) Im Fall des Klägers ist die Einschränkung seiner Freizügigkeit und seines daraus folgenden Aufenthaltsrechts durch die Ausweisung nicht unmittelbar an den - die Vorbehalte des Art. 39 Abs. 3 EG konkretisierenden - Bestimmungen der RL 64/221/EWG zu messen, sondern vorrangig nach den Regelungen in § 12 AufenthG/EWG zu beurteilen, die inhaltlich mit den Vorgaben der RL 64/221/EWG in Einklang stehen. Mit der gesetzlichen Vorschrift des § 12 AufenthG/EWG wurde die RL 64/221/EWG, soweit sie im vorliegenden Fall maßgeblich ist, ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt.
35 
b) Die Ausweisung des Klägers, dem in Deutschland als Arbeitnehmer Freizügigkeit gewährt wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG/EWG), ist unter Beachtung der rechtlichen Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 AufenthG/EWG aus Gründen der öffentlichen Ordnung rechtmäßig verfügt worden. Insoweit ist zu beachten, dass die durch die Ausweisung eintretende Beschränkung der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts als Ausnahme von dieser gemeinschaftsrechtlichen Freiheit eng auszulegen und - unter Beachtung der Vorgaben aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht - nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie ausschließlich auf das persönliche Verhalten des Betroffenen gestützt ist und eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. u.a. EuGH, Urteile vom 27.10.1977 - Rs. 30/77 - , Slg. 1977, 1999, und vom 29.4.2004 - verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 ).  Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers erfüllt. Die Beschränkung seiner Freizügigkeit erfolgt ausschließlich auf Grund seines eigenen Verhaltens, mit dem er in äußerst schwer wiegender Weise ein Grundinteresse der Gesellschaft verletzt hat, indem er einen anderen Menschen durch mehrere Messerstiche töten wollte und ihm dabei schwerste Verletzungen zugefügt hat, die das Opfer seiner Tat  lebenslang in schwerster Weise behindern werden. Auch im Bereich des Europäischen Gemeinschaftsrechts kommt es im Zusammenhang mit einer Beendigung des Aufenthalts eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers aus Gründen der öffentlichen Ordnung nicht darauf an, ob er strafrechtlich wegen seines Verhaltens zur Rechenschaft gezogen werden kann oder ob wegen Schuldunfähigkeit eine Bestrafung nicht erfolgen kann. Denn insoweit ist - wie im innerstaatlichen deutschen Recht - der Eingriff zur Abwehr von Gefahren gerechtfertigt, die von dem Betroffenen ausgehen. Diesen Anforderungen entspricht die Ausweisung des Klägers. In seinem Fall besteht auch eine hohe Gefahr der erneuten Begehung entsprechender Taten, da - wie in dem gerichtlichen Verfahren festgestellt wurde, in dem seine Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus erfolgte - keine günstige Langzeitprognose möglich ist, der Kläger sich in keiner Weise an seiner Behandlung beteiligt und von ihm auch künftig eine Allgemeingefährlichkeit - insbesondere für jeweilige Bezugspersonen - ausgeht.
36 
c) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass etwa zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung des Senats eine Änderung in der Beurteilung der Gefährlichkeit des Klägers eingetreten wäre. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass in Anbetracht der Zeit zwischen dem Eintritt der Wirksamkeit der Ausweisung (11.3.2002) und dem Zeitpunkt der heutigen Entscheidung des Senats (21.7.2004) ein „längerer Zeitraum“ (im Sinne des Entscheidungssatzes Nr. 3 des Urteils des EuGH vom 29.4.2004, a.a.O.) vergangen ist und daher eine nachträgliche Veränderung der Sachlage zu berücksichtigen wäre, die nach der letzten Behördenentscheidung - zu Gunsten wie zu Lasten des Klägers - eingetreten wäre. Dies kann zu einer Änderung des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts aus Gründen des Europäischen Gemeinschaftsrechts führen (vgl. EuGH, Urteil vom 29.4.2004, a.a.O.). Ob einer nachträglichen, für den ausgewiesenen Ausländer günstigen Veränderung der Sachlage dadurch Rechnung getragen wird, dass die Ausweisung ab dem Zeitpunkt des Wegfalls oder der nicht unerheblichen Verminderung der europarechtlich erforderlichen Gefährdungslage aufgehoben oder aber - gemäß dem System des nationalen deutschen Ausländerrechts - auf diesen Zeitpunkt (gegebenenfalls auch rückwirkend) nach § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG befristet wird, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn im Fall des Klägers ist nichts dafür ersichtlich, dass etwa zwischenzeitlich ein Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefahr eingetreten ist. Insoweit ergibt sich vielmehr aus der - genannten - Stellungnahme vom 13.7.2004 des psychiatrischen Krankenhauses, in dem der Kläger noch immer untergebracht ist, dass er nach wie vor gefährlich ist.
