Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Urteil, 01. Dez. 2016 - 1 A 24/14
Gericht
Tenor
Es wird festgestellt, dass die vorläufige Unterbringung der Klägerin durch die Beklagte vom 07.07.2012 rechtswidrig war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer einstweiligen Unterbringungsverfügung.
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Die 1981 geborene Klägerin stürzte bei einer Reitstunde am Abend des 06.07.2012 vom Pferd und wurde wegen auftretender Gedächtnislücken sowie Schmerzen im Becken-, Hüft- und Nierenbereich von ihrem Lebensgefährten und Prozessbevollmächtigten in diesem Verfahren in das … in A-Stadt gebracht. Von dort wurde sie am selben Abend mit einem Krankentransport in das Universitätsklinikum A-Stadt (UK...) gebracht und dort zunächst auf der neurochirurgischen Station aufgenommen. Es erfolgte noch am selben Tag eine Verlegung auf die Intensivstation der Anästhesiologie.
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Es wurden bei der Klägerin ein Schädel-Hirn-Trauma sowie Prellungen des Beckens und der Nieren diagnostiziert. Mittels Computertomographie (CT) wurde der Kopf der Klägerin mehrmals auf Hirnverletzungen untersucht. Laut Angaben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin habe das erste CT kleine schwarze Linien gezeigt, welche nach Äußerung des aufnehmenden Arztes Ungenauigkeiten in der Bildgebung oder leichte Einblutungen sein könnten. Ein weiteres CT um 3.00 Uhr habe ergeben, dass die Einblutungen, soweit sie beim ersten CT vorhanden gewesen seien, sich vollständig zurückgebildet hätten. Es habe festgestanden, dass die Klägerin am Folgemorgen entlassen werden könne oder im Falle einer Verschlechterung der Situation auf eine andere Station verlegt werden solle.
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Nach Angaben des Stationsarztes gegenüber der Richterin am Amtsgericht … im Unterbringungsverfahren – 300 XIV 1457 L – bestehe in Fällen eines Schädel-Hirn-Traumas eine Überwachungspflicht von 24 Stunden. Sofern die Klägerin innerhalb dieser Frist das Krankenhaus verlasse, um auf eine andere Station oder in ein anderes Krankenhaus zu kommen, bestehe Lebensgefahr, weil die Klägerin, sofern unterwegs etwas passiere, nicht sofort notfallmäßig und operativ versorgt werden könne. Bei der Klägerin habe eine Amnesie vorgelegen, so dass sie sich an den Reitunfall und auch einige aktuelle Dinge nicht erinnere.
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Am Morgen des 07.07.2012 wollte die Klägerin nach einer Auseinandersetzung mit dem Pflegepersonal ihrer Station sowie mit dem Stationsarzt zusammen mit ihrem Lebensgefährten eine Entlassung auf eigenen Wunsch herbeiführen. Als ihr dies verwehrt wurde, versuchte sie, sich bei einem Vorgesetzten des Stationspersonals zu beschweren und einen Wechsel des Krankenhauses oder zumindest der Station herbeizuführen. Nachdem sie niemanden angetroffen hatte, der ihre Beschwerde entgegennehmen und einen Stationswechsel veranlassen wollte, verließ die lediglich mit einem Kliniknachthemd bekleidete Klägerin mit ihrem Lebensgefährten das Klinikgebäude. Vor dem Gebäude trafen die Klägerin und ihr Lebensgefährte auf die beiden vom Stationspersonal herbeigerufenen Polizeibeamten … und …. Diese überredeten die Klägerin, zu einer Klärung der Angelegenheit noch einmal auf die Station zurückzukehren. Die Polizeibeamten erklärten der Klägerin, dass sie auf die Station zurückkehren müsse, da ihnen vom Stationspersonal mitgeteilt worden sei, dass für die Klägerin Lebensgefahr bestehe, wenn sie die Station verlasse. Auf der Station waren am Bett der Klägerin bereits Fixiergurte angebracht worden. Die Klägerin lehnte eine Fesselung energisch ab, weigerte sich, in das Bett zu gehen und wehrte sich gegen den Versuch, sie gewaltsam in das Bett zu legen. Sie wurde schließlich unter Zusammenwirken des Stationsarztes, eines Pflegers und der beiden Polizeibeamten unter Anwendung körperlicher Gewalt in das Bett gelegt und an den Armen, den Beinen und im Hüftbereich fixiert.
