Tenor

Der Bescheid vom 14. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2002 wird aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisteten.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem sie zu Anschlussbeiträgen für die Niederschlagswasseranlage herangezogen wurden.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks W-Straße 23 in H (Gemarkung von H, Flur X, Flurstück Y) mit einer Größe von 1.066 m².

3

Mit Bescheid vom 14. Februar 2001 veranlagte der Beklagte die Kläger zu einem Anschlussbeitrag für den Anschluss an die Niederschlagswasseranlage in Höhe von 2.132,00 DM.

4

Gegen den Bescheid legten die Kläger Widerspruch ein und führten zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Veranlagung unzutreffend sei. Die angenommene Grundflächenzahl von 0,4 treffe nicht zu. Nach der tatsächlichen Bebauung dürfte nur ein Faktor von 0,2 angesetzt werden. Weiter meinten sie, dass durch den Anschluss kein wirtschaftlicher Vorteil entstanden und die Kalkulation fehlerhaft sei.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 2002 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass sich das Grundstück nach dem Flächennutzungsplan der Stadt H in einem Wohngebiet befinde. Demgemäß sei nach § 6 Abs. 4 Buchstabe b der Satzung die Grundflächenzahl von 0,4 festzusetzen. Die Kalkulation sei rechtmäßig erfolgt, ein Restbuchwert für die Altanlage sei nicht eingeflossen. Die Veranlagung des Grundstücks sei daher rechtmäßig erfolgt. Der Bescheid wurde am 31. Juli 2002 zugestellt.

6

Hiergegen haben die Kläger am 21. August 2002 zur Niederschrift des Gerichts Klage erhoben. Sie haben ihr bisheriges Vorbringen vertieft und ergänzend vorgetragen, bei der Kalkulation seien die Fördermittel nicht berücksichtigt worden und sie enthalte keinen zeitlichen Bezugsrahmen. Zudem sei das Grundstück bereits vor 1945 an eine zentrale Niederschlagswasserentsorgungsanlage angeschlossen gewesen. Demgemäß könne kein erstmaliger Beitrag erhoben werden.

7

Die Kläger beantragen,

8

den Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 2002 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er meint, dass die danach maßgebende Satzung zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides nichtig gewesen sei. Der Bescheid könne aber nunmehr auf die erste wirksame Beitragssatzung vom 21. Mai 2003 gestützt werden. Diese Satzung beruhe auf einer überarbeiteten Beitragskalkulation. Der Beitragssatz sei unverändert geblieben, so dass der Bescheid ab Inkrafttreten dieser Satzung auf einer wirksamen Rechtsgrundlage beruhe. Dass das Grundstück schon früher an eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen sei, sei nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald unerheblich. Das Grundstück könne auch tatsächlich angeschlossen werden, so dass auch ein Vorteil bestehe. Die konkrete Veranlagung des Grundstückes sei rechtmäßig, da es als Wohngebietsgrundstück korrekt mit 0,4 bewertet worden sei.

12

Zwischenzeitlich hat der Beklagte die Beitrags- und Gebührensatzung vom 21. Mai 2003 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 13. November 2008 beschlossen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.

15

Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beitragsbescheid vom 14. Februar 2001 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2001 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die dem Beklagten als Ermächtigungsgrundlage dienende Beitrags- und Gebührensatzung vom 31. Mai 2003 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 13. November 2008 (BGS 2003/ II) ist nichtig, soweit sie die hier streitige Anlage betrifft. Dies gilt auch für die Vorgängersatzung in ihrer ersten Änderungsfassung (BGS 2003/I).

16

Nach § 2 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz M-V in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (KAG M-V) dürfen Abgaben nur auf Grund einer Satzung erhoben werden. Die Satzung muss den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie den Zeitpunkt ihrer Entstehung und ihrer Fälligkeit angeben. Die vorliegende Beitrags- und Gebührensatzung enthält keine wirksame Festsetzung des die Abgabe begründenden Tatbestandes und eine fehlerhafte Festsetzung des Beitragssatzes.

17

Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle über eine Anfechtungsklage ist der Verwaltungsakt, wie er von der Behörde erlassen wurde. Die gerichtliche Prüfung erfolgt grundsätzlich an Hand der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sach- und geltenden Rechtslage (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.04.2000 - 3 C 6/99 -, NVwZ 2001, 322). Im Anschlussbeitragsrecht wird von diesen Grundsätzen insofern eine Ausnahme gemacht, als ein zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid rechtmäßig wird und dies im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen ist, wenn der Bescheid auf eine zwischenzeitlich ergangene, wirksame Satzung gestützt werden kann, der angefochtene Bescheid mithin nicht mehr aufzuheben ist (OVG Greifswald, Beschl. v. 19.12.2001 - 1 M 84/01 -, NordÖR 2002, 268). Unter diesen Gesichtspunkten ist der Bescheid an Hand der letzten gültigen Satzung zu beurteilen, auch wenn der Beklagte sich im vorliegenden Verfahren nicht auf diese Satzung berufen und keine Veröffentlichungsnachweise hierfür vorgelegt hat. Die Regelung zum Flächenansatz in § 6 Abs. 3 c BGS 2003/II verstößt gegen das Vorteilsprinzip und den Gleichheitssatz. Die Satzung sieht eine Tiefenbegrenzung für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich von 50 m vor (sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung). Der Ortsgesetzgeber statuiert damit eine widerlegbare Vermutung, dass die diesseits der Tiefenbegrenzung liegende Fläche Bauland und die jenseits der Tiefenbegrenzung liegende Fläche dem bevorteilten Bauland nicht mehr zuzurechnen ist. Damit besteht ein sachlicher Grund für die mit der Tiefenbegrenzungsregelung verbundene Differenzierung, die grundsätzlich für zulässig erachtet wird (OVG Greifswald, Beschl. v. 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, NordÖR 2004, 262; VG Schwerin, Urt. v. 25.01.2007 - 4 A 217/06 - m.w.N.). Die Kammer ist der Auffassung, dass im Recht der leitungsgebundenen Einrichtung eine sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen, den örtlichen Verhältnissen durchaus entsprechen kann. Voraussetzung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung ist jedoch, dass die hiermit vom Satzungsgeber ausgesprochene Vermutung, die bauliche Ausnutzbarkeit der betroffenen Grundstücke ende an der Tiefenbegrenzungslinie, tatsächlich den örtlichen Verhältnissen im Bereich der jeweiligen öffentlichen Einrichtung entspricht (OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 a.a.O.). Diese örtlichen Verhältnisse sind vor Beschlussfassung durch den Satzungsgeber zu ermitteln und zwar wegen der typisierenden Festlegung in allen Bereichen des von der Anlage betroffenen Gebietes (OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 - 4 K 22/94 - KStZ 1996, 114; Urt. v. 13.11.2001 a.a.O.).

18

Nachvollziehbare Unterlagen zum Ergebnis solcher Ermittlungen der örtlichen Verhältnisse hat der Beklagte nicht vorgelegt. Der Kammer erscheint auch unklar, weshalb der Beklagte für die Schmutzwasseranlage in § 5 Abs. 3 Nr. c BGS 2003/II eine Tiefenbegrenzung von 40 m angenommen hat, für die Niederschlagswasserbeseitigung hingegen eine Tiefenbegrenzung von 50 m angenommen hat. Eine plausible Erklärung für diese Unterscheidung ergibt sich aus den vorgenannten Unterlagen nicht.

19

Darüber hinaus verstößt die Regelung in § 6 Abs. 3 c 2. Abs. BGS 2003/II gegen den Gleichheitsgrundsatz. Danach ist bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg mit einer Straße verbunden sind, die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer in Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele zu veranlagen. Warum der Beklagte eine Sonderregelung für sogenannte Pfeifenstielgrundstücke getroffen hat, erschließt sich nicht. Folge dieser Regelung ist, dass die Zuwegung zum Grundstück von der Straße aus außer Betracht bleibt. Einen Grund für diese Regelung unter beitragsrechtlichen Gesichtspunkten für die Niederschlagswasseranlage, ist nicht zu erkennen, zumal es sich bei der Zuwegung zum Grundstück um typischerweise versiegelte Flächen handeln dürfte.

20

Darüber hinaus ist auch der Beitragssatz des Beklagten falsch kalkuliert. Ausweislich der vorgelegten Kalkulation betragen die Gesamtkosten der Anlage abzüglich der Zuschüsse 8.936.189,81 Euro. Von diesen Kosten beabsichtigt der Beklagte 1.213.207,04 Euro durch Beiträge zu finanzieren. Der verbleibende Betrag von 7.722.982,77 Euro ist durch Kredite zu finanzieren. Der beitragsfinanzierte Anteil an der Gesamtanlage beträgt daher nur ca. 13, 5 %. Hingegen werden 86,5 % fremdfinanziert. Dies führt nach Auffassung der Kammer zu einer unzulässigen Kalkulation des Beitragssatzes. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sollen Anschlussbeiträge zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen Einrichtung und leitungsgebundenen Abwasserentsorgungen erhoben werden (Sauthoff in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/05, § 8 Rn. 1613; VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007, 4 A 1319/06 -). Ein einschränkungsloses Wahlrecht des Aufgabenträgers statt eines "Beitragsmodell", ein reines Gebührenmodell einzuführen besteht damit nicht. Die Sollregelung macht deutlich, dass ein reines Gebührenmodell nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zulässig ist (vgl. so auch Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07 § 9 Anm. 21). Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung von Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 KAG M-V ist daher auf sogenannte atypische Fälle beschränkt. Derartige Besonderheiten sind beim Beklagten nicht zu erkennen.

21

Im Rahmen der oben dargestellten Grundsätze steht dem Satzungsgeber aber ein Beurteilungsspielraum zu, welchen Anteil er gebührenfinanziert und welchen Beitrag er beitragsfinanziert vornimmt. Dies führt nach der auf Grund der oben genannten Sollregelung dazu, dass der Aufgabenträger bei der Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen muss (VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008 - 3 A 1395/05). Nach der Rechtsprechung wird ein Deckungsgrad von 70 % weitestgehend für zulässig erachtet (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64). Ein Verstoß gegen diese Maßgabe führt zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und der darauf beruhenden Beitragssätze (VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008 a.a.O.). Das Gericht schließt sich der Auffassung des VG Greifswald an, wonach das mit der Sollregelung verbundene Regelungsziel, nämlich die Senkung des Fremdkapitalbedarfs für die Anschaffung und Herstellung leitungsgebundener Anlagen der Abwasserbehandlung den Rahmen vorgibt, in denen Ausnahmen zulässig sind. Denn nach allgemeinen Grundsätzen dürfen Ausnahmen nicht beliebig zugelassen werden, vielmehr muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Regel und der Ausnahme vorhanden sein (vgl. VG Greifswald a.a.O.) Die Kammer ist der Auffassung, dass es dem Willen des Gesetzgebers entsprach, die Kreditbelastung der Aufgabenträger möglichst gering zu halten (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 a.a.O., einschränkend VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008, a.a.O.). Dabei geht das Gericht, wie auch die 4. Kammer des VG Schwerin davon aus, dass ein atypischer Fall dann vorliegen kann, wenn mit der Erstellung eines Beitragssatzes und der Erhebung des von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre, der die Erhebung ad absurdum führt. Beim Beklagten hingegen wird aber genau das Gegenteil erreicht. Der Beklagte führt einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand durch, um sodann nur einen minimalen Anteil des Gesamtbedarfes durch Beiträge zu decken und den Großteil der Kosten fremd zu finanzieren. Mit einer Fremdfinanzierung von 86 % hat der Ortsgesetzgeber seinen eingeräumten Ermessensspielraum i.d.R. deutlich überschritten.

22

Der angefochtene Bescheid war daher aus den oben genannten Gründen aufzuheben.

23

Der Beklagte hat als Unterlegener gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 18. Juni 2009 - 8 A 2316/02

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 18. Juni 2009 - 8 A 2316/02

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 18. Juni 2009 - 8 A 2316/02 zitiert 5 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 18. Juni 2009 - 8 A 2316/02 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 18. Juni 2009 - 8 A 2316/02 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 02. Apr. 2008 - 3 A 1395/05

bei uns veröffentlicht am 02.04.2008

Tenor 1. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 03.11.2004 – S 1260047/000823, N 1260047/00956 – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 27.05.2005 werden insoweit aufgehoben, als die Festsetzungen die Beträge von Euro 595,23 bzw. 175,10

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 25. Jan. 2007 - 4 A 217/06

bei uns veröffentlicht am 25.01.2007

Tenor Der Bescheid über die Festsetzung des Anschlussbeitrages für die Herstellung der öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung vom 05. September 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2006 werden aufgehoben.
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 18. Juni 2009 - 8 A 2316/02.

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 17. Okt. 2016 - 4 A 1025/15 SN

bei uns veröffentlicht am 17.10.2016

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten über einen Anschlussbeitragsbescheid für die öffentliche Schmutzwasseranlage Hagenow. 2 Die Klägerin ist Eigentümerin des

Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 10. März 2010 - 3 A 1156/08

bei uns veröffentlicht am 10.03.2010

Tenor 1. Der Bescheid des Beklagten vom 04.03.2008 - Kundennummer A - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 wird insoweit aufgehoben, als die Festsetzung den Betrag von € 49.429,16 übersteigt; dessen Bescheide vom 03.09.2008,

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Bescheid über die Festsetzung des Anschlussbeitrages für die Herstellung der öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung vom 05. September 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2006 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides des Beklagten über die Heranziehung des Klägers zu einem Anschlussbeitrag für die Schmutzwasserbeseitigung.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks in ..., ... (Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ...) mit einer Größe von ... qm.

3

Am 12. November 2003 beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Schweriner Umland die "Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung", die am 13. November 2003 dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern angezeigt, am 13. November 2003 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt und am 21. November 2003 in der "Schweriner Volkszeitung" öffentlich bekannt gemacht wurde.

4

Am 11. August 2005 beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Schweriner Umland die "1. Satzung zur Änderung der Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung", die am 31. August 2005 dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern angezeigt, am 31. August 2005 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt und 30. September 2005 in der "Schweriner Volkszeitung" veröffentlicht wurde.

5

Am 12. November 2003 beschloss die Verbandsversammlung die "Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung", die am 13. November 2003 dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern angezeigt, am 13. November 2003 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt und am 20. November 2003 bzw. am 22./23. November 2003 in der "Schweriner Volkszeitung" veröffentlicht wurde.

6

Am 02. Dezember 2004 beschloss die Verbandsversammlung die "1. Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung", die am 08. Dezember 2004 dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern angezeigt, am 25. Januar 2005 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt und am 05./06. Februar 2005 in der "Schweriner Volkszeitung" veröffentlicht wurde.

