Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 24. März 2015 - 3 A 112/14

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2015:0324.3A112.14.0A
bei uns veröffentlicht am24.03.2015

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin, somalische Staatsangehörige, verließ im Jahre 2011 ihr Heimatland und gelangte über Kenia im Juli 2012 nach Italien, wo sie am 11. Juli 2012 Asyl beantragte. In Italien wurde ihr der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Sie hielt sich bis Mai 2013 in Italien auf und gelangte sodann nach Dänemark, wo sie sich bis Januar 2014 aufhielt. Im Februar 2014 gelangte die Klägerin in die Bundesrepublik und stellte hier am 13. Februar 2014 einen Asylantrag.

2

Am 14. Februar 2014 wurde sie beim Bundesamt in Neumünster persönlich angehört. Sie gab an, dass die Lebensumstände in Italien schwierig seien und sie daher nicht dorthin zurückkehren wolle. Sie habe dort nicht genug zu essen bekommen. Sie habe auch keine Unterkunft besessen, außerdem habe sie einen Konflikt mit einem früheren Ehemann gehabt. Dieser befinde sich ebenfalls in Italien, was zu Verwerfungen führen könne. Wenn man in Italien die Papiere ausgehändigt bekomme, werde man aus der Erstaufnahmeeinrichtung hinausgelassen und praktisch auf die Straße geworfen. Sie habe ihre Heimat Somalia verlassen, da sie dort mit einem Führer der Al Shabaab zwangsverheiratet habe werden sollen. Dies habe im Jahre 2010 angefangen und im Jahre 2011 habe sie dann beschlossen, die Gegend zu verlassen.

3

Am 12.03.2014 bat die Beklagte Italien im Rahmen der Dublin III-Verordnung um die Übernahme des Asylverfahrens.

4

Am 04.06.2014 (Bl. 60 der Beiakte A) teilte Italien mit, dass der Klägerin in Italien der subsidiäre Schutzstatus gewährt und das Asylverfahren abgeschlossen worden sei. Aus diesem Grund müsse die Überstellung der Klägerin im Rahmen von polizeilichen Vereinbarungen vorgenommen werden.

5

Mit Bescheid vom 11.06.2014 stellte die Beklagte fest, dass der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht. Zugleich wurde die Abschiebung nach Italien angeordnet.

6

Gegen den am 13.06.2014 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 19.06.2014 Klage erhoben.

7

Sie macht geltend, dass in der Region, in der sie gelebt habe, die Al Shabaab-Milizen regiert und die Bevölkerung terrorisiert hätten. Ein Schutz der Bevölkerung durch Polizei oder sonstige Stellen sei nicht gegeben gewesen. Die Klägerin sei gezwungen gewesen, eine Burka zu tragen und habe einen Führer der Al Shabaab-Milizen heiraten sollen, wozu sie jedoch nicht bereit gewesen sei. Aus diesem Grund habe sie das Land verlassen. Die Klägerin wisse nichts von einem Asylverfahren in Italien, da das Asylverfahren in Italien alles andere als rechtsstaatlichen Erfordernissen genüge. Unabhängig davon komme eine Abschiebung nach Italien aufgrund erheblicher systemischer Mängel nicht in Betracht. Die Klägerin sei in Italien in einer überwachten Containersiedlung untergebracht worden. Dort hätten sich mehrere Container in einer Siedlung befunden, in der jeweils elf Personen in einem Container hätten leben müssen. Die bewachte Siedlung habe nicht verlassen werden dürfen, lediglich kurzfristig sei den Bewohnern wechselseitig ein Verlassen der Containersiedlung erlaubt worden. Im Endeffekt habe es sich hier um eine Kasernierung der Asylsuchenden gehandelt. Die Verpflegung sei unzureichend gewesen, ebenso wie die hygienischen Zustände. Auch ihr damaliger Ehemann Herr XXX sei ihr gegenüber gewalttätig gewesen. Bei einer Rückkehr nach Italien drohten ihr ebenfalls schlimmste Misshandlungen seinerseits. Eine Abschiebung nach Italien sei unzulässig, da Italien nicht die Gewähr dafür biete, ein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchzuführen bzw. Personen, denen subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei, einen Mindeststandard an Humanität zu gewährleisten.

