Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 11. Jan. 2017 - 4 L 1167/16.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2017:0111.4L1167.16.NW.0A
bei uns veröffentlicht am11.01.2017

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Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung der Antragsgegnerin, in der Kaiserslauterer Straße in Bad Dürkheim zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 straßenbautechnische bzw. verkehrstechnische Verhältnisse zu schaffen, die es ermöglichen, die Vorgaben der §§ 2 und 25 Straßenverkehrsordnung – StVO – für alle Verkehrsteilnehmer umsetzen zu können. Dazu soll der Antragsgegnerin aufgegeben werden, in dem genannten Bereich eine Einbahnstraßenverkehrsregelung stadteinwärts einzuführen.

2

Der Antragsteller ist Eigentümer des Wohnanwesens Kaiserslauterer Straße ... in Bad Dürkheim. Dieses liegt ca. … m östlich der Bundesstraße 37 und … m westlich der Ecke Gaustraße/Eichstraße. Der betreffende Bereich der Kaiserslauterer Straße zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 ist eine für den Gegenverkehr gewidmete Gemeindestraße, die als Tempo-30-Zone ausgestaltet ist. Die Kaiserslauterer Straße geht jenseits der Ecke Gaustraße/Eichstraße in die Römerstraße über, in der die Antragsgegnerin eine Einbahnstraßenverkehrsregelung getroffen hat. Weitere Einbahnstraßenverkehrsregelungen finden sich in der von der Kaiserslauterer Straße abzweigenden Gartenstraße (Richtung Süden) und Eichstraße (Richtung Norden). Bezüglich des Straßenverlaufs der einzelnen Straßen im Umfeld des Anwesens des Antragstellers wird auf den von der Antragsgegnerin vorgelegten Stadtplan sowie auf google.maps verwiesen.

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Die Kaiserslauterer Straße befindet sich im Geltungsbereich des mit Satzung vom 30. Januar 1989 festgesetzten Sanierungsgebietes „Schwarzviertel“, „Insel“ und „Kaiserslauterer Straße“. Die Straße wurde in diesem Zusammenhang in dem genannten Teilbereich in der Zeit von Februar 2015 bis Februar 2016 umgestaltet und am 19. Februar 2016 für den Straßenverkehr wieder freigegeben. Hinsichtlich der Gestaltung des Straßenraumes führte die Antragsgegnerin das für die Innenstadt gewählte Konzept in der Kaiserslauterer Straße fort, d.h. die Gehwege wurden in Brauntönen gepflastert, die Fahrbahn wurde mit Ausnahme des verlängerten Einmündungsbereichs der Friedhofstraße in Asphalt ausgeführt. Die Rinne wurde in einem hellgrauen Pflaster gestaltet, um die Abgrenzung von Fahrbahn und Gehweg zu verdeutlichen. An einigen Stellen wurden Poller installiert. Gehwege sind auf beiden Seiten der Fahrbahn vorhanden.

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Der Antragsteller war mit der Umgestaltungsmaßnahme nicht einverstanden und wandte sich mit mehreren Eingaben an die Antragsgegnerin. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 teilte die Antragsgegnerin ihm mit, der Bau- und Entwicklungsausschuss habe in seiner Sitzung vom 11. Juni 2015 in Bezug auf die Neugestaltung der Kaiserslauterer Straße den Beschluss gefasst, die Frage einer Einbahnregelung werde erst nach Inbetriebnahme der Straße im Rahmen der Fortschreibung des Verkehrskonzeptes überprüft. Sie, die Antragsgegnerin, sage dem Antragsteller jedoch die Überprüfung des Funktionierens der neugestalteten Kaiserslauterer Straße hinsichtlich ihrer Sanierungsziele im Rahmen einer weiteren Fortschreibung ihres Verkehrskonzeptes zu. Sollten sich Defizite in der Verkehrslenkung, Fußgängersicherheit, Barrierefreiheit etc. zeigen, würden entsprechende Gegenmaßnahmen auf den Prüfstand kommen. Dabei werde auch die vom Antragsteller favorisierte Einbahnregelung kein Tabuthema sein.

5

Da die Antragsgegnerin in der Folgezeit keine dem Antragsteller genehme Fortschreibung des Verkehrskonzepts vornahm, hat der Antragsteller am 7. Dezember 2016 Klage erhoben und am 27. Dezember 2016 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt er aus, die Antragsgegnerin sei als Trägerin der Straßenbaulast verpflichtet, straßenbautechnische bzw. verkehrstechnische Verhältnisse zu schaffen, die es ermöglichten, die verkehrstechnischen und -rechtlichen Vorgaben der §§ 2 und 25 der StVO für alle Verkehrsteilnehmer umsetzen zu können. Die Antragsgegnerin betreibe die Kaiserslauterer Straße zwischen Gaustraße und B 37 im Gegenverkehr, obwohl die Fahrbahn für diesen Gegenverkehr keine ausreichende Breite aufweise. Die Fahrbahnbreite betrage zwischen den Hausnummern ... - ... (ca. … m Länge) zwischen 3,40 m bis 3,90 m. Alleine schon wegen der Breite der Fahrzeuge (mit Außenspiegeln PKW 2,00 - 2,20 m, LKW 2,70 - 2,80 m) und ohne Ansatz von Sicherheitsabständen gehe rein rechnerisch daraus hervor, dass die Fahrbahnbreite für viele Begegnungsvarianten nicht ausreiche und Fußgänger und Radfahrer auf den höhengleich zur Fahrbahn angelegten Seitenstreifen hochgradig gefährdet seien, von Fahrzeugen bei Gegenverkehr angefahren zu werden. Auch im Bereich der Parkplätze vor den Gebäuden Nr. ... und ... werde vehement über die Gehwege gefahren. Er, der Antragsteller, sei in der Straße seit der Verkehrsfreigabe 6 Mal angefahren worden.

6

Die Sperrung der Straße für eine Verkehrsrichtung (sinnvollerweise stadtauswärts) sei zumutbar, da diese Verkehrsrichtung durch einfache Änderungen und für alle Verkehrsteilnehmer vollkommen gefahr- und problemlos über die Eichstraße geführt werden könne.

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Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

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die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Maßnahmen zur tatsächlichen Beruhigung des fließenden Verkehrs in der Kaiserslauterer Straße in Bad Dürkheim zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 zu treffen und in dem genannten Bereich eine Einbahnstraßenverkehrsregelung einzuführen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie führt aus, mit dem niveaugleichen Ausbau der Kaiserslauterer Straße habe insbesondere dem Gebot des § 11 Abs. 3 Satz 1 Landesstraßengesetz – LStrG – genügt werden sollen, der vorschreibe, im Rahmen der technischen Möglichkeiten die Belange der Kinder, der Personen mit Kleinkindern und der behinderten und alten Menschen zu berücksichtigen mit dem Ziel, eine möglichst weit reichende Barrierefreiheit zu erreichen. Die vor dem Umbau teilweise äußerst schmalen, mit Hochborden zur Fahrbahn abgegrenzten Gehwege hätten ein Begehen mit Kinderwagen, Rollatoren oder Rollstühlen nicht zugelassen; es habe an diesen Stellen auf die Straße ausgewichen werden müssen. In der gesamten Innenstadt habe sie mit der gewählten Gestaltung positive Erfahrungen gemacht, besondere Probleme, insbesondere Sicherheitseinschränkungen für Fußgänger seien nicht bekannt geworden. Es werde nicht verkannt, dass die Verhältnisse für Fußgänger, Personen mit Kleinkindern, behinderte und alte Menschen nicht optimal seien. Breitere Gehwege ließen sich aufgrund der vorgefundenen Verhältnisse aber nicht schaffen. An einer besonders problematischen Stelle seien flankierende Gestaltungsmaßnahmen ergriffen worden, indem entgegen der sonstigen Gestaltung Hochborde, zwei Sandsteinpoller sowie mehrere Metallpoller eingebaut worden seien. Ein gleichzeitiges Passieren von Fahrzeugen sei dort nicht möglich.

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Für die Kaiserslauterer Straße sehe das Verkehrskonzept einen Zweirichtungsverkehr vor. Nach derzeitigem Erkenntnisstand solle es auch für die nähere Zukunft bei dieser Verkehrslenkungsentscheidung bleiben. Für die Ausweisung als Einbahnstraße gebe es in der Abwägung keine überzeugenden Argumente. Die Aussage des Antragstellers, der stadtauswärts fahrende Kraftfahrzeugverkehr könnte gefahr- und problemlos durch die Eichstraße geführt werden, treffe nicht zu. In diesem Jahr werde die beampelte Straßenkreuzung Bundesstraße 37/Kaiserslauterer Straße durch einen Kreisverkehrsplatz ersetzt. Nach erfolgtem Umbau würden die Auswirkungen auf die angrenzenden Straßen, also auch der Kaiserslauterer Straße untersucht.

II.

13

Das Begehren des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Maßnahmen zur tatsächlichen Beruhigung des fließenden Verkehrs in der Kaiserslauterer Straße in Bad Dürkheim zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 zu treffen und in dem genannten Bereich eine Einbahnstraßenverkehrsregelung einzuführen, kann keinen Erfolg haben.

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1. Soweit der Antragsteller straßenbautechnische Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der Kaiserslauterer Straße in Bad Dürkheim zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 begehrt, ist der Antrag bereits unzulässig. Denn der Antragsteller kann nicht geltend machen, in seinen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – analog verletzt zu sein.

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1.1. Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Antragsvorbringens möglich sein. Diese Möglichkeit ist auszuschließen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 42 Rn. 65 f. m.w.N.). Dies ist hier der Fall.

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Ein subjektives öffentliches Recht liegt dann vor, wenn ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass die Träger der Individualinteressen die Einhaltung des Rechtssatzes sollen verlangen können (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Mai 2012 – 7 A 10976/11 –, AS RP-SL 41, 334 m.w.N.).

17

1.2. Nicht dem Schutz von Interessen des Antragstellers dient die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG; diese kann daher kein subjektives Recht zu seinen Gunsten begründen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Mai 2012 – 7 A 10976/11 –, AS RP-SL 41, 334). Nach der genannten Vorschrift hat der Träger der Straßenbaulast die Straße nach den Erfordernissen der Sicherheit und Ordnung zu bauen; beim Neu- und Ausbau von Straßen sind die besonderen Belange der Kinder, der Personen mit kleinen Kindern sowie der behinderten und alten Menschen im Rahmen der technischen Möglichkeiten zu berücksichtigen mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, soweit nicht überwiegende andere öffentliche Belange, insbesondere Erfordernisse der Verkehrssicherheit, entgegenstehen.

18

Als öffentliche Aufgabe besteht die Straßenbaulast ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Mai 2012 – 7 A 10976/11 –, AS RP-SL 41, 334; Tegtbauer, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kapitel 13 Rn. 5). Da § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG nur die öffentliche Aufgabe der Straßenbaulast nach § 11 Abs. 1 LStrG konkretisiert, begründet die Vorschrift keinen Anspruch darauf, dass, wann und wie die Straßenbaulast erfüllt wird.

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1.3. Ein subjektives öffentliches Recht auf Durchführung weiterer Straßenbaumaßnahmen in der Kaiserslauterer Straße in Bad Dürkheim zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 kann der Antragsteller auch nicht aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs herleiten.

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Das Landesstraßengesetz gewährleistet dem Grundeigentümer das Recht auf Anliegergebrauch lediglich in seinem durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz – GG – geschützten Kerngehalt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9. Dezember 2005 – 6 B 11634/05 –, GewArch 2006, 82; VG Neustadt, Beschluss vom 28. August 2015 – 3 L 760/15.NW –, juris). Dazu gehört die Zugänglichkeit eines Grundstücks (§ 39 LStrG). Dieser gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch von Nicht-Anliegern gesteigerte Schutz reicht indessen nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße unabdingbar erfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987 – 7 C 60/85 –, NJW 1988, 432). Dabei ist angemessen nicht schon jede Nutzung, zu der das Grundeigentum Gelegenheit bietet. Maßgebend ist, was aus dem Grundstück unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten als anerkennenswertes Bedürfnis hervorgeht. Eine optimale Erreichbarkeit ist nicht garantiert. Vor Zufahrtserschwernissen, die sich aus der besonderen örtlichen Lage und einer etwaigen situationsbedingten Vorbelastung ergeben, in die das Grundstück hineingestellt ist, gewährt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG keinen Schutz (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28. April 2016 – 4 LB 9/15 –, juris). Ansatzpunkte dafür, dass eine angemessene Nutzung des Grundstücks des Antragstellers nur durch Straßenbaumaßnahmen in der Kaiserslauterer Straße in Bad Dürkheim zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 möglich ist, bestehen von vornherein nicht.

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2. Soweit der Antragsteller ferner die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen in der Kaiserslauterer Straße zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 in Form der Einrichtung einer Einbahnstraßenregelung (s. Zeichen 220 zur Anlage 2 zu § 41 StVO) zu erlassen, ist der Antrag zulässig (2.1.), in der Sache aber unbegründet (2.2.).

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2.1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.

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2.1.1. Er ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO statthaft, da der Antragsteller den Erlass einer Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – begehrt. In der Hauptsache müsste er damit im Wege einer Verpflichtungsklage vorgehen, so dass gemäß § 123 Abs. 5 VwGO hier die Vorschrift des § 123 Abs. 1 VwGO einschlägig ist.

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2.1.2. Der Antragsteller ist auch antragsbefugt, da er geltend machen kann, durch das Unterlassen der von ihm begehrten straßenverkehrsrechtlichen Maßnahme möglicherweise in seinen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt zu sein.

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Ein diesbezügliches subjektives öffentliches Recht des Antragstellers kann ihm eventuell aus § 45 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 9 Satz 3 StVO zustehen. Danach können die Straßenverkehrsbehörden – hier die gemäß § 5 Nr. 1 Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts zuständige Antragsgegnerin – aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs verkehrsbeschränkende Maßnahmen anordnen. Zwar sind diese Vorschriften grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Interessen Einzelner gerichtet (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Mai 2012 – 7 A 10976/11 –, AS RP-SL 41, 334). Es ist aber anerkannt, dass der Einzelne einen – auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten – Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten haben kann, wenn die Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfasst die Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Dazu gehört ferner im Vorfeld der Grundrechte der Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24. Mai 2012 – 7 A 10976/11 –, AS RP-SL 41, 334).

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Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Einrichtung einer Einbahnstraße in der Kaiserslauterer Straße in Bad Dürkheim zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37. Er macht geltend, angesichts der Enge der Straße in diesem Bereich sei ihm ein Aufenthalt als Fußgänger auf der Straße ohne Gefahr für Leib und Leben nicht möglich. Seit der Verkehrsfreigabe nach der Umbaumaßnahme sei er schon 6 Mal angefahren worden. Eine Verletzung seiner durch § 45 StVO geschützten Individualinteressen ist nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen.

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2.1.3. Der Antragsteller hat auch ein allgemeines Rechtsschutzinteresse für den vorliegenden Antrag. Es kann angesichts der unvollständigen Aktenvorlage der Antragsgegnerin nicht abschließend geklärt werden, ob und gegebenenfalls wann der Antragsteller vor Einreichung des Eilantrages bei der Antragsgegnerin einen förmlichen Antrag auf Erlass einer Einbahnstraßenregelung gestellt hat. Jedenfalls war die Antragsgegnerin zuvor vom Antragsteller mit der Sache ausführlich befasst worden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Juli 2004 – 6 S 19/04 –, NVwZ-RR 2005, 174). Dies ist nach Auffassung der Kammer ausreichend, um das Rechtsschutzinteresse zu bejahen.

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2.2. Der Antrag ist aber unbegründet.

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2.2.1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder um drohende Gefahren zu verhindern oder wenn sie aus anderen Gründen erforderlich ist. Dabei darf grundsätzlich nicht die Hauptsache vorweggenommen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Rechtsschutzgarantie jedoch dann, wenn der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch überwiegend wahrscheinlich ist und wegen des Nichterfüllens dieses Anspruchs schwere, unzumutbare oder nicht anders abwendbare Nachteile drohen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 – 6 VR 3/13 –, NVwZ 2014, 558; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. April 2016 – 7 B 10228/16.OVG –). Diese Voraussetzungen sind wie alle Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZivilprozessordnungZPO – i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO). In einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO auf Erlass einer verkehrsregelnden Anordnung ist ein Anspruch des Betroffenen nur dann gegeben, wenn die begehrte Verkehrsregelung – hier die Einführung einer Einbahnstraßenregelung – als einzige richtige Behördenentscheidung in Betracht kommt und dabei jede andere verkehrsregelnde Maßnahme ermessensfehlerhaft und unzumutbar wäre (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 8. Juni 2009 – 3 B 23/09 –, juris).

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In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen einer Regelungsanordnung hier nicht vor.

31

2.2.2. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anordnungsanspruch zusteht.

32

Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen. Nach § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 StVO treffen die Straßenverkehrsbehörden auch die notwendigen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesen Bereichen. Eine Befugnis zu verkehrsberuhigenden Maßnahmen auf straßenverkehrsrechtlicher Grundlage ist der Straßenverkehrsbehörde nach § 45 StVO aber nur dann eröffnet, wenn neben Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 oder § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 4 StVO zusätzlich auch die Anforderungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO erfüllt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. April 2013 – 3 B 59/12 –, juris). Danach dürfen Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter – also etwa der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs – erheblich übersteigt (Satz 3). Ist § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO anwendbar, scheidet damit zugleich § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO – danach sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist – als Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Einbahnstraßenregelung aus. Als in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs speziellere Regelung konkretisiert und verdrängt § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO in seinem Anwendungsbereich die allgemeine Regelung in § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 – 3 C 42/09 –, NJW 2011, 1527; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. August 2016 – 7 A 10885/14 –, juris).

33

Die Einführung einer Einbahnstraßenverkehrsregelung nach Zeichen 220 (Einbahnstraße) der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO ist eine Beschränkung des fließenden Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO und eine Beschränkung der Benutzung der Straße im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO. Dieses Zeichen bedeutet, dass derjenige, der ein Fahrzeug führt, die Einbahnstraße nur in Richtung des Pfeils befahren darf.

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Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO können unter anderem der Ausbauzustand, die Streckenführung, die Verkehrsbelastung oder der Anteil des Schwerverkehrs sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. August 2016 – 7 A 10885/14 –, juris m.w.N.). Eine das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigende Gefahrenlage besteht nicht erst dann, wenn alsbald mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermehrt Schadensfälle eintreten würden. Denn unter Berücksichtigung, dass es im Zusammenhang mit der auch vorliegend betroffenen Unfallvermeidung um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben geht, ist nach allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts ein behördliches Einschreiten bereits bei geringeren Wahrscheinlichkeiten des Schadenseintritts zulässig und geboten. Mithin fordert § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die Vorschrift setzt vielmehr nur – aber immerhin – eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, NJW 2011, 246).

35

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO vor, folgt aus § 45 Abs. 1 StVO, dass auch Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 StVO im Ermessen der zuständigen Behörden stehen. Soweit es um die Auswahl der Mittel geht, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, NJW 2011, 246; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. August 2016 – 7 A 10885/14 –, juris).

36

Hiervon ausgehend müsste der Antragsteller zum einen glaubhaft machen, dass die Zulassung des Zweirichtungsverkehrs in der Kaiserslauterer Straße in Bad Dürkheim zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 trotz der bestehenden Tempo-30-Zone aufgrund der Enge der Straße eine konkrete Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO begründet, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigt und auf den besonderen örtlichen Verhältnissen beruht. Zum anderen müsste der Antragsteller glaubhaft machen, dass die Einführung einer Einbahnstraßenregelung hier als einzige richtige Behördenentscheidung in Betracht kommt und dabei jede andere verkehrsregelnde Maßnahme ermessensfehlerhaft und unzumutbar wäre.

37

Die Kammer kann in dem nur summarischen Verfahren letztlich offen lassen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO gegeben sind. Jedenfalls fehlt es an der Glaubhaftmachung des Antragstellers, dass allein die Einrichtung einer Einbahnstraße in dem betreffenden Straßenbereich als einzige richtige Ermessensentscheidung in Betracht kommt.

38

Der Antragsteller hat gerügt, dass die Fahrbahn der Kaiserslauterer Straße zwischen Gaustraße und B 37 keine ausreichende Breite für den Gegenverkehr aufweise und daher für viele Begegnungsvarianten nicht ausreiche, weshalb Fußgänger und Radfahrer auf den höhengleich zur Fahrbahn angelegten Seitenstreifen hochgradig gefährdet seien, von Fahrzeugen bei Gegenverkehr angefahren zu werden. Dies sei ihm seit der Neugestaltung der Straße schon 6 Mal widerfahren. Die Antragsgegnerin hat dazu eingewandt, sie verkenne nicht, dass die Verhältnisse für Fußgänger, Personen mit Kleinkindern, behinderte und alte Menschen nicht optimal seien. Breitere Gehwege ließen sich aufgrund der vorgefundenen Verhältnisse aber nicht schaffen. Daher seien an einer besonders problematischen Stelle flankierende Gestaltungsmaßnahmen ergriffen worden, indem entgegen der sonstigen Gestaltung Hochborde, zwei Sandsteinpoller sowie mehrere Metallpoller eingebaut worden seien. Ein gleichzeitiges Passieren von Fahrzeugen sei dort nicht möglich.

39

Die Kaiserslauterer Straße zwischen der Einmündung Gaustraße/Eichstraße und der Bundesstraße 37 hat eine Länge von etwa 290 m. Ausweislich des dem Gericht von der Antragsgegnerin vorgelegten Lageplans ist der betreffende Straßenabschnitt unterschiedlich breit. So ist die Fahrbahn auf diesem Teilstück an der engsten Stelle zwischen den Anwesen Kaiserslauterer Straße ... bzw. ... und ... bzw. ... ohne die beidseitig angebrachte Rinne auf einer Länge von etwa 18 m nur 3,20 m breit; jeweils zu Beginn der „Engstelle“ sind Poller eingelassen. Im weiteren Verlauf beträgt die Fahrbahnbreite zwischen 3,90 m und 5,10 m. Unter Einbeziehung der beidseitig vorhandenen Gehwege (zwischen ca. 0,50 m und 2 m) ist die Straße zwischen 6,60 m und 11,60 m breit. Diese geringe Breite erschwert den Begegnungsverkehr erheblich. Nach den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (Ausgabe 2006, Korrektur-Stand: 15. Dezember 2008, Seiten 26 f.) ist für PKW-Begegnungsverkehr eine Fahrbahnbreite von 4,75 m bzw. bei einer Bemessung mit eingeschränkten Bewegungsspielräumen, die nach diesen Richtlinien eine Geschwindigkeit von unter 40 km/h voraussetzt, von 4,10 m erforderlich. Für den Begegnungsverkehr PKW/LKW ist eine Breite von 5,55 m bzw. 5 m und für den Begegnungsverkehr zweier LKWs eine Breite von 6,35 m bzw. 5,90 m erforderlich. Danach ist hier ein Begegnungsverkehr von zwei PKWs an einigen Stellen auf dem Teilstück nur mit eingeschränkten Bewegungsspielräumen, ein Begegnungsverkehr PKW/LKW nur unter Nutzung des Gehweges und ein Begegnungsverkehr ohne Inanspruchnahme des Gehweges zweier LKWs überhaupt nicht möglich (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 9. August 2016 – 9 LC 29/15 –, juris).

40

Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen gehen ferner davon aus, dass das Grundmaß für den „Verkehrsraum“ des Fußverkehrs auf den Begegnungsfall bzw. das Nebeneinandergehen von zwei Personen ausgerichtet ist und daher 1,80 m betragen soll. Hinzukommen soll ein seitlicher Sicherheitsraum von 0,50 m Abstand zu einer Fahrbahn oder einem Längs-Parkstreifen und 0,20 m Abstand zu einem Gebäude. Dadurch ergebe sich ein „lichter Raum“ bzw. als „Regelbreite“ das absolute Mindestbreite für Seitenraum-Gehwege von 2,50 m (RASt 06, Nr. 6.1.6.1).

41

Die hier vorhandenen Maße von Fahrbahn und Gehweg in der Kaiserslauterer Straße halten die in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen angegeben Maße ersichtlich nicht ein. Bei den von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen in Köln im Jahre 2007 herausgegebenen Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) handelt es sich um die sachverständige Konkretisierung moderner Grundsätze des Straßenbaus (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1989 – 8 C 6/88 –, NVwZ 1990, 165). Die Sachverständigenaussagen enthalten auf der Grundlage standardisierter Vorgaben Maßstäbe dafür, wie Verkehrsanlagen im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entsprechend ihrer Funktion auszuführen und zu gestalten sind. Den in den Richtlinien enthaltenen Maßangaben kommt keine verbindliche Wirkung im Sinne einer Norm zu. Die darin empfohlenen Breiten für die einzelnen Entwurfselemente stellen im Kern aber Orientierungswerte dar, die als Hilfe bei Planung und Entwurf nicht starr angewandt zu werden brauchen. Die Gemeinden können bei der Entwurfsplanung anhand der konkreten örtlichen Situation im notwendigen Umfang hiervon abweichen (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 11. Juni 2002 – 6 B 97.2355 – juris; VG Neustadt, Beschluss vom 29. Juni 2016 – 3 L 481/16.NW –, GewArch 2016, 396).

42

Hiervon hat die Antragsgegnerin bei der Neugestaltung der Verkehrsverhältnisse in der Kaiserslauterer Straße Gebrauch gemacht. Die Bebauung entlang der Kaiserslauterer Straße geht in das 18. Jahrhundert zurück (…), so dass die Neugestaltung der Straße sich an den vorhandenen Bauten orientieren musste. Die Kaiserslauterer Straße hat in dem betreffenden Bereich eine wichtige Erschließungsfunktion für den Innenstadtkern und ist dementsprechend stark frequentiert. In Bezug auf die von dem Antragsteller geforderte Einführung einer Einbahnstraßenregelung hat die Antragsgegnerin vorgetragen, eine Einbahnstraße in der Kaiserslauterer Straße sei keine Option, weil Schleichverkehr im Bereich der Friedhofstraße und der Limburgstraße vermieden werden solle. Entlastungen der Kaiserslauterer Straße könnten daher nicht erzielt werden. Die Behauptung des Antragstellers, der stadtauswärts fahrende Kraftfahrzeugverkehr könnte gefahr- und problemlos durch die Eichstraße geführt werden, treffe nicht zu. Die Eichstraße sei aufgrund der Fahrbahnbreite und der Tatsache, dass diese in einer nicht sehr übersichtlichen Form in die Weinstraße Nord einmünde, nicht leistungsfähig genug, um den stadtauswärts führenden Verkehr aufzunehmen. Zudem gebe es hier erhebliche Fußgängerströme der naheliegenden Pestalozzischule und der großen Kindertagesstätte „Kinder an der Isenach“.

43

Eine Würdigung des Vortrags des Antragstellers und der Argumente der Antragsgegnerin lässt nach Auffassung der Kammer trotz der zweifelsohne gegebenen Probleme in der Kaiserslauterer Straße aufgrund der aufgezeigten Enge der Straße nicht den Schluss zu, dass die von dem Antragsteller begehrte Verkehrsregelung – die Einführung einer Einbahnstraßenregelung – als einzige richtige Behördenentscheidung in Betracht kommt und jede andere verkehrsregelnde Maßnahme ermessensfehlerhaft und unzumutbar wäre. Es sind ebenso andere verkehrsregelnde Maßnahmen denkbar wie z.B. eine Einschränkung des LKW-Verkehrs oder die Anbringung weiterer Poller, um das nach Angaben des Antragstellers häufig stattfindende Befahren des Gehwegs mit Kraftfahrzeugen zu unterbinden. Insofern erscheint es angezeigt, dass sich zunächst die Antragsgegnerin mit dem Begehren des Antragstellers auf Einführung einer Einbahnstraßenregelung in einem eigenständigen Verwaltungsverfahren auseinandersetzt und in diesem Rahmen eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage der aktuellen Sachlage trifft.

44

2.2.3. Fehlt es daher vorliegend an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs, kommt es nicht mehr auf die weitere Frage an, ob sich der Antragsteller daneben auf einen Anordnungsgrund berufen kann und ob dem Erlass einer Regelungsanordnung auch das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegensteht.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

46

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2, 63 Gerichtskostengesetz – GKG –.

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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 11. Jan. 2017 - 4 L 1167/16.NW zitiert 17 §§.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 14


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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 2 Straßenbenutzung durch Fahrzeuge


(1) Fahrzeuge müssen die Fahrbahnen benutzen, von zwei Fahrbahnen die rechte. Seitenstreifen sind nicht Bestandteil der Fahrbahn. (2) Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven od

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 25 Fußgänger


(1) Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fa

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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 11. Jan. 2017 - 4 L 1167/16.NW zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

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Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht. 2

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(1) Fahrzeuge müssen die Fahrbahnen benutzen, von zwei Fahrbahnen die rechte. Seitenstreifen sind nicht Bestandteil der Fahrbahn.

(2) Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholtwerden, an Kuppen, in Kurven oder bei Unübersichtlichkeit.

(3) Fahrzeuge, die in der Längsrichtung einer Schienenbahn verkehren, müssen diese, soweit möglich, durchfahren lassen.

(3a) Der Führer eines Kraftfahrzeuges darf dies bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte nur fahren, wenn alle Räder mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen. Satz 1 gilt nicht für

1.
Nutzfahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft,
2.
einspurige Kraftfahrzeuge,
3.
Stapler im Sinne des § 2 Nummer 18 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung,
4.
motorisierte Krankenfahrstühle im Sinne des § 2 Nummer 13 der Fahrzeug- Zulassungsverordnung,
5.
Einsatzfahrzeuge der in § 35 Absatz 1 genannten Organisationen, soweit für diese Fahrzeuge bauartbedingt keine Reifen verfügbar sind, die den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen und
6.
Spezialfahrzeuge, für die bauartbedingt keine Reifen der Kategorien C1, C2 oder C3 verfügbar sind.
Kraftfahrzeuge der Klassen M2, M3, N2, N3 dürfen bei solchen Wetterbedingungen auch gefahren werden, wenn mindestens die Räder
1.
der permanent angetriebenen Achsen und
2.
der vorderen Lenkachsen
mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen. Soweit ein Kraftfahrzeug während einer der in Satz 1 bezeichneten Witterungslagen ohne eine den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügende Bereifung geführt werden darf, hat der Führer des Kraftfahrzeuges über seine allgemeinen Verpflichtungen hinaus
1.
vor Antritt jeder Fahrt zu prüfen, ob es erforderlich ist, die Fahrt durchzuführen, da das Ziel mit anderen Verkehrsmitteln nicht erreichbar ist,
2.
während der Fahrt
a)
einen Abstand in Metern zu einem vorausfahrenden Fahrzeug von mindestens der Hälfte des auf dem Geschwindigkeitsmesser inkm/hangezeigten Zahlenwertes der gefahrenen Geschwindigkeit einzuhalten,
b)
nicht schneller als 50 km/h zu fahren, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist.
Wer ein kennzeichnungspflichtiges Fahrzeug mit gefährlichen Gütern führt, muss bei einer Sichtweite unter 50 m, bei Schneeglätte oder Glatteis jede Gefährdung Anderer ausschließen und wenn nötig den nächsten geeigneten Platz zum Parken aufsuchen.

(4) Mit Fahrrädern darf nebeneinander gefahren werden, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird; anderenfalls muss einzeln hintereinander gefahren werden. Eine Pflicht, Radwege in der jeweiligen Fahrtrichtung zu benutzen, besteht nur, wenn dies durch Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet ist. Rechte Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 dürfen benutzt werden. Linke Radwege ohne die Zeichen 237, 240 oder 241 dürfen nur benutzt werden, wenn dies durch das allein stehende Zusatzzeichen „Radverkehr frei“ angezeigt ist. Wer mit dem Rad fährt, darf ferner rechte Seitenstreifen benutzen, wenn keine Radwege vorhanden sind und zu Fuß Gehende nicht behindert werden. Außerhalb geschlossener Ortschaften darf man mit Mofas und E-Bikes Radwege benutzen.

(5) Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr müssen, Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr dürfen mit Fahrrädern Gehwege benutzen. Ist ein baulich von der Fahrbahn getrennter Radweg vorhanden, so dürfen abweichend von Satz 1 Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr auch diesen Radweg benutzen. Soweit ein Kind bis zum vollendeten achten Lebensjahr von einer geeigneten Aufsichtsperson begleitet wird, darf diese Aufsichtsperson für die Dauer der Begleitung den Gehweg ebenfalls mit dem Fahrrad benutzen; eine Aufsichtsperson ist insbesondere geeignet, wenn diese mindestens 16 Jahre alt ist. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen. Der Fußgängerverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Soweit erforderlich, muss die Geschwindigkeit an den Fußgängerverkehr angepasst werden. Wird vor dem Überqueren einer Fahrbahn ein Gehweg benutzt, müssen die Kinder und die diese begleitende Aufsichtsperson absteigen.

(1) Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gegangen werden; außerhalb geschlossener Ortschaften muss am linken Fahrbahnrand gegangen werden, wenn das zumutbar ist. Bei Dunkelheit, bei schlechter Sicht oder wenn die Verkehrslage es erfordert, muss einzeln hintereinander gegangen werden.

(2) Wer zu Fuß geht und Fahrzeuge oder sperrige Gegenstände mitführt, muss die Fahrbahn benutzen, wenn auf dem Gehweg oder auf dem Seitenstreifen andere zu Fuß Gehende erheblich behindert würden. Benutzen zu Fuß Gehende, die Fahrzeuge mitführen, die Fahrbahn, müssen sie am rechten Fahrbahnrand gehen; vor dem Abbiegen nach links dürfen sie sich nicht links einordnen.

(3) Wer zu Fuß geht, hat Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten. Wenn die Verkehrsdichte, Fahrgeschwindigkeit, Sichtverhältnisse oder der Verkehrsablauf es erfordern, ist eine Fahrbahn nur an Kreuzungen oder Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen, an Fußgängerquerungshilfen oder auf Fußgängerüberwegen (Zeichen 293) zu überschreiten. Wird die Fahrbahn an Kreuzungen oder Einmündungen überschritten, sind dort vorhandene Fußgängerüberwege oder Markierungen an Lichtzeichenanlagen stets zu benutzen.

(4) Wer zu Fuß geht, darf Absperrungen, wie Stangen- oder Kettengeländer, nicht überschreiten. Absperrschranken (Zeichen 600) verbieten das Betreten der abgesperrten Straßenfläche.

(5) Gleisanlagen, die nicht zugleich dem sonstigen öffentlichen Straßenverkehr dienen, dürfen nur an den dafür vorgesehenen Stellen betreten werden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.


Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. Juli 2011 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt weitere straßenbautechnische und verkehrsrechtliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in einer als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen Straße.

2

Er wohnt mit seiner Familie, zu der zwei minderjährige Kinder gehören, in der P.-Straße (Haus Nr. …) in K.. Wie im vorhabenbezogenen Bebauungsplan der Beklagten aus dem Jahre 2003 (Nr. 211a und b "Im F.") vorgesehen, wurde die P.-Straße als Verbindungsstraße zwischen der Landstraße L 127 im Norden und der parallel dazu verlaufenden B.-Straße im Süden gebaut, und zwar als sogenannte Mischverkehrsfläche ohne separate Gehwege. Entsprechend den Festsetzungen im Bebauungsplan über Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung ist die Straße - mit Ausnahme eines kleinen Teilstücks vor der Einmündung zur Landstraße L 127 - als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen (durch Verkehrszeichen Nr. 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Die Straße liegt in einem allgemeinen Wohngebiet.

3

Bereits seit dem Jahre 2006 wandten sich wiederholt verschiedene Anwohner der P.-Straße an die Beklagte und beschwerten sich darüber, dass die dort vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit nicht eingehalten werde, was auch durch Messungen des ADAC im Mai 2007 bestätigt worden sei. Außerdem werde die Straße in erheblichem Maße als Abkürzung zwischen dem Zentrum des Stadtteils A. und der Landstraße L 127 genutzt. Sie forderten die Beklagte auf, Maßnahmen zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs und der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit zu ergreifen.

4

Daraufhin verbot die Beklagte in der P.-Straße den Verkehr für Kraftfahrzeuge mit einem Gewicht über 3,5 t (durch Verkehrszeichen Nr. 253 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) und ordnete 20 km/h als zulässige Höchstgeschwindigkeit an zu Beginn des Teilstücks nach der Einmündung von der Landstraße L 127 bis zum Anfang des verkehrsberuhigten Bereichs (durch Verkehrszeichen Nr. 274 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO).

5

Mit Schreiben vom 6. Juli 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aus den von ihr bei einer Verkehrszählung am 23. Juni 2009 in der Zeit zwischen 15:00 und 19:00 Uhr festgestellten Zahlen ergebe sich im Wege der Hochrechnung eine durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge von 955 Kraftfahrzeugen. Der hieraus nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen ermittelte Dauerschallpegel liege selbst bei Ansatz ungünstiger Parameter - erhöhte Verkehrsmenge durch Umleitungsverkehr wegen Sperrung der B.-Straße und Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h statt der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit - unter 58 dB(A). Unter Berücksichtigung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im verkehrsberuhigten Bereich werde sogar ein Wert von 55 dB(A) eingehalten.

6

Im Herbst 2009 errichtete die Beklagte in der P.-Straße an drei Stellen Aufpflasterungen (Bodenwellen) und stellte am Straßenrand - im Bereich gegenüber der Stichstraße "Im F." - einen Pflanzkübel auf.

7

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13. August 2010 an die Beklagte erklärte der Kläger, die bisher ergriffenen Maßnahmen hätten weder zu einer Reduzierung des Verkehrsaufkommens noch zur Einhaltung der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit geführt. Er beantrage daher, kurzfristig weitere verkehrsberuhigende bzw. verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa die Schließung der P.-Straße für den Durchgangsverkehr, die Errichtung eines Pollers im Bereich der Einmündung in die Landstraße L 127, die nur von Anliegern geöffnet werden könne, oder die Anordnung einer Einbahnstraßenregelung, hilfsweise die Errichtung weiterer Bodenwellen sowie das Aufstellen weiterer Blumenkübel.

8

Die Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 11. Oktober 2010, dem keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, mit, eine Überprüfung habe gezeigt, dass die Fahrgeschwindigkeit durch die ergriffenen Maßnahmen habe reduziert werden können. Bei einer Messung am 4. August 2010 in der Zeit von 07:48 bis 08:57 Uhr seien nur bei 3 von 48 Fahrzeugen eine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt worden. Der Ortsbeirat habe die Schließung der P.-Straße für den Durchgangsverkehr oder die Errichtung eines Pollers abgelehnt. Hierfür sei zudem eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich. Es sei daher nicht beabsichtigt, den Anträgen des Klägers zu entsprechen. Hiergegen erhob der Kläger unter dem 21. Januar 2011 vorsorglich Widerspruch.

9

Bereits am 13. Januar 2011 hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zu weiteren Maßnahmen zur tatsächlichen Beruhigung des fließenden Verkehrs in der P.-Straße zu verpflichten. Selbst nach der nicht repräsentativen Verkehrszählung von wenigen Stunden im Juni 2009 sei das Verkehrsaufkommen zu hoch. Ein gefahrloser Aufenthalt von Fußgängern, insbesondere von Kindern, sei auf der als Mischverkehrsfläche gebauten Straße nicht möglich. Dies gelte umso mehr, als nach seinen eigenen Verkehrsbeobachtungen - zu denen er mehrere DVDs vorgelegt hat - in der P.-Straße nach wie vor mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren werde. Dies habe bereits zu mehreren Verkehrsunfällen geführt. Der Durchgangsverkehr verursache außerdem eine erhebliche Lärmbelästigung der Anlieger.

10

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2011 der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, durch zusätzliche verkehrsrechtliche und straßenbautechnische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass der fließende Verkehr in der P.-Straße tatsächlich beruhigt wird. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig. Der Kläger sei auch hinsichtlich des Anspruchs auf straßenbautechnische Maßnahmen klagebefugt. § 11 Abs. 3 LStrG diene zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen. Zwar erfolge die Wahrnehmung der Straßenbaulast grundsätzlich nur im öffentlichen Interesse. Wenn aber die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Personengruppen - wie Kinder und Personen mit Kleinkindern - zu den Anliegern einer Straße gehörten, verdichte sich die abstrakte Berücksichtigungspflicht gegenüber der Allgemeinheit zu einer konkreten Berücksichtigungspflicht gegenüber den Anliegern. Die Klage habe auch in der Sache Erfolg. Der Kläger habe einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Durchführung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1b Nr. 4, Abs. 9 Satz 2 StVO. Unschädlich sei, dass die Widmung der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße an einem besonders schweren und offensichtlichen Fehler leide und daher nichtig sei, weil sie nur für Personenkraftverkehr, Krafträder sowie Fahrzeuge zur Versorgung der Anlieger und Fahrzeuge öffentlicher Einrichtungen, aber nicht für Fußgänger- und Fahrradverkehr erfolgt sei. Die Straßenverkehrsordnung sei gleichwohl anwendbar, da es sich hier um eine tatsächlich öffentliche Straße handele. Aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bestehe eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung des Klägers - und der übrigen Anwohner - erheblich übersteige. In einem verkehrsberuhigten Bereich, in dem Fußgänger die gesamte Straßenbreite benutzen und Kinder überall spielen dürften, werde das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung dann erheblich überschritten, wenn diese Benutzungsformen faktisch unmöglich oder nur mit ständigen Unterbrechungen möglich seien. Als Indiz könne auf die Zumutbarkeitskriterien für die Übertragung der Fahrbahnreinigungspflicht auf die Anlieger zurückgegriffen werden. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz sei eine solche Übertragung wegen einer Gefahr für Leib und Leben unzumutbar, wenn ein relativ kontinuierlicher Verkehrsfluss vorhanden sei. Dies sei der Fall bei einer Fahrzeugfrequenz im Abstand von maximal drei Minuten. Hieraus errechne sich eine stündliche Verkehrsmenge von 20 Fahrzeugen. Diese Verkehrsmenge sei selbst nach den Verkehrszählungen der Beklagten etwa um das Zwei- bis Dreifache überschritten. Bei einer Verkehrsdichte von bis zu 48 bzw. 90 Kraftfahrzeugen pro Stunde sei ein überwiegender Aufenthalt von Personen einschließlich spielender Kinder auf der Mischverkehrsfläche nicht möglich. Welche weiteren straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen die Beklagte ergreife, etwa die Anordnung einer Einbahnstraßenregelung oder einer reinen Anliegerstraße, sei in ihr Auswahlermessen gestellt. Überdies habe der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Durchführung straßenbautechnischer Maßnahmen nach § 11 Abs. 3 LStrG.

11

Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Soweit der Kläger weitere straßenbautechnische Maßnahmen begehre, sei er nicht klagebefugt, da § 11 Abs. 3 LStrG keine drittschützende Wirkung zukomme. Er habe auch keinen Anspruch auf Durchführung weiterer verkehrsrechtlicher Maßnahmen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die Nutzung der gesamten Fahrbahnbreite durch Fußgänger und spielende Kinder nicht aufgrund der Verkehrsdichte faktisch unmöglich. Die Rechtsprechung zur Zumutbarkeit der Straßenreinigungspflicht sei mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht übertragbar. Sie verweise auf die Stellungnahme des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz vom 13. September 2011, der die Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht teile. Da im Juni 2009 die B.-Straße und in den Jahren 2008 und 2010/11 die C.-Straße, eine Verbindungsstraße zur Landstraße L 127, mehrere Monate gesperrt gewesen seien, dürfte ein Teil des Verkehrs auf die P.-Straße ausgewichen sein, sodass die früheren Verkehrszählungen nur begrenzt aussagefähig seien. Daher habe sie am Dienstag, dem 8. November 2011 eine Verkehrszählung durchführen lassen. Danach sei ein durchschnittlicher täglicher Verkehr an Werktagen von 758 Kraftfahrzeugen ermittelt worden. Am Nachmittag in der Zeit von 15:00 bis 19:00 Uhr seien 52 bis maximal 69 Fahrzeuge pro Stunde gezählt worden; am Vormittag habe der Spitzenwert 49 Fahrzeuge pro Stunde betragen. Der Anteil des reinen Durchgangsverkehrs liege vormittags bei 56 % und nachmittags bei 55 %. Eine Vorgabe für den maximalen Verkehr in einem verkehrsberuhigten Bereich bestehe nicht. Es sei im Einzelfall zu entscheiden, ob die jeweilige Verkehrsmenge verträglich sei. Dabei sei auch zu beachten, dass nach den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006 (RASt 06), bei einem Wohnweg als der Ausbauform mit der höchsten Aufenthaltsqualität eine Verkehrsstärke bis zu 150 Kraftfahrzeugen pro Stunde noch als verträglich angesehen werde. Die P.-Straße entspreche mit Ausnahme der Länge (bis ca. 100 m) den in den Richtlinien angeführten Kriterien des Straßentyps Wohnweg. Die vom Kläger genannten Verkehrsunfälle in der P.-Straße hätten zu keinen Personenschäden geführt und beruhten im Übrigen alle auf individuellen Fahrfehlern.

12

Die Beklagte beantragt,

13

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. Juli 2011 die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger verteidigt unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Der Senat hat am 25. April 2012 eine Ortsbesichtigung zum baulichen Zustand der P.-Straße und zu den dortigen Verkehrsverhältnissen durchgeführt. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift über den Ortstermin verwiesen. Bezüglich der Angaben des Ortsvorstehers von K., der Vertreterin des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz und des ehemaligen Baudirektors der Beklagten, Herrn Prof. D., in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2012 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Hinsichtlich der Ergebnisse der Verkehrserhebung vom 8. November 2011 im Einzelnen wird auf den Bericht des beauftragten Ingenieurbüros (Bl. 232 ff. der Gerichtsakte) verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Verwaltungsakten einschließlich des Bebauungsplans und die Gerichtsakte 3 L 1425/08.KO Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

17

Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen.

18

1. Soweit der Kläger zusätzliche straßenbautechnische Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der P.-Straße in K. begehrt, ist die Klage unzulässig. Die Klage ist zwar als Verpflichtungsklage statthaft. Der Kläger kann aber nicht geltend machen, in seinen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt zu sein.

19

a) Richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO. Bei den vom Kläger begehrten straßenbautechnischen Maßnahmen dürfte es sich zwar um schlichte Realakte handeln. Die ihnen vorgelagerte Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche weiteren Maßnahmen zu ergreifen sind, enthält jedoch eine Regelung im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG und stellt somit einen Verwaltungsakt dar.

20

b) Die Klage ist aber unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis fehlt. Die Klage auf Erlass eines Verwaltungsaktes setzt nach § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss hiernach auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich sein. Diese Möglichkeit ist auszuschließen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. BVerwG, Teilurteil vom 13. Dezember 2006 - 6 C 23/05 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 42 Rn. 65 f. m. w. N.). Dies ist hier der Fall.

21

Ein subjektives öffentliches Recht liegt dann vor, wenn ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass die Träger der Individualinteressen die Einhaltung des Rechtssatzes sollen verlangen können (sogenannte Schutznormtheorie, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 1985 - 8 C 43/83 -, juris, Rn. 15; Kopp/Schenke, a. a. O., § 42 Rn. 66 und 78 ff. m. w. N.).

22

§ 11 Abs. 3 Satz 1 Landesstraßengesetz - LStrG - dient entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht auch dem Schutz von Interessen des Klägers und kann daher kein subjektives Recht zu seinen Gunsten begründen.

23

Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG hat der Träger der Straßenbaulast die Straße nach den Erfordernissen der Sicherheit und Ordnung zu bauen; beim Neu- und Ausbau von Straßen sind die besonderen Belange der Kinder, der Personen mit kleinen Kindern sowie der behinderten und alten Menschen im Rahmen der technischen Möglichkeiten zu berücksichtigen mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, soweit nicht überwiegende andere öffentliche Belange, insbesondere Erfordernisse der Verkehrssicherheit, entgegenstehen.

24

Die Straßenbaulast besteht als öffentliche Aufgabe ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit (vgl. Tegtbauer, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Seite 478 m. w. N.). Da § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG nur die öffentliche Aufgabe der Straßenbaulast nach § 11 Abs. 1 LStrG konkretisiert und nicht auch dem Schutz der Interessen einzelner Personen zu dienen bestimmt ist, begründet die Vorschrift keinen Anspruch darauf, dass und wie die Straßenbaulast wahrgenommen wird (so im Ergebnis auch die Vorinstanz noch in VG Koblenz, Urteil vom 26. April 2010 - 4 K 1138/09.KO -, juris, Rn. 27 m. w. N.). Etwas anderes gilt auch nicht für die in § 11 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. LStrG ausdrücklich erwähnten Personengruppen der Kinder, der Personen mit kleinen Kindern sowie der behinderten und alten Menschen. Da § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG die Aufgabe des Straßenbaulastträgers umschreiben und ihm Ziele für die Aufgabenerfüllung vorgeben will, dient die Erwähnung besonders schutzwürdiger Gruppen von Verkehrsteilnehmern nicht der Begründung individueller Schutzansprüche, sondern der Erläuterung genereller Zielvorgaben (vgl. zu der vergleichbaren Bestimmung in Art. 9 Abs. 1 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes Häußler, in: Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand September 2011, Art. 9 Rn. 4 am Ende). Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht insbesondere auch die darin verwendete Formulierung, wonach die besonderen Belange der genannten Personengruppen beim Neu- und Ausbau von Straßen zu berücksichtigen sind, soweit nicht überwiegende "andere öffentliche Belange" entgegenstehen. Die besonderen Belange der erwähnten Personengruppen zählen demnach im Rahmen der Wahrnehmung der Straßenbaulast ebenfalls zu den öffentlichen Belangen, so dass ihre ausdrückliche Erwähnung nicht dem Schutz individueller Interessen zu dienen bestimmt ist. Der Umstand, dass diese Personen - wie im vorliegenden Fall der Kläger - auch zu den Anliegern einer Straße gehören können, vermag hieran nichts zu ändern. Dass ihm aus dem sogenannten Anliegergebrauch ein subjektives Recht auf Durchführung weiterer Straßenbaumaßnahmen zustünde, macht der Kläger selbst nicht geltend.

25

2. Soweit der Kläger weitere straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der P.-Straße begehrt, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

26

a) Die Klage ist insoweit zulässig. Der Kläger kann geltend machen, durch die Ablehnung bzw. das Unterlassen der von ihm begehrten straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen in seinen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt zu sein.

27

Ein diesbezügliches subjektives öffentliches Recht des Klägers kann ihm aus § 45 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4b Satz 1 Nr. 3 und 4 und Abs. 9 Straßenverkehrsordnung - StVO - zustehen. Danach können die Straßenverkehrsbehörden aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs verkehrsbeschränkende Maßnahmen anordnen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO) und auch die notwendigen Anordnungen treffen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in verkehrsberuhigten Bereichen (vgl. § 45 Abs. 1b Nr. 3 und 4 StVO). Zwar sind diese Vorschriften grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Interessen Einzelner gerichtet (vgl. BVerwGE 74, 234 [236] m. w. N.). Es ist aber in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass der Einzelne einen - auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten - Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten haben kann, wenn die Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfasst die Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Dazu gehört ferner im Vorfeld der Grundrechte der Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen (vgl. nochmals BVerwGE 74, 234 [236] m. w. N.).

28

Der Kläger begehrt von der Beklagten, durch verkehrsrechtliche Maßnahmen zu sorgen, dass der fließende Verkehr in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße tatsächlich beruhigt wird. Er macht geltend, angesichts der hohen Verkehrsdichte und der überhöhten Geschwindigkeit der Fahrzeuge sei ihm - und auch seinen beiden minderjährigen Kindern - ein Aufenthalt als Fußgänger auf der Straße, die als Mischverkehrsfläche ausgebaut worden sei und in ihrer ganzen Breite von Fußgängern und spielenden Kindern genutzt werden dürfe, ohne Gefahr für Leib und Leben nicht möglich. Eine Verletzung seiner durch § 45 StVO geschützten Individualinteressen ist nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen.

29

Die Klage ist auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens als sogenannte Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Denn über den Antrag des Klägers vom 13. August 2010, weitere verkehrsberuhigende bzw. verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, ist ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden. Das Schreiben der Beklagten vom 11. Oktober 2010 stellt nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten keinen Verwaltungsakt dar, sondern eine bloße Mitteilung ohne Regelungswirkung. Eine förmliche Ablehnungsentscheidung ist daher bis heute nicht erfolgt.

30

b) Die Klage ist unbegründet.

31

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrten weiteren verkehrsrechtlichen Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße.

32

aa) Im Ergebnis zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Straßenverkehrsordnung in der P.-Straße Anwendung findet, weil es sich um eine öffentliche Straße und damit um Straßenverkehr im Sinne von § 1 StVO handelt (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 1 StVO Rn. 5). Dies folgt bereits aus der straßenrechtlichen Widmung, die entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht wegen eines besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehlers nichtig ist. Die Widmung umfasst auch den Fußgänger- und Fahrradverkehr, so dass der vom Verwaltungsgericht gerügte Fehler, die P.-Straße dürfe als verkehrsberuhigter Bereich nach der straßenrechtlichen Widmung ausschließlich mit Kraftfahrzeugen und Krafträdern befahren werden, nicht vorliegt. Wie der vorgelegten Behördenakte zu entnehmen ist (vgl. Bl. 38), enthält die Widmung der P.-Straße nämlich keine Beschränkung "auf" den Kraftfahrzeugverkehr, sondern lediglich eine Einschränkung "für" den Kraftfahrzeugverkehr, so dass der Fußgänger- und Fahrradverkehr hiervon nicht betroffen und vom Widmungszweck nicht ausgeschlossen ist.

33

bb) Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Sie treffen auch die notwendigen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in verkehrsberuhigten Bereichen (vgl. § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und 4 StVO). Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (vgl. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO).

34

Im vorliegenden Fall sind keine weiteren verkehrsrechtlichen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße notwendig. Die nach der aktuellen Verkehrszählung vom 8. November 2011 ermittelte Verkehrsdichte ist noch nicht so hoch, dass die in einem verkehrsberuhigten Bereich geltenden Ge- und Verbote faktisch nicht mehr eingehalten werden können, weil dort ein Aufenthalt von Fußgängern und spielenden Kindern ohne eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefährdung für Leib und Leben faktisch nicht mehr möglich wäre.

35

In einem verkehrsberuhigten Bereich müssen nach der Straßenverkehrsordnung Fahrzeugführer mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Fahrzeugführer dürfen Fußgänger weder gefährden noch behindern; wenn nötig müssen Fahrzeugführer warten. Fußgänger dürfen den Fahrverkehr nicht unnötig behindern. Außerdem dürfen Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen; Kinderspiele sind überall erlaubt (vgl. Verkehrszeichen Nummer 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Nach den Verwaltungsvorschriften zu dem Verkehrszeichen 325.1 (abgedruckt bei Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a. a. O., Anhang zur StVO) kommt ein verkehrsberuhigter Bereich nur für einzelne Straßen oder für Bereiche mit überwiegender Aufenthaltsfunktion und sehr geringem Verkehr in Betracht. Die Straßen müssen durch ihre besondere Gestaltung den Eindruck vermitteln, dass die Aufenthaltsfunktion überwiegt und der Fahrzeugverkehr eine untergeordnete Bedeutung hat. In der Regel wird ein niveaugleicher Ausbau für die ganze Straßenbreite erforderlich sein.

36

Dem Kläger ist einzuräumen, dass im Hinblick auf diese Aufenthaltsfunktion eines verkehrsberuhigten Bereichs die Planung der P.-Straße nicht unproblematisch ist. Sie ist nämlich einerseits von der Beklagten bereits im Bebauungsplan als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen und dementsprechend als Mischverkehrsfläche ohne separate Gehwege gebaut worden, andererseits aber von Anfang an als eine Verbindungsstraße zwischen der B.-Straße im Ortszentrum von K. und der Landstraße L127 geplant worden. Nach den Angaben der Vertreterin der Beklagten und des Ortsvorstehers von K. in der mündlichen Verhandlung des Senats sollte die P.-Straße als Verbindungsstraße zur Landstraße L127 nicht nur eine weitere Belastung der vorhandenen Verbindungen der B.-Straße durch das dortige Neubaugebiet vermeiden, sondern sogar eine gewisse Entlastung bringen. Da in einem verkehrsberuhigten Bereich die Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen dürfen und Kinderspiele überall erlaubt sind, läuft eine solche Planung, die zur Entlastung vorhandener Straßen den dortigen Durchgangsverkehr teilweise in die neu gebaute P.-Straße umleiten will, deren Ausweisung und Ausbau als verkehrsberuhigter Bereich und der damit verbundenen Aufenthaltsfunktion tendenziell zuwider. Denn mit zunehmender Verkehrsdichte verringert sich für Fußgänger und spielende Kinder die Möglichkeit, den verkehrsberuhigten Bereich seiner Aufenthaltsfunktion entsprechend tatsächlich zu benutzen, ohne sich einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung für Leib oder Leben auszusetzen.

37

Gleichwohl kann nach der aktuellen Verkehrszählung vom 8. November 2011 eine solche Gefährdung in der P.-Straße nicht festgestellt werden. Die gemessene Verkehrsdichte ist noch nicht so hoch, dass ein Aufenthalt von Fußgängern und spielenden Kindern auf der Straße ohne eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefährdung für Leib und Leben faktisch nicht mehr möglich wäre.

38

Nach der Verkehrszählung vom 8. November 2011, einem Dienstag außerhalb der Schulferien, wurde ein durchschnittlicher täglicher Verkehr an Werktagen von 758 Kraftfahrzeugen ermittelt. Am Vormittag in der Zeit von 7:00 bis 10:00 Uhr wurden maximal 49 Fahrzeuge pro Stunde gezählt, am Nachmittag in der - gerade für Kinderspiel bedeutsamen - Zeit von 15:00 bis 19:00 Uhr zwischen 52 und maximal 69 Fahrzeugen; die Spitzenstunde mit 69 Fahrzeugen lag zwischen 16:15 Uhr und 17:15 Uhr. Der Anteil des reinen Durchgangsverkehrs betrug vormittags 56 % und nachmittags 55 %. Fast jede zweite Fahrt war Ziel- oder Quellverkehr des Wohngebiets entlang der P.-Straße. Früheren Verkehrszählungen kommt keine maßgebliche Bedeutung mehr zu, da die hierbei ermittelten Zahlen nicht mehr hinreichend aktuell und teilweise auch deswegen nicht ausreichend verlässlich sind, weil sie erhoben wurden, als wegen Bauarbeiten die B.-Straße bzw. die C.-Straße, eine Verbindungsstraße zur Landstraße L127, gesperrt waren, so dass während dieser Zeiten von Ausweichverkehr durch die P.-Straße ausgegangen werden muss.

39

Es kann offen bleiben, ob ab einer bestimmten Verkehrsdichte generell in verkehrsberuhigten Bereichen ein Aufenthalt für Fußgänger und spielende Kinder wegen einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung faktisch unmöglich ist oder ob eine solche Gefährdung abhängig ist von der Lage des verkehrsberuhigten Bereichs (wie Stadtzentrum, Stadtrand oder Dorf) und den sonstigen Umständen des Einzelfalles. Ebenso kann dahinstehen, ob zur Beurteilung einer solchen Gefährdung auf die in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) als verträglich angegebene Verkehrsstärke für "Wohnwege" zurückgegriffen werden kann. Der vorliegende Fall gibt auch keine Veranlassung, die Frage abschließend zu klären, ab welcher Verkehrsdichte in der P.-Straße eine solche Gefährdung anzunehmen wäre. Es genügt hier festzustellen, dass die genannte aktuelle Verkehrsdichte noch nicht so hoch ist, dass von einer solchen Gefährdung ausgegangen werden kann.