7

Am 11. August 2005 beschloss die Verbandsversammlung die "2. Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung", die dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern am 31. August 2005 angezeigt, am 31. August 2005 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt und am 01./02./03. Oktober 2005 in der "Schweriner Volkszeitung" veröffentlicht wurde.

8

Am 30. November 2005 beschloss die Verbandsversammlung die "3. Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung", die am 12. Dezember 2005 dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern angezeigt, am 12. Dezember 2005 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt und am 23. Dezember 2005 in der "Schweriner Volkszeitung" veröffentlicht wurde.

9

Mit "Bescheid über die Festsetzung des Anschlussbeitrages für die Herstellung der öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung" vom 05. September 2005 zog der Beklagte den Kläger zu einem Anschlussbeitrag für das oben bezeichnete, im Entsorgungsbereich 1 liegende Grundstück in Höhe von ... Euro heran.

10

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 08. September 2005 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2006, zugegangen am 17. Januar 2006, als unbegründet zurückgewiesen wurde. Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers war hiernach die "Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung" in der Fassung der 1. Änderungssatzung (im folgenden: ABS) i.V.m. der "Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung" in der Fassung der 3. Änderungssatzung (im folgenden: BS), die zur Schmutzwasserbeseitigung drei öffentliche Einrichtungen (sog. Entsorgungsbereiche) vorsehen.

11

Am 16. Februar 2006 hat der Kläger gegen die vorgenannten Bescheide Klage erhoben.

12

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die BS erfülle nicht die Anforderungen an die Bestimmtheit des Beitragsmaßstabes. Die Regelung des § 5 Abs. 5 Satz 4 BS stehe im Widerspruch zu dem § 5 Abs. 5 Sätze 2 und 3 BS. Gemäß § 5 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BS würde in den Fällen, in denen beispielsweise die Höhen sämtlicher Geschosse 2,30 m unterschritten, die Firsthöhe durch 2,60 dividiert und die sich danach ergebende Bruchzahl auf ganze Zahlen abgerundet. Sei das Grundstück danach ausschließlich mit einem Gebäude bebaut, das lediglich eine Geschosshöhe von 2,20 m aufweise, verbleibe unter Berücksichtigung eines Quotienten von 2,60 kein Vollgeschoss auf dem Grundstück. Sei das Grundstück mit einem Bauwerk bebaut, das zwei Geschosse aufweise mit Höhen von jeweils unter 2,20 m, d.h. insgesamt 4,40 m, wäre das Grundstück mit einem Bauwerk bebaut, dass als mit einem Vollgeschoss bebaut gelte. Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 4 BS solle hingegen ein Grundstück, auf dem vor dem 30. April 1994, dem Inkrafttreten der Landesbauordnung (LBauO M-V), ein Bauwerk errichtet worden sei, mit einem Geschoss in der Höhe von 2,20 m als ein Vollgeschoss angerechnet werden. Soweit das Gebäude zwei Geschosse mit jeweils 2,20 m Höhe, d.h. insgesamt 4,40 m Höhe aufweise, solle das Grundstück als mit zwei Vollgeschossen bebaut gelten. Der Beitragsmaßstab sei damit insbesondere für Grundstücke, auf denen vor dem 30. April 1994 ein Bauwerk errichtet worden sei, nicht hinreichend bestimmt.

13

Dies gelte umso mehr, da dem § 5 Abs. 5 Satz 4 BS nicht einmal hinreichend deutlich zu entnehmen sei, mit wie vielen Vollgeschossen bebaut diejenigen Grundstücke gelten sollen, auf denen vor dem 30. April 1994 ein Gebäude errichtet worden sei.

14

Darüber hinaus verstoße § 5 Abs. 5 Satz 4 BS gegen das Gleichheitsgebot. Gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 BS fänden für die Berechnung der Vollgeschosse bei Bauwerken, die nach dem 30. April 1994 errichtet worden seien, ausschließlich die Vorschriften der LBauO M-V Anwendung. Es sei nicht erkennbar, warum bei Grundstücken, die vor dem 30. April 1994 bebaut worden seien, beispielsweise mit Räumen, die nach der LBauO M-V keine Geschosse seien (§ 2 Abs. 6 Satz 2 und § 2 Abs. 7 Satz 2 LBauO M-V), als Vollgeschosse gelten sollten.

15

Die BS verstoße außerdem gegen das Rückwirkungsverbot. Die Beitrags- und Gebührensatzung des Beklagten vom 29. Januar 1997 habe noch eine Unterteilung in sieben Entsorgungsbereiche vorgenommen. Dem Entsorgungsbereich 5 hätten beispielsweise die Kommunen Böken (Teilgebiet), Grambow (Teilgebiet) und Wessin (Teilgebiet) angehört. Der Beitragssatz für diese Kommunen habe insgesamt 4,51 Euro/qm betragen (3,63 Euro/qm Kanalbaubeitrag; 0,89 Euro/qm Kläranlagenbeitrag). Gemäß § 1 der nunmehr geltenden BS gehörten die Kommunen dem Entsorgungsbereich 2 an mit einem Anschlussbeitrag in Höhe von 9,66 Euro/qm. Er liege damit um 5,15 Euro/qm höher als der in der ursprünglichen Satzung vom 29. Januar 1997. Eine Rechtfertigung für diese Erhöhung sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Gemessen an dem durch das Grundgesetz normierten Schlechterstellungsverbot sei der von dem Beklagten mit Rückwirkung festgesetzte Beitragssatz rechtswidrig und die BS damit nichtig. Äußerst vorsorglich werde die Einrede der Verjährung erhoben.

16

Es fehle zudem eine ortsgesetzgeberische Entscheidung unter Beachtung des bestehenden Organisationsermessens darüber, dass technisch getrennte Anlagen eine Einrichtung im rechtlichen Sinne bilden sollen. Es sei davon auszugehen, dass die Zusammenfassung der jeweiligen im Verbandsgebiet unterschiedlich arbeitenden Anlagen in drei Entsorgungsbereichen eine nicht mehr ermessensfehlerfreie Entscheidung darstelle. Unabhängig davon hätte die Zusammenfassung der jeweiligen Einrichtungen eine gesonderte Entscheidung durch die Verbandsversammlung erfordert.

17

Es wird bestritten, dass die Kalkulation rechtmäßig sei.

18

Nach der BS des Beklagten umfassten die jeweiligen öffentlichen Einrichtungen die Grundstücke der in der Satzung benannten Gemeinden, Ortsteilen und Ortslagen, die durch einen betriebsfertigen Hauptentwässerungskanal erschlossen seien. Folglich könne die Kalkulation des Beitragssatzes auch nur diejenigen Investitionen und Aufwendungen für diejenigen Flächen berücksichtigen, deren Grundstücke bereits angeschlossen seien. Ausweislich des Schlussberichtes des Beklagten zur BS des Jahres 2003 seien jedoch auch Investitionen und Aufwendungen für die zukünftige Erschließung von Flächen mit in die Kalkulation einbezogen worden. Investitionen und Aufwendungen für Flächen, die erst zukünftig durch einen betriebsfertigen Hauptentwässerungskanal erschlossen würden, seien jedoch nicht Bestandteil der jetzt bestehenden öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung. Eine Berücksichtigung dieser Kosten und Flächen bei der Kalkulation sei daher ausgeschlossen.

19

Zudem sei die Herstellung der Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage in vielen Gemeinden, beispielsweise Grambow und Banzkow, bereits vor 1989 erfolgt. Bei der Übernahme der Einrichtungen durch den Zweckverband seien zunächst ganz überwiegend keine Kosten entstanden, diese seien erst in der Folgezeit nach 1993 entstanden durch Arbeiten an der bereits betriebsfertig hergestellten Anlage. Diese Kosten beträfen insoweit nicht die Herstellung, sondern die Verbesserung oder Erneuerung der öffentlichen Einrichtung.

20

Es sei auch davon auszugehen, dass die Flächen nicht zutreffend ermittelt worden seien. Der Beklagte habe nur diejenigen Flächen in die Kalkulation mit einbezogen, in denen tatsächlich Aufwendungen und Kosten dokumentiert worden seien. Flächen, für deren Erschließung keine Aufwendungen tatsächlich dokumentiert worden seien, seien in der Kalkulation - zumindest teilweise - nicht einbezogen worden.

21

Der Kläger beantragt,

22

den Bescheid vom 05. September 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2006 aufzuheben.

23

Der Beklagte beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Er trägt im Wesentlichen vor, dass die in § 5 Abs. 5 BS enthaltene Definition eines Vollgeschosses der Mustersatzung entspreche. Es bestehe auch kein Widerspruch in § 5 Abs. 5 zwischen den Sätzen 2 und 3 einerseits und dem Satz 4 andererseits. Der Satz 4 habe erklärenden Charakter, nämlich, dass bei Nichtfeststellung eines Vollgeschosses bei Gebäuden, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, die Mindesthöhen von der Regelung der gültigen LBauO abweichen können. Die Anzahl der Vollgeschosse würde sich auch in diesem Fall nach der Vorschrift des Satzes 2 ergeben. Die von dem Kläger gezogenen Schlussfolgerungen träfen nicht zu. Es finde keine unterschiedliche Behandlung der Grundstücke zum Nachteil der Grundstückseigentümer statt, deren Gebäude vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien. Damit verstoße der § 5 Abs. 5 Satz 4 BS auch nicht gegen das Gleichheitsgebot.

26

Es bestehe auch keine Diskrepanz zwischen § 1 Abs. 2 a ABS und § 1 BS. Der Zweckverband betreibe gemäß § 1 Abs. 2 a ABS drei öffentliche zentrale Einrichtungen zur Beseitigung des Schmutzwassers. Diese unterschieden sich nach den technischen Entsorgungsbereichen und deren örtlicher Ausdehnung entsprechend der BS. In § 1 BS finde sich die Formulierung "geplante Kläranlagen". In dieser Formulierung seien damit auch die erforderlichen übrigen öffentlichen Einrichtungen, wie Hauptentwässerungskanäle, eingeschlossen, so dass die Kalkulation die noch erforderlichen Investitionen einerseits und den Flächenzuwachs andererseits berücksichtigt habe. Dies sei auch aus der Kalkulation ersichtlich.

27

Die BS verstoße auch nicht gegen das Rückwirkungsverbot. Gemäß § 21 BS trete die Beitragssatzung Schmutzwasser ohne Rückwirkung am 01. Dezember 2003 in Kraft. Nach § 4 BS entstehe die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der Satzung. Hierbei werde nach der geltenden Rechtsprechung immer von dem Inkrafttreten einer rechtsgültigen Satzung ausgegangen. Die vorherige Beitrags- und Gebührensatzung vom 29. Januar 1997 habe nicht diesen Anforderungen entsprochen. Insoweit verbiete sich jeder Vergleich.

28

Nach dem durch die Verbandsversammlung frei zu entscheidenden Organisationsprinzip hinsichtlich der Erfassung und Zuordnung der Mitgliedsgemeinden zu bestimmten Kläranlagen, die sich in ihrer Arbeitsweise und Reinigungsleistung unterschieden, enthalte die BS nur noch drei Entsorgungsbereiche. Hierauf sei auch die Kalkulation innerhalb der drei Entsorgungsbereiche aufgebaut. Sie umfasse den Zeitraum bis zum Jahre 2010 bzw. 2011. Auf der Grundlage dieser Zuordnung zu den drei Entsorgungsbereichen sei der Anschlussbeitragsbescheid an den Kläger erlassen worden. Im Übrigen treffe der in der Klagebegründung beispielhaft gezogene Vergleich mit dem Entsorgungsbereich 5 der Beitrags- und Gebührensatzung vom 29. Januar 1997 auf das Grundstück des Klägers in der Gemeinde ... nicht zu, denn diese Gemeinde habe auch nach der alten Beitragssatzung vom 29. Januar 1997 zum Entsorgungsbereich 1 gehört. Eine Vergleichsberechnung mit unwirksamen Vorgängersatzungen sei nicht erforderlich, da die Höhe der Beitragsforderung von dem Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht abhängig sei, der wiederum das Bestehen einer ersten wirksamen Satzung voraussetze. Von einer Rechtswidrigkeit des Beitragssatzes wegen Nichtbeachtung des Rückwirkungs- bzw. Schlechterstellungsverbotes könne demnach keine Rede sein.

29

Der Einwand der Verjährung werde zurückgewiesen. Der Anschlussbeitragsbescheid sei innerhalb der vierjährigen Festsetzungsverjährung bekannt gegeben worden.

30

Der Entsorgungsbereich 1 umfasse alle Kommunen ohne eigene Kläranlagen. Das Schmutzwasser dieser Kommunen werde in die Kläranlage Schwerin geleitet. Bei der Einordnung der einzelnen Kläranlagen in die Entsorgungsbereiche 2 und 3 sei auf die rechtlichen Erfordernisse gemäß der Verordnung über Anforderungen an das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer - Abwasserverordnung - abgestellt worden. Bei der Zusammenfassung der drei Entsorgungsbereiche seien demnach konsequent die rechtlichen Vorgaben berücksichtigt worden.

31

Hinsichtlich der Einordnung in insgesamt drei Entsorgungsbereiche nach Arbeitsweise und Reinigungsleistung liege eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Verbandsversammlung vor.

32

Zudem könne derzeit nur ein Herstellungsbeitrag und kein Verbesserungs- oder Erneuerungsbeitrag erhoben werden, denn erst wenn etwas von dem Beklagten hergestellt worden sei, könne es sich bei weiteren Maßnahmen um die beitragsrechtlichen Tatbestände des Aus- und Umbaus, der Verbesserung, der Erweiterung oder der Erneuerung handeln. Hieraus folge, dass es sich auch bei den Grundstücken der sog. Altanschließer um Kosten für die Herstellung des Anschlusses handele.

33

Zurückgewiesen werde auch die Behauptung, dass Flächen bestimmter Straßen und Bereiche nicht in die Kalkulation einbezogen worden seien. Alle in Frage kommenden beitragsfähigen Grundstücke seien mit den Flurstücksbezeichnungen in die Kalkulation bei der Flächenerfassung einbezogen worden. Dies sei auch den Unterlagen zu entnehmen.

34

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, insbesondere das Protokoll der mündlichen Verhandlung, den beigezogenen Verwaltungsvorgang, sowie die Beiakten Nr. 2 bis 17 aus dem Verfahren 4 A 744/04, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

35

Die Klage ist zulässig und begründet.

36

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

37

Dem angefochtenen Bescheid vom 05. September 2005 und dem Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2006 fehlt es bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die BS hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

38

Grundlage dieser rechtlichen Prüfung ist dabei nach dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. März 2005 (GVOBl. M-V 2005, S. 91) das Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) in der seit dem 31. März 2005 geltenden Fassung.

