Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 13. Feb. 2015 - 8 A 110/14

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2015:0213.8A110.14.0A
bei uns veröffentlicht am13.02.2015

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

4. Der Streitwert wird auf 5.000,-- € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine Ordnungsverfügung, mit der gegen ihn ein Zwangsgeld festgesetzt und die Durchführung einer Ersatzvornahme angedroht wurde.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks A-Straße in A-Stadt. Auf dem Grundstück befindet sich ein Wohngebäude mit mehreren Wohneinheiten.

3

Mit bauaufsichtlicher Anordnung vom 17.11.2011 forderte die Beklage den Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, den Rückbau von fünf ungenehmigten Fenstern in der Brandwand an der Grundstücksgrenze zum Gebäude xxx bis zum 01.04.2012 durchzuführen. Dem Kläger wurde für den Fall der Nichterfüllung der bauaufsichtlichen Anordnung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- € angedroht. Bei der in Rede stehenden Wand handele es sich um eine Gebäudeabschlusswand an der Grundstücksgrenze, welche gem. § 31 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 8 LBO als Brandwand ohne Öffnungen auszuführen sei. Die in der Wand vorhandenen fünf Fenster stellten eine Gefahr für das benachbarte Gebäude dar, da im Schadensfalle das Übergreifen eines Feuers nicht verhindert werden könnte. Insofern sei auch § 3 Abs. 2 LBO zu beachten. Ferner stellten die Fenster eine unzumutbare Belästigung für den Grundstücksnachbarn dar. Die Sicherung des sozialen Wohnfriedens (Wohnruhe, Einsicht) sei nicht ausreichend gegeben. Die vorhandenen Öffnungen in der Brandwand an der Grundstücksgrenze zum Gebäude xxx seien in der Ausführung einer Brandwand zu verschließen.

4

Nachfolgend gab es eine Vielzahl von Versuchen, um eine einvernehmliche Lösung zwischen dem Kläger und dem Grundstücksnachbarn zu erreichen. Die Einigungsversuche sind jedoch erfolglos geblieben sind.

5

Die Beklagte hat den Widerspruch des Klägers gegen die bauaufsichtliche Anordnung vom 15.12.2011 mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2013 zurückgewiesen. Der Kläger hat daraufhin am 13.12.2013 Klage bei dem erkennenden Gericht erhoben (Verfahren 8 A 219/13). Diese Klage hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21.11.2014 zurückgenommen. Das Gericht hat das Verfahren daraufhin mit Beschluss vom 21.11.2014 eingestellt.

6

Anlässlich einer Ortsbesichtigung am 30.10.2013 stellten Mitarbeiter der Beklagten fest, dass der Kläger die bauaufsichtliche Anordnung nicht befolgt hat.

7

Mit Bescheid vom 15.11.2013 setzte die Beklagte das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- € gem. §§ 235 ff. LVwG fest und gab dem Kläger auf, das Zwangsgeld bis zum 25.11.2013 auf eines der Konten der Beklagten zu überweisen. Ferner drohte die Beklagte dem Kläger für den Fall, dass er der bauaufsichtlichen Anordnung bis zum 06.12.2013 nicht nachkommen sollte die Durchführung der Ersatzvornahme gem. § 238 LVwG auf seine Kosten an. Die Kosten für den Rückbau der Fenster wurden vorläufig auf 4.900,-- € veranschlagt.

8

Die Beklagte hat das festgesetzte Zwangsgeld im Wege der Forderungspfändung beigetrieben. Der entsprechende Betrag ist auf einem Konto der Beklagten am 04.12.2013 gutgeschrieben worden. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreichten Verwaltungsvorgänge (Anlage zur Niederschrift) verwiesen.

9

Eine von dem Kläger beauftragte Firma hat die Fensteröffnungen am 11.12.2013 verschlossen. Die Abnahme der Brandwand sollte ursprünglich am 14.01.2014 durch einen Prüfsachverständigen für Brandschutz erfolgen.

10

Der Kläger hat mit Schreiben vom 13.12.2013 gegen den Zwangsgeldbescheid Widerspruch eingelegt (Bl. 14 ff. d.A.). Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2014 zurückgewiesen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass die der Zwangsvollstreckung zugrundeliegende bauaufsichtliche Anordnung rechtmäßig sei und führt dies weiter aus (vgl. Bl. 18 f. d.A.). Um dieser bauaufsichtlichen Anordnung und der damit verbundenen sofortigen Vollziehung Nachdruck zu verleihen, sei ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- € angedroht worden. Die Beklagte trägt weiter vor, dass eine Abnahmebescheinigung des Prüfsachverständigen für Brandschutz für das ordnungsgemäße Verschließen der Fenster in der Brandwand noch nicht vorgelegt worden sei. Der Kläger sei daher seiner Verpflichtung aus der Bauordnungsverfügung noch nicht nachgekommen, weshalb weiterhin die Durchführung der Ersatzvornahme in Betracht gezogen werde.

11

Der Kläger hat am 12.08.2014 Klage erhoben und ist der Ansicht, dass sich die Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldfestsetzung bereits aus der Rechtswidrigkeit der bauaufsichtlichen Anordnung vom 17.11.2011 ergebe. Wegen der seiner Ansicht nach bestehenden Rechtswidrigkeit der bauaufsichtlichen Anordnung wiederholt der Kläger seinen Vortrag aus dem Verfahren 8 A 219/13, auf den Bezug genommen wird. Die Zwangsgeldfestsetzung sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte nach dem Erlass der bauaufsichtlichen Anordnung wegen der mit dem Grundstücksnachbarn geführten Verhandlungen zwei Jahre mit der Festsetzung zugewartet habe. Die Beklagte habe auch von der angeordneten sofortigen Vollziehung während des Widerspruchsverfahrens keinen Gebrauch gemacht. Angesichts des Zeitablaufs sei die nunmehr erfolgte Festsetzung des Zwangsgeldes nicht nachvollziehbar. Die Beklagte habe zuvor über einen Zeitraum von zwei Jahren die Vollziehung der bauaufsichtlichen Anordnung nicht für erforderlich gehalten.