40

Für diese Einschätzung ist insbesondere von maßgeblicher Bedeutung, dass Fahrzeuge in einem verkehrsberuhigten Bereich anders als auf sonstigen innerörtlichen Straßen nur Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen, wie oben ausgeführt (vgl. nochmals Verkehrszeichen Nummer 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Schrittgeschwindigkeit ist eine sehr langsame Geschwindigkeit, die in etwa der eines normal gehenden Fußgängers entspricht. Es kann dahinstehen, ob dies eine Geschwindigkeit von maximal 7, 10 oder 15 km/h bedeutet. Sie muss jedenfalls deutlich unter 20 km/h liegen (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 42 StVO Rn. 147 und 181 m. w. N.). Bei einer solch langsamen Geschwindigkeit des Fahrzeugverkehrs, das heißt nicht nur von Kraftfahrzeugen, sondern auch von Mopeds, Mofas und Fahrrädern (vgl. König, a. a. O., § 42 StVO Rn. 147), besteht eine erheblich geringere Gefahr für Personen, die sich in einem verkehrsberuhigten Bereich auf der Straße aufhalten, als auf sonstigen Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften, auf denen eine Geschwindigkeit bis zu 50 km/h zulässig ist (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Dies gilt auch für spielende Kinder, zumal für Fahrzeugführer in verkehrsberuhigten Bereichen die besondere Sorgfaltspflicht besteht, sich auf plötzlich auftauchende Kinder einzustellen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2004, 1887; König, a. a. O., § 42 StVO Rn. 181, jeweils m. w. N.).

41

Aus diesem Grunde kann auch für die Beurteilung einer Gefährdung von Personen auf einer verkehrsberuhigten Straße nicht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz zur Unzumutbarkeit der Übertragung der Straßenreinigungspflicht auf die Anlieger herangezogen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12. August 1999 - 1 C 10016/99.OVG - eine solche Unzumutbarkeit wegen einer Gefährdung von Leib und Leben des die Fahrbahn reinigenden Anliegers in einem Fall bejaht, in dem ein relativ kontinuierlicher Verkehrsfluss mit einer zeitlichen Lücke von maximal drei Minuten, großteils sogar minütlicher Kraftfahrzeugverkehr zu verzeichnen war. Diese Annahme einer Gefährdung von Leib und Leben von Personen auf der Fahrbahn bezieht sich indes auf normale Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Sie kann daher auf eine als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesene Straße, in der lediglich Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf, nicht übertragen werden.

42

Vor diesem Hintergrund erscheint die in der P.-Straße festgestellte Verkehrsdichte mit 758 Fahrzeugen an einem Werktag und 52 bis maximal 69 Fahrzeugen am Nachmittag in der - gerade für Kinderspiel bedeutsamen - Zeit von 15:00 bis 19:00 Uhr noch nicht so hoch, dass von einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung von Leib und Leben für Personen ausgegangen werden kann, die sich als Fußgänger oder beim Kinderspiel auf der Straße aufhalten. Der Senat hält daher auch die Einschätzung des ehemaligen Baudirektors der Beklagten für plausibel, dass kein wesentlicher Unterschied zwischen der P.-Straße und anderen verkehrsberuhigten Bereichen im Gebiet der Beklagten besteht. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung der Vertreterin des Landesbetriebs Mobilität in der mündlichen Verhandlung, dass die P.-Straße nach ihrer baulichen Gestaltung mit Verschwenkungen und Auflastungen und ohne separate Gehwege vom äußeren Erscheinungsbild keine "klassische" Verbindungsstraße ist. Dies wird auch durch die Verkehrszählung vom 8. November 2011 insofern bestätigt, als danach nahezu jede zweite Fahrt durch die P.-Straße kein Durchgangsverkehr, sondern Ziel- und Quellverkehr ist.

43

Soweit der Kläger geltend macht, viele Fahrzeugführer hielten sich nicht an die in der P.-Straße vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit, kann dies die begehrten verkehrsrechtlichen Maßnahmen - wie etwa eine Einbahnstraßenregelung oder die Anordnung einer reinen Anliegerstraße - nicht rechtfertigen. Maßgeblich für die Notwendigkeit einer Anordnung zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesem verkehrsberuhigten Bereich wegen einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung von Personen auf der Straße ist, ob die festgestellte Verkehrsdichte bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit eine solche Gefahr begründet. Wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit tatsächlich vielfach überschritten, so ist es hingegen Aufgabe der Beklagten, durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch häufigere Geschwindigkeitskontrollen darauf hinzuwirken, dass die vorgeschriebene Geschwindigkeit grundsätzlich beachtet wird.

44

Sollte das Verkehrsaufkommen in der P.-Straße allerdings künftig deutlich ansteigen, kann die Frage der Gefährdung von Personen, die sich auf der Straße aufhalten, neu zu bewerten sein.

45

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass verkehrsbeschränkende Maßnahmen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm erforderlich wären (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 StVO), nachdem bei einer Verkehrszählung am 23. Juni 2009 ein Dauerschallpegel unter 58 dbA ermittelt worden ist, obwohl dort eine höhere Verkehrsmenge (955 Kraftfahrzeuge pro Tag) als die aktuelle gemessene Menge und auch eine höhere Fahrgeschwindigkeit (30 km/h) als die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit der Berechnung zu Grunde gelegt worden sind.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

47

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

48

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

49

Beschluss

50

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die am 14. August 2015 erteilte Erlaubnis zur Durchführung einer Radsportveranstaltung (Radrennen) am 12. September 2015 in R.. gemäß § 80 Abs. 5 i. V. m. § 80a Abs. 3 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.

2

Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der dem Beigeladenen nach §§ 29 Abs. 2, 44 und 45 Straßenverkehrsordnung – StVO – erteilten Erlaubnis, am 12. September 2015 in der Zeit von 14:30 Uhr bis 20:00 Uhr entsprechend dem dem Bescheid vom 14. August 2015 beigefügten Streckenplan auf den Straßen H.straße (K 54) – H. Straße (K 56) – R.straße (Gemeindestraße) – K.straße (Gemeindestraße) in R.. ein Radrennen zu veranstalten, ist in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügenden Weise begründet worden. Das Begründungserfordernis nach dieser Vorschrift ist rein formeller Natur. Notwendig und zugleich ausreichend ist, dass die Begründung erkennen lässt, dass und warum die Behörde dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt. Dies ist hier geschehen.

3

Für die nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO von dem Gericht zu treffende Ermessensentscheidung sind die gegenläufigen Interessen der Antragstellerin und des Beigeladenen gegeneinander abzuwägen.

4

Bei der Entscheidung über die Anträge nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine Ermessensentscheidung, bei der die Interessen aller am Verfahren Beteiligter zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kommt der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14. August 2015 erhebliche Bedeutung zu. Ist nach dieser Prüfung davon auszugehen, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen diesen Bescheid voraussichtlich Erfolg haben wird, spricht dies für ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegenüber dem Interesse des Beigeladenen an der Durchführung der Radsportveranstaltung. Bleibt der Widerspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil der Betroffenen ausfallen, da dann das von der Behörde geltend gemachte besondere Interesse am Sofortvollzug überwiegen wird. Sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens offen, ist im Rahmen der oben genannten Abwägung das Interesse der Antragstellerin, mit dem Vollzug des Verwaltungsaktes vor dessen Bestandskraft nicht überzogen zu werden, abzuwägen mit dem besonderen öffentlichen Interesse, den angefochtenen Verwaltungsakt schnellstmöglich zu vollziehen. Maßstab für diese Abwägung ist ein Vergleich der Verhältnisse einerseits für den angenommenen Fall, dass die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren jedoch bestätigt wird, mit andererseits der angenommenen Konstellation, dass der Sofortvollzug bestehen bleibt, der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren jedoch aufgehoben wird.

5

Im vorliegenden Fall ergibt die gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung, dass der Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. August 2015 mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Recht ergangen ist.

6

Nach § 29 Abs. 2 StVO bedürfen Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, der Erlaubnis. Dies ist nach Satz 2 der Vorschrift der Fall, wenn die Benutzung der Straße für den Verkehr wegen der Zahl oder des Verhaltens der Teilnehmenden oder der Fahrweise der beteiligten Fahrzeuge eingeschränkt wird. Die Entscheidung über einen Erlaubnisantrag steht im Ermessen der Verkehrsbehörde; die Erlaubnis darf durch Inhalts- und Nebenbestimmungen eingeschränkt werden, wenn und soweit dies nach Sinn und Zweck des Gesetzes erforderlich ist, wobei Maßstab für Einschränkungen die Erfordernisse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sind.

7

Es ist offensichtlich, dass die Voraussetzungen des Satzes 2 von § 29 Abs. 2 StVO erfüllt sind, wenn auf öffentlichen Straßen eine Radsportveranstaltung (Radrennen) stattfinden soll; denn für eine solche Veranstaltung müssen aus Gründen der Verkehrssicherheit die in Anspruch zu nehmenden Straßen für den sonstigen Fahrzeugverkehr gesperrt werden. Eine entsprechende verkehrsbehördliche Anordnung für die betroffenen Straßen hat die Antragsgegnerin unter Ziffer II des Bescheids vom 14. August 2015 erlassen und diese mit Auflagen und Nebenbestimmungen versehen.

8

Es ist davon auszugehen, dass die Vorschrift des § 29 Abs. 2 StVO drittschützend ist und bei der Entscheidung über Erlaubnisanträge die Interessen der Nachbarschaft, insbesondere ihr Anliegergebrauch, in ausreichendem Umfang zu berücksichtigen sind. Bei der Erteilung der Erlaubnis für die Radsportveranstaltung am 12. September 2015 hat die Antragsgegnerin somit nicht nur auf die Interessen der Antragstellerin als Anliegerin der H.straße Rücksicht zu nehmen, sondern auch auf die Interessen des Veranstalters und eines Teils der Allgemeinheit, die ein Interesse an solchen Veranstaltungen hat. Die Straßenverkehrsordnung bietet in § 29 Abs. 2 StVO und den dazu erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften für die Durchführung einer derartigen Veranstaltung einen gesetzlichen Rahmen. In diesem Rahmen hat die Antragsgegnerin als zuständige Verkehrsbehörde den Interessen aller Beteiligten Rechnung zu tragen und eine Abwägung vorzunehmen.

9

Die Antragsgegnerin hat die Belange der Antragstellerin, nämlich ihr Anliegerrecht, in ihre Entscheidung mit einbezogen und zutreffend gewichtet.

10

Der Anliegergebrauch vermittelt keine aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz – GG – ableitbare Rechtsposition. Wie weit er gewährleistet ist, richtet sich vielmehr nach dem einschlägigen Straßenrecht, dessen Regelungsbereich das Nachbarschaftsverhältnis zwischen Straße und angrenzenden Grundstücken mit umfasst. Auch in diesem Normzusammenhang hat der Gesetzgeber in Erfüllung des ihm in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen. Hierbei hat er einerseits dem Gewährleistungsgehalt des in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG grundgesetzlich anerkannten Privateigentums und andererseits dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen. Da die Straße als öffentliche Einrichtung nicht allein der Erschließung der Anliegergrundstücke, sondern schwergewichtig dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis in seinen unterschiedlichen Ausgestaltungen dient, muss ein Ausgleich zwischen einer Vielzahl von Interessen erfolgen. Auf die Belange der Anlieger ist insofern in spezifischer Weise Rücksicht zu nehmen, als dieser Personenkreis in besonderem Maße auf den Gebrauch der Straße angewiesen ist. Die Zufahrt bzw. der Zugang zur Straße schafft die Grundvoraussetzungen, derer es bedarf, um an der verkehrlichen Kommunikation teilzunehmen. Ein Abwehrrecht steht dem Anlieger nur so weit zu, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums die Verbindung mit der Straße erfordert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 VR 7.99 –, juris, Rn. 5). Allerdings hat ein Anlieger keinen Anspruch darauf, dass die Erreichbarkeit seines Grundstücks mit einem Kraftfahrzeug jederzeit gewährleistet ist (BVerfG, Urteil vom 1. September 1990 – 1 BvR 988/90 –, NVwZ 1991, 358; BVerwG, Urteil vom 8. September 1993 – 11 C 38/92 –, juris; VG Freiburg, Beschluss vom 20. Juli 2000 – 9 K 1603/00 –, NVwZ-RR 2001, 540).

11

Die Antragstellerin rügt, dass ihr Weingut während der Traubenlese (vom 17. August bis voraussichtlich Ende Oktober 2015) am 12. September 2015 – einem Samstag – während der Zeit von 14:30 Uhr bis 20:00 Uhr nicht über die H.straße in R.. zu erreichen sein werde; eine andere Zufahrt existiere nicht. Um die Trauben zu ihrem Weingut zu bringen und den Frischmost jederzeit abholen zu lassen, um ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen zu können, sei sie auf die ununterbrochene An- und Abfahrtsmöglichkeit über die H.straße angewiesen.

12

Die kurzzeitige Sperrung der H.straße in R.. von 14:30 Uhr bis 20:00 Uhr am 12. September 2015 stellt keine der Antragstellerin nicht mehr zumutbare Unterbrechung des Anliegergebrauchs dar. Das erste Radrennen am 12. September 2015 beginnt um 15:15 Uhr und das letzte Radrennen wird um 19:00 Uhr gestartet, so dass die verfügte Straßensperrung auch auf das zeitlich unbedingt notwendige Maß beschränkt ist. Bis zur Sperrung der H.straße um 14:30 Uhr und nach Aufhebung der Straßensperrung um 20:00 Uhr am 12. September 2015 kann die Antragstellerin, wie auch vier weitere in den für den allgemeinen Fahrzeugverkehr gesperrten Straßen in R.. ansässige Weingüter, Lesegut zu ihrem Weingut verbringen. Ihre vertraglichen Verpflichtungen mit dem Weingut A. in E. kann die Antragstellerin trotz der streitgegenständlichen Straßensperrung erfüllen. Denn ausweislich der von ihr vorgelegten Liefer- und Abnahmevereinbarungen für Trauben vom 22. Juli 2015 hat sie Trauben zu liefern. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund ihr die Anlieferung von gelesenen Trauben von ihren Weingärten an das genannte Weingut nicht möglich sein sollte.

13

Die Antragstellerin macht weiter geltend, sie beliefere die Weinkommission D. in St. Martin bzw. das Weingut A. auch mit Frischmost und aus diesem Grund müsse ihr Anwesen in der H.straße 20 in R.. mit LKW angefahren werden. Nicht vorgetragen ist, dass zwischen 14:30 Uhr und 20:00 Uhr am 12. September 2015 bereits eine Abholung von Frischmost mit LKW fest geplant sei. Eine Vereinbarung, Frischmost kurz vor der Straßensperrung abholen zu lassen, müsste angesichts des zeitlichen Vorlaufs für die Straßensperrung möglich sein. Laut Antragsgegnerin ist Frischmost in der Regel auch 24 Stunden haltbar, so dass der am späten Vormittag des 12. September 2015 gewonnene Süßmost nach 20:00 Uhr am 12. September 2015 bzw. am Vormittag des 13. September 2015 noch im Weingut der Antragstellerin abgeholt werden könnte, ohne dass dies Qualitätsprobleme beim Frischmost verursachen dürfte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin selbst vorträgt, Verladungen von Lesegut, dann wohl auch von Frischmost, würden in der Weinlesezeit auch zur Nachtzeit stattfinden. Zu dieser Zeit wird ihr Betrieb aber wieder von LKWs angefahren werden können.

14

Des Weiteren macht die Antragstellerin geltend, Frischmost könne stündlich von dem zu beliefernden Weingut A. abgerufen werden und müsse dann unverzüglich (binnen 2 – 3 Stunden) mit LKWs geliefert werden. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, dass sie über entsprechende Kraftfahrzeuge zum Transport von Frischmost an diese Kellerei verfüge, so dass eine Spedition tätig werden muss. Die Antragsgegnerin hat nach Rücksprache mit Weinkommissionären aber erklärt, dass die Verladung von Frisch(Süß)most regelmäßig eine Vorlaufzeit von 24 Stunden bei einer Spedition habe. Dies erlaubt es der Antragstellerin – auch in Absprache mit der zu beliefernden Kellerei –, sich auf die relativ kurzzeitige Sperrung der H.straße in R.. von 14:30 Uhr bis 20:00 Uhr am 12. September 2015 einzurichten. Bis bzw. ab den genannten Uhrzeiten ist die H.straße wieder für den öffentlichen Verkehr freigegeben und alle Verkehrsteilnehmer haben sich danach zu richten.

15

Die von der Antragstellerin zur Stützung ihres Vorbringens vorgelegte Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz vom 23. Juli 2015 ist allgemein gehalten. Es ist so nicht ersichtlich, ob dieser Stelle die Dauer der Straßensperrung bekannt war und sie bereits die kurzzeitige Straßensperrung am 12. September 2015 – anders als die anderen von der Straßensperre betroffenen Winzer in R.. – für unzumutbar hält.

16

Auf die von der Antragstellerin angeführte Problematik Kirschessigfliege, die eine Traubenernte dringlich erscheinen lassen könne, geht die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 23. Juli 2015 überhaupt nicht ein. Die Lebens- und insbesondere die Vermehrungsbedingungen für die Kirschessigfliege dürften angesichts der diesjährigen Umweltbedingungen (Temperaturen über 30°C und insbesondere 32°C, siehe Wikipedia, Stichwort: Kirschessigfliege) nicht optimal gewesen sein, so dass kaum mit einer Kirschessigfliegenplage zu rechnen sein dürfte, jedenfalls nicht innerhalb der hier in Rede stehenden kurzen Zeitspanne von 5 ½ Stunden. Eine Bedrohungslage für Rebenflächen, d. h. Ertragsanlagen, wurde bisher für die Anbauflächen in der Pfalz auch nicht publiziert.

17

Bei der Erteilung der Erlaubnis für die Radsportveranstaltung am 12. September 2015 hat die Antragsgegnerin aber nicht nur auf die Interessen der Anlieger – hier: der Antragstellerin – Rücksicht zu nehmen, sondern auch auf die Interessen des Veranstalters – hier: des Beigeladenen – und eines Teils der Allgemeinheit, die ein Interesse an solchen Veranstaltungen hat. Innerhalb des mit § 29 Abs. 2 StVO und den dazu erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften für die Durchführung einer derartigen Veranstaltung vorgegebenen gesetzlichen Rahmens hat die Antragsgegnerin als zuständige Verkehrsbehörde den Interessen aller Beteiligten Rechnung zu tragen und eine Abwägung dieser Interessen vorzunehmen.

18

Bei der genehmigten Radsportveranstaltung, an der auswärtige und einheimische Radsportanhänger teilnehmen, von der laut Antragsgegnerin nicht nur der Veranstalter, sondern auch die örtliche Winzerschaft, Gastronomie und weitere Gewerbetreibende profitieren, handelt es sich um eine Traditionsveranstaltung. Zwar findet sie üblicherweise am letzten Juli-Wochenende anlässlich des „Weinfestes der Gemeinde“ statt. Die Gründe für die diesjährige Verschiebung der Radsportveranstaltung in den September sind den der Kammer vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Laut Antragsgegnerin sind in Rheinland-Pfalz in dem Zeitraum zwischen dem 1. Juli und 30. September 2015 insgesamt 43 derartige Veranstaltungen geplant. Im Hinblick hierauf und auch auf den potentiellen Teilnehmerkreis für solche Rennveranstaltungen stand für den Beigeladenen, sollte das Radrennen dieses Jahr nicht ausfallen, nur der 12. September 2015 zur Verfügung.

19

Die von der Antragsgegnerin vorzunehmende Interessenabwägung konnte angesichts der vorstehenden Ausführungen zu Lasten der Antragstellerin ausgehen, der eine Hinnahme der Radsportveranstaltung und der damit verbundenen 5 ½-stündigen Sperrung der H.straße in R.. zugemutet werden kann.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.

21

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Eine Reduzierung des Regelstreitwerts entsprechend der Empfehlung in Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (NVwZ 2013, Beilage 58) war nicht geboten, da sich die Hauptsache am 12. September 2105 um 20:00 Uhr erledigen wird.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 19. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Allgemeinverfügung des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein, mit der die Einziehung des Landeshafens Friedrichskoog verfügt wird.

2

Der Hafen Friedrichskoog ist ein an der Nordseeküste gelegener Landeshafen im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein. Der Hafen besteht aus einem etwa 700 m langen Hafenbecken mit Kaianlage, einer Hochwasserschutzschleuse und seeseitig einem ca. 2 km langen Hafenpriel mit einem Leitdamm. Über den Hafen werden 2 Köge entwässert, er dient damit auch als Vorfluter.

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Ein Vorläufer des Hafens entstand um das Jahr 1854 herum nach der vollendeten Eindeichung des Friedrichskooges im Außentief. Seit 1883 siedelten sich dort Krabbenkutter an. In den Jahren 1934/1935 wurde im Rahmen der Eindeichung der Dieksander Bucht vor dem Hafenbecken eine Hochwasserschleuse mit zwei Fluttorpaaren gebaut. Dadurch erlangte der Hafen seine heutige Form eines sturmflutsicheren Binnenhafens. Im Jahre 1937 ging die Hafenunterhaltung aus der preußischen Staats- und Domänenverwaltung wegen der Bedeutung für die Fischerei in die Zuständigkeit der Wasserstraßenverwaltung des Deutschen Reiches über.

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Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Hafen vom Land Schleswig-Holstein als Rechtsnachfolgerin übernommen und wird seitdem als landeseigener Hafen betrieben.

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Im Jahre 1950 wurde der Hafendamm um weitere 200 m Basaltleitdamm bis zum Hafenfeuer verlängert, um die Strömung, die zur Verschlickung des Hafens führt, noch weitergehend abzufangen. Diese bauliche Maßnahme hat die Verschlickung nicht aufgehalten. Mit der Flut gelangen jeweils mehr Sedimente in den Hafenpriel und das Hafenbecken, als bei dem langsameren Abfluss des Wassers bei Ebbe wieder weggetragen werden.

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Zur Aufrechterhaltung des Hafenbetriebes werden seit Jahrzehnten laufend Baggerungen durchgeführt. Die Baggerungen finden im Hafenbecken und im Bereich des Sperrwerkes auch im Hafenpriel statt. Da auch damit bisher keine Fahrwassertiefe von 2,5 m in Hafen, Hafenpriel und vorgelagerten Wattgebieten gewährleistet ist, sind viele Fischer nach Büsum ausgewichen, wo der Hafen tideunabhängig auch von Fischkuttern mit einem Tiefgang von mehr als 1,90 m sicher genutzt werden kann. In Friedrichskoog wurden deshalb im Jahre 2013 nur rd. 52 t Krabben angelandet. In einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage vom 22.06.2010 (Drs. 17/613) heißt es, es seien noch 27 Haupterwerbsfischereibetriebe (Krabbenkutter) mit Heimathafen in Friedrichskoog gemeldet, aber lediglich neun Betriebe, die Kutter mit geringem Tiefgang hätten, nutzten den Hafen noch regelmäßig.

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Nachdem im Hafen immer weniger Anlandungen von Fisch und Krabben stattfanden, bemängelte der Landesrechnungshof schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, dass der Hafen unwirtschaftlich sei. Das Marschenbauamt Heide wies 1973 auf eine starke Verlandungstendenz hin. Die Gesamtsituation werde sich weiter nachteilig entwickeln. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Kiel und das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten kamen 1974 ebenfalls zu dem Schluss, Hafen und Zufahrt würden in überschaubarer Zeit Opfer der Anlandungsprozesse werden. Es sollten rechtzeitig Folgerungen gezogen werden, indem auf die unabänderliche Entwicklung und eine Entwidmung des Hafens hingewiesen werde.

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Als dies an die Öffentlichkeit gelangte, kam es bereits damals zu heftigen Protesten der Bevölkerung vor Ort, insbesondere seitens der Fischer, die eine Bedrohung der Existenzgrundlage beklagten.

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Mit Rücksicht hierauf ließ die Landesregierung technische Lösungsmöglichkeiten zur kostengünstigeren Aufrechterhaltung des Hafenbetriebes prüfen. Prof. F... kam in einem Gutachten aus Oktober 1975 zu dem Ergebnis, die Analyse der Ämter sei richtig. Man könne jedoch die Strömungsverhältnisse verbessern, indem mit einem Aufwand von 6 Mio. DM ein Spülpolder gebaut werde; das sei eine „unkonventionelle Baumaßnahme, die mit Risiken behaftet ist“. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Kiel nahm dazu kritisch Stellung: Die Idee eines solchen Spülpolders sei nicht neu, sie sei schon 1963 vom Wasser- und Schifffahrtsamt Tönning erwogen worden, Probespülungen hätten dazu geführt, diesen Versuch aufzugeben, weil nicht habe erhärtet werden können, dass die Investition in einem vernünftigen Verhältnis zum Erfolg stehe. Eine Entscheidung für einen Polder wurde daraufhin nicht getroffen, es wurden weiterhin Baggerungen durchgeführt. Maßgeblich war damals ein Kabinettsbeschluss vom April 1974.

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Im Jahre 1990 wurden dann im Zusammenhang mit einer Deichbaumaßnahme im Dieksanderkoog vom Amt für Land- und Wasserwirtschaft Sedimentationsbecken vor dem Hafen -also eine Art Spülpolder- durch Entnahme von 350.000 cbm Sand geschaffen. Zu den Erfahrungen damit heißt es in einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage (Drs. 17/613 vom 22.06.2010), diese Becken seien sehr schnell verlandet.

11

Im September 1997 bemängelte der Landesrechnungshof nochmals, unbedeutende Umsätze im Hafen und hohe Aufwendungen dafür würden das Engagement des Landes nicht rechtfertigen. Das Wirtschaftsministerium sei gefordert, eine Lösung zu finden, um die dauerhafte Kostenbelastung zu beenden; hierbei sei auch die Möglichkeit einer Entwidmung als öffentlicher Hafen einzubeziehen.

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Es wurden daraufhin nochmals technische Lösungen zur Minderung des Aufwandes geprüft. (u.a. Gutachten Prof. M... 2010).

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Der Landesbetrieb Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz (LKN SH) kam im Dezember 2012 zu dem Ergebnis, dass keine der Alternativen eine signifikante Entlastung von den hohen Bagger- und Hafenbetriebskosten erwarten lasse.

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Im Jahre 2012 empfahl die Haushaltsstrukturkommission des Landes die Schließung des Hafens.

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In der Folgezeit wurde von der Landesregierung mit dem Kreis Dithmarschen, der Gemeinde Friedrichskoog und der örtlichen Wirtschaft über eine andere Eigentümer- und Betreiberstruktur verhandelt. Das Land machte dabei deutlich, dass es eine einvernehmliche Lösung anstrebe, eine weitere Trägerschaft für den Hafen jedoch ablehne. Es wurden Möglichkeiten in Betracht gezogen, den Hafen in Trägerschaft der Gemeinde über den Erlös aus noch zu errichtenden Windkraftanlagen zu finanzieren. Es kam zu einem „letter of intent“ im Juni 2012, der die Prüfung einer Kompromisslösung vorsah: Das Eigentum am Hafen sollte auf die Gemeinde übergehen, das Land wollte einen Kostenanteil (Betriebskosten für das Sperrwerk) übernehmen. Als eine Voraussetzung wurde die Rechtskraft des Regionalplans IV (Eignungsflächen für Windenergie) festgehalten. Diese Lösung kam nicht zu Stande, weil wegen der Kostenrisiken keine Bereitschaft bestand, die Trägerschaft des Hafens zu übernehmen.

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Im April 2012 gab das Land Schleswig-Holstein die Entwidmungsabsicht für den Hafen Friedrichskoog öffentlich bekannt und legte einen Erläuterungsbericht vom 02.04.2012 im Zeitraum vom 26.04.2012 bis 29.05.2012 öffentlich aus. Wegen der daraufhin erhobenen 79 Einwendungen wird auf Beiakte B Bezug genommen.

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Mit Allgemeinverfügung vom 07.07.2014 traf das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein folgende Entscheidung:

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1. Der Hafen Friedrichskoog wird als öffentlicher Hafen innerhalb der am 21. Mai 1993 bekannt gemachten Hafengrenzen mit Wirkung vom 01. Januar 2015 eingezogen.

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2. Diese Entscheidung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 3 Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein (LVwG).

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3. Bis zum Baubeginn eines Schöpfwerkes wird das Hafensperrwerk als Entwässerungsanlage weiter betrieben.

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4. Die Widmung von landseitigen Verkehrsflächen innerhalb der Hafengrenzen bleibt unberührt.“

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Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, der Hafen Friedrichskoog stelle eine dem Gemeingebrauch gewidmete öffentliche Sache dar. Die Einziehung des Hafens werde gemäß § 8 Abs. 1 StrWG SH analog verfügt. Die Fortführung des Hafens sei dem Land aus Steuermitteln nicht mehr zumutbar. In Abwägung mit privaten Interessen sei die Einziehung des Hafens aus Gründen des öffentlichen Wohles erforderlich. Betrieb und Instandhaltung des Hafens und des Sperrwerkes führten zu jährlichen Kosten von ca. 700.000 bis 1 Mio. Euro. Dem stünden jährliche Einnahmen in der Größenordnung von ca. 40.000 Euro gegenüber. Es bestehe im Mittelwert ein jährlicher Zuschussbedarf von knapp 800.000 Euro. Zudem müssten kurzfristig rund 2 Mio. Euro in die bestehenden Anlagen investiert werden. Mittelfristig sei ein weiterer Sanierungsbedarf von rund 1,8 Mio. Euro vorhanden. Für die Versorgung der Bevölkerung sei der Hafen nicht mehr erforderlich. Die Umschlagsmengen seien zu gering. Sie dienten auch nicht der Versorgung der Bevölkerung. Der Hafen sei auch nicht zur Erschließung der angrenzenden Flurstücke erforderlich. Die Entwässerung des angrenzenden Einzugsgebietes werde durch den mit einer Hafenschließung notwendigerweise verbundenen Bau eines Schöpfwerkes insgesamt verbessert. Die Tideniedrigwasserstände am Außenpegel des Sperrwerkes Friedrichskoog würden seit Jahren um mehr als 2 cm pro Jahr ansteigen, so dass angesichts der Höhenlage des Einzugsgebietes die Entwässerung des Binnenlandes in freier Vorflut in 10 - 15 Jahren nicht mehr möglich wäre.

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Belange der Nutzer des Hafens (Fischer, Werft, Sportboote, hafenaffine Dienstleistungen) seien zwar beeinträchtigt, das öffentliche Wohl überwiege aber.

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Eine schwerwiegende negative Veränderung der unmittelbaren hafenbezogenen wirtschaftlichen Aktivitäten sei nicht anzunehmen. Die Kutter, die noch den Hafen anliefen, könnten auf andere Häfen, wie etwa Büsum, ausweichen.

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Für den Werftbetrieb stelle die Einschränkung des gepachteten wasserseitigen Zuganges eine Beeinträchtigung seiner Belange dar. Dem Werftbetrieb sei aber insgesamt zuzumuten, seine Aktivitäten auf andere Standorte zu verlagern. Angesichts der geringen Verkehrsbedeutung und der erheblichen Kosten für den Betrieb des Hafens bei geringen Erträgen stellten sich bei einer Gesamtabwägung die Schließung des Landeshafens und der Bau eines Schöpfwerkes als vorzugswürdig dar. Der Bau des Schöpfwerkes werde rd. 3,5 Mio € kosten bei jährlichen Betriebskosten von rd. 160.000,- €; ein Kostenvergleich ergebe die Vorzugswürdigkeit eines Schöpfwerkes, das die Entwässerungssituation zudem verbessere, da die Entwässerung nicht mehr von Außenwasserständen abhängig wäre.

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Am 25. September 2014 hat die Klägerin Klage erhoben.

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Sie hat geltend gemacht, die Entwidmung verstoße gegen den Vorbehalt des Gesetzes, da eine gesetzliche Grundlage, die die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Einziehung eines Hafens regele, fehle. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 8 StrWG SH lägen nicht vor. Die Vorschriften des Straßen- und Wegegesetzes würden die wasserrechtlichen Besonderheiten und Härten nicht erfassen. Der Hafen habe zudem noch eine Verkehrsbedeutung. Die privaten Interessen, die gegen die Einziehung sprächen, würden überwiegen, da für die Klägerin die Verbindung zur Nordsee entfallen würde.

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Der Hafen werde noch für die Fischerei und den Wassersport genutzt. Seine Einziehung sei unverhältnismäßig. Richtig sei, dass die Zahl der Anläufe von Wasserfahrzeugen und der Anlandungen von Krabben rückläufig sei. Dies sei jedoch auf mangelnde Unterhaltung des Hafens durch den Beklagten in der Vergangenheit zurückzuführen. Deutlich sei, dass die Zahl der Anläufe und Anlandungen parallel zu den rückläufigen Baggermengen und Baggerkosten zurückgegangen seien. Es sei rechtsmissbräuchlich, den Hafen durch rückläufige Baggermengen erst versanden zu lassen und später die Einziehung damit zu begründen, dass die Anzahl der Anläufe von Wasserfahrzeugen zurückgegangen sei. Obwohl dem Beklagten - wie beispielsweise durch seine Einlassungen im Planfeststellungsverfahren zur Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe belegt werde - die zunehmende Versandungsproblematik des Hafens bewusst gewesen sei, habe er die Baggermengen nicht angepasst. Der Beklagte gehe von zu hohen Kosten für den Hafenbetrieb aus. Es sei nicht von einem durchschnittlichen Zuschussbedarf von 800.000,- € sondern von rund 700.000,- € im Jahr auszugehen. Ob das Sperrwerk tatsächlich den vom Beklagten angegebenen Sanierungsaufwand benötige, sei zweifelhaft. Möglichkeiten der Kostenreduzierung seien nicht ausreichend ausgelotet worden. In der Vergangenheit seien Empfehlungen etwa des Landesbetriebes für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz zum Bau eines Spülpolders im Vorlandbereich südlich des Hafenpriels nicht aufgegriffen worden. Zudem sei die Anlegung eines zu niedrigen Drempels beim Umbau des Sperrwerks in den 80er Jahren nachteilig für den Verlauf des Ebbstroms. Eine bauliche Veränderung könne einen besseren Rückfluss der Sedimente ermöglichen. Auch die Schließung eines “Schachtpriels“ südlich des Hafenpriels im Jahre 2000 habe sich ungünstig auf die Sedimentablagerung ausgewirkt. Insgesamt lägen Versäumnisse bei der Instandhaltung des Hafens in der Vergangenheit vor. Dieser Umstand hätte im Rahmen der Abwägung zugunsten der Klägerin gewichtet werden müssen.

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Die vom Beklagten angenommene Verbesserung der Entwässerung durch das künftige Schöpfwerk könne nicht als Argument für die Einziehung des Hafens herangezogen werden. Das Planfeststellungsverfahren für das Schöpfwerk sei noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus würde aber durch ein Schöpfwerk das Hafenbecken zu einem Binnengewässer ohne Fließbewegung werden mit negativen Folgen etwa hinsichtlich einer stärkeren Algenentwicklung und Geruchsbelästigung in den Sommermonaten. Infolge des im Hafenbecken abgesenkten Wasserstandes werde das Grundwasser in der Umgebung des Hafens um mehrere Meter sinken, was erfahrungsgemäß zur Absenkung des Bodens und zu Schäden an Häusern in der Umgebung führen werde.

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Die Grundstücke in Friedrichskoog würden an Wert verlieren. Die Klägerin sei mit ihrer Werft auf den Hafen angewiesen. Die Werft sei gut ausgelastet und mit ihren Spezialmaschinen für die Fischer alternativlos. Der Hafen sei der einzige Zufahrtsweg zur Nordsee. Eine wasserseitige Erreichbarkeit der Werft sei für deren Betrieb essentiell. Im Falle des Baus eines Schöpfwerkes wäre eine Hafeneinfahrt für die Kunden der Werft gänzlich unmöglich. Die Werft werde in ihren Anliegerrechten beeinträchtigt. Auch stelle die Einziehung einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Der Seehundstation Friedrichskoog sei eine Kompensation bzw. eine Ausgleichsmaßnahme angeboten worden, der Werft jedoch nicht. So wäre es beispielsweise möglich gewesen, ein Schiffshebewerk für die Kunden der Werft zu errichten, um so das Schöpfwerk zu überbrücken. Es bestehe eine gegen Art. 3 GG verstoßende Ungleichbehandlung.

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Die Klägerin hat beantragt,

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die Entscheidung des Beklagten über die Einziehung des Hafens Friedrichskoog als Landeshafen vom 7. Juli 2014 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte hat geltend gemacht, die Klage sei unbegründet.

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Er habe seine Unterhaltungspflicht in der Vergangenheit nicht verletzt. Die Unterhaltungspflicht bestehe nur im Rahmen der Leistungsfähigkeit. Es gebe keinen Rechtssatz, dass das Land auf veränderte Umweltbedingungen durch massiv ausgeweitete Baggerungen reagieren müsse. Für die Baggerungen habe ein sachgerechtes Konzept vorgelegen. Es habe auch in erheblichem Umfang Baggerungen gegeben. Dabei sei es schon im Interesse des Küstenschutzes unabdingbar gewesen, im Bereich des Sperrwerks eine größere Tiefe zu halten, um den Betrieb der Tore zu gewährleisten. Von einer Ausdehnung der Baggerungen noch weiter in den Hafenpriel hinein habe man sich keinen nachhaltigen Erfolg versprochen. Diese Einschätzung habe sich im Jahre 2012 bestätigt, als man im Hafenpriel bis zu 1 km vor dem Sperrwerk gebaggert habe; es sei nämlich schnell wieder zur Auffüllung gekommen. Es wäre deshalb nicht sinnvoll, dort tiefer zu gehen.

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Bedenken, die sich aus dem Bau des Schöpfwerkes herleiten, z. B. hinsichtlich von Geruchsbelästigungen oder Bodenabsenkungen, seien Gegenstand des entsprechenden Planfeststellungsverfahrens und nicht des Einziehungsverfahrens bezüglich des Landeshafens Friedrichskoog.

38

Hinsichtlich der Werft der Klägerin sei darauf hinzuweisen, dass der wasserseitige Zugang bisher privatrechtlich durch einen Pachtvertrag hinsichtlich der Sliprampe mit dem Land gewährleistet worden sei. Der Pachtvertrag sei aber inzwischen gekündigt. Insoweit bestehe ein rechtlich geschützter Zugangsanspruch nicht mehr. Die Klägerin profitiere insoweit lediglich von einem Lagevorteil, der rechtlich nicht geschützt sei. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb werde durch die Einziehung nicht verletzt. Auch sei eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf die Fortführung der Seehundstation nicht gegeben.

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Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

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Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unbegründet. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne die Einziehung des Hafens allerdings nicht auf eine analoge Anwendung des § 8 StrWG gestützt werden. Die genannte Vorschrift regele ausschließlich die Rechtsverhältnisse der öffentlichen Straßen an Land; die Voraussetzungen einer Analogie lägen nicht vor. Im Straßenrecht fänden sich auf landes- und bundesrechtlicher Ebene durchweg ausführliche Regelungen zu Fragen der Widmung und der Einziehung, was auf speziellen Erwägungen zur Kerngewährleistung von Anliegerrechten im Straßenrecht beruhe. Ein vergleichbarer Hintergrund lasse sich für das Wasserrecht, das stärker gemeinwohlorientiert gestaltet sei, nicht feststellen. Eine Rechtsgrundlage für die Einziehung ergebe sich aber aus der öffentlichen Sachherrschaft des Landes über den landeseigenen Landeshafen. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der öffentlichen Sachen könne die öffentliche Zweckbestimmung einer Sache durch Widmung durch einen entsprechenden Rechtsakt (actus contrarius) wieder aufgehoben werden. Es sei anerkannt, dass eine Widmung zu öffentlichen Zwecken ein Rechtsakt ist, der durch Gesetz, Satzung, Verwaltungsakt, aber auch konkludent vorgenommen werden könne oder deren Bestehen aufgrund einer Vermutung angenommen werden könne. Entscheidend sei der erkennbare Wille des Trägers öffentlicher Gewalt, dass die Sache einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen und der Allgemeinheit zur Benutzung zur Verfügung gestellt werden solle. Als Indizien seien der Zweck, zu dem die Einrichtung errichtet wurde und die bisherige Nutzungspraxis anzusehen. All dies spreche im vorliegenden Falle für eine Widmung, auch wenn ein ausdrücklicher Widmungsakt nicht habe festgestellt werden können. Dass der Hafen Friedrichskoog ein öffentlicher Landeshafen sei, werde im Übrigen auch allgemein anerkannt. Ebenso wie die Widmung auf allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Sachenrechts beruhe, könne sie nach den allgemeinen Grundsätzen auch durch eine Einziehung aufgehoben werden, wobei das Land einen großen Entscheidungsspielraum habe. Das Land sei nach dem Landeswassergesetz nicht verpflichtet, einen solchen Hafen zu betreiben. Für die Einziehung setze das Landeswassergesetz auch keine rechtlichen Grenzen. Bezüglich des „Ob“ und „Wie“ des Betriebes eines öffentlichen Hafens habe ein Nutzer oder Anlieger nicht einmal einen Anspruch auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung. Der Handlungsspielraum des Hafenträgers sei nur durch die Grundrechte und das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Verbot willkürlichen staatlichen Handelns begrenzt. Zwar müsse der Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen. Eingriffe im grundrechtsrelevanten Bereich müssten durch Gesetz geregelt sein. So seien die Genehmigungsvoraussetzungen für den Betrieb eines Hafens und Ermächtigungsgrundlagen zur Gefahrenabwehr wegen der Grundrechtsbetroffenheit unverzichtbar und im Landeswassergesetz auch geregelt worden. Anders liege es bei der Frage staatlicher Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge. Hier gebe es keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs. Die Einziehung eines Hafens sei nicht grundrechtsrelevant. Auch andere tragende Prinzipien des Grundgesetzes geböten keine gesetzliche Regelung zur Frage der Einziehung. Die allgemeinen Grundsätze des öffentlichen Sachenrechts böten deshalb eine ausreichende Grundlage für eine Hafeneinziehung.

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Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Einziehungsverfügung beschränke sich deshalb auf die Frage, ob für die Klägerin eine Verletzung von Grundrechten festzustellen sei. Dies sei zu verneinen. Die Einziehung bedeute zwar eine Beeinträchtigung der Erwerbschancen, da ein für den Werftbetrieb wesentlicher Lagevorteil wegfalle. Durch die Unterlassung des weiteren Hafenbetriebes würden jedoch subjektive Rechte nicht verletzt, da kein Anspruch auf Aufrechterhaltung des Hafens bestehe. Das aus § 136 LWG folgende Benutzungsrecht begründe keinen Anspruch auf Gemeingebrauch, sondern setze ihn voraus. Mit der Einziehung eines Gewässers entfalle aber das Substrat für die Ausübung des Gemeingebrauches. Abwehrrechte gegen die Beseitigung öffentlicher Sachen oder deren Einziehung unter Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit kämen daher nicht in Betracht. Auch das nach Art. 14 GG geschützte Grundeigentum der Klägerin (der Werft) werde nicht berührt. Unmittelbare Rechtsfolgen habe die Einziehung nur für die im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein stehenden Grundflächen. Ein Substanzverlust des klägerischen Grundstückes werde durch die Einziehung nicht bewirkt. Auch liege kein mittelbarer Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG vor, da kein Handeln des Landes in Rede stehe. Vielmehr unterlasse das Land den weiteren Hafenbetrieb, auf den jedoch kein Anspruch bestehe. Auch unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb lasse sich eine Rechtsverletzung nicht begründen. Der Betrieb eines Hafens als öffentliche Einrichtung in der Nähe der Werft sei eine faktische Gegebenheit, welche der Werft Chancen zur Gewinnerzielung eröffne, auf deren Fortbestand sie aber keinen Anspruch habe. Lagevorteile, Erwerbsmöglichkeiten und Gewinnchancen seien durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht geschützt. Die Vorschriften des Landeswassergesetzes enthielten keine Garantie der Aufrechterhaltung einer Verbindung zum Meer für Anlieger eines Hafens. Ein solches Anliegerrecht sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Ob die Klägerin nach der Kündigung von Pachtverträgen bezüglich der Slipanlage noch über eine rechtlich gesicherte Verbindung zum Hafenbecken verfüge, an die eine Begründung von Anliegerrechten anknüpfen könnte, könne deshalb offen bleiben. Eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zur Seehundstation liege nicht vor. Es treffe zwar zu, dass das Land beabsichtige, für die Seehundstation nach Errichtung des Schöpfwerkes eine Versorgung mit Seewasser über eine entsprechende Leitung zu gewährleisten, während für die Werft keine Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen seien. Die Sachverhalte seien jedoch nicht vergleichbar. Es sei gerechtfertigt, Ausgleichsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung einer dem Gemeinwohl dienenden Einrichtung zu gewähren, während dies für gewerbliche Unternehmungen unterbleibt.

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Unabhängig von der Frage von Grundrechtsverletzungen sei die Klage auch deshalb unbegründet, weil die Einziehung objektiv rechtmäßig sei. Sie sei auf nachvollziehbare sachliche Gründe gestützt worden. Die Rückläufigkeit der Anläufe von Fischereifahrzeugen und der Umschlagmenge, der erhebliche jährliche Zuschussbedarf und der erhebliche Sanierungsbedarf für die Zukunft habe berücksichtigt werden dürfen. Ferner sei nachvollziehbar, dass eine Investition in ein Schöpfwerk sinnvoller sei, da damit eine Entwässerung der Köge auch in Zukunft sicher gewährleistet sei. Die Einziehungsentscheidung beruhe auf einer an sachlichen Kriterien orientierten Neubewertung des öffentlichen Interesses am Betrieb des Landeshafens in Friedrichskoog. Von einem rechtsmissbräuchlichen Handeln des Landes könne nicht die Rede sein. Die ungünstige Lage des Hafens Friedrichskoog und dessen Versandungsproblematik sei spätestens seit den 70er Jahren in den Blick genommen worden. Bereits 1974 sei die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Kiel und das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten im Bericht vom 28. Mai 1974 übereinstimmend zu dem Schluss gekommen, Hafen und Zufahrt würden in überschaubarer Zeit ein Opfer der Anlandungsprozesse werden, so dass rechtzeitig Folgerungen aus dieser unabänderlichen Entwicklung gezogen werden sollten. Neuere Untersuchungen und Variantenprüfungen hätten kein anderes Ergebnis erbracht. Auch den externen Gutachten von Prof. F... und Prof. M... ließen sich keine Anhaltspunkte für grundlegende Fehler in der fachbehördlichen Einschätzung entnehmen. Ob die Ausbaggerungen in der Vergangenheit stets optimal gestaltet worden seien, sei unerheblich. Entscheidend sei vielmehr, dass den Unterhaltungsarbeiten ausweislich eines Vermerks des LKN SH vom 1. Juli 2013 ein nach Einschätzung der Fachbehörde angemessenes Baggerkonzept zugrunde gelegen habe, das in den Bewertungen der externen Gutachter nicht auf grundlegende Kritik gestoßen sei. Es treffe zwar zu, dass das Volumen des jährlichen Baggeraushubs seit 2006 deutlich gesunken sei, hieraus lasse sich jedoch keine Verantwortung des Landes für die reduzierte Nutzung des Hafens ableiten. Auch in den Jahren 2007 bis 2013 habe das Land trotz rückläufiger Baggermengen die Anstrengungen gegenüber dem Jahr 1954 immerhin verfünffacht. Weder der Umgang mit einem “Schachtpriel“ noch die Absenkung des Drempels beim Umbau des Sperrwerks in den 80er Jahren seien geeignet, den Vorwurf der Willkür zu rechtfertigen. Zu den Umständen, die ein Hafenträger zu bewältigen habe, gehöre auch der Umgang mit nicht optimal gestalteten Bauwerken. Den vorliegenden Akten sei zu entnehmen, dass die in Betracht kommenden Alternativen zur Baggerlösung und alle Optimierungsvorschläge mehrfach von den Fachbehörden unter Hinzuziehung von Wissenschaftlern gründlich geprüft und - in nachvollziehbarer Weise - als zu kostspielig und nicht nachhaltig zielführend bewertet worden seien. Der Vorschlag von Prof. F... zur Errichtung eines Spülpolders sei von diesem selbst als “unkonventionelle“ Baumaßnahme bezeichnet worden, die mit Risiken behaftet sei. Trotz einer nach Auffassung der Klägerin abgegebenen positiveren Prognose der Bundesanstalt für Wasserbau im Jahre 2014 habe der Beklagte - auch aufgrund von Erfahrungen mit Sedimentationsbecken, die 1990 in Zusammenhang mit Deichbaumaßnahmen im Dieksander Koog gemacht worden seien - die Errichtung eines Spülpolders als nicht nachhaltige Lösung einstufen dürfen. Entsprechendes gelte für die vom LKN geprüfte sogenannte Variante 6 (Anschluss des Grüppensystems im Vorlandbereich als Spülpolder). Auch hier habe der Beklagte aufgrund des vorgelegten Berichts des LKN vom 10. Dezember 2009 davon ausgehen können, dass keine signifikante Entlastung der hohen Bagger- und Hafenbetriebskosten im Verhältnis zu den geringen Einnahmen aus den Hafengebühren bei langfristiger Aufrechterhaltung der Schifffahrt zu erwarten seien. Ferner habe berücksichtigt werden dürfen, dass eine - theoretische - Optimierung der baggertechnischen Vertiefung zwar zu einer Reduzierung der Baggervolumina führen würde, dies allerdings auf Kosten einer erhöhten Baggerfrequenz. Auch in einer aktuellen Untersuchung vom 10. März 2014 sei das LKN (erneut) zu dem Ergebnis gekommen, dass der Ersatz des Sperrwerks durch ein Schöpfwerk einschließlich der Seewasserversorgung der Seehundstation die günstigste Variante sei. Hierbei sei entscheidend in den Blick zu nehmen, dass die Wasserstände in den kommenden Jahren ansteigen würden, weshalb die Entwässerung des Binnenlandes in 10 bis 15 Jahren nicht mehr möglich sein werde. Die Zweifel der Klägerin am vom Beklagten veranschlagten Sanierungsbedarf für die Gewährleistung des sicheren Betriebes des Sperrwerks seien nicht substantiiert worden. Angesichts der Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung und der fehlenden Substantiierung habe kein Anlass bestanden, die Richtigkeit der Erläuterungen des Leiters des LKN zu bezweifeln.

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Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.

44

Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen wie folgt vor:

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Die Einziehung sei objektiv rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten. Der Einziehung ermangele es an einer Rechtsgrundlage. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach sich die Rechtsgrundlage aus der öffentlichen Sachherrschaft des Landes ergebe, überzeuge nicht. Die Bezugnahme auf die Ausführungen von Papier (Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 56) zur Entwidmung und zur Einziehung als actus contrarius sei unergiebig. Diese Argumentation beziehe sich in erster Linie auf das Straßenrecht. Auf die Frage der Einziehung eines Landeshafens lasse sich dies nicht übertragen. Selbst wenn man aber der Argumentation beitreten wollte, die Einziehung sei als actus contrarius zur Widmung rechtmäßig, so müsse verlangt werden, dass der actus contrarius die gleiche Rechtsnatur haben müsse wie die Widmung. Vorliegend könne aber jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass es in Anbetracht der Historie des Hafens einen ausdrücklichen (schriftlichen) Widmungsakt gegeben hat. Das Verwaltungsgericht berücksichtige auch nicht, dass beispielsweise Bundeswasserstraßen unmittelbar Kraft formellen Gesetzes öffentliche Sachen im Gemeingebrauch seien (§ 5 WaStrG). Aus § 15 Abs. 1 S. 1 LWG folge im Umkehrschluss, dass nur nicht schiffbare Gewässer 1. Ordnung unter einem Genehmigungsvorbehalt stünden, die Benutzung von schiffbaren Gewässern jedoch genehmigungsfrei, damit jedermann zugänglich und somit eine öffentliche Sache im Gemeingebrauch seien. Hieraus sei zu folgern, dass eine Widmung durch Gesetz und nicht (erst) aufgrund eines Gesetzes vorliege. Dem Landeshafen komme als Gewässer 1. Ordnung allein aufgrund der Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gesetzes ein öffentlich-rechtlicher Sonderstatus zu. Folglich müsse auch die Entwidmung durch Gesetz geregelt werden.

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Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, wonach eine allein im öffentlichen Interesse vorgenommene Widmung durch Allgemeinverfügung zu vermuten sei, überzeuge nicht. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Hafen nicht in erster Linie für die Versorgung der Bevölkerung mit Fisch vorgehalten worden. Vielmehr sei die Trägerschaft auch im Interesse der Fischer erfolgt. Andernfalls hätte nach dem 2. Weltkrieg eine noch sehr viel größere Zahl von Friedrichskooger Fischern ihre Erwerbsgrundlage verloren bzw. die Fischerei von einem anderen Standort aus ausüben müssen. Die Versorgung der örtlichen Bevölkerung mit Fisch sei davon aber nicht betroffen. Auch andere Personen und Interessengruppen seien in ihrer Existenz unmittelbar mit dem Fortbestand des Hafens verknüpft. So habe es zum Zeitpunkt der Aufnahme des Betriebs der Klägerin im Jahre 1962 zu diesem Zeitpunkt noch andere Werftbetriebe gegeben. Die vermutete Widmung durch Allgemeinverfügung sei also nicht allein im öffentlichen Interesse geschehen. Deshalb müssten bei einer Einziehung des Hafens auch andere als nur öffentliche Interessen berücksichtigt werden. Die Grundannahme des Verwaltungsgerichts, nach der die Widmung nach den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Sachenrechts aufgehoben werden könne, wobei ein großer Entscheidungsspielraum bestehe und nicht einmal ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Nutzer und Anlieger des Hafens gegeben sei, treffe demnach nicht zu.

47

Auch wenn die vom Verwaltungsgericht angenommene Rechtsgrundlage einschlägig sein sollte, seien hier die Interessen der Nutzer und Anlieger des Hafens nicht ausreichend berücksichtigt worden. Selbst der Beklagte - aufgrund der von ihm für zutreffend erachteten analogen Anwendung des § 8 Abs. 1 StrWG SH - habe sehr viel höhere Anforderungen an die Voraussetzungen einer Einziehungsverfügung gestellt als das Verwaltungsgericht. Der Beklagte habe immerhin darauf abgestellt, dass die Gründe des Fortfalls der Verkehrsbedeutung und Gründe des öffentlichen Wohls private Interessen überwiegen müssten. Letzteres sei aber nicht der Fall. Ein Wegfall der Verkehrsbedeutung könne vom Beklagten nicht geltend gemacht werden, weil er in der Vergangenheit den Hafen ungenügend unterhalten und damit den Wegfall der Verkehrsbedeutung quasi selbst herbeigeführt habe. Auch auf der Basis der angenommenen Rechtsgrundlage des actus contrarius habe eine Abwägung mit den betroffenen privaten Interessen zu erfolgen. Diese sei unterblieben. Sie müsste in einem gesonderten Verfahren nachgeholt werden.

48

Im Übrigen greife der sogenannte Vorbehalt des Gesetzes, das heißt die Einziehung des Landeshafens müsste durch eine ausdrückliche gesetzliche Norm geregelt sein. Ebenso wie bei hoheitlichen Eingriffen führe auch die Einziehung des Hafens zu grundrechtsrelevanten Beeinträchtigungen von Anliegern und Nutzern. Der Landesgesetzgeber habe bei Abfassung des Landeswassergesetzes auch nicht etwa bewusst von der Schaffung einer dem Straßenrecht vergleichbaren Regelung für die Einziehung eines Landeshafens abgesehen. Derartige Erwägungen habe der Gesetzgeber nicht angestellt. An das Problem der Entwidmung/Einziehung eines Hafens sei überhaupt nicht gedacht worden. Die vom Verwaltungsgericht angesprochene Entscheidung des OVG Schleswig (Urt. v. 19.11.1991 Az.: 4 L 76/91) beschäftige sich nicht mit der Frage der Einziehung eines Landeshafens. Zudem sei der Hafen Friedrichskoog auch nicht erst aufgrund eines besonderen Widmungsaktes entstanden; bereits die natürlichen Gegebenheiten hätten die Möglichkeit eröffnet, den Ort Friedrichskoog als Hafen zu nutzen. Jedenfalls bei einem Hafen, der sich lange vor Übernahme der öffentlichen Trägerschaft über einen langen Zeitraum entwickelt habe, dürfe die Übernahme der Trägerschaft durch das Land nicht dazu führen, dass sogar das “Ob“ des Betriebs des Landeshafens in das weitgehend freie Belieben des Trägers gestellt wird. Es sei in Zukunft auch nicht etwa möglich, dass die Gemeinde oder beispielsweise eine Betreibergesellschaft den tatsächlich weiterhin vorhandenen Hafen fortführe. Es fehle nämlich aufgrund des parallel laufenden Planfeststellungsverfahrens betreffend den Umbau des Sperrwerks in ein Schöpfwerk an der Möglichkeit, einen Hafenbetrieb in Zukunft fortzusetzen.

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Die Klägerin beantragt,

50

unter Abänderung des angefochtenen Urteils vom 19. Mai 2015 die Entscheidung des Beklagten über die Einziehung des Hafens Friedrichskoog als Landeshafen vom 7. Juli 2014 aufzuheben.

51

Der Beklagte beantragt,

52

die Berufung zurückzuweisen.

53

Er ist der Auffassung, die Einziehung des Hafens sei rechtmäßig; insbesondere habe es hierfür keiner ausdrücklichen Rechtsgrundlage bedurft. Die Hinweise auf die im Rahmen einer Analogie zu § 8 StrWG für eine Einziehung beachteten Voraussetzungen machten gerade deutlich, dass der Beklagte die Einziehung keineswegs willkürlich verfügt habe. Richtig sei, dass im Landeswassergesetz keine ausdrückliche Regelung über die Einziehung von Landeshäfen normiert sei. Dem Gesetzgeber könne aber unterstellt werden, dass er die Prinzipien des öffentlichen Sachenrechts kenne und keine Notwendigkeit einer Regelung gesehen habe. Aus den Vorschriften der §§ 3 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. d, 88 und 39 LWG ergebe sich allein noch nicht die “Öffentlichkeit“ eines Hafens. Deshalb könne auch nicht damit argumentiert werden, der in der Literatur erfolgte Hinweis, dass Friedrichskoog “nach allgemeiner Auffassung“ ein öffentlicher Hafen sei, stelle eine auf der Basis der verwaltungsgerichtlichen Argumentation überflüssige Feststellung dar. Faktische Auswirkungen staatlichen Handelns begründeten keinen Gesetzesvorbehalt. Die Einziehung eines Hafens habe rechtlich keine Grundrechtsrelevanz. Auch unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeitstheorie ergebe sich nichts anderes. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die Einziehung des Hafens habe es deshalb nicht bedurft. Welche Schlussfolgerungen die Klägerin aus der näheren Eingrenzung des Widmungszweckes ziehen wolle, bleibe unklar. Im Übrigen habe sich das Verwaltungsgericht durchaus und umfassend mit Abwägungsbelangen befasst und diese als sachgerecht bezeichnet. Aus der tatsächlichen Entstehungsgeschichte des Hafens und der Übernahme der Unterhaltungslast durch das Land Schleswig-Holstein könne kein Verbot einer Einziehung abgeleitet werden. Der Hafen sei im Übrigen im Zuge der Eindeichung im Dritten Reich in der heutigen Form entstanden. Die damalige Provinz Preußen habe den Hafen errichtet und ihn betrieben, weil die örtliche Gemeinschaft dazu nicht länger in der Lage gewesen sei. Das Land habe den Hafen dann als Rechtsnachfolger der Provinz Preußen “übernommen“. Hieraus lasse sich kein Verbot einer Einziehung ableiten. Auch zum Beispiel bei Wechsel der Straßenbaulast sei es rechtlich zulässig, wenn der nachfolgende Träger später die Einziehung der Infrastruktur verfüge.

54

Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts führe auch nicht dazu, dass die Einziehung schlechthin im Belieben stünde. Das staatliche Handeln müsse sich am Willkürverbot messen lassen.