37 
4. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Ausweisung des Klägers auch nicht etwa deshalb als rechtswidrig, weil sie mit Art. 4 der RL 64/221/EWG nicht vereinbar wäre.
38 
a) Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Regelung des Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG sei unmittelbar zugunsten des Klägers anwendbar, da es - jedenfalls im konkreten Fall des Klägers - an der notwendigen fristgerechten und vollständigen Umsetzung der Regelung in das nationale Ausländerrecht fehle. Die deutsche Regelung entspreche nicht der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung des Art. 4 RL 64/221/EWG. Im deutschen Recht sei die Möglichkeit einer aufenthaltsbeschränkenden Regelung bei Vorliegen der in § 12 Abs. 6 Satz 1 AufenthG/EWG genannten Krankheiten „zum Schutz der öffentlichen Gesundheit“ eröffnet und die in Satz 2 festgelegte Einschränkung - durch die Bezugnahme auf Satz 1 - sei auch nur auf Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit bezogen, obwohl die ihr zugrunde liegende Norm des Art. 4 RL 64/221/EWG bei der Aufzählung der Krankheiten und Gebrechen im Anhang zu der Richtlinie ausdrücklich zwischen Krankheiten differenziere, die die öffentliche Gesundheit gefährden und solchen, die die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden können. Damit entnimmt das Verwaltungsgericht der Regelung in Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG ein allgemeines Ausweisungsverbot für alle Fälle, in denen Krankheiten nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis-EG auftreten und in denen der Kranke über das „Auftreten“ der Krankheit hinaus die öffentliche Ordnung konkret und schwerwiegend gefährdet. Dies ist nicht gerechtfertigt. Die rechtlichen und praktischen Konsequenzen, die sich aus dieser Auslegung ergeben würden (z.B. das Verbot der Ausweisung eines Alkohol- oder Drogenabhängigen - und damit Suchtkranken - ungeachtet von ihm im Rahmen der Beschaffungskriminalität begangener Straftaten oder eines geisteskranken Terroristen, falls dem Freizügigkeitsberechtigten bereits eine Aufenthaltserlaubnis-EG erteilt wurde), sind durch das Europäische Gemeinschaftsrecht nicht geboten.
39 
b) Die Regelungen der Richtlinie 64/221/EWG sind auch in Bezug auf Art. 4 dieser Richtlinie ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt worden und stehen einer Ausweisung des Klägers nicht entgegen.
40 
aa) Die Richtlinie, die aus dem Jahr 1964 stammt und an die Mitgliedstaaten gerichtet war, sieht in Art. 4 die Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit und des daraus folgenden Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Gesundheit wie folgt vor:
41 
 „(1) Als Krankheiten oder Gebrechen, die eine Verweigerung der Einreise oder der ersten Aufenthaltserlaubnis rechtfertigen, gelten nur diejenigen, die im Anhang aufgeführt sind.
42 
(2) Das Auftreten von Krankheiten oder Gebrechen nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis kann die Verweigerung einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet nicht rechtfertigen.“
43 
Dazu enthält der Anhang folgende Liste der Krankheiten bzw. Krankheitsgruppen, die als Grund für eine Maßnahme nach Art. 4 Abs. 1 RL 64/221/EWG in Frage kommen:
44 
„A. Krankheiten, welche die öffentliche Gesundheit gefährden können:
45 
1.    quarantänepflichtige Krankheiten,...
46 
2.    Tuberkulose ....
47 
3.    Syphilis;
48 
4.    andere ansteckende oder übertragbare parasitäre Krankheiten und Leiden, ...
49 
B. Krankheiten und Gebrechen, welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können:
50 
1.    Suchtkrankheiten;
51 
2. schwere geistige und seelische Störungen; offensichtliche Psychosen mit Erregungszuständen, Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschungen und mit Verwirrungszuständen.“
52 
Die (seit 1.1.2001 geänderte) gesetzliche Regelung des § 12 Abs. 6 AufenthG/EWG entspricht den Vorgaben des Art. 4 der RL 64/221/EWG. Die Bestimmung des § 12 Abs. 6 AufenthG/EWG hat folgenden Wortlaut:
53 
„Zum Schutz der öffentlichen Gesundheit dürfen die in Absatz 1 genannten Entscheidungen oder Maßnahmen nur getroffen werden, wenn der Ausländer
54 
1.    an einer Krankheit im Sinne von § 6 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) leidet oder mit einem Krankheitserreger im Sinne von § 7 des Infektionsschutzgesetzes infiziert ist, oder
55 
2.    an Suchtkrankheiten, schweren geistigen oder seelischen Störungen, manifesten Psychosen mit Erregungszuständen, Wahnvorstellungen oder Sinnestäuschungen mit Verwirrungszuständen leidet.
