Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anschlussbeitragsbescheid für die öffentliche Schmutzwasseranlage Hagenow.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des 536 Quadratmeter großen Grundstücks L.-Straße X in C, bestehend aus den Flurstücken 31 und 32 der Flur 1, Gemarkung C, verzeichnet im Grundbuch von C, Blatt 1000.

3

Mit Bescheid vom 17.12.2008 erhob der Beklagte erstmals für dieses Grundstück einen Anschlussbeitrag für die Abwasserbeseitigung. Die nach erfolglosem Widerspruch dagegen beim Gericht erhobene Anfechtungsklage – 4 A 796/09 – haben die Beteiligten nach Aufhebung des Bescheides durch den Beklagten für erledigt erklärt. Hintergrund für die Bescheidsaufhebung war das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 18.06.2009 in einem Parallelverfahren – 8 A 2316/02 –, das mit Beschluss des OVG Greifswald vom 23.10.2012 – 1 L 127/09 – bestätigt worden war. In den genannten Entscheidungen waren die Gerichte zu dem Ergebnis gelangt, dass die bis dahin geltenden Beitrags- und Gebührensatzungen des Abwasserzweckverbandes Hagenow und Umlandgemeinden nichtig waren, da sie keine hinreichende Regelung des abgabebegründenden Tatbestandes enthielten.

4

Nach Reparatur des Satzungswerks zog der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 12.05.2014 erneut zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 3425,04 € heran. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2015, zugestellt am 11.02.2015, zurück.

5

Am 09.03.2014 hat die Klägerin die vorliegende Anfechtungsklage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor:

6

sie habe das Grundstück im September 2001 im Wege des Zuschlags aus dem Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Zu diesem Zeitpunkt seien sowohl die Arbeiten für die Erweiterung des Klärwerks wie auch des Kanalnetzes, die dem Beitragsbescheid zu Grunde lägen, abgeschlossen gewesen. Die Forderung des Beklagten stehe unmittelbar und nicht abdingbar mit dem von ihr ersteigerten Grundstück im Zusammenhang. Der Beklagte habe deshalb zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung seine Forderung – mindestens dem Grunde nach – bereits anmelden müssen. Da dies nicht erfolgt sei, habe sie durch den Beschluss des Amtsgerichts C-Stadt das Grundstück lastenfrei erworben.

7

Die Klägerin beantragt,

8

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 12.05.2014 und seinen Widerspruchsbescheid vom 06.02.2015 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er verteidigt die ergangenen Bescheide mit Rechtsausführungen.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

13

Das Gericht entscheidet in der Besetzung des Einzelrichters, nachdem die Kammer nach Anhörung der Beteiligten diesem die Streitsache zur Entscheidung übertragen hat, § 6 Abs. 1 VwGO.

14

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten hierzu gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ihr Einverständnis erklärt haben.

15

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

16

Die Klägerin irrt, wenn sie davon ausgeht, dass der Beklagte die streitbefangene Beitragsforderung bereits im Zwangsversteigerungsverfahren im Jahre 2001 vor Zuschlagserteilung durch das Amtsgericht an die Klägerin hätte anmelden müssen.

17

§ 4 der Beitrags- und Gebührensatzung des Abwasserzweckverbandes Hagenow vom 21.05.2013 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 21.11.2013 lautet:

18

„Die Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Abwasserbeseitigung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung.“

19

Diese Regelung des Satzungsgebers stimmt wortwörtlich mit der des Landesgesetzgebers in § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V überein.

20

Mit dem Entstehen der sachliche Beitragspflicht ruht diese – ohne Grundbucheintragung – als öffentliche Last auf dem Grundstück (vergleiche § 7 Abs. 6 KAG M-V und BVerwG, Urteil vom 22.02.1985 – 8 C 107/83 –, DVBl 1985 S. 623, 624 und juris). Die persönliche Beitragspflicht ist noch später entstanden, nämlich erst mit Bekanntgabe des Beitragsbescheids an den Grundstückseigentümer, also die Klägerin. Vorliegend war mangels einer wirksamen Beitragssatzung die sachliche Beitragspflicht im Jahre 2001 noch nicht entstanden. Sie entstand erst nach der Nachbesserung der Beitrags- und Gebührensatzung des Abwasserzweckverbandes Hagenow und Umlandgemeinden durch die 7. Änderungssatzung. Deshalb hat die Klägerin ihr Grundstück durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung im Jahr 2001 zwar lastenfrei erworben, jetzt aber kein Abwehrrecht gegen ihre Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag.

21

Die in der Kammer zwischenzeitlich aufgekommen gewesenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Kommunalabgabengesetzes M-V (vergleiche Aussetzungs- und Vorlagebeschluss zum Bundesverfassungsgerichts vom 31.03.2016 – 4 A 94/11 –, juris), hat der Landesgesetzgeber mit dem sogenannten Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes M-V vom 14.07.2016 (GVOBl. S. 584) beseitigt, indem er im geänderten §§ 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V die verfassungsrechtlich geforderte absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung gesetzt hat. Die Kammer hat ihren Aussetzungs- und Vorlagebeschluss deshalb mittlerweile aufgehoben. Die nunmehr geregelte absolute Heranziehungsfrist wird erst mit Ablauf des Jahres 2020 erreicht. Gegen diese Neuregelung bestehen keine Bedenken (Urteil der Kammer vom 05.09.2016 – 4 A 206/13).

22

Weitere Ausführungen sind nicht veranlasst.

23

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 167 Abs. 2 VwGO wird davon abgesehen, sie für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

24

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 VwGO).

25

Beschluss

26

Der Streitwert wird auf 3425,04 € festgesetzt, § 52 Abs. 3 GKG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

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(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn 1. die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und2. die Rechtssache keine grundsä

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Tenor

Der Bescheid vom 14. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2002 wird aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisteten.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem sie zu Anschlussbeiträgen für die Niederschlagswasseranlage herangezogen wurden.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks W-Straße 23 in H (Gemarkung von H, Flur X, Flurstück Y) mit einer Größe von 1.066 m².

3

Mit Bescheid vom 14. Februar 2001 veranlagte der Beklagte die Kläger zu einem Anschlussbeitrag für den Anschluss an die Niederschlagswasseranlage in Höhe von 2.132,00 DM.

4

Gegen den Bescheid legten die Kläger Widerspruch ein und führten zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Veranlagung unzutreffend sei. Die angenommene Grundflächenzahl von 0,4 treffe nicht zu. Nach der tatsächlichen Bebauung dürfte nur ein Faktor von 0,2 angesetzt werden. Weiter meinten sie, dass durch den Anschluss kein wirtschaftlicher Vorteil entstanden und die Kalkulation fehlerhaft sei.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2002 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass sich das Grundstück nach dem Flächennutzungsplan der Stadt H in einem Wohngebiet befinde. Demgemäß sei nach § 6 Abs. 4 Buchstabe b der Satzung die Grundflächenzahl von 0,4 festzusetzen. Die Kalkulation sei rechtmäßig erfolgt, ein Restbuchwert für die Altanlage sei nicht eingeflossen. Die Veranlagung des Grundstücks sei daher rechtmäßig erfolgt. Der Bescheid wurde am 31. Juli 2002 zugestellt.

6

Hiergegen haben die Kläger am 21. August 2002 zur Niederschrift des Gerichts Klage erhoben. Sie haben ihr bisheriges Vorbringen vertieft und ergänzend vorgetragen, bei der Kalkulation seien die Fördermittel nicht berücksichtigt worden und sie enthalte keinen zeitlichen Bezugsrahmen. Zudem sei das Grundstück bereits vor 1945 an eine zentrale Niederschlagswasserentsorgungsanlage angeschlossen gewesen. Demgemäß könne kein erstmaliger Beitrag erhoben werden.

7

Die Kläger beantragen,

8

den Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2002 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er meint, dass die danach maßgebende Satzung zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides nichtig gewesen sei. Der Bescheid könne aber nunmehr auf die erste wirksame Beitragssatzung vom 21. Mai 2003 gestützt werden. Diese Satzung beruhe auf einer überarbeiteten Beitragskalkulation. Der Beitragssatz sei unverändert geblieben, so dass der Bescheid ab Inkrafttreten dieser Satzung auf einer wirksamen Rechtsgrundlage beruhe. Dass das Grundstück schon früher an eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen sei, sei nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald unerheblich. Das Grundstück könne auch tatsächlich angeschlossen werden, so dass auch ein Vorteil bestehe. Die konkrete Veranlagung des Grundstückes sei rechtmäßig, da es als Wohngebietsgrundstück korrekt mit 0,4 bewertet worden sei.

12

Zwischenzeitlich hat der Beklagte die Beitrags- und Gebührensatzung vom 21. Mai 2003 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 13. November 2008 beschlossen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

15

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beitragsbescheid vom 14. Februar 2001 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2001 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die dem Beklagten als Ermächtigungsgrundlage dienende Beitrags- und Gebührensatzung vom 31. Mai 2003 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 13. November 2008 (BGS 2003/ II) ist nichtig, soweit sie die hier streitige Anlage betrifft. Dies gilt auch für die Vorgängersatzung in ihrer ersten Änderungsfassung (BGS 2003/I).

16

Nach § 2 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz M-V in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (KAG M-V) dürfen Abgaben nur auf Grund einer Satzung erhoben werden. Die Satzung muss den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie den Zeitpunkt ihrer Entstehung und ihrer Fälligkeit angeben. Die vorliegende Beitrags- und Gebührensatzung enthält keine wirksame Festsetzung des die Abgabe begründenden Tatbestandes und eine fehlerhafte Festsetzung des Beitragssatzes.

17

Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle über eine Anfechtungsklage ist der Verwaltungsakt, wie er von der Behörde erlassen wurde. Die gerichtliche Prüfung erfolgt grundsätzlich an Hand der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sach- und geltenden Rechtslage (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.04.2000 - 3 C 6/99 -, NVwZ 2001, 322). Im Anschlussbeitragsrecht wird von diesen Grundsätzen insofern eine Ausnahme gemacht, als ein zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid rechtmäßig wird und dies im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen ist, wenn der Bescheid auf eine zwischenzeitlich ergangene, wirksame Satzung gestützt werden kann, der angefochtene Bescheid mithin nicht mehr aufzuheben ist (OVG Greifswald, Beschl. v. 19.12.2001 - 1 M 84/01 -, NordÖR 2002, 268). Unter diesen Gesichtspunkten ist der Bescheid an Hand der letzten gültigen Satzung zu beurteilen, auch wenn der Beklagte sich im vorliegenden Verfahren nicht auf diese Satzung berufen und keine Veröffentlichungsnachweise hierfür vorgelegt hat. Die Regelung zum Flächenansatz in § 6 Abs. 3 c BGS 2003/II verstößt gegen das Vorteilsprinzip und den Gleichheitssatz. Die Satzung sieht eine Tiefenbegrenzung für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich von 50 m vor (sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung). Der Ortsgesetzgeber statuiert damit eine widerlegbare Vermutung, dass die diesseits der Tiefenbegrenzung liegende Fläche Bauland und die jenseits der Tiefenbegrenzung liegende Fläche dem bevorteilten Bauland nicht mehr zuzurechnen ist. Damit besteht ein sachlicher Grund für die mit der Tiefenbegrenzungsregelung verbundene Differenzierung, die grundsätzlich für zulässig erachtet wird (OVG Greifswald, Beschl. v. 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, NordÖR 2004, 262; VG Schwerin, Urt. v. 25.01.2007 - 4 A 217/06 - m.w.N.). Die Kammer ist der Auffassung, dass im Recht der leitungsgebundenen Einrichtung eine sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen, den örtlichen Verhältnissen durchaus entsprechen kann. Voraussetzung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung ist jedoch, dass die hiermit vom Satzungsgeber ausgesprochene Vermutung, die bauliche Ausnutzbarkeit der betroffenen Grundstücke ende an der Tiefenbegrenzungslinie, tatsächlich den örtlichen Verhältnissen im Bereich der jeweiligen öffentlichen Einrichtung entspricht (OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 a.a.O.). Diese örtlichen Verhältnisse sind vor Beschlussfassung durch den Satzungsgeber zu ermitteln und zwar wegen der typisierenden Festlegung in allen Bereichen des von der Anlage betroffenen Gebietes (OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 - 4 K 22/94 - KStZ 1996, 114; Urt. v. 13.11.2001 a.a.O.).