55

Soweit die Klägerin meine, ein Anliegerrecht ergebe sich aus dem Umstand, dass die örtlichen Besonderheiten für das jeweilige Gewerbe unverzichtbar seien, könne dem nicht gefolgt werden. Diese Auffassung würde letztlich für jeglichen Lagevorteil, der maßgeblich für die Ausübung eines Gewerbes ist, gelten und die verfassungsrechtlich gebotene Unterscheidung von Rechtspositionen, die durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt sind und derjenigen Positionen, die als Erwerbschancen, Gewinnaussichten, Hoffnungen oder Chancen auf Gewinn nicht geschützt sind, aufheben. Die Klägerin (die Werft) sei nicht 1962, sondern Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts gegründet worden. Ein Herausbilden von Vertrauen in den dauerhaften Bestand des Hafens stünden schon die bereits unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg bekannten Versandungsschwierigkeiten entgegen. Die Versandungsproblematik sei vorhersehbar gewesen. Soweit sich die Klägerin auf Rechtsprechung (BGHZ 98, S. 341; BVerwGE 95, S. 314, 249) berufen habe, seien die den Entscheidungen zugrunde liegenden Fälle nicht vergleichbar.

56

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und den Verwaltungsvorgang (Beiakten A-V) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

57

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen.

58

Die Anfechtungsklage ist zulässig. Insbesondere ist eine Klagebefugnis zu bejahen. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn die klagende Partei geltend macht, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Dabei reicht es aus, wenn eine Verletzung von Rechtsnormen zumindest möglich erscheint, die auch dem Schutz des jeweiligen Klägers beziehungsweise Klägerin zu dienen bestimmt sind. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung reicht aus. Es ist nicht Sinn der Klagebefugnis, ernsthaft streitige Fragen über das Bestehen eines subjektiven Rechts, von deren Beantwortung der Klageerfolg abhängen kann, bereits vorab im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu klären. Die Zulässigkeitsvoraussetzung der Klagebefugnis ist allerdings dann zu verneinen, wenn subjektive Rechte des Klägers beziehungsweise der Klägerin offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (BVerwG, Urt. v. 24.06.2004 - 4 C 11.03 -, NVwZ 2004, 1229).

59

Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Klagebefugnis hier zu bejahen. Nach dem Vorbringen der Klägerin erscheint es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sie als Werftbetrieb in unmittelbarer Nähe zum Hafen durch die streitgegenständliche Verfügung des Beklagten in ihren Rechten als eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb sowie in Anliegerrechten verletzt sein könnte.

60

Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der streitgegenständlichen Einziehungsverfügung. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrigund der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Vorliegend lässt sich eine eigene Rechtsverletzung der Klägerin durch die Einziehungsverfügung nicht feststellen, sodass bereits aus diesem Grunde die Berufung keinen Erfolg haben kann.

61

Eine Berufung auf das Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) wegen des infolge der Einziehung des Landeshafens entfallenen Rechts, den öffentlichen Hafen für den Verkehr zu benutzen, kommt nicht in Betracht. Allerdings regelt § 136 LWG SH, dass jedermann unter anderem die öffentlichen Häfen für den Verkehr benutzen darf, soweit die Benutzung nach dem Landeswassergesetz oder nach anderen Vorschriften nicht beschränkt ist. Das Recht auf Teilhabe am Gemeingebrauch steht als Recht auf Nutzung eines Gewässers jedoch nur solange unter dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG, wie der Gemeingebrauch besteht. Es endet dort, wo es um dessen Entzug als solchen geht. Mit der Einziehung eines Gewässers (hier des Hafens) entfällt das Substrat für die Ausübung des Gemeingebrauches. Insoweit gilt, dass sich der Rechtsinhaber - das heißt derjenige, der am Gemeingebrauch teilhat - „mit dem abfinden“ muss, „was - und wie lange es - geboten wird“ (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.10.2007 - 4 BN 40.07 -, BauR 2008, 483 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 25.06.1969 - BVerwG 4 C 77.67 -, BVerwGE 32, 222, 225). Der im Straßen- und Wegegesetz (§ 20 Abs. 3 StrWG-SH) ausdrücklich geregelte Grundsatz, dass es keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs gibt, gilt allgemein für öffentliche Sachen und auch für das Wasserrecht. Rechtsschutz gegen die Beseitigung öffentlicher Sachen oder deren Einziehung unter Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit ist deshalb nicht möglich (OVG Schleswig, Urt. v. 28.06.2007 - 1 KN 23/06 -; Beschl. v. 09.01.2015 - 1 MB 46/14 -, jeweils unter Hinweis auf Breuer, öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004 Rn. 265; Cychowski, WHG, 7. Aufl. 1997 Rn. 14).

62

Auch aus Art. 14 Abs. 1 GG lässt sich kein subjektives Recht der Klägerin herleiten.

63

Die streitgegenständliche Einziehungsverfügung hat unmittelbare Rechtsfolgen nur für die im Eigentum des Landes Schleswig-Holstein stehenden Grundflächen. Ein Substanzverlust des klägerischen Grundstückes ist hiermit nicht verbunden. Bei dieser Sachlage käme eine Rechtsverletzung im Hinblick auf das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht (Art. 14 GG) nur in Betracht, wenn in der Einziehung des Landeshafens ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin läge. Dies ist zu verneinen. Zwar gehören zu einem Gewerbebetrieb nicht nur das Betriebsgrundstück und die Betriebsräume sowie Einrichtungsgegenstände, Warenvorräte und Außenstände; auch die geschäftlichen Verbindungen, Beziehungen, der Kundenstamm und alles, was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Gewerbebetriebes ausmacht, gehört dazu. Das Recht am eingerichteten Gewerbebetrieb umfasst nicht nur den eigentlichen Bestand des Gewerbebetriebes, sondern auch dessen einzelne Erscheinungsform, wozu der gesamte gewerbliche Tätigkeitskreis gehört (BGH, Urt. v. 31.01.1966 - III ZR 110/64 - NJW 1966, 1120). Hierauf erstreckt sich prinzipiell der Eigentumsschutz. Nicht geschützt sind jedoch bloße Erwerbsmöglichkeiten, Gewinnaussichten, Hoffnungen oder Chancen. Das Recht am „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ kann nicht als Recht „auf freie Betätigung als Unternehmer überhaupt“ aufgefasst werden. Das gilt auch für Vorteile, die sich aus dem bloßen Fortbestand einer günstigen Rechtslage ergeben. Es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, dass Kunden der Werft diese unverändert wie in der Vergangenheit auf dem Wasserwege ansteuern können. Dabei ist auch die Vorbelastung durch die Situation, in die der Gewerbebetrieb hineingestellt ist und aufgrund deren situationsbedingt mit einer Änderung der Rechtslage gerechnet werden muss, zu beachten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.09.1990 - 1 BvR 988/90 -, NVwZ 1991, 358). Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Betrieb eines Hafens auf einem Nachbargrundstück lediglich als eine Erwerbsmöglichkeit beziehungsweise Gewinnchance bewertet. Die Klägerin hat ihren Betrieb an einem Hafen eingerichtet, der lagebedingt durch die bekannte Versandungsproblematik risikobehaftet war. Die Möglichkeiten eines erfolgreichen Betriebes waren an die Bereitschaft des Hafenträgers gekoppelt, die mit dem Betrieb verbundenen Kosten aufzubringen, insbesondere die fortschreitende Versandungsproblematik durch entsprechende Baggerarbeiten zu lösen. Die infolgedessen unsicheren Erwerbschancen sind nicht als Bestandteil des Eigentums geschützt. Darüber hinaus liegt ein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch deshalb nicht vor, weil die Einziehung des Hafens als solche zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Anfahrmöglichkeit hat. Die bloße Wahrscheinlichkeit, dass als Folge der Einziehung zukünftig Kunden wegbleiben, begründet keinen betriebsbezogenen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (BGH, Urt. v. 15.11.1982 - II ZR 206/81 -, MDR 1983, 730).

64

Eine aus dem Anliegergebrauch ableitbare wehrfähige Rechtsposition steht der Klägerin nicht zu. Wie weit der Anliegergebrauch gewährleistet ist, richtet sich im Straßenrecht nach dem einschlägigen Straßenrecht, dessen Regelungsbereich das Nachbarschaftsverhältnis zwischen Straße und angrenzendem Grundstück mit umfasst. Die Verfassung gebietet, dass der einfache Gesetzgeber auf die Belange der Anlieger insofern in spezieller Weise Rücksicht nimmt, als dieser Personenkreis in besonderem Maße auf den Gebrauch der Straße angewiesen ist. Die Zufahrt beziehungsweise der Zugang zur Straße schafft die Grundvoraussetzungen, deren es bedarf, um an der verkehrlichen Kommunikation teilzunehmen. Ein Abwehrrecht steht dem Anlieger aber nur soweit zu, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums die Verbindung mit der Straße erfordert. Dabei ist angemessen nicht schon jede Nutzung, zu der das Grundeigentum Gelegenheit bietet. Maßgebend ist, was aus dem Grundstück unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten als anerkennenswertes Bedürfnis hervorgeht. Eine optimale Erreichbarkeit ist nicht garantiert. Insbesondere besteht kein Anspruch auf Fortbestand einer Verkehrsverbindung, die für eine bestimmte Grundstücksnutzung von besonderem Vorteil ist. Vor Zufahrtserschwernissen, die sich aus der besonderen örtlichen Lage und einer etwaigen situationsbedingten Vorbelastung ergeben, in die das Grundstück hineingestellt ist, gewährt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG keinen Schutz (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.05.1999 - 4 VR 7.99 -, DVBl 1999, 1513).

65

Dies gilt erst recht für Anlieger eines öffentlichen Hafens, die nicht die gleiche Rechtsposition wie die Anlieger einer Straße haben. Für das Wasserwegerecht ist zu berücksichtigen, dass dieses mehr noch als die Straße, welche auch der Erschließung der Anliegergrundstücke dient, vor allem dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis in seinen unterschiedlichen Ausgestaltungen dient. Dem Anlieger eines Hafens ist die Aufrechterhaltung einer Verbindung zum Meer und damit zu einer Seewasserstraße durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht garantiert. Das Landeswassergesetz sieht im Rahmen der Regelungen über öffentliche Häfen (§§ 136 ff. LWG) keinerlei einfachgesetzliche Rechte für Hafenanlieger vor. Auch der in § 26 Abs. 2 WHG geregelte „Anliegergebrauch“ gewährt dem Eigentümer eines an ein Gewässer angrenzenden Grundstücks keinen Anspruch auf einen verkehrlichen Zugang zum Gewässer, sondern stellt ihm hinsichtlich der Nutzungsrechte mit dem Eigentümer gleich. Im Übrigen bestimmt § 26 Abs. 3 WHG, dass an Bundeswasserstrassen und an sonstigen Gewässern, die der Schifffahrt dienen oder künstlich errichtet sind, ein Anliegergebrauch nicht stattfindet.

66

Dies ist von Verfassungswegen auch nicht zu beanstanden. Zwar muss der Gesetzgeber bei der Wahrung des ihm in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, sowohl die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums als auch das Sozialstaatsgebot beachten und die damit verbundenen schutzwürdigen Interessen in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Die Erhaltung der Substanz des Eigentums und die Beachtung des Gleichheitsgebotes müssen in jedem Falle gewährleistet bleiben (vgl. BVerfGE, Beschl. v. 12.06.1979 - 1 BvL 19/76 -, BVerfGE 52, 1, 29 f.; BVerfG, Beschl. v. 30.11.1988 - 1 BvR 1301/84 -, BVerwGE 79, 174, 198). Im Wasserwegerecht ist jedoch - wie bereits ausgeführt - von Bedeutung, dass insoweit nicht typischerweise - wie im Straßenrecht - die Nutzbarkeit einzelner Grundstücke wesentlich von einer Verbindung zu der öffentlichen Sache abhängt, sondern das Gemeinwohl nur generell eine ausreichende Versorgung des Landes mit solchen Infrastruktureinrichtungen erfordert. Deshalb kann aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG im Wasserwegerecht keine Kerngewährleistung von Anliegerrechten bezüglich Wasserwegen und Häfen als Bestandteil des Grundeigentums hergeleitet werden.

67

Unabhängig hiervon kommt eine wehrfähige Rechtsposition unter dem Gesichtspunkt des Anliegergebrauchs auch deshalb nicht in Betracht, weil das Grundstück der Klägerin nicht direkt an das Gewässer grenzt. Das Nutzungsrecht wurde vielmehr in der Vergangenheit durch Nutzungsverträge begründet, welche jedoch vor dem Hintergrund der Einziehung des Hafens gekündigt worden sind. Ob hierdurch Entschädigungsansprüche ausgelöst werden, ist vorliegend unerheblich. Entscheidend ist, dass der Zugang zum Gewässer, insbesondere zur Slipanlage, von einem vertraglich eingeräumten Recht abhing, welches kündbar war. Auch dieser Umstand spricht gegen eine wehrfähige Rechtsposition gegenüber der Einziehung des Hafens.

68

Ein Abwehrrecht kann die Klägerin auch nicht unter Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 GG herleiten. Sie hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, dass das Land Schleswig-Holstein geeignete Maßnahmen zugesagt habe, um die Versorgung der Seehundstation mit Meerwasser dauerhaft sicherzustellen. In der Absicht des Landes, für die Seehundstation nach Errichtung des geplanten Schöpfwerkes eine Versorgung mit Seewasser über eine entsprechende Leitung zu gewährleisten (während für die Klägerin keine Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen sind) liegt jedoch keine Ungleichbehandlung. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Es ist mit Art. 3 GG zu vereinbaren, wenn einer im Interesse des Gemeinwohls liegenden Einrichtung Ausgleichsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Einrichtung gewährt werden, während dies für gewerbliche Unternehmungen nicht der Fall ist.

69

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Anfechtungsklage zu Recht abgewiesen wurde. Die Berufung konnte bereits deshalb keinen Erfolg haben.

70

Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankommt, erachtet der Senat die streitgegenständliche Einziehungsverfügung in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht für rechtmäßig.

71

Der Friedrichskooger Hafen ist als öffentlicher Hafen gewidmet worden und damit eine öffentliche Sache im Sinne des gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlichen Sachenrechts.

72

Eine Widmung als öffentlicher Hafen des Landes kann grundsätzlich durch formelles Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung, Gewohnheitsrechtssatz, öffentlich-rechtliche Vereinbarung oder Verwaltungsakt erfolgen (Petersen, Deutschen Küstenrecht 1989, S. 141).

73

Eine Widmung des Landeshafens durch Gesetz liegt nicht vor. Die in § 136 LWG ausgesprochene Befugnis, die öffentlichen Häfen für den Verkehr zu benutzen, soweit die Benutzung nach dem Landeswassergesetz oder nach anderen Vorschriften nicht beschränkt ist, begründet die Widmung nicht, sondern setzt sie voraus (OVG Schleswig, Beschl. v. 29.01.1992 - 4 L 76/91 -, Juris, zur Vorgängervorschrift § 101 a LWG; Petersen, Deutsches Küstenrecht 1989 Rn. 535). Eine Widmung durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung oder schriftliche Allgemeinverfügung liegt nicht vor. In dem vom Beklagten vorgelegten Aktenmaterial (Beiakten A - V) findet sich weder eine entsprechende Verfügung noch irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass es eine ausdrückliche Widmung in der Vergangenheit gegeben hat. Dieses wird vom Beklagten auch nicht vorgetragen.

74

Eine Widmung ist ein hoheitlicher Rechtsakt, durch den die öffentliche Stelle erklärt, dass die Sache einem bestimmten öffentlichen Zweck dienen soll und ihre Benutzung durch die Allgemeinheit geregelt wird. Dies setzt nicht zwingend eine (schriftliche) Widmungsverfügung voraus. Die Widmung kann vielmehr auch hoheitlich durch schlüssiges Verhalten erfolgen (OVG Schleswig, Beschl. v. 29.01.1992 - 4 L 76/91 -, Juris). Es reicht insoweit aus, dass der Wille des Trägers öffentlicher Gewalt erkennbar ist, die Sache sei einem bestimmten öffentlichen Zweck zu dienen bestimmt und werde der Allgemeinheit zur Benutzung zur Verfügung gestellt. Ein derartiger Erklärungswille kann aus Indizien abgeleitet werden. Unter anderem spricht für einen Widmungswillen auch die Erhebung öffentlich-rechtlicher Gebühren. Vorliegend hat das Land Schleswig-Holstein den Hafen Friedrichskoog seit der Übernahme nach dem 2. Weltkrieg als öffentlichen Hafen betrieben und unterhalten. Ob dies in erster Linie für die Versorgung der Bevölkerung mit Fisch zum Zwecke des Allgemeinwohls geschah, ist dabei nicht entscheidend. Das Land Schleswig-Holstein hat den Hafen unterhalten, insbesondere Ausbaggerungsarbeiten auf eigene Kosten durchführen lassen und auch Hafengebühren erhoben. Dies reicht vorliegend für die Annahme einer konkludenten Widmung aus. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es allgemeiner Auffassung entspricht, dass der Hafen Friedrichskoog ein öffentlicher Landeshafen ist (vgl. Petersen, Küstenrecht 1989, S. 264).

75

Eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung, mit der der Beklagte die Einziehung des Landeshafens Friedrichskoog verfügt hat, ergibt sich aus der öffentlichen Sachherrschaft des Landes über den landeseigenen Hafen. Nach den gewohnheitsrechtlich begründeten Grundsätzen des Rechts der öffentlichen Sachen kann der Widmungsumfang einer Sache verändert, erweitert oder reduziert und auch beseitigt werden. Die öffentliche Zweckbestimmung durch Widmung kann durch einen entsprechenden Rechtsakt wieder aufgehoben werden (sogenannter actus contrarius, vgl. Papier, Recht der öffentlichen Sachen, 3. Aufl. 1998, S. 56; Petersen, Deutsches Küstenrecht 1989, Seite 143).

76

Der Beklagte hat demgegenüber die Einziehung auf der Grundlage einer analogen Anwendung von § 8 StrWG Schleswig-Holstein verfügt. Nach dieser Vorschrift kann eine öffentliche Straße, die keine Verkehrsbedeutung mehr hat, eingezogen werden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StrWG). Eine öffentliche Straße ist einzuziehen, wenn Gründe des öffentlichen Wohls vorliegen, die gegenüber privaten Interessen überwiegen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 StrWG). Diese Vorschrift regelt jedoch die Voraussetzungen für eine Einziehung öffentlicher Straßen im Sinne von § 2 StrWG, nicht jedoch die Einziehung von öffentlichen Häfen. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Die Regelungsbereiche sind unterschiedlich. Im Straßenrecht finden sich gesetzliche Normierungen zur Frage der Widmung und der Einziehung vor allem vor dem Hintergrund der zu berücksichtigenden Kerngewährleistung von Anliegerrechten im Straßenrecht, die an die wesentliche Bedeutung der Verbindung mit dem Straßennetz für die Nutzbarkeit eines Grundstücks anknüpfen. Demgegenüber lässt sich für das Wasserrecht, das stärker gemeinwohlorientiert ist, ein vergleichbarer Hintergrund nicht feststellen. Bereits deshalb liegen die Voraussetzungen einer Analogie nicht vor.

77

Das Landeswassergesetz enthält keine gesetzliche Regelung zur Frage der Einziehung öffentlicher Häfen. Auch wenn dies vielleicht wünschenswert wäre, kann von einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes - eine weitere Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 8 StrWG - nicht gesprochen werden. Dabei hat das Verwaltungsgericht zu Recht in den Blick genommen, dass es bei Regelungen zu öffentlichen Infrastruktureinrichtungen nicht zum gesetzlichen Standard gehört, die Voraussetzungen einer Widmung und einer Einziehung ausdrücklich zu regeln. So findet sich beispielsweise zum öffentlichen Eisenbahnverkehr anstelle des Gemeingebrauchs ein spezieller Zugangsanspruch für die Eisenbahninfrastruktur (§ 14 AEG), der mit speziellen Vorschriften zu den Voraussetzungen von Stilllegungen (§ 11 AEG) und der Freistellung von Bahnbetriebszwecken korrespondiert (§ 23 AEG). Über eine Freistellung entscheidet die zuständige Planfeststellungsbehörde, die sich dabei allein am Verkehrsbedürfnis zu orientieren hat. Bei Wasserstraßen sehen die § 1 und 5 WaStrG eine gesetzliche Befugnis zum Befahren mit Wasserfahrzeugen vor. Der Verlust der Eigenschaft als Bundeswasserstraße tritt auf der Grundlage einer Vereinbarung durch ein entsprechendes Bundesgesetz beziehungsweise eine Verordnung ein (§ 2 WaStrG). Vor diesem Hintergrund kann eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht angenommen werden.

78

Der Umstand, dass der Beklagte die Einziehung in entsprechender Anwendung von § 8 StrWG verfügt hat, ist jedoch unschädlich, weil in der Sache die zu beachtenden Grundsätze für die Einziehung eines öffentlichen Hafens beachtet wurden (siehe dazu unten).

79

Die Widmung ist eine Allgemeinverfügung im Sinne von § 106 Abs. 2 LVwG und damit ein Verwaltungsakt. Der Senat hat deshalb erwogen, als Rechtsgrundlage für die Beseitigung der Widmung (Einziehung) die den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes regelnde Vorschrift des § 117 LVwG heranzuziehen. So ist in diesem Zusammenhang in der verwaltungsrechtlichen Literatur teilweise die Auffassung vertreten worden, als gesetzliche Grundlage für die Entwidmung käme § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG in Betracht (vgl. hierzu Axer, Die Widmung als Schlüsselbegriff des Rechts der öffentlichen Sachen, Schriften zum öffentlichen Recht Bd. 651, S. 87). Eine Voraussetzung für die Anwendung des § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG ist das Vorliegen eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Die Widmung ist zwar ein Verwaltungsakt, jedoch kein begünstigender Verwaltungsakt im Sinne des § 117 Abs. 2 LVwG. Diese Vorschrift ist deshalb auf die Beseitigung einer Widmung nicht anwendbar. Durch die Widmung werden Rechte oder rechtlich erhebliche Vorteile weder zugesprochen noch abgesprochen. Derartige adressatlose Verwaltungsakte sind insoweit neutral (Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, Komm. 8. Aufl., § 49 Rn. 21).

80

Zu erwägen bleibt die Anwendung von § 117 Abs. 1 LVwG. Dies überzeugt jedoch letztlich nicht. Die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten sind auf die Entwidmung nicht zugeschnitten. Dementsprechend ist in der Literatur auch darauf hingewiesen worden, dass, wenn die Notwendigkeit einer Entwidmung auf gewohnheitsrechtliche und damit ungeschriebene Grundsätze des Rechts der öffentlichen Sachen gestützt werde, in denselben gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen auch die Grundlage für die Entwidmung gesehen werden müsse (vgl. zum Streitstand Angelika Leppin, „Rechtsprobleme bei der Umstrukturierung deutscher Bahnhöfe vor dem Hintergrund der gemeindlichen Planungshoheit, des Fachplanungsrechts sowie des öffentlichen Sachenrechts“, Verfassungs- und Verwaltungsrecht unter dem Grundgesetz, Bd. 29, S. 173 f.) Soweit ersichtlich sind die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten in der obergerichtlichen Rechtsprechung auch bislang nicht als Rechtsgrundlage von Entwidmungen herangezogen worden. Auch die Verfahrensbeteiligten haben dies nicht in Erwägung gezogen. Im Übrigen merkt der Senat an, dass - wollte man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Rechtsgrundlage in der Vorschrift des § 117 Abs. 1 LVwG sehen (vgl. hierzu Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, Komm. 8. Aufl., § 49 Rn. 21) - im Ergebnis keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der vom Beklagten verfügten Einziehung bestünden.

81

Richtigerweise hat nach allem das Verwaltungsgericht die Rechtsgrundlage für die Einziehung den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der öffentlichen Sachen entnommen, wonach die öffentliche Zweckbestimmung einer Sache durch Widmung durch einen entsprechenden Rechtsakt (actus contrarius) wieder aufgehoben werden kann.

82

Verfahrensfehler bei der Einziehung des Landeshafens sind nicht ersichtlich. Insbesondere war nicht die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens geboten. Ein solches findet nur statt, wenn es durch Rechtsvorschrift angeordnet ist (§ 139 Abs. 1 LVwG). Dies ist bezüglich der Einziehung eines Hafens nicht der Fall.

83

In welcher Form eine Entwidmung eines Landeshafens zu erfolgen hat, ist nicht geregelt. Der Beklagte hat aber in jedem Falle den hier zu stellenden Publizitätsanforderungen (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 - Buchholz 406.11 § 38 BauGB Nr. 4 = BVerwGE 81, 111; zur „Entwidmung“ von nicht planfestgestellten Bahnanlagen nach früherem Recht) Genüge getan, indem er sich hinsichtlich der Bekanntgabe der Einziehungsabsicht, der Auslegung des Erläuterungsberichtes und der Bekanntgabe der Einziehungsentscheidung an das für die Einziehung von Straßen vorgeschriebene Verfahren angelehnt hat.

84

Die Berufung macht geltend, die Einziehung bedürfe einer vom parlamentarischen Gesetzgeber erlassenen Rechtsgrundlage. Die Heranziehung von Gewohnheitsrecht verstoße gegen den Gesetzesvorbehalt. Dem folgt der Senat nicht.

85

Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und darf sie nicht anderen Normgebern überlassen. Wann es danach einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten, zu entnehmen. Danach bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte“. Die Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt dagegen für sich genommen nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden müsste (BVerwG, Beschl. v. 17.02.2015 - 4 B 56.14 -, Juris). Hiernach bedarf es im Zusammenhang mit dem Betrieb eines öffentlichen Hafens spezieller gesetzlicher Regelungen etwa bezüglich der Ermächtigung zur Gefahrenabwehr sowie der Zulassung von Häfen und Anlagen sowie der Konzessionierung von Seeverkehrsleistungen. Entsprechende Rechtsgrundlagen sehen § 137 und §§ 139 f LWG vor. Ihr Fehlen würde gegen den Gesetzesvorbehalt verstoßen. Anders liegt es bei der Frage der Widmung und Entwidmung. Die Entscheidung der zuständigen Behörde über die Frage des „Ob“ eines öffentlichen Hafens greift nicht unmittelbar in Grundrechte ein. Weder mit der Widmung noch mit der Entwidmung werden Rechte oder rechtlich erhebliche Vorteile unmittelbar zugesprochen oder abgesprochen (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 49 Rn. 21). Es begegnet im Hinblick auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes deshalb keinen Bedenken, als Rechtsgrundlage die gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätze des öffentlichen Sachenrechts heranzuziehen.

86

Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass das Land bei der Frage der Entwidmung einen großen Entscheidungsspielraum habe, weil es nach dem Landeswassergesetz nicht verpflichtet sei, einen solchen Hafen zu betreiben und das Landeswassergesetz für eine Einziehung keine gesetzlichen Grenzen setze. Das LWG begründe zur Frage des „Ob“ und „Wie“ des Betriebes eines öffentlichen Hafens nicht einmal einen Anspruch für Nutzer und Anlieger auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Deshalb werde der Handlungsspielraum des Hafenträgers bei seinen Entscheidungen nur durch die Grundrechte und das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Verbot willkürlichen staatlichen Handels begrenzt. In diesem Zusammenhang wendet die Berufung ein, es könne wegen der Vielzahl der beeinträchtigten Interessen von Hafenanliegern und Hafennutzern nicht angehen, dass bei der Entscheidung über das „Ob“ eines öffentlichen Hafens die Entscheidungen nur durch Grundrechte und das Willkürverbot begrenzt seien. Die Interessen der einzelnen Hafennutzer müssten berücksichtigt und abgewogen werden.

87

Hierzu ist festzustellen, dass sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip die Verpflichtung ergibt, über eine Entwidmung ausschließlich nach sachlichen Erwägungen und in ermessensgerechter Weise zu entscheiden. Diesen Vorgaben wird die Einziehungsverfügung gerecht. Sie ist insbesondere auf nachvollziehbare sachliche Gründe gestützt worden. Auch die mit den Einwendungen geltend gemachten Bedenken sind einbezogen worden. Das Verwaltungsgericht hat hierzu folgendes ausgeführt:

88

„Der Beklagte hat dargelegt, dass eine Abwägungsentscheidung getroffen wurde, im Rahmen derer ausschlaggebend war, dass die Zahl der Anläufe von Fischereifahrzeugen ebenso wie die Umschlagmenge in den letzten Jahren auf ein geringes Maß gesunken ist, und dass für den Hafenbetrieb ein erheblicher jährlicher Zuschussbedarf sowie ein erheblicher Sanierungsbedarf in der Zukunft besteht. Der Beklagte hat ferner dargelegt, dass eine Investition in ein Schöpfwerk sinnvoller sei, da damit eine Entwässerung der Köge auch in Zukunft - bei fortschreitender Verlandung des in Rede stehenden Küstenbereiches- sicher gewährleistet sei. Durch die zunehmende Sedimentation im Küstenbereich vor dem südlichen Dithmarschen werde die Entwässerung der Köge zunehmend problematisch; bei anhaltendem Trend werde die Entwässerung des Binnenlandes in freier Vorflut in 10 bis 15 Jahren nicht mehr möglich sein. Hierzu ist in der mündlichen Verhandlung erläutert worden, dass unter dem Gesichtspunkt des Küstenschutzes und einer gesicherten Entwässerung der Umstand in den Blick zu nehmen sei, dass sich zukünftig der Tidenhub und der Einfluss von Stürmen verstärken werde.

89

Diese Gesichtspunkte sind im Rahmen der angefochtenen Entscheidung in Beziehung gesetzt worden zu den Nachteilen für die Betroffenen, insbesondere den Nachteilen für die Gemeinde Friedrichskoog, die Gewerbetreibenden in Friedrichskoog sowie die Bewohnerinnen und Bewohner. Mit allen Einwendungen von Betroffenen hat sich das zuständige Ministerium ausführlich auseinandergesetzt.

90

All dies spricht dafür, dass die Einziehungsentscheidung auf einer an sachlichen Kriterien orientierten Neubewertung des öffentlichen Interesses daran beruht, dass das Land einen Landeshafen in Friedrichskoog betreibt. Die von den Klägern geübte Kritik, es sei nicht gründlich genug nach anderen Lösungen gesucht worden, bzw. es gehe hier um ein rechtsmissbräuchliches Handeln des Landes, hält die Kammer nach Prüfung des Sachverhalts nicht für berechtigt.

91

Wie die aktenkundigen Feststellungen von verschiedenen Fachämtern und Wissenschaftlern zeigen, geht es hier um einen öffentlichen Hafen, dessen Betrieb bereits seit Jahrzehnten wegen des Versandungsproblems nur aufgrund außerordentlicher Anstrengungen aufrechterhalten werden kann. Danach ist der Hafen Friedrichskoog ungünstig gelegen, da er im Bereich der Elbmündung in einem Nordseeküstenabschnitt mit den höchsten Anschlickungs- und Anwachsraten liegt. Bereits im Jahr 1900 scheint es Versandungsprobleme gegeben zu haben, denn dies dürfte einer der Gründe für die damalige Errichtung eines zunächst nur 1000 m langen Leitdamms gewesen sein. Infolge der Eindeichung des Dieksander Koogs und der damit verbundenen Änderung der Verhältnisse im Vorland verstärkte sich das Versandungsproblem noch. Das Marschenbauamt Heide berichtete dann im Jahre 1973 ausführlich über die geomorphologischen Verhältnisse und führte aus, dass eine starke Verlandungstendenz bestehe und sich die Gesamtsituation weiter nachteilig entwickeln werde. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Kiel und das Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten kamen 1974 (Bericht vom 28.05.1974) übereinstimmend zu dem Schluss, Hafen und Zufahrt würden auch mit „Regelwerken“ in überschaubarer Zeit ein Opfer der Anlandungsprozesse werden, so dass rechtzeitig Folgerungen aus dieser unabänderlichen Entwicklung gezogen werden sollten. Neuere Untersuchungen und Variantenprüfungen haben kein anderes Ergebnis erbracht. Den eingeholten externen Gutachten von Prof. F... und Prof. M... lassen sich keine Anhaltspunkte für grundlegende Fehler in der fachbehördlichen Einschätzung entnehmen. Diesen Gutachten lassen sich auch keine Problemlösungsvorschläge entnehmen, die zwingend hätten aufgegriffen werden müssen.“

92

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Anzumerken ist lediglich, dass es sich bei der Entscheidung des Beklagten nicht um eine planerische Abwägungsentscheidung handelt. Die vom Beklagten in der Begründung der Einziehungsentscheidung angestellten Erwägungen tragen jedoch die Annahme einer ermessensfehlerfreien Entscheidung des Beklagten.

93

Dieser hat sich auf die Untersuchungen nicht nur der eigenen Fachbehörden, sondern auch externer Gutachter gestützt. Dabei wurden hinsichtlich des Baggerkonzeptes und der Versandungsreduzierung diverse Varianten diskutiert. Im Gutachten von Prof. M... (Modelluntersuchungen zur Bewertung von Maßnahmenalternativen zur Verbesserung der Zufahrtsituation zum Hafen Friedrichskoog und zur Aufrechterhaltung der Binnenentwässerung, Februar 2010) werden insgesamt 7 Varianten gegeneinandergestellt, die nicht nur auf dem bestehenden Hafen-Layout basieren, sondern teilweise auch erhebliche bauliche Veränderungen zum Gegenstand haben. Untersucht wird beispielsweise auch die Effektivität der Verbindung des Hafenbereiches mit dem Außentief über einen zum Hafenpriel abgewinkelten Seitenkanal (Variante 2) und einen Spülpolder (Variante 3), der während der Ebbphase geöffnet wird, um mit dem Spülstrom zuvor abgelagerte Sedimente aus dem Hafenpriel auszuräumen und demzufolge auch den Sedimentaufwuchs im Hafenpriel zu vermindern. Als Schlussfolgerung kommt das Gutachten zum Ergebnis, Varianten mit Optimierung durch baggertechnische Vertiefung könnten zur Reduzierung der Baggervolumina führen - allerdings auf Kosten einer erhöhten Baggerfrequenz. Die Varianten mit Änderung durch Baumaßnahmen ließen insgesamt die geringsten Sedimentationsvolumina erwarten. Es sei aber - etwa bei der Spülpolder-Variante - mit Sedimentation im Polder zu rechnen, was zu erheblichen zusätzlichen Betriebskosten führen könne. Die Varianten mit Änderung durch Baumaßnahmen sollten vor dem Hintergrund, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Folgeprobleme und -kosten entstehen, mit Vorsicht betrachtet werden.

94

Insgesamt lassen sich den fachlichen Einschätzungen weder der Fachbehörden noch der externen Gutachter Varianten entnehmen, die sich unter Berücksichtigung der damit verbundenen Kosten und Risiken für eine nähere Prüfung dem Beklagten hätten aufdrängen müssen.

95

Die Einschätzung des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN-SH) vom 10. Dezember 2009, wonach keine der betrachteten Varianten eine signifikante Entlastung der hohen Bagger- und Hafenbetriebskosten gegenüber den geringen Einnahmen aus den Hafengebühren bei langfristiger Aufrechterhaltung der Schifffahrt beziehungsweise Anpassung an die Schifffahrt erwarten ließen, ist durch das Gutachten M... nicht in Frage gestellt worden.

96

Die Frage der Erforderlichkeit der Schließung des Landeshafens Friedrichskoog ist nicht neu. Die Risiken der Durchführung bisher unerprobter kostspieliger baulicher Veränderungen des Hafens einerseits und der Schwierigkeiten andererseits, den Hafen trotz zunehmender Versandung durch Ausbaggerungsarbeiten für alle Zukunft offenzuhalten, war dem Beklagten seit langem bewusst. Im Gutachten von Prof. F... vom 10. Oktober 1975 wird ausgeführt, dass langfristige Lösungen nur dann gefunden werden könnten, wenn die Gründe für die Verlandung des Hafens beseitigt würden. Der Hafenpriel habe fast alle seitlichen Watteinzugsgebiete verloren und das Tidevolumen des Hafens reiche nicht aus, um durch eine natürliche Räumwirkung den Hafenpriel freizuhalten. Am landseitigen Ende des Hafenprieles würden die Strömungsgeschwindigkeiten so klein, dass sich die Feststoffe bevorzugt auf dieser Strecke des Hafenprieles absetzen würden. Dadurch werde die Tidekurve auf dem Weg durch den Hafenpriel in der Art verformt, dass sich bei einem um rund 0,9 m angehobenen Niedrigwasser ein sehr steiler Flutast ausbilde, der bis zu einer sogenannten Bore aufgesteilt werden könne. Bei dem dadurch bedingten kurzeitigen aber starken Flutstrom würden die Feststoffe dann hafenwärts verfrachtet; eine durch die Verengung im Schleusenquerschnitt bewirkte örtliche Beschleunigung sauge dann die Feststoffe geradezu in den Hafen hinein, indem sie wegen der zwar langdauernden aber viel zu kleinen Ebbströmung abgelagert würden. Wegen dieser Zusammenhänge könnten Unterhaltungsbaggerungen im Hafen wie im Vorhafen, die immer weiter an Umfang zunähmen, keine dauernde Lösung zur Offenhaltung des Hafens sein. Die von ihm vorgeschlagene Errichtung eines Spülpolders sei wirtschaftlicher als bisher vorgeschlagene bauliche Maßnahmen, enthielte allerdings das Risiko, dass für eine Ausführung keine Erfahrungen vorliegen könnten, weshalb eine besonders sorgfältige theoretische Prüfung erforderlich sei.

97

Wenn die Landesregierung durch Kabinettsbeschluss im April 1976 sich seinerzeit sowohl gegen eine ebenfalls diskutierte Entwidmung des Hafens als auch gegen die Durchführung kostenintensiver, unerprobter und von daher risikobehafteter baulicher Maßnahmen und für die Freihaltung des Hafens durch laufende Ausbaggerungsarbeiten entschloss, so handelt es sich hierbei um eine politische Entscheidung, die keine rechtliche Bindungswirkung für die Zukunft entfalten konnte und für sich genommen die Rechtmäßigkeit der nunmehr erfolgten Einziehung nicht in Frage stellt.

98

Zum Vorwurf unterlassener Unterhaltungsarbeiten in der Vergangenheit und unzureichender Überprüfung baulicher Alternativen zur Reduzierung der Versandung des Hafens hat das Verwaltungsgericht folgendes ausgeführt:

99

„Auch die in der Klagebegründung hervorgehobene Übersicht über die Entwicklung der Aushubmengen in den Jahren 2000 bis 2010 (Anlage K5) belegt nicht den Vorwurf pflichtwidrigen Handelns. Zwar trifft es zu, dass das Volumen des jährlichen Baggeraushubs seit dem Jahre 2006 deutlich gesunken ist (von ca. 147.000 cbm in 2006 auf ca. 100.000 cbm in 2013), hieraus lässt sich jedoch keine Verantwortung des Landes für die reduzierte Nutzung des Hafens ableiten. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass der stärkste Nutzungsrückgang in den Jahren 2000 - 2007 zu verzeichnen war, als der jährliche Baggeraushub noch bei 120.000 - 147.000 cbm lag. Außerdem besteht kein Anlass, die Anstrengungen des Landes in den Jahren 2007 bis 2013 gering zu schätzen, denn auch in diesen Jahren sind immerhin Aushubmengen von mindestens 100.000 cbm bewältigt worden. Das Land hat damit in diesem Zeitraum die Anstrengungen gegenüber dem Jahr 1954 (20.000 cbm) immerhin verfünffacht. Größere Anstrengungen sind aufgrund nachvollziehbarer Erwägungen unterblieben. Hierzu ist dargelegt worden, die Gewährleistung einer Fahrwassertiefe von 2,5 m würde wahrscheinlich auch Baggerarbeiten im Hafenpriel und im vorgelagerten Watt erfordern, was zur Erhöhung der Baggerkosten auf rd. 950.000,- € p.a. führen würde (Vermerk vom 19.12.2013, Beiakte G). Dass man dies auch mit Blick auf die Situation im Wattwasserfahrbereich vor dem Hafenpriel nicht für angemessen erachtete, ist somit mit vertretbaren Überlegungen begründet worden.

100

Entsprechendes gilt angesichts der Erläuterungen von Beklagtenseite zu den Vorwürfen bezüglich des Umgangs mit einem „Schachtpriel“, zumal dem Beitrag dieses Schachtpriels zur Problemlösung in den Untersuchungen des LKN und auch dem Gutachten von Prof. M... keine wesentliche Bedeutung beigemessen wurde.

101

Auch der Argumentation bezüglich der Schlüsse, die aus einer ungünstigen Gestaltung des Sperrwerks (niedriger Drempel) zu ziehen sind, folgt die Kammer nicht. Die Beklagtenvertreter haben in der mündlichen Verhandlung zwar bestätigt, dass auch sie in der Absenkung des Drempels in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Problem sehen, weil dies die Gewährleistung einer besonders niedrigen Sohle am Sperrwerk erfordert; möglicherweise habe man damit damals die Zugänglichkeit für Schiffe mit größerem Tiefgang gewährleisten wollen. Den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs bzw. der Willkür rechtfertigt dieser Aspekt nicht. Zu den Umständen, die ein Hafenträger zu bewältigen hat, gehört auch der Umgang mit nicht optimal gestalteten Bauwerken; dazu gehört auch die Entscheidung, ob etwaige Nachteile dauerhaft hingenommen werden, oder eine bauliche Veränderung vorgenommen wird. Im Übrigen sind die Versandungsprobleme nicht erst nach dem Umbau des Sperrwerks in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts aufgetreten, sondern waren bereits 1973/1974 vom Marschenbauamt Heide, von der WSD Nord und vom Landesamt für Wasserhaushalt und Küsten problematisiert worden. Die Kammer sieht auch in diesem Zusammenhang keine Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Landes.

102

Soweit die Kläger darauf hinweisen, im Planfeststellungsverfahren zur Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe sei vom Beklagten angemahnt worden, dass die Verbringung des Elbschlicks in die Elbmündung zu einer Versandung des Hafens Friedrichskoog führen werde, ist nicht ersichtlich, warum diese Problematik rechtlich relevant sein sollte. Selbst wenn es im Zusammenhang mit dem planfestgestellten Vorhaben zu einer weiteren Verstärkung der Versandungsproblematik in Friedrichskoog gekommen sein sollte, ist zu bedenken, dass dies auf einem Planfeststellungsbeschluss beruht und damit Folge einer rechtmäßigen Maßnahme wäre. Dies kann daher nicht dem Land Schleswig-Holstein als Fehlverhalten zugerechnet werden.

103

Nicht überzeugend ist auch die Auffassung der Kläger, das Land Schleswig-Holstein habe die Möglichkeiten zu Kosteneinsparungen nicht genutzt, die sich in baulicher Hinsicht (Maßnahmen im Vorlandbereich) ergeben hätten. Den vorliegenden Akten ist vielmehr zu entnehmen, dass die in Betracht kommenden Alternativen zur Baggerungslösung und alle Optimierungsvorschläge mehrfach von den Fachbehörden unter Hinzuziehung von Wissenschaftlern gründlich geprüft, und - in nachvollziehbarer Weise - als zu kostspielig und nicht nachhaltig zielführend bewertet wurden.

104

Dass das Land z. B. den Vorschlag von Prof. F... zur Errichtung eines Spülpolders nicht aufgriff, ist nachvollziehbar, da der Sachverständige selbst von einer „unkonventionellen“ Baumaßnahme gesprochen hat, die mit Risiken behaftet sei. Die Befürchtung, dass ein solcher Spülpolder keine nachhaltige Lösung ist, ist nachvollziehbar, zumal dies die Fachbehörden schon 1974 -gestützt auf Erfahrungen mit entsprechenden Versuchen- eingewendet haben. Die Erfahrungen mit Sedimentationsbecken, die 1990 im Zusammenhang mit Deichbaumaßnahmen im Dieksander Koog gemacht wurden (vgl. Drucksache 17/613), bestätigten diese Einschätzung. Auch wenn die Bundesanstalt für Wasserbau im Jahr 2014 eine positivere Prognose gestellt haben mag, wie die Kläger berichten, ist die ablehnende Haltung des Beklagten hierzu angesichts der eigenen Erfahrungen jedenfalls nachvollziehbar.

105

Entsprechendes gilt auch für die vom LKN am 10.12.2009 geprüfte Variante 6 (Anschluss des Grüppensystems im Vorlandbereich als Spülpolder), auf die mit der Klagebegründung besonders hingewiesen wird. Der LKN hat hierzu zwar ausgeführt, bei vergleichsweise geringen Investitionskosten von 270.000 € sei ein vergleichsweise günstiger Effekt in Form einer Reduktion der Baggermengen von rund 35 % zu erwarten. Insgesamt gelangt der Bericht jedoch zu dem Ergebnis, keine der betrachteten Varianten lasse eine signifikante Entlastung der hohen Bagger- und Hafenbetriebskosten gegenüber den geringen Einnahmen aus den Hafengebühren bei langfristiger Aufrechterhaltung der Schifffahrt bzw. Anpassung an die Schifffahrt erwarten.

106

Auch das Gutachten von Prof. M... von der CAU Kiel aus Februar 2010 (Beiakte T) ergab keine bessere Perspektive. In der Stellungnahme heißt es, Baumaßnahmen zur Lösung des Problems wären mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Folgeproblemen und Folgekosten verbunden, und sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden. Eine Optimierung der baggertechnischen Vertiefung könne zur Reduzierung der Baggervolumina führen, allerdings auf Kosten einer erhöhten Baggerfrequenz.

107

In einer aktuellen Untersuchung mit Variantenerörterung vom 10.03.2014 ist das LKN erneut zu dem Ergebnis gelangt, dass der Ersatz des Sperrwerks durch ein Schöpfwerk einschließlich der Seewasserversorgung der Seehundstation die günstigste Variante sei; die entscheidenden Argumente ergäben sich aus dem zu erwartenden Anstieg der Wasserstände, wonach die Entwässerung des Binnenlandes in 10 -15 Jahren nicht mehr möglich sein werde.

108

Die Kammer teilt auch nicht die Zweifel der Klägerin zu 2) an den Angaben des Beklagten zu anstehenden Sanierungsmaßnahmen am Sperrwerk. Hierzu ist in der mündlichen Verhandlung vom Leiter des LKN erläutert worden, dass ein entsprechender Sanierungsbedarf von den Fachleuten des Amtes festgestellt worden sei; eine Untersuchung im Rahmen einer Trockenlegung im Jahre 2013 habe diesen Befund bestätigt. Zur Gewährleistung des sicheren Betriebs des Sperrwerkes müssten die festgestellten Schäden und Undichtigkeiten behoben werden. Da die Kläger für ihre Vermutung, dass ein Sanierungsbedarf nur vorgeschoben werde, keine konkreten Anhaltspunkte benannt haben, sieht die Kammer keinen Anlass, die Richtigkeit der Erläuterungen des Leiters des LKN zu bezweifeln.“

109

Diesen Ausführungen folgt der Senat und nimmt auf sie zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Lediglich ergänzend sei ausgeführt, dass sich der Beklagte auch nach Vorlage des Gutachtens M... vor der Einziehungsverfügung noch mit den verschiedenen Varianten zur Reduzierung der Versandung auseinandergesetzt hat. Dies zeigt der Vermerk des LKN SH vom 10. März 2014. Dort heißt es - zusammenfassend - die Auswertung der flächenhaften Vermessungen der Friedrichskoog vorgelagerten Watten des Elbmündungstrichters zeigten, dass die Watten und Vorländer im Elbeästuar stark angewachsen seien. Damit würden sich auch die mit jeder Tide ein- und ausströmenden Wassermengen reduzieren. Dies wiederum führe zu einer Verkleinerung der Querschnitte der Priele und damit zu erschwerten Bedingen für die ein- und auslaufenden Kutter. Sollten die Tidenniedrigwasserstände auch weiterhin um mehr als 2 cm pro Jahr steigen, so werde die Entwässerung aufgrund der Höhenlage des Einzugsgebietes zunehmend problematisch werden. Bei anhaltendem Trend werde die Entwässerung des Binnenlandes in 10 bis 15 Jahren nicht mehr möglich sein. Auch nach Aussage der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft sei der Bau eines Schöpfwerkes in den nächsten Jahren unumgänglich. Die erwogene Maßnahme der Herstellung eines Spülpolders könne auch nach Aussage der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft nur dann eine nachhaltige Wirkung erzielen, wenn der Spülpolder bei jeder Tide vollständig gefüllt werde. Dies bedeute, dass mit jeder Füllung Sediment eingetragen werde und sich im Spülpolder ablagere. Damit sei eine regelmäßige Unterhaltung des Spülpolders unumgänglich. Die von der Bundesanstalt für Wasserwirtschaft geschätzte Erfolgswahrscheinlichkeit von 80 % für diese bauliche Variante sei aus Sicht des LKN SH zu bezweifeln. Unabhängig von den damit verbundenen Kosten gab es jedenfalls keine „Erfolgsgarantie“ dieser (oder einer anderen) baulichen Variante.

110

Insgesamt teilt der Senat die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass der Beklagte rechtsfehlerfrei zu der Entscheidung kommen durfte, den Hafen wegen der geringen Verkehrsbedeutung und der auch künftig zu befürchtenden hohen Unterhaltungskosten einzuziehen.

111

Weder der in der Einziehungsverfügung darüber hinaus geregelte Widerrufsvorbehalt noch die Regelungen zu Ziffer 3 und 4 der Verfügung verletzen Rechte der Klägerin. Ob durch Ziffer 3 und Ziffer 4 der Einziehungsverfügung über eine deklaratorische Aussage hinaus überhaupt etwas geregelt wird, kann deshalb unerörtert bleiben.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

113

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

114

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht gegeben sind.


(1) Wer am Verkehr teilnimmt, hat die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen.

(2) Vorschriftzeichen stehen vorbehaltlich des Satzes 2 dort, wo oder von wo an die Anordnung zu befolgen ist. Soweit die Zeichen aus Gründen der Leichtigkeit oder der Sicherheit des Verkehrs in einer bestimmten Entfernung zum Beginn der Befolgungspflicht stehen, ist die Entfernung zu dem maßgeblichen Ort auf einem Zusatzzeichen angegeben. Andere Zusatzzeichen enthalten nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Die besonderen Zusatzzeichen zu den Zeichen 283, 286, 277, 290.1 und 290.2 können etwas anderes bestimmen, zum Beispiel den Geltungsbereich erweitern.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.


Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. Juli 2011 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt weitere straßenbautechnische und verkehrsrechtliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in einer als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen Straße.

2

Er wohnt mit seiner Familie, zu der zwei minderjährige Kinder gehören, in der P.-Straße (Haus Nr. …) in K.. Wie im vorhabenbezogenen Bebauungsplan der Beklagten aus dem Jahre 2003 (Nr. 211a und b "Im F.") vorgesehen, wurde die P.-Straße als Verbindungsstraße zwischen der Landstraße L 127 im Norden und der parallel dazu verlaufenden B.-Straße im Süden gebaut, und zwar als sogenannte Mischverkehrsfläche ohne separate Gehwege. Entsprechend den Festsetzungen im Bebauungsplan über Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung ist die Straße - mit Ausnahme eines kleinen Teilstücks vor der Einmündung zur Landstraße L 127 - als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen (durch Verkehrszeichen Nr. 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Die Straße liegt in einem allgemeinen Wohngebiet.

3

Bereits seit dem Jahre 2006 wandten sich wiederholt verschiedene Anwohner der P.-Straße an die Beklagte und beschwerten sich darüber, dass die dort vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit nicht eingehalten werde, was auch durch Messungen des ADAC im Mai 2007 bestätigt worden sei. Außerdem werde die Straße in erheblichem Maße als Abkürzung zwischen dem Zentrum des Stadtteils A. und der Landstraße L 127 genutzt. Sie forderten die Beklagte auf, Maßnahmen zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs und der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit zu ergreifen.

4

Daraufhin verbot die Beklagte in der P.-Straße den Verkehr für Kraftfahrzeuge mit einem Gewicht über 3,5 t (durch Verkehrszeichen Nr. 253 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) und ordnete 20 km/h als zulässige Höchstgeschwindigkeit an zu Beginn des Teilstücks nach der Einmündung von der Landstraße L 127 bis zum Anfang des verkehrsberuhigten Bereichs (durch Verkehrszeichen Nr. 274 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO).

5

Mit Schreiben vom 6. Juli 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aus den von ihr bei einer Verkehrszählung am 23. Juni 2009 in der Zeit zwischen 15:00 und 19:00 Uhr festgestellten Zahlen ergebe sich im Wege der Hochrechnung eine durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge von 955 Kraftfahrzeugen. Der hieraus nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen ermittelte Dauerschallpegel liege selbst bei Ansatz ungünstiger Parameter - erhöhte Verkehrsmenge durch Umleitungsverkehr wegen Sperrung der B.-Straße und Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h statt der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit - unter 58 dB(A). Unter Berücksichtigung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im verkehrsberuhigten Bereich werde sogar ein Wert von 55 dB(A) eingehalten.

6

Im Herbst 2009 errichtete die Beklagte in der P.-Straße an drei Stellen Aufpflasterungen (Bodenwellen) und stellte am Straßenrand - im Bereich gegenüber der Stichstraße "Im F." - einen Pflanzkübel auf.

7

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13. August 2010 an die Beklagte erklärte der Kläger, die bisher ergriffenen Maßnahmen hätten weder zu einer Reduzierung des Verkehrsaufkommens noch zur Einhaltung der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit geführt. Er beantrage daher, kurzfristig weitere verkehrsberuhigende bzw. verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa die Schließung der P.-Straße für den Durchgangsverkehr, die Errichtung eines Pollers im Bereich der Einmündung in die Landstraße L 127, die nur von Anliegern geöffnet werden könne, oder die Anordnung einer Einbahnstraßenregelung, hilfsweise die Errichtung weiterer Bodenwellen sowie das Aufstellen weiterer Blumenkübel.

8

Die Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 11. Oktober 2010, dem keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, mit, eine Überprüfung habe gezeigt, dass die Fahrgeschwindigkeit durch die ergriffenen Maßnahmen habe reduziert werden können. Bei einer Messung am 4. August 2010 in der Zeit von 07:48 bis 08:57 Uhr seien nur bei 3 von 48 Fahrzeugen eine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt worden. Der Ortsbeirat habe die Schließung der P.-Straße für den Durchgangsverkehr oder die Errichtung eines Pollers abgelehnt. Hierfür sei zudem eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich. Es sei daher nicht beabsichtigt, den Anträgen des Klägers zu entsprechen. Hiergegen erhob der Kläger unter dem 21. Januar 2011 vorsorglich Widerspruch.

9

Bereits am 13. Januar 2011 hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zu weiteren Maßnahmen zur tatsächlichen Beruhigung des fließenden Verkehrs in der P.-Straße zu verpflichten. Selbst nach der nicht repräsentativen Verkehrszählung von wenigen Stunden im Juni 2009 sei das Verkehrsaufkommen zu hoch. Ein gefahrloser Aufenthalt von Fußgängern, insbesondere von Kindern, sei auf der als Mischverkehrsfläche gebauten Straße nicht möglich. Dies gelte umso mehr, als nach seinen eigenen Verkehrsbeobachtungen - zu denen er mehrere DVDs vorgelegt hat - in der P.-Straße nach wie vor mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren werde. Dies habe bereits zu mehreren Verkehrsunfällen geführt. Der Durchgangsverkehr verursache außerdem eine erhebliche Lärmbelästigung der Anlieger.

10

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2011 der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, durch zusätzliche verkehrsrechtliche und straßenbautechnische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass der fließende Verkehr in der P.-Straße tatsächlich beruhigt wird. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig. Der Kläger sei auch hinsichtlich des Anspruchs auf straßenbautechnische Maßnahmen klagebefugt. § 11 Abs. 3 LStrG diene zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen. Zwar erfolge die Wahrnehmung der Straßenbaulast grundsätzlich nur im öffentlichen Interesse. Wenn aber die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Personengruppen - wie Kinder und Personen mit Kleinkindern - zu den Anliegern einer Straße gehörten, verdichte sich die abstrakte Berücksichtigungspflicht gegenüber der Allgemeinheit zu einer konkreten Berücksichtigungspflicht gegenüber den Anliegern. Die Klage habe auch in der Sache Erfolg. Der Kläger habe einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Durchführung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1b Nr. 4, Abs. 9 Satz 2 StVO. Unschädlich sei, dass die Widmung der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße an einem besonders schweren und offensichtlichen Fehler leide und daher nichtig sei, weil sie nur für Personenkraftverkehr, Krafträder sowie Fahrzeuge zur Versorgung der Anlieger und Fahrzeuge öffentlicher Einrichtungen, aber nicht für Fußgänger- und Fahrradverkehr erfolgt sei. Die Straßenverkehrsordnung sei gleichwohl anwendbar, da es sich hier um eine tatsächlich öffentliche Straße handele. Aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bestehe eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung des Klägers - und der übrigen Anwohner - erheblich übersteige. In einem verkehrsberuhigten Bereich, in dem Fußgänger die gesamte Straßenbreite benutzen und Kinder überall spielen dürften, werde das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung dann erheblich überschritten, wenn diese Benutzungsformen faktisch unmöglich oder nur mit ständigen Unterbrechungen möglich seien. Als Indiz könne auf die Zumutbarkeitskriterien für die Übertragung der Fahrbahnreinigungspflicht auf die Anlieger zurückgegriffen werden. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz sei eine solche Übertragung wegen einer Gefahr für Leib und Leben unzumutbar, wenn ein relativ kontinuierlicher Verkehrsfluss vorhanden sei. Dies sei der Fall bei einer Fahrzeugfrequenz im Abstand von maximal drei Minuten. Hieraus errechne sich eine stündliche Verkehrsmenge von 20 Fahrzeugen. Diese Verkehrsmenge sei selbst nach den Verkehrszählungen der Beklagten etwa um das Zwei- bis Dreifache überschritten. Bei einer Verkehrsdichte von bis zu 48 bzw. 90 Kraftfahrzeugen pro Stunde sei ein überwiegender Aufenthalt von Personen einschließlich spielender Kinder auf der Mischverkehrsfläche nicht möglich. Welche weiteren straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen die Beklagte ergreife, etwa die Anordnung einer Einbahnstraßenregelung oder einer reinen Anliegerstraße, sei in ihr Auswahlermessen gestellt. Überdies habe der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Durchführung straßenbautechnischer Maßnahmen nach § 11 Abs. 3 LStrG.

11

Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Soweit der Kläger weitere straßenbautechnische Maßnahmen begehre, sei er nicht klagebefugt, da § 11 Abs. 3 LStrG keine drittschützende Wirkung zukomme. Er habe auch keinen Anspruch auf Durchführung weiterer verkehrsrechtlicher Maßnahmen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die Nutzung der gesamten Fahrbahnbreite durch Fußgänger und spielende Kinder nicht aufgrund der Verkehrsdichte faktisch unmöglich. Die Rechtsprechung zur Zumutbarkeit der Straßenreinigungspflicht sei mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht übertragbar. Sie verweise auf die Stellungnahme des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz vom 13. September 2011, der die Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht teile. Da im Juni 2009 die B.-Straße und in den Jahren 2008 und 2010/11 die C.-Straße, eine Verbindungsstraße zur Landstraße L 127, mehrere Monate gesperrt gewesen seien, dürfte ein Teil des Verkehrs auf die P.-Straße ausgewichen sein, sodass die früheren Verkehrszählungen nur begrenzt aussagefähig seien. Daher habe sie am Dienstag, dem 8. November 2011 eine Verkehrszählung durchführen lassen. Danach sei ein durchschnittlicher täglicher Verkehr an Werktagen von 758 Kraftfahrzeugen ermittelt worden. Am Nachmittag in der Zeit von 15:00 bis 19:00 Uhr seien 52 bis maximal 69 Fahrzeuge pro Stunde gezählt worden; am Vormittag habe der Spitzenwert 49 Fahrzeuge pro Stunde betragen. Der Anteil des reinen Durchgangsverkehrs liege vormittags bei 56 % und nachmittags bei 55 %. Eine Vorgabe für den maximalen Verkehr in einem verkehrsberuhigten Bereich bestehe nicht. Es sei im Einzelfall zu entscheiden, ob die jeweilige Verkehrsmenge verträglich sei. Dabei sei auch zu beachten, dass nach den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006 (RASt 06), bei einem Wohnweg als der Ausbauform mit der höchsten Aufenthaltsqualität eine Verkehrsstärke bis zu 150 Kraftfahrzeugen pro Stunde noch als verträglich angesehen werde. Die P.-Straße entspreche mit Ausnahme der Länge (bis ca. 100 m) den in den Richtlinien angeführten Kriterien des Straßentyps Wohnweg. Die vom Kläger genannten Verkehrsunfälle in der P.-Straße hätten zu keinen Personenschäden geführt und beruhten im Übrigen alle auf individuellen Fahrfehlern.