8

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weiter ausgeführt, dass Zweifel daran bestünden, dass ihr in Italien der subjektive Schutzstatus gewährt worden sei. Allein die Mitteilung Italiens sei hierfür nicht ausreichend. Dies führe jedoch dazu, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die erfolgte Anhörung konkludent von ihrem Selbsteintrittsrecht nach der Dublin III-Verordnung Gebrauch gemacht habe.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Bescheid der Beklagten vom 11.06.2013 aufzuheben.

11

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie verweist auf den in dieser Sache ergangenen Ablehnungsbescheid.

14

Die Kammer hat den Rechtsstreit gemäß § 76 AsylVfG auf den Einzelrichter übertragen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist unbegründet. Der Bescheid vom 11.06.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

17

Rechtsgrundlage für Ziffer 1 des Bescheides, mit der festgestellt wurde, dass der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, ist §§ 26a, 31 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG. Nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat iSd Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt (§ 26a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Norwegen und die Schweiz (§ 26a Abs. 2 AsylVfG). Wird der Asylantrag nur nach § 26a abgelehnt, ist nur festzustellen, dass dem Ausländer auf Grund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht (§ 31 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG).

18

Die Klägerin ist von Italien aus - einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ausnahmen i.S.v. § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG liegen nicht vor.

19

In Italien ist der Klägerin zudem der internationale Schutzstatus nach Kap. 6 der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zuerkannt worden. Dies folgt aus der Mitteilung des italienischen Innenministeriums vom 04.06.2014 (Bl. 60 Beiakte A). Die Mitteilung des italienischen Innenministeriums enthält ein Aktenzeichen, den vollständigen Namen der Klägerin, ihr Geburtsdatum und ihre Nationalität. An der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus in Italien bestehen auch deshalb keine Zweifel, weil die Klägerin selbst im Rahmen des persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 13.02.2014 in Neumünster (Bl. 16 ff. Beiakte A) angegeben hat, dass ihr in Italien ein dreijähriger Aufenthaltstitel zuerkannt worden ist.

20

Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus in Italien hat sogleich zur Folge, dass die Dublin III-Verordnung keine Anwendung findet. Die Dublin III-Verordnung umfasst keine Anträge, über die von einem Mitgliedstaat bereits entschieden worden ist. Dies folgt u.a. aus Art. 18 Abs. 1a, b Dublin III-Verordnung, wonach sich die Aufnahmeverpflichtung nach Art. 29 Dublin III-Verordnung nur auf Antragsteller erstreckt. „Antragsteller“ sind Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, über den noch nicht endgültig entschieden wurde (Art. 2c Dublin III- Verordnung). Ein Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland auf Grundlage von Art. 17 Dublin III-Verordnung kommt deshalb von vornherein nicht in Betracht.

21

Die Einreise aus einem sicheren Drittstaat hat darüber hinaus zur Folge, dass sich die Klägerin nicht auf § 3 AsylVfG (Flüchtlingszuerkennung), § 4 AsylVfG (subsidiärer Schutz) sowie die nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen kann (vgl. Schaeffer, in: Hailbronner, AuslR, Stand: 88. Lieferung Oktober 2014, §31 AsylVfG Rnr. 70; BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938, 2 BvR 2315/93 -, NVwZ 1996, 700, 704).

22

Folgerichtig hat die Beklagte in Ziff. 1 des Bescheides vom 11.06.2014 nach § 31 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG lediglich festgestellt, dass der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht.

23

Der auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützten Abschiebungsanordnung nach Italien (Ziffer 2 des Bescheides vom 11.06.2014) können vorliegend nicht die Bedingungen in Italien entgegengehalten werden, d.h. auch die Abschiebungsanordnung erweist sich als rechtmäßig. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung an, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

24

Der Regelungsgehalt des Art. 16a Abs. 2 GG, wonach sich auf das Asylrecht nicht berufen kann, wer aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist, folgt aus dem mit dieser Verfassungsform verfolgten Konzept einer normativen Vergewisserung über die Sicherheit im Drittstaat. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung. Andere Staaten können durch den Gesetzgeber aufgrund der Feststellung, dass in ihnen die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention sichergestellt ist, zu sicheren Drittstaaten bestimmt werden (Art. 16a Abs. 2 Satz 2 GG). Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt; damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Insoweit ist die Sicherheit des Flüchtlings im Drittstaat generell festgestellt (BVerfG, NVwZ 1996, 700, 704 f.).