39

Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle ist bei der hier gegebenen Anfechtungsklage der Verwaltungsakt, wie er von der Behörde erlassen wurde. Die gerichtliche Prüfung erfolgt grundsätzlich anhand der zu diesem Zeitpunkt gegebenen Sach- und geltenden Rechtslage (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.04.2000, Az.: 3 C 6/99, veröffentlicht in: NVwZ 2001, 322:

40

"Das Berufungsgericht geht zutreffend von dem Grundsatz aus, daß es für die Begründetheit einer Anfechtungsklage auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt. Den mit dieser Klage verfolgten Anspruch auf Aufhebung einer belastenden Entscheidung mit Wirkung ex tunc hat der Bürger im allgemeinen nur, wenn die angegriffene Entscheidung in dem genannten Zeitpunkt rechtswidrig war. Allerdings steht dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt, daß das materielle Recht einen anderen Zeitpunkt als maßgeblich bestimmen kann.",

41

vgl. eingehend zur Problematik: Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann, VwGO, § 113 Rz.21 Fn.109). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird im Anschlussbeitragsrecht insoweit für gerechtfertigt erachtet, als dass auch das Inkrafttreten einer neuen Beitragssatzung ohne Rückwirkungsanordnung bewirken kann, dass ein vorher erlassener, mangels Entstehens der Beitragspflicht wegen fehlender rechtmäßiger Satzung (vgl. § 8 Abs.7 S.2 KAG a.F.) zunächst rechtswidriger Beitragsbescheid rechtmäßig wird und dies im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen, der angefochtene Bescheid mithin nicht mehr aufzuheben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1983, Az.: 8 C 170/81, veröffentlicht in: BVerwGE 67, 129; BVerwG, Urt. v. 25.11.1981, Az.: 8 C 14/81, veröffentlicht in: BVerwGE 64, 218; OVG M-V, Beschl. v. 19.12.2001, Az.: 1 M 84/01, veröffentlicht in: NordÖR 2002, 268).

42

Diese Ausnahme ist indes beschränkt auf das Inkrafttreten einer neuen, wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage eines Beitragsbescheides und kann nicht auf den hier gegebenen Fall angewendet werden, dass sich die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Beitragssatzung ändert. Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art.20 Abs.3 GG folgt, dass von einer gesetzlichen Ermächtigung erst dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn diese in Kraft getreten ist (vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. vom 26.07.1972, Az.: 2 BvF 1/71, veröffentlicht in: BVerfGE 34, 9 (21); BVerwG, Urt. v. 28.06.1974, Az.: VII C 22/73, veröffentlicht in: BVerwGE 45, 277 (278)). Eine nach Beschlussfassung über eine ortsgesetzliche Satzung in Kraft tretende gesetzliche Regelung kann für diese mithin keine Ermächtigungsgrundlage sein. Es bedarf nach Inkrafttreten der gesetzlichen Grundlage zumindest einer neuen Beschlussfassung über die bereits bestehende Satzung, soll diese von der neuen Ermächtigungsgrundlage getragen werden (vgl. OVG M-V, Urt. v. 18.09.1996, Az.: 6 L 77/96, Umdruck S.10; OVG M-V, Urt. v. 18.09.1996, Az.: 6 L 11/96, veröffentlicht in: LKV 1997, 422). Der Grund für dieses Erfordernis -und zugleich der tragende Grund für die abweichende Behandlung der Abgabensatzung als Grundlage des Beitragsbescheides- liegt darin, dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage dem Satzungsgeber einen Ermessenspielraum für die Ausgestaltung seiner ortsrechtlichen Regelung gibt, etwa bei der Wahl des Beitragsmaßstabes (vgl. § 8 Abs.1 KAG a.F. einerseits und § 9 Abs.4 bis 6 KAG M-V n.F. andererseits) oder der Entscheidung, ob eine gemischte Beitrags-/Gebühren- oder eine reine Gebührenfinanzierung erfolgen soll (vgl. § 8 Abs.1 KAG a.F. einerseits und § 9 Abs.1 KAG M-V n.F. andererseits) und damit verbunden zu welchem Grad der Aufwand für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung durch Beiträge oder durch andere Mittel des öffentlichen Haushaltes finanziert werden soll. Dieses Ermessen kann vom Satzungsgeber bei Beschlussfassung über die Satzung aber nur dann ordnungsgemäß betätigt werden, wenn er den gesetzlich definierten Spielraum kennt, was ausgeschlossen ist, wenn die Ermächtigungsgrundlage zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch nicht in Kraft getreten ist (vgl. OVG M-V, Urt. v. 18.09.1996, Az.: 6 L 11/96, veröffentlicht in: LKV 1997, 422). Ist im Rahmen dieses Ermessensspielraums eine wirksame Beitragssatzung beschlossen worden und in Kraft getreten, besteht für die konkret-individuelle Beitragserhebung durch die örtliche Exekutive kein Ermessensspielraum mehr; sie ist aus Gründen der Gesetzmäßigkeit der Abgabenerhebung verpflichtet, die Satzung anzuwenden und die Beiträge zu erheben (OVG Schleswig, Urt. v. 24.02.1999, Az.: 2 L 146/96, veröffentlicht in: NordÖR 1999, 312). Aufgrund dieses gebundenen Verwaltungshandelns bei der Abgabenerhebung selbst, ist es gerechtfertigt, in dieser Rechtsbeziehung eine "Heilung" mangels wirksamer Satzung rechtswidriger Bescheide durch eine bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in Kraft getretene wirksame Abgabensatzung zuzulassen, nicht jedoch die Satzung ohne erneute Befassung des Normgebers auf eine neue gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zu stellen (so bereits die Urteile der Kammer vom 09. Juni 2005, Az.: 4 A 2668/04 und vom 21. Februar 2006, Az.: 4 A 20/06).

43

Demgemäß geht die Kammer davon aus, dass Anschlussbeitragssatzungen und darauf beruhende Beitragsveranlagungen nach Maßgabe des bis zum 30. März 2005 geltenden Kommunalabgabengesetzes zu beurteilen sind, wenn die Anschlussbeitragssatzung bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen war. Liegt eine Beschlussfassung über die Anschlussbeitragssatzung oder einer Änderungssatzung zu dieser ab dem 31. März 2005 vor, gilt hingegen das KAG-MV in der neuen Fassung (im folgenden: KAG M-V).

44

Vorliegend hat sich die Verbandsversammlung des Zweckverbandes Schweriner Umland zweimal nach dem Inkrafttreten des neuen KAG M-V mit dem beitragsrechtlichen Teil der BS befasst. Am 11. August 2005 hat sie in Bezug auf § 1 redaktionelle Änderungen beschlossen; am 30. November 2005 hat sie die Beitragskalkulation überprüft und einen Beschluss über die "2. Fortschreibung der Beitrags- und Gebührenkalkulation für die Abwasserbeseitigung in den Entsorgungsbereichen des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung" gefasst. Insbesondere mit dem letztgenannten Beschluss hat die Verbandsversammlung dokumentiert, dass sie nach dem Inkrafttreten des KAG M-V und damit in Kenntnis der neuen Rechtslage an ihren Beitragssätzen und damit auch an ihren Beitragsmaßstäben unverändert festhalten will. Die Verbandsversammlung war sich also spätestens im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 30. November 2005 über ihren gesetzlich definierten Ermessensspielraum für die Ausgestaltung ihrer ortsrechtlichen Regelung im Klaren, den ihr das neue KAG M-V bietet.

45

Den damit geltenden Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V genügt die BS jedoch nicht. Der Beitragsmaßstab verstößt teilweise gegen das Vorteilsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz (a) und die Kalkulation des Abgabensatzes erweist sich als fehlerhaft (b).

a.

46

Die BS verwendet in § 5 einen grundsätzlich zulässigen kombinierten Flächen- und (abgestuften) Vollgeschossmaßstab. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern an, wenn dieses grundlegend im Urt. v. 15.03.1995, Az.: 4 K 22/94, veröffentlicht in: KStZ 1996, 114 (bestätigt durch OVG M-V, Beschl. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 24/99), ausführt:

47

"a) § 4 Abs. 2 Satz 1 EAS enthält einen rechtswirksamen, abgestuften Vollgeschoßmaßstab. Danach wird bei der Ermittlung des nutzungsbezogenen Flächenbeitrages für das erste Vollgeschoß 25% und für jedes weitere Vollgeschoß 15% der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht. In Kerngebieten beträgt der Ansatz für das erste Vollgeschoß 50% und für jedes weitere Vollgeschoß 30%.

48

Die Verwendung eines Vollgeschoßmaßstabes ist in der Rechtsprechung zwischenzeitlich weitgehend anerkannt ( VGH Mannheim vom 13.01.1994, 2 S 1213/92 ; OVG Lüneburg, Beschluß vom 19.10.1993, 9 M 2240/93, KStZ 1994, 77 ; OVG Lüneburg, Urteil vom 27.01.1993, 9 L 4763/91 , OVG Lüneburg, Beschluß vom 02.05.1991, 9 M 4630/91 ). Dies gilt aber regelmäßig nur für solche Maßstäbe, die für jedes weitere Vollgeschoß eine Steigerung in gleicher Höhe vorsehen. Im vorliegenden Fall verwendet der Antragsgegner aber einen abgestuften Vollgeschoßmaßstab, bei dem das erste Vollgeschoß beitragsrechtlich höher in Ansatz gebracht wird als das zweite und eventuell weitere Vollgeschosse.

49

In diesem Zusammenhang wird die Rechtsansicht vertreten, es sei unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten nur eine lineare Steigerung je Vollgeschoß zulässig. Es widerspreche der Wahrscheinlichkeit, daß etwa bei Wohnhäusern die künftige Möglichkeit der Inanspruchnahme der Abwassereinrichtung in bezug auf die weiteren Vollgeschosse geringer sei als jeweils beim ersten Vollgeschoß. Insoweit sei die Maßstabsregelung systemwidrig und damit nicht vorteilsgerecht ( OVG Schleswig, Urteil vom 13.07.1993, 2 L 55/93 ).

50

Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Beschluß vom 02.05.1991, 9 M 4630/91 ; vgl. Driehaus/Klausing, aaO., Rdn. 1024; ebenso Hatopp, NKAG, § 6, Rdn. 51c) ist es demgegenüber durchaus zulässig, wenn das erste Vollgeschoß mit einem höheren Ansatz als die weiteren Vollgeschosse berücksichtigt werden. Nach Auffassung des Senats ist dieser Ansicht zu folgen. Ein abgestufter Vollgeschoßmaßstab ist durchaus vorteilsgerecht, da die erhöhte beitragsrechtliche Belastung des ersten Vollgeschosses zum einen darin ihre Rechtfertigung findet, daß ein Gebäude in der Regel noch ein Dachgeschoß hat, das in zahlreichen Fällen nicht als Vollgeschoß im Sinne der Landesbauordnung gilt. Der Vorteil, der von einem solchen Dachgeschoß bzw. auch einem Kellergeschoß ausgeht, wird durch den höheren Ansatz für das erste Vollgeschoß abgegolten."

51

Auch der von dem Beklagten in § 5 Abs. 3 BS verwendete abgestufte Vollgeschossmaßstab ("Zur Berücksichtigung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung wird die Fläche nach Abs. 2 mit einem Faktor von 0,25 für das erste Vollgeschoss und für jedes weitere Vollgeschoss mit einem Faktor von 0,2 berücksichtigt.") ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. OVG M-V, Urt. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 16/00, veröffentlicht in: KStZ 2002, 132).

52

Die Regelungen zum Flächenansatz in § 5 Abs.2 lit.c BS verstoßen jedoch gegen das Vorteilsprinzip und den Gleichheitssatz.

53

§ 5 Abs.2 lit.c Satz 1 BS ("Als Grundstücksfläche gilt: c) bei Grundstücken, für die kein B-Plan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallele.") sieht für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich eine generelle Tiefenbegrenzung von 50 m vor (sog. schlichte Tiefenbegrenzung). Der Ortsgesetzgeber statuiert damit eine widerlegbare Vermutung, dass die diesseits der Tiefenbegrenzung liegende Fläche Bauland ist und die jenseits der Tiefenbegrenzungslinie liegende Fläche dem bevorteilten Bauland nicht mehr zuzurechnen ist. Damit besteht ein sachlicher Grund für die mit der Tiefenbegrenzungsregelung verbundene Differenzierung, die folglich auch grundsätzlich für zulässig erachtet wird (vgl. OVG M-V, Urt. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 16/00, veröffentlicht in: KStZ 2002, 132; Beschl. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 24/99, veröffentlicht in: LKV 2002, 380; Beschl. v. 29.11.2001, Az.: 1 M 66/01, veröffentlicht in: NordÖR 2002, 81; Beschl. v. 17.12.2001, Az.: 1 L 118/01, veröffentlicht in: NordÖR 2002, 65; Beschl. v. 20.11.2003, Az.: 1 M 180/03, veröffentlicht in: NordÖR 2004, 262).

54

Auch wenn in Parallelverfahren gerügt wird, die von dem Beklagten vorgesehene schlichte Tiefenbegrenzungsregelung, die auch zentrale Grundstücke im unbeplanten Innenbereich erfasst, sei vorteilswidrig und damit unzulässig (so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.01.1999, Az.: 9 M 3626/98 veröffentlicht in: NVwZ-RR 2000, 249; OVG Weimar, Urt. v. 18.12.2000, Az.: 4 N 472/00, veröffentlicht in: LKV 2001, S. 415) ist die Kammer im Einklang mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern der Auffassung, dass im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen eine sog. schlichte Tiefenbegrenzung bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegen, den örtlichen Verhältnissen durchaus entsprechen kann (vgl. OVG M-V, Urt. v. 02.06.2004,, Az.: 4 K 38/02, veröffentlicht in: DVBl. 2005, S. 64; Beschl. v. 20.11.2003, Az.: 1 M 180/03, veröffentlicht in: DVBl. 2004, S. 587; Beschl. v. 17.12.2001, Az.: 1 M 118/01, veröffentlicht in: NordÖR 2002, S. 65; Urt. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 16/00, veröffentlicht in: NVwZ-RR 2002, S. 687). Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat in seinem Urteil vom 13.11.2001, Az.: 4 K 16/00, S. 13ff. ausgeführt:

55

"Für das hier in Rede stehende Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung demgegenüber im Grundsatz daran fest, daß eine sogenannte schlichte Tiefenbegrenzungsregelung den örtlichen Verhältnissen entsprechen kann. Sie kann vom Ortsgesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz willkürfrei angeordnet werden.

56

Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, daß der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus.