56 
Tritt die Krankheit oder das Gebrechen erst nach der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis-EG auf, so kann dies die Versagung der Verlängerung oder die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis-EG, die Ausweisung oder Abschiebung nicht begründen.“
57 
bb) Die Regelungen der RL 64/221/EWG konkretisieren die Vorgaben, die - soweit hier maßgeblich - in Art. 39 Abs. 3 EG als Vorbehalte für die Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ausdrücklich aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit als gerechtfertigt anerkannt werden. Dabei ist danach zu unterscheiden, aus welchem dieser Gründe die Beschränkung erfolgt. Dementsprechend sind die Gründe der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit von den Gründen der öffentlichen Gesundheit (d.h. der Volksgesundheit, vgl. dazu auch die Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 25.5.2004 in der Rs. C-275/02, RdNr. 30) zu unterscheiden. Dem trägt auch die RL 64/221/EWG Rechnung. Die Regelungen in Art. 4 RL 64/221/EWG lassen erkennen, dass eine Beschränkung der Freizügigkeit eines Unionsbürgers, die ausschließlich wegen gesundheitlicher Gründe - d.h. wenn eine der Krankheiten vorliegt, die im Anhang zu der Richtlinie aufgeführt sind (vgl. Art. 4 Abs. 1 RL 64/221/EWG) - erfolgt, nur vor einem Aufenthalt (durch Verweigerung der Einreise) oder zu Beginn des Aufenthalts in dem Aufnahmemitgliedstaat (durch Verweigerung der ersten Aufenthaltserlaubnis, über die spätestens innerhalb von 6 Monaten nach Antragstellung entschieden werden muss, vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der RL 64/221/EWG) als gerechtfertigt angesehen wird. Damit kommt deutlich zum Ausdruck, dass nicht eine konkrete Gefahrenlage in gesundheitlicher Hinsicht, sondern - zum einen - eine Belastung des Gesundheitswesens des Aufnahmemitgliedstaats und - zum anderen - zugleich eine abstrakte Gefährdung durch eine dieser Krankheiten vermieden werden soll. Dafür spricht auch der Wortlaut des Anhangs zu der RL 64/221/EWG, da dort die Krankheiten aufgeführt sind, welche die öffentliche Gesundheit (unter A.) oder die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (unter B.) gefährden können. Insoweit ist auch die (letzte) Begründungserwägung zur RL 64/221/EWG aufschlussreich; dort heißt es: „Eine Aufzählung der Krankheiten und Gebrechen, die die öffentliche Gesundheit, Ordnung und Sicherheit gefährden können, hätte wenig praktischen Wert und wäre kaum erschöpfend, und es genügt, diese Leiden nach Gruppen zu ordnen“. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass mit der gruppenweisen Aufzählung der Krankheiten für die Mitgliedstaaten lediglich die - sehr eingeschränkte - Möglichkeit der Beschränkung der Freizügigkeit wegen der abstrakten Gefährdungen, die durch die aufgeführten Krankheiten eintreten können, eröffnet werden sollte.
58 
Aus der Unterscheidung - A. und B. - im Anhang zur RL 64/221/EWG ergibt sich nicht etwa eine inhaltliche Differenzierung dahingehend, dass bei Vorliegen einer der Krankheiten oder Gebrechen, „welche die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden können“, generell - und ungeachtet des Vorliegens eines sonstigen Grundes, der eine Beschränkung der Freizügigkeit rechtfertigt - im Blick auf die Regelung in Art. 4 Abs. 2 RL 64/221/EWG nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis eine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nicht mehr möglich sein soll. Aus dem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang der Regelung mit Art. 3 der RL 64/221/EWG ergibt sich vielmehr, dass eine Beendigung des Aufenthalts nach der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis allein aus Gründen der Gesundheit nicht mehr möglich ist, dass jedoch eine entsprechende Beschränkung der Freizügigkeit (z.B. durch eine Ausweisung) aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit des Mitgliedstaats durchaus noch gerechtfertigt sein kann. Insoweit ist insbesondere zu beachten, dass für eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung eine abstrakte Gefährdung nicht ausreicht, sondern eine erhebliche konkrete (gegenwärtige) Gefahr durch das persönliche Verhalten des Betroffenen vorliegen muss, d.h. eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Abwehr weiterer von dem Ausländer drohender Gefährdungen berührt. Dies kommt auch in der (nicht datierten) Mitteilung der Europäischen Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament zu den Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (dort unter Nr. 3.1.3) zum Ausdruck. Danach schränkt Art. 4 der RL 64/221/EWG (nur) „die Möglichkeit ein, eine Maßnahme aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zu treffen“.