12

Der Kläger ist zudem der Ansicht, das angedrohte Zwangsgeld sei zu unbestimmt. Für jedes der betroffenen Fenster hätte ein gesondertes Zwangsgeld festgesetzt bzw. angedroht werden müssen. Ferner rügt der Kläger die Höhe des angedrohten bzw. festgesetzten Zwangsgeldes. In den entsprechenden Bescheiden hätte die Beklagte keine ausreichende Ermessensausübung vorgenommen und die Höhe hinreichend begründet.

13

Der Kläger beantragt,

14

den Bescheid der Beklagten vom 15.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2014 aufzuheben.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Die Beklagte bezieht sich zur Begründung ihres Antrags im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide sowie ihren Vortrag in dem Verfahren 8 A 219/13. Mit Schriftsatz vom 29.10.2014 trägt sie ergänzend vor, dass es nicht nachvollziehbar sei, dass der Kläger das Abwarten der Beklagten während der langjährigen Einigungsversuche rüge. Das Zuwarten sei allein dem Kläger zugutegekommen. Dieser habe dann den im Zwangsgeldbescheid festgesetzten Termin zur Schließung der Fenster bis zum 06.12.2013 verstreichen lassen. Erst als ihm mit Schreiben vom 09.12.2013 ein Datum für die Durchführung der Ersatzvornahme mitgeteilt wurde, habe der Kläger gehandelt. Eine endgültige Bestätigung der korrekten Ausführung der Brandwand liege der Beklagten bislang noch nicht vor. Auch die Höhe des Zwangsgeldes sei nicht zu beanstanden. Für deren Ermittlung seien die Kosten des Rückbaus der Fensteröffnungen in der Brandwand auf 5.000,-- € geschätzt worden. Die im Rahmen der Ersatzvornahme eingeholten Kostenangebote (vgl. Bl. 9-16 Beiakte A zu 8 A 110/14) bewegten sich zwischen 4.881,26 € und 7.378,-- € und damit im Rahmen der Schätzung der Beklagten. Außerdem seien die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers berücksichtigt worden, der in A-Stadt mehrere Betriebe und einen Internethandel betreibe. Aufgrund dieser Verhältnisse habe es keine Anhaltspunkte gegeben, von der Höhe des geschätzten wirtschaftlichen Aufwandes der Maßnahme nach unten abzuweichen. Der Kläger sollte durch die Nichtbefolgung der Maßnahme keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen können.

18

Mit Beschluss vom 30.10.2014 hat die Kammer den Rechtsstreit gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

19

Die Beklagtenvertreterin hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass der Kläger zwischenzeitlich den geforderten Nachweis eines Prüfsachverständigen für Brandschutz vorgelegt habe.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der in den Verfahren 8 A 219/13 und 8 A 110/14 beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 15.11.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 15.07.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

22

1. Die Festsetzung des Zwangsgeldes ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür sind die §§228, 229 Abs. 1, 235 Abs. 1 Nr. 1, 236 und 237 LVwG. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen und die besonderen Anforderungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes sind erfüllt.

23

a) Mit der bestandskräftigen Ordnungsverfügung vom 17.11.2011 liegt ein vollzugsfähiger Verwaltungsakt gemäß § 229 Abs. 1 Nr. 1 LVwG vor. Einwendungen gegen den dem Vollzug zugrunde liegenden Verwaltungsakt sind außerhalb des Vollzugsverfahrens mit den dafür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen (§248 Abs. 2 LVwG). In dem vorliegenden - gegen die Zwangsgeldfestsetzung gerichteten - Klageverfahren können Einwendungen gegen die Rückbauordnung vom 17.11.2011 daher grundsätzlich nicht geltend gemacht werden. Mit der Rücknahme der Klage in dem Verfahren 8 A 219/13 ist die Rückbauordnung am 20.11.2014 überdies bestandskräftig geworden. Die bauaufsichtliche Anordnung leidet auch nicht unter einem Bestimmtheitsmangel, der einer zwangsweisen Durchsetzung im Wege der Verwaltungsvollstreckung möglicherweise entgegenstehen könnte. Aus der bauaufsichtlichen Anordnung ergibt sich mit hinreichender Bestimmtheit, welche Fenster von der Rückbauordnung erfasst sind. Im Übrigen sind bei der Auslegung der Ordnungsverfügung auch die dem Kläger bekannten Umstände zu berücksichtigen. Aufgrund des langjährigen Verwaltungsverfahrens und der umfassenden Einigungsversuche, die in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten dokumentiert sind, war für den Kläger hinreichend ersichtlich, welche Fensteröffnungen zurückgebaut werden sollten.

24

b) Der Kläger war der Rückbauanordnung aus dem Bescheid vom 17.11.2011 in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zwangsgeldbescheides maßgeblichen Zeitpunkt nicht nachgekommen. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zwangsgeldbescheides vom 15.11.2013 ist es unerheblich, dass der Kläger am 11.12.2013 eine Firma mit dem Schließen der Fensteröffnungen beauftragt hatte und der Verschluss der Öffnungen auch ausgeführt wurde.