57

Der Grundsatz der Praktibilität kann aber auch unter Gleichheitsgesichtspunkten einen sachlichen Grund bilden, bei dem umgekehrten Sachverhalt (Einzelfälle unbeplanter Grundstücke, die über 50 m hinaus Baulandqualität haben) zu pauschalieren. Dies gilt, solange die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 1.99, DÖV 2000, 550 ff., zum kommunalen Steuerrecht). So liegt es hier. Eine Tiefenbegrenzungsregelung findet gerade im Anschlußbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, daß im Rahmen der Beitragskalkulation eine Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist (OVG Schleswig, Urt. v. 26.05.1999 - 2 K 23/97, NordÖR 1999, 304 <306>). Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität besondere Bedeutung. Ohne eine Tiefenbegrenzung müßten ggf. eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanter Grundstücke angestellt werden. Damit bewirkt die Tiefenbegrenzungsregelung auch im vorliegenden Fall eine deutliche Verwaltungsvereinfachung."

58

Voraussetzung einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung ist jedoch, dass die hiermit vom Satzungsgeber ausgesprochene Vermutung, die bauliche Ausnutzbarkeit der betroffenen Grundstücke ende an der Tiefenbegrenzungslinie, tatsächlich den örtlichen Verhältnissen im Bereich der jeweiligen öffentlichen Einrichtung entspricht (vgl. OVG M-V, Urt. v. 15.11.2000, Az.: 4 K 8/99, veröffentlicht in: KStZ 2001, 174; Urt. v. 13.11.2001, Az.: 4 K 16/00, veröffentlicht in: KStZ 2002, 132; Beschl. v. 17.12.2001, Az.: 1 L 118/01, veröffentlicht in: NordÖR 2002, 65, vgl. Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG, § 9 Anm.4.3.; Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 33. Erg.-Lfg., KAG § 8 Rz.1653, 1655). Diese örtlichen Verhältnisse sind vor Beschlussfassung durch den Satzungsgeber zu ermitteln, und zwar wegen der typisierenden Festlegung in allen Bereichen des Verbandsgebietes, die von einer solchen Regelung erfasst werden (vgl. OVG M-V, Urt. v. 15.03.1995, Az.: 4 K 22/94, veröffentlicht in: KStZ 1996, 114), auch wenn dies dazu führen könnte, dass bei großen, inhomogenen Verbandsgebieten eine Tiefenbegrenzungsregelung ganz ausscheidet (Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 33. Erg.-Lfg., KAG § 8 Rz.1655) bzw. dass bei verschiedenen öffentlichen Einrichtungen innerhalb des Verbandsgebietes unterschiedliche Tiefenbegrenzungslinien in Betracht kommen können.

59

Nachvollziehbare Unterlagen zum Ergebnis solcher Ermittlungen der örtlichen Verhältnisse, hier insbesondere im Entsorgungsbereich 1, konnte der Beklagte nicht vorlegen. Auf gerichtliche Nachfrage zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ausgeführt, dass er bei der Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie die Abrundungssatzungen der Mitgliedsgemeinden herangezogen habe und dass ca. 20 Abrundungssatzungen dem Abbild ihrer jeweiligen Gemeindenstruktur entsprächen. Beispielshaft hat der Beklagte sieben Gemeinden mit Abrundungssatzungen aufgeführt (Goldenstädt OT Goldenstädt (Entsorgungsbereich 2), Banzkow OT Mirow (Entsorgungsbereich 1), Langen Brütz OT Kritzow (Entsorgungsbereich 2), Klein Rogahn OT Klein Rogahn (Entsorgungsbereich 1), Barnin OT Barnin (Entsorgungsbereich 3), Tramm (Entsorgungsbereich 2), Schossin OT Schossin (Entsorgungsbereich 2))und die durch die Abrundungssatzung bestimmte Tiefe der Grundstücke in diesen Gemeinden bzw. ihren Ortsteilen dargestellt. Abgesehen davon, dass von diesen sieben Gemeinden bzw. ihren Ortsteilen nur zwei dem Entsorgungsbereich 1 angehören, der Entsorgungsbereich 1 aber aus 20 Gemeinden mit insgesamt 44 Ortsteilen besteht, und abgesehen davon, dass bei diesen beispielhaft genannten sieben Gemeinden allein schon bei drei dieser Gemeinden die grundstücksbezogene durchschnittliche Tiefe jenseits der in der BS vorgesehenen Tiefenbegrenzung von 50 m liegt (Gemeinde Banzkow OT Mirow: 53,81 m; Gemeinde Klein Rogahn OT Klein Rogahn: 59,78 m; Gemeinde Schossin OT Schossin: 58,96 m) und insofern allein bei diesen sieben Gemeinden bzw. ihren Ortsteilen eine grundstücksbezogene durchschnittliche Tiefe von ca. 52 m feststellbar ist, ist die In Augenscheinseinnahme lediglich der geltenden Abrundungssatzungen im Verbandsgebiet zur Feststellung, ob eine Tiefenbegrenzung den örtlichen Verhältnissen entspricht, schon dem Grunde nach ungeeignet.

60

Eine (Abrundungs-/Ergänzungs-)Satzung gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB erlaubt es der Gemeinde, einzelne Außenbereichsgrundstücke städtebaulich angemessen in Ortsteile nach § 34 BauGB einzubeziehen. Voraussetzung ist, dass die einzubeziehenden Außenbereichsflächen an die im Zusammenhang bebauten Ortsteile angrenzen (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, Kommentar, 9. Aufl., § 34 Rz. 59). Die räumliche Reichweite einer derartigen Satzung ist deshalb von vornherein begrenzt und von den tatsächlichen Verhältnissen abhängig. Wenn durch Einbeziehung einzelner kleinerer Außenbereichsflächen eine Vereinfachung der Abgrenzung, d.h., eine klarere Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich erzielt wird, kommt bauplanungsrechtlich der Erlass einer "Abrundungssatzung" in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.05.1990, Az.: 4 C 37/87, Beschluss vom 16.03.1994, Az.: 4 NB 34/93, jeweils zitiert nach JURIS). Das heißt aber, dass "Abrundungssatzungen" einzelner Gemeinden keine Aussage darüber treffen, welche Tiefenbegrenzung den örtlichen Verhältnissen im Bereich der jeweiligen öffentlichen Einrichtung entspricht und damit die Vorteilslage zutreffend abbildet. Andere Ermittlungen zur Feststellung der ortsüblichen Tiefenbegrenzung hat der Beklagte nicht angestellt.

61

Ausgehend davon dass die Tiefenbegrenzungsregelung vom Ortsgesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gerade vor dem Hintergrund des Gebotes verwaltungspraktikabler Lösungen nur dann willkürfrei angeordnet werden kann, wenn im Vorfeld der Beitragskalkulation die örtlichen Verhältnisse korrekt ermittelt wurden und belegen, dass die Situation des Grundstücks im unbeplanten Innenbereich mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzung die Ausnahme (d.h. weniger als 10 v.H. der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücke, vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.09.1983, Az.: 8 N 1/83, veröffentlicht in: KStZ 1984, 9; BVerwG, Urt. v. 01.08.1986, Az.: 8 C 112/84, veröffentlicht in: KStZ 1987, 11; Gern, Aktuelle Probleme des Kommunalabgabenrechts. Analogie im Abgaberecht - Begründungspflicht von Abgabensatzungen - Die Zulässigkeit von Sozialtarifen, in: NVwZ 1995, 1145ff. m.w.N.) darstellt, leidet die BS bereits aufgrund der ungeeigneten Ermittlung der örtlichen Verhältnisse an einem schwerwiegenden Fehler.

62

Des Weiteren führt die Regelung in § 5 Abs.2 lit.c Satz 2 BS ("Liegt das Grundstück an mehreren Straßen, so ist die Tiefenbegrenzung von jeder einer der Straßen zugewandten Grundstücksseite über die gesamte Grundstücksbreite anzusetzen.") zu einer Beitragserhöhung für Eckgrundstücke im Vergleich zu einseitig tiefenbegrenzten Grundstücken. Eine sachliche Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich. Eine solche Doppelbelastung bzw. ein verminderter Anschlussvorteil ist im Anschlussbeitragsrecht nicht vorstellbar. Der durch den Beitrag abzugeltende Anschlussvorteil entsteht erst- und einmalig mit der Herstellung der Anschlussmöglichkeit, und zwar unabhängig davon, ob in beiden angrenzenden Straßen oder nur in einer Straße ein Anschlusskanal liegt. Eine sachliche Rechtfertigung für die hier in § 5 Abs.2 lit.c) Satz 2 BS enthaltene "Eckgrundstückserhöhung" ist nicht ersichtlich.

63

Zudem verstößt die BS teilweise gegen das Bestimmtheitsgebot. Der in § 2 Abs. 1 KAG M-V konkretisierte Grundsatz der Bestimmtheit von Normen verlangt, dass eine Satzung als abstrakte Regelung allein aus ihrem Text heraus verständlich sein muss. Der Wille der die Norm erlassenden Körperschaft muss vollständig und unzweideutig für den Rechtsunterworfenen aus der Satzung hervorgehen, damit dieser erkennen kann, was von ihm gefordert wird (VG Schwerin, Urt. v. 29.09.2000, Az.: 4 A 8/99).

64

§ 5 Abs. 2 lit. b) BS regelt, dass bei Grundstücken nach lit. a), die über die Grenzen des B-Planes hinausreichen, auch die Fläche außerhalb des Plangebietes, soweit diese Fläche baulich oder gewerblich genutzt werden kann, als beitragspflichtige Grundstücksfläche gilt. Diese Regelung ist an sich nicht zu beanstanden. Da sich der Satzungsgeber im vorliegenden Fall in § 5 Abs. 2 lit. c) BS aber für die Anwendung der schlichten Tiefenbegrenzungsregelung auf alle Grundstücke entschieden hat, für die kein B-Plan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils (§ 34 BauGB) liegen, stellt sich die Frage, ob diese schlichte Tiefenbegrenzung auch auf diejenigen Grundstücke anzuwenden ist, die unter § 5 Abs. 2 lit. b) BS fallen, denn auch die über die Grenzen des B-Planes hinausreichende Fläche, die baulich oder gewerblich genutzt werden kann, liegt im unbeplanten Innenbereich. Wenn die Tiefenbegrenzung auch auf diese Grundstücke Anwendung finden soll, stellt sich die Folgefrage, wo die Tiefenbegrenzung beginnt: an der der Straße zugewandten Grundstücksgrenze oder an der dem anschließenden unbeplanten Innenbereich zugewandten Grenze des B-Planes ? Hierzu trifft die Satzung keinerlei Aussage und widerspricht damit bereits dem Bestimmtheitsgebot. Der Rechtsunterworfene eines unter § 5 Abs. 2 lit. b) BS fallenden Grundstücks kann dem Satzungstext nicht entnehmen, wie sich der Beitrag seines Grundstücks berechnet.

65

Der Beklagte hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass er bei den unter § 5 Abs. 2 lit. b) BS fallenden Grundstücken die schlichte Tiefenbegrenzung anwende, und zwar von der der Straße zugewandten Grundstücksseite ausgehend und dass, falls die bauliche Nutzung bei denjenigen unter § 5 Abs. 2 lit b) BS fallenden Grundstücke über die Tiefenbegrenzung hinaus reiche und dort Abwasser anfalle, das Ende der Bebauung als Ende der beitragspflichtigen Grundstücksfläche gelte. Diese Verwaltungspraxis ist dem Satzungstext nicht zu entnehmen, zumal § 5 Abs. 2 lit. e) BS "lediglich" eine diesbezügliche Regelung hinsichtlich der unter § 5 Abs. 2 lit. c) und d) BS fallenden Grundstücke getroffen hat, nicht jedoch eine Regelung die auch die unter § 5 Abs. 2 lit. b) BS fallenden Grundstücke betrifft.

66

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf die Frage, warum die unter § 5 Abs. 2 lit h) BS genannten Grundstücke, die nicht den lit. a) bis g) zuzuordnen sind, also die nicht zu dauerhaften Wohnzwecken genutzten Bungalows, Ferienhäuser und als Kleingärten genutzten im Außenbereich liegenden Grundstücke, hinsichtlich der Grundflächenzahl um ein Vierfaches höher berechnet werden (Grundflächenzahl 0,05) als die unter § 5 Abs. 2 lit j) liegenden Außenbereichsgrundstücke (Grundflächenzahl 0,2), geantwortet hat, dass die unter § 5 Abs. 2 lit h) fallenden Grundstücke sehr schlecht erschlossen seien und der Abwasseranschluss weit höhere Kosten verursache als bei "normalen" Außenbereichsgrundstücken, ist dies kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung dieser Grundstücke. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V ist die Beitragslast nach Vorteilen zu bemessen, d.h., dass die Beitragspflicht an den Vorteil anknüpft, den ein Grundstück von der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung hat, nicht jedoch nach den Kosten, die der Anschluss des Grundstücks an die öffentliche Einrichtung verursacht. Dem Ortsgesetzgeber ist für die Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen durch Art. 3 GG zwar ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, dieser ist aber dort überschritten, wo - unter Einschluss von Gesichtspunkten der Typengerechtigkeit und der Verwaltungspraktikabilität - ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung fehlt (BVerwG, Urt. v. 30.04.1996, Az.: 8 B 32.96, OVG M-V, Beschl. v. 21.04.1999, Az.: 1 M 12/99, veröffentlicht in KStZ 2000, 118). Allein das Abstellen auf die höheren Investitionskosten bzw. auf die Schwierigkeit hinsichtlich der Erschließung ist kein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung obiger Grundstücke im Außenbereich.

67

§ 5 Abs. 2 lit i) BS wiederum verstößt gegen den Bestimmtheits-grundsatz. Hier wird eine Sonderregelung für Grundstücke getroffen, die nicht den lit. a) bis h) des § 5 Abs. 2 BS zuzuordnen sind und bei denen im B-Plan eine sonstige Nutzung (z.B. als Friedhof, Sportplatz, Grünfläche) festgesetzt ist oder die im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden. Der Anwendungsbereich dieser Regelung erschließt sich nicht, zudem ist sie in sich widersprüchlich. Auf der einen Seite sollen Grundstücke erfasst werden, die den lit. a) bis h) (Grundstücke in B-Plan-Gebieten sowie Grundstücke in unbeplanten Innenbereichen (§ 34 BauGB)) nicht zuzuordnen sind, gleichzeitig soll sie aber Grundstücke erfassen, bei denen im B-Plan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist oder die im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden. Diese Formulierung widerspricht dem Bestimmtheitsgebot. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt, dass bei der Veranlagung von Friedhöfen, Sportplätzen etc. unabhängig von der Lage der Grundstücke in der Praxis immer die Regelung des § 5 Abs. 2 lit. i) angewendet wird und er die Flächen für diese Grundstücke auch der Regelung des § 5 Abs. 2 lit. i) entsprechend in die Kalkulation eingestellt habe. Diese Verwaltungspraxis deckt sich ebenfalls nicht mit der satzungsrechtlichen Regelung, für die nach ihrer Formulierung allein schon aufgrund der Widersprüchlichkeit überhaupt kein Anwendungsfall denkbar ist.