18

Nachvollziehbare Unterlagen zum Ergebnis solcher Ermittlungen der örtlichen Verhältnisse hat der Beklagte nicht vorgelegt. Der Kammer erscheint auch unklar, weshalb der Beklagte für die Schmutzwasseranlage in § 5 Abs. 3 Nr. c BGS 2003/II eine Tiefenbegrenzung von 40 m angenommen hat, für die Niederschlagswasserbeseitigung hingegen eine Tiefenbegrenzung von 50 m angenommen hat. Eine plausible Erklärung für diese Unterscheidung ergibt sich aus den vorgenannten Unterlagen nicht.

19

Darüber hinaus verstößt die Regelung in § 6 Abs. 3 c 2. Abs. BGS 2003/II gegen den Gleichheitsgrundsatz. Danach ist bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer in Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele zu veranlagen. Warum der Beklagte eine Sonderregelung für sogenannte Pfeifenstielgrundstücke getroffen hat, erschließt sich nicht. Folge dieser Regelung ist, dass die Zuwegung zum Grundstück von der Straße aus außer Betracht bleibt. Einen Grund für diese Regelung unter beitragsrechtlichen Gesichtspunkten für die Niederschlagswasseranlage, ist nicht zu erkennen, zumal es sich bei der Zuwegung zum Grundstück um typischerweise versiegelte Flächen handeln dürfte.

20

Darüber hinaus ist auch der Beitragssatz des Beklagten falsch kalkuliert. Ausweislich der vorgelegten Kalkulation betragen die Gesamtkosten der Anlage abzüglich der Zuschüsse 8.936.189,81 Euro. Von diesen Kosten beabsichtigt der Beklagte 1.213.207,04 Euro durch Beiträge zu finanzieren. Der verbleibende Betrag von 7.722.982,77 Euro ist durch Kredite zu finanzieren. Der beitragsfinanzierte Anteil an der Gesamtanlage beträgt daher nur ca. 13, 5 %. Hingegen werden 86,5 % fremdfinanziert. Dies führt nach Auffassung der Kammer zu einer unzulässigen Kalkulation des Beitragssatzes. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sollen Anschlussbeiträge zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen Einrichtung und leitungsgebundenen Abwasserentsorgungen erhoben werden (Sauthoff in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/05, § 8 Rn. 1613; VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007, 4 A 1319/06 -). Ein einschränkungsloses Wahlrecht des Aufgabenträgers statt eines "Beitragsmodell", ein reines Gebührenmodell einzuführen besteht damit nicht. Die Sollregelung macht deutlich, dass ein reines Gebührenmodell nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zulässig ist (vgl. so auch Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07 § 9 Anm. 21). Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung von Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 KAG M-V ist daher auf sogenannte atypische Fälle beschränkt. Derartige Besonderheiten sind beim Beklagten nicht zu erkennen.

21

Im Rahmen der oben dargestellten Grundsätze steht dem Satzungsgeber aber ein Beurteilungsspielraum zu, welchen Anteil er gebührenfinanziert und welchen Beitrag er beitragsfinanziert vornimmt. Dies führt nach der auf Grund der oben genannten Sollregelung dazu, dass der Aufgabenträger bei der Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen muss (VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008 - 3 A 1395/05). Nach der Rechtsprechung wird ein Deckungsgrad von 70 % weitestgehend für zulässig erachtet (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64). Ein Verstoß gegen diese Maßgabe führt zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und der darauf beruhenden Beitragssätze (VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008 a.a.O.). Das Gericht schließt sich der Auffassung des VG Greifswald an, wonach das mit der Sollregelung verbundene Regelungsziel, nämlich die Senkung des Fremdkapitalbedarfs für die Anschaffung und Herstellung leitungsgebundener Anlagen der Abwasserbehandlung den Rahmen vorgibt, in denen Ausnahmen zulässig sind. Denn nach allgemeinen Grundsätzen dürfen Ausnahmen nicht beliebig zugelassen werden, vielmehr muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Regel und der Ausnahme vorhanden sein (vgl. VG Greifswald a.a.O.) Die Kammer ist der Auffassung, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprach, die Kreditbelastung der Aufgabenträger möglichst gering zu halten (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 a.a.O., einschränkend VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008, a.a.O.). Dabei geht das Gericht, wie auch die 4. Kammer des VG Schwerin davon aus, dass ein atypischer Fall dann vorliegen kann, wenn mit der Erstellung eines Beitragssatzes und der Erhebung des von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre, der die Erhebung ad absurdum führt. Beim Beklagten hingegen wird aber genau das Gegenteil erreicht. Der Beklagte führt einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand durch, um sodann nur einen minimalen Anteil des Gesamtbedarfes durch Beiträge zu decken und den Großteil der Kosten fremd zu finanzieren. Mit einer Fremdfinanzierung von 86 % hat der Ortsgesetzgeber seinen eingeräumten Ermessensspielraum i.d.R. deutlich überschritten.

22

Der angefochtene Bescheid war daher aus den oben genannten Gründen aufzuheben.

23

Der Beklagte hat als Unterlegener gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ficht einen Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid an.

2

Er ist durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Wismar vom 9. Dezember 2011 Eigentümer des Gebäudeeigentums am Grundstück in der M.straße a in N. geworden. Das Grundstück besteht nunmehr aus dem 797 m² großen Flurstück d der Flur z, Gemarkung N.. Das Flurstück ist durch Verschmelzung der Flurstücke b und c entstanden, was im – 25. Juni 2014 geschlossenen - Grundbuch von N., Blatt e, im April 2012 berichtigt wurde. Zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids war der Kläger weiterhin Gebäudeeigentümer (damaliges Gebäudegrundbuch von N., Blatt f) und Inhaber des dinglichen Nutzungsrechts an diesem Grundstück. Beide Eigentumsrechte wurden am 25. Juni 2014 durch Aufhebung des gesonderten Gebäudeeigentums vereinigt und zwei andere Personen – wohl Eheleute - nach Auflassung am gleichen Tag als („normale“) Grundstückseigentümer eingetragen.

3

Mit Schreiben vom 21. August 2006 war das Amt N.-Warin für die Stadt N. als damalige Eigentümerin des Grundstücks, für das das dargestellte dingliche Nutzungsrecht des Eigentümers des Gebäudes auf dem Grundstück besteht, von der Beklagten zur beabsichtigten Erhebung von Herstellungsbeiträgen zur „Schmutzwassererschließung“ für das Grundstück angehört worden.

4

Die Beklagte erhob mit Bescheid über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser vom 9. August 2012 vom Kläger, der darin als „Nutzungsberechtigter“ bezeichnet wird, einen solchen Beitrag in Höhe von 2.479,70 €.

5

Im gleichen Monat legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2013 zurückwies. Auch dort wird davon ausgegangen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids als Nutzungsberechtigter des veranlagten Grundstücks Beitragspflichtiger gewesen und es bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids sei.

6

Am 13. Februar 2013 hat der Kläger daraufhin Klage erhoben, mit der er vorträgt:

7

Er sei Eigentümer des Grundstücks.

8

Ein Anschluss an die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage sei vor mehr als 20 Jahren erfolgt. Nach alledem sei zwischenzeitlich Festsetzungsverjährung eingetreten.

9

Offensichtlich sei der Verwaltungsvorgang nicht vollständig. Es gebe keine Vorgänge zwischen dem 21. August 2006 und dem 27. Januar 2012 in der Akte.

10

Die Stadt N. sei mit Schreiben vom 21. August 2006 bereits zur Zahlung der Herstellungsbeiträge zur Schmutzwassererschließung herangezogen worden.

11

An der bisher üblichen Rechtsprechung zur Festsetzungsverjährung sei nicht weiter festzuhalten. Die zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben sei ausweislich des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08) verfassungswidrig. Auf die weiteren Ausführungen in den Schrift-sätzen vom 22. April und 23. Mai 2013 wird verwiesen.

12

Der Kläger beantragt,

13

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 9. August 2012 und ihren Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2013 aufzuheben.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen,

16

und trägt dazu vor:

17

Die Festsetzungsverjährungsfrist von vier Jahren beginne erst zu laufen, wenn die Beitragspflicht dem Grunde nach entstanden sei. Dies setze eine rechtmäßige Satzung voraus, die erst seit 2010 zur Verfügung stehe.

18

Es seien keine weiteren Unterlagen bezüglich des Grundstücks vorhanden. Es seien keine weiteren Anschlussbeitragsbescheide hinsichtlich des Grundstücks ergangen. Die Anhörung der Stadt N. habe nicht in eine Bescheidung gemündet, mutmaßlich, da sodann neuerlich Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Satzung aufgekommen seien. Der Vorgang sei vielmehr so lange nicht ergänzend bearbeitet worden, bis Satzungsklarheit bestanden habe.

19

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. Juli 2016 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

21

Der Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid der Beklagten vom 9. August 2012 ist – ebenso wie ihr Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2013 – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

22

A) Der Beitragsbescheid kann sich auf eine wirksame Rechtsgrundlage stützen.

23

I. Das Gericht ist seit seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2011 (Az. 8 A 560/10, juris) der Auffassung, dass der beklagte Zweckverband mit der Satzung vom 3. März 2010 - hier in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 25. April 2012, die lediglich § 3 neu gefasst hat - über wirksames Satzungsrecht zur Erhebung von Schmutzwasseranschlussbeiträgen verfügt.

24

Die Kammer hat dazu im – wenngleich nicht rechtskräftigen - Urteil vom 11. April 2013 (4 A 1250/12) ausgeführt:

25

„Der Zweckverband, die Körperschaft des Beklagten, ist rechtlich existent. Sie (Er, Anm. des erkennenden Gerichts) verfügt über eine wirksame Satzung zur Erhebung von Beiträgen. Diese Satzung entspricht den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V), das Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern selbst verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

26

Zur Gründung und Existenz des Beklagten (des Zweckverbands, Anm. des erkennenden Gerichts), hat das Gericht schon in seiner Entscheidung vom 15. März 2011 (siehe unten, 8 A 547/11, dokumentiert bei juris) Stellung genommen, daran hält das Gericht weiter fest. Ebenso hält das Gericht an seinen Ausführungen zur Wirksamkeit der beschlossenen Beitragssatzung fest. Es handelt sich … um die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes.

...

27

Nach § 9 Abs. 3 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle von 2005 klargestellt, was zuvor seit 1999 ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald war, dass Beiträge nur erhoben werden können, wenn sie auf eine rechtswirksame Satzung verweisen können (OVG Greifswald, Besch[l]. v. 08.04.1999 – 1 M 41/99). Dies hat die Kammer seit jeher ebenso gesehen ...

