Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 29. Nov. 2010 - 12 B 102/10
Tenor
Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Landgericht … verwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Gründe
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Der Rechtsstreit ist gem. § 17 a Abs. 2 S. 1 GVG iVm § 173 VwGO an das Landgericht … zu verweisen, da der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nach § 40 Abs. 1 VwGO nicht eröffnet ist.
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Nach der Bestimmung des § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art gegeben. Bei der Unterscheidung, ob eine bürgerlich-rechtliche oder eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, ist auf die wirkliche Natur des geltend gemachten Anspruchs abzustellen (BVerwG, Beschluss vom 02. Mai 2007 - 6 B 10/07 - juris).
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Danach ist hier der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch basiert auf § 70 GewO; denn bei dem in Rede stehenden Weihnachtsmarkt handelt es sich um eine nach § 69 GewO festgesetzte Veranstaltung (vgl. den Festsetzungsbescheid vom 12. November 2010). Aus der Vorschrift des § 70 GewO folgt allerdings nicht zwingend, dass die Rechtsnatur des Zulassungsanspruchs öffentlich-rechtlich ist, weil es sich bei der vorgenannten Bestimmung um eine öffentlich-rechtliche Sondernorm handeln soll, bei der es eines Rückgriffs auf die rechtliche Qualität der Teilnahmebestimmungen nicht bedarf (vgl. OLG B-Stadt, Beschluss vom 06. Dezember 2006 - 11 W (Kart) 52/06 - juris; Schönleiter, in: Landmann-Rohmer, Gewerbeordnung, § 70 Rdnr. 27). § 70 Abs. 1 GewO, der zwischen dem Veranstalter und dem Teilnehmer nicht zwingend ein Subordinationsverhältnis begründet, schreibt nicht vor, dass die Zulassung ausschließlich in den Formen des öffentlichen Rechts erteilt werden darf. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass die Zulassung nur in den Formen des öffentlichen Rechts erteilt werden darf, existiert nicht. Die Vorschrift richtet sich sowohl an öffentlich-rechtliche als auch private Veranstalter der in den §§ 64 ff. GewO genannten Messen. Zuordnungsobjekt dieser Vorschrift ist daher nicht notwendig ein Träger hoheitlicher Gewalt. Die Beurteilung der Rechtsnatur des Anspruchs muss sich daher aus dem Zusammenhang ergeben, in dem er im Einzelfall steht. Bei dieser Bewertung spielen insbesondere die Teilnahmebestimmungen und die Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Veranstalter und Teilnehmer eine Rolle. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn es sich um eine vom Staat gegründete und/oder beherrschte Einrichtung handelt und der Staat durch sie Leistungen für die Bürger erbringt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06. März 1990 - 7 B 120/89 -, juris mwN). Wenn sich der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben privatrechtlicher Gestaltungsformen bedient, wird die Privatrechtsordnung lediglich in einzelnen Punkten durch öffentlich-rechtliche Bindungen ergänzt, modifiziert oder überlagert, ohne dass darum das Verwaltungshandeln selbst dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre; infolgedessen haben über derartige öffentlich-rechtliche Bindungen des privatrechtlichen Verwaltungshandelns die ordentlichen Gerichte im Rahmen ihrer Zuständigkeit nach § 13 GVG mit zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 06. März 1990, aaO, mwN). Vorliegend hat die … die Organisation und Durchführung des städtischen Weihnachtsmarktes 2010 zulässigerweise auf die A-Stadt und … GmbH ( … ), eine juristische Person des Privatrechts, übertragen. Diese schließt mit den Bewerbern privatrechtliche Verträge ab, die sämtliche Regelungen bezüglich ihrer Teilnahme enthalten. Da diesen privatrechtlichen Verträgen, weil nicht erforderlich, weder ein ausdrücklicher noch ein konkludenter Zulassungsverwaltungsakt vorausgeht, kann das Rechtsverhältnis auch nur ein privatrechtliches sein.
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Nach Auffassung der Kammer ist die sogenannte Zwei-Stufen-Theorie vorliegend nicht einschlägig. Diese besagt, dass die Entscheidung über das „Ob“ der Zulassung stets in den Formen des öffentlichen Rechts zu erfolgen hat, während die Entscheidung über das „Wie“ der Teilnahme, nämlich der weiteren Regelungen über die Teilnahme an einer festgesetzten Veranstaltung, in den Formen des Privatrechts erfolgen kann. Die Zwei-Stufen-Theorie hält die Kammer nur dann zur rechtlichen Bewertung eines Vorganges für anwendbar, wenn dieser durch die Mehrphasigkeit der Aufgabenwahrnehmung gekennzeichnet ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn das „Ob“ einer öffentlichen Leistung (z. B. Gewährung einer Subvention) durch Verwaltungsakt erfolgt, während die Abwicklung, das „Wie“ mittels eines privatrechtlichen Vertrages durchgeführt wird. Das vorliegende Zulassungsverfahren ist aber seiner Struktur nach gerade nicht zweistufig; vielmehr erfolgt die Entscheidung über die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern unmittelbar durch den Abschluss privatrechtlicher Verträge. Die Antragsgegnerin trifft - wie bereits ausgeführt - vorab gerade keine Zulassungsentscheidungen in Form von Verwaltungsakten. Insoweit fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für eine „erste Stufe“ auf der eine - nach öffentlichem Recht zu beurteilende - selbstständige Zulassungsentscheidung fallen könnte. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass, wenn ein Hoheitsträger eine festgesetzte Veranstaltung zur Erledigung einer Verwaltungsaufgabe an eine Körperschaft des Privatrechts (hier: ) überträgt und diese auch die Zulassungen zu einem Markt in den Formen des Privatrechts erteilt, das Rechtsverhältnis, das den Zulassungsanspruch nach § 70 Abs. 1 GewO begründet, insgesamt privatrechtlich ausgestaltet ist. Der Antragsteller müsste demnach auf zivilrechtlichem Wege gegen die vorgehen. Berechtigte Interessen des Antragstellers stehen dieser Auffassung nicht entgegen. Denn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und der Verwaltungsrechtsweg sind, wie sich schon aus der Auffangzuständigkeit der ordentlichen Gerichte nach Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG ergibt, unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes prinzipiell gleichwertig (BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 7 B 30/90 - juris im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 06. März 1990, aaO).