12

Die Beklagte beantragt,

13

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. Juli 2011 die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger verteidigt unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Der Senat hat am 25. April 2012 eine Ortsbesichtigung zum baulichen Zustand der P.-Straße und zu den dortigen Verkehrsverhältnissen durchgeführt. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift über den Ortstermin verwiesen. Bezüglich der Angaben des Ortsvorstehers von K., der Vertreterin des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz und des ehemaligen Baudirektors der Beklagten, Herrn Prof. D., in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2012 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Hinsichtlich der Ergebnisse der Verkehrserhebung vom 8. November 2011 im Einzelnen wird auf den Bericht des beauftragten Ingenieurbüros (Bl. 232 ff. der Gerichtsakte) verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Verwaltungsakten einschließlich des Bebauungsplans und die Gerichtsakte 3 L 1425/08.KO Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

17

Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen.

18

1. Soweit der Kläger zusätzliche straßenbautechnische Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der P.-Straße in K. begehrt, ist die Klage unzulässig. Die Klage ist zwar als Verpflichtungsklage statthaft. Der Kläger kann aber nicht geltend machen, in seinen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt zu sein.

19

a) Richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO. Bei den vom Kläger begehrten straßenbautechnischen Maßnahmen dürfte es sich zwar um schlichte Realakte handeln. Die ihnen vorgelagerte Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche weiteren Maßnahmen zu ergreifen sind, enthält jedoch eine Regelung im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG und stellt somit einen Verwaltungsakt dar.

20

b) Die Klage ist aber unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis fehlt. Die Klage auf Erlass eines Verwaltungsaktes setzt nach § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss hiernach auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich sein. Diese Möglichkeit ist auszuschließen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. BVerwG, Teilurteil vom 13. Dezember 2006 - 6 C 23/05 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 42 Rn. 65 f. m. w. N.). Dies ist hier der Fall.

21

Ein subjektives öffentliches Recht liegt dann vor, wenn ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass die Träger der Individualinteressen die Einhaltung des Rechtssatzes sollen verlangen können (sogenannte Schutznormtheorie, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 1985 - 8 C 43/83 -, juris, Rn. 15; Kopp/Schenke, a. a. O., § 42 Rn. 66 und 78 ff. m. w. N.).

22

§ 11 Abs. 3 Satz 1 Landesstraßengesetz - LStrG - dient entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht auch dem Schutz von Interessen des Klägers und kann daher kein subjektives Recht zu seinen Gunsten begründen.

23

Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG hat der Träger der Straßenbaulast die Straße nach den Erfordernissen der Sicherheit und Ordnung zu bauen; beim Neu- und Ausbau von Straßen sind die besonderen Belange der Kinder, der Personen mit kleinen Kindern sowie der behinderten und alten Menschen im Rahmen der technischen Möglichkeiten zu berücksichtigen mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, soweit nicht überwiegende andere öffentliche Belange, insbesondere Erfordernisse der Verkehrssicherheit, entgegenstehen.

24

Die Straßenbaulast besteht als öffentliche Aufgabe ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit (vgl. Tegtbauer, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Seite 478 m. w. N.). Da § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG nur die öffentliche Aufgabe der Straßenbaulast nach § 11 Abs. 1 LStrG konkretisiert und nicht auch dem Schutz der Interessen einzelner Personen zu dienen bestimmt ist, begründet die Vorschrift keinen Anspruch darauf, dass und wie die Straßenbaulast wahrgenommen wird (so im Ergebnis auch die Vorinstanz noch in VG Koblenz, Urteil vom 26. April 2010 - 4 K 1138/09.KO -, juris, Rn. 27 m. w. N.). Etwas anderes gilt auch nicht für die in § 11 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. LStrG ausdrücklich erwähnten Personengruppen der Kinder, der Personen mit kleinen Kindern sowie der behinderten und alten Menschen. Da § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG die Aufgabe des Straßenbaulastträgers umschreiben und ihm Ziele für die Aufgabenerfüllung vorgeben will, dient die Erwähnung besonders schutzwürdiger Gruppen von Verkehrsteilnehmern nicht der Begründung individueller Schutzansprüche, sondern der Erläuterung genereller Zielvorgaben (vgl. zu der vergleichbaren Bestimmung in Art. 9 Abs. 1 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes Häußler, in: Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand September 2011, Art. 9 Rn. 4 am Ende). Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht insbesondere auch die darin verwendete Formulierung, wonach die besonderen Belange der genannten Personengruppen beim Neu- und Ausbau von Straßen zu berücksichtigen sind, soweit nicht überwiegende "andere öffentliche Belange" entgegenstehen. Die besonderen Belange der erwähnten Personengruppen zählen demnach im Rahmen der Wahrnehmung der Straßenbaulast ebenfalls zu den öffentlichen Belangen, so dass ihre ausdrückliche Erwähnung nicht dem Schutz individueller Interessen zu dienen bestimmt ist. Der Umstand, dass diese Personen - wie im vorliegenden Fall der Kläger - auch zu den Anliegern einer Straße gehören können, vermag hieran nichts zu ändern. Dass ihm aus dem sogenannten Anliegergebrauch ein subjektives Recht auf Durchführung weiterer Straßenbaumaßnahmen zustünde, macht der Kläger selbst nicht geltend.

25

2. Soweit der Kläger weitere straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der P.-Straße begehrt, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

26

a) Die Klage ist insoweit zulässig. Der Kläger kann geltend machen, durch die Ablehnung bzw. das Unterlassen der von ihm begehrten straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen in seinen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt zu sein.

27

Ein diesbezügliches subjektives öffentliches Recht des Klägers kann ihm aus § 45 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4b Satz 1 Nr. 3 und 4 und Abs. 9 Straßenverkehrsordnung - StVO - zustehen. Danach können die Straßenverkehrsbehörden aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs verkehrsbeschränkende Maßnahmen anordnen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO) und auch die notwendigen Anordnungen treffen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in verkehrsberuhigten Bereichen (vgl. § 45 Abs. 1b Nr. 3 und 4 StVO). Zwar sind diese Vorschriften grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Interessen Einzelner gerichtet (vgl. BVerwGE 74, 234 [236] m. w. N.). Es ist aber in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass der Einzelne einen - auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten - Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten haben kann, wenn die Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfasst die Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Dazu gehört ferner im Vorfeld der Grundrechte der Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen (vgl. nochmals BVerwGE 74, 234 [236] m. w. N.).

28

Der Kläger begehrt von der Beklagten, durch verkehrsrechtliche Maßnahmen zu sorgen, dass der fließende Verkehr in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße tatsächlich beruhigt wird. Er macht geltend, angesichts der hohen Verkehrsdichte und der überhöhten Geschwindigkeit der Fahrzeuge sei ihm - und auch seinen beiden minderjährigen Kindern - ein Aufenthalt als Fußgänger auf der Straße, die als Mischverkehrsfläche ausgebaut worden sei und in ihrer ganzen Breite von Fußgängern und spielenden Kindern genutzt werden dürfe, ohne Gefahr für Leib und Leben nicht möglich. Eine Verletzung seiner durch § 45 StVO geschützten Individualinteressen ist nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen.

29

Die Klage ist auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens als sogenannte Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Denn über den Antrag des Klägers vom 13. August 2010, weitere verkehrsberuhigende bzw. verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, ist ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden. Das Schreiben der Beklagten vom 11. Oktober 2010 stellt nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten keinen Verwaltungsakt dar, sondern eine bloße Mitteilung ohne Regelungswirkung. Eine förmliche Ablehnungsentscheidung ist daher bis heute nicht erfolgt.

30

b) Die Klage ist unbegründet.

31

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrten weiteren verkehrsrechtlichen Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße.

32

aa) Im Ergebnis zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Straßenverkehrsordnung in der P.-Straße Anwendung findet, weil es sich um eine öffentliche Straße und damit um Straßenverkehr im Sinne von § 1 StVO handelt (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 1 StVO Rn. 5). Dies folgt bereits aus der straßenrechtlichen Widmung, die entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht wegen eines besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehlers nichtig ist. Die Widmung umfasst auch den Fußgänger- und Fahrradverkehr, so dass der vom Verwaltungsgericht gerügte Fehler, die P.-Straße dürfe als verkehrsberuhigter Bereich nach der straßenrechtlichen Widmung ausschließlich mit Kraftfahrzeugen und Krafträdern befahren werden, nicht vorliegt. Wie der vorgelegten Behördenakte zu entnehmen ist (vgl. Bl. 38), enthält die Widmung der P.-Straße nämlich keine Beschränkung "auf" den Kraftfahrzeugverkehr, sondern lediglich eine Einschränkung "für" den Kraftfahrzeugverkehr, so dass der Fußgänger- und Fahrradverkehr hiervon nicht betroffen und vom Widmungszweck nicht ausgeschlossen ist.

33

bb) Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Sie treffen auch die notwendigen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in verkehrsberuhigten Bereichen (vgl. § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und 4 StVO). Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (vgl. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO).

34

Im vorliegenden Fall sind keine weiteren verkehrsrechtlichen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße notwendig. Die nach der aktuellen Verkehrszählung vom 8. November 2011 ermittelte Verkehrsdichte ist noch nicht so hoch, dass die in einem verkehrsberuhigten Bereich geltenden Ge- und Verbote faktisch nicht mehr eingehalten werden können, weil dort ein Aufenthalt von Fußgängern und spielenden Kindern ohne eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefährdung für Leib und Leben faktisch nicht mehr möglich wäre.

35

In einem verkehrsberuhigten Bereich müssen nach der Straßenverkehrsordnung Fahrzeugführer mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Fahrzeugführer dürfen Fußgänger weder gefährden noch behindern; wenn nötig müssen Fahrzeugführer warten. Fußgänger dürfen den Fahrverkehr nicht unnötig behindern. Außerdem dürfen Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen; Kinderspiele sind überall erlaubt (vgl. Verkehrszeichen Nummer 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Nach den Verwaltungsvorschriften zu dem Verkehrszeichen 325.1 (abgedruckt bei Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a. a. O., Anhang zur StVO) kommt ein verkehrsberuhigter Bereich nur für einzelne Straßen oder für Bereiche mit überwiegender Aufenthaltsfunktion und sehr geringem Verkehr in Betracht. Die Straßen müssen durch ihre besondere Gestaltung den Eindruck vermitteln, dass die Aufenthaltsfunktion überwiegt und der Fahrzeugverkehr eine untergeordnete Bedeutung hat. In der Regel wird ein niveaugleicher Ausbau für die ganze Straßenbreite erforderlich sein.

36

Dem Kläger ist einzuräumen, dass im Hinblick auf diese Aufenthaltsfunktion eines verkehrsberuhigten Bereichs die Planung der P.-Straße nicht unproblematisch ist. Sie ist nämlich einerseits von der Beklagten bereits im Bebauungsplan als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen und dementsprechend als Mischverkehrsfläche ohne separate Gehwege gebaut worden, andererseits aber von Anfang an als eine Verbindungsstraße zwischen der B.-Straße im Ortszentrum von K. und der Landstraße L127 geplant worden. Nach den Angaben der Vertreterin der Beklagten und des Ortsvorstehers von K. in der mündlichen Verhandlung des Senats sollte die P.-Straße als Verbindungsstraße zur Landstraße L127 nicht nur eine weitere Belastung der vorhandenen Verbindungen der B.-Straße durch das dortige Neubaugebiet vermeiden, sondern sogar eine gewisse Entlastung bringen. Da in einem verkehrsberuhigten Bereich die Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen dürfen und Kinderspiele überall erlaubt sind, läuft eine solche Planung, die zur Entlastung vorhandener Straßen den dortigen Durchgangsverkehr teilweise in die neu gebaute P.-Straße umleiten will, deren Ausweisung und Ausbau als verkehrsberuhigter Bereich und der damit verbundenen Aufenthaltsfunktion tendenziell zuwider. Denn mit zunehmender Verkehrsdichte verringert sich für Fußgänger und spielende Kinder die Möglichkeit, den verkehrsberuhigten Bereich seiner Aufenthaltsfunktion entsprechend tatsächlich zu benutzen, ohne sich einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung für Leib oder Leben auszusetzen.

37

Gleichwohl kann nach der aktuellen Verkehrszählung vom 8. November 2011 eine solche Gefährdung in der P.-Straße nicht festgestellt werden. Die gemessene Verkehrsdichte ist noch nicht so hoch, dass ein Aufenthalt von Fußgängern und spielenden Kindern auf der Straße ohne eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefährdung für Leib und Leben faktisch nicht mehr möglich wäre.

38

Nach der Verkehrszählung vom 8. November 2011, einem Dienstag außerhalb der Schulferien, wurde ein durchschnittlicher täglicher Verkehr an Werktagen von 758 Kraftfahrzeugen ermittelt. Am Vormittag in der Zeit von 7:00 bis 10:00 Uhr wurden maximal 49 Fahrzeuge pro Stunde gezählt, am Nachmittag in der - gerade für Kinderspiel bedeutsamen - Zeit von 15:00 bis 19:00 Uhr zwischen 52 und maximal 69 Fahrzeugen; die Spitzenstunde mit 69 Fahrzeugen lag zwischen 16:15 Uhr und 17:15 Uhr. Der Anteil des reinen Durchgangsverkehrs betrug vormittags 56 % und nachmittags 55 %. Fast jede zweite Fahrt war Ziel- oder Quellverkehr des Wohngebiets entlang der P.-Straße. Früheren Verkehrszählungen kommt keine maßgebliche Bedeutung mehr zu, da die hierbei ermittelten Zahlen nicht mehr hinreichend aktuell und teilweise auch deswegen nicht ausreichend verlässlich sind, weil sie erhoben wurden, als wegen Bauarbeiten die B.-Straße bzw. die C.-Straße, eine Verbindungsstraße zur Landstraße L127, gesperrt waren, so dass während dieser Zeiten von Ausweichverkehr durch die P.-Straße ausgegangen werden muss.

39

Es kann offen bleiben, ob ab einer bestimmten Verkehrsdichte generell in verkehrsberuhigten Bereichen ein Aufenthalt für Fußgänger und spielende Kinder wegen einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung faktisch unmöglich ist oder ob eine solche Gefährdung abhängig ist von der Lage des verkehrsberuhigten Bereichs (wie Stadtzentrum, Stadtrand oder Dorf) und den sonstigen Umständen des Einzelfalles. Ebenso kann dahinstehen, ob zur Beurteilung einer solchen Gefährdung auf die in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) als verträglich angegebene Verkehrsstärke für "Wohnwege" zurückgegriffen werden kann. Der vorliegende Fall gibt auch keine Veranlassung, die Frage abschließend zu klären, ab welcher Verkehrsdichte in der P.-Straße eine solche Gefährdung anzunehmen wäre. Es genügt hier festzustellen, dass die genannte aktuelle Verkehrsdichte noch nicht so hoch ist, dass von einer solchen Gefährdung ausgegangen werden kann.

40

Für diese Einschätzung ist insbesondere von maßgeblicher Bedeutung, dass Fahrzeuge in einem verkehrsberuhigten Bereich anders als auf sonstigen innerörtlichen Straßen nur Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen, wie oben ausgeführt (vgl. nochmals Verkehrszeichen Nummer 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Schrittgeschwindigkeit ist eine sehr langsame Geschwindigkeit, die in etwa der eines normal gehenden Fußgängers entspricht. Es kann dahinstehen, ob dies eine Geschwindigkeit von maximal 7, 10 oder 15 km/h bedeutet. Sie muss jedenfalls deutlich unter 20 km/h liegen (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 42 StVO Rn. 147 und 181 m. w. N.). Bei einer solch langsamen Geschwindigkeit des Fahrzeugverkehrs, das heißt nicht nur von Kraftfahrzeugen, sondern auch von Mopeds, Mofas und Fahrrädern (vgl. König, a. a. O., § 42 StVO Rn. 147), besteht eine erheblich geringere Gefahr für Personen, die sich in einem verkehrsberuhigten Bereich auf der Straße aufhalten, als auf sonstigen Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften, auf denen eine Geschwindigkeit bis zu 50 km/h zulässig ist (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Dies gilt auch für spielende Kinder, zumal für Fahrzeugführer in verkehrsberuhigten Bereichen die besondere Sorgfaltspflicht besteht, sich auf plötzlich auftauchende Kinder einzustellen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2004, 1887; König, a. a. O., § 42 StVO Rn. 181, jeweils m. w. N.).

41

Aus diesem Grunde kann auch für die Beurteilung einer Gefährdung von Personen auf einer verkehrsberuhigten Straße nicht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz zur Unzumutbarkeit der Übertragung der Straßenreinigungspflicht auf die Anlieger herangezogen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12. August 1999 - 1 C 10016/99.OVG - eine solche Unzumutbarkeit wegen einer Gefährdung von Leib und Leben des die Fahrbahn reinigenden Anliegers in einem Fall bejaht, in dem ein relativ kontinuierlicher Verkehrsfluss mit einer zeitlichen Lücke von maximal drei Minuten, großteils sogar minütlicher Kraftfahrzeugverkehr zu verzeichnen war. Diese Annahme einer Gefährdung von Leib und Leben von Personen auf der Fahrbahn bezieht sich indes auf normale Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Sie kann daher auf eine als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesene Straße, in der lediglich Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf, nicht übertragen werden.

42

Vor diesem Hintergrund erscheint die in der P.-Straße festgestellte Verkehrsdichte mit 758 Fahrzeugen an einem Werktag und 52 bis maximal 69 Fahrzeugen am Nachmittag in der - gerade für Kinderspiel bedeutsamen - Zeit von 15:00 bis 19:00 Uhr noch nicht so hoch, dass von einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung von Leib und Leben für Personen ausgegangen werden kann, die sich als Fußgänger oder beim Kinderspiel auf der Straße aufhalten. Der Senat hält daher auch die Einschätzung des ehemaligen Baudirektors der Beklagten für plausibel, dass kein wesentlicher Unterschied zwischen der P.-Straße und anderen verkehrsberuhigten Bereichen im Gebiet der Beklagten besteht. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung der Vertreterin des Landesbetriebs Mobilität in der mündlichen Verhandlung, dass die P.-Straße nach ihrer baulichen Gestaltung mit Verschwenkungen und Auflastungen und ohne separate Gehwege vom äußeren Erscheinungsbild keine "klassische" Verbindungsstraße ist. Dies wird auch durch die Verkehrszählung vom 8. November 2011 insofern bestätigt, als danach nahezu jede zweite Fahrt durch die P.-Straße kein Durchgangsverkehr, sondern Ziel- und Quellverkehr ist.

43

Soweit der Kläger geltend macht, viele Fahrzeugführer hielten sich nicht an die in der P.-Straße vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit, kann dies die begehrten verkehrsrechtlichen Maßnahmen - wie etwa eine Einbahnstraßenregelung oder die Anordnung einer reinen Anliegerstraße - nicht rechtfertigen. Maßgeblich für die Notwendigkeit einer Anordnung zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesem verkehrsberuhigten Bereich wegen einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung von Personen auf der Straße ist, ob die festgestellte Verkehrsdichte bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit eine solche Gefahr begründet. Wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit tatsächlich vielfach überschritten, so ist es hingegen Aufgabe der Beklagten, durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch häufigere Geschwindigkeitskontrollen darauf hinzuwirken, dass die vorgeschriebene Geschwindigkeit grundsätzlich beachtet wird.

44

Sollte das Verkehrsaufkommen in der P.-Straße allerdings künftig deutlich ansteigen, kann die Frage der Gefährdung von Personen, die sich auf der Straße aufhalten, neu zu bewerten sein.

45

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass verkehrsbeschränkende Maßnahmen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm erforderlich wären (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 StVO), nachdem bei einer Verkehrszählung am 23. Juni 2009 ein Dauerschallpegel unter 58 dbA ermittelt worden ist, obwohl dort eine höhere Verkehrsmenge (955 Kraftfahrzeuge pro Tag) als die aktuelle gemessene Menge und auch eine höhere Fahrgeschwindigkeit (30 km/h) als die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit der Berechnung zu Grunde gelegt worden sind.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

47

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

48

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

49

Beschluss

50

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.


Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. Juli 2011 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt weitere straßenbautechnische und verkehrsrechtliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in einer als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen Straße.

2

Er wohnt mit seiner Familie, zu der zwei minderjährige Kinder gehören, in der P.-Straße (Haus Nr. …) in K.. Wie im vorhabenbezogenen Bebauungsplan der Beklagten aus dem Jahre 2003 (Nr. 211a und b "Im F.") vorgesehen, wurde die P.-Straße als Verbindungsstraße zwischen der Landstraße L 127 im Norden und der parallel dazu verlaufenden B.-Straße im Süden gebaut, und zwar als sogenannte Mischverkehrsfläche ohne separate Gehwege. Entsprechend den Festsetzungen im Bebauungsplan über Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung ist die Straße - mit Ausnahme eines kleinen Teilstücks vor der Einmündung zur Landstraße L 127 - als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen (durch Verkehrszeichen Nr. 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Die Straße liegt in einem allgemeinen Wohngebiet.

3

Bereits seit dem Jahre 2006 wandten sich wiederholt verschiedene Anwohner der P.-Straße an die Beklagte und beschwerten sich darüber, dass die dort vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit nicht eingehalten werde, was auch durch Messungen des ADAC im Mai 2007 bestätigt worden sei. Außerdem werde die Straße in erheblichem Maße als Abkürzung zwischen dem Zentrum des Stadtteils A. und der Landstraße L 127 genutzt. Sie forderten die Beklagte auf, Maßnahmen zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs und der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit zu ergreifen.

4

Daraufhin verbot die Beklagte in der P.-Straße den Verkehr für Kraftfahrzeuge mit einem Gewicht über 3,5 t (durch Verkehrszeichen Nr. 253 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) und ordnete 20 km/h als zulässige Höchstgeschwindigkeit an zu Beginn des Teilstücks nach der Einmündung von der Landstraße L 127 bis zum Anfang des verkehrsberuhigten Bereichs (durch Verkehrszeichen Nr. 274 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO).

5

Mit Schreiben vom 6. Juli 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aus den von ihr bei einer Verkehrszählung am 23. Juni 2009 in der Zeit zwischen 15:00 und 19:00 Uhr festgestellten Zahlen ergebe sich im Wege der Hochrechnung eine durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge von 955 Kraftfahrzeugen. Der hieraus nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen ermittelte Dauerschallpegel liege selbst bei Ansatz ungünstiger Parameter - erhöhte Verkehrsmenge durch Umleitungsverkehr wegen Sperrung der B.-Straße und Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h statt der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit - unter 58 dB(A). Unter Berücksichtigung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im verkehrsberuhigten Bereich werde sogar ein Wert von 55 dB(A) eingehalten.

6

Im Herbst 2009 errichtete die Beklagte in der P.-Straße an drei Stellen Aufpflasterungen (Bodenwellen) und stellte am Straßenrand - im Bereich gegenüber der Stichstraße "Im F." - einen Pflanzkübel auf.

7

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13. August 2010 an die Beklagte erklärte der Kläger, die bisher ergriffenen Maßnahmen hätten weder zu einer Reduzierung des Verkehrsaufkommens noch zur Einhaltung der vorgeschriebenen Schrittgeschwindigkeit geführt. Er beantrage daher, kurzfristig weitere verkehrsberuhigende bzw. verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa die Schließung der P.-Straße für den Durchgangsverkehr, die Errichtung eines Pollers im Bereich der Einmündung in die Landstraße L 127, die nur von Anliegern geöffnet werden könne, oder die Anordnung einer Einbahnstraßenregelung, hilfsweise die Errichtung weiterer Bodenwellen sowie das Aufstellen weiterer Blumenkübel.

8

Die Beklagte teilte hierauf mit Schreiben vom 11. Oktober 2010, dem keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, mit, eine Überprüfung habe gezeigt, dass die Fahrgeschwindigkeit durch die ergriffenen Maßnahmen habe reduziert werden können. Bei einer Messung am 4. August 2010 in der Zeit von 07:48 bis 08:57 Uhr seien nur bei 3 von 48 Fahrzeugen eine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt worden. Der Ortsbeirat habe die Schließung der P.-Straße für den Durchgangsverkehr oder die Errichtung eines Pollers abgelehnt. Hierfür sei zudem eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich. Es sei daher nicht beabsichtigt, den Anträgen des Klägers zu entsprechen. Hiergegen erhob der Kläger unter dem 21. Januar 2011 vorsorglich Widerspruch.

9

Bereits am 13. Januar 2011 hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, die Beklagte zu weiteren Maßnahmen zur tatsächlichen Beruhigung des fließenden Verkehrs in der P.-Straße zu verpflichten. Selbst nach der nicht repräsentativen Verkehrszählung von wenigen Stunden im Juni 2009 sei das Verkehrsaufkommen zu hoch. Ein gefahrloser Aufenthalt von Fußgängern, insbesondere von Kindern, sei auf der als Mischverkehrsfläche gebauten Straße nicht möglich. Dies gelte umso mehr, als nach seinen eigenen Verkehrsbeobachtungen - zu denen er mehrere DVDs vorgelegt hat - in der P.-Straße nach wie vor mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren werde. Dies habe bereits zu mehreren Verkehrsunfällen geführt. Der Durchgangsverkehr verursache außerdem eine erhebliche Lärmbelästigung der Anlieger.

10

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2011 der Klage stattgegeben und die Beklagte verpflichtet, durch zusätzliche verkehrsrechtliche und straßenbautechnische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass der fließende Verkehr in der P.-Straße tatsächlich beruhigt wird. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig. Der Kläger sei auch hinsichtlich des Anspruchs auf straßenbautechnische Maßnahmen klagebefugt. § 11 Abs. 3 LStrG diene zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen. Zwar erfolge die Wahrnehmung der Straßenbaulast grundsätzlich nur im öffentlichen Interesse. Wenn aber die in dieser Vorschrift ausdrücklich genannten Personengruppen - wie Kinder und Personen mit Kleinkindern - zu den Anliegern einer Straße gehörten, verdichte sich die abstrakte Berücksichtigungspflicht gegenüber der Allgemeinheit zu einer konkreten Berücksichtigungspflicht gegenüber den Anliegern. Die Klage habe auch in der Sache Erfolg. Der Kläger habe einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Durchführung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1b Nr. 4, Abs. 9 Satz 2 StVO. Unschädlich sei, dass die Widmung der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße an einem besonders schweren und offensichtlichen Fehler leide und daher nichtig sei, weil sie nur für Personenkraftverkehr, Krafträder sowie Fahrzeuge zur Versorgung der Anlieger und Fahrzeuge öffentlicher Einrichtungen, aber nicht für Fußgänger- und Fahrradverkehr erfolgt sei. Die Straßenverkehrsordnung sei gleichwohl anwendbar, da es sich hier um eine tatsächlich öffentliche Straße handele. Aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bestehe eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung des Klägers - und der übrigen Anwohner - erheblich übersteige. In einem verkehrsberuhigten Bereich, in dem Fußgänger die gesamte Straßenbreite benutzen und Kinder überall spielen dürften, werde das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung dann erheblich überschritten, wenn diese Benutzungsformen faktisch unmöglich oder nur mit ständigen Unterbrechungen möglich seien. Als Indiz könne auf die Zumutbarkeitskriterien für die Übertragung der Fahrbahnreinigungspflicht auf die Anlieger zurückgegriffen werden. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz sei eine solche Übertragung wegen einer Gefahr für Leib und Leben unzumutbar, wenn ein relativ kontinuierlicher Verkehrsfluss vorhanden sei. Dies sei der Fall bei einer Fahrzeugfrequenz im Abstand von maximal drei Minuten. Hieraus errechne sich eine stündliche Verkehrsmenge von 20 Fahrzeugen. Diese Verkehrsmenge sei selbst nach den Verkehrszählungen der Beklagten etwa um das Zwei- bis Dreifache überschritten. Bei einer Verkehrsdichte von bis zu 48 bzw. 90 Kraftfahrzeugen pro Stunde sei ein überwiegender Aufenthalt von Personen einschließlich spielender Kinder auf der Mischverkehrsfläche nicht möglich. Welche weiteren straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen die Beklagte ergreife, etwa die Anordnung einer Einbahnstraßenregelung oder einer reinen Anliegerstraße, sei in ihr Auswahlermessen gestellt. Überdies habe der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Durchführung straßenbautechnischer Maßnahmen nach § 11 Abs. 3 LStrG.

11

Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte geltend: Soweit der Kläger weitere straßenbautechnische Maßnahmen begehre, sei er nicht klagebefugt, da § 11 Abs. 3 LStrG keine drittschützende Wirkung zukomme. Er habe auch keinen Anspruch auf Durchführung weiterer verkehrsrechtlicher Maßnahmen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die Nutzung der gesamten Fahrbahnbreite durch Fußgänger und spielende Kinder nicht aufgrund der Verkehrsdichte faktisch unmöglich. Die Rechtsprechung zur Zumutbarkeit der Straßenreinigungspflicht sei mangels vergleichbarer Sachverhalte nicht übertragbar. Sie verweise auf die Stellungnahme des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz vom 13. September 2011, der die Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht teile. Da im Juni 2009 die B.-Straße und in den Jahren 2008 und 2010/11 die C.-Straße, eine Verbindungsstraße zur Landstraße L 127, mehrere Monate gesperrt gewesen seien, dürfte ein Teil des Verkehrs auf die P.-Straße ausgewichen sein, sodass die früheren Verkehrszählungen nur begrenzt aussagefähig seien. Daher habe sie am Dienstag, dem 8. November 2011 eine Verkehrszählung durchführen lassen. Danach sei ein durchschnittlicher täglicher Verkehr an Werktagen von 758 Kraftfahrzeugen ermittelt worden. Am Nachmittag in der Zeit von 15:00 bis 19:00 Uhr seien 52 bis maximal 69 Fahrzeuge pro Stunde gezählt worden; am Vormittag habe der Spitzenwert 49 Fahrzeuge pro Stunde betragen. Der Anteil des reinen Durchgangsverkehrs liege vormittags bei 56 % und nachmittags bei 55 %. Eine Vorgabe für den maximalen Verkehr in einem verkehrsberuhigten Bereich bestehe nicht. Es sei im Einzelfall zu entscheiden, ob die jeweilige Verkehrsmenge verträglich sei. Dabei sei auch zu beachten, dass nach den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen, Ausgabe 2006 (RASt 06), bei einem Wohnweg als der Ausbauform mit der höchsten Aufenthaltsqualität eine Verkehrsstärke bis zu 150 Kraftfahrzeugen pro Stunde noch als verträglich angesehen werde. Die P.-Straße entspreche mit Ausnahme der Länge (bis ca. 100 m) den in den Richtlinien angeführten Kriterien des Straßentyps Wohnweg. Die vom Kläger genannten Verkehrsunfälle in der P.-Straße hätten zu keinen Personenschäden geführt und beruhten im Übrigen alle auf individuellen Fahrfehlern.

12

Die Beklagte beantragt,

13

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 18. Juli 2011 die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger verteidigt unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens das angegriffene Urteil und beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Der Senat hat am 25. April 2012 eine Ortsbesichtigung zum baulichen Zustand der P.-Straße und zu den dortigen Verkehrsverhältnissen durchgeführt. Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift über den Ortstermin verwiesen. Bezüglich der Angaben des Ortsvorstehers von K., der Vertreterin des Landesbetriebs Mobilität Rheinland-Pfalz und des ehemaligen Baudirektors der Beklagten, Herrn Prof. D., in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2012 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Hinsichtlich der Ergebnisse der Verkehrserhebung vom 8. November 2011 im Einzelnen wird auf den Bericht des beauftragten Ingenieurbüros (Bl. 232 ff. der Gerichtsakte) verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegten Verwaltungsakten einschließlich des Bebauungsplans und die Gerichtsakte 3 L 1425/08.KO Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

17

Die Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen.

18

1. Soweit der Kläger zusätzliche straßenbautechnische Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der P.-Straße in K. begehrt, ist die Klage unzulässig. Die Klage ist zwar als Verpflichtungsklage statthaft. Der Kläger kann aber nicht geltend machen, in seinen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt zu sein.

19

a) Richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage im Sinne von § 42 Abs. 1 VwGO. Bei den vom Kläger begehrten straßenbautechnischen Maßnahmen dürfte es sich zwar um schlichte Realakte handeln. Die ihnen vorgelagerte Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche weiteren Maßnahmen zu ergreifen sind, enthält jedoch eine Regelung im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG und stellt somit einen Verwaltungsakt dar.

20

b) Die Klage ist aber unzulässig, weil dem Kläger die Klagebefugnis fehlt. Die Klage auf Erlass eines Verwaltungsaktes setzt nach § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss hiernach auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich sein. Diese Möglichkeit ist auszuschließen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. BVerwG, Teilurteil vom 13. Dezember 2006 - 6 C 23/05 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 42 Rn. 65 f. m. w. N.). Dies ist hier der Fall.

21

Ein subjektives öffentliches Recht liegt dann vor, wenn ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass die Träger der Individualinteressen die Einhaltung des Rechtssatzes sollen verlangen können (sogenannte Schutznormtheorie, vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 1985 - 8 C 43/83 -, juris, Rn. 15; Kopp/Schenke, a. a. O., § 42 Rn. 66 und 78 ff. m. w. N.).

22

§ 11 Abs. 3 Satz 1 Landesstraßengesetz - LStrG - dient entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht auch dem Schutz von Interessen des Klägers und kann daher kein subjektives Recht zu seinen Gunsten begründen.

23

Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG hat der Träger der Straßenbaulast die Straße nach den Erfordernissen der Sicherheit und Ordnung zu bauen; beim Neu- und Ausbau von Straßen sind die besonderen Belange der Kinder, der Personen mit kleinen Kindern sowie der behinderten und alten Menschen im Rahmen der technischen Möglichkeiten zu berücksichtigen mit dem Ziel, eine möglichst weitreichende Barrierefreiheit zu erreichen, soweit nicht überwiegende andere öffentliche Belange, insbesondere Erfordernisse der Verkehrssicherheit, entgegenstehen.

24

Die Straßenbaulast besteht als öffentliche Aufgabe ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit (vgl. Tegtbauer, in: Kodal, Straßenrecht, 7. Aufl. 2010, Seite 478 m. w. N.). Da § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG nur die öffentliche Aufgabe der Straßenbaulast nach § 11 Abs. 1 LStrG konkretisiert und nicht auch dem Schutz der Interessen einzelner Personen zu dienen bestimmt ist, begründet die Vorschrift keinen Anspruch darauf, dass und wie die Straßenbaulast wahrgenommen wird (so im Ergebnis auch die Vorinstanz noch in VG Koblenz, Urteil vom 26. April 2010 - 4 K 1138/09.KO -, juris, Rn. 27 m. w. N.). Etwas anderes gilt auch nicht für die in § 11 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. LStrG ausdrücklich erwähnten Personengruppen der Kinder, der Personen mit kleinen Kindern sowie der behinderten und alten Menschen. Da § 11 Abs. 3 Satz 1 LStrG die Aufgabe des Straßenbaulastträgers umschreiben und ihm Ziele für die Aufgabenerfüllung vorgeben will, dient die Erwähnung besonders schutzwürdiger Gruppen von Verkehrsteilnehmern nicht der Begründung individueller Schutzansprüche, sondern der Erläuterung genereller Zielvorgaben (vgl. zu der vergleichbaren Bestimmung in Art. 9 Abs. 1 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes Häußler, in: Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand September 2011, Art. 9 Rn. 4 am Ende). Für ein solches Verständnis der Vorschrift spricht insbesondere auch die darin verwendete Formulierung, wonach die besonderen Belange der genannten Personengruppen beim Neu- und Ausbau von Straßen zu berücksichtigen sind, soweit nicht überwiegende "andere öffentliche Belange" entgegenstehen. Die besonderen Belange der erwähnten Personengruppen zählen demnach im Rahmen der Wahrnehmung der Straßenbaulast ebenfalls zu den öffentlichen Belangen, so dass ihre ausdrückliche Erwähnung nicht dem Schutz individueller Interessen zu dienen bestimmt ist. Der Umstand, dass diese Personen - wie im vorliegenden Fall der Kläger - auch zu den Anliegern einer Straße gehören können, vermag hieran nichts zu ändern. Dass ihm aus dem sogenannten Anliegergebrauch ein subjektives Recht auf Durchführung weiterer Straßenbaumaßnahmen zustünde, macht der Kläger selbst nicht geltend.

25

2. Soweit der Kläger weitere straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der P.-Straße begehrt, ist die Klage zulässig, aber unbegründet.

26

a) Die Klage ist insoweit zulässig. Der Kläger kann geltend machen, durch die Ablehnung bzw. das Unterlassen der von ihm begehrten straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen in seinen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO verletzt zu sein.

27

Ein diesbezügliches subjektives öffentliches Recht des Klägers kann ihm aus § 45 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4b Satz 1 Nr. 3 und 4 und Abs. 9 Straßenverkehrsordnung - StVO - zustehen. Danach können die Straßenverkehrsbehörden aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Straßenverkehrs verkehrsbeschränkende Maßnahmen anordnen (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO) und auch die notwendigen Anordnungen treffen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in verkehrsberuhigten Bereichen (vgl. § 45 Abs. 1b Nr. 3 und 4 StVO). Zwar sind diese Vorschriften grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Interessen Einzelner gerichtet (vgl. BVerwGE 74, 234 [236] m. w. N.). Es ist aber in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass der Einzelne einen - auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde begrenzten - Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten haben kann, wenn die Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung umfasst die Grundrechte wie körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Dazu gehört ferner im Vorfeld der Grundrechte der Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen (vgl. nochmals BVerwGE 74, 234 [236] m. w. N.).

28

Der Kläger begehrt von der Beklagten, durch verkehrsrechtliche Maßnahmen zu sorgen, dass der fließende Verkehr in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße tatsächlich beruhigt wird. Er macht geltend, angesichts der hohen Verkehrsdichte und der überhöhten Geschwindigkeit der Fahrzeuge sei ihm - und auch seinen beiden minderjährigen Kindern - ein Aufenthalt als Fußgänger auf der Straße, die als Mischverkehrsfläche ausgebaut worden sei und in ihrer ganzen Breite von Fußgängern und spielenden Kindern genutzt werden dürfe, ohne Gefahr für Leib und Leben nicht möglich. Eine Verletzung seiner durch § 45 StVO geschützten Individualinteressen ist nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen.

29

Die Klage ist auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens als sogenannte Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig. Denn über den Antrag des Klägers vom 13. August 2010, weitere verkehrsberuhigende bzw. verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, ist ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden. Das Schreiben der Beklagten vom 11. Oktober 2010 stellt nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten keinen Verwaltungsakt dar, sondern eine bloße Mitteilung ohne Regelungswirkung. Eine förmliche Ablehnungsentscheidung ist daher bis heute nicht erfolgt.

30

b) Die Klage ist unbegründet.

31

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrten weiteren verkehrsrechtlichen Maßnahmen zur Beruhigung des fließenden Verkehrs in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße.

32

aa) Im Ergebnis zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Straßenverkehrsordnung in der P.-Straße Anwendung findet, weil es sich um eine öffentliche Straße und damit um Straßenverkehr im Sinne von § 1 StVO handelt (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl. 2010, § 1 StVO Rn. 5). Dies folgt bereits aus der straßenrechtlichen Widmung, die entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht wegen eines besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehlers nichtig ist. Die Widmung umfasst auch den Fußgänger- und Fahrradverkehr, so dass der vom Verwaltungsgericht gerügte Fehler, die P.-Straße dürfe als verkehrsberuhigter Bereich nach der straßenrechtlichen Widmung ausschließlich mit Kraftfahrzeugen und Krafträdern befahren werden, nicht vorliegt. Wie der vorgelegten Behördenakte zu entnehmen ist (vgl. Bl. 38), enthält die Widmung der P.-Straße nämlich keine Beschränkung "auf" den Kraftfahrzeugverkehr, sondern lediglich eine Einschränkung "für" den Kraftfahrzeugverkehr, so dass der Fußgänger- und Fahrradverkehr hiervon nicht betroffen und vom Widmungszweck nicht ausgeschlossen ist.

33

bb) Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Sie treffen auch die notwendigen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in verkehrsberuhigten Bereichen (vgl. § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und 4 StVO). Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (vgl. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO).

34

Im vorliegenden Fall sind keine weiteren verkehrsrechtlichen Anordnungen zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in der als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen P.-Straße notwendig. Die nach der aktuellen Verkehrszählung vom 8. November 2011 ermittelte Verkehrsdichte ist noch nicht so hoch, dass die in einem verkehrsberuhigten Bereich geltenden Ge- und Verbote faktisch nicht mehr eingehalten werden können, weil dort ein Aufenthalt von Fußgängern und spielenden Kindern ohne eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefährdung für Leib und Leben faktisch nicht mehr möglich wäre.

35

In einem verkehrsberuhigten Bereich müssen nach der Straßenverkehrsordnung Fahrzeugführer mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Fahrzeugführer dürfen Fußgänger weder gefährden noch behindern; wenn nötig müssen Fahrzeugführer warten. Fußgänger dürfen den Fahrverkehr nicht unnötig behindern. Außerdem dürfen Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen; Kinderspiele sind überall erlaubt (vgl. Verkehrszeichen Nummer 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Nach den Verwaltungsvorschriften zu dem Verkehrszeichen 325.1 (abgedruckt bei Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a. a. O., Anhang zur StVO) kommt ein verkehrsberuhigter Bereich nur für einzelne Straßen oder für Bereiche mit überwiegender Aufenthaltsfunktion und sehr geringem Verkehr in Betracht. Die Straßen müssen durch ihre besondere Gestaltung den Eindruck vermitteln, dass die Aufenthaltsfunktion überwiegt und der Fahrzeugverkehr eine untergeordnete Bedeutung hat. In der Regel wird ein niveaugleicher Ausbau für die ganze Straßenbreite erforderlich sein.

36

Dem Kläger ist einzuräumen, dass im Hinblick auf diese Aufenthaltsfunktion eines verkehrsberuhigten Bereichs die Planung der P.-Straße nicht unproblematisch ist. Sie ist nämlich einerseits von der Beklagten bereits im Bebauungsplan als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen und dementsprechend als Mischverkehrsfläche ohne separate Gehwege gebaut worden, andererseits aber von Anfang an als eine Verbindungsstraße zwischen der B.-Straße im Ortszentrum von K. und der Landstraße L127 geplant worden. Nach den Angaben der Vertreterin der Beklagten und des Ortsvorstehers von K. in der mündlichen Verhandlung des Senats sollte die P.-Straße als Verbindungsstraße zur Landstraße L127 nicht nur eine weitere Belastung der vorhandenen Verbindungen der B.-Straße durch das dortige Neubaugebiet vermeiden, sondern sogar eine gewisse Entlastung bringen. Da in einem verkehrsberuhigten Bereich die Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen dürfen und Kinderspiele überall erlaubt sind, läuft eine solche Planung, die zur Entlastung vorhandener Straßen den dortigen Durchgangsverkehr teilweise in die neu gebaute P.-Straße umleiten will, deren Ausweisung und Ausbau als verkehrsberuhigter Bereich und der damit verbundenen Aufenthaltsfunktion tendenziell zuwider. Denn mit zunehmender Verkehrsdichte verringert sich für Fußgänger und spielende Kinder die Möglichkeit, den verkehrsberuhigten Bereich seiner Aufenthaltsfunktion entsprechend tatsächlich zu benutzen, ohne sich einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung für Leib oder Leben auszusetzen.

37

Gleichwohl kann nach der aktuellen Verkehrszählung vom 8. November 2011 eine solche Gefährdung in der P.-Straße nicht festgestellt werden. Die gemessene Verkehrsdichte ist noch nicht so hoch, dass ein Aufenthalt von Fußgängern und spielenden Kindern auf der Straße ohne eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefährdung für Leib und Leben faktisch nicht mehr möglich wäre.

38

Nach der Verkehrszählung vom 8. November 2011, einem Dienstag außerhalb der Schulferien, wurde ein durchschnittlicher täglicher Verkehr an Werktagen von 758 Kraftfahrzeugen ermittelt. Am Vormittag in der Zeit von 7:00 bis 10:00 Uhr wurden maximal 49 Fahrzeuge pro Stunde gezählt, am Nachmittag in der - gerade für Kinderspiel bedeutsamen - Zeit von 15:00 bis 19:00 Uhr zwischen 52 und maximal 69 Fahrzeugen; die Spitzenstunde mit 69 Fahrzeugen lag zwischen 16:15 Uhr und 17:15 Uhr. Der Anteil des reinen Durchgangsverkehrs betrug vormittags 56 % und nachmittags 55 %. Fast jede zweite Fahrt war Ziel- oder Quellverkehr des Wohngebiets entlang der P.-Straße. Früheren Verkehrszählungen kommt keine maßgebliche Bedeutung mehr zu, da die hierbei ermittelten Zahlen nicht mehr hinreichend aktuell und teilweise auch deswegen nicht ausreichend verlässlich sind, weil sie erhoben wurden, als wegen Bauarbeiten die B.-Straße bzw. die C.-Straße, eine Verbindungsstraße zur Landstraße L127, gesperrt waren, so dass während dieser Zeiten von Ausweichverkehr durch die P.-Straße ausgegangen werden muss.

39

Es kann offen bleiben, ob ab einer bestimmten Verkehrsdichte generell in verkehrsberuhigten Bereichen ein Aufenthalt für Fußgänger und spielende Kinder wegen einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung faktisch unmöglich ist oder ob eine solche Gefährdung abhängig ist von der Lage des verkehrsberuhigten Bereichs (wie Stadtzentrum, Stadtrand oder Dorf) und den sonstigen Umständen des Einzelfalles. Ebenso kann dahinstehen, ob zur Beurteilung einer solchen Gefährdung auf die in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06) als verträglich angegebene Verkehrsstärke für "Wohnwege" zurückgegriffen werden kann. Der vorliegende Fall gibt auch keine Veranlassung, die Frage abschließend zu klären, ab welcher Verkehrsdichte in der P.-Straße eine solche Gefährdung anzunehmen wäre. Es genügt hier festzustellen, dass die genannte aktuelle Verkehrsdichte noch nicht so hoch ist, dass von einer solchen Gefährdung ausgegangen werden kann.

40

Für diese Einschätzung ist insbesondere von maßgeblicher Bedeutung, dass Fahrzeuge in einem verkehrsberuhigten Bereich anders als auf sonstigen innerörtlichen Straßen nur Schrittgeschwindigkeit fahren dürfen, wie oben ausgeführt (vgl. nochmals Verkehrszeichen Nummer 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO). Schrittgeschwindigkeit ist eine sehr langsame Geschwindigkeit, die in etwa der eines normal gehenden Fußgängers entspricht. Es kann dahinstehen, ob dies eine Geschwindigkeit von maximal 7, 10 oder 15 km/h bedeutet. Sie muss jedenfalls deutlich unter 20 km/h liegen (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 42 StVO Rn. 147 und 181 m. w. N.). Bei einer solch langsamen Geschwindigkeit des Fahrzeugverkehrs, das heißt nicht nur von Kraftfahrzeugen, sondern auch von Mopeds, Mofas und Fahrrädern (vgl. König, a. a. O., § 42 StVO Rn. 147), besteht eine erheblich geringere Gefahr für Personen, die sich in einem verkehrsberuhigten Bereich auf der Straße aufhalten, als auf sonstigen Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften, auf denen eine Geschwindigkeit bis zu 50 km/h zulässig ist (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Dies gilt auch für spielende Kinder, zumal für Fahrzeugführer in verkehrsberuhigten Bereichen die besondere Sorgfaltspflicht besteht, sich auf plötzlich auftauchende Kinder einzustellen (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 2004, 1887; König, a. a. O., § 42 StVO Rn. 181, jeweils m. w. N.).

41

Aus diesem Grunde kann auch für die Beurteilung einer Gefährdung von Personen auf einer verkehrsberuhigten Straße nicht die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz zur Unzumutbarkeit der Übertragung der Straßenreinigungspflicht auf die Anlieger herangezogen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 12. August 1999 - 1 C 10016/99.OVG - eine solche Unzumutbarkeit wegen einer Gefährdung von Leib und Leben des die Fahrbahn reinigenden Anliegers in einem Fall bejaht, in dem ein relativ kontinuierlicher Verkehrsfluss mit einer zeitlichen Lücke von maximal drei Minuten, großteils sogar minütlicher Kraftfahrzeugverkehr zu verzeichnen war. Diese Annahme einer Gefährdung von Leib und Leben von Personen auf der Fahrbahn bezieht sich indes auf normale Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Sie kann daher auf eine als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesene Straße, in der lediglich Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf, nicht übertragen werden.

42

Vor diesem Hintergrund erscheint die in der P.-Straße festgestellte Verkehrsdichte mit 758 Fahrzeugen an einem Werktag und 52 bis maximal 69 Fahrzeugen am Nachmittag in der - gerade für Kinderspiel bedeutsamen - Zeit von 15:00 bis 19:00 Uhr noch nicht so hoch, dass von einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung von Leib und Leben für Personen ausgegangen werden kann, die sich als Fußgänger oder beim Kinderspiel auf der Straße aufhalten. Der Senat hält daher auch die Einschätzung des ehemaligen Baudirektors der Beklagten für plausibel, dass kein wesentlicher Unterschied zwischen der P.-Straße und anderen verkehrsberuhigten Bereichen im Gebiet der Beklagten besteht. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung der Vertreterin des Landesbetriebs Mobilität in der mündlichen Verhandlung, dass die P.-Straße nach ihrer baulichen Gestaltung mit Verschwenkungen und Auflastungen und ohne separate Gehwege vom äußeren Erscheinungsbild keine "klassische" Verbindungsstraße ist. Dies wird auch durch die Verkehrszählung vom 8. November 2011 insofern bestätigt, als danach nahezu jede zweite Fahrt durch die P.-Straße kein Durchgangsverkehr, sondern Ziel- und Quellverkehr ist.

43

Soweit der Kläger geltend macht, viele Fahrzeugführer hielten sich nicht an die in der P.-Straße vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit, kann dies die begehrten verkehrsrechtlichen Maßnahmen - wie etwa eine Einbahnstraßenregelung oder die Anordnung einer reinen Anliegerstraße - nicht rechtfertigen. Maßgeblich für die Notwendigkeit einer Anordnung zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesem verkehrsberuhigten Bereich wegen einer das allgemeine Risiko erheblich übersteigenden Gefährdung von Personen auf der Straße ist, ob die festgestellte Verkehrsdichte bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit eine solche Gefahr begründet. Wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit tatsächlich vielfach überschritten, so ist es hingegen Aufgabe der Beklagten, durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch häufigere Geschwindigkeitskontrollen darauf hinzuwirken, dass die vorgeschriebene Geschwindigkeit grundsätzlich beachtet wird.

44

Sollte das Verkehrsaufkommen in der P.-Straße allerdings künftig deutlich ansteigen, kann die Frage der Gefährdung von Personen, die sich auf der Straße aufhalten, neu zu bewerten sein.

45

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass verkehrsbeschränkende Maßnahmen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm erforderlich wären (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 StVO), nachdem bei einer Verkehrszählung am 23. Juni 2009 ein Dauerschallpegel unter 58 dbA ermittelt worden ist, obwohl dort eine höhere Verkehrsmenge (955 Kraftfahrzeuge pro Tag) als die aktuelle gemessene Menge und auch eine höhere Fahrgeschwindigkeit (30 km/h) als die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit der Berechnung zu Grunde gelegt worden sind.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

47

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

48

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

49

Beschluss

50

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € (§§ 47, 52 Abs. 2 GKG).

(1) Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie

1.
zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum,
2.
zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße,
3.
zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen,
4.
zum Schutz der Gewässer und Heilquellen,
5.
hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie
6.
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.

(1a) Das gleiche Recht haben sie ferner

1.
in Bade- und heilklimatischen Kurorten,
2.
in Luftkurorten,
3.
in Erholungsorten von besonderer Bedeutung,
4.
in Landschaftsgebieten und Ortsteilen, die überwiegend der Erholung dienen,
4a.
hinsichtlich örtlich begrenzter Maßnahmen aus Gründen des Arten- oder Biotopschutzes,
4b.
hinsichtlich örtlich und zeitlich begrenzter Maßnahmen zum Schutz kultureller Veranstaltungen, die außerhalb des Straßenraums stattfinden und durch den Straßenverkehr, insbesondere durch den von diesem ausgehenden Lärm, erheblich beeinträchtigt werden,
5.
in der Nähe von Krankenhäusern und Pflegeanstalten sowie
6.
in unmittelbarer Nähe von Erholungsstätten außerhalb geschlossener Ortschaften,
wenn dadurch anders nicht vermeidbare Belästigungen durch den Fahrzeugverkehr verhütet werden können.

(1b) Die Straßenverkehrsbehörden treffen auch die notwendigen Anordnungen

1.
im Zusammenhang mit der Einrichtung von gebührenpflichtigen Parkplätzen für Großveranstaltungen,
2.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen,
2a.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel durch vollständige oder zeitlich beschränkte Reservierung des Parkraums für die Berechtigten oder durch Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen,
3.
zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen,
4.
zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesen Bereichen sowie
5.
zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung.
Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die Parkmöglichkeiten für Bewohner, die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen, verkehrsberuhigten Bereichen und Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Einvernehmen mit der Gemeinde an.

(1c) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Abweichend von Satz 3 bleiben vor dem 1. November 2000 angeordnete Tempo 30-Zonen mit Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger zulässig.

(1d) In zentralen städtischen Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltsfunktion (verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche) können auch Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen von weniger als 30 km/h angeordnet werden.

(1e) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die für den Betrieb von mautgebührenpflichtigen Strecken erforderlichen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen auf der Grundlage des vom Konzessionsnehmer vorgelegten Verkehrszeichenplans an. Die erforderlichen Anordnungen sind spätestens drei Monate nach Eingang des Verkehrszeichenplans zu treffen.

(1f) Zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen ordnet die Straßenverkehrsbehörde die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1g) Zur Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen des § 3 Absatz 1 des Elektromobilitätsgesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1h) Zur Parkbevorrechtigung von Carsharingfahrzeugen ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen der §§ 2 und 3 des Carsharinggesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen mit dem Carsharingsinnbild nach § 39 Absatz 11 an. Soll die Parkfläche nur für ein bestimmtes Carsharingunternehmen vorgehalten werden, ist auf einem weiteren Zusatzzeichen unterhalb dieses Zusatzzeichens die Firmenbezeichnung des Carsharingunternehmens namentlich in schwarzer Schrift auf weißem Grund anzuordnen.

(1i) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Gebieten mit hoher Fahrradverkehrsdichte, Fahrradzonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Die Anordnung einer Fahrradzone darf sich nicht mit der Anordnung einer Tempo 30-Zone überschneiden. Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn aufzubringen.

(2) Zur Durchführung von Straßenbauarbeiten und zur Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße, die durch deren baulichen Zustand bedingt sind, können die nach Landesrecht für den Straßenbau bestimmten Behörden (Straßenbaubehörde) – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Verkehrsverbote und -beschränkungen anordnen, den Verkehr umleiten und ihn durch Markierungen und Leiteinrichtungen lenken. Für Bahnübergänge von Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs können nur die Bahnunternehmen durch Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen, durch rot-weiß gestreifte Schranken oder durch Aufstellung des Andreaskreuzes ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer vorschreiben. Für Bahnübergänge von Straßenbahnen auf unabhängigem Bahnkörper gilt Satz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die Befugnis zur Anordnung der Maßnahmen der nach personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften zuständigen Technischen Aufsichtsbehörde des Straßenbahnunternehmens obliegt. Alle Gebote und Verbote sind durch Zeichen und Verkehrseinrichtungen nach dieser Verordnung anzuordnen.

(3) Im Übrigen bestimmen die Straßenverkehrsbehörden, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind, bei Straßennamensschildern nur darüber, wo diese so anzubringen sind, wie Zeichen 437 zeigt. Die Straßenbaubehörden legen – vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden – die Art der Anbringung und der Ausgestaltung, wie Übergröße, Beleuchtung fest; ob Leitpfosten anzubringen sind, bestimmen sie allein. Sie können auch – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Gefahrzeichen anbringen, wenn die Sicherheit des Verkehrs durch den Zustand der Straße gefährdet wird.

(4) Die genannten Behörden dürfen den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken; in dem Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 5 jedoch auch durch Anordnungen, die durch Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitungen oder auf andere Weise bekannt gegeben werden, sofern die Aufstellung von Verkehrszeichen und -einrichtungen nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist.

(5) Zur Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen und zu deren Betrieb einschließlich ihrer Beleuchtung ist der Baulastträger verpflichtet, sonst der Eigentümer der Straße. Das gilt auch für die von der Straßenverkehrsbehörde angeordnete Beleuchtung von Fußgängerüberwegen.

(6) Vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, müssen die Unternehmer – die Bauunternehmer unter Vorlage eines Verkehrszeichenplans – von der zuständigen Behörde Anordnungen nach den Absätzen 1 bis 3 darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr, auch bei teilweiser Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist, ferner ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen haben. Sie haben diese Anordnungen zu befolgen und Lichtzeichenanlagen zu bedienen.

(7) Sind Straßen als Vorfahrtstraßen oder als Verkehrsumleitungen gekennzeichnet, bedürfen Baumaßnahmen, durch welche die Fahrbahn eingeengt wird, der Zustimmung der Straßenverkehrsbehörde; ausgenommen sind die laufende Straßenunterhaltung sowie Notmaßnahmen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sich die Behörde nicht innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags zu der Maßnahme geäußert hat.

(7a) Die Besatzung von Fahrzeugen, die im Pannenhilfsdienst, bei Bergungsarbeiten und bei der Vorbereitung von Abschleppmaßnahmen eingesetzt wird, darf bei Gefahr im Verzug zur Eigensicherung, zur Absicherung des havarierten Fahrzeugs und zur Sicherung des übrigen Verkehrs an der Pannenstelle Leitkegel (Zeichen 610) aufstellen.

(8) Die Straßenverkehrsbehörden können innerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf bestimmten Straßen durch Zeichen 274 erhöhen. Außerhalb geschlossener Ortschaften können sie mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden die nach § 3 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe c zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 120 km/h anheben.

(9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Satz 3 gilt nicht für die Anordnung von

1.
Schutzstreifen für den Radverkehr (Zeichen 340),
2.
Fahrradstraßen (Zeichen 244.1),
3.
Sonderwegen außerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237, Zeichen 240, Zeichen 241) oder Radfahrstreifen innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237 in Verbindung mit Zeichen 295),
4.
Tempo 30-Zonen nach Absatz 1c,
5.
verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen nach Absatz 1d,
6.
innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Absatz 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern,
7.
Erprobungsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zweiter Halbsatz,
8.
Fahrradzonen nach Absatz 1i.
Satz 3 gilt ferner nicht für Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 Nummer 3 zur Beseitigung oder Abmilderung von erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen worden sind. Satz 3 gilt zudem nicht zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen nach Absatz 1f.