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Der Amtsarzt der Beklagten, Herr Dr. … (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie), gab in seinem Gedächtnisprotokoll vom 08.08.2012 an, am 07.07.2012 im Rahmen seines amtsärztlichen Dienstes in A-Stadt um 9.25 Uhr von der Leitstelle der Polizei gebeten worden zu sein, sich mit der Intensivstation der Anästhesiologie des UK... in Verbindung zu setzen. Bei seinem Anruf auf der Station habe ihm der diensthabende Arzt erklärt, dass sich eine Patientin am Vorabend bei einem Sturz vom Pferd ein Schädel-Hirn-Trauma zugezogen habe. Im MRT des Schädels sei eine Scherverletzung im Stammganglienbereich erkennbar. Nachblutungen seien grundsätzlich möglich. Daher sei eine 24-stündige stationäre Beobachtung zwingend indiziert. Die Patientin wolle jedoch nach Hause, auch gegen den ärztlichen Rat. Dabei sei sie verhaltensauffällig, sehr unruhig und versuche, die Station zu verlassen. Herr Dr. … habe dem diensthabenden Arzt der Station geraten, die Patientin gegebenenfalls zu fixieren, wenn dies in der Gesamtsituation notwendig werde. Er habe auf dem Weg zu der Klägerin vor der Station den Prozessbevollmächtigten der Klägerin getroffen, der ihm erklärt habe, die Klägerin habe eine Patientenverfügung sowie eine Vorsorgevollmacht, die er allerdings nicht bei sich habe.
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Herr Dr. … suchte die Klägerin in ihrem Zimmer auf. Laut Gedächtnisprotokoll habe er sie fixiert vorgefunden. Er habe ihr den medizinischen Sachverhalt und die Notwendigkeit einer 24-stündigen stationären Behandlung erklärt. Die Klägerin habe daraufhin nur gefragt, ob er sich nicht für ihre Würde interessiere. Daraufhin habe der Amtsarzt erneut den Sachverhalt erläutert. Erneut habe die Klägerin nur gefragt, warum er sich nicht für ihre Würde interessiere. Dabei sei die Klägerin bewusstseinsklar, aber sehr aufgeregt, angespannt und unruhig gewesen.
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Herr Dr. … erstellte ein Gutachten, in dem er Schädel-Hirn-Trauma sowie ein Durchgangssyndrom mit Erregungszuständen diagnostizierte. Er führte im einzelnen aus:
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„Es besteht akute Eigengefährdung. Fr… . erlitt gestern einen Sturz beim Reiten. Ein SHT wurde diagnostiziert. In der Bildgebung ist erkennbar ein Schertrauma im Stammganglienbereich. Eine stationäre Beobachtung ist unabdingbar. Dies lehnt Fr. … ab, versucht die Station zu verlassen. Polizei wird hinzugezogen. Fr. … wird fixiert. Frau ... ist sehr aufgeregt, ihre Würde sei verletzt. Fr. ... ist nicht einsichtig in die aktuelle medizinische Situation, als dass Komplikationen nach der o.g. Verletzung auftreten können, die auch lebensbedrohlich sein können mit dann sofortiger Operationsindikation.“
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Herr Dr. … ordnete die vorläufige Unterbringung der Klägerin, längstens bis zum 08.07.2012, 24.00 Uhr, auf der Intensivstation der Anästhesiologie des UK... A-Stadt an und beantragte gleichzeitig bei dem Amtsgericht A-Stadt einen Beschluss über die weitere Unterbringung der Klägerin in einer geeigneten Krankenanstalt.