25

Die Bundesrepublik Deutschland hat allerdings Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst herausgesetzt sind. So kann sich ein Ausländer gegenüber einer Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat auf ein Abschiebungshindernis berufen, wenn ihm dort die Todesstrafe drohen sollte. Weiterhin kann er eine Abschiebung in den Drittstaat ein Abschiebungshindernis entgegengehalten, wenn er eine erhebliche konkrete Gefahr dafür aufzeigt, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zurückweisung oder Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens werde, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaats steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, dass sich die für die Qualifizierung als solcher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird. Schließlich kann sich - im seltenen Ausnahmefall - aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zu Tage tretenden Umständen ergeben, dass der Drittstaat sich - etwa aus Gründen besonderer politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - von seinem mit dem Beitritt zu den beiden Konventionen eingegangenen und von ihm generell auch eingehaltenen Verpflichtungen löst und einem bestimmten Ausländer Schutz dadurch verweigert, dass er sich seiner ohne jede Prüfung des Schutzgesuches entledigen wird. Eine Prüfung, ob der Zurückweisung oder sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer freilich nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der soeben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG, NVwZ 1996, 700, 705 f.).

26

Ohne Erfolg äußert die Klägerin die Befürchtung, dass sie in Italien ihrem früheren Ehemann begegnen könne, der gewalttätig sei. Eine konkrete Gefahrenlage, der die Klägerin nicht ausweichen könnte, ist in diesem Zusammenhang nicht in nachvollziehbarer Weise dargelegt worden. Im Übrigen ist die Klägerin darauf zu verweisen, notfalls die Hilfe der italienischen Behörden in Anspruch zu nehmen, wenn sie Übergriffe von Familienangehörigen zu befürchten haben sollte.

27

Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass bei Rückkehr der Klägerin nach Italien eine Aufnahmesituation vorliegt, in der Italien gegenüber der Klägerin gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK verstößt.

28

Hierbei gilt es zunächst zu beachten, dass die Klägerin in Italien bereits internationalen Schutz erlangt hat, so dass sie dort nicht mehr den Status eines Asylbewerbers hat, sondern den Status eines aufgenommenen Ausländers mit einer Aufenthaltserlaubnis. Ob die Qualität des dortigen Asylverfahrens und die Lebensbedingungen während des Asylverfahrens den Anforderungen der Aufnahmerichtlinie (2013/33/EU) entsprechen, kann deshalb dahinstehen. Die europarechtlichen Verpflichtungen bezüglich von Ausländern mit einem internationalen Schutzstatus beurteilen sich vielmehr nach Kap. 7 der Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU). Nach Kap. 7 der Qualifikationsrichtlinie haben subsidiären Schutzberechtigte Zugang zur Beschäftigung (Art. 26), zur Bildung (Art. 27), zur medizinischen Versorgung (Art. 30), zu Sozialhilfeleistungen in dem Umfang wie sie auch Staatsangehörige dieses Mitgliedstaates erhalten (Art. 29), und zu Wohnraum zu den Bedingungen, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten (Art. 32).

29

Im Übrigen hat die Kammer die bekannten Probleme bei der Flüchtlingsaufnahme in Italien bisher nicht als so gravierend bewertet, dass ein systemischer Mangel anzunehmen ist, der es als unvertretbar erscheinen lässt, das europäische Zuständigkeitssystem im Asylbereich tatsächlich anzuwenden, weil anderenfalls ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-Grundrechtecharta gegeben wäre. Das Gericht hält auch für den vorliegenden Fall (Unterbringung von subsidiären Schutzberechtigten in Italien) hieran fest, und zwar auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 17.09.2014 - 2 BvR 1795/14 - und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 04.11.2014 - 29217/12 (Tarakhel/Schweiz) -.