28

29

3. Wie das Verwaltungsgericht Schwerin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,

30

- vgl. … etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 88 ff. mwN -

31

entspricht die den angegriffenen Bescheiden nunmehr zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2010) des Zweckverbandes in der Fassung vom 3. März 2010 den Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern(,) und ist damit wirksam.

32

a) Sie enthält die nach § 2 Abs. 1 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestbestandteile. Die in den drei Urteilen des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09, 1366/09 und 1369/09 - (letzteres … [ist] veröffentlicht [in] juris, Rn. 14 ff.) monierten Regelungen der Beitragssatzung Schmutzwasser in der Fassung vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) sind beseitigt bzw. ergänzt worden. Die Widersprüchlichkeit der Vorschriften der Satzung in § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 einerseits und § 6 Abs. 5 f) BSSW 2009 andererseits bezüglich der Zahl der Vollgeschosse, sofern solche nicht feststellbar sind, ist durch Streichung des § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 beseitigt worden. Die weiterhin beanstandete Bestimmung des § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 bezüglich von vor dem 30. April 1994 entsprechend bisherigen Rechts errichteten Gebäuden ist um folgenden Satz ergänzt worden:

33

"[...]; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen."

34

Damit hat der Satzungsgeber eine bestimmbare lichte Höhe für weitere Vollgeschosse festgelegt, die als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach dem genannten Stichtag errichteten Gebäuden erscheint oder diese jedenfalls relativiert. Solche oder ähnliche Bestimmungen bei anderen Zweckverbänden sind von der Kammer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden.

35

b) ... [Es] wird gegen die Bestimmung des Gegenstandes der Beitragspflicht in § 3 BSSW geltend gemacht, Absatz 2 dieser Vorschrift sei kein Auffangtatbestand, sondern die gegenüber Absatz 1 speziellere Regelung. Diese Bestimmungen lauten:

36

(1) Der Beitragspflicht zur Deckung des Aufwandes nach §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Satz 1 unterliegen alle Grundstücke, die an die betriebsfertige öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen sind bzw. angeschlossen werden können und

37

a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen oder

38

b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsanschauung Bauland sind und sie nach der geordneten baulichen Entwicklung der Verbandsmitgliedsgemeinde zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen oder

39

c) wenn sie bebaut sind.

40

(2) Wird ein Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind.

41

(3) […]

42

Das Gericht vermag die rechtliche Relevanz dieses Vortrags nicht zu erkennen. Es hat bereits im Urteil vom 10. Oktober 2011 (juris Rn. 94) entschieden, dass die genannten Bestimmungen nicht nichtig sind, weil unklar sein könnte, wie diese Vorschrift sich zu den Absätze 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 stelle eine Auffangvorschrift für den Fall dar, dass das Grundstück eines Eigentümers tatsächlich angeschlossen ist, obgleich die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BSSW 2010 nicht erfüllt seien. Lediglich in diesem Fall sei ein Beitrag zwingend zu erheben. Dies ist auch vor-teilsgerecht, weil das angeschlossene Grundstück von den Vorteilen der Schmutzwasseranlage des Zweckverbandes profitiert. Auch das OVG M-V hat eine solche Regelung in einer Schmutzwasserbeitragssatzung eines anderen Zweckverbandes nicht beanstandet.

43

Vgl. zur Schmutzwasserbeitragssatzung Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006: OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 und - 4 K 10/4 K 10/07 -, juris Rn. 33 ff. bzw. Umdruck, S. 14 (unter f)).

44

c) ... (D)ie Vollgeschossregelung in § 6 Abs. 5 BSSW 2010 (ist) nicht zu beanstanden. Die Vorschrift lautet im Kontext mit Absatz 4:

45

(4) Der Nutzungsfaktor eines Grundstückes wird anhand der Zahl der Vollgeschosse eines Gebäudes wie folgt bewertet:

46

a) das 1. Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 1,0;

47

b) jedes weitere Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 0,5;

48

c) abweichend von den Buchstaben a) und b) wird Gemeinbedarfs- bzw. Grünflächengrundstücken, für die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist und deren Fläche aufgrund ihrer Zweckbestimmung nur zum untergeordneten Teil mit Gebäuden bebaut sind oder bebaut werden dürfen (Friedhöfe, Freibäder, Sportplätze, Parkanlagen) ein Nutzungsfaktor von 0,3, für Campingplätze ein Nutzungsfaktor von 0,5 zugeordnet.

49

(5) Als Zahl der Vollgeschosse nach Abs. 4 gelten:

50

a) soweit ein B-Plan oder ein Vorhaben bezogener B-Plan besteht, die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse;

51

b) soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, sondern nur die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln Beitragssatzung Schmutzwasser auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die höchstzulässige Gebäudehöhe, sondern nur eine Baumassenzahl bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Ist in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, jedoch sowohl die höchstzulässige Gebäudehöhe als auch die höchstzulässige Baumassenzahl bestimmt, ist die höchstzulässige Gebäudehöhe maßgeblich;

52

c) soweit kein B-Plan oder Vorhaben bezogener B-Plan besteht oder in einem solchen Plan weder die Zahl der Vollgeschosse, noch der höchstzulässigen Gebäudehöhe, noch die höchstzulässige Baumassenzahl angegeben sind

53

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

54

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse,

55

d) […]

56

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt […].

57

Diese Satzungsbestimmung wird ... unter Hinweis auf unterschiedliche bauplanungsrechtliche Festsetzungen in Bebauungsplänen im Zweckverbandsgebiet insoweit beanstandet, als bei fehlenden Angaben zur Anzahl der Vollgeschosse in den Bebauungsplänen (I, II usw.) keine anderen Parameter wie First- oder Traufhöhe (FH, TH) genannt werden. Ferner bleibe unklar, was gelte, wenn in einem Bebauungsplan ohne Angabe von Vollgeschossen sowohl First- als auch Traufhöhe bezeichnet würde. Damit werde dem Beklagten ein Ermessen eingeräumt, was unzulässig sei.

58

aa) Die genannte Bestimmung ist weder zu unbestimmt noch vorteilswidrig. Fehlt es im Bebauungsplan an einer Festlegung der Vollgeschosse, gilt zunächst § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010. Danach ist auf die bauplanungsrechtlich höchstzulässige Höhe der baulichen Anlage abzustellen. Die Anzahl der Vollgeschosse wird durch den Divisor 2,6 mit kaufmännischer Rundung ermittelt. Höchstzulässige Höhe ist jedenfalls die Firsthöhe sowie die klägerseitig genannte (ggf. maximale) Oberkante einer baulichen Anlage (OK [max]). Die festgesetzte Firsthöhe ist eine Gesamthöhe

59

- so auch Dürr/Sauthoff, Baurecht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Aufl. 2006, Rn. 394 -

60

und damit die höchstzulässige Gebäudehöhe im satzungsrechtlichen Sinn. Danach ist es möglich, über die Traufhöhe, also dem Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dach (vgl. Dürr/Sauthoff, aaO) hinaus noch einen First zu errichten. Zwar mag es zulässig sein, bis zur Trauf- oder Firsthöhe ein Gebäude mit einem Flachdach zu errichten, sofern weitere bauplanungsrechtliche Vorgaben (etwa hinsichtlich der Dachform) fehlen. Allerdings dürfte auch dann eine Firsthöhe vorhanden sein, weil dieses Dach leicht geneigt sein muss, damit das Regenwasser abfließen kann. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, dass bauplanungsrechtlich die Möglichkeit besteht, bis zur Firsthöhe zu bauen. Unter Berücksichtigung der baulichen Ausnutzbarkeit der konkreten bauplanungsrechtlichen Vorgaben ist von der Firsthöhe als höchstzulässige Höhe auszugehen. Ob sich daraus ein (oder mehrere) Vollgeschoss(e) im Sinne der Satzungsdefinition des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2010 ergeben, ist dann eine Frage der Anwendung der Satzung im Einzelfall.

61

bb) Sofern sich die Firsthöhe nicht aus dem Bebauungsplan ergibt, greift die Auffangregelung des § 6 Abs. 5 c) BSSW 2010, da sich in diesen Fällen keine höchstmögliche Gebäudehöhe ermitteln lässt. Demnach wäre nach dieser Vorschrift entweder auf bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse oder bei unbebauten Grundstücken die in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Ein Auswahlermessen steht dem Beklagten insoweit nicht zu.

62

cc) Soweit darauf hingewiesen wird, in einem Bebauungsplan (Nr. 3 der Gemeinde G.) sei im Gewerbegebiet eine Gebäudehöhe im Höchstmaß über HN [= Höhennull] mit 101 m genannt, ist klarzustellen, dass es sich bei HN um den in der DDR gebräuchlichen Bezugspunkt für das Höhensystem gehandelt hat (dem sog. Kronstädter Pegel), der – mit späteren Änderungen – im Wesentlichen auf dem mittleren Meeresspiegel des Finnischen Meerbusens abstellte.

63

Näher: Kronstädter Pegel, in: www.wikipedia.de

64

Demnach ist von den festgesetzten 101 m über HN die jeweilige im Bebauungsplan auch mitgeteilte Geländehöhe abzuziehen. Im konkreten Bebauungsgebiet wären dies ca. 85 m, so dass Gebäude von maximal 16 m Höhe errichtet werden dürften. Dies ergäbe sechs Vollgeschosse.

65

cc) [dd, Anm. des erkennenden Gerichts] Der Bebauungsplan Nr. 5 der Gemeinde G. enthält die Festsetzung maximale Oberkante (OK max) für Windkrafträder (WEA) 100 m. Dies ist für die beitragsrechtliche Bestimmung der Vollgeschosse unerheblich. Nach § 6 Abs. 4 BSSW 2010 sind für die Berechnung des Beitrags nur die Vollgeschosse von Gebäuden maßgebend. Dies hat auch nach Inhalt, Regelungszusammenhang und Zweck der Satzungsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften zu gelten, selbst wenn dort von ‚baulichen Anlagen’ die Rede ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V sind Gebäude u. a. geeignet oder bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Windkrafträder sind demnach zwar bauliche Anlagen, aber ersichtlich keine Gebäude.

66

d) Die Kalkulation des in § 7 Abs. 1 SWBS festgesetzten Beitragssatz in Höhe von 3,10 € je Quadratmeter anrechenbarer Nutzfläche begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

67

aa) Das Gericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung einerseits nicht auf die von Klägerseite geltend gemachten Mängel beschränkt. Sind objektiv mehrere Rechtsfehler vorhanden, so ist das Gericht insbesondere nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen. Das gerichtliche Verfahren dient nicht - wie etwa ein behördliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren - einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.

68

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Februar 2001 – 4 BN 21.01 -, juris Rn. 12 für das Normenkontrollverfahren.

69

Andererseits untersucht das Gericht die Kalkulation nur insoweit auf Rechtsfehler, als solche von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht werden. Das Gericht geht diesbezüglich nicht ‚ungefragt auf Fehlersuche’.

70

Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, juris LS 2 und 3 und Rn. 43 mwN.

71

Bei Beachtung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

72

bb) Bereits im zitierten Urteil vom 22. Januar 2010 (juris Rn. 26 ff.) hat das Gericht ausführlich zur Kalkulation der Beitragsatzung Schmutzwasser 2009 Stellung genommen und keine Fehler festgestellt. Darauf wird zunächst hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind auch die Flächenermittlungen des Zweckverbandes erörtert und nicht beanstandet worden. Daran ist festzuhalten. Einzelne Flächenermittlungen werden im vorliegenden Fall auch nicht substantiiert angegriffen.