59 
Für eine solche Auslegung spricht weiter die - bereits am 1.5.2004 in Kraft getretene, jedoch erst innerhalb von zwei Jahren umzusetzende - Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (ABl. L 158 S. 77), mit der die Ausübung des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts erleichtert (vgl. dazu die Begründungserwägung [4]) und eine genauere Definition der Umstände und Verfahrensgarantien sichergestellt  werden soll, unter denen Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen die Erlaubnis zur Einreise verweigert werden kann und unter denen sie ausgewiesen werden können (vgl. dazu die Begründungserwägung [22]). In Art. 29 Abs. 1 dieser Richtlinie wird darauf abgestellt, dass „als Krankheiten, die eine die Freizügigkeit beschränkende Maßnahme rechtfertigen“, „ausschließlich“ Krankheiten „mit epidemischem Potenzial“ und „sonstige übertragbare, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten“ gelten. In Abs. 2 dieser Richtlinie ist geregelt, dass Krankheiten, die nach Ablauf einer Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Einreise eintreten, keinen Ausweisungsgrund darstellen. Auch darin kommt zum Ausdruck, dass eine Beschränkung der Freizügigkeit ausschließlich aus Gründen der öffentlichen Gesundheit nur in sehr eingeschränktem Maße zulässig sein soll; damit ist aber nichts darüber gesagt, dass etwa deshalb eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nach Ablauf dieser Frist ausgeschlossen sein soll, wenn durch ein - krankheitsbedingtes - persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr eingetreten oder zu erwarten ist, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. dazu Art. 27 Abs. 2 der genannten Richtlinie).
60 
cc) Das Regierungspräsidium hat die Ausweisung des Klägers ausdrücklich nicht auf Gründe der Gesundheit, sondern auf Gründe der öffentlichen Ordnung gestützt und dies in der Begründung der angefochtenen Verfügung zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Bedeutung der Begründung einer Entscheidung über die Beschränkung der Freizügigkeit auch Art. 6 der RL 64/221/EWG). Diese Gründe rechtfertigen - wie ausgeführt - die Ausweisung. Insbesondere ist zu beachten, dass das Regierungspräsidium nicht etwa nach dem ersten Auftreten der Krankheit des Klägers und seiner Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus bereits die Beendigung seines Aufenthalts - aus Gründen der Gesundheit - verfügt hat, sondern erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger ein erhebliches gefährliches Verhalten gezeigt hat, die Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung angeordnet hat.
61 
5. Die Ausweisung des Klägers verstößt auch nicht gegen Verfahrensgarantien des Europäischen Gemeinschaftsrechts.
62 
 
63 
a) Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG deshalb vorliege, weil das Regierungspräsidium die angefochtene Verfügung erlassen hat und nach innerstaatlichem deutschem Recht - hier: in Baden-Württemberg - gegen diese Verfügung kein Widerspruchsverfahren stattfindet (vgl. § 6a [bad.-württ.] AGVwGO), dem Betroffenen vielmehr unmittelbar die Möglichkeit der Anrufung des Verwaltungsgerichts im Wege der Anfechtungsklage eröffnet ist. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 29.4.2004 (verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 , a.a.O.) bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte gewährte Rechtsschutz den Anforderungen dieser Richtlinie genügt.