25

Die Frage, an welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung von Zwangsgeldfestsetzungen anzuknüpfen ist, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Der Grund hierfür liegt unter anderem an dem unterschiedlichen zu vollziehenden materiellen Recht und an den im Bund und den verschiedenen Ländern zum Teil unterschiedlichen Vollzugs- und Vollstreckungsvorschriften. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (Urt. v. 14.03.2006 - 1 C 11/05 - juris, zum Vollzug von Beförderungsverboten nach § 74 AuslG i.V.m. § 14 VwVfG) soll im Grundsatz der Zeitpunkt maßgeblich sein, in dem das Vollstreckungsverfahren für das im Einzelfall festgesetzte Zwangsgeld abgeschlossen war. Abgeschlossen sei das Vollstreckungsverfahren, wenn (auch unter Vorbehalt) gezahlt werde. Bei nicht abgeschlossenen Vollstreckungsverfahren sei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Gerichtes maßgeblich. Nach der Rechtsprechung des OVG Schleswig (Urt. v. 30.11.2006 - 1 LB 9/06 - n.v.), der sich die Kammer bereits mehrfach angeschlossen hat (Beschl. v. 25.06.2012 - 8 B 27/12 - und Urt. v. 07.03.2013 - 8 A 192/11 - n.v.), ist zwar die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu teilen, dass ein rechtmäßig festgesetztes und gezahltes Zwangsgeld nicht zu erstatten ist. Ungeachtet dessen muss aber auf den Zeitpunkt des Erlasses Bescheides für die Beurteilung Sach- und Rechtslage abgestellt werden, denn bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt der Zahlung wird der Rechtstreue, der sich der sofort vollziehbaren Zwangsfeldfestsetzung beugt und zahlt, schlechter gestellt, als derjenige, der die Zahlungsanordnung ignoriert und es auf die Vollstreckung des Zwangsgeldes ankommen lässt. Daher muss jedenfalls für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Zwangsgeldfestsetzungen zur Durchsetzung sofort vollziehbarer bauordnungsrechtlicher Nutzungsuntersagungsverfügungen auf den Zeitpunkt der Zwangsgeldfestsetzungen abgestellt werden. Nur dadurch ist gewährleistet, dass auf den Adressaten von Anfang an der vom Gesetz beabsichtigte Druck ausgeübt wird (OVG Schleswig, a.a.O.). Nichts anderes kann hier für die streitgegenständliche Rückbauordnung gelten.

26

Vorliegend kommen beide Rechtsauffassungen zu demselben Ergebnis. Der Kläger hatte sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des Zwangsgeldbescheides als auch im Zeitpunkt der Betreibung des Zwangsgeldes am 04.12.2013 den geforderten Rückbau der Fenster und das Verschließen der Brandwand nicht vorgenommen bzw. veranlasst. Im Zeitpunkt der Festsetzung des Zwangsgeldes (Bescheid vom 15.11.2013) und der Beitreibung des Zwangsgeldes (04.12.2013) lag somit eine rechtmäßige Zwangsgeldfestsetzung vor.

27

Die spätere Befolgung der Rückbauordnung und damit eine Zweckerreichung im Sinne des § 241 Abs. 1 Nr. 4 LVwG führt nicht zur Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung. Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der mit der Rückbauordnung verfolgte Zweck bereits mit dem Verschließen der Fensteröffnungen am 11.12.2013 erreicht worden ist. Die Beklagte hätte die Erfüllung der Rückbauordnung nicht von dem Nachweis eines Prüfsachverständigen für Brandschutz abhängig machen dürfen. Für die Annahme einer solchen (Beibringungs)Pflicht des Klägers hätte es ebenfalls einer bestandskräftigen oder sofort vollziehbaren Anordnung mittels eines Verwaltungsaktes bedurft. Die Vorlage eines Nachweises durch einen Brandsachverständigen konnte jedenfalls nicht aufgrund der Ordnungsverfügung vom 17.11.2011 verlangt werden. Diese erschöpft sich in der Pflicht des Klägers, die streitgegenständlichen Fenster in der Brandwand zurückzubauen. Die Vorlage eines Nachweises eines Brandsachverständigen wurde dem Kläger weder ausdrücklich noch konkludent aufgegeben. Wenn die Beklagte die Vorlage einer solchen Prüfbescheinigung als Voraussetzung für die Erfüllung der Rückbauordnung vom 17.11.2011 verlangt, hätte sie dies auch ausdrücklich und konkret-individuell anordnen müssen. Es handelt sich hierbei vor allem wegen des damit verbundenen Kostenaufwandes um einen selbstständigen Grundrechtseingriff. Allein die abstrakt-generelle Pflicht eines Bauherrn zur Vorlage eines entsprechenden Nachweises nach der LBO genügt nicht, um dies zur Voraussetzung für die Erfüllung einer bestimmten ordnungsrechtlichen Verpflichtung zu machen. Die Beklagte dürfte im Übrigen selbst nicht davon ausgegangen sein, dass die Vorlage eines Nachweises eines Brandsachverständigen zur Erfüllung der Verpflichtung aus der Rückbauordnung vom 17.11.2011 notwendig gewesen ist. Die von der Beklagten eingeholten Kostenvoranschläge für die Durchführung der Ersatzvornahme enthielten allesamt keine Kostenposition für das Einholen einer sachverständigen Prüfbescheinigung. Wenn dies - wie die Beklagte meint - Gegenstand der bauordnungsrechtlichen Verpflichtung vom 17.11.2011 gewesen sei, hätte dies auch bei der Vollziehung dieser Verpflichtung im Wege der Ersatzvornahme kostenrechtlich in Ansatz gebracht werden müssen. Das Einfordern eines solchen Nachweises durch die Beklagte ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Zwangsgeldbescheides jedoch unerheblich, da das Zwangsgeld bereits vor dem Verschließen der Fenster beigetrieben wurde.