73

cc) ... [Es] wird weiter die Auffassung vertreten, dass mit der (rechtlichen oder faktischen) Einbeziehung von aus DDR-Zeiten übernommenen Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage diese Anlagen beitragsrechtlich als hergestellt gelten müsste. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt beitragsrechtlich keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne. Sie ist lediglich ein unselbständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird.

74

Vgl. OVG M-V, Beschl. v. 21. April 1999 – 1 M 12/99-, juris LS 4 und Rn. 22; Urt. v. 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 -, juris Rn. 17 mwN.

75

Nur für Investitionen, die nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgt sind, können Herstellungsbeiträge erhoben werden.

76

Vgl. näher Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 2.5.2.2 mwN aus der Rechtsprechung des OVG M-V.

77

Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung ‚Schmutzwasserentsorgung’ wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für ‚Altanschließer’ als auch für neu angeschlossene Grundstücke.

78

Vgl. OVG M-V, Beschl. vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 - NordÖR 1999, 302 = juris Rn. 16 ff.

79

Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48). Nach allem ist auch bei einem bereits vorhandenen Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks auszugehen.

80

Da die Alt- und Neuanschließer durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage die gleichen Vorteile genießen, sind ... auch die Kosten der technischen Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erstellten Schmutzwasseranlagen aus der aktuellen Beitragskalkulation einzubeziehen. In den beiden (nicht veröffentlichten) Urteilen vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09 und 1366/10 - hat das Gericht diesbezüglich hinsichtlich der Beitragskalkulation ergänzend ausgeführt, dass die

81

‚nach 1990 durchgeführte (technisch betrachtet) Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erbauten Anlageteilen beitragsrechtlich gesehen keine Erneuerung [ist], sondern erstmalige Herstellung einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Deshalb bedarf es insoweit auch keiner Beitragssatzung über Erneuerungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Nur wenn diese Anlagenteile danach nochmals erneuert werden, sind die dadurch verursachten Kosten Erneuerungskosten, die beitragsrechtlich nicht als Herstellungsaufwand berücksichtigt werden dürfen.’

82

Danach durfte der Zweckverband die gelegentlich... monierte Einstellung von Kosten für die die technische Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten hergestellten Kanalsystemen bei der Beitragskalkulation als Herstellungskosten berücksichtigen.

83

Der in der Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt und neu angeschlossene Grundstücke verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot, sondern ist sogar geboten. Dieser Beitragssatz gilt gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes (KAG 1991) an die Schmutzwasserentsorgung angeschlossen waren, und für danach (neu) angeschlossene Grundstücke. Dies Ergebnis entspricht sowohl der Rechtsprechung der Kammer als auch derjenigen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern.

84

Vgl. OVG M-V, Urt. v. 6. Februar 2007 – 1 L 295/05 -, juris Rn. 7; Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris LS und Rn. 16 ff. je mwN; VG Schwerin, Urteile v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 –, v. 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – juris Rn. 39 mwN; v. 27. Mai 2011 – 8 A 898/10 -, juris Rn. 65 ff. und vom 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 163 ff.

85

dd) Die Klägerseite beanstandet weiter, dass die mit Übernahme von Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes im Rahmen der Gebührenkalkulation vereinnahmten Abschreibungen bei der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden. Dies sei fehlerhaft, weil der Zweckverband solche Anlagen kostenfrei übernommen habe und führe dazu, dass Beitragszahler jedenfalls zeitweise diese Anlagen doppelt bezahlten.

86

(1) Diese Auffassung ist unzutreffend. Soweit ... unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (OVG LSA, Beschl. v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – n. v.) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Nds OVG, Urt. v. 25. September 1980 – 3 C 2/79 juris nur LS = KStZ 1981, 193 ff.) vorgetragen wird, es seien die gebührenrechtlich erwirtschafteten Abschreibungen bei der Bemessung des Beitrages abzuziehen, vermag das Gericht diesem nicht zu folgen. Dabei wird zunächst übersehen, dass abweichend von § 7 Abs. 1 KAG M-V nach § 6 Abs. 1 KAG LSA Beiträge nur erhoben werden dürfen, „soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist“. In diesem Zusammenhang mag in Betracht kommen, erwirtschaftete Abschreibungen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Eine solche Regelung gibt es aber nicht im Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns und stellt auch kein allgemeines kommunalabgabenrechtliches Prinzip dar. Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in der genannten Entscheidung einschränkend ausgeführt:

87

‚[…] Der Vorbehalt in § 6 Abs 1 S 1 KAG LSA, wonach die Erhebung von Beiträgen nur zulässig ist, soweit der Finanzbedarf durch Gebühren nicht gedeckt ist, soll nur verhindern, dass eine Gemeinde Beiträge erhebt, obwohl sie durch das Aufkommen aus einer nach dem Wiederbeschaffungszeitwert kalkulierten Abwassergebühr Rücklagen für die Finanzierung der Investitionskosten gebildet hat. Sofern der Investitionsaufwand in die Gebührenkalkulation nur über die Abschreibungssätze für die voraussichtliche (Rest-) Nutzungsdauer Eingang findet, hat er auf den festgesetzten Beitragssatz keinen Einfluss. […]’

88

OVG LSA v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – (n. v.), S. 5. – Hervorhebung durch das Gericht.

89

Ähnlich hat das OVG LSA im Beschluss vom 1. Juli 2003 – 1 M 492/02 -, juris LS 2 und Rn 15 dargelegt:

90

‚Neben der Sache liegt der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht erkennbar, dass bei der Beitragsbemessung der durch Gebühren gedeckte Aufwand abgezogen worden sei. Zwar bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, dass Beiträge nur erhoben werden dürfen, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Gemeinde den Aufwand, der in der Vergangenheit bereits ganz oder teilweise durch das Ansammeln von Abschreibungserlösen abgedeckt hat, nunmehr über die Erhebung von Beiträgen nochmals verteilt. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zugleich, dass diese Abschreibungserlöse jedenfalls bei der Kalkulation von Herstellungsbeiträgen, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht abgezogen werden müssen. Es ist vielmehr sachgerecht, Abschreibungserlöse durch eine Minderung des Beitragsaufwands nur denjenigen zugute kommen zu lassen, die in der Vergangenheit durch die Zahlung der Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung dazu beigetragen haben, dass das Kapital für die beitragsfähige Maßnahme in Form der Abschreibungserlöse zur Verfügung steht und nicht (gänzlich) über Beiträge beschafft werden muss.[…]’

91

Das ... Urteil des Nds. OVG enthält über die Frage der Berechnung der Abschreibung hinaus zu der Anrechnung von kalkulatorischen Abschreibungen bei der Kalkulation von Beiträgen keine Aussage. Die kostenlose Übernahme von Altanlagen lässt die gebührenrechtliche Möglichkeit der Abschreibung demnach unberührt.

92

Vgl. auch OVG Thüringen, Beschl. v. 6. April 2005 – 4 ZKO 78/02 -, juris Rn. 3 mwN.

93

(2) Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind im Beitrag[s]recht für leitungsgebundene Anlagen in der Kalkulation keine Abschreibungen vorzunehmen. Im hier maßgebenden Anschlussbeitragsrecht ist gemäß § 9 KAG M-V bei der Kalkulation der Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebunden Versorgung mit Wasser oder Abwasserentsorgung anzusetzen. Der Aufwand ist nach den Kosten zu ermitteln. Abschreibungen sind dabei nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus Nr. 5.1.1 des Einführungserlasses des Innenministeriums vom 14. Juni 2005 – II 330 – 179-00-06 – (abgedruckt bei Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Anhang 1).

94

Abschreibungen von Anlagewerten sind zwar nach § 6 Abs. 2 KAG M-V bei der Ermittlung der Gebührensätze u. a. nach Maßgabe des dortigen Absatz 2a zu berücksichtigen. Danach sind kalkulatorische Abschreibungen auf die um Beiträge und Zuschüsse Dritter reduzierte Anlagenwerte (Anschaffungs- und Herstellungskosten) vorzunehmen(.) Unzutreffend ist insoweit die klägerische Annahme, die über die Gebühren realisierten Abschreibungen für kostenlos übernommene Anlagen seien beim Beitragsaufwand abzuziehen. Maßgebend ist allein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Aufwand in die Kalkulation einzustellen ist. Ob die Berechnung der Abschreibungen fehlerhaft ist, ist ggf. bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation in einem Verfahren zum Gebührenrecht zu prüfen.

95

(3) Soweit ... darauf verwiesen wird, dass der Zweckverband Altanlagen kostenlos übernommen ... und trotzdem Abschreibungen in der Gebührenkalkulation eingestellt hat, weist das Gericht auf Folgendes hin:

96

Nach ständiger Rechtsprechung des OVG M-V, dem das Gericht folgt, können Anschaffungs- und Herstellungskosten übernommener Altanlagen nur dann bei der Beitragskalkulation berücksichtigt werden, wenn und soweit für die jeweiligen (konkreten) Anlagen Verbindlichkeiten übernommen worden sind. Da im Übrigen die Altanlagen kostenlos übertragen worden sind, also der Zweckverband keinen Aufwand gehabt hat, dürfen diese Anlagen bei der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt werden.

97

Vgl. dazu OVG M-V, Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 51; Urt. v. 13. November 2001 – 4 K 16/00 - juris Rn. 51; Beschl. v. 2. Dezember 2003 – 1 M 72/03 -, juris Rn. 9 mwN; Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 3.5.5 f.

98

Das den §§ 7 ff. und § 6 KAG M-V zugrundeliegende Prinzip besagt, dass im Grundsatz die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst beitragsrechtlich zu finanzieren sind und sodann gebührenrechtlich kalkulatorisch abgeschrieben werden können. Dieses Prinzip wird bei der kostenlosen Übernahme von Altanlagen in der oben genannten Weise ausreichend gewahrt.

99

Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte aus DDR-Zeiten übernommene Altanlagen auch dann mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Beitragskalkulation eingestellt hat, wenn der Zweckverband dadurch nicht finanziell belastet worden ist.

100

ee) Die der Schmutzwasserbeitragssatzung zugrunde liegende Globalkalkulation ist nicht deshalb zu beanstanden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung das Abwasserbeseitigungskonzept noch nicht beschlossen war. Nach den dem Gericht vorliegenden Kalkulationsunterlagen sind Prognosen in der ‚Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Zuarbeit Fr. D…)’, der ‚Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 bis 2014’ sowie einer Auflistung ‚Kostenschätzung B-Pläne’. Dies genügt als Schätzungsgrundlage. Es ist nichts Substantiiertes dazu vorgetragen worden und es bestehen auch derzeit sonst keine Anhaltspunkte, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prognosen des Zweckverbandes und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen offensichtlich unzutreffend und die zugrunde liegenden Investitionszahlen oder -vorgaben offensichtlich willkürlich oder sonst falsch sein könnten. Im Übrigen folgt aus der Aufzählung von Altanlagen im Anlagespiegel oder im Vermögensnachweis nicht, dass der Wert dieser Anlagen auch in der Beitragskalkulation berücksichtigt worden ist.