68

§ 7 Abs. 1 Satz 3 BS, wonach der Eigentümer eines Gebäudes neben dem Pflichtigen nach Satz 1 oder 2 Beitragspflichtiger ist, wenn das Eigentum an dem Grundstück und an dem darauf befindlichen Gebäude infolge der Regelung des § 286 des Zivilgesetzbuches der DDR getrennt ist, widerspricht der nunmehr geltenden gesetzlichen Regelung des KAG M-V. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V ist in den Fällen, in denen das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Artikel 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet ist, der Inhaber dieses Rechts anstelle des Eigentümers beitragspflichtig. Die im § 8 Abs. 10 Satz 3 KAG a.F. getroffene Regelung ist jetzt hinsichtlich der mit einem dinglichen Nutzungsrecht belasteten Grundstücke an die Regelung des Erschließungsbeitragsrechts (§ 134 Abs. 1 Satz 3 BauGB) angeglichen worden.

b.

69

Schließlich liegt der BS keine rechtmäßige Beitragskalkulation zugrunde anhand derer die Einhaltung des Aufwandsüberschreitungsverbotes überprüft werden könnte.

70

Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern zum KAG a.F., welche die Kammer teilt, fällt die Festsetzung und Kalkulation eines Beitragssatzes in die Kompetenz des Vertretungsorgans. Dieses hat bei der Beschlussfassung über die Satzung sein ortsgesetzgeberisches Ermessen in den Grenzen, die ihm durch das Vorteilsprinzip, dem Kostendeckungsgrundsatz und den Gleichheitssatz gezogen sind, sachgerecht auszuüben. Zur Gültigkeit eines Beitragssatzes bedarf es daher einer stimmigen Kalkulation, die vom Satzungsgeber mit der Beschlussfassung zu billigen ist (OVG M-V, Urt. v. 15.11.2000, Az.: 4 K 8/99, veröffentlicht in: LKV 2001, 516). Insoweit bezieht sich die gerichtliche Überprüfung nicht bloß auf eine rechnerische "Ergebniskontrolle" des Beitragssatzes, sondern auf die ihm zugrunde gelegten Sachverhalte und Wertentscheidungen. Eine Abgabensatzung ist hiernach jedenfalls unwirksam, wenn in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird, oder wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot verletzt ist oder nicht (vgl. OVG M-V, Urt. v. 07.11.1996, Az.: 4 K 11/96, veröffentlicht in: VwRR MO 1997, 13; Urt. v. 25.02.1998, Az.: 4 K 8/97, 4 K 18/97, veröffentlicht in: NordÖR 1998, 256 jeweils m.w.N.). An diesen Grundsätzen ist auch nach dem Inkrafttreten des neuen KAG und damit der Neufassung des § 2 Abs. 3 KAG M-V, festzuhalten.

71

Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Innenausschusses (2. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/1307 - Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes und dem Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 4/1230 - Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (KAG) - 2. ÄndG KAG - vom 02. März 2005, lautet zu § 2 Abs. 3 KAG M-V wie folgt (LT-Drs. 4/1576, S. 72f.):

72

"Einem Antrag der Koalitionsfraktionen folgend hat der Ausschuss einstimmig § 2 Abs. 3 Kommunalabgabengesetz neu gefasst und damit entgegen dem Gesetzentwurf Absatz 3 nicht aufgehoben.

73

Zur Antragsbegründung hatten die Koalitionsfraktionen ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der weit reichenden Auswirkungen auf die abgabenberechtigten Körperschaften, die zahlungspflichtigen Bürger sowie die Belastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Neufassung des § 2 Abs. 3 auch in Mecklenburg-Vorpommern die gerichtliche Kontrolle von Abgabensatzungen auf eine bloße Ergebnisrichtigkeitsprüfung beschränkt werden solle.

74

Es sei weder aus Zweckmäßigkeitserwägungen noch wegen verfassungs- oder sonstiger bundesrechtlicher Vorgaben geboten, die Nichtigkeitsfolge für Abgabensatzungen nur deshalb vorzusehen, weil dem Satzungsgeber bei der Kalkulationserstellung Fehler unterlaufen seien. Vielmehr solle die Unwirksamkeit nur dann eintreten, wenn die Festsetzungen mit höherrangigem Recht unvereinbar seien, wie z. B. bei einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) oder das Kosten- bzw. Aufwandsüberschreitungsverbot des Kommunalabgabengesetzes. Den abgabenberechtigten Körperschaften solle aus diesem Grund ermöglicht werden, einzelne Aufwands- und Kostenpositionen in die Kalkulation nachträglich einzustellen oder anders zu bewerten, um den beschlossenen Abgabensatz in einem gerichtlichen Verfahren zu begründen. Hierdurch werde gewährleistet, dass die Kalkulation des Abgabensatzes auf entsprechende Rüge der klagenden Partei vom Gericht umfassend und abschließend geprüft werde. Ist die ursprüngliche Kalkulation nicht ausreichend, um den durch die Satzung umgelegten Aufwand zu rechtfertigen, könne die abgabenberechtigte Körperschaft durch Berücksichtigung von ursprünglich nicht oder anders bewerteten Aufwandsposten die Kalkulation im gerichtlichen Verfahren noch nachbessern. Das Nachschieben oder die Neubewertung von Aufwandsposten in der Kalkulation diene aber lediglich zur Rechtfertigung des vom zuständigen Vertretungsorgan beschlossenen Abgabensatzes. Ob die abgabenberechtigte Körperschaft so verfahren werde, stehe in ihrem Ermessen. Das Gericht solle nicht von sich aus nach anderen Rechnungsposten suchen, die den beschlossenen Abgabensatz rechtfertigen könnten. Durch die Neufassung des § 2 Abs. 3 würde es den abgabenberechtigten Körperschaften jedoch nicht ermöglicht werden, Aufwandsposten in die Kalkulation einzustellen, die grundsätzlich nicht ansatzfähig seien. Auch bleibe die Pflicht zur Erstellung eines Rechenwerkes als Grundlage für die Abgabensatzung bestehen. Vielmehr werde der Streit um Fehler in der Kalkulation, insbesondere um die Berücksichtigungsfähigkeit und Höhe der Aufwandsposten, auf ein gerichtliches Verfahren konzentriert und einer vermeidbaren Belastung der Verwaltungsgerichte entgegengewirkt. Nach gegenwärtiger Rechtslage sei demgegenüber die Aufstellung einer weiteren Satzung mit einer geänderten Kalkulation erforderlich, die dann erneut einer gerichtlichen Prüfung unterliege. In die Belange der abgabenpflichtigen Bürger werde durch die Möglichkeit zur Korrektur der Kalkulation nicht unangemessen eingegriffen. Wird das Rechenwerk erst im Verlauf eines Verwaltungsstreitverfahrens berichtigt und richtig gestellt, könne der Kläger die Klage für erledigt erklären, das Gericht entscheide dann nur noch über die Verfahrenskosten. Sei die Kalkulation zunächst unrichtig gewesen, werde dies bei der Kostenentscheidung zu Gunsten des Antragstellers berücksichtigt. Zur Abschätzung der Erfolgsaussichten eines Rechtsstreites habe der abgabenpflichtige Bürger nach § 12 Abs. 4 (Absatz 3 des Gesetzentwurfes) ein Einsichtsrecht in die von dem zuständigen Vertretungsorgan beschlossenen bzw. nachträglich geänderten Kalkulationsunterlagen.

75

Der Ausschuss hat Nummer 3 des Gesetzentwurfes in der von ihm geänderten Fassung einstimmig angenommen."

76

Der Umfang der gerichtlichen Überprüfung einer Kalkulation zur Feststellung der Wahrung des Aufwandsüberschreitungsverbotes wird damit durch die Änderung des Kommunalabgabengesetzes nicht beschränkt. Damit verbleibt es bei dem bisherigen Prüfungsansatz im gerichtlichen Verfahren. Jedoch führt die Feststellung eines Fehlers nicht notwendig zur Ungültigkeit der Satzung. Die betroffene Körperschaft ist nunmehr gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V berechtigt, der Kalkulation eine ergänzende Begründung oder einzelne Aufwands- und Kostenpositionen "nachzuschieben", um den festgesetzten Beitragssatz zu rechtfertigen. Von diesem Recht hat der Beklagte hier allerdings keinen Gebrauch gemacht und es hat sich aufgrund der vorliegenden Mängel auch nicht angeboten.

77

Der Beklagte hat vorliegend eine Globalkalkulation erstellt. Die Globalkalkulation verlangt, dass alle Herstellungskosten, die der Vergangenheit wie auch die der Zukunft, bis zur endgültigen Herstellung der Einrichtung ermittelt bzw. geschätzt und für den gleichen Zeitraum alle Verteilungseinheiten (Beitragsflächen) bestimmt werden. In der danach erforderlichen "Jahrhundertrechnung" sind die insgesamt nach dem jeweiligen Verteilungsmaßstab in Frage kommenden Vereitlungseinheiten und der gesamte verteilungsfähige Aufwand für die Vergangenheit zu ermitteln und für die Zukunft zu veranschlagen (so Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Kommentar, § 9 Anm. 3.4.1). Indem der beitragsfähige Aufwand durch die Verteilungseinheiten geteilt wird, führt diese Kalkulationsmethode zum richtigen Beitragssatz.

78

Zu einem wesentlichen Bestandteil des Verteilungsmaßstabes gehört u.a. die Ermittlung der Grundstücksflächen, also die Ermittlung, welche Flächen im räumlichen Bereich der Anlage bevorteilt sind. Das sind neben den Grundstücken, die im Zeitpunkt der Erstellung der Kalkulation eine Anschlussmöglichkeit haben, auch die Flächen, die in dem Zeitraum, für den die Kalkulation gelten soll, angeschlossen werden können.

79

Wie bereits oben ausgeführt, hat der Beklagte nicht rechtsfehlerfrei ermittelt, ob die von ihm vorgesehene Tiefenbegrenzungslinie von 50 m den ortsüblichen Verhältnissen im Bereich seiner öffentlichen Einrichtungen, hier dem Entsorgungsbereich 1, entspricht. Der damit einhergehende Verstoß gegen das Vorteilsprinzip und den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit (vgl. Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 33. Erg.-Lfg., KAG § 8 Rz.1660) sowie die fehlende Berücksichtigung der über die unzulässige Tiefenbegrenzung hinausreichenden, baulich nutzbaren und damit bevorteilten Grundstücksflächen im Rahmen der Kalkulation und damit verbunden deren methodische Fehlerhaftigkeit führen bereits für sich zur Unwirksamkeit der BS, unabhängig von der nicht satzungsrechtlich gedeckten Verwaltungspraxis bei der Anwendung des § 5 Abs. 2 lit i) BS.

80

Zudem findet sich in der Kalkulation bezüglich des Entsorgungsbereichs 1 nicht beitragsfähiger Aufwand auf der Kostenseite.

81

Nach der "2. Fortschreibung der Beitrags- und Gebührenkalkulation für die Abwasserbeseitigung in den Entsorgungsbereichen des Zweckverbandes Schweriner Umland Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung - hier: Schmutzwasserentsorgung" vom 26.10.2005 (im folgenden: 2. Fortschreibung), (Beiakte Nr. 15), dort Tabelle 4-1, wurden für den Entsorgungsbereich 1 Investitionen per 31.12.2002 für Kläranlagen in Höhe von 91.842,29 Euro in die Kalkulation eingestellt, obwohl zur öffentlichen Einrichtung Entsorgungsbereich 1 gemäß der Definition in § 1 Abs. 2 lit. aa) ABS, die da lautet

82

"Öffentliche Einrichtung "Hauptentwässerungskanäle ohne eigene Kläranlagen" nachfolgend "Entsorgungsbereich 1" genannt, bestehend aus Hauptentwässerungskanälen, über die das Schmutzwasser in die öffentliche Kläranlage der Landeshauptstadt Schwerin sowie in öffentliche Kläranlagen benachbarter Zweckverbände eingeleitet wird",

83

keine Kläranlagen gehören.

84

Soweit der Beklagte hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass es sich bei diesen Kosten um Investitionen für den Rückbau von Containerkläranlagen handele, rechtfertigt dies eine Berücksichtigung beim beitragsfähigen Aufwand nicht. Nach der Definition sind Kläranlagen nicht Bestandteile der öffentlichen Einrichtung Entsorgungsbereich 1, insofern kann dahingestellt bleiben, ob diese Containerkläranlagen als Provisorien gebaut worden sind oder nicht.

85

Weiterhin sind Kosten für Regenwasserleitungen in die Kalkulation eingestellt worden, obwohl im gesamten Verbandsgebiet im Trennsystem entwässert wird und nach der BS ausschließlich Herstellungsbeiträge für die Schmutzwasserentsorgung erhoben werden. Beispielhaft seien hier nach der Tabelle "Anschaffungs-/Herstellungskosten und Restbuchwerte per 31.12.2002 sowie Abschreibungen/Restbuchwertentwicklung für Zeitraum 2003 bis 2011, Entsorgungsbereich 1" der 2. Fortschreibung die Kostenstellen 88, 131, 359, 435, 972 genannt.

86

Des Weiteren finden sich in der Kalkulation Kosten für den Betrieb der öffentlichen Einrichtungen, die nicht in den Herstellungsbeitrag mit eingerechnet werden können. So wurden nach der Tabelle: "Umlage der Anschaffungs-/Herstellungskosten der KST 201 per 31.12.2002 auf Entsorgungsbereich" der 2. Fortschreibung allein für den Entsorgungsbereich 1 Kosten für die Geschäftsstelle des Zweckverbandes in Höhe von 94.093,35 Euro eingestellt. Weiterhin finden sich in der Tabelle "Abschreibungen des Anlagevermögens aus 2003 und 2004" der 2. Fortschreibung für den Entsorgungsbereich 1 Kosten beispielsweise für einen Rasentraktor (Kosten-Nr.: 37000600, 4.292,07 Euro), zwei Rasenmäher (Kosten-Nrn. 37001300 und 37001400, 1.658,61 Euro sowie 1.639 Euro), drei VW-Transporter Kasten (Kosten-Nrn. 47000300, 47000800 sowie 47001200, 20.383,03 Euro, 21.270,40 Euro sowie 22.812,20 Euro).