28

c) Die Androhung des Zwangsgeldes in dem Bescheid vom 17.11.2011 als Voraussetzung für die nachfolgende Zwangsgeldfestsetzung unterliegt ebenfalls keinen Rechtmäßigkeit- oder Bestimmtheitsbedenken.

29

Die Androhung des Zwangsgeldes ist ein selbstständiger Verwaltungsakt, der vorliegend mit der Rücknahme der Klage in dem Verfahren 8 A 219/13 bestandskräftig geworden ist.

30

Entgegen der Auffassung des Klägers leidet die Zwangsgeldandrohung auch nicht unter einem Bestimmtheitsmangel, der zu einer Nichtigkeit der Androhung im Sinne des § 113 Abs. 1 LVwG führen könnte.

31

Die Androhung des Zwangsgeldes leidet insbesondere nicht deshalb an einem Bestimmtheitsmangel, weil „pauschal" ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,-- € und nicht für jede der zu verschließenden Fensteröffnungen ein gesondertes Zwangsgeld angedroht wurde. Es bedurfte vorliegend keiner gesonderten bzw. aufgeschlüsselten Androhung eines Zwangsgeldes für das Verschließen bzw. den Rückbau eines oder mehrerer der streitgegenständlichen Fensteröffnungen. Nach allgemeiner Auffassung ist erforderlich, dass im Falle mehrerer Anordnungen in einer Ordnungsverfügung für jede Verpflichtung ein Zwangsmittel gesondert angedroht werden muss (vgl. vgl. Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, 10. Auflage 2014, § 13 Rn 4 m.w.N.). Gegen diese Bestimmtheitsanforderung ist nicht verstoßen worden. Die Ordnungsverfügung vom 17.11.2011 enthielt einzig die Verpflichtung des Klägers, den Rückbau von fünf Fenstern in der Brandwand vorzunehmen. Aus dem Sinn und Zweck der Ordnungsverfügung wird deutlich, dass dessen Ziel - nämlich das vollständige Verschließen der Brandwand - erst dann erreicht ist, wenn sämtliche Fensteröffnungen verschlossen wurden. Dies ist im Hinblick auf die Gewährleistung eines effektiven Brandschutzes bei Wohngebäuden zur Gewährleistungen der Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit der Bewohner (vgl. §§ 15 und 31 LBO) geboten und nicht zu beanstanden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, für jedes Fenster oder für eine bestimmte Anzahl von Fensteröffnungen ein Zwangsgeld für den Fall der Nichtbefolgung der Rückbauverfügung anzudrohen, um die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot zu wahren. Die Beklagte hätte ein Zwangsgeld in der angedrohten Höhe auch dann festsetzen dürfen, wenn nur noch eine der streitgegenständlichen Fensteröffnungen unverschlossen gewesen wären.

32

Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf eine Entscheidung des VG Regensburg (Urt. v. 09.06.2011 - RO 5 K 09.2282 - juris) berufen, mit der die Androhung eines Zwangsgeldes wegen eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aufgehoben wurde. Der Entscheidung des VG Regensburg lag eine Konstellation zugrunde, in der dem Kläger ein pauschales Zwangsgeld für den Fall angedroht wurde, dass er nicht bei allen Rindern seines Betriebes eine Blauzungenimpfung durchführt. Das VG Regensburg rügte diese Zwangsgeldandrohung wegen eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unter anderem deshalb, weil nach dem der Vollstreckung zugrundeliegenden Verwaltungsakt nicht alle Tiere von der Impfpflicht erfasst gewesen sind. Es habe ein Widerspruch zwischen dem Grundverwaltungsakt und der Zwangsgeldandrohung bestanden (vgl. VG Regensburg, a.a.O., juris Rn 59). Diese Konstellation ist auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht übertragbar. Vorliegend bestanden keine Zweifel daran, welche Fensteröffnungen geschlossen werden sollten. Für den Kläger war - auch wegen des vorausgehenden Verwaltungsverfahrens - hinreichend erkennbar, welche Fensteröffnungen geschlossen werden sollten.

33

d) Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die von dem Kläger geltend gemachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe des Zwangsgeldes sind unbeachtlich. Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf eine fehlende oder unzureichende Ermessensausübung der Beklagten berufen. Der Kläger ist mit seinen Einwendungen bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Androhung des Zwangsgeldes in dem Bescheid vom 17.11.2011 durch die Rücknahme der Klage in dem Verfahren 8 A 219/13 bestandskräftig geworden ist.

34

Die Festsetzung eines Zwangsgeldes wird durch dessen angedrohte Höhe begrenzt. Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Grundverwaltungsakt sowie gegen die Androhung des Zwangsmittels können im Rahmen der Anfechtung seiner Festsetzung grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden; sie hätten im Hauptsacheverfahren erhoben werden können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die voraufgegangenen Verwaltungsakte unanfechtbar geworden sind (vgl. Sadler, VwVG, 8. Auflage 2011, § 14 Rn 17 m.w.N. aus der Rspr.; Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, 10. Auflage 2014, § 14 Rn 1). Die Festsetzung ist zulässig, wenn sie - wie hier - der Androhung entspricht. Bei der Festsetzung eines angedrohten Zwangsgeldes hat die Behörde im Übrigen hinsichtlich dessen Höhe grundsätzlich nicht nochmals Ermessen auszuüben (vgl. OVG Weimar, Beschl. v. 22.04.2002 - 1 EO 184/02 - juris; Sadler, a.a.O., § 14 Rn 18; siehe auch VGH Kassel, Beschl. v. 04.10.1995- 4 TG 2043/95 - juris). An der Höhe des Zwangsgeldes ändert sich daher vorliegend nichts. Das angedrohte Zwangsgeld war auch nicht etwa wegen einer teilweisen Erfüllung der Verpflichtung des Klägers zu reduzieren.