101

cc) [ff, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Annahmen in der Kalkulation müssen ... mit den Angaben in den jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzepten nicht übereinstimmen. Es ist weder vorgeschrieben noch sonst zwingend, dass die erforderlichen Prognosen nur auf Grund eines förmlichen Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erstellen sind. Weder das Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns noch dessen Kommunalrecht oder das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes oder das Wassergesetz des Landes schreiben ein Abwasserbeseitigungskonzept vor, geschweige den enthalten Vorgaben aus einem Abwasserbeseitigungskonzept für die Beitragskalkulation. Das Konzept stellt als Planungsgrundlage eine Bestandsaufnahme und eine unverbindliche grobe Richtlinie dar, wie der Aufgabenträger sich die Planung und Entwicklung seiner Abwasserbeseitigungsanlagen in seinem Gebiet vorstellt. Zwar ist es dem Aufgabenträger nicht verwehrt, aus dem Abwasserbeseitigungskonzept die Beitragskalkulation zu entwickeln. Dies ist aber nicht zwingend. Wenn danach der Zweckverband die Vorgaben der Kalkulation maßgeblich seinen jährlich verabschiedeten Wirtschaftsplänen entnimmt, ist dies nicht zu beanstanden. Es ist daher grundsätzlich unerheblich, ob die Angaben der verschiedenen Abwasserbeseitigungskonzepte des Zweckverbandes nach Höhe und Umfang sowie in tatsächlicher und/oder zeitlicher Hinsicht mit den Angaben zu Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Beitragskalkulation übereinstimmt.

102

ff) [gg, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Kalkulation hinsichtlich der Klärablage (Kläranlage, Anm. des erkennenden Gerichts) N. hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass die Anteile der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung und der Regenwasserentsorgung herausgerechnet worden seien ...

103

gg) [hh, Anm. des erkennenden Gerichts] Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit die Beitragskalkulation des Zweckverband(s) nicht allen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, folgt nicht, dass die nunmehr vorliegende Kalkulation fehlerhaft ist. ... [Es] ist ... gelegentlich vorgetragen worden, dass der Beitragssatz über Jahre stabil geblieben sei, was wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Grundannahmen nicht möglich sei. Sofern damit der in der Satzung in § 7 Abs. 1 BSSW 2010 festgesetzte Beitragssatz von 3,10 €/m² gemeint sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Zweckverband unbenommen ist, einen Beitragssatz unterhalb des kalkulierten Höchstbeitragssatz (derzeit - nach der Erklärung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V in der heutigen mündlichen Verhandlung -: 4,29 €/m²) festzusetzen. Sollte mit dem Vortrag der kalkulierte höchstmögliche Beitragssatz gemeint sein, stimmt nach den Erkenntnissen des Gerichts bereits die Annahme nicht, dass der Beitragssatz stabil gewesen ist. Nach dem Kalkulationsgutachten (einer Rechnungsperiodenkalkulation) der Fa. WIBERA vom 9. März 2001 sollte der kalkulierte Schmutzwasserbeitragssatz 6,58 DM/m² betragen, also 3,36 €/m². Im WIBERA-Gutachten (einer Globalkalkulation) vom 1. Dezember 2005 war ein Beitragssatz von 4,48 € ermittelt worden. Nach der bisher maßgebenden Kalkulation 2009 lag der höchstmögliche Beitragssatz bei 4,43 €. Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht herleiten, dass die heute maßgebende Kalkulation unzutreffend ist. Auch die Fehler in der Beitragssatzung 2009 sind nicht so gravierend gewesen, dass die Kalkulation grundlegend neu erarbeitet werden musste. Maßgebende Parameter mussten deshalb nicht neu definiert werden, so dass der kalkulierte Beitragssatz plausibel erscheint.

104

hh) [ii, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Kalkulation ist nicht deshalb fehlerhaft, weil in früheren Beitragsatzungen die Hausanschlusskosten nicht im Beitrag enthalten gewesen seien. Die Kalkulation hat nach Maßgabe der jetzigen Satzungslage zu erfolgen und die Kosten des ersten Hausanschlusses zu berücksichtigen. Sollten im Einzelfall zu einem früheren Zeitpunkt Hausanschlusskosten nach damaliger Satzungslage für einen ersten Hausanschluss gezahlt worden sein, wäre dies bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen.

105

ii) [jj, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Kalkulation ist auch noch hinreichend aktuell, obgleich für die im März 2010 beschlossene Satzung in die Kalkulation nach dem 31. Dezember 2007 nur noch prognostische Werte eingestellt worden sind. Zur Aktualität hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt, dass mit Blick auf § 6 Abs. 2d KAG M-V eine Kalkulation grundsätzlich dann noch hinreichend aktuell ist, wenn sie nicht älter als fünf Jahre ist.

106

Vgl. OVG M-V; Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 47; Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07-, juris Rn. 31 mwN.

107

Dieser Zeitrahmen ist im vorliegenden Fall auch deshalb gewahrt, weil für die tatsächlichen Kosten prüffähige und/oder geprüfte Rechnungen vorliegen müssen und ggf. diese Kosten noch von einem unabhängigen Prüfer zu prüfen sind. Eine Anpassung der einstellungsfähigen Kosten bzw. eine Überprüfung der Kalkulation ist zudem vor Ablauf von fünf Jahren nur erforderlich, wenn die Kosten ersichtlich von den prognostizierten Kosten abweichen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte, zumal flächenseitig vor der Beschlussfassung Ergänzungen vorgenommen worden sind. Abweichungen des kalkulierten Beitragssatzes dürften wegen des erheblich geringer festgesetzten Beitragssatzes auch keine unmittelbaren Auswirkungen haben.

108

4. Die Erhebung von Beiträgen ist nicht nach § 242 Abs. 9 BauGB (früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) unzulässig, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen ist. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen.

109

Dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröniger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27.

110

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

111

So jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris Rn. 23 mwN.

112

5. Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes ist auch gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 47,169 ff. AO nicht endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Die Verjährung hängt nicht allein davon ab, dass ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Maßgebend ist zunächst, dass die Frist auch angelaufen ist. Das ist hier nicht der Fall:

113

a) Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

114

Im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes sind bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

115

Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung,

116

- vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 – juris, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 (246 Fn. 43) -

117

nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-)Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005.

118

Vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V.

119

Das Gericht hat dies u. a. in seinen Urteilen vom 10. Oktober 2011 ausführlich begründet. Hierauf ist im Einzelnen zu verweisen.

120

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 340/10 – juris Rn. 177 ff. mwN.

121

b) Der Beitragsanspruch konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht endgültig verjähren, weil die Festsetzungsfrist mangels wirksamer Beitragssatzung nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes waren sämtlich rechtsunwirksam:

122

aa) Die Beitrags- und Gebühren[...]satzung des Zweckverbandes vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis Wismar. Dabei handelte es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden konnten. Denn nach § 5 Abs. 3 KV DDR waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Veröffentlichung im Amtsblatt eines anderen Rechtsträgers nur möglich ist, wenn dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist. Eine solche Bestimmung hat es zu damaliger Zeit – soweit ersichtlich – nicht gegeben. Jedenfalls hätte in dem Veröffentlichungsorgan deutlich darauf hingewiesen werden müssen, dass in ihm auch Satzungen des Zweckverbandes veröffentlicht werden, damit der rechtsuchende Bürger in zumutbarer Weise erkennt, dass im Amtsblatt des Kreises auch Satzungen des Zweckverbandes enthalten sein können. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall.

123

In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenbeitrages in Teil II Nr. 1.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellte, sondern als Zuschlag zu der Abwassergebühr pauschal ein jährlich neu festzusetzender Baukostenbeitrag erhoben werden sollte. Zudem sollte der Baukostenbeitrag von allen ‚Grundstücksbesitzern’ erhoben werden, also auch von Mietern oder Pächtern. Dies war mit § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG 1991 nicht zu vereinbaren, da Beiträge nur von Eigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden durften.

124

bb) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist nach den obigen Vorgaben ebenfalls nichtig, weil sie im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht worden ist. Der Baukostenbeitrag stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

125

cc) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 wurde am 21. Januar 1994 im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht und ist schon deshalb nichtig. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

126

dd) Auch die am 1. Januar 1996 erlassene Satzung des Zweckverbandes vom 22. Dezember 1995 war in materieller Hinsicht nichtig. Zum einen wies diese Satzung Fehler insoweit auf, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies wäre aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig gewesen. Zum anderen lag der Verbandsversammlung seinerzeit keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah.

127

Dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/98 - sowie im Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 - zur Kalkulation.

128

Das Verdikt der Unwirksamkeit würde diese Satzung selbst dann treffen, wenn diese während ihrer formellen Gültigkeitsdauer unbeanstandet angewandt worden sein sollte und es auch keine entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts oder Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in einzelnen Verfahren oder im Normenkontrollverfahren gegeben haben sollte. Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Das Gericht hat bereits in den genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 (u. a. juris Rn. 46) im Einzelnen dargelegt, dass die Nichtigkeit früherer Satzungen nicht allein durch eine Normenkontrollentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden muss, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im Einzelfall herleiten zu können. Bei Satzungen ist zwar die formelle Verwerfungskompetenz der Gerichte mit allgemeiner Verbindlichkeit auf das abstrakte Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO beschränkt.

129

Zu den Folgerungen daraus siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 141 ff.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 47 Rn. 364 ff.

130

Den Verwaltungsgerichten fehlt diese Kompetenz. Sie haben aber nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf das zwingende Satzungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide die ihnen zugrunde liegenden Satzungen auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) zu überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht. Eine gültige Satzung ist Entstehungsvoraussetzung der Abgabe.

131

Vgl. dazu Quaas, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 22 mwN; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002 Rn. 180a; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 4 aE.

132

Weist die Satzung bei dieser Prüfung Fehler auf, die sie unanwendbar machen, ist der angefochtene Bescheid in jedem Einzelfall mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben, wenn die Satzung auch nicht formell vom Gericht aufgehoben werden und deren Nichtigkeit ausdrücklich (und mit Allgemeinverbindlichkeit) festgestellt werden kann. Für den jeweiligen Einzelfall wird die fehlerhafte Satzung aber so behandelt, als wäre sie nichtig.

133

Vgl. Sensburg/Maslaton, Abgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, 2007, S. 25; weitergehend Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden? 1990, D 109 (Nichtigkeitserklärung durch jedes Gericht im Einzelfall.).

134

Zwar könnte der kommunale Aufgabenträger die Satzung weiter anwenden, da Urteile des Verwaltungsgerichts nur inter partes [= zwischen den Parteien, Anm. des erkennenden Gerichts] gelten (vgl. § 121 VwGO) und die inzidente Nichtigkeitsfeststellung nicht allgemein verbindlich (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 5 VwGO) ist. Er würde dann aber jeweils ein möglicherweise kostenträchtiges Unterliegen in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren riskieren. Auch das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall die Unwirksamkeit der Satzung nur in diesem Einzelfall fest.

135

Diese Feststellung der Nichtigkeit kann entgegen klägerischer Ansicht auch erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Satzung bereits nicht mehr formell in Kraft ist, es aber - etwa wie hier zur Klärung der Verjährungsfrage – auf die Gültigkeit früherer Satzungen ankommen sollte. Dem Gericht ist kein Rechtssatz bekannt, wonach eine während ihres Anwendungszeitraums gerichtlich unbeanstandet gebliebene Satzung später nicht mehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden darf.

136

ee) Im Übrigen sind die bisher behandelten Abgabensatzungen auch deshalb nichtig, weil der Zweckverband 1991 fehlerhaft gegründet worden ist. Die danach verkündeten Abgabensatzungen konnten somit nicht wirksam beschlossen und veröffentlicht werden. Dabei kann offenbleiben, ob – wie geschehen - das Reichszweckverbandsgesetz (RZVG) vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 979) ergänzend zu § 61 KV DDR herangezogen werden konnte.