87

Da die Kalkulation aus den dargestellten Gründen erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf den Flächenansatz aber auch im Hinblick auf die Aufwandsseite aufweist, kann die Kammer nicht feststellen, ob dass Aufwandsüberschreitungsverbot eingehalten worden ist, so dass die BS auch allein schon aus diesen Gründen unwirksam ist.

88

Da die angefochtenen Bescheide sich bereits aus den oben genannten Gründen als rechtswidrig erweisen, kommt es auf die weiteren Rügen des Klägers nicht mehr an und ist eine weitere Überprüfung der BS nicht mehr angezeigt.

89

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Tenor

1. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 03.11.2004 – S 1260047/000823, N 1260047/00956 – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 27.05.2005 werden insoweit aufgehoben, als die Festsetzungen die Beträge von Euro 595,23 bzw. 175,10 Euro übersteigen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 63,76 v. H. und im Übrigen dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger und dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück ..., Flur ..., Gemarkung ..., in einer Größe von ..., und war Mitglied einer aus ihm und Herrn ... gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin des in gleicher Flur und Gemarkung gelegenen Grundstücks Flurstück ... in einer Größe von ... war. Im Jahre 2005 wurde die Gesellschaft aufgelöst und das Grundstück Flurstück ... in die Grundstücke Flurstücke ... (...) und ... (...) geteilt. Der Kläger ist seit dem 27.10.2005 Eigentümer des letztgenannten Grundstücks. Die genannten Grundstücke liegen im Bereich des betriebsfertigen Teils der von der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (im Folgenden: Stadt) betriebenen Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlagen.

3

Nach der der Beitragssatzung der Stadt zu Grunde liegenden Kalkulation des Schmutz- und des Niederschlagswasserbeitrags wurde ursprünglich ein Deckungsgrad von jeweils 20 v. H. des beitragsfähigen Aufwandes angestrebt. Im Jahre 2006 erfolgte ein Überarbeitung der Kalkulation. Danach liegt bei gleichbleibenden Beitragssätzen der Deckungsgrad für die Schmutzwasserbeseitigung bei 22,94 v. H. und für die Niederschlagswasserbeseitigung bei 28,71 v. H.. Die Refinanzierung der durch die Beitragserhebung nicht gedeckten Herstellungskosten erfolgt durch Benutzungsgebühren.

4

Die investive Maßnahme mit einem Gesamtumfang von ca. 80,3 Mio. Euro – davon beitragsfähig: ca. 54,9 Mio. Euro – ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitgehend abgeschlossen. In den Jahren 1993 bis 1996 hatte die Stadt zur Finanzierung der Maßnahme mehrere Darlehen in einem Gesamtvolumen von etwa 20,1 Mio. Euro aufgenommen. Die Zinsbindung der derzeit noch valutierenden Darlehen läuft in den Jahren 2014, 2016 und 2021 ab. Die Tilgung des letzten Darlehens ist für das Jahr 2025 vorgesehen. Die Zinsbelastung bewegt sich je nach Einzeldarlehen zwischen 3,45 und 5,7 v. H. p. a..

5

Mit zwei Bescheiden 03.11.2004 hatte der Beklagte den Kläger für das Grundstück Flurstück ... zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser i. H. v. Euro 97,54 und zu einem Anschlussbeitrag Niederschlagswasser i. H. v. Euro 65,76 und mit zwei weiteren Bescheiden vom 03.11.2004 für das damalige Grundstück Flurstück ... zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser i. H. v. Euro 993,69 und zu einem Anschlussbeitrag Niederschlagswasser i. H. v. Euro 487,20 herangezogen. Auf seinen gegen die Beitragsbescheide gerichteten Widerspruch hob der Beklagte die Bescheide über den Anschlussbeitrag Niederschlagswasser insoweit auf, als die Festsetzungen die Beträge von Euro 39,46 (Flurstück ...) bzw. Euro 292,32 (Flurstück ...) übersteigen; im Übrigen wies er den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheiden vom 27.05.2005 – zugestellt am 01.06.2005 – zurück.

6

Am 30.06.2005 hat der Kläger zu den Az. 3 A 1395/05 und 3 A 1397/05 Anfechtungsklagen gegen die das Grundstück Flurstück ... betreffenden Beitragsbescheide erhoben. Ebenfalls am 30.06.2005 haben der Kläger und Herr ... zu den Az. 3 A 1396/05 und 3 A 1398/05 Anfechtungsklagen gegen die das Grundstück Flurstück ... betreffenden Beitragsbescheide erhoben. Mit Beschluss vom 11.07.2005 hat das Gericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens 3 A 1395/05 verbunden. Nachdem Herr ... die Klage zurückgenommen hatte, hat es das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt (3 A 1210/06).

7

Der Kläger ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die den Beitragssätzen zu Grunde liegende Kalkulation sei von der Bürgerschaft nicht beschlossen worden. Die Kalkulation sei fehlerhaft. Auf der Kostenseite der Kalkulation sei der Anteil für die Nutzung der Anlage durch die Stadt (z. B. Straßenentwässerung) vom Aufwand nicht abgezogen worden. Weiter seien zu Unrecht die Kosten der Hausanschlüsse aufwandserhöhend berücksichtigt worden. Auch seien die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung nicht ordnungsgemäß ermittelt und von den Gesamtkosten abgezogen worden. Der Abzug eines Anteils Regenwasser von 1/3 sei nicht ausreichend. Von den Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung sei der auf die Straßenentwässerung entfallende Anteil abzuziehen, was ebenfalls nicht erfolgt sei. Es sei weiter nicht nachvollziehbar, warum Betriebsgrundstücke der Abwasserentsorgung sowie grundstücksgleiche Rechte in den Investitionszeitraum gefallen seien. Zudem sei zweifelhaft, ob diese Grundstücke zur öffentlichen Abwasserbeseitigung gehörten. Die von der Nordwasser GmbH i. L. übernommenen Einrichtungen und Verbindlichkeiten gehörten ebenfalls nicht zum beitragsfähigen Aufwand. Das Klärwerk werde in der Kalkulation doppelt erfasst.

8

Auf der Flächenseite der Kalkulation seien die stadteigenen Grundstücke nicht berücksichtigt worden. Weiter hätten so genannte altangeschlossene bzw. altanschließbare Grundstücke nicht erfasst werden dürfen, weil ihnen durch die Anlage kein Vorteil vermittelt werde.

9

Auch die Rechtsanwendung durch den Beklagten sei fehlerhaft. Etwaige Beitragsansprüche seien infolge Festsetzungsverjährung erloschen.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Beitragsbescheide des Beklagten vom 03.11.2004 – ... – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 27.05.2005 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Er ist der Auffassung, die Bescheide seien rechtmäßig. Die Abwasserbeitragsatzung sei wirksam. Die Höhe des Deckungsgrades sei nicht zu beanstanden. Dessen Festlegung stehe im Ermessen der Stadt. Hierfür sei zunächst die Einschätzung des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern maßgebend gewesen, wonach ein Mindestdeckungsgrad von 20 v. H. anzustreben sei. Weiter verfolge der Beklagte das Ziel, durch einen verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad die Gesamtheit der beitragspflichtigen Grundstückseigentümer, zu denen sowohl die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke als auch die Eigentümer so genannter neuangeschlossener Grundstücke gehörten, nicht übermäßig mit Einmalzahlungen zu belasten. Wenn der niedrige Deckungsgrad zu einer Unwirksamkeit der Beitragssatzung führen sollte, so wäre der Beklagte zu einer Nacherhebung in erheblichem Umfang verpflichtet. Ungeachtet dessen habe der Gesetzgeber mit der Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 klargestellt, dass sogar eine reine Gebührenfinanzierung beim Vorliegen einer atypischen Situation zulässig sein solle. Wesentliches Ziel des Gesetzgebers sei es, sowohl die Aufgabenträger als auch die Abgabenpflichtigen vor den erheblichen wirtschaftlichen Risiken zu schützen, die sich aus einer erneuten Systemumstellung ergeben würden. Zum anderen sollten der damit verbundene Verwaltungsaufwand und Rechtsunsicherheiten vermieden werden. Nachdem das Verwaltungsgericht die frühere Beitragssatzung, die einen Deckungsgrad von 100 v. H. vorgesehen hatte, wegen der Ungleichbehandlung der Eigentümer so genannter altangeschlossener und neuangeschlossener Grundstücke als unwirksam angesehen hatte, habe die Stadt beschlossen, allen bisher herangezogenen Beitragspflichtigen die Differenzbeträge zu erstatten, die sich nach einer Neuberechnung auf Grundlage der aktuell geltenden Beitragssatzung ergäben. Wenn die Stadt nunmehr zur Umstellung auf ein "überwiegendes" Beitragssystem verpflichtet werde, seien Nacherhebungen unausweichlich, die den Beitragspflichtigen nicht mehr vermittelbar wären. Ungeachtet dessen sei das Abweichen von einem "überwiegenden" Beitragssystem gerechtfertigt, weil die Stadt, wie alle anderen kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern auch, eine gegenüber den Landkreisen deutlich höhere Bevölkerungsdichte aufweise. Hieraus könne gefolgert werden, dass die Beitragssätze je Grundstück im Verhältnis zu kreisangehörigen Gemeinden und Städten deutlich niedriger ausfielen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die vorgesehene Mischfinanzierung nicht zu erheblichen Gebührensprüngen geführt habe. Die Gebühren pro Kubikmeter lägen landesweit im unteren Bereich. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Zinsbelastung auf Darlehen beruhe, die die Stadt in den Jahren 1993 bis 1996 gleichsam notgedrungen aufgenommen habe, da der damals vorhandene Investitionsbedarf erheblich gewesen sei. Selbst wenn nunmehr Beiträge auf Grundlage eines höheren Deckungsgrades erhoben würden, hätte dies keine Auswirkungen auf die Kreditbelastung der Stadt, da die Mehreinnahmen nicht zu einer höheren Tilgung verwandt werden könnten. Die Zinsbindung der Darlehen ende erst in den Jahren 2014, 2016 bzw. 2021.

15

Die Rechtsanwendung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger sei Beitragsschuldner auch für das frühere Grundstück Flurstück .... Eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts hätten er und Herr ... nicht begründet. Die Eintragung im Grundbuch mit dem Zusatz "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" sei eher formaler Natur. Im Rechtsverkehr sei die Gesellschaft nicht als solche aufgetreten. Auch eine Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Die sachliche Beitragspflicht sei frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Beitragssatzung vom 06.01.2004 entstanden. Zu einem früheren Zeitpunkt habe die Stadt nicht über eine wirksame Beitragssatzung verfügt. Das VG Greifswald habe die davor Geltung beanspruchende Satzung wegen der Ungleichbehandlung der Eigentümer so genannter alt- und neuangeschlossener Grundstücke im Urteil vom 28.07.1999 als unwirksam angesehen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Klage ist nur in dem im Tenor zu 1. ersichtlichen Umfang begründet. Die in Ansehung des ehemaligen Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO), als die Festsetzungen die Beträge von Euro 595,23 (Schmutzwasser) bzw. Euro 175,10 (Niederschlagswasser) übersteigen; im Übrigen sind diese Bescheide und die in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide dagegen rechtmäßig.

18

Die streitgegenständlichen Bescheide finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung vom Beiträgen für die Abwasserentsorgung – Schmutzwasser und Niederschlagswasser – der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Beitragssatzung – BS) vom 06.01.2004 i. d. F. der 3. Änderungssatzung vom 10.10.2007.

19

1. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam. Prüfungsmaßstab ist das Kommunalabgabengesetz in der Fassung des am 31.03.2005 in Kraft getretenen 1. Änderungsgesetzes. Zwar ist die Beitragssatzung in ihrer Ursprungsfassung im Januar 2004 und damit vor dem In-Kraft-Treten des 1. Änderungsgesetzes in Kraft getreten. Die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes gilt aber auch für Altsatzungen, denn entscheidungserheblicher Zeitpunkt bei Anfechtungsklagen gegen Anschlussbeitragsbescheide ist der Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (VG Greifswald, Urt. v. 11.04.2007 – 3 A 620/05, S. 7 des Entscheidungsumdrucks; vgl. für das Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urt. v. 27.09.1982 – 8 C 145/81, DVBl. 1983, 135 m. w. N.). Bestätigt wird diese Auffassung durch die Regelungen des § 22 Abs. 2 KAG M-V; sowohl die Regelung über die Geltungserhaltung wirksamer Altsatzungen als auch die Bestimmung einer Anpassungsfrist für Altsatzungen wären nicht zu erklären, wenn die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes auf Altsatzungen keine Anwendung fände. Ungeachtet dessen wurde die Beitragssatzung unter Geltung der Neufassung des Kommunalabgabengesetzes erheblich modifiziert. So wurde bereits mit der 1. Änderungssatzung vom 18.10.2006 der Kalkulationszeitraum verändert: Die der Ursprungsfassung der Beitragssatzung zu Grunde liegende Kalkulation erfasste den Zeitraum 1990/93 bis 2008; im Rahmen der der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegenden Neukalkulation wurde dieser auf den Zeitraum bis 2012 ausgedehnt. Zudem wurden in der Kalkulation erstmals die in den Stadtteilen Insel Riems/Riemser Ort gelegenen Grundstücke berücksichtigt. Die Änderungen führten dazu, dass der ursprünglich für die Schmutz- und die Niederschlagswasserbeseitigung angestrebte Deckungsgrad von 20 v. H. auf 22,94 v. H. (Schmutzwasser) bzw. 28,71 v. H. (Niederschlagswasser) angehoben wurde.

20

Die in § 6 der Satzung normierten Beitragssätze von 1,78 Euro/m² (Anschlussbeitrag Schmutzwasser) und 0,48 Euro/m² (Anschlussbeitrag Niederschlagswasser) sind nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägers lag der Bürgerschaft bei der Beschlussfassung der Beitragsätze eine gültige Kalkulation vor. Ausweislich der Beschlussvorlage Nr. 03/1371 vom 17.09.2003 war ihr u. a. die Beitragskalkulation als Anlage beigefügt. Entsprechendes gilt für die der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegende Beschlussvorlage Nr. 04/535 vom 08.08.2006. Die weiteren Änderungssatzungen enthalten nur Klarstellungen, die sich auf die Kalkulation der Beitragssätze nicht auswirken.

21

a. Die Kalkulation der Beitragssätze ist methodisch frei von Fehlern. Dies gilt zunächst für den angestrebten verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad von 22,94 v. H. bzw. 28,71 v. H. der beitragsfähigen Herstellungskosten. Der hiernach jeweils offene Differenzbetrag (zu 100 v. H. der beitragsfähigen Herstellungskosten) soll nach den Angaben des Beklagten durch die Erhebung von Benutzungsgebühren i. S. d. § 6 KAG M-V finanziert werden. Dies ist hier auch zulässig.