35

Darüber hinaus ist nach Auffassung des Gerichts Folgendes zu beachten: Die Bestimmung der Höhe des angedrohten Zwangsgeldes liegt im Ermessen der Behörde. Abzuwägen sind das Gewicht der zu schützenden Interessen, die Dringlichkeit der Anordnung und die Wichtigkeit des von der Verwaltung verfolgten Zwecks, die Intensität des zu erwartenden Widerstandes des Pflichtigen, das Vorliegen eines Wiederholungsfalles als Indiz für die Gefahr weiterer Zuwiderhandlungen sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen (vgl. Troidl, in: Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, 10. Auflage 2014, § 11 Rn 8 m.w.N.). § 237 Abs. 3 LVwG gibt dabei einen Rahmen für die Höhe des Zwangsgeldes von 15,-- bis 50.000,-- € vor. Die Beklagte war vorliegend nicht verpflichtet, die Gründe, die sie für die Bemessung der Höhe des angedrohten bzw. festgesetzten Zwangsgeldes veranlasst haben, detailliert darzulegen. Die Androhung eines Zwangsgeldes (das „Ob") zur Durchsetzung einer (bau)ordnungs-rechtlichen Verpflichtung ist grundsätzlich ermessensfehlerfrei und muss in der Regel nicht gesondert begründet werden. Die Androhung eines Zwangsmittels soll der Erfüllung des mit der Ordnungsverfügung verfolgten Zwecks dienen und den Pflichtigen zur Vornahme der auferlegten Handlung veranlassen. Eine Ermessensfehlerhaftigkeit bzw. Unverhältnismäßigkeit drängt sich hier auch nicht hinsichtlich der Höhe des Zwangsgeldes auf. Der Umfang der Ermessenserwägungen hängt insbesondere vom Gegenstand der Ermessensbestätigung ab, hier der Bestimmung der Höhe des Zwangsgeldes. Eine ausführliche Ermessensbetätigung war hier bereits deshalb nicht erforderlich, weil sich das angedrohte Zwangsgeld am unteren Rahmen des der Behörde zur Verfügung stehenden Rahmens bewegt. Es ist auch erkennbar, dass die Höhe des Zwangsgeldes nicht außer Verhältnis zu der zu vollstreckenden Verpflichtung des Klägers steht. Ziel der Ordnungsverfügung war es, die Anforderungen an eine Brandwand im Sinne des § 31 LBO sicherzustellen und bezweckte damit insbesondere die Gewährleistung des Schutzes der Bewohner des Gebäudes vor Lebens- und Gesundheitsgefahren. Der Kläger ist zudem Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks, so dass auch die Höhe des Zwangsgeldes im Hinblick auf dessen Beugefunktion nicht unverhältnismäßig ist. Für die Beklagte bestanden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe des Zwangsgeldes wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers nicht geeignet ist, ihn zur Vornahme der angeordneten Handlungen zu bewegen. Sofern der Kläger eine mangelnde Begründung für die Bemessung der Höhe des Zwangsgeldes rügt, hat die Beklagte jedenfalls im gerichtlichen Verfahren ihre Erwägungen hinreichend dargelegt und einen etwaigen Begründungsmangel gem. § 114 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 LVwG geheilt. Die Beklagte hat die Höhe des Zwangsgeldes insofern mit den voraussichtlichen Kosten des Verschließens der Fensteröffnungen verknüpft und damit einen direkten Bezug zu dem mit der Rückbauordnung verfolgten Zweck hergestellt.

36

2. Die Androhung der Ersatzvornahme in dem Bescheid vom 15.11.2013 ist ebenfalls rechtmäßig. Sie beruht auf §§ 228, 229 Abs. 1, 235 Abs. 1 Nr. 2, 236 und 235 LVwG. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt. Die Anforderungen des § 236 Abs. 2 LVwG (Fristbestimmung) und § 236 Abs. 6 LVwG (vorläufige Veranschlagung der voraussichtlichen Kosten) wurden beachtet. Die Höhe der veranschlagten Kosten bewegt sich auch in dem von der Beklagten ermittelten Rahmen für die voraussichtlichen Kosten für das Verschließen der Fensteröffnungen. Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der Androhung der Ersatzvornahme sind im Übrigen weder ersichtlich noch von dem Kläger vorgetragen worden.

37

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

38

III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

39

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG und entspricht der Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes.


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Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Beteiligter kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Ein Widerruf der Vollmacht wird der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht.

(2) Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Handlungsfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er für den Rechtsnachfolger im Verwaltungsverfahren auftritt, dessen Vollmacht auf Verlangen schriftlich beizubringen.

(3) Ist für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, so soll sich die Behörde an ihn wenden. Sie kann sich an den Beteiligten selbst wenden, soweit er zur Mitwirkung verpflichtet ist. Wendet sich die Behörde an den Beteiligten, so soll der Bevollmächtigte verständigt werden. Vorschriften über die Zustellung an Bevollmächtigte bleiben unberührt.

(4) Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht.

(5) Bevollmächtigte und Beistände sind zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes Rechtsdienstleistungen erbringen.

(6) Bevollmächtigte und Beistände können vom Vortrag zurückgewiesen werden, wenn sie hierzu ungeeignet sind; vom mündlichen Vortrag können sie nur zurückgewiesen werden, wenn sie zum sachgemäßen Vortrag nicht fähig sind. Nicht zurückgewiesen werden können Personen, die nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung zur Vertretung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren befugt sind.