(10) Absatz 9 gilt nicht, soweit Verkehrszeichen angeordnet werden, die zur Förderung der Elektromobilität nach dem Elektromobilitätsgesetz oder zur Förderung des Carsharing nach dem Carsharinggesetz getroffen werden dürfen.

(11) Absatz 1 Satz 1 und 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 6, Absatz 1a, 1f, 2 Satz 1 und 4, Absatz 3, 4, 5 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1, Absatz 7 sowie Absatz 9 Satz 1 bis 3, 4 Nummer 7 und Satz 6 gelten entsprechend für mit den Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichnete Autobahnen in der Baulast des Bundes für das Fernstraßen-Bundesamt. Absatz 2 Satz 1 und 4 sowie Absatz 3, 4 und 7 gelten entsprechend für Bundesstraßen in Bundesverwaltung für das Fernstraßen-Bundesamt.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 11. August 2003 - 4 K 2135/03 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Für die beantragte Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes besteht derzeit nicht das für die Inanspruchnahme des Gerichts grundsätzlich erforderliche Rechtsschutzinteresse.
Gegenstand der beantragten einstweiligen Anordnung ist die Feststellung gegenüber dem Antragsgegner (Land Baden-Württemberg), dass der Antragsteller einzelne, in der Antragsschrift an das Verwaltungsgericht vom 17.07.2003 näher umschriebene Tätigkeiten ohne Meisterbrief (großer Befähigungsnachweis) im Sinne der Handwerksordnung, ohne Ausnahmebewilligung und ohne Eintragung in die Handwerksrolle auszuüben berechtigt ist. Die angesprochenen Tätigkeiten stehen im Zusammenhang mit der derzeitigen Berufsausübung als Handelsvertreter für den Vertrieb von Fertigteilen für Begräbnisstätten (Grabkammern) auf Friedhöfen, die der Antragsteller dahingehend auszuweiten beabsichtigt, dass er die benötigten Urnenwand-Anlagen selbst herstellt und montiert. Zur näheren Begründung hat sich der Antragsteller auf die Verfassungswidrigkeit der Regelung über den Meisterzwang in der Handwerksordnung, auf die Unbestimmtheit der gesetzlichen Regelung sowie auf die Entbehrlichkeit einer Eintragung in die Handwerksrolle berufen, da allenfalls ein Minderhandwerk bzw. ein unerheblicher Nebenbetrieb im Sinne der Handwerksordnung ausgeübt werde. Ob die in diesem Sinne beantragte Feststellung - und ein gleichlautender, zeitgleich beim Verwaltungsgericht gestellter Feststellungsantrag - in der Sache erfolgreich wäre, kann indessen dahinstehen. Auf diese Problematik kommt es vorliegend nicht an, wie auch bereits das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat. Denn der begehrte Eilrechtsschutz ist schon deshalb abzulehnen, weil es für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung derzeit am Rechtsschutzinteresse fehlt. Dieses ist für einen Antrag nach § 123 VwGO regelmäßig dann zu verneinen, wenn der gerichtlich in Anspruch genommene Rechtsträger zuvor vom Antragsteller mit der Sache noch nicht befasst worden war (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.04.1989 - 9 S    1978/88 -; DVBl. 1989, 1199; Beschluss vom 10.03.1989 - 9 S 615/89 -, DVBl. 1989, 1197; Beschluss vom 09.07.1990 - NC 9 S 58/90 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 02.04.1981, NVwZ 1983, 106; OVG Magdeburg, Beschluss vom 20.10.1995 - 4 K 9/95 -, NVwZ-RR 1996, 75; OVG Münster, Beschluss vom 30.04.2001, NVwZ 2001, 1427; Hess. VGH, Beschluss vom 28.06.1989, NVwZ 1989, 1183, 1184; BVerwG, Urteil vom 13.11.1980 - 5 C 18.79 -, GewArch 1981, 166; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 123 Randnr. 22; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., Randnr. 129; Huba, Vorläufiger Rechtsschutz, JuS 1990, 983, 987). Hiermit stimmt auch überein, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 11.01.1963  (VII B 9.62, GewArch 1963, 106) - allerdings in Bezug auf die Handwerkskammer - festgestellt hat, dass ein Rechtsschutzinteresse für eine Klage auf Feststellung der Rechtmäßigkeit einer handwerklichen Betätigung ohne Eintragung in die Handwerksrolle auch dann nicht besteht, wenn die Handwerkskammer dem Betroffenen einen Fragebogen zur Aufklärung des Sachverhalts übermittelt hat, ohne den Sachverhalt jedoch bis dahin abschließend rechtlich bewertet zu haben. Der vorläufige Rechtsschutzantrag des Antragstellers wurde danach vom Verwaltungsgericht zu Recht mangels Rechtsschutzinteresses abgelehnt, weil die Behörden des Antragsgegners mit der Frage der handwerksrechtlichen Zulässigkeit der beabsichtigten Tätigkeit des Antragstellers bisher noch in keiner Weise befasst waren. Dass der Antragsteller ausweislich der vorgelegten Korrespondenz zuvor von einem gewerblichen Mitbewerber unter Hinweis auf die handwerksrechtliche Unzulässigkeit seiner Tätigkeit abgemahnt worden war (Schriftsatz vom 26.6.2003) und auch die örtlich zuständige Handwerkskammer bereits die Zulässigkeit seiner Tätigkeit in Frage gestellt hatte (Schriftsatz vom 29.8.2003), vermag die vorherige Befassung mit dem Sachverhalt durch Behörden des im gerichtlichen Verfahren in Anspruch genommenen Verwaltungsträgers nicht zu ersetzen.
Zur Vermeidung eines Missverständnisses weist der Senat in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass im vorliegenden Fall die der Klärung handwerksrechtlicher Zweifelsfragen dienende Feststellungsklage - und der hierauf bezogene Eilrechtschutzantrag - gegen den Antragsgegner und nicht gegen die örtlich zuständige Handwerkskammer sachgerecht war. Denn die Ansicht, für entsprechende Feststellungsklagen bzw. diesen Gegenstand betreffende Eilanträge sei allein die örtlich zuständige Handwerkskammer passiv-legitimiert (so VG Hamburg, Beschluss vom 16.04.2004, GewArch 2004, 307 m.w.N.; a.A. Hess. VGH, Urteil vom 02.09.1975, GewArch 1976, 195; Beschluss vom 20.02.1990, GewArch 1990, 412; offengelassen in BVerwG, Urteil vom 13.11.1980, GewArch 1981, 166), teilt der Senat in dieser Allgemeinheit nicht. Bei der Frage der Passiv-Legitimation für den hier in Frage stehenden handwerksrechtlichen Feststellungsantrag ist vielmehr zu differenzieren und auf den Inhalt des streitigen Rechtsverhältnisses abzustellen. Danach ist bei einem Streit um die Eintragungsfähigkeit eines Betriebsinhabers in die Handwerksrolle (§ 7 HwO) oder um das Bestehen der Löschungsvoraussetzungen (§ 8 HwO) selbstverständlich eine Passiv-Legitimation der Handwerkskammer begründet. Bestehen indessen - wie hier - Meinungsverschiedenheiten über die Eintragungspflicht in die Handwerksrolle oder über die Zulässigkeit einer handwerklichen Tätigkeit ohne eine derartige Eintragung, kommt der rechtlichen Beurteilung durch die Handwerkskammer weder rechtliche Verbindlichkeit für die Entscheidung anderer Behörden zu noch verfügt die Handwerkskammer über eigene Sanktionsmöglichkeiten im Falle der Nichtbeachtung ihrer Rechtsmeinung durch den Betroffenen. Die bestehenden Zweifelsfragen sind vielmehr vom Antragsgegner als Träger der für Maßnahmen nach § 16 Abs. 3 VwGO zuständigen Behörde in eigener Verantwortung zu entscheiden (Hess. VGH, Urteil vom 20.02.1990, a.a.O.; Honig, HwO, 2. Aufl., § 16 Randnr. 22). Nach bisherigem Recht war die Handwerkskammer bei Uneinsichtigkeit des Betroffenen auf die Stellung eines Antrags auf Erlass einer - im Ermessen („kann“) des Antragsgegners liegender - Maßnahme nach § 16 Abs. 3 HwO verwiesen (vgl. § 16 Abs. 3 HwO a.F.). In der Änderungsfassung der Handwerksordnung vom 24.12.2003 (a.a.O.) ist die Stellung der Handwerkskammer zwar insoweit gestärkt (vgl. § 16 Abs. 3 bis 7 HwO n.F.; hierzu  Müller, die Novellierung der Handwerksordnung, NVwZ 2004, 403, 406), im Streitfall besteht jedoch auch weiterhin eine alleinige Zuständigkeit der Landesbehörden (vgl. § 16 Abs. 7 HWO n.F.). Bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Betroffenen über die Zulässigkeit einer ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübten handwerklichen Tätigkeit und über die Befugnis der Verwaltungsbehörde zu deren Verhinderung ist deshalb von einem  zwischen dem Betroffenen und dem Antragsgegner als Träger der Entscheidungsbehörde bestehenden Rechtsverhältnis auszugehen. Die hieraus abgeleitete - vom Antragsteller zu Recht bejahte - Passiv-Legitimation des Antragsgegners zur Entscheidung im Streitfall ändert jedoch nichts daran, dass  - unabhängig davon, ob im Übrigen ein Feststellungsinteresse vorliegt - im vorliegenden Verfahren ohne vorherige Befassung der zuständigen Behörden des Antragsgegners für vorläufigen Rechtsschutz derzeit kein Raum ist.
Die für die gegenteilige Rechtsansicht vom Antragsteller in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2003 (GewArch 2003, 243) rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn mit dieser Entscheidung wird zwar die Befugnis des Betroffenen anerkannt, die handwerksrechtliche Zulässigkeit einer beabsichtigten Tätigkeit bereits vor deren Aufnahme durch die zuständigen Stellen abklären zu lassen, und - in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird - ausgesprochen, dass sich ein Betroffener zur Behebung von Zweifelsfragen nicht auf ein gegen ihn gegebenenfalls eingeleitetes Strafverfahren verweisen lassen müsse. Ein Recht auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ohne vorherige auch nur ansatzweise Befassung der Behörden des zuständigen Rechtsträgers mit dem dem Gericht unterbreiteten Sachverhalt lässt sich hieraus jedoch nicht herleiten.
Soweit in dem - nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist - vorgelegten Schriftsatz des Antragstellers vom 20.07.2004 dessen beabsichtigte Tätigkeit der industriellen Fertigung zugeordnet wird - in der Beschwerdebegründungsfrist war insoweit allein von einer Zuordnung zum Minderhandwerk bzw. dem Garten- und Landschaftsbau die Rede -, sieht der Senat in diesem Zusammenhang (vgl. § 16 Abs. 3 Satz 3 HwO a.F. und hierzu Honig, HwO, 2. Aufl., § 16 Randnr. 27; § 16 Abs. 3 - 7 HwO i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 24.12.2003, BGBl. I S. 2934) von einer Beiladung der Industrie- und Handelskammer ebenso ab wie von der der Handwerkskammer (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.03.1970, GewArch 1970, 167, Honig, a.a.O., Randnr. 22; sowie § 16 Abs. 3 - 7 HwO n.F.). Eine Beiladung erscheint hier schon wegen der Unzulässigkeit des Antrags gemäß § 123 VwGO des Antragstellers entbehrlich (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 23.09.1988 - 7 B 150.88 -, NVwZ-RR 1989, 109).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 20 Abs. 3, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 GKG a.F..
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, Redakteur bei einer deutschen Tageszeitung, beschäftigt sich mit Entscheidungen der Bundesregierung über die Ausfuhr so genannter Dual-Use-Güter nach Syrien, die für die Herstellung von C-Waffen geeignet sein könnten. Er bat den Bundesnachrichtendienst um Auskünfte über Stellungnahmen, die dieser zur Ausfuhr bestimmter chemischer Substanzen nach Syrien in der Zeit von 2002 bis 2011 gegenüber der Bundesregierung abgegeben habe. Der Bundesnachrichtendienst lehnte dies unter Verweis auf die nichtöffentliche Behandlung der Vorgänge innerhalb der Bundesregierung sowie auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit seiner Stellungnahmen ab.

2

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 um vorläufigen Rechtsschutz beim Bundesverwaltungsgericht nachgesucht. Er beantragt, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm Auskunft darüber zu erteilen,

1. welche Stellungnahme(n) (Wortlaut, mit Datum) der Bundesnachrichtendienst (BND) zur Ausfuhr der Güter Fluorwasserstoff, Natriumfluorid und Ammoniumhydrogendifluorid nach Syrien in der Zeit von 2002 bis 2010 gegenüber der Bundesregierung (Ausfuhrausschuss) abgegeben hat,

2. welche Stellungnahme(n) (Wortlaut, mit Datum) der Bundesnachrichtendienst zur Ausfuhr der Güter Galvanomischung mit Kaliumcyanid und Galvanomischung mit Natriumcyanid im Jahr 2011 gegenüber der Bundesregierung (Ausfuhrausschuss) abgegeben hat,

hilfsweise,

die Auskünfte zu 1. und 2. unter Schwärzung bzw. Auslassung derjenigen Passagen zu erteilen, die berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen betreffen,

höchst hilfsweise,

den Inhalt der in 1. und 2. genannten Stellungnahmen möglichst vollständig zu beschreiben, insbesondere im Hinblick auf die mögliche Verwendung der genannten Güter für die Herstellung von C-Waffen.

3

Auf den genannten Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 sowie den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 4. November 2013 wird Bezug genommen.

II.

4

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über die zu entscheiden das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO i.V.m. § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO berufen ist, bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen nicht vor. Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

5

1. Dies gilt zum einen für den unter 1. und 2. beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Erteilung von Auskünften über den Wortlaut der Stellungnahmen des Bundesnachrichtendienstes gegenüber der Bundesregierung sowie für den "höchst hilfsweise" gestellten Antrag, der Antragsgegnerin aufzugeben, den Inhalt dieser Stellungnahmen zu beschreiben. Mit diesen Anträgen begehrt der Antragsteller keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Vorwegnahme der in einem künftigen Hauptsacheverfahren zu erstrebenden Entscheidung. Wird der Antragsgegnerin antragsgemäß im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die gewünschten Auskünfte zu erteilen, würde sich die Hauptsache bereits erledigen (vgl. Beschlüsse vom 13. August 1999 - BVerwG 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 <261 f.> und vom 10. Februar 2011 - BVerwG 7 VR 6.11 - juris Rn. 6; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 123 Rn. 14). Solchen, die Hauptsache vorweg nehmenden Anträgen ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977 - 2 BvR 42/76 - BVerfGE 46, 166 <180 f.>; BVerwG, Beschlüsse vom 10. Februar 2011 a.a.O.; vom 21. Januar 1999 - BVerwG 11 VR 8.98 - Buchholz 442.09 § 20 AEG Nr. 26 S. 2 f.; vom 14. Dezember 1989 - BVerwG 2 ER 301.89 - Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 15 S. 2; und vom 27. Juni 1984 - BVerwG 1 ER 310.84 - Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 57 S. 128 f.). Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschlüsse vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1 <13 f.>; und vom 25. Oktober 1988 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 <74 f.>). Hiervon ausgehend hat der Antragsteller entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei einem Abwarten auf die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren unzumutbare, auch nach einem Erfolg in diesem Verfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen.

6

Der Antragsteller hat vorgetragen, es gehe ihm darum, durch Kenntnisnahme der begehrten Informationen die Plausibilität der Angaben zu beleuchten und nachzuprüfen, die aus dem Kreis der Bundesregierung zur Frage der Nutzung nach Syrien ausgeführter Chemikalien gemacht worden seien, sowie die durch die gewünschten Auskünfte gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen einer öffentlichen Berichterstattung darzulegen. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache würde die begehrten Informationen möglicherweise vollständig entwerten. In Monaten oder Jahren hätte sich die Anfrage durch rasch voranschreitende politische Entwicklungen in Syrien oder durch neue Agenden (innen- und außenpolitischer) Berichterstattung aller Wahrscheinlichkeit nach erledigt (Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 S. 7). Aus diesem Vortrag geht hervor, dass ein Abwarten auf die Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren die Verwirklichung des vom Antragsteller verfolgten Anliegens, eine möglichst aktuelle, nämlich unmittelbar an eine laufende politische Diskussion anknüpfende Berichterstattung zu der von ihm ins Auge gefassten Thematik vorzunehmen, beeinträchtigen würde. Es erscheint in der Tat denkbar, dass eine Berichterstattung zu einem späteren Zeitpunkt Gefahr liefe, geringere öffentliche Resonanz zu erzeugen, weil sich bis dahin andere Schwerpunkte der allgemeinen politisch-medialen Aufmerksamkeit gebildet haben könnten. Damit ist aber noch nicht dargetan, dass die dem Antragsteller durch ein Abwarten auf eine etwaige Hauptsacheentscheidung drohenden Nachteile nachgerade unzumutbar und nach einem für ihn positiven Ausgang dieser Entscheidung nicht mehr zu beseitigen wären. Die vorgesehene Berichterstattung als solche bliebe ihm auch nach einer solchen Entscheidung noch möglich. Die begehrten Informationen wären auch zu diesem Zeitpunkt noch einer Verwertung zugänglich und, sofern sie sich als inhaltlich gehaltvoll herausstellen sollten, auch dann noch geeignet, öffentliches Interesse hervorzurufen. Die verfassungsrechtlich anerkannte Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Presse (Urteil vom 20. Februar 2013 - BVerwG 6 A 2.12 - NVwZ 2013, 1006 Rn. 27) bliebe somit weiterhin gewahrt. Unzumutbar könnte für den Antragsteller ein Abwarten auf die Hauptsacheentscheidung und die ihm hiermit abverlangte Inkaufnahme der Gefahr einer gewissen Aktualitätseinbuße in Bezug auf seine geplante Berichterstattung allenfalls dann sein, wenn Vorgänge in Rede stünden, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen Aufklärung bedürften, etwa weil manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorlägen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert sein könnte. Für ein solches Szenarium, in dem die Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Presse leerliefe, wenn keine zeitnahe Berichterstattung erfolgen könnte, ergeben sich jedoch im vorliegenden Fall weder aus dem Vortrag des Antragstellers noch aus anderen möglichen Blickwinkeln greifbare Hinweise. Unter diesen Umständen muss dem durch die Rechtsordnung geschützten Interesse der Antragsgegnerin Vorrang eingeräumt werden, nicht ohne ordnungsgemäße, ihre prozessualen Garantien wahrende Durchführung eines Hauptsacheverfahrens gerichtlich zur Auskunftserteilung verpflichtet werden zu können.

7

Unabhängig vom Vorstehenden kann einem Begehren, eine Entscheidung zu erwirken, die eine Hauptsacheentscheidung vorwegnähme, nur stattgegeben werden, wenn eine Hauptsacheentscheidung schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde. Würde der Antragsteller mit einer einstweiligen Anordnung, wie hier, bereits das in einem Hauptsacheverfahren verfolgte Ziel erreichen, ist an die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ein strenger Maßstab anzulegen (Beschluss vom 14. Dezember 1989 a.a.O.). Der Antragsteller beruft sich auf den verfassungsunmittelbaren Presseauskunftsanspruch gegenüber dem Bundesnachrichtendienst aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Schriftsatz vom 9. Oktober 2013 S. 3). Dieser endet dort, wo berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen der Auskunftserteilung entgegenstehen (Urteil vom 20. Februar 2013 a.a.O. Rn. 29). Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, ihre Stellungnahmen gegenüber der Bundesregierung in Ausfuhrfragen basierten auf der Erkenntnislage des Bundesnachrichtendienstes zum Thema Proliferation. Seine Erkenntnisse habe der Bundesnachrichtendienst insbesondere auch durch nachrichtendienstliche Aufklärungsaktivitäten gewonnen. Auch im Bereich der Proliferation gewinne der Bundesnachrichtendienst viele seiner Informationen mit Hilfe menschlicher Quellen, durch technische Aufklärung oder im Rahmen der informationellen Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten; die Offenlegung entsprechend gewonnener Informationen könne Rückschlüsse auf ihre Herkunft sowie auf die Aufklärungsfähigkeiten des Bundesnachrichtendienstes ermöglichen. Sofern die Stellungnahmen des Bundesnachrichtendienstes öffentlich zugänglich gemacht würden, würden hieraus überdies Rückschlüsse über Wissensstände und -defizite des Bundesnachrichtendienstes über fremde Proliferationsaktivitäten gewonnen werden können (Schriftsatz vom 4. November 2013 S. 4 f.). In Anbetracht dieser Sachlage erscheint es durchaus möglich oder sogar naheliegend, dass berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen der begehrten Auskunftserteilung an den Antragsteller entgegenstehen könnten. Ob bzw. inwieweit dies schlussendlich der Fall wäre, bedürfte der Klärung und gegebenenfalls Beweisaufnahme im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens. Dass dieses erkennbar zugunsten des Antragstellers ausgehen würde, kann jedenfalls nach derzeitigem Stand nicht angenommen werden.

8

2. Mit dem hilfsweise gestellten Antrag, der darauf hinausläuft, der Antragsgegnerin eine Auskunftserteilung aufzugeben, soweit berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen nicht entgegenstehen, begehrt der Antragsteller bei Lichte besehen nichts anderes, als die Antragsgegnerin zur rechtmäßigen Erfüllung des Presseauskunftsanspruchs gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu verpflichten. Hiermit könnte der Streit zwischen den Beteiligten nicht befriedet werden, der gerade darüber besteht, ob bzw. inwieweit im Lichte schutzwürdiger Interessen Privater oder öffentlicher Stellen eine Auskunftsverweigerung rechtens ist. Dementsprechend wäre eine einstweilige Anordnung mit dem genannten Inhalt auch nicht vollstreckungsfähig. Unabhängig hiervon erscheint im Lichte des Vortrags der Antragsgegnerin zumindest nicht ausgeschlossen, dass es zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geboten sein könnte, hinsichtlich der Mitwirkung des Bundesnachrichtendienstes an Regierungsentscheidungen über Ausfuhrfragen der hier in Rede stehenden Art jegliche Auskunftserteilung zu unterlassen. Insofern könnte auch mit Blick auf den Hilfsantrag im Rahmen einer summarischen Prüfung nicht mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit festgestellt werden, dass hinsichtlich seiner ein Hauptsacheverfahren - das vorwegzunehmen auch mit ihm erstrebt wird - zugunsten des Antragstellers ausginge.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie

1.
zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum,
2.
zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße,
3.
zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen,
4.
zum Schutz der Gewässer und Heilquellen,
5.
hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie
6.
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.

(1a) Das gleiche Recht haben sie ferner

1.
in Bade- und heilklimatischen Kurorten,
2.
in Luftkurorten,
3.
in Erholungsorten von besonderer Bedeutung,
4.
in Landschaftsgebieten und Ortsteilen, die überwiegend der Erholung dienen,
4a.
hinsichtlich örtlich begrenzter Maßnahmen aus Gründen des Arten- oder Biotopschutzes,
4b.
hinsichtlich örtlich und zeitlich begrenzter Maßnahmen zum Schutz kultureller Veranstaltungen, die außerhalb des Straßenraums stattfinden und durch den Straßenverkehr, insbesondere durch den von diesem ausgehenden Lärm, erheblich beeinträchtigt werden,
5.
in der Nähe von Krankenhäusern und Pflegeanstalten sowie
6.
in unmittelbarer Nähe von Erholungsstätten außerhalb geschlossener Ortschaften,
wenn dadurch anders nicht vermeidbare Belästigungen durch den Fahrzeugverkehr verhütet werden können.

(1b) Die Straßenverkehrsbehörden treffen auch die notwendigen Anordnungen

1.
im Zusammenhang mit der Einrichtung von gebührenpflichtigen Parkplätzen für Großveranstaltungen,
2.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen,
2a.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel durch vollständige oder zeitlich beschränkte Reservierung des Parkraums für die Berechtigten oder durch Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen,
3.
zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen,
4.
zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesen Bereichen sowie
5.
zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung.
Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die Parkmöglichkeiten für Bewohner, die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen, verkehrsberuhigten Bereichen und Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Einvernehmen mit der Gemeinde an.

(1c) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Abweichend von Satz 3 bleiben vor dem 1. November 2000 angeordnete Tempo 30-Zonen mit Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger zulässig.

(1d) In zentralen städtischen Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltsfunktion (verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche) können auch Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen von weniger als 30 km/h angeordnet werden.

(1e) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die für den Betrieb von mautgebührenpflichtigen Strecken erforderlichen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen auf der Grundlage des vom Konzessionsnehmer vorgelegten Verkehrszeichenplans an. Die erforderlichen Anordnungen sind spätestens drei Monate nach Eingang des Verkehrszeichenplans zu treffen.

(1f) Zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen ordnet die Straßenverkehrsbehörde die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1g) Zur Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen des § 3 Absatz 1 des Elektromobilitätsgesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1h) Zur Parkbevorrechtigung von Carsharingfahrzeugen ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen der §§ 2 und 3 des Carsharinggesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen mit dem Carsharingsinnbild nach § 39 Absatz 11 an. Soll die Parkfläche nur für ein bestimmtes Carsharingunternehmen vorgehalten werden, ist auf einem weiteren Zusatzzeichen unterhalb dieses Zusatzzeichens die Firmenbezeichnung des Carsharingunternehmens namentlich in schwarzer Schrift auf weißem Grund anzuordnen.

(1i) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Gebieten mit hoher Fahrradverkehrsdichte, Fahrradzonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Die Anordnung einer Fahrradzone darf sich nicht mit der Anordnung einer Tempo 30-Zone überschneiden. Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn aufzubringen.

(2) Zur Durchführung von Straßenbauarbeiten und zur Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße, die durch deren baulichen Zustand bedingt sind, können die nach Landesrecht für den Straßenbau bestimmten Behörden (Straßenbaubehörde) – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Verkehrsverbote und -beschränkungen anordnen, den Verkehr umleiten und ihn durch Markierungen und Leiteinrichtungen lenken. Für Bahnübergänge von Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs können nur die Bahnunternehmen durch Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen, durch rot-weiß gestreifte Schranken oder durch Aufstellung des Andreaskreuzes ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer vorschreiben. Für Bahnübergänge von Straßenbahnen auf unabhängigem Bahnkörper gilt Satz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die Befugnis zur Anordnung der Maßnahmen der nach personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften zuständigen Technischen Aufsichtsbehörde des Straßenbahnunternehmens obliegt. Alle Gebote und Verbote sind durch Zeichen und Verkehrseinrichtungen nach dieser Verordnung anzuordnen.

(3) Im Übrigen bestimmen die Straßenverkehrsbehörden, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind, bei Straßennamensschildern nur darüber, wo diese so anzubringen sind, wie Zeichen 437 zeigt. Die Straßenbaubehörden legen – vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden – die Art der Anbringung und der Ausgestaltung, wie Übergröße, Beleuchtung fest; ob Leitpfosten anzubringen sind, bestimmen sie allein. Sie können auch – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Gefahrzeichen anbringen, wenn die Sicherheit des Verkehrs durch den Zustand der Straße gefährdet wird.

(4) Die genannten Behörden dürfen den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken; in dem Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 5 jedoch auch durch Anordnungen, die durch Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitungen oder auf andere Weise bekannt gegeben werden, sofern die Aufstellung von Verkehrszeichen und -einrichtungen nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist.

(5) Zur Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen und zu deren Betrieb einschließlich ihrer Beleuchtung ist der Baulastträger verpflichtet, sonst der Eigentümer der Straße. Das gilt auch für die von der Straßenverkehrsbehörde angeordnete Beleuchtung von Fußgängerüberwegen.

(6) Vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, müssen die Unternehmer – die Bauunternehmer unter Vorlage eines Verkehrszeichenplans – von der zuständigen Behörde Anordnungen nach den Absätzen 1 bis 3 darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr, auch bei teilweiser Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist, ferner ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen haben. Sie haben diese Anordnungen zu befolgen und Lichtzeichenanlagen zu bedienen.

(7) Sind Straßen als Vorfahrtstraßen oder als Verkehrsumleitungen gekennzeichnet, bedürfen Baumaßnahmen, durch welche die Fahrbahn eingeengt wird, der Zustimmung der Straßenverkehrsbehörde; ausgenommen sind die laufende Straßenunterhaltung sowie Notmaßnahmen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sich die Behörde nicht innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags zu der Maßnahme geäußert hat.

(7a) Die Besatzung von Fahrzeugen, die im Pannenhilfsdienst, bei Bergungsarbeiten und bei der Vorbereitung von Abschleppmaßnahmen eingesetzt wird, darf bei Gefahr im Verzug zur Eigensicherung, zur Absicherung des havarierten Fahrzeugs und zur Sicherung des übrigen Verkehrs an der Pannenstelle Leitkegel (Zeichen 610) aufstellen.

(8) Die Straßenverkehrsbehörden können innerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf bestimmten Straßen durch Zeichen 274 erhöhen. Außerhalb geschlossener Ortschaften können sie mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden die nach § 3 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe c zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 120 km/h anheben.

(9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Satz 3 gilt nicht für die Anordnung von

1.
Schutzstreifen für den Radverkehr (Zeichen 340),
2.
Fahrradstraßen (Zeichen 244.1),
3.
Sonderwegen außerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237, Zeichen 240, Zeichen 241) oder Radfahrstreifen innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237 in Verbindung mit Zeichen 295),
4.
Tempo 30-Zonen nach Absatz 1c,
5.
verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen nach Absatz 1d,
6.
innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Absatz 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern,
7.
Erprobungsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zweiter Halbsatz,
8.
Fahrradzonen nach Absatz 1i.
Satz 3 gilt ferner nicht für Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 Nummer 3 zur Beseitigung oder Abmilderung von erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen worden sind. Satz 3 gilt zudem nicht zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen nach Absatz 1f.

(10) Absatz 9 gilt nicht, soweit Verkehrszeichen angeordnet werden, die zur Förderung der Elektromobilität nach dem Elektromobilitätsgesetz oder zur Förderung des Carsharing nach dem Carsharinggesetz getroffen werden dürfen.

(11) Absatz 1 Satz 1 und 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 6, Absatz 1a, 1f, 2 Satz 1 und 4, Absatz 3, 4, 5 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1, Absatz 7 sowie Absatz 9 Satz 1 bis 3, 4 Nummer 7 und Satz 6 gelten entsprechend für mit den Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichnete Autobahnen in der Baulast des Bundes für das Fernstraßen-Bundesamt. Absatz 2 Satz 1 und 4 sowie Absatz 3, 4 und 7 gelten entsprechend für Bundesstraßen in Bundesverwaltung für das Fernstraßen-Bundesamt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache weist weder die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, noch liegen die behaupteten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor.

2

Der Kläger, der mit seiner Familie, darunter zwei minderjährigen Kindern, in einer als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesenen und u.a. mit den Verkehrszeichen 325.1 und 325.2 ausgeschilderten Straße wohnt, begehrt weitere straßenbautechnische und verkehrsrechtliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung. Das Verwaltungsgericht hatte die Beklagte antragsgemäß dazu verpflichtet, durch zusätzliche verkehrsrechtliche und straßenbautechnische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass der fließende Verkehr in der von ihm bewohnten Straße tatsächlich beruhigt wird. Das Berufungsgericht hat diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Soweit der Kläger zusätzliche straßenbautechnische Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung begehre, sei die Klage unzulässig. § 11 Abs. 3 Satz 1 des Landesstraßengesetzes, wonach der Träger der Straßenbaulast die Straße nach den Erfordernissen der Sicherheit und Ordnung zu bauen habe, diene - auch wenn im zweiten Halbsatz dieser Regelung einzelne Personengruppen aufgeführt seien - entgegen dem Verwaltungsgericht nicht auch dem Schutz der Interessen des Klägers. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch aus § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und 4 sowie § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO auf weitere verkehrsrechtliche Maßnahmen. Die nach der aktuellen Verkehrszählung vom November 2011 ermittelte durchschnittliche Verkehrsdichte von 758 Kraftfahrzeugen an Werktagen sei noch nicht so hoch, dass in dem verkehrsberuhigten Bereich ein Aufenthalt von Fußgängern und spielenden Kindern ohne eine das allgemeine Risiko erheblich übersteigende Gefährdung für Leib und Leben nicht mehr möglich sei. In dem verkehrsberuhigten Bereich dürfe nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden. Soweit der Kläger geltend mache, viele Fahrzeugführer hielten sich nicht an die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit, könne das die begehrten verkehrsrechtlichen Maßnahmen - etwa eine Einbahnstraßenregelung oder die Anordnung einer reinen Anliegerstraße - nicht rechtfertigen. Maßgeblich für die Notwendigkeit einer Anordnung zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung sei, ob die Verkehrsdichte bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit eine solche Gefahr begründe. Werde die zulässige Höchstgeschwindigkeit tatsächlich vielfach überschritten, sei es Aufgabe der Beklagten, durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch häufigere Geschwindigkeitskontrollen, darauf hinzuwirken, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung grundsätzlich beachtet werde.

3

3 . Der Rechtssache kommt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

4

a) Die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage, ob

sich die Kompetenz der Straßenverkehrsbehörde gemäß § 45 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4a (gemeint ist Absatz 1b) Satz 1 Nr. 3 und 4 und Abs. 9 StVO auch auf die Durchführung straßenbautechnischer Maßnahmen erstreckt,

rechtfertigt keine Revisionszulassung auf der Grundlage von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dass diese Frage zu verneinen ist, ergibt sich unmittelbar aus § 45 StVO selbst und der Systematik der dort getroffenen Regelungen. Der vom Kläger angeführte § 45 Abs. 1 StVO verleiht den Straßenverkehrsbehörden die Befugnis, die Straßenbenutzung aus Gründen der Sicherheit und Ordnung (Satz 1) sowie zu den in Satz 2 genannten Zwecken zu beschränken oder zu verbieten oder den Verkehr umzuleiten; § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und 4 StVO gewährt die Befugnis, die notwendigen Anordnungen zur Erreichung der in diesen Nummern genannten Ziele zu treffen. Welches rechtliche Instrumentarium den Straßenverkehrsbehörden hierbei zur Verfügung steht, ist § 45 Abs. 4 Halbs. 1 StVO zu entnehmen; danach dürfen die genannten Behörden - also unter anderem die Straßenverkehrsbehörden - den Verkehr vorbehaltlich des hier nicht einschlägigen Halbsatzes 2 nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Diese Begrenzung der von den Straßenverkehrsbehörden auf der Grundlage von § 45 StVO einsetzbaren Mittel wird auch bereits aus der amtlichen Überschrift von § 45 StVO (Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen) deutlich. Straßenbautechnische Maßnahmen im vom Kläger angesprochenen Sinne gehören nicht dazu. Die vom Kläger zur Erläuterung seiner Fragestellung erwähnten Aufpflasterungen sind, wie der Aufzählung in § 43 StVO zu entnehmen ist, nicht etwa Verkehrseinrichtungen im Sinne der Straßenverkehrs-Ordnung. Soweit der Kläger auf die - zudem ohnehin überholte - alte Fassung der Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung verweist, wonach als Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und aus städtebaulichen Gründen auch Aufpflasterungen in Betracht kämen, kann das seine Annahme nicht stützen, sie gehörten zu den Maßnahmen, die die Straßenverkehrbehörde auf der Grundlage von § 45 StVO ergreifen kann. Vielmehr geht es im betreffenden Abschnitt der alten Verwaltungsvorschrift um „Bauliche Voraussetzungen“ und damit, wie dieser Verwaltungsvorschrift zugleich zu entnehmen war, um anderweitig - insbesondere durch den Träger der Straßenbaulast - zu schaffende tatsächliche Voraussetzungen für die anschließende Kennzeichnung eines verkehrsberuhigten Bereichs mit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen; erst Letzteres obliegt im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens der Straßenverkehrsbehörde (vgl. dazu u.a. Steiner, Aktuelle Rechtsfragen der Einrichtung verkehrsberuhigter Bereiche, NVwZ 1984, 201 <202 f.>). Ohnedies findet sich der vom Kläger hervorgehobene Hinweis auf Aufpflasterungen in dieser Verwaltungsvorschrift unter „VI. Sonstiges“, wonach neb e n der Einrichtung von verkehrsberuhigten Bereichen (Zeichen 325) bestimmte Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und aus städtebaulichen Gründen in Frage kommen. Entgegen der Annahme des Klägers werden die der Straßenverkehrsbehörde in § 45 Abs. 1 sowie Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und 4 StVO eröffneten Befugnisse nicht dadurch erweitert, dass die zuständige Körperschaft zugleich Trägerin der Straßenbaulast ist.

5

b) Die vom Kläger als weitere grundsätzlich klärungsbedürftig angeführte Frage,

was unter „Schrittgeschwindigkeit“ im Sinne des Zeichens Nr. 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO zu verstehen ist,

rechtfertigt eine Revisionszulassung auf der Grundlage von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ebenfalls nicht. Der Frage kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu; ihre Beantwortung konnte deshalb vom Berufungsgericht auch offen gelassen werden.

6

In Bezug auf die vom Kläger begehrten straßenbautechnischen Maßnahmen muss diese Frage nicht geklärt werden, weil dem Kläger ein solcher Anspruch, und sei es auch nur in Gestalt eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, weder - wie das Berufungsgericht in Auslegung des einschlägigen Landesrechts für die Revision verbindlich entschieden hat - durch das Landesstraßengesetz noch - wie soeben gezeigt - durch § 45 StVO vermittelt wird.

7

Ebenso wenig bedarf es einer Klärung dieser Frage in Bezug auf mögliche verkehrsrechtliche Maßnahmen, wie sie der Kläger außerdem fordert. Eine Befugnis zu verkehrsberuhigenden Maßnahmen auf straßenverkehrsrechtlicher Grundlage ist der Straßenverkehrsbehörde nach dem insoweit allein in Betracht kommenden § 45 StVO nur dann eröffnet, wenn neben Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 oder § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 und 4 StVO zusätzlich auch die Anforderungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO erfüllt sind. Danach dürfen Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Das hängt indes nicht von der Höhe der Schrittgeschwindigkeit ab, wie sie in der vom Kläger bewohnten Straße ohnehin schon auf der Grundlage der bislang von der Straßenverkehrsbehörde angeordneten Beschilderung mit dem Verkehrzeichen 325.1 eingehalten werden muss. Weder die Einrichtung einer Einbahnstraße noch eine Beschränkung des Fahrzeugverkehrs auf den Anliegerverkehr als vom Kläger angesprochene ergänzende verkehrsberuhigende straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen hätten in Bezug auf die einzuhaltende Höchstgeschwindigkeit rechtlich eine weitergehende Absenkung der zulässigen Geschwindigkeit zur Folge. Andere Maßnahmen als die Anordnung von Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen, also insbesondere die Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen, um die Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit durchzusetzen, kann der Kläger - wie vorstehend bereits gezeigt - auf der Grundlage von § 45 StVO nicht erreichen.

8

c) Auch die weiteren Fragen,

ab welcher täglichen Verkehrsdichte die Straßenverkehrsbehörde verpflichtet ist, in einem verkehrsberuhigten Bereich, der als Mischverkehrsfläche ausgestaltet ist, verkehrsberuhigende bzw. verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen,

und

ob die Straßenverkehrsbehörde zur Ergreifung verkehrsberuhigender Maßnahmen verpflichtet ist, wenn in einem verkehrsberuhigten Bereich, der als Mischverkehrsfläche ausgestaltet ist, eine durchschnittliche Verkehrsdichte von 758 Fahrzeugen besteht,

verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

9

Ein möglicher Anspruch des Klägers darauf, dass die Straßenverkehrsbehörde verkehrsberuhigende Maßnahmen auf der Grundlage von § 45 StVO ergreift, hängt - wie bereits ausgeführt - unter anderem davon ab, ob die Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO erfüllt sind. Die danach für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs erforderliche qualifizierte Gefahrenlage bestimmt sich aber nicht allein nach der Verkehrsdichte im fraglichen Bereich, sondern wird von einer Gemengelage verschiedener Faktoren beeinflusst, so unter anderem von der Breite und dem Ausbauzustand der für den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr zur Verfügung stehenden Fläche, den Ausweichmöglichkeiten, der Inanspruchnahme von Flächen durch parkende Fahrzeuge und deren Auswirkungen auf den Verkehr, der Übersichtlichkeit der Streckenführung und der Verteilung des Verkehrs über den Tag. Die Würdigung, inwieweit auf der Grundlage der besonderen örtlichen Verhältnisse und der jeweiligen Einflussfaktoren im betreffenden Einzelfall eine erhöhte Gefährdungslage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO besteht, ist in erster Linie vom Tatsachengericht vorzunehmen; sie entzieht sich wegen ihrer Abhängigkeit von tatsächlichen Feststellungen (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) weitgehend einer verallgemeinerungsfähigen revisionsgerichtlichen Bewertung.

10

Auch die zweite vom Kläger genannte Frage kann nicht zu einer Revisionszulassung auf der Grundlage von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen. Mit dieser Frage wird isoliert auf einen der in Betracht kommenden Faktoren für eine qualifizierte Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und zudem dessen Höhe im konkreten Fall Bezug genommen. Die Beantwortung dieser Frage im Revisionsverfahren könnte - soweit sie unter Beachtung von § 137 Abs. 2 VwGO überhaupt möglich wäre - insofern nicht über den konkreten Einzelfall hinausreichen. Zudem bleiben mit dieser Fragestellung die weiteren Bestimmungsfaktoren für das Vorliegen einer gesteigerten Gefahrenlage gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO ausgeblendet, deren Beurteilung eine Gesamtbetrachtung erfordert.

11

2. Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

12

a) Weder liegt ein Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO vor, noch liegt gar der absolute Revisionsgrund des § 138 Nr. 6 VwGO vor, dass die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

13

§ 138 Nr. 6 VwGO bezieht sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils (§ 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Im Urteil müssen die Entscheidungsgründe schriftlich niedergelegt werden, die für die richterliche Überzeugungsbildung leitend gewesen sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Das ist verfahrensrechtlich geboten, um die Beteiligten über die dem Urteil zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und um dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozess- und materiellrechtlicher Hinsicht zu ermöglichen. Sind Entscheidungsgründe derart mangelhaft, dass sie diese doppelte Funktion nicht mehr erfüllen können, ist die Entscheidung im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn der Entscheidungsformel überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind, weil die Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie völlig unzureichend sind (Urteil vom 28. November 2002 - BVerwG 2 C 25.01 - BVerwGE 117, 228 <230 f.> m.w.N.).

14

So liegt es hier offensichtlich nicht. Dem angegriffenen Urteil ist ohne weiteres zu entnehmen, auf welche Gesichtspunkte das Berufungsgericht die Klageabweisung gestützt hat. Der Kläger verkennt, dass ein Verstoß gegen das Begründungserfordernis des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO und erst recht ein Begründungsmangel im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon dann vorliegt, wenn die gegebene Begründung der Sache nach nicht in jeder Hinsicht zu überzeugen vermag; dies zu überprüfen wäre erst Aufgabe des angestrebten Revisionsverfahrens. Hier geht es vielmehr um die Feststellung eines Verfahrensfehlers, also allein darum, ob die Gründe, die das Gericht seiner Entscheidung beigefügt hat, der oben dargelegten Funktion der Begründungspflicht gerecht werden. Dementsprechend kommt es für die Frage einer Nichterfüllung des Begründungserfordernisses aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch nicht darauf an, ob das Berufungsgericht die Äußerungen des ehemaligen Baudirektors der Beklagten sowie der Vertreterin des Landesbetriebs Mobilität zutreffend gewürdigt hat und ob im Rahmen der Sachverhaltswürdigung auf die Verkehrsverhältnisse in anderen verkehrsberuhigten Bereichen im Stadtgebiet der Beklagten verwiesen werden konnte. Ein Verstoß gegen das Begründungserfordernis des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegt entgegen der Annahme des Klägers auch nicht darin, dass das Berufungsgericht vorab nicht abstrakt definiert hat, ab welcher Verkehrsdichte eine qualifizierte Gefährdungssituation im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorliege. Insofern genügt die Feststellung, dass diese Voraussetzung ausgehend von näher benannten Umständen des Einzelfalls nach der Bewertung des Tatsachengerichts hier jedenfalls nicht erfüllt ist; der Formulierung des vom Kläger vermissten fallübergreifend verbindlichen Obersatzes bedarf es hierzu nicht.

15

Eine Verletzung des Begründungserfordernisses ergibt sich auch nicht daraus, dass sich das Berufungsurteil - wie der Kläger ergänzend rügt - nicht dazu verhalte, inwieweit von den Fahrzeugen tatsächlich die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit eingehalten werde. Im Urteil wird dieser Aspekt aufgegriffen. Das Berufungsgericht geht dieser Frage aber mit der Begründung nicht weiter nach, dass damit der zutreffende Ansatzpunkt für die Gefahrenbeurteilung nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO verfehlt werde; Maßstab dafür sei, ob die festgestellte Verkehrsdichte bei Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit eine qualifizierte Gefahrenlage begründe (vgl. UA S. 16, 2. Abs.). Ob dieser rechtliche Ansatz zutrifft, ist wiederum keine Frage der Erfüllung des Begründungserfordernisses aus § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, sondern eine Frage der Begründetheit der Klage.

16

b) Das Berufungsgericht hat sich seine Überzeugung nicht in verfahrensfehlerhafter Weise gebildet und damit gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gebot der freien Beweiswürdigung verpflichtet u.a. dazu, bei Bildung der Überzeugung von einem zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt auszugehen. Übergeht das Tatsachengericht wesentliche Umstände, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 7. Juli 2008 - BVerwG 3 B 110.07 - juris Rn. 3 m.w.N.).

17

Der Vorwurf des Klägers, das Berufungsgericht sei in aktenwidriger Weise davon ausgegangen, die in der verkehrsberuhigten Zone vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit werde eingehalten, ist unzutreffend. Das Berufungsgericht geht vielmehr - wie bereits dargestellt - davon aus, dass Maßstab für die Gefahrenbeurteilung nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO die Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit sei. Insoweit geht es in dem vom Kläger angesprochenen Absatz des Berufungsurteils um eine rechtliche, nicht aber um eine tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts. Der gerügte Verstoß gegen die Denkgesetze ist mit der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung nicht verbunden. Das setzte voraus, dass eine Schlussfolgerung aus Gründen der Logik schlechterdings nicht gezogen werden kann. Davon kann hier nicht die Rede sein.

18

c) Der vom Kläger angenommene Verstoß gegen § 88 VwGO, den er daran sieht, dass das Berufungsgericht nicht auch darüber entschieden habe, ob er das Aufstellen eines Dialogdisplays oder die Durchführung von Geschwindigkeitskontrollen beanspruchen könne, liegt nicht vor. Von allem anderen abgesehen übersieht der Kläger dabei, dass § 45 Abs. 4 StVO der Straßenverkehrsbehörde - wie bereits gezeigt - nur ein eingeschränktes rechtliches Instrumentarium zum Erreichen der in § 45 StVO genannten Ziele zur Verfügung stellt.

19

d) Einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts kann der Kläger auch nicht mit dem Einwand begründen, das Berufungsgericht habe gegen seine Pflicht zur Spruchreifmachung der Sache aus § 113 Abs. 5 Satz 1 und § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO dadurch verstoßen, dass es lediglich auf das aktuelle Verkehrsaufkommen abgestellt und nicht zusätzlich geklärt habe, ab welchem höheren Verkehrsaufkommen und ab welchem Anteil von nicht die Schrittgeschwindigkeit einhaltenden Fahrzeugen eine solche Verpflichtung des Beklagten in der Zukunft bestehe. Der Annahme des gerügten Verfahrensfehlers steht entgegen, dass es für die Beurteilung des vom Kläger geltend gemachten Verpflichtungsbegehrens aus der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Sicht des Oberverwaltungsgerichts allein auf die derzeitige Sach- und Rechtslage ankommt. Ausgehend davon ist die - ohnehin im Ungewissen liegende - künftige Entwicklung der Verkehrsverhältnisse nicht entscheidungserheblich und eine mangelnde Spruchreife nicht erkennbar.

20

e) Ein Verstoß des Berufungsgerichts gegen seine Hinweispflicht und das Verbot einer Überraschungsentscheidung (§ 86 Abs. 3 VwGO) ist ebenfalls nicht dargetan. Insoweit geht bereits die Annahme des Klägers fehl, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, in der in Rede stehenden verkehrsberuhigten Zone lägen keine Geschwindigkeitsüberschreitungen vor. Nachdem sich aus § 45 Abs. 4 StVO klar ergibt, auf welches rechtliche Instrumentarium die Straßenverkehrsbehörde für Maßnahmen auf der Grundlage von § 45 StVO verwiesen ist, bestand auch keine Veranlassung des Gerichts zu dem vom Kläger vermissten Hinweis auf die Auslegung seines Klageantrags durch das Gericht.

21

f) Schließlich ist kein Verstoß gegen die gerichtliche Sachaufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO darin zu erkennen, dass das Berufungsgericht keine Geschwindigkeitsmessung in der verkehrsberuhigten Zone durchgeführt hat. Nachdem der auch in den Vorinstanzen anwaltlich vertretene Kläger dort keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat, wäre von ihm darzulegen gewesen, dass sich dem Gericht die vermisste Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Das scheitert schon daran, dass sich der Umfang der Sachaufklärungspflicht nach der materiellrechtlichen Sicht des Tatsachengerichts bestimmt, es nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts auf den Umfang der vom Kläger geltend gemachten Geschwindigkeitsüberschreitungen aber nicht ankam.

22

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

(1) Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie

1.
zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum,
2.
zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße,
3.
zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen,
4.
zum Schutz der Gewässer und Heilquellen,
5.
hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie
6.
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.

(1a) Das gleiche Recht haben sie ferner

1.
in Bade- und heilklimatischen Kurorten,
2.
in Luftkurorten,
3.
in Erholungsorten von besonderer Bedeutung,
4.
in Landschaftsgebieten und Ortsteilen, die überwiegend der Erholung dienen,
4a.
hinsichtlich örtlich begrenzter Maßnahmen aus Gründen des Arten- oder Biotopschutzes,
4b.
hinsichtlich örtlich und zeitlich begrenzter Maßnahmen zum Schutz kultureller Veranstaltungen, die außerhalb des Straßenraums stattfinden und durch den Straßenverkehr, insbesondere durch den von diesem ausgehenden Lärm, erheblich beeinträchtigt werden,
5.
in der Nähe von Krankenhäusern und Pflegeanstalten sowie
6.
in unmittelbarer Nähe von Erholungsstätten außerhalb geschlossener Ortschaften,
wenn dadurch anders nicht vermeidbare Belästigungen durch den Fahrzeugverkehr verhütet werden können.

(1b) Die Straßenverkehrsbehörden treffen auch die notwendigen Anordnungen

1.
im Zusammenhang mit der Einrichtung von gebührenpflichtigen Parkplätzen für Großveranstaltungen,
2.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen,
2a.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel durch vollständige oder zeitlich beschränkte Reservierung des Parkraums für die Berechtigten oder durch Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen,
3.
zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen,
4.
zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesen Bereichen sowie
5.
zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung.
Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die Parkmöglichkeiten für Bewohner, die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen, verkehrsberuhigten Bereichen und Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Einvernehmen mit der Gemeinde an.

(1c) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Abweichend von Satz 3 bleiben vor dem 1. November 2000 angeordnete Tempo 30-Zonen mit Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger zulässig.

(1d) In zentralen städtischen Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltsfunktion (verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche) können auch Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen von weniger als 30 km/h angeordnet werden.

(1e) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die für den Betrieb von mautgebührenpflichtigen Strecken erforderlichen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen auf der Grundlage des vom Konzessionsnehmer vorgelegten Verkehrszeichenplans an. Die erforderlichen Anordnungen sind spätestens drei Monate nach Eingang des Verkehrszeichenplans zu treffen.

(1f) Zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen ordnet die Straßenverkehrsbehörde die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1g) Zur Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen des § 3 Absatz 1 des Elektromobilitätsgesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1h) Zur Parkbevorrechtigung von Carsharingfahrzeugen ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen der §§ 2 und 3 des Carsharinggesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen mit dem Carsharingsinnbild nach § 39 Absatz 11 an. Soll die Parkfläche nur für ein bestimmtes Carsharingunternehmen vorgehalten werden, ist auf einem weiteren Zusatzzeichen unterhalb dieses Zusatzzeichens die Firmenbezeichnung des Carsharingunternehmens namentlich in schwarzer Schrift auf weißem Grund anzuordnen.

(1i) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Gebieten mit hoher Fahrradverkehrsdichte, Fahrradzonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Die Anordnung einer Fahrradzone darf sich nicht mit der Anordnung einer Tempo 30-Zone überschneiden. Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn aufzubringen.

(2) Zur Durchführung von Straßenbauarbeiten und zur Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße, die durch deren baulichen Zustand bedingt sind, können die nach Landesrecht für den Straßenbau bestimmten Behörden (Straßenbaubehörde) – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Verkehrsverbote und -beschränkungen anordnen, den Verkehr umleiten und ihn durch Markierungen und Leiteinrichtungen lenken. Für Bahnübergänge von Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs können nur die Bahnunternehmen durch Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen, durch rot-weiß gestreifte Schranken oder durch Aufstellung des Andreaskreuzes ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer vorschreiben. Für Bahnübergänge von Straßenbahnen auf unabhängigem Bahnkörper gilt Satz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die Befugnis zur Anordnung der Maßnahmen der nach personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften zuständigen Technischen Aufsichtsbehörde des Straßenbahnunternehmens obliegt. Alle Gebote und Verbote sind durch Zeichen und Verkehrseinrichtungen nach dieser Verordnung anzuordnen.

(3) Im Übrigen bestimmen die Straßenverkehrsbehörden, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind, bei Straßennamensschildern nur darüber, wo diese so anzubringen sind, wie Zeichen 437 zeigt. Die Straßenbaubehörden legen – vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden – die Art der Anbringung und der Ausgestaltung, wie Übergröße, Beleuchtung fest; ob Leitpfosten anzubringen sind, bestimmen sie allein. Sie können auch – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Gefahrzeichen anbringen, wenn die Sicherheit des Verkehrs durch den Zustand der Straße gefährdet wird.

(4) Die genannten Behörden dürfen den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken; in dem Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 5 jedoch auch durch Anordnungen, die durch Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitungen oder auf andere Weise bekannt gegeben werden, sofern die Aufstellung von Verkehrszeichen und -einrichtungen nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist.

(5) Zur Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen und zu deren Betrieb einschließlich ihrer Beleuchtung ist der Baulastträger verpflichtet, sonst der Eigentümer der Straße. Das gilt auch für die von der Straßenverkehrsbehörde angeordnete Beleuchtung von Fußgängerüberwegen.

(6) Vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, müssen die Unternehmer – die Bauunternehmer unter Vorlage eines Verkehrszeichenplans – von der zuständigen Behörde Anordnungen nach den Absätzen 1 bis 3 darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr, auch bei teilweiser Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist, ferner ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen haben. Sie haben diese Anordnungen zu befolgen und Lichtzeichenanlagen zu bedienen.

(7) Sind Straßen als Vorfahrtstraßen oder als Verkehrsumleitungen gekennzeichnet, bedürfen Baumaßnahmen, durch welche die Fahrbahn eingeengt wird, der Zustimmung der Straßenverkehrsbehörde; ausgenommen sind die laufende Straßenunterhaltung sowie Notmaßnahmen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sich die Behörde nicht innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags zu der Maßnahme geäußert hat.

(7a) Die Besatzung von Fahrzeugen, die im Pannenhilfsdienst, bei Bergungsarbeiten und bei der Vorbereitung von Abschleppmaßnahmen eingesetzt wird, darf bei Gefahr im Verzug zur Eigensicherung, zur Absicherung des havarierten Fahrzeugs und zur Sicherung des übrigen Verkehrs an der Pannenstelle Leitkegel (Zeichen 610) aufstellen.

(8) Die Straßenverkehrsbehörden können innerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf bestimmten Straßen durch Zeichen 274 erhöhen. Außerhalb geschlossener Ortschaften können sie mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden die nach § 3 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe c zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 120 km/h anheben.

(9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Satz 3 gilt nicht für die Anordnung von

1.
Schutzstreifen für den Radverkehr (Zeichen 340),
2.
Fahrradstraßen (Zeichen 244.1),
3.
Sonderwegen außerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237, Zeichen 240, Zeichen 241) oder Radfahrstreifen innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237 in Verbindung mit Zeichen 295),
4.
Tempo 30-Zonen nach Absatz 1c,
5.
verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen nach Absatz 1d,
6.
innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Absatz 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern,
7.
Erprobungsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zweiter Halbsatz,
8.
Fahrradzonen nach Absatz 1i.
Satz 3 gilt ferner nicht für Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 Nummer 3 zur Beseitigung oder Abmilderung von erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen worden sind. Satz 3 gilt zudem nicht zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen nach Absatz 1f.

(10) Absatz 9 gilt nicht, soweit Verkehrszeichen angeordnet werden, die zur Förderung der Elektromobilität nach dem Elektromobilitätsgesetz oder zur Förderung des Carsharing nach dem Carsharinggesetz getroffen werden dürfen.

(11) Absatz 1 Satz 1 und 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 6, Absatz 1a, 1f, 2 Satz 1 und 4, Absatz 3, 4, 5 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1, Absatz 7 sowie Absatz 9 Satz 1 bis 3, 4 Nummer 7 und Satz 6 gelten entsprechend für mit den Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichnete Autobahnen in der Baulast des Bundes für das Fernstraßen-Bundesamt. Absatz 2 Satz 1 und 4 sowie Absatz 3, 4 und 7 gelten entsprechend für Bundesstraßen in Bundesverwaltung für das Fernstraßen-Bundesamt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht.

2

Der in beide Fahrtrichtungen freigegebene Fuß- und Radweg, der die Ortsteile Graß, Leoprechting und Oberisling der Beklagten verbindet, schließt südlich an die Brunn-, Liebhart- und Rauberstraße an. Der Weg beginnt am östlichen Ortsrand von Graß und geht von dort durch ein im Wesentlichen unbebautes Gebiet; dieser Abschnitt endet kurz nach Beginn der geschlossenen Ortslage von Leoprechting. Vom östlichen Rand dieses Ortsteils durchquert der Weg ein ebenfalls überwiegend unbebautes Gelände und führt bis in die geschlossene Ortslage von Oberisling. Die Ortsdurchfahrten sind als Tempo-30-Zonen ausgewiesen; außerorts ist die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h beschränkt.

3

Die Beklagte ordnete am 8. September 1987 an, den Fuß- und Radweg zwischen Leoprechting und Oberisling in beiden Richtungen mit dem damaligen Zeichen 244 (Gemeinsamer Rad- und Fußweg; vgl. VkBl 1976 S. 767) nach der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zu beschildern; das erfolgte am 18. September 1987. Am 13. Dezember 2002 ordnete sie an, den Fuß- und Radweg zwischen Graß und Leoprechting in beiden Richtungen mit den Zeichen 240 (Gemeinsamer Fuß- und Radweg) sowie den Zusatzzeichen 1022-11 (Mofas frei) und 1000-31 (frei in beide Richtungen) zu beschildern; diese Anordnung wurde am 18. Dezember 2002 umgesetzt.

4

Der ortsansässige Kläger legte mit Schreiben vom 8. Januar 2003 Widerspruch gegen die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht zwischen Graß und Leoprechting ein und beantragte, die Radwegebenutzungspflicht zwischen Leoprechting und Oberisling aufzuheben. Mit Schreiben vom 11. Juni 2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie könne seinem Widerspruch nicht abhelfen. Die Fuß- und Radwege seien errichtet worden, da bei einer Fahrbahnbreite von 5,50 m wegen des dort stattfindenden Schwerlast- und Omnibusverkehrs eine Mischnutzung nicht länger vertretbar gewesen sei. Den Widerspruch des Klägers wies die Regierung der Oberpfalz hinsichtlich beider Streckenabschnitte zurück.