30

Nach dem EGMR kann die aktuelle Lage in Italien keinesfalls mit der in Griechenland zurzeit des Urteils M.S.S./Bulgarien u. Griechenland (NVwZ 2011, 413) verglichen werden, wo ein Verstoß Griechenlands gegen das Folterverbot (Art. 3 EMRK) angenommen wurde. Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme in Italien verhindern nach dem EGMR gerade nicht jegliches Überstellen von Asylbewerbern in dieses Land. Die vorhandenen Tatsacheninformationen begründen aber ernstliche Zweifel an der derzeitigen Kapazität des Systems. Danach kann die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass eine erhebliche Zahl von Asylbewerbern keine Unterkunft findet oder in überbelegten Einrichtungen auf engstem Raum oder sogar in gesundheitsschädlichen oder gewalttätigen Verhältnissen untergebracht wird (EGMR, NVwZ 2015, 127, 131).

31

Nach dem EGMR muss die Behandlung durch einen Konventionsstaat jedoch ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um den Anwendungsbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Art. 3 EMRK kann insbesondere nicht so ausgelegt werden, dass er die Konventionsstaaten verpflichtet, allen in ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen das Recht auf eine Wohnung zu gewähren. Diese Vorschrift kann auch keine allgemeine Pflicht entnommen werden, Flüchtlinge finanziell zu unterstützen, damit sie einen gewissen Lebensstandard aufrechterhalten können (EGMR, NVwZ 2015, 127, 129). Der EGMR hat zwar festgestellt, dass ein flagrantes Missverhältnis zwischen der Zahl der 2013 gestellten Asylanträge (14.184 bis zum 15.06.2013) und den 9.630 Plätzen in SPRAR-Einrichtungen, die nach dem Vortrag der italienischen Regierung die Asylbewerber aufnehmen würden, existiert.

32

Der EGMR hat auch ausgeführt, dass die - besonders benachteiligte und verwundbare - Bevölkerungsgruppe der Asylbewerber besonderen Schutz nach dieser Vorschrift (Art. 3 EMRK) benötigt.

33

Aus den vorgenommenen Untersuchungen hat der EGMR jedoch lediglich den Schluss gezogen, dass die Aufnahmebedingungen für minderjährige Asylbewerber an ihr Alter angepasst sein müssen, um sicherzustellen, dass keine Situation von Anspannung und Angst mit besonders traumatisierenden Wirkungen für die Psyche der Kinder entsteht. Nur in diesem Fall wird die Schwere erreicht, die erforderlich ist, um unter das Verbot in Art. 3 EMRK zu fallen (EGMR, NVwZ 2015, 127, 131).

34

Auch das Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) verlangt aufgrund der derzeitigen Auskunftslage für Italien, dass bei der Abschiebung von Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaates sicherzustellen ist, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren für diese im besonderen Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

35

Vor diesem Hintergrund liegt ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK als Ausnahme vom Konzept der normativen Vergewisserung im Falle der Rückkehr der Klägerin nach Italien nicht vor. Die Klägerin ist keine Asylbewerberin. Sie ist knapp dreißig Jahre alt und könnte in Italien - anders als eine Asylbewerberin - etwa auch einer Beschäftigung nachgehen.

36

Auch im Übrigen bestehen keine Zweifel daran, dass die Abschiebung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nach Italien durchgeführt werden kann.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylVfG nicht erhoben.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


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(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige; die Beschwerdeführerin zu 1. ist die Mutter des am 26. März 2011 geborenen Beschwerdeführers zu 2. Sie reisten im Januar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten einen Asylantrag; zuvor hatte die Beschwerdeführerin zu 1. bereits in Italien einen Asylantrag gestellt, aufgrund dessen sie dort subsidiären Schutz zuerkannt bekam. Sie wenden sich gegen einen am 9. Juli 2014 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 8. Juli 2014, mit dem ihnen Eilrechtsschutz gegen die auf § 34a Abs. 1 Satz 1, § 26a AsylVfG gestützte Anordnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 16. Juni 2014 versagt wurde, sie in den sicheren Drittstaat Italien abzuschieben.