(7) Die Zurückweisung nach den Absätzen 5 und 6 ist auch dem Beteiligten, dessen Bevollmächtigter oder Beistand zurückgewiesen wird, mitzuteilen. Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistands, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, sind unwirksam.

Gründe

1

Die Kläger wurden bei der Kommunalwahl vom 30. August 2009 als Direktkandidaten in den Rat der beklagten Stadt D. gewählt. Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen den Beschluss des Rates der Beklagten, die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten zu wiederholen. Das Verwaltungsgericht hat den Beschluss des Rates aufgehoben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

2

Die dagegen erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Klage richte sich gegen die Stadt D. und nicht gegen deren Rat, steht im Einklang mit dem Prozessrecht (1.). Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (2.) und eines Verfahrensmangels (3.) liegen nicht vor.

3

1. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Klage richte sich gegen die Stadt D. und nicht gegen deren Rat, steht im Einklang mit dem Prozessrecht.

4

Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts sind Klagen von Organen oder Organteilen, mit denen deren Befugnisse oder Kompetenzen gegenüber einem anderen Organ oder Organteil desselben öffentlichen Rechtsträgers geltend gemacht werden (sog. Innenrechtsstreit oder Kommunalverfassungsstreit), gegenüber diesem anderen Organ oder Organteil selbst und nicht gegenüber dem Rechtsträger zu erheben (etwa OVG Münster, Urteil vom 24. April 2009 - 15 A 981/06 - OVGE 52, 82 = NVwZ-RR 2009, 819 m.w.N.; vgl. allgemein Rennert, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Auflage 2010, Rn. 15 f. zu § 40 VwGO m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht hat aber den vorliegenden Rechtsstreit, der der gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung des Rates einer Stadt im Wahlprüfungsverfahren dient, nicht als Organstreitigkeit in diesem Sinne angesehen. Es hat hierfür angeführt, dass die Beteiligten nicht um Rechte und Pflichten von Kommunalverfassungsorganen im Verhältnis zu anderen Organen oder Organteilen streiten, sondern darum, ob die Kläger überhaupt Mitglied eines Kommunalorgans geworden sind. Das lässt einen Verstoß gegen Prozessrecht nicht erkennen.

5

Ohne Erfolg berufen sich die Kläger demgegenüber auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juli 1993 - 2 BvR 1130/03 - (NVwZ 1994, 56). Dieser Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort ging es um die Vorverlegung eines Wahltermins und die damit verbundene Verkürzung der Wahlperiode; die dortigen Kläger verteidigten den Fortbestand ihrer Rechte als Mandatsträger. Hier hingegen verteidigen die Kläger ihre Rechte aus der Wahl, also ihre Rechte auf das Mandat. Sie leiten ihre Rechte mittelbar aus ihrem passiven Wahlrecht her, das ein subjektives Recht eines jeden Bürgers ist, das gegenüber seiner Gemeinde besteht.

6

2. Der Rechtssache kommt die von den Klägern behauptete grundsätzliche Bedeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Das ist hier nicht der Fall.

7

a) Das Berufungsgericht hat die Wahl des Rates wegen einer unzulässigen amtlichen Wahlbeeinflussung durch den damaligen Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin der Beklagten für fehlerhaft gehalten. Es ist hierbei in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass ein Wahlfehler nach nordrhein-westfälischem Kommunalwahlrecht auch im Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen liegen kann, ohne dass es einer bewussten, zielgerichteten Täuschung bedürfe; schon die objektiv unrichtige Information sei eine unzulässige Wahlbeeinflussung (UA S. 17, 19).

8

Die Kläger werfen in diesem Zusammenhang in erster Linie die Frage auf, ob ein solcher Fehler schon dann vorliegt, wenn der Wähler durch objektiv unrichtige Angaben über die seiner Beurteilung unterliegenden und für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse unzutreffend informiert wird, ohne dass es darauf ankommt, ob sich der informierende Amtswalter der Unrichtigkeit seiner Angaben bewusst ist. Das verleiht dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung. Die Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen; denn auch wenn sie - gemäß der Ansicht der Kläger - zu verneinen sein sollte, könnte die Revision keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der damalige Oberbürgermeister und die Kämmerin der Beklagten auf eine Anfrage eines Ratsmitglieds das Vorliegen von Auffälligkeiten beim Haushaltsvollzug am 24. und am 26. August 2009 verneint haben, obwohl sie bereits zwei Wochen zuvor - am 11. August 2009 - den Erlass einer Haushaltssperre mit Wirkung vom 1. September 2009 intern beschlossen und die nötigen Schritte zu deren Vorbereitung eingeleitet hatten. Das Berufungsgericht hat damit Umstände festgestellt, die zu dem Schluss zwingen, dass dem damaligen Oberbürgermeister und der Kämmerin die Unrichtigkeit ihrer Auskunft vom 24. bzw. 26. August 2009 bewusst war. Dass es diesen Schluss auch selbst gezogen hat, wird zusätzlich dadurch belegt, dass es die gegenteiligen Bekundungen des Oberbürgermeisters und der Kämmerin bei ihrer Zeugenvernehmung vor dem Verwaltungsgericht als bloße Schutzbehauptungen gewürdigt hat.