64 
b) Zwar hat der EuGH in dem Urteil vom 29.4.2004 (a.a.O.) zur Erfüllung der Voraussetzungen in Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221/EWG - nämlich dass die Rechtsmittel nicht nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen - eine „umfassende materiell-rechtliche Prüfung“ nicht als ausreichend angesehen (RdNr. 109 des Urteils). Vielmehr verlangt der EuGH hierfür zusätzlich eine erschöpfende Prüfung (bzw. Entscheidung) in Bezug auf die „Zweckmäßigkeit“ der Ausweisung im Hinblick auf die Erfordernisse eines hinreichend effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. RdNr. 110 des Urteils). Um den Inhalt dieses Begriffs der „Zweckmäßigkeit“ zu bestimmen, ist jedoch nicht vom deutschen Rechtsverständnis dieses Begriffs (etwa im Zusammenhang mit der Zweckmäßigkeits-Kontrolle im Widerspruchsverfahren, vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO) auszugehen, sondern davon, welcher Bereich außer der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ zur Gewährleistung des (vom EuGH geforderten) „effektiven gerichtlichen Schutzes“ Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein muss. Daher ist zunächst zu untersuchen, was der EuGH unter einer „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ versteht. Auch dabei ist nicht vom deutschen Rechtsverständnis auszugehen, sondern – ausgehend von dem auf einem europäischen Mindestkonsens beruhenden Begriffsniveau - von der Vorstellung einer zwar vertieften, aber doch auf die Übereinstimmung mit dem materiellen Gesetz (d.h. der Eingriffsnorm; unter Beachtung des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes) beschränkten Kontrolle, wie sich dies auch aus der französischen Übersetzung der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ („ vérification approfondie du droit matériel “, RdNr. 109 des Urteils) ersehen lässt. Die Bedeutung des Begriffs der „Zweckmäßigkeit“ in dem hier maßgeblichen Sinne ist demnach unter Abgrenzung gegenüber diesem Begriffsinhalt der „umfassenden materiell-rechtlichen Prüfung“ aus dem Normgefüge und -verständnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts nach Sinn und Zweck der Regelung in Art. 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG zu bestimmen. Um den effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, der vom EuGH - insbesondere zur Garantie des „effet utile“ (der praktischen Wirksamkeit) des EG-Rechts - zu Recht gefordert wird, ist als eine „erschöpfende“ (= uneingeschränkte) Prüfung einer Ausweisung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der „Zweckmäßigkeit“ im gemeinschaftsrechtlichen Sinn eine umfassende inhaltliche (Rechts-) Kontrolle der Maßnahme in Bezug auf ihre (rechtliche) Übereinstimmung mit dem Zweck der Norm zu verstehen. Zwar hat der EuGH in dem Urteil vom 29.4.2004 (a.a.O.) insoweit das dafür maßgebliche Prüfprogramm nicht aufgeführt. Jedoch lässt sich aus den Anforderungen, die der EuGH im Entscheidungssatz 5 dieses Urteils für die gemeinschaftsrechtliche Unbedenklichkeit einer Ausweisung aufgeführt hat, ersehen, welche Kriterien für die Prüfung der „Zweckmäßigkeit“ maßgeblich sein sollen. Der EuGH hat an dieser Stelle entschieden, dass Art. 39 EG und die RL 64/221/EWG der Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der wegen bestimmter Delikte zu einer bestimmten Strafe verurteilt worden ist und der einerseits eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt und sich andererseits seit vielen Jahren im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat und sich gegenüber dieser Ausweisung auf Umstände familiärer Art berufen kann, nicht entgegen stehen, sofern die von den innerstaatlichen Behörden im Einzelfall vorgenommene Beurteilung der Frage, wo der angemessene Ausgleich zwischen den betroffenen berechtigten Interessen liegt, „unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere unter Wahrung der Grundrechte wie desjenigen auf Schutz des Familienlebens erfolgt“. Daraus ergibt sich, dass im Fall der Ausweisung und anderer aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger eine strenge rechtliche Prüfung anhand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (in seinen Ausprägungen der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit des Ausgleichs zwischen den betroffenen öffentlichen und privaten Interessen [sog. Mittel-Zweck-Relation]) sowie anhand der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte stattfinden muss, wobei auf die Umstände des konkreten Einzelfalls abzustellen ist (zu den einzelnen Kriterien vgl. insbesondere die Begründung in RdNrn. 95 – 99 des Urteils). Hingegen verlangt der EuGH nicht, dass eine Ausweisung ausschließlich nach Ermessen erfolgen darf. Dies folgt auch deutlich aus der französischen Fassung des Urteils. Darin wird der deutsche Rechtsbegriff der „Zweckmäßigkeit“ mit „opportunité“ übersetzt (vgl. RdNr. 110), während in der französischen Rechtssprache Ermessen „pouvoir discrétionnaire“ und freies Ermessen „pouvoir discrétionnaire libre“ bedeutet (vgl. Doucet/Fleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, 1977, Band 2, S. 130 z. Stichwort Ermessen/Verwaltungsermessen).