22

Die Frage der Höhe des Deckungsgrades ist nicht deshalb von vornherein unbeachtlich, weil die Beitragspflichtigen und damit auch der Kläger durch den niedrigen Deckungsgrad lediglich begünstigt werden. Insbesondere kann nicht darauf verwiesen werden, ein zu niedriger Deckungsgrad könne nicht zu einer Rechtsverletzung i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO führen. Denn die Frage des Deckungsgrades wirkt sich nicht erst auf der Ebene der Rechtsanwendung (Anwendung der Beitragssatzung), sondern bereits im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Beitragssatzung aus. Verstößt die Kalkulation der Beitragssätze gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, sind diese unwirksam. Die Beitragssatzung wäre unvollständig (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) und damit insgesamt unwirksam, so dass es an der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung fehlen würde. Die Beitragsbescheide wären auch dann aufzuheben, wenn die Satzung bei einer ordnungsgemäßen Kalkulation der Beitragssätze zu höheren Beiträgen führen würde (vgl. für einen zu hohen Öffentlichkeitsanteil bei einer Straßenbaubeitragssatzung: VG Greifswald, Urt. v. 25.07.2001 – 3 A 1146/00, S. 7 f des Entscheidungsumdrucks; VG Dessau, Urt. 07.09.2000 – 2 A 756/99. DE, VwRR MO 2001, 60 <61>).

23

Jedoch liegt kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vor: Die Vorschrift bestimmt, dass Anschlussbeiträge u. a. zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung erhoben werden sollen. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet (Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/05, § 8 Rn. 1613; VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 – 4 A 1319/06, S. 14 des Entscheidungsumdrucks). Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines "Beitragsmodells" ein "reines Gebührenmodell" einzuführen, besteht damit nicht. Die gegenteilige Auffassung von Aussprung (in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07, § 9 Anm. 2.1) ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck (dazu sogleich) zu vereinbaren. Daraus folgt nicht nur, dass – ungeachtet des angestrebten Deckungsgrades – überhaupt Anschlussbeiträge erhoben werden sollen (diese Maßgabe wird auch von der Stadt zweifelsohne beachtet). Nach Auffassung der Kammer wirkt sich die Vorschrift auch in Bezug auf den mit der Erhebung von Anschaffungs- oder Herstellungsbeiträgen angestrebten Deckungsgrad aus. Da sie als "Soll-Regelung" die Beitragserhebung für den Regelfall vorsieht, folgt daraus, dass die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen muss. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass ein Deckungsgrad von 70 v. H. oder mehr angestrebt wird (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02, DVBl. 2005, 64). Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung von Maßnahmen i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist daher auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Ein Verstoß gegen diese Maßgaben führt zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und der darauf beruhenden Beitragssätze.

24

Damit ist allerdings noch nichts zur Auslegung der Vorschrift, insbesondere zu den Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme gesagt. Hierfür kommt es maßgebend auf die Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung – KV M-V aufweist (dazu sogleich).

25

Die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung der Bestimmung unergiebig; insbesondere ist ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht feststellbar (a. A.: VG Schwerin a. a. O.): Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht noch eine "Kann-Regelung" vor (LT-Drs. 4/1307 S. 12, 46). Ihm kann lediglich entnommen werden, dass an der im Jahre 1993 auf das Anschlussbeitragsrecht ausgedehnten gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nicht mehr festgehalten werden soll (a. a. O., S. 46). Allerdings sind im Gesetzgebungsverfahren eine Vielzahl von Kriterien für das Vorliegen einer atypischen Situation, die ein Abweichen von der Regel erlauben soll, diskutiert worden. Hierzu soll eine besondere Siedlungsstruktur, wie sie etwa in städtischen Ballungsräumen zu finden ist, gehören (Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 4/1576, S. 39, 75). Genannt wird auch der Umstand, dass Beitragserhebungen bisher nicht erfolgt sind (a. a. O., S. 45, 75) oder dass die wirtschaftliche Situation des Einrichtungsträgers die Umstellung des Finanzierungssystems gestattet (a. a. O., S. 39) bzw. diese bereits erfolgt ist (Abgeordneter Heinz Müller, SPD, LT M-V, Plenarprotokoll vom 09.03.2005, 4/53, S. 2985 f.). Schließlich soll ein atypischer Fall vorliegen, wenn mit der Erstellung einer Beitragssatzung und der Erhebung von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre oder eine verlässliche Prognose über den tatsächlichen Investitionsaufwand nicht möglich ist Plenarprotokoll a. a. O.; vgl. die umfangreiche Darstellung in dem zit. Urteil des VG Schwerin).

26

Diese Vielzahl unterschiedlicher Ansätze für die Definition einer atypischen Situation erlaubt keinen eindeutigen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers. Denn es bleibt offen, ob die Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers oder seine finanzielle Situation maßgebend sein sollen oder ob lediglich eine mit Blick auf die bisher geltende Beitragserhebungspflicht illegale Verwaltungspraxis bestimmter Aufgabenträger nachträglich legalisiert werden soll. Zudem wird mit offenen Rechtsbegriffen gearbeitet ("unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand", "verlässliche Prognose"). Nach Auffassung der Kammer ist es ausgeschlossen, jedes der dargestellten Kriterien als Beispiel für eine atypische Situation heranzuziehen, denn auch insoweit kann ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht ermittelt werden. Zudem wäre in diesem Fall das offensichtlich gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis weitgehend aufgehoben. Die an den Bericht des Innenausschusses anknüpfenden Darlegungen des Beklagten zum Vorliegen einer atypischen Ausnahme können daher auf sich beruhen.

27

Für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sind vielmehr systematische Erwägungen maßgebend: Es kommt auf das Verhältnis der allgemeinen Vorschriften über die gemeindliche Einnahmebeschaffung in der Kommunalverfassung (KV M-V) zu den besonderen Regelungen im Kommunalabgabengesetz an. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes. § 44 Abs. 3 KV M-V bestimmt, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen darf, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach ist die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär; sie soll möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Dies gilt auch für Kreditaufnahmen für Investitionen, da § 52 Abs. 1 KV M-V auf § 44 Abs. 3 KV M-V verweist (a. A.: Siemers a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.2). Damit erklärt sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstellt. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren ist in der Regel mit einem deutlich höheren Kreditbedarf verbunden als eine Beitragsfinanzierung. Mit der Erhebung eines einmaligen Beitrages für die Anschaffung oder Herstellung einer leitungsgebundenen Einrichtung der Abwasserentsorgung wird der Aufgabenträger nämlich frühzeitig mit Eigenkapital (dieser Begriff wird im Folgenden nicht im kalkulatorischen Sinne, sondern ausschließlich als Gegenbegriff zu kreditfinanziertem Kapital verwandt) ausgestattet und so sein Kreditbedarf verringert. Denn die sachliche Beitragspflicht entsteht nicht erst mit der endgültigen Herstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe, sondern bereits mit dem Anschluss bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit der einzelnen Baugrundstücke. Gerade weil nach dem Kommunalabgabengesetz auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.06.2004 – 4 K 34/02), führt dies zu einem frühzeitigen Entstehen von Beitragsansprüchen in erheblichem Umfang. Damit kommt der Beitragserhebung eine Vorfinanzierungsfunktion zu. Bei einer Gebührenfinanzierung fehlt dagegen die frühzeitige Ausstattung des Aufgabenträgers mit Eigenkapital. Die Herstellungskosten können nicht "auf einmal" auf die Gebührenpflichtigen umgelegt werden, sondern fließen – auf Jahre oder gar Jahrzehnte verteilt – sukzessive in die Kalkulation der Benutzungsgebühr ein. Wegen der fehlenden Ausstattung mit Eigenkapital erhöht sich der Kreditbedarf des Aufgabenträgers, was aber nach § 44 Abs. 3 KV M-V möglichst vermieden werden soll.

28

Mit Blick auf diesen Regelungszweck wird auch deutlich, warum der Gesetzgeber die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in das "freie" Ermessen des Aufgabenträgers gestellt hat und dies auch durfte. Denn hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes, andernfalls wäre die unterschiedliche Behandlung von Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen einerseits und Erneuerungsbeiträgen andererseits willkürlich. Der sachliche Grund für die Differenzierung liegt darin, dass im Rahmen der Kalkulation der Benutzungsgebühr Abschreibungen auf die Anlagewerte gebührenerhöhend berücksichtigt werden können (vgl. § 6 Abs. 2 a KAG M-V). Den Abschreibungen kommt eine Ansparfunktion zu. Mit ihnen wird der Kapitalstock für die Erneuerung der Anlage nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer gebildet. Die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen ist jedenfalls in dem Umfang ausgeschlossen, wie Abschreibungen in die Kalkulation der Benutzungsgebühr eingeflossen sind. Allerdings kann der Aufgabenträger auf die Berücksichtigung von Abschreibungen im Rahmen der Benutzungsgebühr verzichten und stattdessen Erneuerungsbeiträge erheben. Da keine der ihm gebotenen Finanzierungsformen für die Erneuerung leitungsgebundener Einrichtungen der Abwasserbehandlung zu einer Erhöhung des Kreditbedarfs führt, steht dem Aufgabenträger insoweit ein echtes Wahlrecht zu.

29

Die mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezweckte Reduzierung des Kreditbedarfs dient mittelbar auch der Entlastung der Abgabenpflichtigen. Denn mit einem höheren Kreditbedarf erhöht sich auch die Zinsbelastung des Aufgabenträgers, die auf die Abgabenpflichtigen abgewälzt wird – und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen erhöht sich das Kreditvolumen, was sich natürlich auch auf das Zinsvolumen auswirkt. Zum anderen ändert sich auch die Höhe der berücksichtigungsfähigen Zinssätze. Denn im Rahmen der Beitragserhebung sind Zinsen auf in Anspruch genommenes Fremdkapital nur in der tatsächlich entstandenen Höhe Teil des beitragsfähigen Aufwandes. Gebührenwirksam sind dagegen nicht nur die vom Aufgabenträger auf das Fremdkapital tatsächlich gezahlten bzw. zu zahlenden Zinsen. Vielmehr erlaubt § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 b KAG M-V den Ansatz so genannter kalkulatorischer Zinsen, die unabhängig sind von den tatsächlichen Zinsen auf das Fremdkapital (vgl. Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, a. a. O. § 6 Anm. 6.3.2.4.1.3) und diese daher übersteigen können. Soweit Siemers (a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.3) anmerkt, dass eine Kreditaufnahme durch den Aufgabenträger aus Sicht des Beitragspflichtigen günstiger sein könne, weil eine Gemeinde oftmals zinsgünstige Kredite erhalte (z. B. Darlehn aus dem Kommunalen Aufbaufonds mit einem Zinssatz von 3 v. H. p. a.), die dem Abgabenpflichtigen nicht zur Verfügung stünden, trifft dies zwar zu. Damit werden die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht relativiert, denn zum einen wird der Vorteil günstigerer Kreditzinsen durch die längere Laufzeit kommunaler Darlehen aufgezehrt. Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass der Aufgabenträger einen günstigeren Zinssatz an die Abgabenpflichtigen tatsächlich weiterreicht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Aufgabenträger in der Gebührenkalkulation statt der tatsächlich zu zahlenden Zinsen so genannte kalkulatorische Zinsen gebührenerhöhend berücksichtigen darf, wobei nach der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern der Ansatz eines Zinssatzes von 7 v. H. zulässig ist (Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, NordÖR 1998, 256).

30

Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel, nämlich die Senkung des Fremdkapitalbedarfs für die Anschaffung und Herstellung leitungsgebundener Anlagen der Abwasserbehandlung, gibt auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig sind. Denn nach allgemeinen Grundsätzen dürfen Ausnahmen nicht beliebig zugelassen werden; vielmehr muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Regel und der Ausnahme, ein "verbindendes Kriterium" (vgl. Sauthoff a. a. O.), vorhanden sein. Daraus folgt, dass es entgegen der Auffassung des Beklagten für die Ausnahme nicht auf eine besondere (verdichtete) Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen kann. Die Bebauungsstruktur hat zwar unbestreitbar Auswirkungen auf den Kapitalbedarf des Aufgabenträgers; sie weist jedoch keine Bezüge zu der hier interessierenden Frage der Absenkung des Fremdkapitalbedarfs durch eine Beitragserhebung auf. Entgegen der bei Sauthoff (a. a. O.) anklingenden Auffassung ist es auch nicht einzusehen, warum der mit einer verdichteten Bebauung verbundene Kostenvorteil nicht an die Beitragspflichtigen weitergegeben werden muss, sondern durch den mit einer Gebührenfinanzierung verbundenen höheren Kreditbedarf des Aufgabenträgers (teilweise) wieder aufgezehrt werden darf.

31

Anders als der Beklagte meint, liegt eine Ausnahme nicht deshalb vor, weil die betreffenden Darlehen bereits in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgenommen worden sind und die Zinsbindungen erst in den Jahren ab 2014 enden. Zwar spricht manches dafür, dass eine am Regelungsziel der Vorschrift orientierte Ausnahme vorliegt, wenn der mit der Regelung bezweckte Erfolg, die Absenkung des Fremdkapitalbedarfs, nicht (mehr) erreicht werden kann. Denn die Regelung ist – wie jede Regelung – nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Ist sie zur Zweckerreichung ungeeignet, kann ihre Befolgung nicht gefordert werden. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn die Zweckerreichung ist erst dann ausgeschlossen, wenn eine Beitragserhebung mit einem höheren Deckungsgrad als 22,94 v. H. bzw. 28,71 v. H. nicht geeignet wäre, den Kreditbedarf und die damit einhergehende Zinsbelastung der Stadt zu verringern. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar trifft es zu, dass die Darlehen im Zeitraum 1993 bis 1996 aufgenommen worden sind und weitere Darlehen zur Finanzierung der Anlagen nicht benötigt werden. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass das bei einer Beitragserhebung mit einem höheren Deckungsgrad erwirtschaftete Kapital dazu verwandt werden könnte, die Darlehen bei Wegfall der Bindungsfristen in den Jahren 2014, 2016 bzw. 2021 vorzeitig abzulösen und damit die Zinsbelastung der Stadt und die der Abgabenpflichtigen in dem Zeitraum nach 2014 zu reduzieren.

32

Nach Auffassung der Kammer ist eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierte Ausnahme jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut ist, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. In diesem Fall ist es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels ist bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote ist nach Auffassung der Kammer maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V – wie dargelegt – den Aufgabenträger nicht dazu zwingt, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 v. H. anzustreben; vielmehr ist ein Deckungsgrad von nur 70 v. H. nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern "voraussetzungslos" zulässig. Damit wird akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 v. H. der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolgt und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen kann, wobei diese Quote nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen ist.