137

Zum Meinungsstand: Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10. Dezember 1998 – LVerfG 1/98 -, Umdruck S. 15 ff.; Saugier, Der fehlerhafte Zweckverband, 2001, S. 58 ff. mwN. – Zum Verfahren bei der Gründung eines Zweckverbandes vor Inkrafttreten der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern siehe auch VG Schwerin, Urt. v. 19. Februar 1997 – 4 A 1092/95 – (n. v.), Umdruck S. 6 ff.; Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 -, Umdruck, S. 8 ff. (letzterer Entscheidung betr. den Zweckverband ).

138

Selbst wenn die Anwendbarkeit des Reichszweckverbandsgesetzes zu bejahen wäre, würde es bei der Gründung des Zweckverbandes an dem nach § 11 Abs. 1 RZVG erforderlichen Beschluss der zuständigen Aufsichtsbehörde fehlen. Dieser Beschluss hätte auch gemäß § 11 Abs. 2 RZVG im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landrates nebst der Verbandssatzung veröffentlicht werden müssen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

139

So bereits ausführlich VG Schwerin, Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 – Umdruck, S. 11 ff.

140

Demzufolge hätte der Zweckverband seine Satzungen nach seiner bestätigenden Neugründung im Jahr 1998 und Neukonstituierung seiner Organe erneut beschließen und veröffentlichen müssen, um ihnen Wirksamkeit zu verleihen. Da dies nicht geschehen ist, waren und blieben die genannten Satzungen nichtig.

141

ff) Auch die Satzung von 18. Oktober 2000 verstieß gegen höherrangiges Recht und war nichtig. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

142

gg) Auch die (letzte) Beitragssatzung vom 7. Mai 2009 war - wie die Kammer in den oben genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 festgestellt hat - wegen Widersprüchlichkeit der Regelungen in § 6 Abs. 4 und 5 f) BSSW 2009 (Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse, wenn diese nicht feststellbar sind) bzw. wegen Unvollständigkeit der Bestimmung zur Festlegung von Vollgeschossen in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden in § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 nichtig.

143

Zur Frage der Bestimmung der Vollgeschosse bei Altbauten vgl. aber OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 -, juris Rn. 65.

144

hh) Die Festsetzungsverjährungsfrist konnte daher erst mit Bekanntgabe der letzten, jetzt maßgebenden Änderungssatzung (BSSW 2010) zu laufen beginnen. Das war im vorliegende Fall der 1. Januar 2011, da der Beitragsanspruch erst mit Inkrafttreten der Beitragssatzung vom 3. März 2010, also im Jahr 2010 entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 1 AO).

145

6. Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird.

146

Vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., … juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.

147

Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine ‚Vertrauensinvestition’, die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a. juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

148

7. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt. Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).

149

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung OVG M-V, Beschl. v. 22.9. 2004 - 1 M 166/04 - juris Rn. 24; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je mwN. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN (n. v.]).

150

Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber Beitragsschuldner jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Auch nach dem Inhalt früherer Satzungen war der Beklagte gehalten, Beiträge gegenüber Altanschließern geltend zu machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

8. .....

151

9. Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den ‚Genuss’ eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 – juris Rn. 52 ff. mwN) …“

152

II. An diesen rechtlichen Ausführungen hält das Gericht auch im vorliegenden Verfahren fest.

153

1. Zwar hat die Kammer nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 (veröffentlicht ist beispielhaft die Sache 9 C 19/14, NVwZ-RR 2015, 786 = juris) zwischenzeitlich die Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V in Beitragsfällen nach dem Jahr 2008 als verfassungswidrig angesehen und in einem anderen Verfahren auch ein konkretes Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet (Beschl. v. 31. März 2016 in der Sache 4 A 94/11, veröffentlicht in juris, Az. beim BVerfG 1 BvL 3/16).

154

2. Daran ist aber nicht mehr festzuhalten, nachdem der Landesgesetzgeber mit dem sog. Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Juli 2016 (GVOBl. S. 584), in Kraft getreten am 30. Juli 2016, in dem geänderten § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V die verfassungsrechtlich geforderte absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung gesetzt hat:

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155

Die vormals bestehende verfassungswidrige Unvollständigkeit des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern ist dadurch beseitigt worden. Aus diesem Grund ist auch mit Beschluss der Kammer vom 23. August 2016 der vorstehend genannte Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 31. März 2016 aufgehoben worden.

156

3. Gegen die vom Landesgesetzgeber getroffene zeitliche Obergrenze einer Beitragserhebung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V n. F. hat das Gericht keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (zur ähnlichen Regelung in Sachsen, § 3a Abs. 3 SächsKAG, ebenso OVG Bautzen, Beschl. v. 21. April 2016 – 5 A 493/14 -, LKV 2016, 313 ff. = juris Rn. 12).

157

a) Der Landesgesetzgeber hat insoweit einen weiten Regelungs- und Gestaltungsspielraum, um die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit bei kommunalabgabenrechtlichen Vorteilslagen durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Diesen Spielraum überschreitet der Landesgesetzgeber nicht, mag er für die seit dem 3. Oktober 1990 bzw. dem - wohl maßgeblichen - Inkrafttreten des (ersten) Kommunalabgabengesetzes vom 11. April 1991 (KAG 1991) möglichen Anschlussbeitragserhebungsfälle mit den „10+20“-Jahren auch am äußeren (aber „diesseitigen“) zeitlichen Rand der gesetzgeberischen Regelungsalternativen liegen. Hierbei sind – gerade mit Blick auf die circa ersten zehn Jahre vom 3. Oktober 1990 bzw. Mitte Mai 1991 (Inkrafttreten des KAG 1991) bis Ende des Jahres 2000, die nach der gesetzlichen Vorschrift noch nicht den Lauf der 20jährigen Obergrenze für eine Beitragserhebung in Gang setzen sollen - die besonderen Herausforderungen der Wiedervereinigung zu berücksichtigen, die nicht nur durch einen vollständigen Wechsel des Rechtsregimes, sondern auf kommunaler Ebene zusätzlich durch eine Vielzahl von gleichzeitig und mit beschränkten kommunalen Ressourcen zu bewältigenden Aufgaben (grundlegender Verwaltungsumbau, Herstellung kommunaler Strukturen und dafür nötiger Rechtsgrundlagen, Instandhaltung, Sanierung und Fortentwicklung der Infrastruktur) geprägt waren (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. April 2015, a. a. O., juris Rn. 17; OVG Bautzen, Beschl. v. 21. April 2016, a. a. O., juris Rn. 13). Exemplarisch hervorzuheben sind etwa die in den Anfangsjahren des Landes Mecklenburg-Vorpommern landauf landab vielfach missglückten Versuche der Kommunen, rechtswirksam einen Zweckverband nach den §§ 150 ff. der Kommunalverfassung (KV M-V) in den Aufgabenbereichen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung zu gründen bzw. ihm beizutreten, die den Landesgesetzgeber veranlasst haben, die umfangreichen §§ 170a, 170b KV M-V zur Unbeachtlichkeit von dort aufgeführten Rechtsfehlern bei der Bildung von Zweckverbänden und dem Beitritt zu einem solchen einschließlich der Fiktionen bei Unvollständigkeit der Verbandssatzung zu schaffen.

158

b) Das Gericht hegt auch keine (landes- oder bundes)verfassungsrechtlichen Bedenken mit Blick auf das ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten entwickelte Rückwirkungsverbot, soweit § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V n. F. – wie vorliegend – auch Vorteilslagen vor dem 30. Juli 2016 bis zurück zum 3. Oktober 1990 bzw. Mitte Mai 1991 betrifft.

159

aa) Die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V in der Fassung seit dem 30. Juli 2016 beinhaltet zwar wohl nicht nur eine Begünstigung für die seit 3. Oktober 1990 (erster Geltungstag des Grundgesetzes in dem damals zugleich neu/wieder entstandenen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern) bzw. Mitte Mai 1991 in Mecklenburg-Vorpommern Betroffenen durch Beseitigung einer bis dahin bestehenden verfassungswidrigen Rechtslage, sondern dürfte auch grundrechtsbelastend sein, soweit es den frühestmöglichen Zeitpunkt des Eintritts der zeitlichen Obergrenze einer (Anschluss-)Beitragserhebung seit dem 3. Oktober 1990 bzw. Mitte Mai 1991 auf den Ablauf des Jahres 2020 bestimmt.

160

bb) Art. 1 Nr. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Juli 2016 stellt in diesem Fall insoweit eine sog. unechte Rückwirkung dar. Die unechte Rückwirkung eines Gesetzes ist gegeben, wenn eine tatbestandliche Rückanknüpfung stattfindet, die den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm betrifft. Hier wirkt die belastende Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte oder Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein und entwertet zugleich die bisherige Rechtsposition nachträglich im Ganzen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2. Mai 2012 – 2 BvL 5/10 –, BVerfGE 131, 20-47 = juris Rn. 66 m. w. N.). Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten also erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber – wie hier die seit Oktober 1990/Mai 1991 gegebenenfalls schon vorliegenden Vorteilslagen, also damals schon bestehenden Anschlüssen oder Anschlussmöglichkeiten an das faktisch vorhandene Trinkwasser- oder Abwassernetz aus DDR- oder gar noch „Reichs“-Zeiten - Sachverhalte, die bereits vor Verkündung „ins Werk gesetzt“ worden sind.

161

Ein Eingriff in einen abgeschlossenen Tatbestand und damit eine echte Rückwirkung liegt dagegen mit Blick auf das Änderungsgesetz nicht vor, auch nicht bei den selbst sich so titulierenden „Altanschließern“, deren Grundstücke also schon vor Mitte Mai 1991 oder dem 3. Oktober 1990 in Mecklenburg-Vorpommern bzw. zuvor der DDR oder dem Deutschen Reich an ein öffentliches Wasser- oder Abwassernetz angeschlossen waren. Sie sind aus den dargelegten Gründen nicht „sakrosankt“; ihre Nichteinbeziehung in die Anschlussbeitragserhebung würde sogar den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen (dazu auch sogleich).

162

Die unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, Beschl. v. 16. Dez. 2015 – 2 BvR 1958/13 –, juris Rn. 43 m. w. N.). Dabei ist das durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Vertrauen auf die geltende Rechtslage nur schutzwürdig, wenn die gesetzliche Regelung generell geeignet ist, ein Vertrauen auf ihr Fortbestehen zu begründen und darauf gegründete Entscheidungen herbeizuführen, die sich bei Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen. Ist das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig, ist ein rückwirkender belastender Eingriff ausnahmsweise zulässig. Das ist etwa dann der Fall, wenn das rückwirkend geänderte Recht unklar und verworren oder ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was rechtens sei (BVerfG, Beschl. v. 16. Dez. 2015, a. a. O., Rn. 44 m. w. N.).

163

So liegen die Dinge auch hier, wie weiter oben dargelegt worden ist. Auch in Anbetracht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, den das Bundesverfassungsgericht auch bei der Problematik rückwirkender Gesetze zunehmend stärker betont, ist es (noch) angemessen, die Obergrenze für eine Beitragserhebung von 20 Jahren zu normieren und zugleich diese „Frist“ in Mecklenburg-Vorpommern erst ca. zehn Jahre nach der Deutschen Einheit bzw. dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 11. April 1991 zu laufen beginnen lassen. Insoweit kann auf die oben dargestellten besonderen Verhältnisse in den „Gründerjahren“ des neuen Bundeslands verwiesen werden (vgl. im Ergebnis ebenso OVG Bautzen, Beschl. v. 21. April 2016, a. a. O., juris Rn. 15 und 18).