9

Bei dieser Sachlage aber kann offen bleiben, ob eine amtliche Äußerung eines Bürgermeisters oder Beigeordneten einer Gemeinde im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Kommunalwahl, die auf der Grundlage der dem Bürgermeister oder Beigeordneten im Zeitpunkt der Äußerung verfügbaren Daten objektiv unrichtig war, als Wahlfehler schon dann in Betracht kommt, wenn sie geeignet war, die Wählerentscheidung zu beeinflussen, oder erst dann, wenn sie im Sinne einer manipulativen Einwirkung dazu auch bestimmt war. Zur Klarstellung sei lediglich darauf hingewiesen, dass die Frage - entgegen der Ansicht der Kläger - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bislang nicht in ihrem Sinne geklärt ist. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 8. April 2003 - BVerwG 8 C 14.02 - (BVerwGE 118, 101 = Buchholz 160 WahlR Nr. 49) ausgesprochen, dass eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung auch in einer bewussten Täuschung durch Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen liegen kann (a.a.O. S. 106). Damit ist jedoch nicht entschieden, ob und ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen auch eine unbewusst unrichtige amtliche Äußerung einen Wahlfehler begründen kann. Über eine solche Fallgestaltung hatte der Senat nicht zu befinden. Die dortige Vorinstanz hatte eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit durch hauptamtliche Magistratsmitglieder festgestellt (a.a.O. S. 102), weshalb der Senat vom Tatbestand einer manipulativen Einwirkung ausgehen musste (vgl. a.a.O. S. 108).

10

b) Mit ihrer zweiten Frage möchten die Kläger geklärt wissen, ob eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung schon dann vorliegt, wenn der Wähler durch objektiv unrichtige amtliche Angaben über die seiner Beurteilung unterliegenden und für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse unzutreffend informiert wird, ohne dass es darauf ankommt, ob der informierende Amtswalter gegen ihm obliegende gesetzliche Pflichten verstoßen hat.

11

Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der gestellten allgemeinen Form ist sie in sich widersprüchlich; eine amtliche Information kann nur dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung sein, wenn der informierende Amtsträger gegen ihm obliegende gesetzliche Pflichten, nämlich gegen die Pflicht zur Wahrung der Neutralität verstoßen hat. Allerdings haben die Kläger zusätzliche spezifische gesetzliche Informationspflichten des Bürgermeisters gegenüber dem Rat der Gemeinde im Auge, mit denen sich das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil des Näheren auseinandergesetzt und deren Verletzung es im vorliegenden Fall verneint hat. In dieser konkreteren Form war die Frage jedoch für das Berufungsgericht nicht entscheidungserheblich. Ihm kam es auf das Bestehen einer besonderen gesetzlichen Offenbarungspflicht nur für den Fall an, dass die unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung in einem Unterlassen des Amtsträgers zu sehen sein soll. Im vorliegenden Fall aber steht eine aktive Information durch den Amtsträger in Rede (UA S. 19).

12

c) Schließlich werfen die Kläger die Frage auf, ob eine Gemeinderatswahl wegen eines Wahlfehlers schon dann für ungültig erklärt werden darf, wenn die reale Möglichkeit einer anderen Sitzverteilung bei ordnungsgemäßem Ablauf der Wahl besteht, oder erst dann, wenn ein Forbestand der fehlerhaft gewählten Vertretung unerträglich erschiene.

13

Auch diese Frage begründet keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache; denn sie ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt.

14

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Blick auf eine Landtagswahl entschieden, dass Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern an die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats bindet. Dieses sog. Homogenitätsprinzip gibt den Ländern kraft des Demokratiegebots auf, ein Verfahren zur Prüfung ihrer Parlamentswahlen einzurichten; auch hierfür sind die in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG aufgeführten Wahlrechtsgrundsätze verbindlich. Innerhalb dieses Rahmens genießen die Länder jedoch Autonomie. Einem Land, das sich entschließt, das materielle Wahlprüfungsrecht gesetzlich zu regeln, steht dementsprechend eine umfangreiche Gestaltungsfreiheit zu. Deren Grenzen wären auf der einen Seite überschritten, wenn schwerwiegende Verstöße gegen die Grundsätze der Freiheit oder der Gleichheit der Wahl wie fortlaufende gravierende Verletzungen des Verbots der amtlichen Wahlbeeinflussung als mögliche Wahlfehler von vornherein außer Betracht blieben. Andererseits schließt das Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung, das seine rechtliche Grundlage im Demokratiegebot findet, es zumindest aus, Wahlbeeinflussungen einfacher Art und ohne jedes Gewicht schlechthin zum Wahlungültigkeitsgrund zu erheben. Der Eingriff in die Zusammensetzung einer gewählten Volksvertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung muss vor diesem Bestandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden. Je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den dieser Eingriff gestützt wird (BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/00 - BVerfGE 103, 111 <134 f.>).

15

Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang offen gelassen, ob diese Grundsätze für das kommunale Wahlprüfungsverfahren übernommen werden müssen; besonders bei der Direktwahl des Bürgermeisters komme dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes der durchgeführten Wahl eine andere - geringere - Bedeutung zu als bei der Wahl der Gemeindevertretung (Urteil vom 8. April 2003 a.a.O. S. 104 f.). Auch der vorliegende Rechtsstreit nötigt nicht zu einer abschließenden Stellungnahme. Selbst wenn die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht für die Wahlprüfung bei Landtagen aufgestellt hat, auf die Wahlprüfung bei Gemeindevertretungen zu übertragen sind, so ist der Regelungsspielraum, den das Bundesverfassungsrecht dem Landesgesetzgeber lässt, hier doch keinesfalls geringer als bei Landtagswahlen. Auch hier muss der Eingriff in die Zusammensetzung der gewählten Gemeindevertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung mithin vor dem Bestandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden, das seine rechtliche Grundlage im Demokratiegebot findet; je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den der Eingriff gestützt wird (vgl. Urteil vom 8. April 2003 a.a.O. S. 105). Weitergehende Anforderungen lassen sich dem Bundesverfassungsrecht nicht entnehmen. Namentlich lässt sich ihm nicht entnehmen, dass eine Gemeinderatswahl erst dann für ungültig erklärt werden dürfte, wenn ein erheblicher Wahlfehler von solchem Gewicht vorliegt, dass ein Fortbestand der in dieser Weise gewählten Vertretung unerträglich erschiene. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Rechtssatz im Wege der Auslegung lediglich dem hessischen Landesverfassungsrecht, nämlich Art. 78 Abs. 2 HV entnommen (Urteil vom 8. Februar 2001 a.a.O. S. 133, 134 unter 1.), nicht jedoch dem Bundesverfassungsrecht (ebd. S. 134 ff. unter 2.).