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Mit Beschluss vom 07.07.2012 – 300 XIV 1457 L – ordnete das Amtsgericht A-Stadt die Unterbringung der Klägerin im geschlossenen Bereich eines Krankenhauses bis zum Ablauf des 08.07.2012 an. Gegen diesen Beschluss legte die Klägerin am 07.07.2012 Beschwerde ein. Im Beschwerdeverfahren beantragte die Klägerin zudem mit Schriftsatz vom 27.05.2013 die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorläufigen Unterbringung durch die Beklagte.
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Mit Beschluss des Landgerichts A-Stadt vom 16.09.2013 – 3 T 233/12 – wurde auf die Beschwerde der Klägerin festgestellt, dass sie durch den Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 07.07.2012 in ihren Rechten verletzt wurde. Dies wurde damit begründet, dass in dem Unterbringungsverfahren nicht der Notwendigkeit der Einholung eines Gutachtens durch einen Facharzt für Psychiatrie oder jedenfalls einen Arzt mit Erfahrung in der Psychiatrie genügt worden sei. Denn der hinzugezogene Stationsarzt, Herr …, sei Anästhesist und verfüge nach eigenen Angaben über keinerlei Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie.
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Mit Beschluss vom 30.10.2013 hat das Landgericht A-Stadt – 3 T 221/13 – den Rechtsstreit zum Verwaltungsgericht verwiesen.
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Die Klägerin trägt zur Begründung der Klage vor, dass es bereits an einer Ermächtigungsgrundlage für die vorläufige Unterbringung fehle. Die §§ 7 und 11 schleswig-holsteinisches Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG-SH) hätten nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention keinen Anwendungsbereich mehr, da diese Freiheitsentziehungen aufgrund von Behinderungen verbiete. Zudem stehe der gewählten landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage § 1906 BGB entgegen, wonach in Fällen wie dem vorliegenden zunächst ein Betreuer zu bestellen sei. Als Betreuer sei aufgrund der bestehenden Vorsorgevollmacht nur ihr Prozessbevollmächtigter in Frage gekommen. Die Unterbringung sei rechtswidrig gewesen, weil sie mit ihrer Weigerung, sich zwangsbehandeln zu lassen, verbunden gewesen sei. Aufgrund des schweren Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit scheide eine Unterbringung zur Zwangsbehandlung aus. Für eine Unterbringung nach dem PsychKG-SH fehle es an den Voraussetzungen. Sie sei voll ansprechbar und bei klaren Sinnen gewesen. Dass sie im Gespräch mit Herrn Dr. … nur von ihrer verletzten Menschenwürde gesprochen habe, sei auf ihre Empörung über die Fesselung zurückzuführen. Eine psychische Krankheit habe nicht vorgelegen. Schließlich sei auch keine Eilbedürftigkeit gegeben gewesen, da es möglich gewesen sei, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Anordnung durch die Beklagte sei nicht aufgrund eines ärztlichen Gutachtens ergangen. Es habe weder eine Untersuchung noch eine Anhörung durch Herrn Dr. … stattgefunden. Bei Feststellung einer psychischen Erkrankung, die die Einsichtsfähigkeit einschränke, habe ihr Prozessbevollmächtigter als Vorsorgebevollmächtigter hinzugezogen werden müssen. Es habe auch nicht die von der Beklagten in der vorläufigen Unterbringungsanordnung behauptete Lebensgefahr durch eine Hirnverletzung vorgelegen. Die Annahme einer Scherverletzung widerspreche bereits den Feststellungen des aufnehmenden Arztes bei der Aufnahmeuntersuchung im UK.... Auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei nicht gewahrt.