65 
Die demnach vom EuGH geforderte rechtliche Prüfungsdichte ist in Deutschland durch die Verwaltungsgerichte in vollem Umfang garantiert. Wie der Senat bereits in dem (rechtskräftigen) Urteil vom 28.11.2002 – 11 S 1270/02 – (EZAR 034 Nr. 14 = VBlBW 2003, 289 [Ls]) ausgeführt hat, unterliegt die erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Kontrolle einer Ausweisung im jeweiligen Einzelfall keiner prozessualen Beschränkung; die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung wird in vollem Umfang geprüft und der maßgebliche Sachverhalt von Amts wegen aufgeklärt (s. UA S. 31 ff). Alle Umstände, die von rechtlicher Bedeutung für die Ausweisung sind, werden berücksichtigt und an den rechtlichen Vorgaben - in einer „ersten Stufe“ - des nationalen und - in einer „zweiten Stufe“ - des supranationalen Rechts sowie des zwischenstaatlichen und des Völkerrechts geprüft. Dabei werden die Anforderungen an eine strenge, an den Grundrechten orientierte Verhältnismäßigkeitskontrolle erfüllt. Diese Kontrolle bezieht sich - unter Beachtung des im deutschen Recht gewährleisteten subjektiven Rechtsschutzes - ausschließlich auf den jeweiligen Einzelfall. Ob im nationalen deutschen Recht eine Ist-, Regel- oder Ermessensausweisung vorliegt, ist für die europarechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung unerheblich. Eine solche stringente Rechts- und Verhältnismäßigkeitskontrolle wird den Anforderungen des EuGH an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gerecht; eine weitergehende „Zweckmäßigkeits“-Entscheidung, bei der etwa außer-rechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt würden, wäre zudem mit den Anforderungen der Art. 8 und 9 Abs. 1 RL 64/221/EWG schwerlich vereinbar. Der Befassung einer - weiteren - „zuständigen Stelle“ bedarf es demnach nicht.
66 
Diese Auslegung wird schließlich bestätigt durch die Regelungen in Art. 31 Abs. 1 und Abs. 3 (in Verbindung mit Art. 28) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 (ABl. L 158 S. 77), die „Verfahrensgarantien“ regeln und ersichtlich nicht hinter dem Schutzstandard der RL 64/221/EWG zurückbleiben sollen. In dieser Richtlinie ist die Stellungnahme einer anderen „zuständigen Stelle“ nicht mehr vorgesehen. Nach Art. 31 Abs. 1 dieser Richtlinie müssen die Betroffenen gegen eine Entscheidung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit einen Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats einlegen können. Gemäß Art. 31 Abs. 3 dieser Richtlinie sind im Rechtsbehelfsverfahren die Rechtmäßigkeit der Entscheidung sowie die Tatsachen und die Umstände, auf denen die Entscheidung beruht, zu überprüfen. Es gewährleistet, dass die Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse gemäß Artikel 28 („Schutz vor Ausweisung“) nicht unverhältnismäßig ist. Insoweit ist insbesondere Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie von Bedeutung, der einen Beispielskatalog der wichtigsten in diesem Zusammenhang beachtlichen Beurteilungskriterien enthält. In  Art. 28 Abs. 1 ist geregelt, dass der Aufnahmemitgliedstaat - bevor er eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt - insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat berücksichtigt.
67 
Mit der vorliegenden Entscheidung führt der Senat seine Rechtsprechung fort, die er in dem (rechtskräftigen) Urteil vom 28.11.2002 (a.a.O.) zu den hier maßgeblichen Fragen eingeleitet hat.
68 
III. Die Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung der Abschiebung in der angefochtenen Verfügung begegnen im Übrigen weder nach nationalem deutschem Ausländerrecht noch nach Europäischem Gemeinschaftsrecht rechtlichen Bedenken.
69 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
70 
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 3. Februar 2004 - 6 K 817/03 - aufgehoben.