16

Das Berufungsgericht hat sich von den vorstehenden Grundsätzen leiten lassen. Es ist fraglos davon ausgegangen, dass die von ihm festgestellte Unregelmäßigkeit wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der unmittelbar bevorstehenden Wahl und wegen der besonderen Relevanz von Haushaltsfragen im Wahlkampf für die Willensbildung der Wähler von gravierender, wenn nicht gar herausragender Bedeutung war. Insofern hat es sich von der Überzeugung leiten lassen, dass nicht jede derartige Unregelmäßigkeit eine Ungültigerklärung der Wahl rechtfertigen kann, sondern nur eine von hinlänglichem Gewicht. Die Kläger zeigen nicht auf, inwiefern diese Grundsätze aus Anlass des vorliegenden Falles einer Überprüfung oder weitergehenden Klärung bedürften.

17

3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor. Die Kläger meinen, das Berufungsgericht habe bei seiner Überzeugungsbildung weder die Ergebnisse der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme noch das Ergebnis der wiederholten Bürgermeisterwahl berücksichtigt und seine Entscheidung damit entgegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen. Dieser Vortrag lässt einen Verfahrensmangel nicht erkennen.

18

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es gehört hiernach zur Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien Beweiswürdigung seine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Dem hat es das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Wie es seine Überzeugung bildet, wie es also die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise würdigt, unterliegt seiner "Freiheit". Die Einhaltung der daraus entstehenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigen oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Die "Freiheit" des Gerichts ist erst dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen; diese Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 17. Mai 2011 - BVerwG 8 B 88.10 - juris und vom 28. März 2012 - BVerwG 8 B 76.11 - m.w.N.).

19

Dass das Berufungsgericht Schlüsse gezogen habe, die gegen die Denkgesetze verstoßen, behaupten die Kläger nicht; es ist auch nicht ersichtlich. Ebenso wenig aber ergibt sich aus ihrem Beschwerdevorbringen ein Anhaltspunkt für die Annahme, das Berufungsgericht habe Akteninhalt, der nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Umstände betrifft, übergangen oder umgekehrt aktenwidrige Tatsachen angenommen.

20

Bei seiner Sachwürdigung, der damalige Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin der Beklagten hätten bei ihren amtlichen Äußerungen vom 24. bzw. 26. August 2009 objektiv unrichtige Angaben gemacht, die zudem im Widerspruch zu ihrem bereits gefassten Entschluss gestanden hätten, unmittelbar nach der Wahl eine Haushaltssperre zu verhängen, hat das Berufungsgericht durchaus das Ergebnis der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme berücksichtigt (vgl. UA S. 11, 23 ff.). Dabei ist es auch auf die von den Klägern in den Vordergrund gerückten Prognoseungenauigkeiten eingegangen und hat betont, dass es den Zeugen unbenommen gewesen wäre, das vorzulegende Datenmaterial zu kommentieren und auf entsprechende Unsicherheiten hinzuweisen (UA S. 24). Damit ist das Berufungsgericht der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt, das eine Verletzung der von ihm angenommenen Wahrheitspflicht auskunftspflichtiger Amtswalter erst dann annehmen wollte, wenn die erteilte Auskunft auch bei Berücksichtigung bestehender Prognoseungenauigkeiten keinesfalls mehr als vertretbar erscheine; es hat dem die Auffassung entgegengestellt, die Wahrheitspflicht gebiete, dass der Amtswalter auf bestehende Prognoseungenauigkeiten als solche hinweise. Die Kläger wenden sich im Gewande einer Verfahrensrüge eigentlich gegen die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung. Damit aber kann eine Verfahrensrüge nicht begründet werden.

21

Ebenso wenig hat das Berufungsgericht bei seiner Annahme, der von ihm angenommene Wahlfehler sei für das Wahlergebnis erheblich gewesen, aktenwidrig Tatsachen übergangen oder angenommen. Es hat ausführlich dargelegt, weshalb es zu der Überzeugung gelangt ist, dass bei voller Kenntnis der Haushaltslage der Stadt die Wahlteilnahme und die Wahlentscheidung einer nicht bestimmbaren Zahl von Wählern möglicherweise anders ausgefallen wäre und dass dies jedenfalls auf die Sitzzuteilung aus der Reserveliste möglicherweise von Einfluss gewesen wäre (UA S. 26 ff.). Inwiefern dies auf aktenwidrigen Annahmen beruht, legen die Kläger nicht dar. Ebenso wenig machen sie deutlich, inwiefern sich die Sachwürdigung des Berufungsgerichts bei Berücksichtigung ihres Hinweises, dass der Kandidat ihrer Partei bei der bereits aus demselben Grund wiederholten Oberbürgermeisterwahl erneut gewählt wurde, hätte verbieten sollen. Der Bürgermeister wird durch Mehrheitswahl gewählt. Dem ließe sich bei der Wahl des Stadtrats allenfalls die Wahl der Direktbewerber in den Wahlkreisen vergleichen. Das Berufungsgericht hat seine Annahme, dass der festgestellte Wahlfehler mandatsrelevant sei, aber ausdrücklich auf die Sitzzuteilung aus den Reservelisten gestützt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.