33

Maßgebend für die Beachtung des Regelungsziels des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist also, ob trotz einer Beitragserhebung mit einem Deckungsgrad von weniger als 70 v. H. gewährleistet ist, dass der Kreditbedarf nicht deutlich höher ist als etwa 1/3 der Herstellungskosten der Anlage. Dies trifft im vorliegenden Fall zu: Der umlagefähige Aufwand für die Schmutzwasserbehandlungsanlage beläuft sich nach der der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegenden Kalkulation auf Euro 43.479.014,83. Die Differenz zu dem in der Kalkulation angesetzten Betrag von nur Euro 40.623.893,74 erklärt sich aus dem Umstand, dass der Beklagte den Betrag der nicht gezahlten Abwasserabgabe (vgl. § 10 Abs. 3 Abwasserabgabengesetz – AbwAG) i. H. v. Euro 2.855.121,09 aufwandsmindernd berücksichtigt hat, obwohl er hierzu nicht gezwungen ist. Für die Frage der Überschreitung der noch zulässigen Kreditfinanzierungsquote kommt es aber nicht auf den in der Kalkulation angesetzten Aufwand, sondern das Gesamtvolumen des beitragsfähigen Aufwandes an. Unterschreitet jener diesen, so ist der höhere Betrag maßgebend. Der umlagefähige Aufwand für die Niederschlagswasserbehandlungsanlage beläuft sich nach der genannten Kalkulation auf Euro 11.471.496,31; der umlagefähige Gesamtaufwand für beide Anlagen beträgt damit Euro 54.950.511,14. Eine getrennte Betrachtung beider Anlagen ist in diesem Zusammenhang nicht geboten, da es hier nicht um die Beachtung des Vorteilsprinzips, sondern um die Frage der Einhaltung der zulässigen Kreditfinanzierungsquote geht. Zur Finanzierung der Herstellung dieser Anlagen wurden von der Stadt Darlehen i. H. v. ca. 20,1 Mio. Euro aufgenommen, so dass der durch Darlehen finanzierte Anteil am beitragsfähigen Gesamtaufwand ca. 36,6 v. H. beträgt. Die (Vor-)Finanzierung der übrigen 63,4 v. H. des beitragsfähigen Aufwandes erfolgte nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten durch Eigenmittel der Stadt. Deren Herkunft hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt. Zwar entspricht die Kreditfinanzierungsquote damit nicht exakt der Situation, die bestehen würde, wenn der Beklagte Herstellungsbeiträge mit einem angestrebten Deckungsgrad von 70 v. H. erheben würde. Es darf aber nicht verkannt werden, dass die Quote von 1/3 der Herstellungskosten nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen und eine – wie hier – geringfügige Unterschreitung zulässig ist.

34

b. Die Einwände des Klägers gegen die der Ursprungsfassung der Beitragssatzung zu Grunde liegende Beitragskalkulation greifen ebenfalls nicht durch. Sie sind allerdings nicht bereits deshalb unerheblich, weil der Beklagte anlässlich des Beschlusses der 1. Änderungssatzung die Kalkulation überarbeitet hat. Denn die überarbeitete Kalkulation basiert auf den Daten der ursprünglichen Kalkulation.

35

Soweit der Kläger in Ansehung der Kostenseite der Kalkulation die Berücksichtigung der Kosten der Grundstücksanschlüsse rügt, ist dies unzutreffend, weil diese zur öffentlichen Einrichtung gehören, so dass deren Kosten berücksichtigungsfähig sind, § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Die Kosten für die Straßenentwässerung sind vom beitragspflichtigen Aufwand abgezogen worden. Der Einwand, die Aufteilung der Kosten des Kanalkatasters nach dem Verhältnis 1/3 (Niederschlagswasser) und 2/3 (Schmutzwasser) sei unzutreffend, ist unsubstanziiert und daher unbeachtlich. Weiter gehören auch die Kosten des Erwerbs der Betriebsgrundstücke zum beitragsfähigen Aufwand. Die Altverbindlichkeiten sind berücksichtigungsfähig, weil sie von der Stadt für durch die Nordwasser GmbH i. L errichtete Anlagenteile (insbesondere des Klärwerks) übernommen worden sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00, NordÖR 2002, 138). Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Kosten des Klärwerks nicht teilweise doppelt erfasst. Denn die in der Kalkulation ausgewiesenen Altverbindlichkeiten für das Klärwerk i. H. v. Euro 5.112.918,81 (5.7 der Kalkulation) sind nicht zusätzlich zu den Gesamtherstellungskosten des Klärwerks von Euro 27.174.496,71 (5.1 der Kalkulation) berücksichtigt worden, sie sind vielmehr darin enthalten. Das ergibt sich auch daraus, dass auch in der überarbeiteten Kalkulation Klärwerkskosten in Höhe von Euro 27.311.146,39 ausgewiesen sind.

36

Auch die Flächenseite der Kalkulationen unterliegt keinen Bedenken. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass die Flächen stadteigener Grundstücke nicht berücksichtigt worden sind. Der weitere Einwand des Klägers, die Flächen so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke dürften nicht berücksichtigt werden, weil diese Grundstücke der Beitragspflicht nicht unterlägen, beruht auf einer Verkennung der Rechtslage: Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, der das erkennende Gericht folgt, unterliegen auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke der Beitragspflicht. Bereits in dem Beschluss vom 21.04.1999 (1 M 12/99, LKV 2000, S. 161) hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt:

37

"Bei der Differenzierung von Beitragssätzen ist § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG (a. F.) zu beachten, der eine gesetzliche Umschreibung eines allgemeinen beitragsrechtlichen Prinzips enthält. Nach dieser Vorschrift sind Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Es ist aber festzustellen, dass den Grundstückseigentümern ... derselbe Vorteil zugute kommt. Allen Grundstückseigentümern wird durch die vom Antragsgegner betriebene öffentliche Einrichtung erstmals der rechtlich gesicherte Vorteil geboten, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Entscheidend ist auf diese rechtliche Absicherung des Vorteils abzustellen, die erstmals nach Inkrafttreten des KAG M-V und nach Erlass einer wirksamen Beitragssatzung durch den Antragsgegner eintreten kann. Kein taugliches Kriterium zur Differenzierung des Vorteils sind die tatsächlichen Verhältnisse, das heißt ob rein faktisch zuvor das Abwasser in der einen oder anderen Weise hat abgeleitet werden können."

38

Diese Rechtsprechung hat das Gericht mehrfach, unter anderem mit Urteil vom 30.06.2004 – 4 K 34/02 – bestätigt. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die im Beitrittsgebiet im Jahr 1990 vorhandenen Abwasserbehandlungsanlagen den wasserrechtlichen Anforderungen vielfach nicht ansatzweise genügten und ein erheblicher Investitionsbedarf vorhanden war. Anders als in den alten Bundesländern, in denen die Abwasserbehandlungsanlagen den steigenden wasserrechtlichen Anforderungen und wirtschaftlichen Bedürfnissen über einen verhältnismäßig langen Zeitraum nach und nach angepasst wurden, ergab sich in den neuen Bundesländern die Notwendigkeit, diesen Investitionsstau in verhältnismäßig kurzer Zeit zu beseitigen, was dazu führte, dass nicht nur rechtlich, sondern auch praktisch tatsächlich neue Anlagen errichtet wurden. Dies rechtfertigt es, alle Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigten ungeachtet des Zeitpunkts der Schaffung der Anschlussmöglichkeit an eine zentrale Anlage der Abwasserbehandlung zu einem einheitlichen Beitrag heranzuziehen. Wollte man die Erhebung eines Herstellungsbeitrags auf die Eigentümer oder dinglich Berechtigten der Grundstücke beschränken, bei denen die Anschlussmöglichkeit erst nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geschaffen wurde, so hieße dies, die erheblichen Kosten im Wesentlichen – die Eigentümer altangeschlossener Grundstücke könnten allenfalls zu Verbesserungsbeiträgen herangezogen werden, die nach Lage der Dinge aber deutlich niedriger ausfallen dürften als Herstellungsbeiträge – vornehmlich auf den verhältnismäßig kleinen Kreis der Eigentümer von Grundstücken in den seit 1990 neu geschaffenen Eigenheim- oder Gewerbegebieten zu verteilen. Die damit verbundene erhebliche Belastung dieses Personenkreises wäre aber mit dem dem Beitragsrecht immanenten Solidarprinzip nicht zu vereinbaren (VG Greifswald, Urt. v. 30.03.2005 – 3 A 1064/04, S. 8 des Umdrucks).

39

Dabei ist unschädlich, dass in der Vergangenheit womöglich Anschlussgebühren oder ähnliche Leistungsäquivalente gezahlt worden sind. Denn beitragsfähig sind nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05, NordÖR 2006, 160 <161>). Damit besteht auch insoweit keine "Gerechtigkeitslücke" (eingehend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 a. a. O.).

40

c. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Regelung des § 12 BS, wonach aus Gründen der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit oder aus Gründen unklarer Rechtsverhältnisse ausnahmsweise öffentlich-rechtliche Vereinbarungen oder Vergleichsverträge geschlossen werden können, wirksam ist. Denn die Zulässigkeit des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder eines Vergleichsvertrages richtet sich nach den dabei zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den §§ 54 ff. VwVfG M-V, nicht jedoch nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Diese Vorgaben können durch eine kommunale Satzung nicht ersetzt oder modifiziert werden. Die Frage bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn die Unwirksamkeit der Regelung des § 12 BS führt nicht zur Nichtigkeit der Beitragssatzung insgesamt. Satzungsrechtliche Regelungen über den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge oder Vergleichsverträge gehören nicht zum Mindestinhalt des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Ihre Fehlerhaftigkeit ist daher unschädlich. Es liegt allenfalls eine Teilnichtigkeit i. S. d. § 139 BGB vor.

41

2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist teilweise fehlerhaft.

42

a. Allerdings ist der Fehler bei der Anwendung der Maßstabsregel für den Anschlussbeitrag Niederschlagswasser im Widerspruchsverfahren korrigiert und statt des Faktors 1,0 nur noch der Faktor 0,6 angewandt worden. Die diesbezüglichen Einwände des Klägers können daher auf sich beruhen.

43

b. Auch sind die Beitragsansprüche nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Kanalbaubeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. (vgl. nunmehr § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) erst mit dem Inkrafttreten der aktuell geltenden Beitragssatzung entstanden. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bestimmt, dass die sachliche Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung (ständige Rechtsprechung auch zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F.: vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04, S. 4 ff. des Umdrucks). Die sachliche Beitragspflicht ist damit frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Beitragssatzung in ihrer Ursprungsfassung am 15.01.2004 entstanden. Zu einem früheren Zeitpunkt konnte die Beitragspflicht nicht entstehen und damit auch die Festsetzungsfrist nicht an- bzw. ablaufen, denn die davor Geltung beanspruchende Abwassergebühren- und Beitragssatzung der Hansestadt Greifswald vom 18.06.1996 ist wegen der Freistellung so genannter altangeschlossener Grundstücke von der Beitragspflicht unwirksam (VG Greifswald, Urt. v. 28.07.1999 – 3 A 690/98, S. 5 ff. des Entscheidungsumdrucks). Damit konnte die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Jahres 2004 anlaufen und wird daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2008 ablaufen. Die Festsetzung erfolgte fristgemäß.

44

c. Gleichwohl waren die in Ansehung des ehemaligen Grundstück Flurstück ... ergangenen Bescheide zunächst in vollem Umfang rechtswidrig. Für dieses Grundstück durfte der Kläger zu Anschlussbeiträgen nicht herangezogen werden, weil er nicht (persönlich) beitragspflichtig war. Nach 8 Abs. 1 Satz 1 BS ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks oder zur Nutzung dinglich berechtigt ist.

45

Dies traf in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... auf den Kläger nicht zu. Das Eigentum stand nicht ihm, sondern der von ihm und Herrn V B gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu. In Abkehr von der überkommenen Theorie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als "die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit" wird die GbR heute als rechtsfähig angesehen, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Danach kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 ff.), insbesondere auch Grundstückseigentümerin sein (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 07.05.2002 – 15 A 5299/00, DVBl. 2002, 1434). Fraglich kann allenfalls die Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft sein (vgl. BayObLG, Beschl. v. 31.10.2002 – 2 Z BR 70/02, DB 2002, 2481; Ulmer/Steffek, NJW 2002, 330 ff.), was aber keine Auswirkungen auf ihre Eigentümerstellung hat, wenn ihre Mitglieder – wie hier – mit dem Zusatz "als Gesellschaft bürgerlichen Rechts" eingetragen sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen a. a. O.). Das ist hier der Fall. Damit war die vom Kläger zusammen mit Herrn ... gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümerin des Grundstücks.

46

Die Bescheide konnten auch nicht als an die Gesellschaft gerichtet angesehen werden. Dagegen spricht, dass sie an den Kläger als natürliche Personen gerichtet sind und in der Begründung der Mitgesellschafter ... als Beitragspflichtiger aufgeführt ist. Hinzu kommt der Hinweis, dass die in dem Bescheid genannten Beitragspflichtigen als Gesamtschuldner für die Beitragssumme haften. Sowohl in den Ausgangsbescheiden als auch in den Widerspruchsbescheiden fehlt jeglicher Hinweis auf die BGB-Gesellschaft.

47

Dieser Fehler ist jedoch in der Folgezeit teilweise geheilt worden. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Kläger am 27.10.2005 das Eigentum an dem aus dem Grundstück Flurstück ... hervorgegangenen Grundstück Flurstück ... erworben hat. Diese Veränderung ist vorliegend zu berücksichtigen. Denn wie bereits eingangs erwähnt ist entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Beitragsbescheiden der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Als Folge davon sind rechtliche und tatsächliche Veränderungen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie – wie hier – erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens eintreten. Das Grundstück Flurstück ... ist aus dem Grundstück Flurstück ... hervorgegangen und mit diesem daher teilidentisch. Da die Bekanntgabe der in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide bis zu ihrer Aufhebung fortwirkt (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 06.08.2003 – 3 A 801/03, S. 5 des Entscheidungsumdrucks m. w. N.), führt der Umstand, dass der Kläger im Oktober 2005 das Alleineigentum an dem Grundstück Flurstück ... erwarb, insoweit zu einer Fehlerheilung, als die Bescheide dieses Grundstück betreffen.

48

Damit errechnen sich die auf das Grundstück Flurstück entfallenden Beiträge wie folgt:

49

Schmutzwasser: 608 m² x 0,55 x 1,78 Euro/m² = Euro 595,23

50

Niederschlagswasser: 608 m² x 0,6 x 0,48 Euro/m² = Euro 175,10

51

Soweit die Festsetzungen diese Beträge übersteigen, sind sie aufzuheben.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.