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Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass die vorläufige Unterbringung durch die Beklagte vom 07.07.2012 rechtswidrig gewesen ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Unterbringungsanordnung durch den Amtsarzt Dr. … das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 PsychKG maßgeblich sei. Für das Vorliegen einer Gefahr reiche eine Anscheinsgefahr aus. Die Fixierung habe Herr Dr. … nicht unmittelbar veranlasst. Jedoch habe er auf die telefonische Nachfrage des Stationsarztes, der ihm die Situation schilderte, diesem geraten, die Klägerin gegebenenfalls zu fixieren. Die Diagnose eines Durchgangssyndroms habe Herr Dr. … aufgrund der Reaktion und des Verhaltens der Klägerin aufstellen können, da diese sich geweigert habe in ärztlicher Beobachtung zu bleiben. Sie sei nicht in der Lage gewesen, den medizinischen Sachverhalt zu verstehen und die akute Lebensgefahr bei Verlassen der Klinik zu erkennen. An die Feststellung einer psychischen Krankheit könnten im Rahmen des § 11 PsychKG-SH nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden. Die Klägerin sei nicht mit milderen Mitteln zum Verbleib in der Klinik zu bewegen gewesen. Insbesondere seien weder von der Klägerin selbst noch von ihrem Lebensgefährten Alternativvorschläge ärztlicher Betreuung unterbreitet worden. Daher seien Unterbringung und Fixierung auch erforderlich gewesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
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Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
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Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S. des § 43 Abs. 1 VwGO ist gegeben. Unter einem solchen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (BVerwG, Urt. v. 30.11.2011 – 6 C 20/10 –, Rn. 12 m.w.N.). Im vorliegenden Fall geht es um die Feststellung, ob die Beklagte von Rechts wegen daran gehindert war, die Klägerin vorläufig in der Intensivstation des UK... A-Stadt unterzubringen. Die Statthaftigkeit der Feststellungsklage scheitert hier auch nicht an der Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 VwGO, denn bei der vorläufigen Unterbringung durch den Amtsarzt handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine einstweilige Sicherungsmaßnahme (siehe OVG Schleswig, Beschl. v. 02.12.1992 – 2 M 73/92 –, juris Rn. 7; Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 11 Rn. 1).
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Das notwendige Feststellungsinteresse ist ebenfalls gegeben. Als ein solches Interesse kommt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art in Betracht (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – 8 C 14/12 –, juris Rn. 20 m.w.N.).
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Ein Feststellungsinteresse ergibt sich hier nicht bereits aus der Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr ist nur gegeben, wenn die hinreichend bestimmte Wahrscheinlichkeit besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut eine gleichartige Maßnahme ergehen wird (vgl. VGH München, Beschl. v. 10.06.2015 – 10 C 15.880 –, juris Rn. 12 m.w.N.). Der Erlass eines gleichen Verwaltungsaktes muss konkret und in absehbarer Zeit zu erwarten sein (vgl. OVG Schleswig, Beschl. v. 16.09.2015, 4 O 37/15). Nach diesen Maßstäben ist eine konkrete Wiederholungsgefahr nicht ersichtlich. Ausgangspunkt für die Unterbringungsanordnung gegen die Klägerin war deren Sturz vom Pferd und das dadurch erlittene Schädel-Hirn-Trauma, das zur stationären Aufnahme in das UK... führte. Es ist nicht absehbar, dass sich eine ähnliche Situation in nächster Zeit erneut einstellt.
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Jedoch ist ein Feststellungsinteresse aufgrund der kurzfristigen Natur der vorläufigen Unterbringung und der regelmäßigen Erledigung vor Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens gegeben. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erfordert eine wenigstens nachträgliche Kontrolle bei typischerweise kurzfristigen, aber tiefgreifenden Grundrechtseingriffen, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann (insbesondere bei Eingriffen in Grundrechte mit Richtervorbehalt: siehe BVerfG, Kammerbeschl. v. 10.05.1998 – 2 BvR 978/97 –, juris Rn. 10; BVerfG, Beschl. v. 30.04.1997 – 2 BvR 817/90 –, juris Rn. 49; BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 – 1 BvR 461/03 –, juris Rn. 28; BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – 8 C 14/12 –, juris Rn. 29; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 22. Aufl. 2016, § 43 Rn. 25, § 113 Rn. 145; Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 113 VwGO, Rn. 109 m.w.N.). So liegt es hier. Bei der sofortigen Unterbringung handelt es sich um eine zwangsläufig kurzfristige Maßnahme, die mit der Entscheidung des Amtsgerichts über die weitere Unterbringung ihre Erledigung findet. Eine "Anfechtung" dieser Maßnahme im gerichtlichen Verfahren ist deshalb kaum möglich. Andererseits ist sie ein schwerwiegender Eingriff in die durch Art. 2 GG geschützte persönliche Freiheit.