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Auch bezüglich des Hilfsantrages ist eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nicht gegeben. Dies folgt daraus, dass, wenn bei mehrfacher Begründung des einen Anspruchs der ordentliche Rechtsweg hinsichtlich eines der Anträge zulässig und nur hinsichtlich eines weiteren Antrages unzulässig wäre, eine Zuständigkeit des für den weiteren Anspruch (hier mit dem Hilfsantrag geltend gemacht) zuständige Gericht nicht statthaft ist (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1988 - III ZR 23/88 - juris m.w.N; BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 1992 - 5B 144/91 - juris ). Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht auch deshalb an einer Entscheidung (nur) über den hilfsweise gestellten Antrag des Antragstellers gehindert, weil dieser von der Entscheidung über den Hauptantrag abhängig ist und dies gerade - wie die vorstehenden Ausführungen zeigen - der Kammer verwehrt ist.
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Da nach alledem der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht gegeben ist, kann die Kammer auch das vorliegende Eilverfahren nach § 17 a Abs. 2 S. 1 GVG an das zuständige Landgericht … verweisen; denn die §§ 17 ff. GVG sind auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren analog anwendbar (VGH Mannheim, Beschluss vom 19. November 2007 - 13 S 2355/07 -juris; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 41 Rdnr. 2 a mwN auch zur Gegenmeinung).
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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.
(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.
(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.
(1) Jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört, ist nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt.
(2) Der Veranstalter kann, wenn es für die Erreichung des Veranstaltungszwecks erforderlich ist, die Veranstaltung auf bestimmte Ausstellergruppen, Anbietergruppen und Besuchergruppen beschränken, soweit dadurch gleichartige Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandelt werden.
(3) Der Veranstalter kann aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen.
(1) Die zuständige Behörde hat auf Antrag des Veranstalters eine Veranstaltung, die die Voraussetzungen der §§ 64, 65, 66, 67 oder 68 erfüllt, nach Gegenstand, Zeit, Öffnungszeiten und Platz für jeden Fall der Durchführung festzusetzen. Auf Antrag können, sofern Gründe des öffentlichen Interesses nicht entgegenstehen, Volksfeste, Großmärkte, Wochenmärkte, Spezialmärkte und Jahrmärkte für einen längeren Zeitraum oder auf Dauer, Messen und Ausstellungen für die innerhalb von zwei Jahren vorgesehenen Veranstaltungen festgesetzt werden.
(2) Die Festsetzung eines Wochenmarktes, eines Jahrmarktes oder eines Spezialmarktes verpflichtet den Veranstalter zur Durchführung der Veranstaltung.
(3) Wird eine festgesetzte Messe oder Ausstellung oder ein festgesetzter Großmarkt nicht oder nicht mehr durchgeführt, so hat der Veranstalter dies der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen.
(1) Jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört, ist nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt.
(2) Der Veranstalter kann, wenn es für die Erreichung des Veranstaltungszwecks erforderlich ist, die Veranstaltung auf bestimmte Ausstellergruppen, Anbietergruppen und Besuchergruppen beschränken, soweit dadurch gleichartige Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandelt werden.
(3) Der Veranstalter kann aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen.
Vor die ordentlichen Gerichte gehören die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zivilsachen) sowie die Strafsachen, für die nicht entweder die Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist oder auf Grund von Vorschriften des Bundesrechts besondere Gerichte bestellt oder zugelassen sind.
(1) Jedermann, der dem Teilnehmerkreis der festgesetzten Veranstaltung angehört, ist nach Maßgabe der für alle Veranstaltungsteilnehmer geltenden Bestimmungen zur Teilnahme an der Veranstaltung berechtigt.
(2) Der Veranstalter kann, wenn es für die Erreichung des Veranstaltungszwecks erforderlich ist, die Veranstaltung auf bestimmte Ausstellergruppen, Anbietergruppen und Besuchergruppen beschränken, soweit dadurch gleichartige Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandelt werden.
(3) Der Veranstalter kann aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. August 2007 - 16 K 4359/07 - abgeändert; der Antrag der Antragstellerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert für das erstinstanzliche und für das zweitinstanzliche Verfahren wird auf je 300,-- EUR festgesetzt; insofern wird der erstinstanzliche Beschluss von Amts wegen abgeändert.
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