2

1. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag der Beschwerdeführer mit der Begründung ab, dass kein Ausnahmefall nach dem Konzept der normativen Vergewisserung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 ff.) gegeben sei, insbesondere weil anhand der in der jüngeren Rechtsprechung des EGMR (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) entwickelten Maßstäbe Mängel der Aufnahmesituation in Italien, die eine Aussetzung der Abschiebung in Anwendung von Art. 3 EMRK gebieten könnten, derzeit nach der Auskunftslage auch für die Gruppe der Inhaber eines Schutzstatus nicht erkennbar sei. Anders stelle sich die Lage nur bei alleinstehenden Elternteilen mit Kind dar, zu der die Beschwerdeführer aber deshalb nicht gehörten, weil auch der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin zu 1. aufgrund eines Beschlusses in seinem Eilverfahren mittlerweile vollziehbar nach Italien ausreisepflichtig sei.

3

2. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer am 11. August 2014, einem Montag, erhobenen Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

4

Sie befürchten unter Bezugnahme insbesondere auf einen Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu den Aufnahmebedingungen in Italien vom Oktober 2013, bei einer Rückkehr nach Italien wie die große Mehrheit der Schutzbedürftigen obdachlos zu werden und keinen Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Nahrungsmitteln zu erhalten. Schutzberechtigte seien einem sehr hohen Risiko der Verelendung ausgesetzt; ihre Situation sei wesentlich prekärer als die eines Asylsuchenden, der sich noch im Verfahren befinde. Verletzungen ihrer Grundrechte aus Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, welche die Beschwerdeführer in Folge einer Abschiebung nach Italien erlitten, müsse sich die Bundesrepublik Deutschland zurechnen lassen. In den geschilderten Zuständen in Italien liege eine Verletzung sowohl der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG als auch eine Gefahr für ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).

II.

5

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, und die Annahme ist nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>); sie ist unzulässig (dazu 1.). Hiervon unabhängig besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass die mit der Rückführung befassten deutschen Behörden in dem vorliegenden Einzelfall geeignete Vorkehrungen zum Schutz des Beschwerdeführers zu 2. zu treffen haben (dazu 2.).

6

1. Die Beschwerdeführer zeigen schon die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf (vgl. zu diesem Erfordernis nur BVerfGE 108, 370 <386 f.>). Sie setzen sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 94, 49 <95 ff.>) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR , Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgien und Griechenland, Nr. 30696/09, NVwZ 2011, S. 413; Beschluss vom 2. April 2013, Mohammed Hussein u.a. v. Niederlande und Italien, Nr. 27725/10, ZAR 2013, S. 336) nicht auseinander, die der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegt.

7

Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG aufgrund einer drohenden Obdachlosigkeit bei einer Abschiebung geltend machen, legen sie im Übrigen auch nicht hinreichend substantiiert dar, dass sie in Italien mit Obdachlosigkeit zu rechnen haben und dem Beschwerdeführer zu 2. als Folge der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Gesundheitsgefahren drohen. Es bedarf daher keiner Klärung, ob dahingehende systemische Mängel des italienischen Aufnahmesystems bestehen und ob solche strukturelle Defizite in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union einen im Konzept der normativen Vergewisserung nicht aufgefangenen Sonderfall darstellen können (vgl. dazu nur Moll/Pohl, ZAR 2012, S. 102 <104 ff.>; zu den Darlegungslasten für die Begründung eines solchen Sonderfalles vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Hierbei wäre ohnehin zu berücksichtigen, dass etwaige mit der Überforderung des Asylsystems eines Mitgliedstaats der Europäischen Union verbundene transnationale Probleme vornehmlich auf der Ebene der Europäischen Union zu bewältigen sind (vgl. BVerfGE 128, 224 <226>).

8

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann es allerdings - unbeschadet der Prüfung, ob einer Zurückweisung oder Rückverbringung eines Ausländers in einen sicheren Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen - in Einzelfällen geboten sein, dass die deutschen Behörden vor einer solchen mit den im Zielstaat zuständigen Behörden Kontakt aufnehmen, den Sachverhalt klären und gegebenenfalls zum Schutz des Ausländers Vorkehrungen treffen (vgl. BVerfGE 94, 49 <100>). Insbesondere besteht eine Verpflichtung der mit dem Vollzug einer Abschiebung betrauten Stelle, von Amts wegen aus dem Gesundheitszustand eines Ausländers folgende tatsächliche Abschiebungshindernisse in jedem Stadium der Durchführung der Abschiebung zu beachten; diese Stelle hat gegebenenfalls durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung (Duldung) oder durch entsprechende tatsächliche Gestaltung derselben die notwendigen Vorkehrungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241 <242>).