5

Seine Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Radwegebenutzungspflicht diene im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs der Trennung von motor- und muskelbetriebenen Fahrzeugen und damit der Ordnung des Verkehrs. Dieser Regelungszweck dürfe nicht unter Hinweis auf § 45 Abs. 9 StVO unterlaufen werden.

6

Auf die Berufung des Klägers hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 11. August 2009 geändert und die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Klage sei hinsichtlich beider Streckenabschnitte als Anfechtungsklage zulässig. Die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 11. Juni 2003 auch den Antrag des Klägers auf Aufhebung der bestandskräftigen Anordnung vom 8. September 1987 abgelehnt und insofern einen Zweitbescheid erlassen. Die angeordnete Radwegebenutzungspflicht sei rechtswidrig. Sie beinhalte eine Beschränkung des fließenden Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO. Diese Regelung gehe ebenso wie die Neufassung von § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO auf die Vierundzwanzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (im Folgenden: 24. Änderungsverordnung) zurück; bereits das widerlege die Annahme, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nicht für Radwegebenutzungspflichten gelte. Außerdem sei § 45 Abs. 9 StVO mittlerweile zweimal geändert worden, um bestimmte verkehrsrechtliche Anordnungen von der Anwendung von Satz 2 auszunehmen; im Hinblick auf die Radwegebenutzungspflicht sei das nicht geschehen. Die Voraussetzungen von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO seien bei den hier in Rede stehenden Streckenabschnitten nicht erfüllt. Die Fahrbahn sei kurvenarm und übersichtlich; durch die angebrachte Beleuchtung seien die Sichtverhältnisse auch nachts überdurchschnittlich gut. Die Unfallzahlen zeigten, dass auch ansonsten keine überdurchschnittliche Unfallgefahr für Radfahrer bestehe. Auch nach den von der Forschungsstelle für Straßen- und Verkehrswesen herausgegebenen "Empfehlungen für Radverkehrsanlagen" (ERA 1995) könne keine besondere Gefahrenlage angenommen werden. Danach sollten, wenn der Radverkehr außerhalb bebauter Gebiete auf der Fahrbahn geführt werde, die Verkehrsstärke 2 500 Kfz/Tag und die zulässige Höchstgeschwindigkeit in kurvenreichen Strecken 70 km/h nicht überschreiten. Beides sei hier aber der Fall. Auch wenn ein nicht unerheblicher Teil der Kraftfahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreite, sei eine Trennung der Verkehrsarten nicht angezeigt, da die Empfehlung kurvenreiche Strecken betreffe. Ebenso wenig seien die in § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO genannten Voraussetzungen in Bezug auf die Straßenbreite erfüllt. Zwar heiße es in den "Richtlinien für die Anlage von Straßen - Teil: Querschnitte" (RAS-Q 96), dass eine vom Kraftfahrzeugverkehr getrennte Führung der Radfahrer und Fußgänger aus Gründen der Verkehrssicherheit anzustreben sei und dass an außerorts gelegenen Straßen der Fußgänger- und Radfahrerverkehr in der Regel auf einseitig angelegten gemeinsamen Geh- und Radwegen geführt werde. Doch hätten die Richtlinien keinen normativen Charakter. Zudem reiche die Fahrbahnbreite von 5,50 m für die hier zu erfüllende untergeordnete Verkehrsfunktion aus. Die in der Richtlinie genannte Verkehrsmenge von täglich 3 000 Kraftfahrzeugen werde bei Weitem nicht erreicht. Der deutlich über dem in der Richtlinie angegebenen Schwellenwert liegende Schwerverkehr bestehe hier im Wesentlichen aus den Bussen des öffentlichen Nahverkehrs, deren Fahrer sich gegenüber Radfahrern in der Regel aufmerksam und rücksichtsvoll verhielten. Komme kein anderes Fahrzeug entgegen, könne selbst ein Bus oder ein ähnlich breites anderes Fahrzeug einen ausreichenden Sicherheitsabstand beim Überholen eines Radfahrers einhalten. Bei Gegenverkehr müsse abgewartet werden, bis das entgegenkommende Fahrzeug vorbeigefahren sei. Die Zahl der Radfahrer und die Verkehrsdichte seien so gering, dass das zu keinen nennenswerten Erschwernissen führe.

7

Gegen dieses Urteil haben die Beklagte und die Landesanwaltschaft Bayern Revision eingelegt.

8

Zu deren Begründung trägt die Beklagte vor: Die Annahme des Berufungsgerichts, die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht sei an § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zu messen, verletze Bundesrecht. Das Zeichen 240 beinhalte weder eine Beschränkung noch ein Verbot des fließenden Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO. Darunter fielen nur Verkehrs- und Streckenverbote gemäß § 41 Abs. 2 Nr. 6 und 7 StVO. Demgegenüber kennzeichneten die Zeichen 237, 240 und 241 Sonderwege und dienten der Verkehrsführung. Die Radfahrer dürften in der eingeschlagenen Richtung weiterfahren, ihnen werde dabei nur die Nutzung des Radweges geboten. Dass sie die Fahrbahn zu meiden hätten, sei nur eine mittelbare Folge dieses Gebotes und kein Verbot. Aus denselben Gründen sei auch § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht anwendbar. Rechtlicher Maßstab für eine Radwegebenutzungspflicht sei daher allein § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO. Dessen Voraussetzungen seien erfüllt. Die Anordnung der Radwegebenutzungspflicht sei im Sinne dieser Vorschrift zwingend geboten, da die allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung die Radfahrer nicht dazu verpflichteten, die für sie errichteten Sonderwege zu benutzen. Eine solche Benutzungspflicht sei aber außerorts und auf stark befahrenen Vorfahrtstraßen auch innerorts in aller Regel schon deshalb zwingend erforderlich, weil Radfahrer besonders gering geschützte Verkehrsteilnehmer seien. Abgesehen davon lägen hier wegen der geringen Fahrbahnbreite, der verbreiteten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und dem hohen Schwerlastanteil besondere Umstände vor. Selbst bei Anwendbarkeit von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO wäre das Berufungsurteil fehlerhaft. Bei der Bewertung der Gefahrenlage habe das Berufungsgericht wesentlichen Akteninhalt nicht berücksichtigt und damit den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) verletzt. Nach den Ergebnissen der Verkehrszählungen habe die Mehrzahl der Kraftfahrer die zulässige Höchstgeschwindigkeit zum Teil beträchtlich überschritten

9

Auch die Landesanwaltschaft Bayern hält § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO bei der Anordnung von Radwegebenutzungspflichten für nicht anwendbar. Rechtlicher Maßstab sei allein § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO, der auch für die insoweit vergleichbaren Umleitungen gelte. Im Sinne eines intendierten Ermessens spreche viel dafür, eine Radwegebenutzungspflicht immer schon dann anzuordnen, wenn ein Radweg vorhanden sei, er den baulichen Anforderungen genüge und keine ungewöhnlich niedrige Gefahrenschwelle bestehe.

10

Der Kläger tritt den Revisionen entgegen.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Auffassung, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO auf Radwegebenutzungspflichten anwendbar ist.

Entscheidungsgründe

12

Die Revisionen sind unbegründet; das Urteil des Berufungsgerichts steht im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass sich sein Klageantrag nur gegen die Radwegebenutzungspflicht als solche richtet, also nicht auch gegen den weiteren Regelungsgehalt des Zeichens 240, ist die seiner Klage stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts lediglich um die Maßgabe zu ergänzen, dass die durch das Zeichen 240 bekanntgemachten verkehrsrechtlichen Anordnungen der Beklagten und der Widerspruchsbescheid nur aufgehoben werden, soweit sie die Radwegebenutzungspflicht regeln.

13

1. Nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht die Anfechtungsklage hinsichtlich beider Streckenabschnitte für zulässig gehalten hat. Das ist für die Radwegebenutzungspflicht zwischen Graß und Leoprechting unproblematisch, die auf eine am 18. Dezember 2002 durch Aufstellen des Zeichens 240 umgesetzte verkehrsrechtliche Anordnung zurückgeht; der Kläger hat insoweit fristgerecht (Anfechtungs-)Widerspruch eingelegt. Dagegen beruht die Radwegebenutzungspflicht zwischen Leoprechting und Oberisling auf einer schon am 18. September 1987 angebrachten Beschilderung. Diese Regelung wurde dem Kläger gegenüber unstreitig bestandskräftig. Doch wurde ihm auch insofern die Möglichkeit einer Anfechtungsklage jedenfalls dadurch wieder eröffnet, dass die Widerspruchsbehörde über sein Überprüfungs- und Aufhebungsbegehren in der Sache entschieden hat, ohne sich auf die Bestandskraft der Regelung zu berufen (vgl. etwa Urteil vom 27. Februar 1963 - BVerwG 5 C 105.61 - BVerwGE 15, 306 <310 f.> = Buchholz 436.0 § 122 BSHG Nr. 1 S. 4 m.w.N.).

14

2. Verkehrsbezogene Ge- und Verbote in Form von Verkehrszeichen - zu denen auch das hier in Rede stehende Zeichen 240 gehört - sind regelmäßig den Dauerverwaltungsakten zuzurechnen (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 21. August 2003 - BVerwG 3 C 15.03 - Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 19 m.w.N.). Maßgeblich für den Erfolg einer Anfechtungsklage ist daher regelmäßig die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung (stRspr; vgl. für verkehrsbeschränkende Anordnungen u.a. Urteile vom 27. Januar 1993 - BVerwG 11 C 35.92 - BVerwGE 92, 32 <35 f.> = Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 24 S. 13 f. und vom 14. Dezember 1994 - BVerwG 11 C 25.93 - BVerwGE 97, 214 <220> = Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 31 S. 18, vom 21. August 2003 a.a.O. sowie zuletzt vom 23. September 2010 - BVerwG 3 C 32 und 37.09 - bislang n.v.), hier also der 11. August 2009.

15

Danach ergibt sich der rechtliche Maßstab für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Radwegebenutzungspflichten aus der Straßenverkehrs-Ordnung in der Fassung der Fünfundvierzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 26. März 2009 (BGBl I S. 734). Dagegen ist, anders als die Revisionsführer meinen, die Sechsundvierzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 5. August 2009 (BGBl I S. 2631) schon deshalb nicht anwendbar, weil sie nach ihrem Art. 9 erst zum 1. September 2009 in Kraft treten sollte. Dahinstehen kann daher, ob diese Änderungsverordnung ohnehin keine Anwendung finden könnte, weil sie - wie der Vertreter des Bundesinteresses in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium des Innern und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vorgetragen hat - wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG insgesamt nichtig sei.

16

3. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass eine durch Zeichen 240 verlautbarte Radwegebenutzungspflicht an den in § 45 Abs. 9 Satz 2 und § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO genannten Voraussetzungen zu messen ist. Das steht im Einklang mit Bundesrecht.

17

Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO dürfen - abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen - insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter - also etwa der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs - erheblich übersteigt. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO, der durch die Anfügung von § 45 Abs. 9 StVO zwar modifiziert und ergänzt, nicht aber ersetzt worden ist (vgl. Urteil vom 5. April 2001 - BVerwG 3 C 23.00 - Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 41), können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten.

18

Die Radwegebenutzungspflicht nach Zeichen 240 (Gemeinsamer Fuß- und Radweg) ist - ebenso wie bei Zeichen 237 (Radfahrer) und Zeichen 241 (Getrennter Rad- und Fußweg) - eine Beschränkung des fließenden Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO und eine Beschränkung der Benutzung der Straße im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO. Diese Zeichen bedeuten nach § 41 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a StVO, dass Radfahrer die für sie bestimmten Sonderwege nutzen müssen. Dem entspricht § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO; danach müssen Radfahrer Radwege benutzen, wenn die jeweilige Fahrtrichtung mit Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnet ist. Kehrseite dieses Nutzungsgebotes ist das Verbot für Radfahrer, auf den so gekennzeichneten Strecken die Fahrbahn zu benutzen. Ob dieses Verbot - wie die Revisionsführer meinen - nur mittelbare Folge oder Reflex des Gebotes ist, wirkt sich auf die rechtliche Einordnung des Verkehrszeichens nicht aus. Entscheidend ist vielmehr die reglementierende Wirkung für den Fahrradverkehr. Das Verkehrszeichen begründet zwar kein Verbot der Benutzung der Straße (zu der auch Radwege zählen), wohl aber einen Ausschluss der Fahrradfahrer von der Benutzung der Fahrbahn und damit eine Beschränkung in Bezug auf die allgemeine Verkehrsregel, dass Fahrzeuge einschließlich Fahrräder die Fahrbahn benutzen (§ 2 Abs. 1 StVO).

19

Dass die eine Radwegebenutzungspflicht verlautbarenden Zeichen 237, 240 und 241 in § 41 Abs. 2 StVO nicht unter den "Verkehrsverboten" nach dessen Nummer 6 oder unter den "Streckenverboten" nach dessen Nummer 7, sondern gesondert unter Nummer 5 als Regelung von Sonderwegen aufgeführt werden, belegt keineswegs, dass es sich dabei nicht um Beschränkungen oder Verbote des Verkehrs im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 und § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO handelt. Denn dort wird auf die reglementierende Wirkung der Verkehrsregelung abgestellt, nicht aber auf die innerhalb von § 41 StVO vorgenommene Einordnung. Hätte der Verordnungsgeber die Anwendung von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO - wie die Revisionsführer meinen - auf Verkehrsverbote und Streckenverbote im Sinne von § 41 Abs. 2 Nr. 6 und 7 StVO begrenzen wollen, hätte er diese Begriffe in § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO übernehmen können; stattdessen hat er dort jedoch eine allgemeinere Formulierung verwendet.

20

Auch sonst ergeben sich aus den Materialien zur Entstehung von § 2 Abs. 4 Satz 2 und § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, die beide auf die 24. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 7. August 1997 (BGBl I S. 2028, ber. BGBl I 1998 S. 515) zurückgehen, keine Hinweise darauf, dass der Verordnungsgeber § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nicht auf Radwegebenutzungspflichten angewendet wissen wollte. Allein aus dem Umstand, dass § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO auf eine Bundesratsinitiative zurückgeht, wogegen § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO bereits im ursprünglichen Verordnungsentwurf enthalten war (vgl. BRDrucks 374/97 S. 1 und 374/1/97 S.10), kann das nicht hergeleitet werden. Beide Regelungen zielen darauf ab, die Eigenverantwortung der Verkehrsteilnehmer zu stärken, § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO durch strengere Anforderungen an den Einsatz von Verkehrszeichen zum Zweck von Beschränkungen und Verboten des fließenden Verkehrs und § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO durch eine Begrenzung der Benutzungspflicht von Radwegen.

21

Gegen die Annahme der Revisionsführer spricht zudem, dass der Verordnungsgeber nach dem Inkrafttreten der 24. Änderungsverordnung ausdrücklich zwei Ausnahmen von der Anwendung von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorgesehen hat, nämlich bei der Anordnung von Tempo-30-Zonen und von Zonen-Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie für Beschränkungen und Verbote zur Unterbindung von Mautausweichverkehr. Dagegen hat er auf eine solche Ausnahmeregelung für die Anordnung von Radwegebenutzungspflichten verzichtet, obwohl in der Rechtsprechung der Instanzgerichte § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO schon seit längerem verbreitet für anwendbar gehalten wird.

22

Aus alledem folgt zugleich, dass die Annahme der Landesanwaltschaft Bayern nicht zutrifft, Radfahrer seien stets auf einen Radweg zu verweisen, wenn er vorhanden sei, den baulichen Anforderungen nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zu § 2 Abs. 4 StVO genüge und keine im Einzelfall ungewöhnlich niedrige Gefahrenschwelle bestehe.

23

Ist § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO anwendbar, scheidet damit zugleich § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO als Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht aus. Als in Bezug auf Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs speziellere Regelung konkretisiert und verdrängt § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO in seinem Anwendungsbereich die allgemeine Regelung in § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO (vgl. Urteile vom 23. September 2010).

24

4. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass bei den beiden streitigen Streckenabschnitten die nach § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO für die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

25

a) § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO setzt für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die - erstens - auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und - zweitens - das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter (hier insbesondere: Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum) erheblich übersteigt (vgl. Urteile vom 5. April 2001 a.a.O. und vom 23. September 2010). In solchen Fällen dient die Trennung von motor- und muskelbetriebenen Fahrzeugen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (vgl. Beschluss vom 31. Mai 2001 - BVerwG 3 B 183.00 - Buchholz 442.151 § 2 StVO Nr. 2).

26

b) Besondere örtliche Verhältnisse im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO können - wie der Senat im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsbeschränkungen und Lkw-Überholverboten bereits entschieden hat - bei verkehrsbehördlichen Maßnahmen insbesondere in der Streckenführung, dem Ausbauzustand der Strecke, witterungsbedingten Einflüssen (z.B. Nebel, Schnee- und Eisglätte), der dort anzutreffenden Verkehrsbelastung und den daraus resultierenden Unfallzahlen begründet sein (vgl. zuletzt Urteile vom 23. September 2010). Diese Grundsätze sind auch in Bezug auf die Anordnung einer Radwegebenutzungspflicht anwendbar. Dass auch hier für die Beurteilung ein ganzes Bündel von Faktoren von Bedeutung ist, bestätigt die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO). Danach kommt die Anlage von Radwegen im Allgemeinen dort in Betracht, wo es die Verkehrssicherheit, die Verkehrsbelastung und der Verkehrsablauf erfordern (vgl. VkBl 1997 S. 691).

27

Eine auf besondere örtliche Verhältnisse zurückgehende qualifizierte Gefahrenlage liegt hier nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor. Danach ergibt sich aus dem Straßenverlauf wegen der Übersichtlichkeit und guten Ausleuchtung kein besonderes Gefährdungspotenzial für Radfahrer. Eine qualifizierte Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO nimmt der Verwaltungsgerichtshof auch deshalb nicht an, weil es auf den streitigen Streckenabschnitten in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Oktober 2004 zu keinem Unfall mit Beteiligung eines Radfahrers gekommen und auch zwischen dem 1. November 2004 bis zum 30. Juni 2009 kein Unfall auf der Fahrbahn gemeldet worden sei. Das Berufungsgericht hat dabei berücksichtigt, dass während dieser Zeiträume die Radwegebenutzungspflicht zwar schon galt, gleichwohl aber ein nicht unerheblicher Teil der Radfahrer weiterhin die Fahrbahn benutzte; somit konnte es davon ausgehen, dass dem Ausbleiben von Unfällen durchaus Aussagekraft zukommt. Eine besondere Gefährdungslage im Hinblick auf den Ausbauzustand der Straße und die dortige Verkehrsbelastung hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die "Empfehlungen für Radverkehrsanlagen" und die "Richtlinien für die Anlage von Straßen" ebenfalls verneint.

28

c) An diese tatsächliche Würdigung der Gefahrenlage ist der Senat gebunden, nachdem die Beklagte keine durchgreifenden Verfahrensrügen erhoben hat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Ihre Rüge, das Berufungsgericht habe den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) verletzt, ist unbegründet.

29

Die Beklagte stützt diesen Einwand zum einen darauf, dass der Umfang der auf den Streckenabschnitten festgestellten Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit unbeachtet geblieben sei. Doch geht auch das Berufungsgericht von zahlreichen Geschwindigkeitsüberschreitungen aus (vgl. UA S. 36); gleichwohl sieht es allein in überhöhter Geschwindigkeit noch keine qualifizierte Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO begründet, weil damit noch keine Gefährdung von Radfahrern durch Überholen mit zu geringem Seitenabstand oder zu knappem Einscheren dargetan sei, zumal bei der geringen Verkehrsdichte. Ein Verstoß gegen allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze liegt darin nicht; vielmehr bestätigen die Unfallzahlen die tatsächliche Einschätzung.

30

Ebenso wenig greift ihre Rüge, ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO liege in der Annahme des Berufungsgerichts, Omnibusfahrer verhielten sich gegenüber Radfahrern besonders rücksichtsvoll. Diese Rüge ist nicht schlüssig. Selbst wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch von Nahverkehrsbussen überschritten worden sein sollte, folgt daraus noch keine Gefährdung von Radfahrern. Abgesehen davon handelt es sich um eine tatsächliche Einschätzung des Berufungsgerichts, der gegenüber sich die Beklagte nur auf einen Verstoß gegen allgemeine Beweiswürdigungsgrundsätze und Denkgesetze berufen kann. Einen solchen Verstoß hat sie nicht dargetan.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Größe von 130 ha in A. bewirtschaftet und seine Marktfrüchte in Kirchberg vermarktet, wendet sich gegen die Ausweisung der Bundesstraße 50 (B 50) als Kraftfahrstraße im Bereich zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West.

2

Am 16. April 2004 erließ der damalige Landesbetrieb Straßen und Verkehr Rheinland-Pfalz eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung, wonach die B 50 im Streckenbereich zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West als Kraftfahrstraße auszuweisen ist. Ende September 2004 erfolgte der Vollzug dieser straßenverkehrsbehördlichen Anordnung durch Aufstellen der Verkehrszeichen 331 der Straßenverkehrsordnung – StVO – alte Fassung (heute Anlage 3 Nr. 331.1 StVO). Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVO dürfen Kraftfahrstraßen nur mit Kraftfahrzeugen benutzt werden, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt. Der verfahrensgegenständliche Straßenabschnitt hat eine Länge von 22,25 km. Er ist Teil der Bundesstraße 50 und der Europastraße 42 und Bestandteil des Bundesfernstraßennetzes und des Transeuropäischen Straßennetzes TERN. Die Strecke verbindet die Bundesautobahn A 61 aus den Ballungsräumen und zentralen Orten Mannheim/Ludwigshafen sowie Mainz und Frankfurt mit dem Raum Trier und im Weiteren mit Luxemburg und Frankreich. Sie ist als Straßenzug mit maßgeblicher Verbindungsfunktion A I (großräumige Verbindungen) eingestuft.

3

Gegen die Ausweisung als Kraftfahrstraße legte der Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 Widerspruch ein. Wegen der Vielzahl der gegen die Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße eingelegten Widersprüche regte der Beklagte an, ein Musterverfahren zu benennen und die übrigen Verfahren ruhen zu lassen. Hiermit erklärte sich der Kläger einverstanden.

4

In dem so bezeichneten Musterverfahren wurde am 27. Mai 2005 Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hob mit Urteil vom 20. Oktober 2005 (6 K 963/05.KO) die straßenverkehrsrechtliche Anordnung vom 16. April 2004 zur Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße auf, soweit sie den westlichen Streckenabschnitt zwischen dem Kreuzungspunkt der B 50 mit der K 74 westlich von Büchenbeuren und dem Kreuzungspunkt der B 50 mit der B 421 nördlich von Kirchberg betrifft. Im Übrigen, das heißt für den Bereich zwischen Kirchberg und Simmern/Ost, wurde die Klage abgewiesen. In der Begründung heißt es, der Beklagte habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass von dem langsamen Verkehr auf der B 50 eine konkrete Unfallgefahr ausgehe. Die erheblichen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen schnell fahrenden PKW und dem langsamen, insbesondere dem landwirtschaftlichen Verkehr könne zu Auffahrunfällen führen. Außerdem bildeten sich in den zwei- und dreistreifigen Bereichen der Strecke häufig Kolonnen hinter langsamen Fahrzeugen, was einen erheblichen Überholdruck erzeuge. Auch hierdurch würden Unfälle provoziert. Aufgrund dessen habe die Kammer keine Zweifel daran, dass von dem langsamen Verkehr eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs auf der B 50 ausgehe. Das Verwaltungsgericht hielt die straßenverkehrsbehördliche Anordnung im westlichen Streckenabschnitt (Büchenbeuren – Kirchberg) deswegen für ermessensfehlerhaft und rechtswidrig, weil es für den landwirtschaftlichen Verkehr dort keine zumutbaren Ausweichstrecken gebe, mithin die Interessen des landwirtschaftlichen Verkehrs nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, und sie sich deshalb als unverhältnismäßig erweise.

5

Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hatte, legte der Beklagte Berufung ein. Nach Mitteilung des damals wie heute für das Straßenverkehrsrecht zuständigen 7. Senats des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, dass der Senat die Auffassungen des Verwaltungsgerichts zum Fehlen einer zumutbaren Ausweichmöglichkeit für den landwirtschaftlichen Verkehr zumindest für den Streckenabschnitt zwischen Sohren und Kirchberg teile, wurde das Verfahren zunächst zum Ruhen gebracht, um eine vom Senat vorgeschlagene vergleichsweise Regelung zu prüfen und entsprechende Vergleichsverhandlungen führen zu können. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2010 wurde das Verfahren wiederaufgenommen. In der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2011 führte der Senat zu den Alternativstrecken eine Ortsbesichtigung durch. Die erörterte Alternativstrecke bildete insoweit eine Umfahrung der B 50 im Norden, die im Wesentlichen über das öffentliche Straßennetz führt. Von A. kommend wird die B 327 bis zum Abzweig der K 77 in Richtung Lötzbeuren befahren. Nach etwa 400 m zweigt ein Wirtschaftsweg rechts ab in Richtung Koblenz; dieser wird bis zur Einmündung der K 79 auf die L 193 befahren. Von dort aus geht es weiter auf der L 193 nach Kappel und von dort auf die B 421 nach Kirchberg. Das Verfahren wurde schließlich von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt.

6

Das Widerspruchsverfahren des Klägers wurde wiederaufgenommen. Der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2011 mit der Begründung zurück, dass nunmehr eine zumutbare Ausweichstrecke für den westlichen Streckenabschnitt zur Verfügung stehe.

7

Mit der am 5. August 2011 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und unter Hinweis auf den landwirtschaftlichen Strukturwandel geltend gemacht, dass durch den Wegfall der Fahrmöglichkeit über die B 50 sein Betrieb wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt sei. Transportkosten und Zeiten seien existenzbeeinträchtigend gestiegen. Seine jährlichen Einbußen durch Mehrwege und Zeitverluste beliefen sich auf 5.000,00 bis 8.000,00 €. Auch zeige sich mittlerweile, dass die ursprünglichen Verkehrsprognosen bezüglich des Flughafens Frankfurt-Hahn unzutreffend gewesen seien.

8

Mit Urteil vom 13. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht die im Anschluss an die verkehrsrechtliche Anordnung vom 16. April 2004 angebrachten Verkehrszeichen Nr. 331.1 StVO und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2011 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die streitgegenständlichen Verkehrszeichen seien rechtwidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage in § 45 Abs. 1 und Abs. 9 StVO nicht gegeben. Die Vorschriften setzten für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sei und das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter, also Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum, erheblich übersteige. Der Beklagte habe seine Entscheidung vom 16. April 2004 zum damaligen Zeitpunkt zum einen mit dem Entstehen langer Fahrzeugkolonnen durch langsam fahrenden landwirtschaftlichen Verkehr und den hierdurch entstehenden Überholdruck auf der seinerzeit nur zwei- bzw. dreispurig ausgebauten Strecke begründet, der zu einem erhöhten Unfallaufkommen führe. Zum anderen habe er auf die hohen Geschwindigkeitsdifferenzen verwiesen, die zu Auffahrunfällen führten. Die Sachlage habe sich in der Zwischenzeit wesentlich geändert. Der Abschnitt der B 50 zwischen Büchenbeuren und Simmern sei mittlerweile durchgehend vierspurig mit – in der Breite streitigen – bituminös befestigten Seitenstreifen ausgebaut. Die ehemals einmündenden Wirtschaftswege seien sämtlich baulich derart verschlossen, dass eine Zufahrt auf die Bundesstraße nicht möglich sei. Zudem sei die Straße mit einer Mittelleitplanke versehen. Die im Zeitpunkt der Aufstellung der Verkehrszeichen erkannten Gefahrenquellen und angenommenen Unfallrisiken seien damit wesentlich entschärft. So sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es auch bei dem vierspurigen Ausbau der Straße zu langen Fahrzeugkolonnen aufgrund langsam fahrender Fahrzeuge kommen werde, da ein Überholen durch schnellere Fahrzeuge problemlos auf der linken Spur möglich bleibe. Gleiches gelte für die Gefahr eines Auffahrunfalls durch hohe Geschwindigkeitsdifferenzen, denn auch hier könnten schnell bzw. schneller anfahrende Fahrzeuge durchgehend auf die linke Spur ausweichen. Ohne die somit entschärften Gefahrenstellen bestünden für die Kammer keine weiteren Anhaltspunkte, die ein über das allgemeine Verkehrsrisiko hinausgehendes Risiko begründen könnten.

9

Hiergegen richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 13. April 2012 (7 A 10191/12.OVG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung des Beklagten. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor, es sei auch nach dem vierspurigen Ausbau der B 50 noch eine erhöhte Unfallgefahr wegen hoher Geschwindigkeitsdifferenzen bei Zulassung von langsamem Verkehr gegeben. Viele landwirtschaftliche Fahrzeuge führen im unteren Geschwindigkeitsbereich, also deutlich unter 40 km/h oder sogar 20 km/h. Die Kraftfahrer rechneten nicht mit solchen Verkehrssituationen, da die B 50 von ihrem Ausbauzustand her als autobahnähnlich wahrgenommen und als schnelle Verbindungsachse vom und zum Flughafen Frankfurt-Hahn von der Bundesautobahn A 61 her angesehen werde. Der Beklagte konkretisierte die zu befürchtende Gefahrenlage ergänzend unter Hinweis auf den Ausbauzustand und die Netzfunktion der B 50 im streitgegenständlichen Bereich. Die Freigabe der B 50 für alle Verkehrsteilnehmer stehe in direktem Widerspruch zur Einheit von Planung, Bau und Betrieb von Straßen, einem wesentlichen Grundsatz der Verkehrssicherheit, und trage damit das Potenzial für Straßenverkehrsunfälle in sich. Hinzu komme, dass gerade zur Vermeidung einer unnötigen Gefährdung von Straßennutzern der B 50 als Bestandteil des TERN-Netzes und in Umsetzung von EU-Vorschriften der langsame Verkehr ausgeschlossen worden sei. Die Planfeststellungsbeschlüsse für den zwischenzeitlich erfolgten Ausbau der B 50 enthielten keine förmliche Teileinziehung der B 50 im Abschnitt Simmern/Ost und Büchenbeuren/West zwecks Ausweisung als Kraftfahrstraße. Im Jahr 2006 sei entschieden worden, die formelle Abwicklung des straßenrechtlichen Teileinziehungsverfahrens bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens gegen die straßenverkehrsbehördliche Anordnung zur Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße abzuwarten. Die Zurückstellung sei unter dem Aspekt erfolgt, dass im Teileinziehungsverfahren vergleichbare Fragestellungen wie bei der streitbefangenen verkehrsbehördlichen Anordnung zu prüfen seien, insbesondere das Vorhandensein zumutbarer Ausweichstrecken.

10

In der mündlichen Verhandlung von 15. August 2012 (7 A 10467/12.OVG) wurde auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet, nachdem der Beklagte erklärte, ein straßenrechtliches Teileinziehungsverfahren durchzuführen und dem Kläger vorübergehend eine Ausnahmegenehmigung zur Nutzung der B 50 zugesichert wurde.

11

Das Teileinziehungsverfahren nach § 2 Abs. 4 Fernstraßengesetz wurde eingeleitet; die Allgemeinverfügung der Teileinziehung wurde im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz vom 15. September 2014 bekannt gemacht. Dagegen wurde ebenfalls Widerspruch erhoben.

12

Auf Antrag des Klägers wurde das Berufungsverfahren wiederaufgenommen. Der Beklagte trägt vor, dass seit der Fertigstellung des vierspurigen Ausbaus der B 50 mehrere Unfallhäufungsstellen bekannt geworden seien, die auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen seien. Bei den regelmäßig durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen seien gefahrene Höchstgeschwindigkeiten von über 200 km/h keine Seltenheit. 175 Fahrverbote seien aufgrund der Geschwindigkeitsmessungen im Jahr 2012 ausgesprochen worden, das heißt die Verkehrsteilnehmer waren mit mindestens 41 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit unterwegs. Dies belege, dass bei einer Zulassung von langsam fahrendem Verkehr auf der ausgebauten B 50 durch die tatsächlich vorhandenen erheblichen Geschwindigkeitsunterschiede der unterschiedlichen Verkehrsarten eine gesteigerte Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorliege. Die Unfallsituation hinsichtlich des verdrängten langsamen landwirtschaftlichen Verkehrs auf den Ausweichrouten sei unauffällig. Diesbezüglich seien keine Störungen oder Beschwerden von Anwohnern bzw. anderen Verkehrsteilnehmern bekannt geworden. Da die Ausweichstrecken geeignet sowie zumutbar seien, wie das Musterverfahren gezeigt habe, sei die angegriffene verkehrsbehördliche Anordnung vom 16. April 2004 weiterhin rechtmäßig. Dem könne insbesondere nicht entgegen gehalten werden, dass – obschon Ausnahmegenehmigungen erteilt worden seien – in den vergangenen Jahren keine Unfallhäufung unter Beteiligung von langsamem landwirtschaftlichem Verkehr festzustellen gewesen sei. Denn insoweit sei zu berücksichtigen, dass mit den zwei erteilten Ausnahmegenehmigungen nur wenige, leistungsstarke Fahrzeuge zugelassen worden seien und das auch nur zwischen der Anschlussstelle Büchenbeuren/West und dem Kreuzungspunkt der B 50 mit der B 421 nördlich von Kirchberg. Es bleibe dabei, dass der vierspurige Ausbau vom Autofahrer als autobahnähnlich wahrgenommen werde und zu einem entsprechenden Fahrverhalten führe. Der durchschnittliche Autofahrer rechne hier nicht mit langsam fahrenden Fahrzeugen.

13

Der Beklagte beantragt,

14

das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seinen bisherigen Vortrag und macht sich die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu Eigen. Entgegen der Annahme des Beklagten sei die Verkehrssicherheit durch den Ausbau der B 50 im streitgegenständlichen Abschnitt sogar wesentlich gesteigert worden. Auch hätten sich die Differenzgeschwindigkeiten zum vorherigen Ausbauzustand nicht erheblich verändert. Die Fahrbahnen der ausgebauten B 50 seien sehr übersichtlich und über weite Entfernungen einsehbar. Langsam fahrende Fahrzeuge seien überall rechtzeitig zu erkennen, sodass keine Gefahrenlage bestehe. Gefährliche Überholmanöver durch die Benutzung der Gegenfahrbahn – insbesondere durch Lkw – seien jetzt ausgeschlossen. Kern der Klage sei, dass ein wirtschaftlich bedeutsamer Zweig der Volkswirtschaft von dem Jedermannsrecht der Straßenbenutzung ausgeschlossen werde, ohne dass geeignete und zumutbare Straßen als Ersatz zur Verfügung stünden. Soweit der Beklagte auf die Bedeutung der Straße als europäische Achse hinweise, sprächen die Verkehrszahlen eine andere Sprache. Die Straße werde derzeit mit 20 % ihrer Kapazität genutzt. Er, der Kläger, habe auch Einwendungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens vorgebracht und sei dort auf das Verfahren zur Ausweisung der Kraftfahrstraße verwiesen worden. Im Verfahren betreffend die Ausweisung als Kraftfahrstraße berufe sich der Beklagte nun darauf, dass der planfestgestellte Ausbau die Ausweisung als Kraftfahrstraße bedinge. Dies sei widersprüchlich und zeige den Ermessensausfall sowohl im Bereich der Planfeststellung als auch bei der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung auf. Der Beklagte habe sich in keinem der beiden Verfahren für die Belange der betroffenen Bürger, Gemeinden und Unternehmen interessiert. Seit August 2012 dürften auf Grundlage der erteilten Ausnahmegenehmigungen über 1.000 Fahrten mit landwirtschaftlichen Zügen auf der ausgebauten B 50 stattgefunden haben. Dabei habe sich das Befahren als völlig unproblematisch und spannungsfrei erwiesen. Obwohl der Beklagte keinerlei Hinweisschilder wegen des langsam fahrenden Verkehrs aufgestellt habe, bestätige sich seine Einschätzung, dass die Teilnahme der langsam fahrenden landwirtschaftlichen Fahrzeuge für den schneller fahrenden Verkehr keine Gefährdung beinhalte. Für die Fahrt von Rheinböllen bis Büchenbeuren über die vom Beklagten ausgewiesenen Ausweich- bzw. Alternativstrecken benötige man mit dem Traktor mit angehängten Silierwagen ca. 90 Minuten. Die Rückfahrt über die ausgebaute B 50 habe mit demselben Gespann ca. 30 Minuten gedauert. Bei dieser anlässlich eines Ortstermins im Februar 2014 durchgeführten Befahrung hätten sich alle Teilnehmer von der Gefahrlosigkeit der Benutzung der B 50 einerseits sowie von der völlig unzumutbaren Umwegstrecke über die anderen Straßen und Wege mit den Ortsdurchfahrten andererseits überzeugen können. Es habe sich eine deutlich erhöhte Gefährdung der Verkehrsteilnehmer und Bewohner bei Nutzung der Ausweichroute gezeigt.

18

Mit Beschluss vom 8. Juli 2015 hat der Senat durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben zu der Frage, inwieweit die Zulassung von langsam fahrenden – vor allem landwirtschaftlichen – Fahrzeugen mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h auf der Bundesstraße B 50 im Abschnitt zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse zu einer Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs durch eine erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit führen würde, insbesondere durch Entstehen eines Überholdrucks oder angesichts großer Geschwindigkeitsdifferenzen. Als Gutachter wurde Universitätsprofessor Dr.-Ing. M. (D.) bestimmt. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten am 27. Januar 2016 erstattet, in der mündlichen Verhandlung erörtert und an ihn gerichtete Fragen beantwortet. Wegen des Inhalts wird insoweit auf das schriftliche Gutachten vom 27. Januar 2016 und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. August 2016 verwiesen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten des Verfahrens 6 K 963/05.KO (7 A 11188/10.OVG) Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

20

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße im Bereich zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West ist rechtmäßig. Die Anfechtungsklage des Klägers war deshalb unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

21

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind verkehrsbezogene Ge- und Verbote in Form von Verkehrszeichen regelmäßig Dauerverwaltungsakte (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 – 3 C 15.03 –, juris, Rn. 16 m.w.N.). Maßgeblich für den Erfolg der gegen einen Dauerverwaltungsakt gerichteten Klage ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 21 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.).

22

Rechtsgrundlage der angegriffenen verkehrsrechtlichen Anordnung ist § 45 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 9 der Straßenverkehrsordnung – StVO –. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Nach Satz 2, der insoweit Satz 1 verdrängt, dürfen – abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen – Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter – also etwa der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs – erheblich übersteigt. Mithin setzt § 45 Abs. 1 StVO i.V.m. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO für die Ausweisung einer Kraftfahrstraße, die durch ihren Ausschluss von Fahrzeugen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 km/h (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 StVO) eine Beschränkung bzw. Verbote des fließenden Verkehrs begründet, eine Gefahrenlage voraus, die – erstens – auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und – zweitens – das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigt.

23

Besondere örtliche Verhältnisse in diesem Sinne können unter anderem der Ausbauzustand, die Streckenführung, die Verkehrsbelastung oder der Anteil des Schwerverkehrs sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 26 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.).

24

Eine das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigende Gefahrenlage besteht nicht erst dann, wenn alsbald mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermehrt Schadensfälle eintreten würden. Denn unter Berücksichtigung, dass es im Zusammenhang mit der auch vorliegend betroffenen Unfallvermeidung um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben geht, ist nach allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts ein behördliches Einschreiten bereits bei geringeren Wahrscheinlichkeiten des Schadenseintritts zulässig und geboten. Mithin fordert § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die Vorschrift setzt vielmehr nur – aber immerhin – eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 27 = BVerwGE 138, 21).

25

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vor, folgt aus § 45 Abs. 1 StVO, der von Absatz 9 modifiziert, nicht aber verdrängt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 24 = BVerwGE 138, 21), dass auch Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 StVO im Ermessen der zuständigen Behörden stehen. Soweit es um die Auswahl der Mittel geht, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 35 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.).

26

2. Nach diesen Maßstäben begründete die Zulassung von Fahrzeugen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 km/h auf dem streitbefangenen Streckenabschnitt der B 50 zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West eine konkrete Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigt und auf den besonderen örtlichen Verhältnissen beruht (a). Die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, dieser Gefahrenlage durch die Ausweisung als Kraftfahrstraße zu begegnen und damit den langsamen Verkehr von der Nutzung des betroffenen Streckenabschnitts der B 50 auszuschließen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 StVO), ist frei von Ermessensfehlern (b).

27

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Einholung des am 27. Januar 2016 schriftlich erstatteten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Gutachtens des Sachverständigen Universitätsprofessor Dr.-Ing. M. (D.) – im Folgenden: Gutachten – steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass die Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse zu einer erheblichen Steigerung der Unfallgefahren und damit zu einer – insbesondere auch qualitativ – das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigenden konkreten Gefahrenlage führen würde.

28

Die besonderen örtlichen Verhältnisse des streitbefangenen Abschnitts der B 50 zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West werden im vorliegenden Zusammenhang vor allem durch den Ausbauzustand bestimmt. Der relevante Straßenzug der B 50 ist nach dem Regelquerschnitt RQ 26 ausgebaut, d.h. bei einer Kronenbreite von 26 m weisen die beiden Fahrstreifen für jede Richtung eine Breite von je 3,50 m und die Standstreifen je Fahrrichtung eine Breite von 2,00 m auf (vgl. dazu Gutachten S. 5 f.); die verbleibende Breite verteilt sich auf die Bankette, die Seitenstreifen und den Mittelstreifen mit Mittelleitplanke. Zu beachten ist allerdings, dass an mehreren Stellen auf begrenzter Länge der Standstreifen nicht oder nicht in der beschriebenen Breite vorhanden ist. Der aus der Anlage von Bundesautobahnen hier für eine Landstraße entliehene Querschnitt RQ 26 ist – ohne dass es darauf bei der hier vorzunehmenden straßenverkehrsrechtlichen Beurteilung ankäme – nach Angaben des Sachverständigen zwar nicht weit verbreitet, aber unter Berücksichtigung der Richtlinien für die Anlage von Landstraßen – RAL – und der Verbindungsfunktion des Straßenabschnitts vorliegend richtlinienkonform (vgl. Gutachten S. 5).

29

Mithin weist die B 50 im Abschnitt zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West einen autobahnähnlichen Ausbauzustand auf. Ebenso wie eine Bundesautobahn, die den „Charakter einer innerstädtischen Schnellstraße“ angenommen hat, besondere örtliche Verhältnisse im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO darstellen und Grund für eine erhöhte Unfallgefahr sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 – 7 C 46.78 –, juris, Rn. 28 = BVerwGE 59, 221), kann auch umgekehrt die autobahnähnlich wahrgenommene Landstraße besondere örtliche Verhältnisse begründen, aufgrund derer – wie hier – eine von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorausgesetzte Gefahrenlage hervorgerufen wird. Der autobahnähnliche Ausbauzustand zieht es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der „Einheit von Bau und Betrieb“ und gestützt auf die gutachterliche Prognose des Sachverständigen zu den Auswirkungen einer Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr auf dieser Straße zur Überzeugung des Senats nach sich, dass die Zulassung eine erhebliche, über dem allgemeinen Risiko einer Beeinträchtigung liegende Gefahrenlage begründen würde. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:

30

Der Sachverständige, Universitätsprofessor Dr.-Ing. M., kommt in seinem nachvollziehbaren, schlüssigen und überzeugenden Gutachten zu dem Ergebnis, dass „[e]ine Veränderung sicherheitsrelevanter Parameter wie der Zulassung deutlich langsamer Fahrzeuge […] zu einer spür- und messbaren Verschlechterung der Verkehrssicherheit führen [wird]. Vor allem Unfälle mit schweren Folgen werden wegen der großen Geschwindigkeitsunterschiede häufiger auftreten als bisher“ (Gutachten S. 22).

31

Diese Folgerung leitet der Sachverständige zunächst aus einer qualitativen Analyse der Unfallabläufe auf der streitbefangenen Strecke ab, die er – nachdem die Freigabe der Strecke im aktuellen Ausbauzustand im Jahr 2011 erfolgte – für den Zeitraum 2012 bis 2014 durchgeführt hat (vgl. zu den Einzelheiten Gutachten S. 14 f.). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Analyse der Unfallabläufe auf dem betroffenen Streckenabschnitt die B 50 als ausgewiesene Kraftfahrstraße zum Gegenstand hatte, mithin – abgesehen von zwei erteilten Ausnahmegenehmigungen – eine Verkehrssituation ohne Beteiligung von deutlich langsameren, insbesondere landwirtschaftlichen Fahrzeugen als dem regulären Schwerverkehr (zu dessen Geschwindigkeitsstreubreite siehe unten) ausgewertet worden ist. Die Analyse hat gezeigt, „dass die Unfälle mit Personenschaden in vielen Fällen mit Fahrstreifenwechseln einerseits und dem Auftreten langsamer (Schwerverkehrs-)Fahrzeuge andererseits zu tun haben“ (Gutachten S. 23). Der Sachverständige hat Anlass und Grundlagen seiner qualitativen Analysen in der mündlichen Verhandlung weiter erläutert. Dabei hat er unter anderem nachvollziehbar erklärt, dass aufgrund des seltenen Ereignisses Verkehrsunfall eine quantitative Auswertung aufgrund der mathematischen Streuungen nicht aussagekräftig wäre (vgl. Niederschrift vom 25. August 2016, S. 5 f. – im Folgenden: Niederschrift – und Gutachten S. 15), aber „Charakteristika des Unfallgeschehens […] Hinweise auf Gefahren geben [können], die mit der Örtlichkeit und dem Verkehrsgeschehen in Zusammenhang zu bringen sind“ (Niederschrift S. 6).

32

Ausgehend von diesen qualitativen Aussagen, die „lediglich ein grobkörniges Bild [ergeben], mit dem aber ein Trend zur Profilierung der ansonsten amorphen Struktur der Unfallabläufe möglich ist“ (Gutachten S. 15; vgl. auch Niederschrift S. 6), leitet der Sachverständige sodann unter Einbeziehung weiterer Faktoren die von ihm angenommene spür- und messbare Verschlechterung der Verkehrssicherheit (Gutachten S. 22) bei einer Zulassung langsam fahrender – vor allem landwirtschaftlicher – Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h ab.

33

Die weiteren Faktoren umfassen – nachdem die qualitative Unfallanalyse Überholvorgänge mit Fahrstreifenwechsel und diese weiter in Zusammenhang mit dem Überholen von (Schwerverkehrs-)Fahrzeugen als maßgeblichen Risikofaktor identifiziert hat – Bedeutung und Auswirkungen anzutreffender Geschwindigkeitsdifferenzen (Gutachten S. 19 f.). Neben allgemeinen Erläuterungen zum Zusammenhang zwischen Geschwindigkeitsverteilung und Überholbedarf (Gutachten S. 15 f.) hat der Sachverständige mithilfe eigener Messungen auf dem relevanten Abschnitt eine Streubreite der gefahrenen Geschwindigkeiten für den Pkw-Verkehr zwischen 96 und 136 km/h und für den Schwerverkehr (einschließlich der Busse) einen Geschwindigkeitsbereich zwischen 76 und 97 km/h ermittelt (Gutachten S. 19). Nach Einschätzung des Sachverständigen führen diese aktuell auf der als Kraftfahrstraße ausgewiesenen B 50 anzutreffenden Geschwindigkeitsunterschiede „zu Überholvorgängen, die unter Nutzung beider Fahrstreifen meist problemlos durchgeführt werden können“ (Gutachten S. 19). Diese Einschätzung korrespondiert mit der Analyse und Auswertung des aktuell – also ohne die Nutzung durch langsame, insbesondere landwirtschaftliche Fahrzeuge – ermittelten (guten) Sicherheitsgrades des betroffenen Streckenabschnitts (vgl. Gutachten S. 11 ff.).

34

Die Zulassung landwirtschaftlicher Fahrzeuge mit einem Geschwindigkeitsbereich von 40 bis 60 km/h würde – so der Sachverständige – deutlich außerhalb der aktuell anzutreffenden Streubereiche auf der vierstreifigen Straße liegen (Gutachten S. 19). Die weitere Ausdehnung der Geschwindigkeitsverteilung von bisher 76 und 136 km/h, die bereits „sehr groß“ sei (Gutachten S. 19), auf eine Streubreite zwischen 40 und 136 km/h führte zum einen zu einer Vergrößerung der anzutreffenden Geschwindigkeitsdifferenzen, die ihrerseits in Zusammenhang mit Unfallzahlen und Unfallschwere zu setzten seien. Hierzu heißt es im Gutachten (S. 17): „Es gibt aber Belege in der Literatur zum Zusammenhang mit den Kennwerten der Geschwindigkeitsstreuung: Auch die Wirkung von Streckenbeeinflussungsanlagen auf Autobahnen unterstreicht diesen Effekt, denn sie vermindern die Geschwindigkeitsunterschiede (durch Rückgang in den Spitzen) und verbessern nachweislich die Sicherheit in Zahl und Schwere (…).“ Zum anderen zieht eine Vergrößerung der Geschwindigkeitsstreuung einen steigenden Überholbedarf nach sich, der die (weitere) Besonderheit aufweist, dass nunmehr auch vermehrt die Notwendigkeit der Überholungen für den sonstigen Schwerverkehr ausgelöst wird: „Lastwagen und Lastzüge fahren bislang mit recht gleichmäßigem Tempo (siehe Streubereiche der Messergebnisse) und müssen nur selten andere Schwerfahrzeuge überholen. Dies ändert sich durch Fahrzeuge mit deutlich langsamerer Geschwindigkeit. Dann bewegen sich Lkw auf dem linken Fahrstreifen, was wiederum zu Risiken für den schnelleren Pkw-Verkehr bei der Annäherung führt“ (Gutachten S. 17). Der Sachverständige erwartet ausgehend von der durch ihn ermittelten Verkehrsdichte auf dem betroffenen Streckenabschnitt von 17.000 Kfz/24h und einen Schwerverkehrsanteil von 11 % (vgl. Gutachten S. 12) bei überschlägiger Betrachtung, die er in der mündlichen Verhandlung als „konservativ vorsichtige Abschätzung“ klassifiziert hat (Niederschrift, S. 8), bei einer Durchfahrt von nur einem landwirtschaftlichen Fahrzeug mit 60 km/h in einer Fahrtrichtung auf der gesamten Streckenlänge von ca. 20 Kilometer eine (zusätzliche) Anzahl von 270 Überholvorgängen durch Pkw (mit 100 km/h) und 25 Überholvorgängen durch Lkw (mit 80 km/h) in einer durchschnittlich belasteten Stunde (Gutachten S. 16). Diese Anzahlen erhöhen sich in Spitzenstunden und bei höheren Geschwindigkeitsannahmen für die Pkw bis auf 750 Pkw-Überholungen und 60 Lkw-Überholungen auf einer Durchfahrt des landwirtschaftlichen Fahrzeugs mit 60 km/h. Die Zahlen werden noch größer, wenn das landwirtschaftliche Fahrzeug mit 40 km/h unterwegs ist (Gutachten S. 16) oder mehr landwirtschaftliche Fahrzeuge die Strecke befahren.

35

Hinzu kommt, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge mit bauartbedingten Geschwindigkeiten deutlich außerhalb der gewohnten Geschwindigkeitsbereiche – auch unterhalb derjenigen von anderem Schwerverkehr – unterwegs sein werden. Dies hat zur Folge, dass sie besonders unerwartete Situationen darstellen (Gutachten S. 17). Hier zeigt sich die Bedeutung des auch sachverständigenseits erläuterten Grundsatzes der „Einheit von Bau und Betrieb“ und dessen Zusammenhang zur Frage einer erhöhten Unfallwahrscheinlichkeit. Dazu hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt:

36

„Unfälle sind keine Folge kausal vorbedingter Voraussetzungen, sondern sie treten aufgrund menschlicher Fehlleistungen bei komplexen Entscheidungsprozessen glücklicherweise relativ selten auf. Wir können sie also nicht in Form deterministischer Zusammenhänge präzise vorhersagen, sondern wir erarbeiten Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von menschlichem Fehlverhalten. Die Straßenverkehrstechnik analysiert Gründe, die aus den technischen Gegebenheiten dieses Fehlverhalten begünstigen können und leitet daraus Maßnahmen ab, mit denen das Fehlverhalten vermindert mit der Zielsetzung vermieden werden kann. […]“ (Niederschrift S. 4).

37

„Diese [Unfall-]Risiken stehen im Zusammenhang mit der nicht völligen Fehlerfreiheit menschlicher Entscheidungen. Wir wissen aus der Wahrnehmungspsychologie und Informationsverarbeitung, dass die Fehlerbehaftung von menschlichen Entscheidungen neben vielen anderen Randbedingungen beeinflusst wird davon, wie neu oder fremd der Vorgang ist. Die Informationsverarbeitung kennt den Begriff der Heuristik, die sagt, dass der Mensch in der Lage ist, in komplexen Situationen gute Entscheidungen zu treffen aufgrund von Erfahrung, d.h. den Vergleich mit ähnlichen Situationen, die positiv bewältigt wurden. Wenn die Randbedingungen gestört sind, ist die Fehleranfälligkeit größer. Das ist der Kern des Gedankens von 'Einheit von Bau und Betrieb'. Wenn also auf einer Straßenverkehrsanlage eine Situation eintritt, die der Kraftfahrer aufgrund der Gesamterscheinung dieser Verkehrsanlage schon häufig vorgefunden hat, dann sind menschliche Verhaltensweisen in aller Regel sicher. Wenn eine unerwartete Situation eintritt, bedarf es größerer mentaler Anstrengungen, die nicht in allen Fällen zu einem fehlerfreien Ergebnis führen. […]“ (Niederschrift S. 6).

38

Diese inhaltlich nicht in Frage zu stellenden Zusammenhänge zeigen anschaulich, dass es vorliegend nicht darum geht, mit einem allgemein steigenden Überholbedarf und den allgemeinen Gefahren des Überholens bzw. des dafür erforderlichen Fahrstreifenwechsels eine Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zu begründen. Insoweit würde es sowohl an einer in den besonderen örtlichen Verhältnissen beruhenden als auch einer das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung übersteigenden Gefahrenlage fehlen.

39

Vielmehr handelt es sich zwar im Ausgangspunkt durchaus um verallgemeinerungsfähige Zusammenhänge. Diese begründen jedoch – wie dargelegt – gerade bezogen auf den streitgegenständlichen Streckenabschnitt der B 50 bei Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr eine erhebliche, über dem allgemeinen Risiko einer Beeinträchtigung liegende Gefahrenlage gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO. Gerade der die besonderen örtlichen Verhältnisse prägende autobahnähnliche Ausbauzustand der B 50 zieht es nach sich, dass bei Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr erhebliche Geschwindigkeitsdifferenzen auftreten, die einerseits überraschende Ereignisse darstellen, damit dem Grundsatz der Einheit von Bau und Betrieb widersprechen und deshalb die Fehleranfälligkeit und dadurch die Unfallwahrscheinlichkeit steigern. Gleichzeit verursachen größere Geschwindigkeitsdifferenzen neben dem dadurch ausgelösten zusätzlichen Überholbedarf eine steigende Unfallschwere.

40

Auch wenn es für die – nach sorgfältiger Prüfung der Verkehrssituation bzw. der zu prognostizierten Veränderung – bejahte konkrete Gefahrenlage keiner Ermittlung eines Unfallhäufigkeits-Prozentsatzes bedarf und auch vertiefte Ermittlungen zur Frage nicht erforderlich sind, wie hoch konkret der Anteil an feststellbaren bzw. zu erwartenden Unfällen im Zusammenhang mit der von der Straßenverkehrsbehörde identifizierten Gefahr ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. April 2001 – 3 C 23.00 –, juris, Rn. 28), hat der Sachverständige hier eine entsprechende Prognose abgegeben, die sich der Senat zu Eigen macht. Gestützt auf eine vorsichtige und konservative Schätzung geht der Sachverständige von einer Verdoppelung der bisherigen Überholvorgänge von Schwerverkehr aus und hat unter den beschriebenen Randbedingungen abgeleitet, dass sich die Unfälle, die sich jetzt beim Überholen von Schwerverkehrsfahrzeugen ereignen, möglicherweise in gleicher Zahl, wahrscheinlich aber in höherer Schwere wegen der größeren Geschwindigkeitsunterschiede zusätzlich ereignen werden. Damit – so der Sachverständige – würde sich der aktuell vorhandene (gute) Sicherheitsgrad der B 50 im maßgeblichen Abschnitt – abgebildet durch die Unfallkostenrate (UKR), die als Kennzahl sowohl die Unfallhäufigkeit als auch die Unfallschwere abbildet (dazu im Einzelnen Gutachten S. 11 ff.) – um 20 % verschlechtern (Niederschrift S. 8 und S. 11). Diese bei Zulassung von langsam fahrenden – vor allem landwirtschaftlichen – Fahrzeugen mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h begründete Steigerung der auch qualitativ gewichteten Unfallgefahren um 20 % übersteigt – wie von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorausgesetzt – das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich.

41

Der Einwand des Klägers, bei den seit dem Jahr 2012 inzwischen weit über 1.000 mit Ausnahmegenehmigungen durchgeführten Fahrten mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen hätten sich die gutachterlich beschriebenen Gefahren nicht verwirklicht, vielmehr sei alles spannungsfrei verlaufen, zieht die überzeugenden Folgerungen des Sachverständigen nicht in Zweifel. Hierzu hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Gesamtfahrleistung auf der Strecke von 140 Millionen Fahrzeugkilometer pro Jahr in beide Richtungen ausgeführt, dass sich bei 1.000 Fahrten pro Jahr (Anmerkung: Nach dem Vorbringen des Klägers ging es um mehr als 1.000 Fahrten in mehr als zwei Jahren) ein Anteil von landwirtschaftlichem Verkehr unterhalb eines Zehntel-Promille-Bereichs der gesamten Fahrleistung errechne und sich deshalb selbst extrem hohe Risikowerte solcher Fahrten kaum sichtbar in der Bilanz niederschlagen (Niederschrift S. 11 f.). Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte nur Ausnahmegenehmigungen für Fahrzeuge und Gespanne erteilt hat, die eine Mindestgeschwindigkeit von 40 km/h erreichen. Bei einer generellen Zulassung des landwirtschaftlichen Verkehrs würden voraussichtlich auch (noch) langsamere Fahrzeuge hinzukommen, die die oben beschriebene Gefahrenlage nochmals verschärfen würden. Allein der Umstand, dass bei den bisherigen (wenigen) Fahrten nichts passiert ist, kann bei der hier vorzunehmenden Gefahrenprognose kein Kriterium sein. Alles andere liefe darauf hinaus, auf dem streitigen Straßenabschnitt einen „Feldversuch“ der Art durchzuführen, langsamen – insbesondere landwirtschaftlichen – Verkehr zuzulassen, um die daraus resultierende Unfallentwicklung zu analysieren. Angesichts der handgreiflichen Gefahrenlage darf dem Beklagten die Verantwortung hierfür nicht aufgebürdet werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. April 2001 – 3 C 23.00 –, juris, Rn. 28).

42

Der Senat hat weiter keinen Anlass, die Grundlagen bzw. die Grundannahmen des Gutachtens anzuzweifeln. Dies gilt im Besonderen für die qualitative Unfallanalyse des Sachverständigen, die angesichts des seltenen Ereignisses Verkehrsunfall und des dadurch begründeten Wegfalls einer quantitativen Auswertungsmöglichkeit (vgl. Gutachten S. 14 f.) nicht zu beanstanden ist. Der Sachverständige hat dies im weiteren Gutachten berücksichtigt und aus der qualitativen Unfallanalyse, die ein „grobkörniges Bild“ liefert, einen erkennbaren „Trend zur Profilierung der ansonsten amorphen Struktur der Unfallabläufe“ entnommen (vgl. Gutachten S. 15).