Gründe

 
Die Beschwerde ist statthaft (§ 146 Abs. 1 VwGO), da es sich bei der Entscheidung, das Verfahren auszusetzen, nicht um eine der in § 146 Abs. 2 VwGO aufgeführten, mit dem Rechtsmittel der Beschwerde nicht anfechtbaren prozessleitenden Maßnahmen handelt (vgl. Kopp, VwGO, 13. Aufl., § 146 RdNr. 12). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ermangelt es dem Beklagten nicht an der für jeden Rechtsbehelf erforderlichen Beschwer; denn der Beklagte hat die Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO nicht beantragt, sondern in seinem Schreiben vom 19.1.2004 dem Verwaltungsgericht Stuttgart lediglich mitgeteilt, dass einer Vorgehensweise des Gerichts nach dieser Vorschrift der Vorzug gegeben werde. In dieser Erklärung kann auch kein Rechtsmittelverzicht gesehen werden. Denn der Hinweis des Beklagten in diesem Schreiben auf den Umstand, dass das Vorabentscheidungsersuchen zu der vom Verwaltungsgericht als maßgeblich angesehenen Rechtsfrage vom Österreichischen Verwaltungsgerichtshof gestellt worden ist, sowie die sich hieran anschließenden Ausführungen, mit denen er nochmals seinen Standpunkt bezüglich der Nichtanwendbarkeit von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221 des Rats der EWG vom 25.2.1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern bekräftigt, machen deutlich, dass er sich des Rechts auf Nachprüfung der gerichtlichen Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht nicht begeben wollte. Überdies könnte ein solcher Rechtsmittelverzicht durch einseitige Erklärung gegenüber dem Gericht wohl auch nur nach Erhalt der rechtsmittelfähigen Entscheidung, nicht jedoch schon zuvor wirksam erklärt werden (vgl. Eyermann/Happ, VwGO, 11. Aufl. § 124 RdNr. 35).
Die Beschwerde ist auch begründet. Für eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Fragen Nr. 1 und 2 des Vorlagebeschlusses des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18.3.2003 - Zlen.EU 2003/0001, 0002-1 (InfAuslR 2003, 217) bzw. über die Frage Nr. 2 des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.11.2001 - 6 K 1307/01 - (InfAuslR 2002, 66) - diese Verfahren waren wohl Anlass der hier angegriffenen Entscheidung - fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen.
Die Aussetzung eines Gerichtsverfahrens bis zur Erledigung eines in einem gleichgelagerten Fall beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV (bzw. Art. 177 EG-Vertrag) in entspr. Anw. des § 94 VwGO ist grundsätzlich zulässig. § 94 Abs. 1 VwGO ist allerdings nicht unmittelbar einschlägig. Denn diese Vorschrift regelt lediglich die Aussetzung mit Blick auf ein anderes Verfahren, in dem es um ein vorgreifliches Rechtsverhältnis geht, während die Vorabentscheidungsverfahren bei  Europäischen Gerichtshof, um derentwillen hier ausgesetzt worden ist, die Klärung von abstrakten Rechtsfragen betrifft. Auf derartige Fälle kann § 94 Satz 1 VwGO jedoch entsprechend angewendet werden, da die Interessenlage vergleichbar ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.9.2001 - 9 S 1464/01 -, DÖV 2002, 35 und BVerwG, Beschluss vom 10.11.2000 - 3 C 3.00 -, BVerwGE 112, 166).
Das Verwaltungsgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass die vom Österreichischen Verwaltungsgerichtshof bzw. vom Verwaltungsgericht Stuttgart dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen auch im vorliegenden Verfahren, das die unter Sofortvollzug verfügte Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand hat, rechtserheblich und damit für die Entscheidung vorgreiflich sind.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit seinem Beschluss vom 20.11.2001 u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (Vorabentscheidungsverfahren C-482/01-)
„Steht Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25.2.1964 einer nationalen Regelung entgegen, die ein Widerspruchsverfahren, in dem auch eine Zweckmäßigkeitsprüfung stattfindet, gegenüber einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet nicht mehr vorsieht, wenn eine bestimmte, von der die Entscheidung treffenden Verwaltungsbehörde unabhängige Stelle nicht eingerichtet wird?“
Der Österreichische Verwaltungsgerichtshof wirft in Ziff. 1 seines Vorabentscheidungsbeschlusses vom 18.3.2003 im Wesentlichen die gleiche Rechtsfrage auf; in Ziff. 2 seines Beschlusses legt er dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Rechtsschutzgarantien der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 zukommt (Vorabentscheidungsverfahren C-136/03-).