164

cc) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine solche „Heilung“ eines verfassungswidrig unvollständigen Landesgesetzes kraft (Landes- oder Bundes-)Verfassungsrechts von vornherein („nie“) oder jedenfalls jetzt nicht mehr („zu spät“) möglich gewesen wäre. Bereits in der „Mutter“-Entscheidung – genderaalglatt wohl gleichzeitig auch als „Vater“-Entscheidung zu bezeichnen - zu dieser Problematik hat das Bundesverfassungsgericht Folgendes ausgeführt (Beschl. v. 5. März 2013, a. a. O., Rn. 49 f.):

165

„… Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

166

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ) …“

167

dd) Ebenso wenig hat der hiesige Landesgesetzgeber, soweit es einen solchen verfassungsrechtlichen Ansatz geben sollte, auch nicht das Recht verwirkt, seine bisherige Untätigkeit seit Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 nach etwas mehr als drei Jahren aufzugeben und die verfassungsrechtlich erforderliche zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme eines Beitragspflichtigen zu schaffen, zumal die zuständigen hiesigen Landesgerichte bis hin zum Oberverwaltungsgericht (Urteile vom 1. April 2014, etwa 1 L 142/13, juris) zunächst aus verschiedenen Gründen (grob vereinfacht wohl beginnend mit der sinngemäßen – nicht plattdeutschen - Erwägung „Ja, des san halt die Bayern, mia san aber mia“) eine solche legislative Obliegenheit zum Handeln für den hiesigen Landesgesetzgeber verneint hatten.

168

4. Auch die Beitragskalkulation des Zweckverbands ist jedenfalls unter Berücksichtigung der nachfolgend wiedergegebenen Erklärungen (des Funktionsvorgängers) der Beklagten nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nicht zu beanstanden.

169

a) Zu Fördermitteln findet sich im Protokoll der mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 Folgendes (S. 23):

170

„… Die Beteiligten führen zum Baugebiet Hornstorf aus, nach Klägerauffassung seien 6 bis 7 Millionen Euro Investitionen bis zum Jahr 2012 erforderlich, war also schon bekannt. Die Beklagtenseite führt dazu aus, dass insoweit nur Kosten berücksichtigt worden seien, die durch den Bebauungsplan bereits konkretisiert seien. Der Flächennutzungsplan sieht dort mehr Fläche vor und nur insoweit als bereits dort Bebauungspläne rechtskräftig sind, würden die anfallenden Kosten auch in der Kalkulation berücksichtigt. Hinsichtlich des B-Plans der Gemeinde Hornstorf Gewerbegebiet sind bislang 4.984.429,- € veranschlagt worden in der Kalkulation minus Fördermittel in Höhe von 3.489.100,- €. Der Differenzbetrag wird in die Kalkulation als Anschaffungs- und Herstellungskosten eingestellt. Dies betrifft lediglich den bereits rechtskräftigen Bebauungsplan.

171

Die Klägerseite sagt, dass in der Kalkulation Stand 5.5.2008 das Gewerbegebiet Hornstorf (mit Kritzow Hornstorf) Gesamtbaukosten mit 16.063.000,- € veranschlagt worden seien, davon Fördermittel in Höhe von 11,244 Millionen. Dieses hätte bereits in den aktuellen Kalkulationen 2010 veranschlagt werden müssen und stimmt auch mit den Abwasserbeseitigungskonzept 2010 überein.

172

Hinsichtlich der Berücksichtigung der Kosten von Baumaßnahmen aus diesen Verträgen wird die Tabelle Schmutzwasser der Erschließungsverträge erörtert in Beiakte 1 zu 8 A 3/12. Die Beklagtenseite erläutert dazu, dass die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst mal in die Anlagebuchhaltung übernommen worden sind, so wie die vom Erschließungsträger nachgewiesen wurden. Sodann sind Zuschüsse Dritter abgezogen worden sowie ein Vergleich angestrebt worden zwischen den satzungsmäßig anfallenden Beiträgen und den tatsächlich gezahlten Beiträgen, so wie die in der Ablösevereinbarung getroffen worden sind. Die Differenz zwischen den tatsächlichen und den Beiträgen und den rechtlich möglichen Beiträgen sei dann von den Anschaffungs- und Herstellungskosten als sogenannte Deckungslücke abgezogen worden. Aus der Tabelle in der Spalte reine AbschreibeAK Anlage Kosten nach Ortslagen seien die dort ausgewiesenen Beträge in die Kalkulation eingestellt worden.

173

Der Klägervertreter äußert dazu Bedenken, weil nicht die tatsächlichen anfallenden Kosten eingestellt worden seien. Vielmehr seien keine Kosten eingestellt worden, wie man auch aus der laufenden Nr. 1 Bad Kleinen EV Nr. 163/94 Koppelweg Bad Kleinen ersehen könne. Dort sei der volle Beitrag in Höhe von 126.721,98 € abgelöst worden. Tatsächlich seien als reine AK noch 17.895,22 € in der Kalkulation veranschlagt worden.

174

Die Beklagtenseite bestätigt, dass das Zahlenwerk, so wie das von Herrn Rechtsanwalt K… dargestellt worden ist, zutreffend interpretiert worden ist.“

175

Dem Protokoll kann das Gericht deshalb nicht den gelegentlichen Vortrag mancher Kläger entnehmen, dort sei von dem Funktionsvorgänger der Beklagten (zu)gestanden worden, dass im Rahmen der Kalkulation nicht alle Fördermittel ausgewiesen worden seien. Im Übrigen bleibt unklar, was diese Kläger mit „ausgewiesen“ meinen. Soweit sie damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sämtliche erhaltenen Fördermittel (= Zuschüsse) im Zusammenhang mit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung von den Herstellungskosten kalkulatorisch abzuziehen seien, ist dies unzutreffend. Vielmehr regelt das Gesetz in § 9 Abs. 2 Sätze 4 ff. KAG M-V die Problematik von Zuschüssen differenziert wie folgt:

176

„… Zuschüsse sind vorbehaltlich der Sätze 5 und 6 zur Deckung des gesamten Aufwandes zu verwenden. Zuschüsse, die nach den Rechtsvorschriften des Zuwendungsprogramms oder sonstigen Bestimmungen des Zuschussgebers zur Begünstigung bestimmter Beitragspflichtiger oder bestimmter Gruppen von Beitragspflichtigen zu verwenden sind, bleiben in der Beitragskalkulation unberücksichtigt. Diese Zuschüsse sind bei der Heranziehung zu den Beiträgen zu Gunsten der in Satz 5 genannten Beitragspflichtigen beitragsmindernd zu berücksichtigen …“

177

b) Der damalige Verbandsvorsteher des Zweckverbands Wismar hat in den mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 allerdings vor dem dort näher dargestellten Hintergrund erklärt:

178

„Gemäß § 2 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern erkläre ich, dass die Kosten der Erschließungsverträge Nr. 1, 6, 9, 10, 12, 13, 17, 24, 26, 27, 30, 35, 38, 46 und 47 in einer Gesamthöhe von 862.251,57 € von den beitragsfähigen Kosten in der Kalkulation abgezogen werden. Als beitragsfähige Kosten verbleiben demnach 69.079.753,21 € …

179

Ergänzend … erkläre ich gemäß der genannten Vorschrift, dass sämtliche in der Tabelle Erschließungsverträge genannten Anschaffungskosten in einer Höhe von zusätzlich 4.999.521,91 € aus der Kalkulation herausgenommen werden, damit reduzieren sich auch die Zuschüsse Dritter um 3.646.392,20 €. Der beitragsfähige Aufwand beträgt danach insgesamt 67.726(.)*632,50 €. Der kalkulierte Beitragssatz liegt somit bei 4,29 €.“ * = Das erkennende Gericht hat den offensichtlichen Schreibfehler eines „zu frühen“ Kommas durch einen es ersetzenden Punkt berichtigt.

180

Da der damit gemeinte höchstzulässig kalkulierte Beitragssatz immer noch weit unter dem aus politischen Gründen „gedeckelten“ Beitragssatz von 3,10 €/m² anrechenbarer Nutzfläche des jeweiligen Grundstücks liegt (§ 7 Abs. 1 BSSW 2010/2012), ergeben sich auch aus diesen Erklärungen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V keine Konsequenzen für den vorliegenden Fall.

181

c) Der Einwand von Klägern eines Parallelverfahrens (4 A 43/11), eine interne (= bei der Beklagten vorgenommene) Überprüfung der Beitragskalkulation im Jahre 2010 habe darüber hinaus eine grobe Falschberechnung – die im Weiteren dargelegt wird – ergeben, ist durch das weitere Geschehen überholt und veraltet. Unterlagen der Beklagten dazu haben die dortigen Kläger zwar nicht vorgelegt, die Beklagte bestreitet allerdings in den dortigen Verfahren auch weder die interne Revision der damaligen Beitragskalkulation noch deren dargestelltes Ergebnis. Jedenfalls nach den Erklärungen (des Funktionsvorgängers) der Beklagten nach § 2 Abs. 3 KAG M-V in den mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 soll der beitragsfähige (Gesamt-)Aufwand danach allerdings seither („nur“ noch) insgesamt 67.726.632,50 € betragen. Selbst wenn also die Beitragskalkulation bis dahin fehlerhaft gewesen sein sollte, ist sie nunmehr durch nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V zulässige (da nicht zu einer Anhebung des Abgabensatzes führende) Erklärungen des damaligen Verbandsvorstehers des Zweckverbands korrigiert worden, ohne dass die nachträgliche Änderung der Kalkulation zur Unwirksamkeit der Beitragssatzung führt oder einer erneuten Befassung der Zweckverbandsversammlung bedarf, § 2 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V. Weiteren substantiierten Vortrag, dass selbst diese ca. 67 Mio. € Herstellungsaufwand aus näher dargelegten Erwägungen noch (viel) zu hoch kalkuliert worden seien, gibt es nicht, sondern nur im Parallelverfahren 4 A 43/11 Äußerungen zur Veränderung der seit 1995 kalkulierten Beitragssätze um lediglich 0,03 € trotz umfangreicher Investitionen. Damit wird aber nicht substantiiert vorgetragen, dass und aus welchen Gründen die Beitragskalkulation immer noch nicht ordnungsgemäß ist, zumal unklar bleibt, ob dabei auch der „gedeckelte“ Beitragssatz im Blick genommen worden ist, der kraft Natur der Sache solange unverändert bleibt, als der jeweils höchstzulässig kalkulierte noch darüber liegt. Ungefragt ins Blaue hinein wird das Gericht aber nicht die Beitragskalkulation näher überprüfen.

182

d) Im Übrigen neigt das erkennende Gericht dazu, die bisherige Rechtsprechung zum Vorliegen eines „methodischen“ Kalkulationsfehlers vor dem Hintergrund der mahnenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu zeitlichen Obergrenzen einer kommunalen Abgabenerhebung und der nunmehr landesrechtlich geschaffenen absoluten Obergrenze für eine Anschlussbeitragserhebung mindestens zu überdenken, wenn nicht sogar eine Korrektur hin zur von anderen Obergerichten für die Landesrechtslage in diesen Bundesländern praktizierten „Ergebnisrichtigkeitstheorie“ (vgl. dazu Aussprung, in: ders./Siemers/Holz/Seppelt, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand: Nov. 2015, § 2 Erl. 8.3.1.1 S. 57 und etwa 8.3.4.2 S. 68, je m. w. N.) vorzunehmen sein wird. Einstweilen begnügt sich das Gericht mit dem Hinweis, dass der vorliegende Beitragssatz von 3,10 €/m² anzurechnender Grundstücksfläche noch deutlich unterhalb des „höchstzulässig“ kalkulierten von zuletzt 4,29 € liegt.