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Ob darüber hinaus die Feststellung von Bedeutung für ein Amtshaftungsverfahren ist, muss nicht entschieden werden.
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Die Klage ist begründet.
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Die vorläufige Unterbringung durch den Amtsarzt der Beklagten war rechtswidrig. Der Anordnung des Amtsarztes zur vorläufigen Unterbringung lag kein Gutachten zugrunde, das die Notwendigkeit der Unterbringung in gerichtlich nachvollziehbarer Weise begründet.
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Nach § 7 Abs. 1 PsychKG-SH ist eine Unterbringung psychisch kranker Menschen dann zulässig, wenn und solange sie infolge ihrer Krankheit ihr Leben, ihre Gesundheit oder Rechtsgüter anderer erheblich gefährden und die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Nach § 11 Abs. 1 Halbsatz 1 PsychKG-SH kann der Kreis oder die kreisfreie Stadt die Unterbringung im Rahmen des Artikels 104 Abs. 2 des Grundgesetzes vorläufig vornehmen, wenn eine gerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Nach § 11 Abs. 1 Halbsatz 2 PsychKG-SH muss auch bei der vorläufigen Unterbringung ein Gutachten im Sinne des § 8 Satz 2 PsychKG-SH vorliegen, in dem die Erfüllung der Voraussetzungen für die Unterbringung durch entsprechende Tatsachenfeststellungen sowie durch Beurteilungen einer in der Psychiatrie erfahrenen Ärztin oder eines in der Psychiatrie erfahrenen Arztes bescheinigt wird.
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Der Anwendungsbereich des PsychKG-SH war im vorliegenden Fall eröffnet, da der Amtsarzt mit dem von ihm diagnostizierten Durchgangssyndrom eine psychische Krankheit attestiert hat. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 PsychKG-SH sind psychisch kranke Menschen Personen, bei denen eine seelische Störung von erheblichem Ausmaß erkennbar ist. Das diagnostizierte Durchgangssyndrom ist nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme in der 10. Revision (ICD-10) eine „nicht näher bezeichnete organische oder symptomatische psychische Störung“ (ICD-10-WHO Version 2016 online unter: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, www.dimdi.de).
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Ein Verstoß gegen Art. 14 UN-Behindertenrechtskonvention durch die Anwendung des PsychKG-SH, wie von der Klägerin geltend gemacht, ist nicht ersichtlich. Eine Einbeziehung geistig behinderter Personen in den Geltungsbereich des PsychKG-SH wurde bereits in der Ausgangsfassung des Gesetzes vom 14.01.2000 aufgegeben (siehe Gesetzesbegründung LT-Drucks. 14/2157, S. 27). Insbesondere erfordert eine Unterbringung nach § 7 PsychKG-SH neben einer psychischen Erkrankung eine davon ausgehende Gefahr. Art. 5 EMRK ist gewahrt durch die Verfahrensvorschriften und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die durch das PsychKG-SH vorgegeben werden (siehe Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 7 Rn. 2).
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Die Beklagte hat jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 7 Abs. 1 PsychKG-SH im Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Unterbringung der Klägerin am 07.07.2012 gegeben waren.