Diese dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegten, die Auslegung der Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG betreffenden Fragen sind im vorliegenden Verfahren nicht rechtserheblich, da die Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Klage des Klägers gegen seine Ausweisung nicht von ihrer Beantwortung abhängt. Art. 8 der Richtlinie 64/221/EWG bestimmt, dass ein Betroffener gegen die Verweigerung der Einreise, einer Aufenthaltsgenehmigung oder gegen die Entfernung aus dem Aufnahmeland die Rechtsbehelfe haben muss, die Inländern gegenüber Verwaltungsakten zustehen. Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG ergänzt den Art. 8. Durch ihn soll den Personen, die von einer dieser Maßnahmen betroffen sind, ein Minimum an verfahrensmäßigem Schutz gewährleistet werden, wenn einer der drei besonderen Fälle vorliegt, die Art. 9 Abs. 1 mit den Worten „sofern keine Rechtsmittel gegeben sind oder die Rechtsmittel nur die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung betreffen oder keine aufschiebende Wirkung haben“ umschreibt. Im ersten Fall soll die Möglichkeit der Anrufung einer „zuständigen Stelle“, die eine andere als die für die Entscheidung zuständige Behörde sein muss, das Fehlen jeglichen gerichtlichen Rechtsbehelfs ausgleichen. Im zweiten Fall soll die Einschaltung der zuständigen Stelle eine umfassende Prüfung der Situation des Betroffenen, einschließlich der Zweckmäßigkeit der fraglichen Maßnahme, ermöglichen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen wird. Im dritten Fall soll dieses Verfahren es dem Betroffenen ermöglichen, zu beantragen und ggf. zu erwirken, dass die Vollziehung der geplanten Maßnahme ausgesetzt wird, und ihm so einen Ausgleich dafür bieten, dass es nicht möglich ist, die Vollziehung durch die Gerichte aussetzen zu lassen. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG fordert dabei bei Vorliegen eines dieser drei besonderen Fälle die Einschaltung einer zuständigen Stelle vor Erlass der ausländerrechtlichen Maßnahme (vgl. EuGH, Urteil vom 30.11.1995 - C 175/94 -, Sammlung 1995, I-4253, RdNr. 20). Die - vorherige - Einschaltung einer „zuständigen Stelle“ kann jedoch „in dringenden Fällen“ unterbleiben; diese Ausnahme ist in Art 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG für alle drei Fallgestaltungen ausdrücklich vorgesehen.
Vom Vorliegen eines „dringenden Falles“ in diesem Sinne ist das Regierungspräsidium Stuttgart bei Erlass der gegen den Kläger ergangenen Ausweisungsverfügung vom 20.1.2003 jedoch ausgegangen; denn es hat die Ausweisung des Klägers wegen der von ihm ausgehenden schweren Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung - auch - aus spezialpräventiven Gründen für erforderlich gehalten und hat die Ausweisungsverfügung in der Annahme für sofort vollziehbar erklärt, dass die begründete Besorgnis bestehe, dass sich die vom Kläger ausgehende, mit seiner Ausweisung bekämpfte Gefahr schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren werde. Lag im Fall des Klägers aber ein „dringender Fall“ vor, so folgt hieraus, dass das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren vor einer „zuständigen Stelle“ unabhängig davon, ob diese Vorschrift überhaupt auf den Kläger als türkischen Staatsangehörigen Anwendung finden kann, der Entscheidung über seine Entfernung aus dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht vorauszugehen hatte und dass sein Unterbleiben mithin nicht gegen die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG festgelegten Rechtsschutzgarantien verstößt.
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Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart auf den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 16.7.2203 - 6 K 1757/03 - die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 20.1.2003 wiederhergestellt bzw. angeordnet hat. Denn ungeachtet dessen, dass diese Entscheidung - wohl -auf den Zeitpunkt des Erlasses der Ausweisungsverfügung zurückwirkt (vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 6.3.1992 - 12 Cs 91.3128 -, GewArch 1993, 349; Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 80 RdNr. 86; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 RdNr. 362) bedeutet dies nicht, dass in Wirklichkeit kein „dringender Fall“ im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vorgelegen hat und folglich - zumindest bei Annahme der Anwendbarkeit der Richtlinie 64/221/EWG auch auf türkische Staatsangehörige - das in dieser Vorschrift vorgesehene Rechtsbehelfsverfahren zu Unrecht unterblieben ist. Die Beurteilung der Frage der Dringlichkeit in begründeten Fällen ist nämlich, wie der Europäische Gerichtshof entschieden hat (vgl. sein Urteil vom 5.3.1980 - Rs 98/79 -, Sammlung 1980, 619 RdNrn. 19 und 20) Sache der Verwaltung: Durch das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG vorgesehene Verfahren zur Prüfung und Stellungnahme soll den Gerichten im Rahmen der verfahrensrechtlichen Überprüfung nicht das Recht zur Prüfung der Dringlichkeit einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet verliehen werden. Für die Ausübung derartige Befugnisse durch die innerstaatlichen Gerichte gilt nach Auffassung des EuGH Art. 8 der Richtlinie. Diese Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs machen deutlich, dass der Umstand, dass ein Gericht bei einer ex-post-Beurteilung zu einer anderen Auffassung der Dringlichkeit einer Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet kommt als die Ausländerbehörde, rechtlich nicht die Annahme rechtfertigt, das in Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG ansonsten vorgesehene Verfahren zur Prüfung und Stellungnahme sei zu Unrecht unterblieben.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.