43

Schließlich leidet das Gutachten auch nicht darunter, dass der Sachverständige keine Erkenntnisse und Erfahrungen von anderen Autobahnen oder Kraftfahrstraßen in die Betrachtung einbezogen hat, auf denen landwirtschaftlicher Verkehr in Ausnahmeteilstücken zugelassen ist. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass andere Strecken bezüglich ihrer Rahmenbedingungen (generelle Tempo-limits, Erscheinungsbild, Netzbedeutung, Verkehrsbelastung, Länge des Abschnitts) sehr unterschiedlich seien und es deshalb seines Wissens nach keine aussagefähigen Untersuchungen dieser Einzelfälle gebe, die er als Vergleich hätte heranziehen können (vgl. Niederschrift S. 12).

44

b) Die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, der prognostizierten Gefahrenlage durch die Ausweisung einer Kraftfahrstraße zu begegnen und damit den langsamen Verkehr von der Nutzung des betroffenen Streckenabschnitts der B 50 auszuschließen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 StVO), ist frei von Ermessensfehlern.

45

Im Rahmen der Ermessensausübung waren die beteiligten öffentlichen und privaten Interessen umfassend gegeneinander abzuwägen. Allerdings war die Behörde nicht verpflichtet, das potenzielle Interesse jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers zu beachten. Abwägungserheblich sind vielmehr nur qualifizierte Interessen Privater, also solche Interessen, die erheblich, schutzwürdig und für die Straßenverkehrsbehörde erkennbar sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 – 11 C 3.92 –, juris, Rn. 23 = BVerwGE 92, 32 unter Verweis auf Manssen, NZV 1992, S. 465 [469 f.]; auch König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 45 StVO Rn. 28a m.w.N).

46

Soweit danach auf Seiten des Klägers insbesondere die Verkehrsbedürfnisse einzustellen sind, die ein landwirtschaftlicher Betrieb begründet, indem die gewonnenen Erzeugnisse zur nächstgelegenen landwirtschaftlichen Annahmestelle verbracht werden müssen, ist es angesichts des Bestehens zumutbarer Ausweichstrecken nicht ermessenfehlerhaft, den landwirtschaftlichen Verkehr von der Nutzung der B 50 im streitgegenständlichen Abschnitt durch die Ausweisung als Kraftfahrstraße auszuschließen und der Sicherheit des Verkehrs den Vorrang einzuräumen.

47

Nachdem bereits im vorangegangenen Musterverfahren letztlich allein die Zumutbarkeit der Ausweichroute im Bereich zwischen Büchenbeuren/West und Kirchberg problematisiert worden war, während die Zumutbarkeit der Umfahrung für den Abschnitt zwischen Kirchberg und Simmern/Ost vom Verwaltungsgericht im Musterverfahren bejaht und weder seinerzeit von den dortigen Kläger angegriffen worden ist noch im vorliegenden Verfahren auch nur ansatzweise in Frage gestellt wird, gibt es für den Senat weder Anhaltspunkte noch Anlass, die Zumutbarkeit der Ausweichroute zwischen Kirchberg und Simmern/Ost in Frage zu stellen.

48

Für den Bereich zwischen Büchenbeuren/West und Kirchberg, der auch konkret für den Kläger von Interesse ist, ist nunmehr mit der in der Berufungsinstanz des Musterverfahrens eingerichteten Strecke nördlich der B 50 ebenfalls eine zumutbare Alternativroute vorhanden: Von Osten kommend wird die B 327 am Abzweig der K 77 bzw. K 137 nördlich in Richtung Lötzbeuren verlassen. Nach etwa 400 m zweigt ein Wirtschaftsweg rechts ab in Richtung Koblenz, der im Westen des Flughafens Frankfurt-Hahn nach Norden führt und alsbald auf die L 193 trifft. Von dort aus geht es auf der L 193 weiter in nordöstlicher Richtung nach Kappel und von dort auf die B 421 Richtung Süden nach Kirchberg. Diese Alternativroute führt weitgehend über öffentliche Straße und verläuft lediglich im Bereich zwischen der K 137 und der L 193 entlang des Flughafens auf einer Länge von etwa 2,2 km über einen Wirtschaftsweg.

49

Der in der mündlichen Verhandlung durch den Kläger erhobene und mit Fotoaufnahmen untermauerte Einwand zur (Nicht-)Nutzbarkeit des vorgenannten Wirtschaftsweges, mit dem er geltend macht, der Weg weise erhebliche Schlaglöcher auf, die nur in Schrittgeschwindigkeit zu durchfahren seien, und der Weg sei zum Teil seitlich auch so stark eingewachsen, dass die landwirtschaftlichen Fahrzeuge kaum ohne Kontakt durchkämen, steht der Zumutbarkeit einer Nutzung der nördlichen Umfahrung nicht entgegen. So besteht für den genannten Wirtschaftsweg eine Vereinbarung zwischen dem Landesbetrieb Mobilität, der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH – FFHG –, dem Landkreis Cochem-Zell und der Ortsgemeinde Lötzbeuren, der zufolge die FFHG einen dort näher bezeichneten Ausbau sowie die Unterhaltung des Wirtschaftsweges übernimmt (vgl. Bl. 604 ff. der Gerichtsakte im Musterverfahren 6 K 963/05.KO). Es wird auch eine Nachfolgeregelung für diese Verpflichtungen sowie eine Ausfallhaftung des Landes Rheinland-Pfalz bestimmt. Mithin ist rechtlich gewährleistet, dass der benannte Wirtschaftsweg, der Teil einer ansonsten über öffentliche Straßen verlaufenden Alternativroute ist, in einem für eine zumutbare Nutzung erforderlichen Zustand erhalten wird. Soweit der Kläger den tatsächlichen Zustand des Wirtschaftsweges angreift, hat die Vertreterin des Beklagten unter Hinweis auf die bestehende Unterhaltungslast der FFHG angegeben, sich sofort mit der unterhaltungspflichtigen Gesellschaft in Verbindung zu setzen, um die beklagten Zustände zu verbessern (vgl. Niederschrift S. 15 f.). Anhaltspunkte dafür, dass trotz geltend gemachter Beanstandungen keine Abhilfe erfolgt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für einen systemisch bedingt schlechten Zustand der Ausweichstrecke im Bereich des Wirtschaftsweges, der die Zumutbarkeit der Route selbst in Zweifel ziehen könnte.

50

Auch hinsichtlich der übrigen Parameter stellt sich die Ausweichstrecke nördlich der B 50 nicht als unzumutbar dar. Im überregionalen Bereich kann von vornherein auch mit Blick auf die landwirtschaftlichen Belange erwartet werden, dass gegebenenfalls Umwege und Behinderungen in Kauf genommen werden oder aber von für das Straßennetz geeigneten Fahrzeugen Gebrauch gemacht wird (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. September 2005 – 7 B 11119/05.OVG –). Bezogen auf die zurückzulegende Strecke sind zwischen der Abfahrt von der B 327 Richtung Lötzbeuren (Beginn der nördlichen Umfahrung) und dem Kreuzungspunkt der B 421 mit der B 50 bei Kirchberg über die B 50 etwa 13 km und auf der Umfahrung etwa 20 km zurück zu legen. Die Differenz von 7 km reduziert sich auf 5 km, wenn man weiter berücksichtigt, dass der Landhandel als typisches Ziel des überregionalen landwirtschaftlichen Verkehrs 1 km nördlich des Kreuzungspunktes der B 421 mit der B 50 an der B 421 liegt. Der zusätzliche zeitliche Aufwand begründet ebenfalls keine Unzumutbarkeit. Aus den Angaben des Klägers, die dieser im Zusammenhang mit der im Musterverfahren durchgeführten Ortsbesichtigung am 14. April 2011 gemacht hat (vgl. Bl. 600 der Gerichtsakte im Musterverfahren 6 K 963/05.KO), ergibt sich, dass über die nördliche Ausweichroute im Vergleich zur Nutzung der B 50 etwa 15 Minuten mehr Fahrzeit benötigt werden. Weder der Umweg noch die zusätzliche Fahrzeit sind unzumutbar.

51

Soweit der Kläger vorträgt, er benötige für den Abschnitt zwischen Büchenbeuren und Rheinböllen „über die vom Beklagten ausgewiesene“ Alternativstrecke 90 Minuten und über die B 50 lediglich etwa 30 Minuten, begründet dies aus mehreren Gründen keine relevante Unzumutbarkeit. Erstens ist der Bereich der B 50 und dessen Umfahrungsmöglichkeit zwischen Simmern/Ost und Rheinböllen nicht Gegenstand des Verfahrens. Zweitens lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen, ob im Bereich zwischen Büchenbeuren und Kirchberg die nördliche oder die mehr Zeit in Anspruch nehmende südliche Umfahrung gewählt wurde. Drittens kann die Fahrzeit eines landwirtschaftlichen Gespanns, das die Strecke von Büchenbeuren bis Rheinböllen – mithin etwa 34 km – über die B 50 in etwa 30 Minuten schafft und damit eine durchschnittliche Geschwindigkeit von über 60 km/h gefahren sein muss, für den Zeitvergleich nicht maßstäblich sein, da ein Großteil der betroffenen Fahrzeuge deutlich langsamer unterwegs ist. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die Zumutbarkeit überhaupt anhand eines Vergleichs der alternativ abgefahrenen Gesamtstrecken anzustellen ist oder ob die typischerweise anzufahrenden Ziele (z.B. Hofstelle, landwirtschaftliche Annahmestelle) den Vergleichsrahmen bilden.

52

Auch die klägerseits geltend gemachten Mehrkosten von 5.000,00 bis 8.000,00 € pro Jahr begründen für sich genommen keine Unzumutbarkeit. Das bisher vorhandene Straßennetz stellte insoweit für die betrieblichen Verhältnisse des Klägers lediglich eine Chance dar, nicht aber eine fest zu beanspruchende Rechtsposition. Auf ein verändertes Straßennetz müssen sich die betrieblichen Verhältnisse des Klägers daher grundsätzlich einstellen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. September 2005 – 7 B 11119/05.OVG –). Dies einbeziehend ist eine Unzumutbarkeit der zu tragenden Mehrkosten weder dargelegt noch ersichtlich.

53

Ein Ermessensfehler wird entgegen dem Einwand des Klägers auch nicht dadurch begründet, dass im Planfeststellungsverfahren zum vierbahnigen Ausbau der B 50 keine straßenrechtliche Teileinziehung verfügt worden ist und die Frage des Ausschlusses von langsamem – insbesondere landwirtschaftlichem – Verkehr auf die straßenverkehrsrechtliche Ausweisung als Kraftfahrstraße verlagert wurde. Auch wenn – wie bereits das Verwaltungsgericht im Musterverfahren ausgeführt hat (vgl. Bl. 294 f. der Gerichtsakte im Musterverfahren 6 K 963/05.KO) – das Planfeststellungsverfahrens aufgrund der dortigen Beteiligungsvorschriften besser geeignet ist, die auftretenden Interessenkonflikte zu lösen, war der vom Kläger als zentral benannte Punkt zumutbarer Alternativrouten gleichsam in der straßenverkehrsrechtlichen Ausweisung als Kraftfahrstraße – konkret bei der hier zu treffenden Ermessensentscheidung – zu berücksichtigen. Dass entsprechende Anforderungen an zumutbare Alternativrouten auch im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die straßenverkehrsrechtlichen Ausweisung als Kraftfahrstraße wirksam geltend werden können, hat das Musterverfahren gezeigt. Inzwischen ist auch die Teileinziehung des hier betroffenen Abschnitts der B 50 verfügt, so dass – trotz des hiergegen eingelegten Widerspruchs – aktuell kein Konflikt zwischen Straßen- und Straßenverkehrsrecht ersichtlich ist.

54

Der Beklagte durfte im Rahmen der Ermessensausübung auch die Netzfunktion der B 50 berücksichtigen. Die Einstufung als Straßenzug mit maßgeblicher Verbindungsfunktion A I (großräumige Verbindung), die nach den Richtlinien den Einsatz der Entwurfsklasse EKL 1 vorsieht, die ihrerseits richtliniengemäß als Kraftfahrstraße betrieben werden soll (vgl. Gutachten S. 5), weist insoweit auch nicht allein einen planerischen Bezug auf, sondern beinhaltet gleichsam auch Aspekte der Verkehrssicherheit. Zu diesem Zusammenhang hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass „neben vielen anderen Gründen auch immer ein Sicherheitsproblem die Durchmischung nicht verträglicher Verkehrsarten auf Landstraßen [ist]“ und „[Ü]berall, wo eine Vermischung der Bedeutung großräumiger Verbindungen mit Erschließungsfunktionen der anliegenden Regionen versucht wurde, dies Sicherheitsnachteile gehabt [hat]“ (vgl. Niederschrift S. 9 f.). Auch die Zugehörigkeit zum Transeuropäischen Straßennetz TERN (vgl. dazu Beschluss Nr. 661/2010/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, Anhang I, Abschnitt 2.5) stellt eine Verbindung zur Verkehrssicherheit dar. Nach der Richtlinie 2008/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur geht es bei dem TERN neben dessen grundlegender Bedeutung für die Integration, für den Zusammenhalt Europas und für eine hohe Lebensqualität insbesondere auch um die Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus (vgl. Erwägungsgrund (1), (10) bis (14) der RL 2008/96/EG). Art. 9 Abs. 2 des Beschlusses 661/2010/EU, demzufolge „Das Netz […] den Benutzern einen hohen, einheitlichen und gleichbleibenden Dienstleistungs-, Komfort- und Sicherheitsstandard [garantiert]“, bestätigt, dass das TERN auch auf die Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorgaben ausgerichtet ist und bei der Ermessensentscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 9 Satz 2 i.V.m. § 45 Abs. 1 StVO diese Belange einzubeziehen sind.

55

Die Ausweisung als Kraftfahrstraße ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Unter Berücksichtigung des der Straßenverkehrsbehörde bei der Auswahl des Mittels zustehenden (fachlichen) Einschätzungsspielraums (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 36 = BVerwGE 138, 21) ist es nicht zu beanstanden, dass andere (mildere) Mittel als nicht gleich geeignet eingestuft wurden, um den von der Zulassung von langsamem – insbesondere landwirtschaftlichem – Verkehr ausgehenden Gefahren (dazu oben unter a.) zu begegnen. Soweit angesichts des maßgeblichen Zeitpunkts auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung abzustellen ist (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 21 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.) und die Straßenverkehrsbehörde die Voraussetzungen für die getroffene Anordnung fortlaufend „unter Kontrolle“ halten muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 28 = BVerwGE 138, 21), ist bei der Frage, ob der Beklagte mildere Mittel bei seiner Entscheidung einbezogen hat, auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige in seinem Gutachten alternative Lösungsmöglichkeiten – insbesondere eine Annäherung der Geschwindigkeiten durch Tempolimits (vgl. Gutachten, S. 19 ff.) – diskutiert und weder für zweckmäßig noch praktikabel gehalten hat (Akzeptanz, Überwachung, Angemessenheit, vgl. Gutachten S. 20 f.). Ebenso hat er in Bezug auf eine Verbesserung der Erkennbarkeit (gelbe Rundumleuchten) ausgeführt, dass dadurch weitere gefahrerhöhende Faktoren (Fahrstreifenwechsel, fehlerhafte Einschätzung von Geschwindigkeitsdifferenzen und Abständen) nicht berührt würden (vgl. Gutachten S. 17). Der Beklagte hat sich die Ausführungen des Sachverständigen mit Schriftsatz vom 8. März 2016 ausdrücklich zu Eigen gemacht und dabei insbesondere die dort erörterten und verneinten Möglichkeiten für ein unter Sicherheitsaspekten verträgliches Miteinander der verschiedenen Verkehrsarten einbezogen. Da andere Maßnahmen zur Gefahrenbeherrschung nicht eindeutig vorzugswürdig gewesen wären – schließlich bliebe das Grundproblem der erheblichen Geschwindigkeitsdifferenzen unberührt –, ist es im Ergebnis unschädlich, wenn sich hierzu keine gesonderten Erwägungen des Beklagten finden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 51 = BVerwGE 138, 21).

56

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

57

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 2 GKG).

(1) Wer am Verkehr teilnimmt, hat die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen.

(2) Vorschriftzeichen stehen vorbehaltlich des Satzes 2 dort, wo oder von wo an die Anordnung zu befolgen ist. Soweit die Zeichen aus Gründen der Leichtigkeit oder der Sicherheit des Verkehrs in einer bestimmten Entfernung zum Beginn der Befolgungspflicht stehen, ist die Entfernung zu dem maßgeblichen Ort auf einem Zusatzzeichen angegeben. Andere Zusatzzeichen enthalten nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Die besonderen Zusatzzeichen zu den Zeichen 283, 286, 277, 290.1 und 290.2 können etwas anderes bestimmen, zum Beispiel den Geltungsbereich erweitern.

(1) Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie

1.
zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum,
2.
zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße,
3.
zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen,
4.
zum Schutz der Gewässer und Heilquellen,
5.
hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie
6.
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.

(1a) Das gleiche Recht haben sie ferner

1.
in Bade- und heilklimatischen Kurorten,
2.
in Luftkurorten,
3.
in Erholungsorten von besonderer Bedeutung,
4.
in Landschaftsgebieten und Ortsteilen, die überwiegend der Erholung dienen,
4a.
hinsichtlich örtlich begrenzter Maßnahmen aus Gründen des Arten- oder Biotopschutzes,
4b.
hinsichtlich örtlich und zeitlich begrenzter Maßnahmen zum Schutz kultureller Veranstaltungen, die außerhalb des Straßenraums stattfinden und durch den Straßenverkehr, insbesondere durch den von diesem ausgehenden Lärm, erheblich beeinträchtigt werden,
5.
in der Nähe von Krankenhäusern und Pflegeanstalten sowie
6.
in unmittelbarer Nähe von Erholungsstätten außerhalb geschlossener Ortschaften,
wenn dadurch anders nicht vermeidbare Belästigungen durch den Fahrzeugverkehr verhütet werden können.

(1b) Die Straßenverkehrsbehörden treffen auch die notwendigen Anordnungen

1.
im Zusammenhang mit der Einrichtung von gebührenpflichtigen Parkplätzen für Großveranstaltungen,
2.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen,
2a.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel durch vollständige oder zeitlich beschränkte Reservierung des Parkraums für die Berechtigten oder durch Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen,
3.
zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen,
4.
zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesen Bereichen sowie
5.
zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung.
Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die Parkmöglichkeiten für Bewohner, die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen, verkehrsberuhigten Bereichen und Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Einvernehmen mit der Gemeinde an.

(1c) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Abweichend von Satz 3 bleiben vor dem 1. November 2000 angeordnete Tempo 30-Zonen mit Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger zulässig.

(1d) In zentralen städtischen Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltsfunktion (verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche) können auch Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen von weniger als 30 km/h angeordnet werden.

(1e) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die für den Betrieb von mautgebührenpflichtigen Strecken erforderlichen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen auf der Grundlage des vom Konzessionsnehmer vorgelegten Verkehrszeichenplans an. Die erforderlichen Anordnungen sind spätestens drei Monate nach Eingang des Verkehrszeichenplans zu treffen.

(1f) Zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen ordnet die Straßenverkehrsbehörde die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1g) Zur Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen des § 3 Absatz 1 des Elektromobilitätsgesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1h) Zur Parkbevorrechtigung von Carsharingfahrzeugen ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen der §§ 2 und 3 des Carsharinggesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen mit dem Carsharingsinnbild nach § 39 Absatz 11 an. Soll die Parkfläche nur für ein bestimmtes Carsharingunternehmen vorgehalten werden, ist auf einem weiteren Zusatzzeichen unterhalb dieses Zusatzzeichens die Firmenbezeichnung des Carsharingunternehmens namentlich in schwarzer Schrift auf weißem Grund anzuordnen.

(1i) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Gebieten mit hoher Fahrradverkehrsdichte, Fahrradzonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Die Anordnung einer Fahrradzone darf sich nicht mit der Anordnung einer Tempo 30-Zone überschneiden. Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn aufzubringen.

(2) Zur Durchführung von Straßenbauarbeiten und zur Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße, die durch deren baulichen Zustand bedingt sind, können die nach Landesrecht für den Straßenbau bestimmten Behörden (Straßenbaubehörde) – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Verkehrsverbote und -beschränkungen anordnen, den Verkehr umleiten und ihn durch Markierungen und Leiteinrichtungen lenken. Für Bahnübergänge von Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs können nur die Bahnunternehmen durch Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen, durch rot-weiß gestreifte Schranken oder durch Aufstellung des Andreaskreuzes ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer vorschreiben. Für Bahnübergänge von Straßenbahnen auf unabhängigem Bahnkörper gilt Satz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die Befugnis zur Anordnung der Maßnahmen der nach personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften zuständigen Technischen Aufsichtsbehörde des Straßenbahnunternehmens obliegt. Alle Gebote und Verbote sind durch Zeichen und Verkehrseinrichtungen nach dieser Verordnung anzuordnen.

(3) Im Übrigen bestimmen die Straßenverkehrsbehörden, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind, bei Straßennamensschildern nur darüber, wo diese so anzubringen sind, wie Zeichen 437 zeigt. Die Straßenbaubehörden legen – vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden – die Art der Anbringung und der Ausgestaltung, wie Übergröße, Beleuchtung fest; ob Leitpfosten anzubringen sind, bestimmen sie allein. Sie können auch – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Gefahrzeichen anbringen, wenn die Sicherheit des Verkehrs durch den Zustand der Straße gefährdet wird.

(4) Die genannten Behörden dürfen den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken; in dem Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 5 jedoch auch durch Anordnungen, die durch Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitungen oder auf andere Weise bekannt gegeben werden, sofern die Aufstellung von Verkehrszeichen und -einrichtungen nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist.

(5) Zur Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen und zu deren Betrieb einschließlich ihrer Beleuchtung ist der Baulastträger verpflichtet, sonst der Eigentümer der Straße. Das gilt auch für die von der Straßenverkehrsbehörde angeordnete Beleuchtung von Fußgängerüberwegen.

(6) Vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, müssen die Unternehmer – die Bauunternehmer unter Vorlage eines Verkehrszeichenplans – von der zuständigen Behörde Anordnungen nach den Absätzen 1 bis 3 darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr, auch bei teilweiser Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist, ferner ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen haben. Sie haben diese Anordnungen zu befolgen und Lichtzeichenanlagen zu bedienen.

(7) Sind Straßen als Vorfahrtstraßen oder als Verkehrsumleitungen gekennzeichnet, bedürfen Baumaßnahmen, durch welche die Fahrbahn eingeengt wird, der Zustimmung der Straßenverkehrsbehörde; ausgenommen sind die laufende Straßenunterhaltung sowie Notmaßnahmen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sich die Behörde nicht innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags zu der Maßnahme geäußert hat.

(7a) Die Besatzung von Fahrzeugen, die im Pannenhilfsdienst, bei Bergungsarbeiten und bei der Vorbereitung von Abschleppmaßnahmen eingesetzt wird, darf bei Gefahr im Verzug zur Eigensicherung, zur Absicherung des havarierten Fahrzeugs und zur Sicherung des übrigen Verkehrs an der Pannenstelle Leitkegel (Zeichen 610) aufstellen.

(8) Die Straßenverkehrsbehörden können innerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf bestimmten Straßen durch Zeichen 274 erhöhen. Außerhalb geschlossener Ortschaften können sie mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden die nach § 3 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe c zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 120 km/h anheben.

(9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Satz 3 gilt nicht für die Anordnung von

1.
Schutzstreifen für den Radverkehr (Zeichen 340),
2.
Fahrradstraßen (Zeichen 244.1),
3.
Sonderwegen außerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237, Zeichen 240, Zeichen 241) oder Radfahrstreifen innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237 in Verbindung mit Zeichen 295),
4.
Tempo 30-Zonen nach Absatz 1c,
5.
verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen nach Absatz 1d,
6.
innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Absatz 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern,
7.
Erprobungsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zweiter Halbsatz,
8.
Fahrradzonen nach Absatz 1i.
Satz 3 gilt ferner nicht für Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 Nummer 3 zur Beseitigung oder Abmilderung von erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen worden sind. Satz 3 gilt zudem nicht zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen nach Absatz 1f.

(10) Absatz 9 gilt nicht, soweit Verkehrszeichen angeordnet werden, die zur Förderung der Elektromobilität nach dem Elektromobilitätsgesetz oder zur Förderung des Carsharing nach dem Carsharinggesetz getroffen werden dürfen.

(11) Absatz 1 Satz 1 und 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 6, Absatz 1a, 1f, 2 Satz 1 und 4, Absatz 3, 4, 5 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1, Absatz 7 sowie Absatz 9 Satz 1 bis 3, 4 Nummer 7 und Satz 6 gelten entsprechend für mit den Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichnete Autobahnen in der Baulast des Bundes für das Fernstraßen-Bundesamt. Absatz 2 Satz 1 und 4 sowie Absatz 3, 4 und 7 gelten entsprechend für Bundesstraßen in Bundesverwaltung für das Fernstraßen-Bundesamt.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Größe von 130 ha in A. bewirtschaftet und seine Marktfrüchte in Kirchberg vermarktet, wendet sich gegen die Ausweisung der Bundesstraße 50 (B 50) als Kraftfahrstraße im Bereich zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West.

2

Am 16. April 2004 erließ der damalige Landesbetrieb Straßen und Verkehr Rheinland-Pfalz eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung, wonach die B 50 im Streckenbereich zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West als Kraftfahrstraße auszuweisen ist. Ende September 2004 erfolgte der Vollzug dieser straßenverkehrsbehördlichen Anordnung durch Aufstellen der Verkehrszeichen 331 der Straßenverkehrsordnung – StVO – alte Fassung (heute Anlage 3 Nr. 331.1 StVO). Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVO dürfen Kraftfahrstraßen nur mit Kraftfahrzeugen benutzt werden, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt. Der verfahrensgegenständliche Straßenabschnitt hat eine Länge von 22,25 km. Er ist Teil der Bundesstraße 50 und der Europastraße 42 und Bestandteil des Bundesfernstraßennetzes und des Transeuropäischen Straßennetzes TERN. Die Strecke verbindet die Bundesautobahn A 61 aus den Ballungsräumen und zentralen Orten Mannheim/Ludwigshafen sowie Mainz und Frankfurt mit dem Raum Trier und im Weiteren mit Luxemburg und Frankreich. Sie ist als Straßenzug mit maßgeblicher Verbindungsfunktion A I (großräumige Verbindungen) eingestuft.

3

Gegen die Ausweisung als Kraftfahrstraße legte der Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 Widerspruch ein. Wegen der Vielzahl der gegen die Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße eingelegten Widersprüche regte der Beklagte an, ein Musterverfahren zu benennen und die übrigen Verfahren ruhen zu lassen. Hiermit erklärte sich der Kläger einverstanden.

4

In dem so bezeichneten Musterverfahren wurde am 27. Mai 2005 Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hob mit Urteil vom 20. Oktober 2005 (6 K 963/05.KO) die straßenverkehrsrechtliche Anordnung vom 16. April 2004 zur Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße auf, soweit sie den westlichen Streckenabschnitt zwischen dem Kreuzungspunkt der B 50 mit der K 74 westlich von Büchenbeuren und dem Kreuzungspunkt der B 50 mit der B 421 nördlich von Kirchberg betrifft. Im Übrigen, das heißt für den Bereich zwischen Kirchberg und Simmern/Ost, wurde die Klage abgewiesen. In der Begründung heißt es, der Beklagte habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass von dem langsamen Verkehr auf der B 50 eine konkrete Unfallgefahr ausgehe. Die erheblichen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen schnell fahrenden PKW und dem langsamen, insbesondere dem landwirtschaftlichen Verkehr könne zu Auffahrunfällen führen. Außerdem bildeten sich in den zwei- und dreistreifigen Bereichen der Strecke häufig Kolonnen hinter langsamen Fahrzeugen, was einen erheblichen Überholdruck erzeuge. Auch hierdurch würden Unfälle provoziert. Aufgrund dessen habe die Kammer keine Zweifel daran, dass von dem langsamen Verkehr eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs auf der B 50 ausgehe. Das Verwaltungsgericht hielt die straßenverkehrsbehördliche Anordnung im westlichen Streckenabschnitt (Büchenbeuren – Kirchberg) deswegen für ermessensfehlerhaft und rechtswidrig, weil es für den landwirtschaftlichen Verkehr dort keine zumutbaren Ausweichstrecken gebe, mithin die Interessen des landwirtschaftlichen Verkehrs nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, und sie sich deshalb als unverhältnismäßig erweise.

5

Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hatte, legte der Beklagte Berufung ein. Nach Mitteilung des damals wie heute für das Straßenverkehrsrecht zuständigen 7. Senats des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, dass der Senat die Auffassungen des Verwaltungsgerichts zum Fehlen einer zumutbaren Ausweichmöglichkeit für den landwirtschaftlichen Verkehr zumindest für den Streckenabschnitt zwischen Sohren und Kirchberg teile, wurde das Verfahren zunächst zum Ruhen gebracht, um eine vom Senat vorgeschlagene vergleichsweise Regelung zu prüfen und entsprechende Vergleichsverhandlungen führen zu können. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2010 wurde das Verfahren wiederaufgenommen. In der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2011 führte der Senat zu den Alternativstrecken eine Ortsbesichtigung durch. Die erörterte Alternativstrecke bildete insoweit eine Umfahrung der B 50 im Norden, die im Wesentlichen über das öffentliche Straßennetz führt. Von A. kommend wird die B 327 bis zum Abzweig der K 77 in Richtung Lötzbeuren befahren. Nach etwa 400 m zweigt ein Wirtschaftsweg rechts ab in Richtung Koblenz; dieser wird bis zur Einmündung der K 79 auf die L 193 befahren. Von dort aus geht es weiter auf der L 193 nach Kappel und von dort auf die B 421 nach Kirchberg. Das Verfahren wurde schließlich von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt.

6

Das Widerspruchsverfahren des Klägers wurde wiederaufgenommen. Der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2011 mit der Begründung zurück, dass nunmehr eine zumutbare Ausweichstrecke für den westlichen Streckenabschnitt zur Verfügung stehe.

7

Mit der am 5. August 2011 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und unter Hinweis auf den landwirtschaftlichen Strukturwandel geltend gemacht, dass durch den Wegfall der Fahrmöglichkeit über die B 50 sein Betrieb wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt sei. Transportkosten und Zeiten seien existenzbeeinträchtigend gestiegen. Seine jährlichen Einbußen durch Mehrwege und Zeitverluste beliefen sich auf 5.000,00 bis 8.000,00 €. Auch zeige sich mittlerweile, dass die ursprünglichen Verkehrsprognosen bezüglich des Flughafens Frankfurt-Hahn unzutreffend gewesen seien.

8

Mit Urteil vom 13. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht die im Anschluss an die verkehrsrechtliche Anordnung vom 16. April 2004 angebrachten Verkehrszeichen Nr. 331.1 StVO und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2011 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die streitgegenständlichen Verkehrszeichen seien rechtwidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage in § 45 Abs. 1 und Abs. 9 StVO nicht gegeben. Die Vorschriften setzten für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sei und das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter, also Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum, erheblich übersteige. Der Beklagte habe seine Entscheidung vom 16. April 2004 zum damaligen Zeitpunkt zum einen mit dem Entstehen langer Fahrzeugkolonnen durch langsam fahrenden landwirtschaftlichen Verkehr und den hierdurch entstehenden Überholdruck auf der seinerzeit nur zwei- bzw. dreispurig ausgebauten Strecke begründet, der zu einem erhöhten Unfallaufkommen führe. Zum anderen habe er auf die hohen Geschwindigkeitsdifferenzen verwiesen, die zu Auffahrunfällen führten. Die Sachlage habe sich in der Zwischenzeit wesentlich geändert. Der Abschnitt der B 50 zwischen Büchenbeuren und Simmern sei mittlerweile durchgehend vierspurig mit – in der Breite streitigen – bituminös befestigten Seitenstreifen ausgebaut. Die ehemals einmündenden Wirtschaftswege seien sämtlich baulich derart verschlossen, dass eine Zufahrt auf die Bundesstraße nicht möglich sei. Zudem sei die Straße mit einer Mittelleitplanke versehen. Die im Zeitpunkt der Aufstellung der Verkehrszeichen erkannten Gefahrenquellen und angenommenen Unfallrisiken seien damit wesentlich entschärft. So sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es auch bei dem vierspurigen Ausbau der Straße zu langen Fahrzeugkolonnen aufgrund langsam fahrender Fahrzeuge kommen werde, da ein Überholen durch schnellere Fahrzeuge problemlos auf der linken Spur möglich bleibe. Gleiches gelte für die Gefahr eines Auffahrunfalls durch hohe Geschwindigkeitsdifferenzen, denn auch hier könnten schnell bzw. schneller anfahrende Fahrzeuge durchgehend auf die linke Spur ausweichen. Ohne die somit entschärften Gefahrenstellen bestünden für die Kammer keine weiteren Anhaltspunkte, die ein über das allgemeine Verkehrsrisiko hinausgehendes Risiko begründen könnten.

9

Hiergegen richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 13. April 2012 (7 A 10191/12.OVG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung des Beklagten. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor, es sei auch nach dem vierspurigen Ausbau der B 50 noch eine erhöhte Unfallgefahr wegen hoher Geschwindigkeitsdifferenzen bei Zulassung von langsamem Verkehr gegeben. Viele landwirtschaftliche Fahrzeuge führen im unteren Geschwindigkeitsbereich, also deutlich unter 40 km/h oder sogar 20 km/h. Die Kraftfahrer rechneten nicht mit solchen Verkehrssituationen, da die B 50 von ihrem Ausbauzustand her als autobahnähnlich wahrgenommen und als schnelle Verbindungsachse vom und zum Flughafen Frankfurt-Hahn von der Bundesautobahn A 61 her angesehen werde. Der Beklagte konkretisierte die zu befürchtende Gefahrenlage ergänzend unter Hinweis auf den Ausbauzustand und die Netzfunktion der B 50 im streitgegenständlichen Bereich. Die Freigabe der B 50 für alle Verkehrsteilnehmer stehe in direktem Widerspruch zur Einheit von Planung, Bau und Betrieb von Straßen, einem wesentlichen Grundsatz der Verkehrssicherheit, und trage damit das Potenzial für Straßenverkehrsunfälle in sich. Hinzu komme, dass gerade zur Vermeidung einer unnötigen Gefährdung von Straßennutzern der B 50 als Bestandteil des TERN-Netzes und in Umsetzung von EU-Vorschriften der langsame Verkehr ausgeschlossen worden sei. Die Planfeststellungsbeschlüsse für den zwischenzeitlich erfolgten Ausbau der B 50 enthielten keine förmliche Teileinziehung der B 50 im Abschnitt Simmern/Ost und Büchenbeuren/West zwecks Ausweisung als Kraftfahrstraße. Im Jahr 2006 sei entschieden worden, die formelle Abwicklung des straßenrechtlichen Teileinziehungsverfahrens bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens gegen die straßenverkehrsbehördliche Anordnung zur Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße abzuwarten. Die Zurückstellung sei unter dem Aspekt erfolgt, dass im Teileinziehungsverfahren vergleichbare Fragestellungen wie bei der streitbefangenen verkehrsbehördlichen Anordnung zu prüfen seien, insbesondere das Vorhandensein zumutbarer Ausweichstrecken.

10

In der mündlichen Verhandlung von 15. August 2012 (7 A 10467/12.OVG) wurde auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet, nachdem der Beklagte erklärte, ein straßenrechtliches Teileinziehungsverfahren durchzuführen und dem Kläger vorübergehend eine Ausnahmegenehmigung zur Nutzung der B 50 zugesichert wurde.

11

Das Teileinziehungsverfahren nach § 2 Abs. 4 Fernstraßengesetz wurde eingeleitet; die Allgemeinverfügung der Teileinziehung wurde im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz vom 15. September 2014 bekannt gemacht. Dagegen wurde ebenfalls Widerspruch erhoben.

12

Auf Antrag des Klägers wurde das Berufungsverfahren wiederaufgenommen. Der Beklagte trägt vor, dass seit der Fertigstellung des vierspurigen Ausbaus der B 50 mehrere Unfallhäufungsstellen bekannt geworden seien, die auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen seien. Bei den regelmäßig durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen seien gefahrene Höchstgeschwindigkeiten von über 200 km/h keine Seltenheit. 175 Fahrverbote seien aufgrund der Geschwindigkeitsmessungen im Jahr 2012 ausgesprochen worden, das heißt die Verkehrsteilnehmer waren mit mindestens 41 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit unterwegs. Dies belege, dass bei einer Zulassung von langsam fahrendem Verkehr auf der ausgebauten B 50 durch die tatsächlich vorhandenen erheblichen Geschwindigkeitsunterschiede der unterschiedlichen Verkehrsarten eine gesteigerte Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorliege. Die Unfallsituation hinsichtlich des verdrängten langsamen landwirtschaftlichen Verkehrs auf den Ausweichrouten sei unauffällig. Diesbezüglich seien keine Störungen oder Beschwerden von Anwohnern bzw. anderen Verkehrsteilnehmern bekannt geworden. Da die Ausweichstrecken geeignet sowie zumutbar seien, wie das Musterverfahren gezeigt habe, sei die angegriffene verkehrsbehördliche Anordnung vom 16. April 2004 weiterhin rechtmäßig. Dem könne insbesondere nicht entgegen gehalten werden, dass – obschon Ausnahmegenehmigungen erteilt worden seien – in den vergangenen Jahren keine Unfallhäufung unter Beteiligung von langsamem landwirtschaftlichem Verkehr festzustellen gewesen sei. Denn insoweit sei zu berücksichtigen, dass mit den zwei erteilten Ausnahmegenehmigungen nur wenige, leistungsstarke Fahrzeuge zugelassen worden seien und das auch nur zwischen der Anschlussstelle Büchenbeuren/West und dem Kreuzungspunkt der B 50 mit der B 421 nördlich von Kirchberg. Es bleibe dabei, dass der vierspurige Ausbau vom Autofahrer als autobahnähnlich wahrgenommen werde und zu einem entsprechenden Fahrverhalten führe. Der durchschnittliche Autofahrer rechne hier nicht mit langsam fahrenden Fahrzeugen.

13

Der Beklagte beantragt,

14

das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seinen bisherigen Vortrag und macht sich die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu Eigen. Entgegen der Annahme des Beklagten sei die Verkehrssicherheit durch den Ausbau der B 50 im streitgegenständlichen Abschnitt sogar wesentlich gesteigert worden. Auch hätten sich die Differenzgeschwindigkeiten zum vorherigen Ausbauzustand nicht erheblich verändert. Die Fahrbahnen der ausgebauten B 50 seien sehr übersichtlich und über weite Entfernungen einsehbar. Langsam fahrende Fahrzeuge seien überall rechtzeitig zu erkennen, sodass keine Gefahrenlage bestehe. Gefährliche Überholmanöver durch die Benutzung der Gegenfahrbahn – insbesondere durch Lkw – seien jetzt ausgeschlossen. Kern der Klage sei, dass ein wirtschaftlich bedeutsamer Zweig der Volkswirtschaft von dem Jedermannsrecht der Straßenbenutzung ausgeschlossen werde, ohne dass geeignete und zumutbare Straßen als Ersatz zur Verfügung stünden. Soweit der Beklagte auf die Bedeutung der Straße als europäische Achse hinweise, sprächen die Verkehrszahlen eine andere Sprache. Die Straße werde derzeit mit 20 % ihrer Kapazität genutzt. Er, der Kläger, habe auch Einwendungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens vorgebracht und sei dort auf das Verfahren zur Ausweisung der Kraftfahrstraße verwiesen worden. Im Verfahren betreffend die Ausweisung als Kraftfahrstraße berufe sich der Beklagte nun darauf, dass der planfestgestellte Ausbau die Ausweisung als Kraftfahrstraße bedinge. Dies sei widersprüchlich und zeige den Ermessensausfall sowohl im Bereich der Planfeststellung als auch bei der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung auf. Der Beklagte habe sich in keinem der beiden Verfahren für die Belange der betroffenen Bürger, Gemeinden und Unternehmen interessiert. Seit August 2012 dürften auf Grundlage der erteilten Ausnahmegenehmigungen über 1.000 Fahrten mit landwirtschaftlichen Zügen auf der ausgebauten B 50 stattgefunden haben. Dabei habe sich das Befahren als völlig unproblematisch und spannungsfrei erwiesen. Obwohl der Beklagte keinerlei Hinweisschilder wegen des langsam fahrenden Verkehrs aufgestellt habe, bestätige sich seine Einschätzung, dass die Teilnahme der langsam fahrenden landwirtschaftlichen Fahrzeuge für den schneller fahrenden Verkehr keine Gefährdung beinhalte. Für die Fahrt von Rheinböllen bis Büchenbeuren über die vom Beklagten ausgewiesenen Ausweich- bzw. Alternativstrecken benötige man mit dem Traktor mit angehängten Silierwagen ca. 90 Minuten. Die Rückfahrt über die ausgebaute B 50 habe mit demselben Gespann ca. 30 Minuten gedauert. Bei dieser anlässlich eines Ortstermins im Februar 2014 durchgeführten Befahrung hätten sich alle Teilnehmer von der Gefahrlosigkeit der Benutzung der B 50 einerseits sowie von der völlig unzumutbaren Umwegstrecke über die anderen Straßen und Wege mit den Ortsdurchfahrten andererseits überzeugen können. Es habe sich eine deutlich erhöhte Gefährdung der Verkehrsteilnehmer und Bewohner bei Nutzung der Ausweichroute gezeigt.

18

Mit Beschluss vom 8. Juli 2015 hat der Senat durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben zu der Frage, inwieweit die Zulassung von langsam fahrenden – vor allem landwirtschaftlichen – Fahrzeugen mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h auf der Bundesstraße B 50 im Abschnitt zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse zu einer Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs durch eine erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit führen würde, insbesondere durch Entstehen eines Überholdrucks oder angesichts großer Geschwindigkeitsdifferenzen. Als Gutachter wurde Universitätsprofessor Dr.-Ing. M. (D.) bestimmt. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten am 27. Januar 2016 erstattet, in der mündlichen Verhandlung erörtert und an ihn gerichtete Fragen beantwortet. Wegen des Inhalts wird insoweit auf das schriftliche Gutachten vom 27. Januar 2016 und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. August 2016 verwiesen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten des Verfahrens 6 K 963/05.KO (7 A 11188/10.OVG) Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

20

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße im Bereich zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West ist rechtmäßig. Die Anfechtungsklage des Klägers war deshalb unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

21

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind verkehrsbezogene Ge- und Verbote in Form von Verkehrszeichen regelmäßig Dauerverwaltungsakte (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 – 3 C 15.03 –, juris, Rn. 16 m.w.N.). Maßgeblich für den Erfolg der gegen einen Dauerverwaltungsakt gerichteten Klage ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 21 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.).

22

Rechtsgrundlage der angegriffenen verkehrsrechtlichen Anordnung ist § 45 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 9 der Straßenverkehrsordnung – StVO –. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Nach Satz 2, der insoweit Satz 1 verdrängt, dürfen – abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen – Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter – also etwa der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs – erheblich übersteigt. Mithin setzt § 45 Abs. 1 StVO i.V.m. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO für die Ausweisung einer Kraftfahrstraße, die durch ihren Ausschluss von Fahrzeugen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 km/h (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 StVO) eine Beschränkung bzw. Verbote des fließenden Verkehrs begründet, eine Gefahrenlage voraus, die – erstens – auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und – zweitens – das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigt.

23

Besondere örtliche Verhältnisse in diesem Sinne können unter anderem der Ausbauzustand, die Streckenführung, die Verkehrsbelastung oder der Anteil des Schwerverkehrs sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 26 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.).

24

Eine das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigende Gefahrenlage besteht nicht erst dann, wenn alsbald mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermehrt Schadensfälle eintreten würden. Denn unter Berücksichtigung, dass es im Zusammenhang mit der auch vorliegend betroffenen Unfallvermeidung um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben geht, ist nach allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts ein behördliches Einschreiten bereits bei geringeren Wahrscheinlichkeiten des Schadenseintritts zulässig und geboten. Mithin fordert § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die Vorschrift setzt vielmehr nur – aber immerhin – eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 27 = BVerwGE 138, 21).

25

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vor, folgt aus § 45 Abs. 1 StVO, der von Absatz 9 modifiziert, nicht aber verdrängt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 24 = BVerwGE 138, 21), dass auch Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 StVO im Ermessen der zuständigen Behörden stehen. Soweit es um die Auswahl der Mittel geht, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 35 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.).

26

2. Nach diesen Maßstäben begründete die Zulassung von Fahrzeugen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 km/h auf dem streitbefangenen Streckenabschnitt der B 50 zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West eine konkrete Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigt und auf den besonderen örtlichen Verhältnissen beruht (a). Die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, dieser Gefahrenlage durch die Ausweisung als Kraftfahrstraße zu begegnen und damit den langsamen Verkehr von der Nutzung des betroffenen Streckenabschnitts der B 50 auszuschließen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 StVO), ist frei von Ermessensfehlern (b).

27

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Einholung des am 27. Januar 2016 schriftlich erstatteten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Gutachtens des Sachverständigen Universitätsprofessor Dr.-Ing. M. (D.) – im Folgenden: Gutachten – steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass die Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse zu einer erheblichen Steigerung der Unfallgefahren und damit zu einer – insbesondere auch qualitativ – das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigenden konkreten Gefahrenlage führen würde.

28

Die besonderen örtlichen Verhältnisse des streitbefangenen Abschnitts der B 50 zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West werden im vorliegenden Zusammenhang vor allem durch den Ausbauzustand bestimmt. Der relevante Straßenzug der B 50 ist nach dem Regelquerschnitt RQ 26 ausgebaut, d.h. bei einer Kronenbreite von 26 m weisen die beiden Fahrstreifen für jede Richtung eine Breite von je 3,50 m und die Standstreifen je Fahrrichtung eine Breite von 2,00 m auf (vgl. dazu Gutachten S. 5 f.); die verbleibende Breite verteilt sich auf die Bankette, die Seitenstreifen und den Mittelstreifen mit Mittelleitplanke. Zu beachten ist allerdings, dass an mehreren Stellen auf begrenzter Länge der Standstreifen nicht oder nicht in der beschriebenen Breite vorhanden ist. Der aus der Anlage von Bundesautobahnen hier für eine Landstraße entliehene Querschnitt RQ 26 ist – ohne dass es darauf bei der hier vorzunehmenden straßenverkehrsrechtlichen Beurteilung ankäme – nach Angaben des Sachverständigen zwar nicht weit verbreitet, aber unter Berücksichtigung der Richtlinien für die Anlage von Landstraßen – RAL – und der Verbindungsfunktion des Straßenabschnitts vorliegend richtlinienkonform (vgl. Gutachten S. 5).

29

Mithin weist die B 50 im Abschnitt zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West einen autobahnähnlichen Ausbauzustand auf. Ebenso wie eine Bundesautobahn, die den „Charakter einer innerstädtischen Schnellstraße“ angenommen hat, besondere örtliche Verhältnisse im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO darstellen und Grund für eine erhöhte Unfallgefahr sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 – 7 C 46.78 –, juris, Rn. 28 = BVerwGE 59, 221), kann auch umgekehrt die autobahnähnlich wahrgenommene Landstraße besondere örtliche Verhältnisse begründen, aufgrund derer – wie hier – eine von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorausgesetzte Gefahrenlage hervorgerufen wird. Der autobahnähnliche Ausbauzustand zieht es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der „Einheit von Bau und Betrieb“ und gestützt auf die gutachterliche Prognose des Sachverständigen zu den Auswirkungen einer Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr auf dieser Straße zur Überzeugung des Senats nach sich, dass die Zulassung eine erhebliche, über dem allgemeinen Risiko einer Beeinträchtigung liegende Gefahrenlage begründen würde. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:

30

Der Sachverständige, Universitätsprofessor Dr.-Ing. M., kommt in seinem nachvollziehbaren, schlüssigen und überzeugenden Gutachten zu dem Ergebnis, dass „[e]ine Veränderung sicherheitsrelevanter Parameter wie der Zulassung deutlich langsamer Fahrzeuge […] zu einer spür- und messbaren Verschlechterung der Verkehrssicherheit führen [wird]. Vor allem Unfälle mit schweren Folgen werden wegen der großen Geschwindigkeitsunterschiede häufiger auftreten als bisher“ (Gutachten S. 22).

31

Diese Folgerung leitet der Sachverständige zunächst aus einer qualitativen Analyse der Unfallabläufe auf der streitbefangenen Strecke ab, die er – nachdem die Freigabe der Strecke im aktuellen Ausbauzustand im Jahr 2011 erfolgte – für den Zeitraum 2012 bis 2014 durchgeführt hat (vgl. zu den Einzelheiten Gutachten S. 14 f.). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Analyse der Unfallabläufe auf dem betroffenen Streckenabschnitt die B 50 als ausgewiesene Kraftfahrstraße zum Gegenstand hatte, mithin – abgesehen von zwei erteilten Ausnahmegenehmigungen – eine Verkehrssituation ohne Beteiligung von deutlich langsameren, insbesondere landwirtschaftlichen Fahrzeugen als dem regulären Schwerverkehr (zu dessen Geschwindigkeitsstreubreite siehe unten) ausgewertet worden ist. Die Analyse hat gezeigt, „dass die Unfälle mit Personenschaden in vielen Fällen mit Fahrstreifenwechseln einerseits und dem Auftreten langsamer (Schwerverkehrs-)Fahrzeuge andererseits zu tun haben“ (Gutachten S. 23). Der Sachverständige hat Anlass und Grundlagen seiner qualitativen Analysen in der mündlichen Verhandlung weiter erläutert. Dabei hat er unter anderem nachvollziehbar erklärt, dass aufgrund des seltenen Ereignisses Verkehrsunfall eine quantitative Auswertung aufgrund der mathematischen Streuungen nicht aussagekräftig wäre (vgl. Niederschrift vom 25. August 2016, S. 5 f. – im Folgenden: Niederschrift – und Gutachten S. 15), aber „Charakteristika des Unfallgeschehens […] Hinweise auf Gefahren geben [können], die mit der Örtlichkeit und dem Verkehrsgeschehen in Zusammenhang zu bringen sind“ (Niederschrift S. 6).

32

Ausgehend von diesen qualitativen Aussagen, die „lediglich ein grobkörniges Bild [ergeben], mit dem aber ein Trend zur Profilierung der ansonsten amorphen Struktur der Unfallabläufe möglich ist“ (Gutachten S. 15; vgl. auch Niederschrift S. 6), leitet der Sachverständige sodann unter Einbeziehung weiterer Faktoren die von ihm angenommene spür- und messbare Verschlechterung der Verkehrssicherheit (Gutachten S. 22) bei einer Zulassung langsam fahrender – vor allem landwirtschaftlicher – Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h ab.

33

Die weiteren Faktoren umfassen – nachdem die qualitative Unfallanalyse Überholvorgänge mit Fahrstreifenwechsel und diese weiter in Zusammenhang mit dem Überholen von (Schwerverkehrs-)Fahrzeugen als maßgeblichen Risikofaktor identifiziert hat – Bedeutung und Auswirkungen anzutreffender Geschwindigkeitsdifferenzen (Gutachten S. 19 f.). Neben allgemeinen Erläuterungen zum Zusammenhang zwischen Geschwindigkeitsverteilung und Überholbedarf (Gutachten S. 15 f.) hat der Sachverständige mithilfe eigener Messungen auf dem relevanten Abschnitt eine Streubreite der gefahrenen Geschwindigkeiten für den Pkw-Verkehr zwischen 96 und 136 km/h und für den Schwerverkehr (einschließlich der Busse) einen Geschwindigkeitsbereich zwischen 76 und 97 km/h ermittelt (Gutachten S. 19). Nach Einschätzung des Sachverständigen führen diese aktuell auf der als Kraftfahrstraße ausgewiesenen B 50 anzutreffenden Geschwindigkeitsunterschiede „zu Überholvorgängen, die unter Nutzung beider Fahrstreifen meist problemlos durchgeführt werden können“ (Gutachten S. 19). Diese Einschätzung korrespondiert mit der Analyse und Auswertung des aktuell – also ohne die Nutzung durch langsame, insbesondere landwirtschaftliche Fahrzeuge – ermittelten (guten) Sicherheitsgrades des betroffenen Streckenabschnitts (vgl. Gutachten S. 11 ff.).

34

Die Zulassung landwirtschaftlicher Fahrzeuge mit einem Geschwindigkeitsbereich von 40 bis 60 km/h würde – so der Sachverständige – deutlich außerhalb der aktuell anzutreffenden Streubereiche auf der vierstreifigen Straße liegen (Gutachten S. 19). Die weitere Ausdehnung der Geschwindigkeitsverteilung von bisher 76 und 136 km/h, die bereits „sehr groß“ sei (Gutachten S. 19), auf eine Streubreite zwischen 40 und 136 km/h führte zum einen zu einer Vergrößerung der anzutreffenden Geschwindigkeitsdifferenzen, die ihrerseits in Zusammenhang mit Unfallzahlen und Unfallschwere zu setzten seien. Hierzu heißt es im Gutachten (S. 17): „Es gibt aber Belege in der Literatur zum Zusammenhang mit den Kennwerten der Geschwindigkeitsstreuung: Auch die Wirkung von Streckenbeeinflussungsanlagen auf Autobahnen unterstreicht diesen Effekt, denn sie vermindern die Geschwindigkeitsunterschiede (durch Rückgang in den Spitzen) und verbessern nachweislich die Sicherheit in Zahl und Schwere (…).“ Zum anderen zieht eine Vergrößerung der Geschwindigkeitsstreuung einen steigenden Überholbedarf nach sich, der die (weitere) Besonderheit aufweist, dass nunmehr auch vermehrt die Notwendigkeit der Überholungen für den sonstigen Schwerverkehr ausgelöst wird: „Lastwagen und Lastzüge fahren bislang mit recht gleichmäßigem Tempo (siehe Streubereiche der Messergebnisse) und müssen nur selten andere Schwerfahrzeuge überholen. Dies ändert sich durch Fahrzeuge mit deutlich langsamerer Geschwindigkeit. Dann bewegen sich Lkw auf dem linken Fahrstreifen, was wiederum zu Risiken für den schnelleren Pkw-Verkehr bei der Annäherung führt“ (Gutachten S. 17). Der Sachverständige erwartet ausgehend von der durch ihn ermittelten Verkehrsdichte auf dem betroffenen Streckenabschnitt von 17.000 Kfz/24h und einen Schwerverkehrsanteil von 11 % (vgl. Gutachten S. 12) bei überschlägiger Betrachtung, die er in der mündlichen Verhandlung als „konservativ vorsichtige Abschätzung“ klassifiziert hat (Niederschrift, S. 8), bei einer Durchfahrt von nur einem landwirtschaftlichen Fahrzeug mit 60 km/h in einer Fahrtrichtung auf der gesamten Streckenlänge von ca. 20 Kilometer eine (zusätzliche) Anzahl von 270 Überholvorgängen durch Pkw (mit 100 km/h) und 25 Überholvorgängen durch Lkw (mit 80 km/h) in einer durchschnittlich belasteten Stunde (Gutachten S. 16). Diese Anzahlen erhöhen sich in Spitzenstunden und bei höheren Geschwindigkeitsannahmen für die Pkw bis auf 750 Pkw-Überholungen und 60 Lkw-Überholungen auf einer Durchfahrt des landwirtschaftlichen Fahrzeugs mit 60 km/h. Die Zahlen werden noch größer, wenn das landwirtschaftliche Fahrzeug mit 40 km/h unterwegs ist (Gutachten S. 16) oder mehr landwirtschaftliche Fahrzeuge die Strecke befahren.

35

Hinzu kommt, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge mit bauartbedingten Geschwindigkeiten deutlich außerhalb der gewohnten Geschwindigkeitsbereiche – auch unterhalb derjenigen von anderem Schwerverkehr – unterwegs sein werden. Dies hat zur Folge, dass sie besonders unerwartete Situationen darstellen (Gutachten S. 17). Hier zeigt sich die Bedeutung des auch sachverständigenseits erläuterten Grundsatzes der „Einheit von Bau und Betrieb“ und dessen Zusammenhang zur Frage einer erhöhten Unfallwahrscheinlichkeit. Dazu hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt:

36

„Unfälle sind keine Folge kausal vorbedingter Voraussetzungen, sondern sie treten aufgrund menschlicher Fehlleistungen bei komplexen Entscheidungsprozessen glücklicherweise relativ selten auf. Wir können sie also nicht in Form deterministischer Zusammenhänge präzise vorhersagen, sondern wir erarbeiten Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von menschlichem Fehlverhalten. Die Straßenverkehrstechnik analysiert Gründe, die aus den technischen Gegebenheiten dieses Fehlverhalten begünstigen können und leitet daraus Maßnahmen ab, mit denen das Fehlverhalten vermindert mit der Zielsetzung vermieden werden kann. […]“ (Niederschrift S. 4).

37

„Diese [Unfall-]Risiken stehen im Zusammenhang mit der nicht völligen Fehlerfreiheit menschlicher Entscheidungen. Wir wissen aus der Wahrnehmungspsychologie und Informationsverarbeitung, dass die Fehlerbehaftung von menschlichen Entscheidungen neben vielen anderen Randbedingungen beeinflusst wird davon, wie neu oder fremd der Vorgang ist. Die Informationsverarbeitung kennt den Begriff der Heuristik, die sagt, dass der Mensch in der Lage ist, in komplexen Situationen gute Entscheidungen zu treffen aufgrund von Erfahrung, d.h. den Vergleich mit ähnlichen Situationen, die positiv bewältigt wurden. Wenn die Randbedingungen gestört sind, ist die Fehleranfälligkeit größer. Das ist der Kern des Gedankens von 'Einheit von Bau und Betrieb'. Wenn also auf einer Straßenverkehrsanlage eine Situation eintritt, die der Kraftfahrer aufgrund der Gesamterscheinung dieser Verkehrsanlage schon häufig vorgefunden hat, dann sind menschliche Verhaltensweisen in aller Regel sicher. Wenn eine unerwartete Situation eintritt, bedarf es größerer mentaler Anstrengungen, die nicht in allen Fällen zu einem fehlerfreien Ergebnis führen. […]“ (Niederschrift S. 6).

38

Diese inhaltlich nicht in Frage zu stellenden Zusammenhänge zeigen anschaulich, dass es vorliegend nicht darum geht, mit einem allgemein steigenden Überholbedarf und den allgemeinen Gefahren des Überholens bzw. des dafür erforderlichen Fahrstreifenwechsels eine Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zu begründen. Insoweit würde es sowohl an einer in den besonderen örtlichen Verhältnissen beruhenden als auch einer das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung übersteigenden Gefahrenlage fehlen.

39

Vielmehr handelt es sich zwar im Ausgangspunkt durchaus um verallgemeinerungsfähige Zusammenhänge. Diese begründen jedoch – wie dargelegt – gerade bezogen auf den streitgegenständlichen Streckenabschnitt der B 50 bei Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr eine erhebliche, über dem allgemeinen Risiko einer Beeinträchtigung liegende Gefahrenlage gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO. Gerade der die besonderen örtlichen Verhältnisse prägende autobahnähnliche Ausbauzustand der B 50 zieht es nach sich, dass bei Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr erhebliche Geschwindigkeitsdifferenzen auftreten, die einerseits überraschende Ereignisse darstellen, damit dem Grundsatz der Einheit von Bau und Betrieb widersprechen und deshalb die Fehleranfälligkeit und dadurch die Unfallwahrscheinlichkeit steigern. Gleichzeit verursachen größere Geschwindigkeitsdifferenzen neben dem dadurch ausgelösten zusätzlichen Überholbedarf eine steigende Unfallschwere.