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Eine vorläufige Unterbringung nach § 11 PsychKG-SH darf durch den Amtsarzt nur angeordnet werden, wenn nach seiner pflichtgemäßen Einschätzung die Voraussetzung des § 7 PsychKG-SH vorliegen (Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 11 Rn. 3). Diese Einschätzung muss auf einem Gutachten im Sinne des § 8 Satz 2 PsychKG-SH beruhen. Der Anordnung des Amtsarztes der Beklagten lag dessen ärztliches Gutachten zugrunde. Der Amtsarzt erfüllt als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie die Qualifikationsanforderungen des § 8 Satz 2 PsychKG-SH. Das Gutachten erfüllt jedoch nicht die inhaltlichen Anforderungen, die nach der Landesverordnung zum Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKGVO) geregelt sind und die durch die Rechtsprechung entwickelt wurden. Nach § 2 PsychKGVO muss das Unterbringungsgutachten unter medizinischen Gesichtspunkten insbesondere darlegen, inwiefern das durch die psychische Krankheit bedingte Verhalten der psychisch kranken Person eine erhebliche Gefahr für ihr Leben, ihre Gesundheit oder die Rechtsgüter anderer darstellt und aus welchem Grund die Gefahr durch Hilfen oder andere Maßnahmen als eine Unterbringung nicht abgewendet werden kann. Das Gutachten muss auf einer persönlichen Untersuchung der psychisch kranken Person durch die Ärztin oder den Arzt beruhen, die nicht länger als 24 Stunden zurückliegt. Um einen wirksamen Grundrechtsschutz sicherzustellen, sind die Anforderungen an das einer Unterbringungsentscheidung zugrundeliegende Gutachten hoch anzusetzen. Zwar lassen sich nähere Regelungen über Aufbau, Inhalt und Ausführlichkeit eines Gutachtens nicht allgemein aufstellen. Jedoch müssen die Ausführungen des Sachverständigen so gehalten sein, dass das Gericht seiner Pflicht, das Gutachten auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, nachkommen kann (BGH, Beschl. v. 19.01.2011 – XII ZB 256/10 –, juris Rn. 12; BayObLG, Beschl. v. 28.03.2001 – 3Z BR 71/01 –, juris Rn. 7).
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Die bloße Wiedergabe einer Krankheitsdiagnose oder eines Untersuchungsergebnisses reicht nicht aus. Vielmehr ist erforderlich, dass der Sachverständige den Untersuchungsbefund, aus dem er seine Diagnose ableitet, im Einzelnen mitteilt und die Folgerungen aus den einzelnen Befundtatsachen auf die Diagnose oder die ihm sonst gestellte Beweisfrage nachvollziehbar darstellt. Dem Gericht muss durch die Feststellungen des Gutachtens eine eigene Prüfung des Ergebnisses der Untersuchungen ermöglicht werden. Das somit erforderliche, erkennbar von einem Arzt mit psychiatrischer Vorbildung und Erfahrung erstattete Gutachten muss ein ausführliches und überzeugendes Bild vom Geisteszustand des Betroffenen vermitteln. Dazu gehört auch, dass sich der betreffende Arzt ein möglichst deutliches Bild von der derzeitigen Verfassung des Betroffenen verschafft. Aus dem Gutachten muss sich regelmäßig ergeben, dass die Feststellungen des das Gutachten erstattenden Arztes auf einer persönlichen Untersuchung des Betroffenen beruhen, die eine möglichst kurze Zeit zurückliegt. Ferner ist darzulegen, aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen der Gutachter seine Meinung gebildet hat. Dabei muss grundsätzlich erkennbar werden, inwieweit es sich um eigene Wahrnehmungen des Gutachters handelt, sowie wann und in welchem Zusammenhang sich für erheblich gehaltene, möglichst genau zu schildernde Vorgänge zugetragen haben (zu dem Ganzen: KG Berlin, Beschl. v. 20.12.1994 – 1 W 6687/94 –, juris Rn. 6).