183

B) Auch die konkreten Einwände des Klägers gegen seine Veranlagung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag greifen nicht durch.

184

I. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Anschlussbeitragserhebung (vgl. etwa Aussprung, a. a. O., § 2 Erl. 12.3.2 S. 105) ist hier nicht verletzt. Soweit der Kläger vorträgt, die Stadt N. sei mit Schreiben (des Funktionsvorgängers der Beklagten) vom 21. August 2006 bereits zur Zahlung der Herstellungsbeiträge zur Schmutzwasserbeseitigung herangezogen worden, ist dies unzutreffend. Das Schreiben ist lediglich die Anhörung zur damals beabsichtigten Beitragserhebung, zu der es aber gegenüber der Stadt N. nach Aktenlage nicht gekommen ist. Jedenfalls hat der Kläger auch keinen früheren (nicht von der Beklagten zwischenzeitlich aufgehobenen) Bescheid zur Erhebung eines Schmutzwasseranschlussbeitrags für sein Grundstück vorgelegt. Das Gericht sieht auch keinen Anlass, an der Vollständigkeit der von Beklagtenseite vorgelegten Verwaltungsvorgänge zu zweifeln, namentlich daran, ob es nicht doch – ungeachtet der Frage seiner Rechtmäßigkeit (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V und die entsprechende damalige Satzungsvorschrift dazu in § 5 Abs. 1 Satz 3 BSSW vom 20. Dezember 2005, die dann allerdings – [in der Sprache der heutigen Jugendlichen wohl: echt krass] rechtswidrig – in der 1. Änderungssatzung vom 21. Februar 2007 wieder gestrichen wurde) - einen zwischenzeitlichen entsprechenden Beitragsbescheid an die Voreigentümerin des Grundstücks gegeben hat.

185

II. Dem Kläger wird durch den hier (schon seit langem) bestehenden Anschluss seines Gebäudes auf dem Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Abwasserbeseitigung auch erstmals ein rechtlicher – und nur um einen solchen geht es hier - Vorteil vermittelt. Es liegt hier im Vergleich vor und seit dem 3. Oktober 1990 kein bloßer Rechtsträgerwechsel nach dem Motto „gestern hat’s der eine öffentliche Betrieb gemacht, heute macht’s halt der andere“ vor, sondern ein sowohl politischer als auch vor allem rechtlich grundlegender Systemwechsel, nachdem die DDR seit dem 3. Oktober 1990 nicht mehr existent und seither die Bundesrepublik Deutschland um fünf neue Bundesländer erweitert worden ist und insoweit gesamtdeutsches Recht nach Maßgabe des Einigungsvertrags in den neuen Ländern gilt, damit erstmals auch nach (Wieder-)Einführung des föderalen Systems auf hiesigem Boden wieder Landesrecht. Diesen rechtlich-existentiellen Wandel gilt es zu beachten und nicht zu ignorieren. Die Feststellung des im heutigen Mecklenburg-Vorpommern geborenen und aufgewachsenen niederdeutschen Dichters Fritz Reuter (1810-1874) „Hier bliwt allens bi’n ollen!” gilt deshalb bei einem Rechtsvergleich vor und nach der Deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 jedenfalls im Hinblick auf das in Mecklenburg-Vorpommern (und den übrigen neuen Ländern) geltende Recht nicht (mehr). Nebenbei sei angemerkt, dass bislang noch kein einziger sog. „Altanschließer“ mit oder ohne anwaltliche(r) Vertretung den (obgleich irrelevanten) Nachweis erbracht hat, dass ein Grundstücks-/Gebäudeeigentümer zu DDR-Zeiten einen wie auch immer gearteten Obolus an den Zentralstaat und seine Organe (wohl seit 1963/1964 namentlich die VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung, die Räte der Städte und Gemeinden usw.) für den Anschluss seiner Immobilie an die damalige öffentliche Anlage zur Schmutzwasserentsorgung geleistet hat bzw. das ein solcher (neben dort wiederkehrend erhobenen Schmutzwassergebühren o. Ä.?) nach DDR-Recht überhaupt vom damaligen Grundstücks- oder Gebäudeeigentümer zu erheben war. Häufiger gehört hat das Gericht dagegen den Einwand, man habe doch jedenfalls zu DDR-Zeiten den Grundstücks- oder Hausanschluss – manchmal auch einen Teil der Kanalisation in der betreffenden Straße - „auf eigene Kosten“ gelegt; jenseits der sicherlich hineingesteckten Arbeitskraft sei dieser Aspekt hier vorsichtshalber nicht näher beleuchtet, soweit es die Frage betrifft, woher die verbauten Rohre usw. stammten und ob sie nach DDR-Recht rechtmäßig erworben wurden (die dafür z. B. verwendeten Rohre gab es jedenfalls nicht im real-nicht existierenden „VEB“ Baumarkt). Selbst wenn dies aber so wäre, hätte ein Voreigentümer (hier: des Gebäudes auf dem wohl damals volkseigenen Grundstück) nur an einem sehr kleinen Bruchteil der Gesamtanlage der Abwasserentsorgung des Zweckverbands mitgewirkt, ohne dass dem Zweckverband eigener Aufwand entstanden ist. Solange ebensolcher Aufwand aber nicht in der Beitragskalkulation als zu refinanzierender Posten des Zweckverbands auftaucht, wofür weder im vorliegenden Fall noch generell etwas ersichtlich ist, spielt dies aber von vornherein keine Rolle, zudem lediglich die Investitionen nach der deutschen Wiedervereinigung im Oktober 1990 bis zum Ende des Kalkulationszeitraums in die Globalkalkulation einfließen (dürfen); selbst übernommene Altschulden aus DDR-Zeiten dürfen nur dann einkalkuliert werden, wenn der Zweckverband sie übernommen hat und sie tilgt.

186

III. Der hier geltend gemachte Anschlussbeitrag ist auch weder festsetzungsverjährt noch verwirkt. Wie bereits oben ausgeführt, ist die hier in Rede stehende Schmutzwasseranschlussbeitragssatzung aus dem Jahre 2010 die erste wirksame ihrer Art für den Zweckverband. Die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist wird bei der vorliegenden Beitragserhebung im Jahre 2012 nicht überschritten.

187

Entgegen der Darstellung des Klägers geht es insoweit auch nicht um „übliche“ Rechtsprechung, an der nicht mehr festzuhalten sei, sondern um schlichte Subsumtion unter die vom Landesgesetzgeber geschaffene Rechtslage im Bereich der kommunalen Abgaben. § 12 Abs. 1 KAG M-V verweist auf die bereits genannten Vorschriften zur Festsetzungsverjährung in der Abgabenordnung.

188

Die von Klägerseite aber damit angesprochene verfassungsrechtliche Problematik im Hinblick auf das aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit (erstmals im Beschl. v. 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143 ff., dann perpetuiert vom 3. Sept. 2013 – 1 BvR 1282/13 -, juris, und jüngst wiederholt im Nichtannahmebeschluss vom 21. Juli 2016 – 1 BvR 3092/15 –, juris Rn. 6) zwingt aber nicht dazu, die Bestimmungen zur Festsetzungsverjährung als verfassungswidrig anzusehen, sondern betraf das verfassungsrechtliche Problem, dass der Landesgesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten gewesen ist, eine absolute zeitliche Obergrenze für die Erhebung von Anschlussbeiträgen usw. zu normieren. Dies ist nunmehr mit § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V n. F. geschehen (s. o.).

189

Der Landesgesetzgeber war auch nicht zwingend gehalten, diesem verfassungsrechtlichen Gebot durch eine landesgesetzliche Änderung der hier als Landesrecht geltenden Bestimmungen zur Festsetzungsverjährung in der Abgabenordnung (z. B. „gilt mit der Maßgabe, dass ...“) Rechnung zu tragen. Dies folgt etwa auch aus den bereits zitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a. a. O., Rn. 49 f.), ebenso aber aus den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 (- 9 C 19.14 -, a. a. O., Rn. 17).

190

IV. Die Heranziehung von Eigentümern sog. altangeschlossener Grundstücke bzw. Gebäude ist auch weder willkürlich noch widerspricht sie dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Umgekehrt wäre vielmehr ein solcher Verstoß festzustellen, nähme ein Beitragsgläubiger diese Gruppe aus der Beitragspflicht heraus oder setzte unterschiedliche Beitragssätze fest (vgl. aus jüngster Zeit etwa OVG Greifswald, Urt. v. 1. April 2014 – 1 L 142/13 -, a. a. O., Rn. 52 m. w. N.). Auch die sog. Altanschließer haben einen (rechtlichen) Vorteil von der öffentlichen Einrichtung. Dazu hat nicht zuletzt das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 15. April 2015 (9 C 19.14, a. a. O., Rn. 16) ausgeführt:

191

„... Bei dem Begriff des Vorteils handelt es sich um einen landesrechtlichen und damit - vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Bindungen - nicht revisiblen Begriff (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2012 - 9 BN 1.12 - juris Rn. 16). Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, der beitragsrechtliche Vorteil sei auch Eigentümern von tatsächlich schon zu DDR-Zeiten angeschlossenen Grundstücken erst in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem ihnen mit den jeweiligen öffentlichen Entsorgungseinrichtungen erstmals und frühestens unter dem grundlegend neuen Rechtsregime nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden sei, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Dies begegnet angesichts der weiteren Feststellung des Berufungsgerichts, dass Herstellungsbeiträge nur für nach der Wiedervereinigung entstandene Aufwendungen - und somit nicht doppelt - erhoben werden dürfen, keinen bundesrechtlichen Bedenken. Insbesondere steht Bundesverfassungsrecht dieser Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) - nicht entgegen. Zwar schützt danach das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 41). Indes bedeutet dies nicht, dass maßgeblicher Zeitpunkt ausnahmslos bereits derjenige des tatsächlichen Anschlusses an das Abwassersystem ist. Die Bestimmung der ab dem Eintritt der Vorteilslage zu bemessenden Ausschlussfrist muss nicht nur die Erwartung des Begünstigten auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung, sondern auch das öffentliche Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Anlage berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 40). Hieraus folgt, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um eine beitragsrelevante Vorteilslage handeln muss. Die Annahme des Berufungsgerichts, mit der Umgestaltung der Rechtsordnung und der Neugründung einer kommunalen - und damit erstmals kommunalabgabenrechtlich relevanten - Abwasserentsorgung im Jahr 1990 sei mit Blick auf den zukünftigen Ausbau der Einrichtung erstmalig eine Vorteilslage entstanden, stimmt damit überein.“

192

V. Zwar dürfte der anwaltlich vertretene Kläger irren, wenn er selbst vorträgt, (damals) Eigentümer des Grundstücks (gewesen) zu sein. Durch Zuschlag hatte er im Jahre 2011 vielmehr lediglich das Eigentum an dem Gebäude auf dem allerdings mit einem dinglichen Nutzungsrecht zugunsten des Gebäudeeigentümers belasteten Grundstück erworben. Diese Rechtsposition hielt er auch noch zum nach § 7 Abs. 2 Sätze 1 und 4 KAG M-V und § 5 Abs. 1 BSSW 2010/2012 maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids vom 9. August 2012 inne.

193

Seiner Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag steht dem allerdings nicht im Wege. Denn in diesem Fall ist er als Inhaber des dinglichen Nutzungsrechts nach Art. 233 § 4 EGBGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 2 BSSW 2010/2012, der sich auf § 7 Abs. 1 Satz 4 KAG M-V stützt, zu Recht als Beitragspflichtiger in Anspruch genommen worden.

194

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

195

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.