9

a) Nach der - von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden - jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ist es im Rahmen des Verfahrens auf Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG mit Blick auf den Wortlaut dieser Vorschrift Aufgabe allein des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu prüfen, ob "feststeht", dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das Bundesamt hat damit sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. November 2004 - 2 M 299/04, juris; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Mai 2011 - A 11 S 1523/11 -, InfAuslR 2011, S. 310, dort <311> auch m.w.N. zur a.A.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 4. Juli 2012 - 2 LB 163/10 -, InfAuslR 2012, S. 383; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 - OVG 2 S 6.12 -, juris; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris; zuletzt VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris).

10

Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060/11 -, juris, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 10 CE 14.427 -, juris, Rn. 4; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 25. April 2014 - 2 B 215/14 -, juris, Rn. 7; VG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Mai 2014 - A 9 K 3615/13 -, juris, Rn. 4).

11

b) Ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unter anderem dann gegeben, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Ausländers durch die Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtert, und wenn diese Gefahr nicht durch bestimmte Vorkehrungen ausgeschlossen oder gemindert werden kann. Diese Voraussetzungen können nicht nur erfüllt sein, wenn und solange der Ausländer ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht transportfähig ist (Reiseunfähigkeit im engeren Sinn), sondern auch, wenn die Abschiebung als solche - außerhalb des Transportvorgangs - eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt (Reiseunfähigkeit im weiteren Sinn). Das dabei in den Blick zu nehmende Geschehen beginnt regelmäßig bereits mit der Mitteilung einer beabsichtigten Abschiebung gegenüber dem Ausländer. Besondere Bedeutung kommt sodann denjenigen Verfahrensabschnitten zu, in denen der Ausländer dem tatsächlichen Zugriff und damit auch der Obhut staatlicher deutscher Stellen unterliegt. Hierzu gehören das Aufsuchen und Abholen in der Wohnung, das Verbringen zum Abschiebeort sowie eine etwaige Abschiebungshaft ebenso wie der Zeitraum nach Ankunft am Zielort bis zur Übergabe des Ausländers an die Behörden des Zielstaats. In dem genannten Zeitraum haben die zuständigen deutschen Behörden von Amts wegen in jedem Stadium der Abschiebung etwaige Gesundheitsgefahren zu beachten. Diese Gefahren müssen sie entweder durch ein (vorübergehendes) Absehen von der Abschiebung mittels einer Duldung oder aber durch eine entsprechende tatsächliche Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens mittels der notwendigen Vorkehrungen abwehren (vgl. zum Ganzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. Februar 2008 - 11 S 2439/07 -, InfAuslR 2008, S. 213 <214> unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Februar 1998 - 2 BvR 185/98 -, InfAuslR 1998, S. 241).

12

Die der zuständigen Behörde obliegende Pflicht, gegebenenfalls durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, kann es in Einzelfällen gebieten, dass erforderliche Hilfen rechtzeitig nach der Ankunft im Zielstaat zur Verfügung stehen, wobei der Ausländer regelmäßig auf den dort allgemein üblichen Standard zu verweisen ist (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Juni 2011 - 2 M 38/11 -, InfAuslR 2011, S. 390 <392>).

13

c) So liegt es auch im vorliegenden Fall. Bei Rückführungen in sichere Drittstaaten können hiervon betroffene Ausländer - anders als bei der Rückführung in ihr Heimatland - regelmäßig weder auf verwandtschaftliche Hilfe noch auf ein soziales Netzwerk bei der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit unmittelbar nach ihrer Rückkehr zurückgreifen. Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.

14

Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen allgemein besonders zu beachtenden Gesichtspunkte der Familieneinheit und des Kindeswohls (vgl. etwa Erwägungsgrund 22 und Art. 14 Abs. 1 a) und d) der Richtlinie 2008/115/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger - Rückführungsrichtlinie) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit Neugeborenen und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen.

15

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

16

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.