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Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.03.1998 – 2 BvR 2270/96 –, juris Rn. 16). Insbesondere im Falle von Unterbringungen aufgrund einer Eigengefährdung des Betroffenen sind hohe Anforderungen an die Feststellungen zu stellen, mit denen eine fürsorgliche Unterbringung begründet wird. Die Grundrechte und der Achtungsanspruch der Menschenwürde stehen selbstverständlich auch psychisch kranken Menschen zur Seite. Bei einem fürsorgerischen Eingriff ist daher der Gefahr zu begegnen, dass das Grundrecht von seinem Träger getrennt wird (Marschner, in: Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Auflage 2010, Abschnitt B, Rn. 40 f.). Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt (BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.03.1998 – 2 BvR 2270/96 –, juris Rn. 15):
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„Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfGE 45, 187 <223>). Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. Dies schließt allerdings nicht von vornherein einen staatlichen Eingriff aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, einen psychisch Kranken vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustandes und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder trotz einer solchen Erkenntnis sich infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden. Dabei drängt es sich auf, dass dies nicht ausnahmslos gilt, weil schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei weniger gewichtigen Fällen eine derart einschneidende Maßnahme unterbleiben muss und somit auch dem psychisch Kranken in gewissen Grenzen die "Freiheit zur Krankheit" belassen bleibt (vgl. BVerfGE 58, 208 <224 ff.>).“
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Auch psychisch kranke Menschen haben ein Recht auf Nichtbehandlung, solange nicht die Rechte anderer berührt sind. Eine Vernunfthoheit der Psychiater im Umgang mit psychischen Krankheiten scheidet aus. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert bei freiheitsentziehenden Maßnahmen eine zweifelsfreie Feststellung hinsichtlich der Erforderlichkeit und der Geeignetheit der Maßnahme. Der Grundsatz „in dubio pro libertate“ gebietet eine sorgfältige Überprüfung der Unterbringungsvoraussetzungen besonders bei Unterbringungen ausschließlich zum Schutz gegen Selbstgefährdung, um die grundsätzlich zugunsten des Betroffenen bestehende Freiheitsvermutung zu widerlegen (BVerfG, Beschl. v. 22.03.1983 – 1 BvR 154/82 –, juris Rn. 6; Marschner, in: Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Auflage 2010, Abschnitt B, Rn. 43). Der Wille des Betroffenen ist zu berücksichtigen. Der Grundsatz, dass eine Unterbringung gegen den freien Willen des Betroffenen ausgeschlossen ist, gilt für den Fall der Selbstgefährdung unbeschränkt. Die betroffenen Rechtsgüter unterliegen der Disposition des Patienten, der, soweit er darüber einen freien Willen bilden kann, ggf. zu entlassen ist (BayObLG, Beschl. v. 17.12.2001 – 3Z BR 386/01 –, juris Rn. 14; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.06.2006 – 3 W 98/06 –, juris Rn 13; Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 7 Rn. 29). Insoweit muss das zugrundeliegende Gutachten Angaben dazu enthalten, ob der Betroffene aufgrund seiner Erkrankung seinen Willen nicht frei bestimmen kann (Lesting, in: Marschner/Volckart/Lesting, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 5. Auflage 2010, Abschnitt D, Rn. 11; Dornis, PsychKG Schleswig-Holstein, Praxiskommentar, 2012, § 7 Rn. 33).
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Diesen Maßstäben genügen die Feststellungen des der vorläufigen Unterbringungsanordnung des Amtsarztes zugrundeliegenden Gutachtens nicht. Es wird nur eine Diagnose einer psychischen Störung aufgestellt, ohne dass eine für das Gericht nachvollziehbare Begründung dieser Diagnose gegeben wird. Ein Durchgangssyndrom ist nach der Beschreibung unter Pschyrembel online (www.pschyrembel.de) „eine akute (reversible) hirnorganisch bedingte Störung im Sinne eines deliranten Syndroms mit u.a. Orientierungs- und/oder Aufmerksamkeitsstörungen im Rahmen organischer Störungen (z. B. Infektionen, Schädelhirntrauma, Demenz) oder auch nach operativen Eingriffen, besonders bei älteren Menschen. Es wird dem akuten exogenen Reaktionstyp zugerechnet.“ Das Gutachten enthält keine näheren Angaben zu der bei der Klägerin festgestellten Symptomatik im Sinne dieser Beschreibung des Durchgangssyndroms als psychischer Störung. Es wird nur festgestellt, dass die Klägerin aufgeregt gewesen sei, dass sie nicht einsichtig sei in ihre medizinische Situation, dass sie erkläre in ihrer Würde verletzt zu sein und dass sie die Klinik verlassen wolle. Aus diesen Feststellungen kann das Gericht keine schlüssige Folgerung einer Diagnose aus einzelnen Befundtatsachen ablesen. Es wird bereits nicht deutlich, welche Symptome einer psychischen Störung zuzuordnen sind.
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Das Gutachten enthält darüber hinaus weder Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbildung der Klägerin, noch zu dem Schweregrad der psychischen Störung und der daraus resultierenden Kausalität für die drohende Gefahr.
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Das Gutachten trifft keine Feststellungen zur Fähigkeit der Klägerin, ihren Willen frei zu bilden. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Abzustellen ist dabei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob umgekehrt von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge der Geistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen übermäßig beherrschen (BGH, Urt. v. 05.12.1995 – XI ZR 70/95 –, juris Rn. 11). Im Gutachten des Amtsarztes ist lediglich die Feststellung enthalten, die Klägerin sei nicht einsichtig in die aktuelle medizinische Situation. Daraus lässt sich nicht ohne weiteres schließen, dass die Klägerin über eine aus Sicht des Amtsarztes bestehende Unvernunft hinausgehend aufgrund der diagnostizierten psychischen Störung nicht in der Lage war, ihren Willen frei zu bilden. Vielmehr lassen die Feststellungen im Gutachten den Schluss zu, der Klägerin sei ihre Würde wichtiger als eine weitere stationäre Überwachung zum Schutz vor einer möglicherweise bestehenden Lebensgefahr beim Verlassen der Klinik. Damit lässt sich ein die freie Willensbildung ausschließender Zustand der Klägerin aufgrund der gutachterlichen Feststellungen nicht zweifelsfrei nachvollziehen. Nach dem oben dargelegten Grundsatz „in dubio pro libertate“ kann bei solch einer Tatsachenlage eine Unterbringung nicht frei von Rechtsfehlern angeordnet werden.
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Eine Unterbringung der Klägerin ist aufgrund der Feststellungen des Gutachtens schließlich nicht gerechtfertigt, weil Angaben zum Schweregrad der psychischen Störung und der daraus resultierenden Gefährdung vollständig fehlen. Es wird im Gutachten nicht festgestellt, dass die Unterbringung aufgrund der Schwere der psychischen Störung das einzig geeignete Mittel darstellt, um einer Gefahr zu begegnen. Es wird lediglich festgestellt, dass eine stationäre Beobachtung zur Abwendung einer von der Hirnverletzung ausgehenden Lebensgefahr unabdingbar sei. Dass die Unterbringung aufgrund der psychischen Störung in dieser Hinsicht der einzige Weg gewesen sei, um eine solche Gefahr abzuwenden, wird im Gutachten nicht dargelegt. Weder aus dem Gutachten, noch aus dem später angefertigten Gedächtnisprotokoll des Amtsarztes ergibt sich, dass der Amtsarzt versucht hätte, die Klägerin von einem freiwilligen Verbleib auf der Station zu überzeugen.
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Eine Kausalität zwischen der psychischen Störung und der drohenden Lebensgefahr wird nicht festgestellt. Nach § 7 Abs. 2 PsychKG-SH besteht eine Gefahr insbesondere dann, wenn sich die psychische Krankheit so auswirkt, dass ein schadensstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder unvorhersehbar ist, jedoch wegen besonderer Umstände jederzeit damit gerechnet werden muss. Dass die Wahrscheinlichkeit eines schadensstiftendes Ereignisses durch das von der Klägerin begehrte Verlassen der Klinik vorliegt, wurde nur im Hinblick auf die Bildgebungsergebnisse festgestellt. Dass diese Ergebnisse tatsächlich vom Amtsarzt eingesehen wurden, ist nicht dargelegt. Ob hierzu eine Pflicht des die vorläufige Unterbringung anordnenden Amtsarztes besteht, muss vorliegend aber auch nicht entschieden werden. Denn jedenfalls fehlt es an einer Feststellung der Kausalität zwischen dem als psychische Störung diagnostizierten Durchgangssyndrom und der drohenden Lebensgefahr für die Klägerin. Es fehlt dem Gutachten an einer Feststellung dazu, ob der Wille zum Verlassen der Klinik auf der psychischen Störung beruhte und deshalb nicht frei gebildet wurde. Denn, wie oben dargelegt, sind im Gutachten keine Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbildung enthalten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 711 ZPO.
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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.