40

Auch wenn es für die – nach sorgfältiger Prüfung der Verkehrssituation bzw. der zu prognostizierten Veränderung – bejahte konkrete Gefahrenlage keiner Ermittlung eines Unfallhäufigkeits-Prozentsatzes bedarf und auch vertiefte Ermittlungen zur Frage nicht erforderlich sind, wie hoch konkret der Anteil an feststellbaren bzw. zu erwartenden Unfällen im Zusammenhang mit der von der Straßenverkehrsbehörde identifizierten Gefahr ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. April 2001 – 3 C 23.00 –, juris, Rn. 28), hat der Sachverständige hier eine entsprechende Prognose abgegeben, die sich der Senat zu Eigen macht. Gestützt auf eine vorsichtige und konservative Schätzung geht der Sachverständige von einer Verdoppelung der bisherigen Überholvorgänge von Schwerverkehr aus und hat unter den beschriebenen Randbedingungen abgeleitet, dass sich die Unfälle, die sich jetzt beim Überholen von Schwerverkehrsfahrzeugen ereignen, möglicherweise in gleicher Zahl, wahrscheinlich aber in höherer Schwere wegen der größeren Geschwindigkeitsunterschiede zusätzlich ereignen werden. Damit – so der Sachverständige – würde sich der aktuell vorhandene (gute) Sicherheitsgrad der B 50 im maßgeblichen Abschnitt – abgebildet durch die Unfallkostenrate (UKR), die als Kennzahl sowohl die Unfallhäufigkeit als auch die Unfallschwere abbildet (dazu im Einzelnen Gutachten S. 11 ff.) – um 20 % verschlechtern (Niederschrift S. 8 und S. 11). Diese bei Zulassung von langsam fahrenden – vor allem landwirtschaftlichen – Fahrzeugen mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h begründete Steigerung der auch qualitativ gewichteten Unfallgefahren um 20 % übersteigt – wie von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorausgesetzt – das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich.

41

Der Einwand des Klägers, bei den seit dem Jahr 2012 inzwischen weit über 1.000 mit Ausnahmegenehmigungen durchgeführten Fahrten mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen hätten sich die gutachterlich beschriebenen Gefahren nicht verwirklicht, vielmehr sei alles spannungsfrei verlaufen, zieht die überzeugenden Folgerungen des Sachverständigen nicht in Zweifel. Hierzu hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Gesamtfahrleistung auf der Strecke von 140 Millionen Fahrzeugkilometer pro Jahr in beide Richtungen ausgeführt, dass sich bei 1.000 Fahrten pro Jahr (Anmerkung: Nach dem Vorbringen des Klägers ging es um mehr als 1.000 Fahrten in mehr als zwei Jahren) ein Anteil von landwirtschaftlichem Verkehr unterhalb eines Zehntel-Promille-Bereichs der gesamten Fahrleistung errechne und sich deshalb selbst extrem hohe Risikowerte solcher Fahrten kaum sichtbar in der Bilanz niederschlagen (Niederschrift S. 11 f.). Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte nur Ausnahmegenehmigungen für Fahrzeuge und Gespanne erteilt hat, die eine Mindestgeschwindigkeit von 40 km/h erreichen. Bei einer generellen Zulassung des landwirtschaftlichen Verkehrs würden voraussichtlich auch (noch) langsamere Fahrzeuge hinzukommen, die die oben beschriebene Gefahrenlage nochmals verschärfen würden. Allein der Umstand, dass bei den bisherigen (wenigen) Fahrten nichts passiert ist, kann bei der hier vorzunehmenden Gefahrenprognose kein Kriterium sein. Alles andere liefe darauf hinaus, auf dem streitigen Straßenabschnitt einen „Feldversuch“ der Art durchzuführen, langsamen – insbesondere landwirtschaftlichen – Verkehr zuzulassen, um die daraus resultierende Unfallentwicklung zu analysieren. Angesichts der handgreiflichen Gefahrenlage darf dem Beklagten die Verantwortung hierfür nicht aufgebürdet werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. April 2001 – 3 C 23.00 –, juris, Rn. 28).

42

Der Senat hat weiter keinen Anlass, die Grundlagen bzw. die Grundannahmen des Gutachtens anzuzweifeln. Dies gilt im Besonderen für die qualitative Unfallanalyse des Sachverständigen, die angesichts des seltenen Ereignisses Verkehrsunfall und des dadurch begründeten Wegfalls einer quantitativen Auswertungsmöglichkeit (vgl. Gutachten S. 14 f.) nicht zu beanstanden ist. Der Sachverständige hat dies im weiteren Gutachten berücksichtigt und aus der qualitativen Unfallanalyse, die ein „grobkörniges Bild“ liefert, einen erkennbaren „Trend zur Profilierung der ansonsten amorphen Struktur der Unfallabläufe“ entnommen (vgl. Gutachten S. 15).

43

Schließlich leidet das Gutachten auch nicht darunter, dass der Sachverständige keine Erkenntnisse und Erfahrungen von anderen Autobahnen oder Kraftfahrstraßen in die Betrachtung einbezogen hat, auf denen landwirtschaftlicher Verkehr in Ausnahmeteilstücken zugelassen ist. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass andere Strecken bezüglich ihrer Rahmenbedingungen (generelle Tempo-limits, Erscheinungsbild, Netzbedeutung, Verkehrsbelastung, Länge des Abschnitts) sehr unterschiedlich seien und es deshalb seines Wissens nach keine aussagefähigen Untersuchungen dieser Einzelfälle gebe, die er als Vergleich hätte heranziehen können (vgl. Niederschrift S. 12).

44

b) Die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, der prognostizierten Gefahrenlage durch die Ausweisung einer Kraftfahrstraße zu begegnen und damit den langsamen Verkehr von der Nutzung des betroffenen Streckenabschnitts der B 50 auszuschließen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 StVO), ist frei von Ermessensfehlern.

45

Im Rahmen der Ermessensausübung waren die beteiligten öffentlichen und privaten Interessen umfassend gegeneinander abzuwägen. Allerdings war die Behörde nicht verpflichtet, das potenzielle Interesse jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers zu beachten. Abwägungserheblich sind vielmehr nur qualifizierte Interessen Privater, also solche Interessen, die erheblich, schutzwürdig und für die Straßenverkehrsbehörde erkennbar sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 – 11 C 3.92 –, juris, Rn. 23 = BVerwGE 92, 32 unter Verweis auf Manssen, NZV 1992, S. 465 [469 f.]; auch König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 45 StVO Rn. 28a m.w.N).

46

Soweit danach auf Seiten des Klägers insbesondere die Verkehrsbedürfnisse einzustellen sind, die ein landwirtschaftlicher Betrieb begründet, indem die gewonnenen Erzeugnisse zur nächstgelegenen landwirtschaftlichen Annahmestelle verbracht werden müssen, ist es angesichts des Bestehens zumutbarer Ausweichstrecken nicht ermessenfehlerhaft, den landwirtschaftlichen Verkehr von der Nutzung der B 50 im streitgegenständlichen Abschnitt durch die Ausweisung als Kraftfahrstraße auszuschließen und der Sicherheit des Verkehrs den Vorrang einzuräumen.

47

Nachdem bereits im vorangegangenen Musterverfahren letztlich allein die Zumutbarkeit der Ausweichroute im Bereich zwischen Büchenbeuren/West und Kirchberg problematisiert worden war, während die Zumutbarkeit der Umfahrung für den Abschnitt zwischen Kirchberg und Simmern/Ost vom Verwaltungsgericht im Musterverfahren bejaht und weder seinerzeit von den dortigen Kläger angegriffen worden ist noch im vorliegenden Verfahren auch nur ansatzweise in Frage gestellt wird, gibt es für den Senat weder Anhaltspunkte noch Anlass, die Zumutbarkeit der Ausweichroute zwischen Kirchberg und Simmern/Ost in Frage zu stellen.

48

Für den Bereich zwischen Büchenbeuren/West und Kirchberg, der auch konkret für den Kläger von Interesse ist, ist nunmehr mit der in der Berufungsinstanz des Musterverfahrens eingerichteten Strecke nördlich der B 50 ebenfalls eine zumutbare Alternativroute vorhanden: Von Osten kommend wird die B 327 am Abzweig der K 77 bzw. K 137 nördlich in Richtung Lötzbeuren verlassen. Nach etwa 400 m zweigt ein Wirtschaftsweg rechts ab in Richtung Koblenz, der im Westen des Flughafens Frankfurt-Hahn nach Norden führt und alsbald auf die L 193 trifft. Von dort aus geht es auf der L 193 weiter in nordöstlicher Richtung nach Kappel und von dort auf die B 421 Richtung Süden nach Kirchberg. Diese Alternativroute führt weitgehend über öffentliche Straße und verläuft lediglich im Bereich zwischen der K 137 und der L 193 entlang des Flughafens auf einer Länge von etwa 2,2 km über einen Wirtschaftsweg.

49

Der in der mündlichen Verhandlung durch den Kläger erhobene und mit Fotoaufnahmen untermauerte Einwand zur (Nicht-)Nutzbarkeit des vorgenannten Wirtschaftsweges, mit dem er geltend macht, der Weg weise erhebliche Schlaglöcher auf, die nur in Schrittgeschwindigkeit zu durchfahren seien, und der Weg sei zum Teil seitlich auch so stark eingewachsen, dass die landwirtschaftlichen Fahrzeuge kaum ohne Kontakt durchkämen, steht der Zumutbarkeit einer Nutzung der nördlichen Umfahrung nicht entgegen. So besteht für den genannten Wirtschaftsweg eine Vereinbarung zwischen dem Landesbetrieb Mobilität, der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH – FFHG –, dem Landkreis Cochem-Zell und der Ortsgemeinde Lötzbeuren, der zufolge die FFHG einen dort näher bezeichneten Ausbau sowie die Unterhaltung des Wirtschaftsweges übernimmt (vgl. Bl. 604 ff. der Gerichtsakte im Musterverfahren 6 K 963/05.KO). Es wird auch eine Nachfolgeregelung für diese Verpflichtungen sowie eine Ausfallhaftung des Landes Rheinland-Pfalz bestimmt. Mithin ist rechtlich gewährleistet, dass der benannte Wirtschaftsweg, der Teil einer ansonsten über öffentliche Straßen verlaufenden Alternativroute ist, in einem für eine zumutbare Nutzung erforderlichen Zustand erhalten wird. Soweit der Kläger den tatsächlichen Zustand des Wirtschaftsweges angreift, hat die Vertreterin des Beklagten unter Hinweis auf die bestehende Unterhaltungslast der FFHG angegeben, sich sofort mit der unterhaltungspflichtigen Gesellschaft in Verbindung zu setzen, um die beklagten Zustände zu verbessern (vgl. Niederschrift S. 15 f.). Anhaltspunkte dafür, dass trotz geltend gemachter Beanstandungen keine Abhilfe erfolgt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für einen systemisch bedingt schlechten Zustand der Ausweichstrecke im Bereich des Wirtschaftsweges, der die Zumutbarkeit der Route selbst in Zweifel ziehen könnte.

50

Auch hinsichtlich der übrigen Parameter stellt sich die Ausweichstrecke nördlich der B 50 nicht als unzumutbar dar. Im überregionalen Bereich kann von vornherein auch mit Blick auf die landwirtschaftlichen Belange erwartet werden, dass gegebenenfalls Umwege und Behinderungen in Kauf genommen werden oder aber von für das Straßennetz geeigneten Fahrzeugen Gebrauch gemacht wird (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. September 2005 – 7 B 11119/05.OVG –). Bezogen auf die zurückzulegende Strecke sind zwischen der Abfahrt von der B 327 Richtung Lötzbeuren (Beginn der nördlichen Umfahrung) und dem Kreuzungspunkt der B 421 mit der B 50 bei Kirchberg über die B 50 etwa 13 km und auf der Umfahrung etwa 20 km zurück zu legen. Die Differenz von 7 km reduziert sich auf 5 km, wenn man weiter berücksichtigt, dass der Landhandel als typisches Ziel des überregionalen landwirtschaftlichen Verkehrs 1 km nördlich des Kreuzungspunktes der B 421 mit der B 50 an der B 421 liegt. Der zusätzliche zeitliche Aufwand begründet ebenfalls keine Unzumutbarkeit. Aus den Angaben des Klägers, die dieser im Zusammenhang mit der im Musterverfahren durchgeführten Ortsbesichtigung am 14. April 2011 gemacht hat (vgl. Bl. 600 der Gerichtsakte im Musterverfahren 6 K 963/05.KO), ergibt sich, dass über die nördliche Ausweichroute im Vergleich zur Nutzung der B 50 etwa 15 Minuten mehr Fahrzeit benötigt werden. Weder der Umweg noch die zusätzliche Fahrzeit sind unzumutbar.

51

Soweit der Kläger vorträgt, er benötige für den Abschnitt zwischen Büchenbeuren und Rheinböllen „über die vom Beklagten ausgewiesene“ Alternativstrecke 90 Minuten und über die B 50 lediglich etwa 30 Minuten, begründet dies aus mehreren Gründen keine relevante Unzumutbarkeit. Erstens ist der Bereich der B 50 und dessen Umfahrungsmöglichkeit zwischen Simmern/Ost und Rheinböllen nicht Gegenstand des Verfahrens. Zweitens lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen, ob im Bereich zwischen Büchenbeuren und Kirchberg die nördliche oder die mehr Zeit in Anspruch nehmende südliche Umfahrung gewählt wurde. Drittens kann die Fahrzeit eines landwirtschaftlichen Gespanns, das die Strecke von Büchenbeuren bis Rheinböllen – mithin etwa 34 km – über die B 50 in etwa 30 Minuten schafft und damit eine durchschnittliche Geschwindigkeit von über 60 km/h gefahren sein muss, für den Zeitvergleich nicht maßstäblich sein, da ein Großteil der betroffenen Fahrzeuge deutlich langsamer unterwegs ist. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die Zumutbarkeit überhaupt anhand eines Vergleichs der alternativ abgefahrenen Gesamtstrecken anzustellen ist oder ob die typischerweise anzufahrenden Ziele (z.B. Hofstelle, landwirtschaftliche Annahmestelle) den Vergleichsrahmen bilden.

52

Auch die klägerseits geltend gemachten Mehrkosten von 5.000,00 bis 8.000,00 € pro Jahr begründen für sich genommen keine Unzumutbarkeit. Das bisher vorhandene Straßennetz stellte insoweit für die betrieblichen Verhältnisse des Klägers lediglich eine Chance dar, nicht aber eine fest zu beanspruchende Rechtsposition. Auf ein verändertes Straßennetz müssen sich die betrieblichen Verhältnisse des Klägers daher grundsätzlich einstellen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. September 2005 – 7 B 11119/05.OVG –). Dies einbeziehend ist eine Unzumutbarkeit der zu tragenden Mehrkosten weder dargelegt noch ersichtlich.

53

Ein Ermessensfehler wird entgegen dem Einwand des Klägers auch nicht dadurch begründet, dass im Planfeststellungsverfahren zum vierbahnigen Ausbau der B 50 keine straßenrechtliche Teileinziehung verfügt worden ist und die Frage des Ausschlusses von langsamem – insbesondere landwirtschaftlichem – Verkehr auf die straßenverkehrsrechtliche Ausweisung als Kraftfahrstraße verlagert wurde. Auch wenn – wie bereits das Verwaltungsgericht im Musterverfahren ausgeführt hat (vgl. Bl. 294 f. der Gerichtsakte im Musterverfahren 6 K 963/05.KO) – das Planfeststellungsverfahrens aufgrund der dortigen Beteiligungsvorschriften besser geeignet ist, die auftretenden Interessenkonflikte zu lösen, war der vom Kläger als zentral benannte Punkt zumutbarer Alternativrouten gleichsam in der straßenverkehrsrechtlichen Ausweisung als Kraftfahrstraße – konkret bei der hier zu treffenden Ermessensentscheidung – zu berücksichtigen. Dass entsprechende Anforderungen an zumutbare Alternativrouten auch im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die straßenverkehrsrechtlichen Ausweisung als Kraftfahrstraße wirksam geltend werden können, hat das Musterverfahren gezeigt. Inzwischen ist auch die Teileinziehung des hier betroffenen Abschnitts der B 50 verfügt, so dass – trotz des hiergegen eingelegten Widerspruchs – aktuell kein Konflikt zwischen Straßen- und Straßenverkehrsrecht ersichtlich ist.

54

Der Beklagte durfte im Rahmen der Ermessensausübung auch die Netzfunktion der B 50 berücksichtigen. Die Einstufung als Straßenzug mit maßgeblicher Verbindungsfunktion A I (großräumige Verbindung), die nach den Richtlinien den Einsatz der Entwurfsklasse EKL 1 vorsieht, die ihrerseits richtliniengemäß als Kraftfahrstraße betrieben werden soll (vgl. Gutachten S. 5), weist insoweit auch nicht allein einen planerischen Bezug auf, sondern beinhaltet gleichsam auch Aspekte der Verkehrssicherheit. Zu diesem Zusammenhang hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass „neben vielen anderen Gründen auch immer ein Sicherheitsproblem die Durchmischung nicht verträglicher Verkehrsarten auf Landstraßen [ist]“ und „[Ü]berall, wo eine Vermischung der Bedeutung großräumiger Verbindungen mit Erschließungsfunktionen der anliegenden Regionen versucht wurde, dies Sicherheitsnachteile gehabt [hat]“ (vgl. Niederschrift S. 9 f.). Auch die Zugehörigkeit zum Transeuropäischen Straßennetz TERN (vgl. dazu Beschluss Nr. 661/2010/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, Anhang I, Abschnitt 2.5) stellt eine Verbindung zur Verkehrssicherheit dar. Nach der Richtlinie 2008/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur geht es bei dem TERN neben dessen grundlegender Bedeutung für die Integration, für den Zusammenhalt Europas und für eine hohe Lebensqualität insbesondere auch um die Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus (vgl. Erwägungsgrund (1), (10) bis (14) der RL 2008/96/EG). Art. 9 Abs. 2 des Beschlusses 661/2010/EU, demzufolge „Das Netz […] den Benutzern einen hohen, einheitlichen und gleichbleibenden Dienstleistungs-, Komfort- und Sicherheitsstandard [garantiert]“, bestätigt, dass das TERN auch auf die Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorgaben ausgerichtet ist und bei der Ermessensentscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 9 Satz 2 i.V.m. § 45 Abs. 1 StVO diese Belange einzubeziehen sind.

55

Die Ausweisung als Kraftfahrstraße ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Unter Berücksichtigung des der Straßenverkehrsbehörde bei der Auswahl des Mittels zustehenden (fachlichen) Einschätzungsspielraums (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 36 = BVerwGE 138, 21) ist es nicht zu beanstanden, dass andere (mildere) Mittel als nicht gleich geeignet eingestuft wurden, um den von der Zulassung von langsamem – insbesondere landwirtschaftlichem – Verkehr ausgehenden Gefahren (dazu oben unter a.) zu begegnen. Soweit angesichts des maßgeblichen Zeitpunkts auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung abzustellen ist (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 21 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.) und die Straßenverkehrsbehörde die Voraussetzungen für die getroffene Anordnung fortlaufend „unter Kontrolle“ halten muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 28 = BVerwGE 138, 21), ist bei der Frage, ob der Beklagte mildere Mittel bei seiner Entscheidung einbezogen hat, auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige in seinem Gutachten alternative Lösungsmöglichkeiten – insbesondere eine Annäherung der Geschwindigkeiten durch Tempolimits (vgl. Gutachten, S. 19 ff.) – diskutiert und weder für zweckmäßig noch praktikabel gehalten hat (Akzeptanz, Überwachung, Angemessenheit, vgl. Gutachten S. 20 f.). Ebenso hat er in Bezug auf eine Verbesserung der Erkennbarkeit (gelbe Rundumleuchten) ausgeführt, dass dadurch weitere gefahrerhöhende Faktoren (Fahrstreifenwechsel, fehlerhafte Einschätzung von Geschwindigkeitsdifferenzen und Abständen) nicht berührt würden (vgl. Gutachten S. 17). Der Beklagte hat sich die Ausführungen des Sachverständigen mit Schriftsatz vom 8. März 2016 ausdrücklich zu Eigen gemacht und dabei insbesondere die dort erörterten und verneinten Möglichkeiten für ein unter Sicherheitsaspekten verträgliches Miteinander der verschiedenen Verkehrsarten einbezogen. Da andere Maßnahmen zur Gefahrenbeherrschung nicht eindeutig vorzugswürdig gewesen wären – schließlich bliebe das Grundproblem der erheblichen Geschwindigkeitsdifferenzen unberührt –, ist es im Ergebnis unschädlich, wenn sich hierzu keine gesonderten Erwägungen des Beklagten finden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 51 = BVerwGE 138, 21).

56

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

57

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 2 GKG).

(1) Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie

1.
zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum,
2.
zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße,
3.
zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen,
4.
zum Schutz der Gewässer und Heilquellen,
5.
hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie
6.
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.

(1a) Das gleiche Recht haben sie ferner

1.
in Bade- und heilklimatischen Kurorten,
2.
in Luftkurorten,
3.
in Erholungsorten von besonderer Bedeutung,
4.
in Landschaftsgebieten und Ortsteilen, die überwiegend der Erholung dienen,
4a.
hinsichtlich örtlich begrenzter Maßnahmen aus Gründen des Arten- oder Biotopschutzes,
4b.
hinsichtlich örtlich und zeitlich begrenzter Maßnahmen zum Schutz kultureller Veranstaltungen, die außerhalb des Straßenraums stattfinden und durch den Straßenverkehr, insbesondere durch den von diesem ausgehenden Lärm, erheblich beeinträchtigt werden,
5.
in der Nähe von Krankenhäusern und Pflegeanstalten sowie
6.
in unmittelbarer Nähe von Erholungsstätten außerhalb geschlossener Ortschaften,
wenn dadurch anders nicht vermeidbare Belästigungen durch den Fahrzeugverkehr verhütet werden können.

(1b) Die Straßenverkehrsbehörden treffen auch die notwendigen Anordnungen

1.
im Zusammenhang mit der Einrichtung von gebührenpflichtigen Parkplätzen für Großveranstaltungen,
2.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen,
2a.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel durch vollständige oder zeitlich beschränkte Reservierung des Parkraums für die Berechtigten oder durch Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen,
3.
zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen,
4.
zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesen Bereichen sowie
5.
zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung.
Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die Parkmöglichkeiten für Bewohner, die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen, verkehrsberuhigten Bereichen und Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Einvernehmen mit der Gemeinde an.

(1c) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Abweichend von Satz 3 bleiben vor dem 1. November 2000 angeordnete Tempo 30-Zonen mit Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger zulässig.

(1d) In zentralen städtischen Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltsfunktion (verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche) können auch Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen von weniger als 30 km/h angeordnet werden.

(1e) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die für den Betrieb von mautgebührenpflichtigen Strecken erforderlichen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen auf der Grundlage des vom Konzessionsnehmer vorgelegten Verkehrszeichenplans an. Die erforderlichen Anordnungen sind spätestens drei Monate nach Eingang des Verkehrszeichenplans zu treffen.

(1f) Zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen ordnet die Straßenverkehrsbehörde die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1g) Zur Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen des § 3 Absatz 1 des Elektromobilitätsgesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1h) Zur Parkbevorrechtigung von Carsharingfahrzeugen ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen der §§ 2 und 3 des Carsharinggesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen mit dem Carsharingsinnbild nach § 39 Absatz 11 an. Soll die Parkfläche nur für ein bestimmtes Carsharingunternehmen vorgehalten werden, ist auf einem weiteren Zusatzzeichen unterhalb dieses Zusatzzeichens die Firmenbezeichnung des Carsharingunternehmens namentlich in schwarzer Schrift auf weißem Grund anzuordnen.

(1i) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Gebieten mit hoher Fahrradverkehrsdichte, Fahrradzonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Die Anordnung einer Fahrradzone darf sich nicht mit der Anordnung einer Tempo 30-Zone überschneiden. Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn aufzubringen.

(2) Zur Durchführung von Straßenbauarbeiten und zur Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße, die durch deren baulichen Zustand bedingt sind, können die nach Landesrecht für den Straßenbau bestimmten Behörden (Straßenbaubehörde) – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Verkehrsverbote und -beschränkungen anordnen, den Verkehr umleiten und ihn durch Markierungen und Leiteinrichtungen lenken. Für Bahnübergänge von Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs können nur die Bahnunternehmen durch Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen, durch rot-weiß gestreifte Schranken oder durch Aufstellung des Andreaskreuzes ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer vorschreiben. Für Bahnübergänge von Straßenbahnen auf unabhängigem Bahnkörper gilt Satz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die Befugnis zur Anordnung der Maßnahmen der nach personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften zuständigen Technischen Aufsichtsbehörde des Straßenbahnunternehmens obliegt. Alle Gebote und Verbote sind durch Zeichen und Verkehrseinrichtungen nach dieser Verordnung anzuordnen.

(3) Im Übrigen bestimmen die Straßenverkehrsbehörden, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind, bei Straßennamensschildern nur darüber, wo diese so anzubringen sind, wie Zeichen 437 zeigt. Die Straßenbaubehörden legen – vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden – die Art der Anbringung und der Ausgestaltung, wie Übergröße, Beleuchtung fest; ob Leitpfosten anzubringen sind, bestimmen sie allein. Sie können auch – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Gefahrzeichen anbringen, wenn die Sicherheit des Verkehrs durch den Zustand der Straße gefährdet wird.

(4) Die genannten Behörden dürfen den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken; in dem Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 5 jedoch auch durch Anordnungen, die durch Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitungen oder auf andere Weise bekannt gegeben werden, sofern die Aufstellung von Verkehrszeichen und -einrichtungen nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist.

(5) Zur Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen und zu deren Betrieb einschließlich ihrer Beleuchtung ist der Baulastträger verpflichtet, sonst der Eigentümer der Straße. Das gilt auch für die von der Straßenverkehrsbehörde angeordnete Beleuchtung von Fußgängerüberwegen.

(6) Vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, müssen die Unternehmer – die Bauunternehmer unter Vorlage eines Verkehrszeichenplans – von der zuständigen Behörde Anordnungen nach den Absätzen 1 bis 3 darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr, auch bei teilweiser Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist, ferner ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen haben. Sie haben diese Anordnungen zu befolgen und Lichtzeichenanlagen zu bedienen.

(7) Sind Straßen als Vorfahrtstraßen oder als Verkehrsumleitungen gekennzeichnet, bedürfen Baumaßnahmen, durch welche die Fahrbahn eingeengt wird, der Zustimmung der Straßenverkehrsbehörde; ausgenommen sind die laufende Straßenunterhaltung sowie Notmaßnahmen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sich die Behörde nicht innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags zu der Maßnahme geäußert hat.

(7a) Die Besatzung von Fahrzeugen, die im Pannenhilfsdienst, bei Bergungsarbeiten und bei der Vorbereitung von Abschleppmaßnahmen eingesetzt wird, darf bei Gefahr im Verzug zur Eigensicherung, zur Absicherung des havarierten Fahrzeugs und zur Sicherung des übrigen Verkehrs an der Pannenstelle Leitkegel (Zeichen 610) aufstellen.

(8) Die Straßenverkehrsbehörden können innerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf bestimmten Straßen durch Zeichen 274 erhöhen. Außerhalb geschlossener Ortschaften können sie mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden die nach § 3 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe c zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 120 km/h anheben.

(9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Satz 3 gilt nicht für die Anordnung von

1.
Schutzstreifen für den Radverkehr (Zeichen 340),
2.
Fahrradstraßen (Zeichen 244.1),
3.
Sonderwegen außerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237, Zeichen 240, Zeichen 241) oder Radfahrstreifen innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237 in Verbindung mit Zeichen 295),
4.
Tempo 30-Zonen nach Absatz 1c,
5.
verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen nach Absatz 1d,
6.
innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Absatz 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern,
7.
Erprobungsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zweiter Halbsatz,
8.
Fahrradzonen nach Absatz 1i.
Satz 3 gilt ferner nicht für Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 Nummer 3 zur Beseitigung oder Abmilderung von erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen worden sind. Satz 3 gilt zudem nicht zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen nach Absatz 1f.

(10) Absatz 9 gilt nicht, soweit Verkehrszeichen angeordnet werden, die zur Förderung der Elektromobilität nach dem Elektromobilitätsgesetz oder zur Förderung des Carsharing nach dem Carsharinggesetz getroffen werden dürfen.

(11) Absatz 1 Satz 1 und 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 6, Absatz 1a, 1f, 2 Satz 1 und 4, Absatz 3, 4, 5 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1, Absatz 7 sowie Absatz 9 Satz 1 bis 3, 4 Nummer 7 und Satz 6 gelten entsprechend für mit den Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichnete Autobahnen in der Baulast des Bundes für das Fernstraßen-Bundesamt. Absatz 2 Satz 1 und 4 sowie Absatz 3, 4 und 7 gelten entsprechend für Bundesstraßen in Bundesverwaltung für das Fernstraßen-Bundesamt.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, der einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Größe von 130 ha in A. bewirtschaftet und seine Marktfrüchte in Kirchberg vermarktet, wendet sich gegen die Ausweisung der Bundesstraße 50 (B 50) als Kraftfahrstraße im Bereich zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West.

2

Am 16. April 2004 erließ der damalige Landesbetrieb Straßen und Verkehr Rheinland-Pfalz eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung, wonach die B 50 im Streckenbereich zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West als Kraftfahrstraße auszuweisen ist. Ende September 2004 erfolgte der Vollzug dieser straßenverkehrsbehördlichen Anordnung durch Aufstellen der Verkehrszeichen 331 der Straßenverkehrsordnung – StVO – alte Fassung (heute Anlage 3 Nr. 331.1 StVO). Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVO dürfen Kraftfahrstraßen nur mit Kraftfahrzeugen benutzt werden, deren durch die Bauart bestimmte Höchstgeschwindigkeit mehr als 60 km/h beträgt. Der verfahrensgegenständliche Straßenabschnitt hat eine Länge von 22,25 km. Er ist Teil der Bundesstraße 50 und der Europastraße 42 und Bestandteil des Bundesfernstraßennetzes und des Transeuropäischen Straßennetzes TERN. Die Strecke verbindet die Bundesautobahn A 61 aus den Ballungsräumen und zentralen Orten Mannheim/Ludwigshafen sowie Mainz und Frankfurt mit dem Raum Trier und im Weiteren mit Luxemburg und Frankreich. Sie ist als Straßenzug mit maßgeblicher Verbindungsfunktion A I (großräumige Verbindungen) eingestuft.

3

Gegen die Ausweisung als Kraftfahrstraße legte der Kläger mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 Widerspruch ein. Wegen der Vielzahl der gegen die Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße eingelegten Widersprüche regte der Beklagte an, ein Musterverfahren zu benennen und die übrigen Verfahren ruhen zu lassen. Hiermit erklärte sich der Kläger einverstanden.

4

In dem so bezeichneten Musterverfahren wurde am 27. Mai 2005 Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hob mit Urteil vom 20. Oktober 2005 (6 K 963/05.KO) die straßenverkehrsrechtliche Anordnung vom 16. April 2004 zur Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße auf, soweit sie den westlichen Streckenabschnitt zwischen dem Kreuzungspunkt der B 50 mit der K 74 westlich von Büchenbeuren und dem Kreuzungspunkt der B 50 mit der B 421 nördlich von Kirchberg betrifft. Im Übrigen, das heißt für den Bereich zwischen Kirchberg und Simmern/Ost, wurde die Klage abgewiesen. In der Begründung heißt es, der Beklagte habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass von dem langsamen Verkehr auf der B 50 eine konkrete Unfallgefahr ausgehe. Die erheblichen Geschwindigkeitsdifferenzen zwischen schnell fahrenden PKW und dem langsamen, insbesondere dem landwirtschaftlichen Verkehr könne zu Auffahrunfällen führen. Außerdem bildeten sich in den zwei- und dreistreifigen Bereichen der Strecke häufig Kolonnen hinter langsamen Fahrzeugen, was einen erheblichen Überholdruck erzeuge. Auch hierdurch würden Unfälle provoziert. Aufgrund dessen habe die Kammer keine Zweifel daran, dass von dem langsamen Verkehr eine konkrete Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs auf der B 50 ausgehe. Das Verwaltungsgericht hielt die straßenverkehrsbehördliche Anordnung im westlichen Streckenabschnitt (Büchenbeuren – Kirchberg) deswegen für ermessensfehlerhaft und rechtswidrig, weil es für den landwirtschaftlichen Verkehr dort keine zumutbaren Ausweichstrecken gebe, mithin die Interessen des landwirtschaftlichen Verkehrs nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, und sie sich deshalb als unverhältnismäßig erweise.

5

Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hatte, legte der Beklagte Berufung ein. Nach Mitteilung des damals wie heute für das Straßenverkehrsrecht zuständigen 7. Senats des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, dass der Senat die Auffassungen des Verwaltungsgerichts zum Fehlen einer zumutbaren Ausweichmöglichkeit für den landwirtschaftlichen Verkehr zumindest für den Streckenabschnitt zwischen Sohren und Kirchberg teile, wurde das Verfahren zunächst zum Ruhen gebracht, um eine vom Senat vorgeschlagene vergleichsweise Regelung zu prüfen und entsprechende Vergleichsverhandlungen führen zu können. Mit Beschluss vom 29. Oktober 2010 wurde das Verfahren wiederaufgenommen. In der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2011 führte der Senat zu den Alternativstrecken eine Ortsbesichtigung durch. Die erörterte Alternativstrecke bildete insoweit eine Umfahrung der B 50 im Norden, die im Wesentlichen über das öffentliche Straßennetz führt. Von A. kommend wird die B 327 bis zum Abzweig der K 77 in Richtung Lötzbeuren befahren. Nach etwa 400 m zweigt ein Wirtschaftsweg rechts ab in Richtung Koblenz; dieser wird bis zur Einmündung der K 79 auf die L 193 befahren. Von dort aus geht es weiter auf der L 193 nach Kappel und von dort auf die B 421 nach Kirchberg. Das Verfahren wurde schließlich von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt.

6

Das Widerspruchsverfahren des Klägers wurde wiederaufgenommen. Der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2011 mit der Begründung zurück, dass nunmehr eine zumutbare Ausweichstrecke für den westlichen Streckenabschnitt zur Verfügung stehe.

7

Mit der am 5. August 2011 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und unter Hinweis auf den landwirtschaftlichen Strukturwandel geltend gemacht, dass durch den Wegfall der Fahrmöglichkeit über die B 50 sein Betrieb wirtschaftlich erheblich beeinträchtigt sei. Transportkosten und Zeiten seien existenzbeeinträchtigend gestiegen. Seine jährlichen Einbußen durch Mehrwege und Zeitverluste beliefen sich auf 5.000,00 bis 8.000,00 €. Auch zeige sich mittlerweile, dass die ursprünglichen Verkehrsprognosen bezüglich des Flughafens Frankfurt-Hahn unzutreffend gewesen seien.

8

Mit Urteil vom 13. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht die im Anschluss an die verkehrsrechtliche Anordnung vom 16. April 2004 angebrachten Verkehrszeichen Nr. 331.1 StVO und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2011 aufgehoben. Zur Begründung ist ausgeführt: Die streitgegenständlichen Verkehrszeichen seien rechtwidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage in § 45 Abs. 1 und Abs. 9 StVO nicht gegeben. Die Vorschriften setzten für Verbote und Beschränkungen des fließenden Verkehrs eine Gefahrenlage voraus, die auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen sei und das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter, also Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern sowie öffentliches und privates Sacheigentum, erheblich übersteige. Der Beklagte habe seine Entscheidung vom 16. April 2004 zum damaligen Zeitpunkt zum einen mit dem Entstehen langer Fahrzeugkolonnen durch langsam fahrenden landwirtschaftlichen Verkehr und den hierdurch entstehenden Überholdruck auf der seinerzeit nur zwei- bzw. dreispurig ausgebauten Strecke begründet, der zu einem erhöhten Unfallaufkommen führe. Zum anderen habe er auf die hohen Geschwindigkeitsdifferenzen verwiesen, die zu Auffahrunfällen führten. Die Sachlage habe sich in der Zwischenzeit wesentlich geändert. Der Abschnitt der B 50 zwischen Büchenbeuren und Simmern sei mittlerweile durchgehend vierspurig mit – in der Breite streitigen – bituminös befestigten Seitenstreifen ausgebaut. Die ehemals einmündenden Wirtschaftswege seien sämtlich baulich derart verschlossen, dass eine Zufahrt auf die Bundesstraße nicht möglich sei. Zudem sei die Straße mit einer Mittelleitplanke versehen. Die im Zeitpunkt der Aufstellung der Verkehrszeichen erkannten Gefahrenquellen und angenommenen Unfallrisiken seien damit wesentlich entschärft. So sei nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es auch bei dem vierspurigen Ausbau der Straße zu langen Fahrzeugkolonnen aufgrund langsam fahrender Fahrzeuge kommen werde, da ein Überholen durch schnellere Fahrzeuge problemlos auf der linken Spur möglich bleibe. Gleiches gelte für die Gefahr eines Auffahrunfalls durch hohe Geschwindigkeitsdifferenzen, denn auch hier könnten schnell bzw. schneller anfahrende Fahrzeuge durchgehend auf die linke Spur ausweichen. Ohne die somit entschärften Gefahrenstellen bestünden für die Kammer keine weiteren Anhaltspunkte, die ein über das allgemeine Verkehrsrisiko hinausgehendes Risiko begründen könnten.

9

Hiergegen richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 13. April 2012 (7 A 10191/12.OVG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung des Beklagten. Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor, es sei auch nach dem vierspurigen Ausbau der B 50 noch eine erhöhte Unfallgefahr wegen hoher Geschwindigkeitsdifferenzen bei Zulassung von langsamem Verkehr gegeben. Viele landwirtschaftliche Fahrzeuge führen im unteren Geschwindigkeitsbereich, also deutlich unter 40 km/h oder sogar 20 km/h. Die Kraftfahrer rechneten nicht mit solchen Verkehrssituationen, da die B 50 von ihrem Ausbauzustand her als autobahnähnlich wahrgenommen und als schnelle Verbindungsachse vom und zum Flughafen Frankfurt-Hahn von der Bundesautobahn A 61 her angesehen werde. Der Beklagte konkretisierte die zu befürchtende Gefahrenlage ergänzend unter Hinweis auf den Ausbauzustand und die Netzfunktion der B 50 im streitgegenständlichen Bereich. Die Freigabe der B 50 für alle Verkehrsteilnehmer stehe in direktem Widerspruch zur Einheit von Planung, Bau und Betrieb von Straßen, einem wesentlichen Grundsatz der Verkehrssicherheit, und trage damit das Potenzial für Straßenverkehrsunfälle in sich. Hinzu komme, dass gerade zur Vermeidung einer unnötigen Gefährdung von Straßennutzern der B 50 als Bestandteil des TERN-Netzes und in Umsetzung von EU-Vorschriften der langsame Verkehr ausgeschlossen worden sei. Die Planfeststellungsbeschlüsse für den zwischenzeitlich erfolgten Ausbau der B 50 enthielten keine förmliche Teileinziehung der B 50 im Abschnitt Simmern/Ost und Büchenbeuren/West zwecks Ausweisung als Kraftfahrstraße. Im Jahr 2006 sei entschieden worden, die formelle Abwicklung des straßenrechtlichen Teileinziehungsverfahrens bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens gegen die straßenverkehrsbehördliche Anordnung zur Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße abzuwarten. Die Zurückstellung sei unter dem Aspekt erfolgt, dass im Teileinziehungsverfahren vergleichbare Fragestellungen wie bei der streitbefangenen verkehrsbehördlichen Anordnung zu prüfen seien, insbesondere das Vorhandensein zumutbarer Ausweichstrecken.

10

In der mündlichen Verhandlung von 15. August 2012 (7 A 10467/12.OVG) wurde auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet, nachdem der Beklagte erklärte, ein straßenrechtliches Teileinziehungsverfahren durchzuführen und dem Kläger vorübergehend eine Ausnahmegenehmigung zur Nutzung der B 50 zugesichert wurde.

11

Das Teileinziehungsverfahren nach § 2 Abs. 4 Fernstraßengesetz wurde eingeleitet; die Allgemeinverfügung der Teileinziehung wurde im Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz vom 15. September 2014 bekannt gemacht. Dagegen wurde ebenfalls Widerspruch erhoben.

12

Auf Antrag des Klägers wurde das Berufungsverfahren wiederaufgenommen. Der Beklagte trägt vor, dass seit der Fertigstellung des vierspurigen Ausbaus der B 50 mehrere Unfallhäufungsstellen bekannt geworden seien, die auf überhöhte Geschwindigkeit zurückzuführen seien. Bei den regelmäßig durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen seien gefahrene Höchstgeschwindigkeiten von über 200 km/h keine Seltenheit. 175 Fahrverbote seien aufgrund der Geschwindigkeitsmessungen im Jahr 2012 ausgesprochen worden, das heißt die Verkehrsteilnehmer waren mit mindestens 41 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit unterwegs. Dies belege, dass bei einer Zulassung von langsam fahrendem Verkehr auf der ausgebauten B 50 durch die tatsächlich vorhandenen erheblichen Geschwindigkeitsunterschiede der unterschiedlichen Verkehrsarten eine gesteigerte Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorliege. Die Unfallsituation hinsichtlich des verdrängten langsamen landwirtschaftlichen Verkehrs auf den Ausweichrouten sei unauffällig. Diesbezüglich seien keine Störungen oder Beschwerden von Anwohnern bzw. anderen Verkehrsteilnehmern bekannt geworden. Da die Ausweichstrecken geeignet sowie zumutbar seien, wie das Musterverfahren gezeigt habe, sei die angegriffene verkehrsbehördliche Anordnung vom 16. April 2004 weiterhin rechtmäßig. Dem könne insbesondere nicht entgegen gehalten werden, dass – obschon Ausnahmegenehmigungen erteilt worden seien – in den vergangenen Jahren keine Unfallhäufung unter Beteiligung von langsamem landwirtschaftlichem Verkehr festzustellen gewesen sei. Denn insoweit sei zu berücksichtigen, dass mit den zwei erteilten Ausnahmegenehmigungen nur wenige, leistungsstarke Fahrzeuge zugelassen worden seien und das auch nur zwischen der Anschlussstelle Büchenbeuren/West und dem Kreuzungspunkt der B 50 mit der B 421 nördlich von Kirchberg. Es bleibe dabei, dass der vierspurige Ausbau vom Autofahrer als autobahnähnlich wahrgenommen werde und zu einem entsprechenden Fahrverhalten führe. Der durchschnittliche Autofahrer rechne hier nicht mit langsam fahrenden Fahrzeugen.

13

Der Beklagte beantragt,

14

das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 13. Januar 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger seinen bisherigen Vortrag und macht sich die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu Eigen. Entgegen der Annahme des Beklagten sei die Verkehrssicherheit durch den Ausbau der B 50 im streitgegenständlichen Abschnitt sogar wesentlich gesteigert worden. Auch hätten sich die Differenzgeschwindigkeiten zum vorherigen Ausbauzustand nicht erheblich verändert. Die Fahrbahnen der ausgebauten B 50 seien sehr übersichtlich und über weite Entfernungen einsehbar. Langsam fahrende Fahrzeuge seien überall rechtzeitig zu erkennen, sodass keine Gefahrenlage bestehe. Gefährliche Überholmanöver durch die Benutzung der Gegenfahrbahn – insbesondere durch Lkw – seien jetzt ausgeschlossen. Kern der Klage sei, dass ein wirtschaftlich bedeutsamer Zweig der Volkswirtschaft von dem Jedermannsrecht der Straßenbenutzung ausgeschlossen werde, ohne dass geeignete und zumutbare Straßen als Ersatz zur Verfügung stünden. Soweit der Beklagte auf die Bedeutung der Straße als europäische Achse hinweise, sprächen die Verkehrszahlen eine andere Sprache. Die Straße werde derzeit mit 20 % ihrer Kapazität genutzt. Er, der Kläger, habe auch Einwendungen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens vorgebracht und sei dort auf das Verfahren zur Ausweisung der Kraftfahrstraße verwiesen worden. Im Verfahren betreffend die Ausweisung als Kraftfahrstraße berufe sich der Beklagte nun darauf, dass der planfestgestellte Ausbau die Ausweisung als Kraftfahrstraße bedinge. Dies sei widersprüchlich und zeige den Ermessensausfall sowohl im Bereich der Planfeststellung als auch bei der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung auf. Der Beklagte habe sich in keinem der beiden Verfahren für die Belange der betroffenen Bürger, Gemeinden und Unternehmen interessiert. Seit August 2012 dürften auf Grundlage der erteilten Ausnahmegenehmigungen über 1.000 Fahrten mit landwirtschaftlichen Zügen auf der ausgebauten B 50 stattgefunden haben. Dabei habe sich das Befahren als völlig unproblematisch und spannungsfrei erwiesen. Obwohl der Beklagte keinerlei Hinweisschilder wegen des langsam fahrenden Verkehrs aufgestellt habe, bestätige sich seine Einschätzung, dass die Teilnahme der langsam fahrenden landwirtschaftlichen Fahrzeuge für den schneller fahrenden Verkehr keine Gefährdung beinhalte. Für die Fahrt von Rheinböllen bis Büchenbeuren über die vom Beklagten ausgewiesenen Ausweich- bzw. Alternativstrecken benötige man mit dem Traktor mit angehängten Silierwagen ca. 90 Minuten. Die Rückfahrt über die ausgebaute B 50 habe mit demselben Gespann ca. 30 Minuten gedauert. Bei dieser anlässlich eines Ortstermins im Februar 2014 durchgeführten Befahrung hätten sich alle Teilnehmer von der Gefahrlosigkeit der Benutzung der B 50 einerseits sowie von der völlig unzumutbaren Umwegstrecke über die anderen Straßen und Wege mit den Ortsdurchfahrten andererseits überzeugen können. Es habe sich eine deutlich erhöhte Gefährdung der Verkehrsteilnehmer und Bewohner bei Nutzung der Ausweichroute gezeigt.

18

Mit Beschluss vom 8. Juli 2015 hat der Senat durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben zu der Frage, inwieweit die Zulassung von langsam fahrenden – vor allem landwirtschaftlichen – Fahrzeugen mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h auf der Bundesstraße B 50 im Abschnitt zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse zu einer Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs durch eine erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit führen würde, insbesondere durch Entstehen eines Überholdrucks oder angesichts großer Geschwindigkeitsdifferenzen. Als Gutachter wurde Universitätsprofessor Dr.-Ing. M. (D.) bestimmt. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten am 27. Januar 2016 erstattet, in der mündlichen Verhandlung erörtert und an ihn gerichtete Fragen beantwortet. Wegen des Inhalts wird insoweit auf das schriftliche Gutachten vom 27. Januar 2016 und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. August 2016 verwiesen.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die vorgelegte Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten des Verfahrens 6 K 963/05.KO (7 A 11188/10.OVG) Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

20

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Ausweisung der B 50 als Kraftfahrstraße im Bereich zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West ist rechtmäßig. Die Anfechtungsklage des Klägers war deshalb unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

21

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind verkehrsbezogene Ge- und Verbote in Form von Verkehrszeichen regelmäßig Dauerverwaltungsakte (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 – 3 C 15.03 –, juris, Rn. 16 m.w.N.). Maßgeblich für den Erfolg der gegen einen Dauerverwaltungsakt gerichteten Klage ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 21 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.).

22

Rechtsgrundlage der angegriffenen verkehrsrechtlichen Anordnung ist § 45 Abs. 1 i.V.m. § 45 Abs. 9 der Straßenverkehrsordnung – StVO –. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Nach Satz 2, der insoweit Satz 1 verdrängt, dürfen – abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen – Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter – also etwa der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs – erheblich übersteigt. Mithin setzt § 45 Abs. 1 StVO i.V.m. § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO für die Ausweisung einer Kraftfahrstraße, die durch ihren Ausschluss von Fahrzeugen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 km/h (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 StVO) eine Beschränkung bzw. Verbote des fließenden Verkehrs begründet, eine Gefahrenlage voraus, die – erstens – auf besondere örtliche Verhältnisse zurückzuführen ist und – zweitens – das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigt.

23

Besondere örtliche Verhältnisse in diesem Sinne können unter anderem der Ausbauzustand, die Streckenführung, die Verkehrsbelastung oder der Anteil des Schwerverkehrs sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 26 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.).

24

Eine das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigende Gefahrenlage besteht nicht erst dann, wenn alsbald mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermehrt Schadensfälle eintreten würden. Denn unter Berücksichtigung, dass es im Zusammenhang mit der auch vorliegend betroffenen Unfallvermeidung um die Abwehr von Gefahren für Leib und Leben geht, ist nach allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts ein behördliches Einschreiten bereits bei geringeren Wahrscheinlichkeiten des Schadenseintritts zulässig und geboten. Mithin fordert § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Die Vorschrift setzt vielmehr nur – aber immerhin – eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 27 = BVerwGE 138, 21).

25

Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen aus § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vor, folgt aus § 45 Abs. 1 StVO, der von Absatz 9 modifiziert, nicht aber verdrängt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 24 = BVerwGE 138, 21), dass auch Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 9 StVO im Ermessen der zuständigen Behörden stehen. Soweit es um die Auswahl der Mittel geht, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll, ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 35 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.).

26

2. Nach diesen Maßstäben begründete die Zulassung von Fahrzeugen mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 km/h auf dem streitbefangenen Streckenabschnitt der B 50 zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West eine konkrete Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigt und auf den besonderen örtlichen Verhältnissen beruht (a). Die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, dieser Gefahrenlage durch die Ausweisung als Kraftfahrstraße zu begegnen und damit den langsamen Verkehr von der Nutzung des betroffenen Streckenabschnitts der B 50 auszuschließen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 StVO), ist frei von Ermessensfehlern (b).

27

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Einholung des am 27. Januar 2016 schriftlich erstatteten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Gutachtens des Sachverständigen Universitätsprofessor Dr.-Ing. M. (D.) – im Folgenden: Gutachten – steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass die Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse zu einer erheblichen Steigerung der Unfallgefahren und damit zu einer – insbesondere auch qualitativ – das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der relevanten Rechtsgüter erheblich übersteigenden konkreten Gefahrenlage führen würde.

28

Die besonderen örtlichen Verhältnisse des streitbefangenen Abschnitts der B 50 zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West werden im vorliegenden Zusammenhang vor allem durch den Ausbauzustand bestimmt. Der relevante Straßenzug der B 50 ist nach dem Regelquerschnitt RQ 26 ausgebaut, d.h. bei einer Kronenbreite von 26 m weisen die beiden Fahrstreifen für jede Richtung eine Breite von je 3,50 m und die Standstreifen je Fahrrichtung eine Breite von 2,00 m auf (vgl. dazu Gutachten S. 5 f.); die verbleibende Breite verteilt sich auf die Bankette, die Seitenstreifen und den Mittelstreifen mit Mittelleitplanke. Zu beachten ist allerdings, dass an mehreren Stellen auf begrenzter Länge der Standstreifen nicht oder nicht in der beschriebenen Breite vorhanden ist. Der aus der Anlage von Bundesautobahnen hier für eine Landstraße entliehene Querschnitt RQ 26 ist – ohne dass es darauf bei der hier vorzunehmenden straßenverkehrsrechtlichen Beurteilung ankäme – nach Angaben des Sachverständigen zwar nicht weit verbreitet, aber unter Berücksichtigung der Richtlinien für die Anlage von Landstraßen – RAL – und der Verbindungsfunktion des Straßenabschnitts vorliegend richtlinienkonform (vgl. Gutachten S. 5).

29

Mithin weist die B 50 im Abschnitt zwischen Simmern/Ost und Büchenbeuren/West einen autobahnähnlichen Ausbauzustand auf. Ebenso wie eine Bundesautobahn, die den „Charakter einer innerstädtischen Schnellstraße“ angenommen hat, besondere örtliche Verhältnisse im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO darstellen und Grund für eine erhöhte Unfallgefahr sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1979 – 7 C 46.78 –, juris, Rn. 28 = BVerwGE 59, 221), kann auch umgekehrt die autobahnähnlich wahrgenommene Landstraße besondere örtliche Verhältnisse begründen, aufgrund derer – wie hier – eine von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorausgesetzte Gefahrenlage hervorgerufen wird. Der autobahnähnliche Ausbauzustand zieht es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der „Einheit von Bau und Betrieb“ und gestützt auf die gutachterliche Prognose des Sachverständigen zu den Auswirkungen einer Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr auf dieser Straße zur Überzeugung des Senats nach sich, dass die Zulassung eine erhebliche, über dem allgemeinen Risiko einer Beeinträchtigung liegende Gefahrenlage begründen würde. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:

30

Der Sachverständige, Universitätsprofessor Dr.-Ing. M., kommt in seinem nachvollziehbaren, schlüssigen und überzeugenden Gutachten zu dem Ergebnis, dass „[e]ine Veränderung sicherheitsrelevanter Parameter wie der Zulassung deutlich langsamer Fahrzeuge […] zu einer spür- und messbaren Verschlechterung der Verkehrssicherheit führen [wird]. Vor allem Unfälle mit schweren Folgen werden wegen der großen Geschwindigkeitsunterschiede häufiger auftreten als bisher“ (Gutachten S. 22).

31

Diese Folgerung leitet der Sachverständige zunächst aus einer qualitativen Analyse der Unfallabläufe auf der streitbefangenen Strecke ab, die er – nachdem die Freigabe der Strecke im aktuellen Ausbauzustand im Jahr 2011 erfolgte – für den Zeitraum 2012 bis 2014 durchgeführt hat (vgl. zu den Einzelheiten Gutachten S. 14 f.). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Analyse der Unfallabläufe auf dem betroffenen Streckenabschnitt die B 50 als ausgewiesene Kraftfahrstraße zum Gegenstand hatte, mithin – abgesehen von zwei erteilten Ausnahmegenehmigungen – eine Verkehrssituation ohne Beteiligung von deutlich langsameren, insbesondere landwirtschaftlichen Fahrzeugen als dem regulären Schwerverkehr (zu dessen Geschwindigkeitsstreubreite siehe unten) ausgewertet worden ist. Die Analyse hat gezeigt, „dass die Unfälle mit Personenschaden in vielen Fällen mit Fahrstreifenwechseln einerseits und dem Auftreten langsamer (Schwerverkehrs-)Fahrzeuge andererseits zu tun haben“ (Gutachten S. 23). Der Sachverständige hat Anlass und Grundlagen seiner qualitativen Analysen in der mündlichen Verhandlung weiter erläutert. Dabei hat er unter anderem nachvollziehbar erklärt, dass aufgrund des seltenen Ereignisses Verkehrsunfall eine quantitative Auswertung aufgrund der mathematischen Streuungen nicht aussagekräftig wäre (vgl. Niederschrift vom 25. August 2016, S. 5 f. – im Folgenden: Niederschrift – und Gutachten S. 15), aber „Charakteristika des Unfallgeschehens […] Hinweise auf Gefahren geben [können], die mit der Örtlichkeit und dem Verkehrsgeschehen in Zusammenhang zu bringen sind“ (Niederschrift S. 6).

32

Ausgehend von diesen qualitativen Aussagen, die „lediglich ein grobkörniges Bild [ergeben], mit dem aber ein Trend zur Profilierung der ansonsten amorphen Struktur der Unfallabläufe möglich ist“ (Gutachten S. 15; vgl. auch Niederschrift S. 6), leitet der Sachverständige sodann unter Einbeziehung weiterer Faktoren die von ihm angenommene spür- und messbare Verschlechterung der Verkehrssicherheit (Gutachten S. 22) bei einer Zulassung langsam fahrender – vor allem landwirtschaftlicher – Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h ab.

33

Die weiteren Faktoren umfassen – nachdem die qualitative Unfallanalyse Überholvorgänge mit Fahrstreifenwechsel und diese weiter in Zusammenhang mit dem Überholen von (Schwerverkehrs-)Fahrzeugen als maßgeblichen Risikofaktor identifiziert hat – Bedeutung und Auswirkungen anzutreffender Geschwindigkeitsdifferenzen (Gutachten S. 19 f.). Neben allgemeinen Erläuterungen zum Zusammenhang zwischen Geschwindigkeitsverteilung und Überholbedarf (Gutachten S. 15 f.) hat der Sachverständige mithilfe eigener Messungen auf dem relevanten Abschnitt eine Streubreite der gefahrenen Geschwindigkeiten für den Pkw-Verkehr zwischen 96 und 136 km/h und für den Schwerverkehr (einschließlich der Busse) einen Geschwindigkeitsbereich zwischen 76 und 97 km/h ermittelt (Gutachten S. 19). Nach Einschätzung des Sachverständigen führen diese aktuell auf der als Kraftfahrstraße ausgewiesenen B 50 anzutreffenden Geschwindigkeitsunterschiede „zu Überholvorgängen, die unter Nutzung beider Fahrstreifen meist problemlos durchgeführt werden können“ (Gutachten S. 19). Diese Einschätzung korrespondiert mit der Analyse und Auswertung des aktuell – also ohne die Nutzung durch langsame, insbesondere landwirtschaftliche Fahrzeuge – ermittelten (guten) Sicherheitsgrades des betroffenen Streckenabschnitts (vgl. Gutachten S. 11 ff.).

34

Die Zulassung landwirtschaftlicher Fahrzeuge mit einem Geschwindigkeitsbereich von 40 bis 60 km/h würde – so der Sachverständige – deutlich außerhalb der aktuell anzutreffenden Streubereiche auf der vierstreifigen Straße liegen (Gutachten S. 19). Die weitere Ausdehnung der Geschwindigkeitsverteilung von bisher 76 und 136 km/h, die bereits „sehr groß“ sei (Gutachten S. 19), auf eine Streubreite zwischen 40 und 136 km/h führte zum einen zu einer Vergrößerung der anzutreffenden Geschwindigkeitsdifferenzen, die ihrerseits in Zusammenhang mit Unfallzahlen und Unfallschwere zu setzten seien. Hierzu heißt es im Gutachten (S. 17): „Es gibt aber Belege in der Literatur zum Zusammenhang mit den Kennwerten der Geschwindigkeitsstreuung: Auch die Wirkung von Streckenbeeinflussungsanlagen auf Autobahnen unterstreicht diesen Effekt, denn sie vermindern die Geschwindigkeitsunterschiede (durch Rückgang in den Spitzen) und verbessern nachweislich die Sicherheit in Zahl und Schwere (…).“ Zum anderen zieht eine Vergrößerung der Geschwindigkeitsstreuung einen steigenden Überholbedarf nach sich, der die (weitere) Besonderheit aufweist, dass nunmehr auch vermehrt die Notwendigkeit der Überholungen für den sonstigen Schwerverkehr ausgelöst wird: „Lastwagen und Lastzüge fahren bislang mit recht gleichmäßigem Tempo (siehe Streubereiche der Messergebnisse) und müssen nur selten andere Schwerfahrzeuge überholen. Dies ändert sich durch Fahrzeuge mit deutlich langsamerer Geschwindigkeit. Dann bewegen sich Lkw auf dem linken Fahrstreifen, was wiederum zu Risiken für den schnelleren Pkw-Verkehr bei der Annäherung führt“ (Gutachten S. 17). Der Sachverständige erwartet ausgehend von der durch ihn ermittelten Verkehrsdichte auf dem betroffenen Streckenabschnitt von 17.000 Kfz/24h und einen Schwerverkehrsanteil von 11 % (vgl. Gutachten S. 12) bei überschlägiger Betrachtung, die er in der mündlichen Verhandlung als „konservativ vorsichtige Abschätzung“ klassifiziert hat (Niederschrift, S. 8), bei einer Durchfahrt von nur einem landwirtschaftlichen Fahrzeug mit 60 km/h in einer Fahrtrichtung auf der gesamten Streckenlänge von ca. 20 Kilometer eine (zusätzliche) Anzahl von 270 Überholvorgängen durch Pkw (mit 100 km/h) und 25 Überholvorgängen durch Lkw (mit 80 km/h) in einer durchschnittlich belasteten Stunde (Gutachten S. 16). Diese Anzahlen erhöhen sich in Spitzenstunden und bei höheren Geschwindigkeitsannahmen für die Pkw bis auf 750 Pkw-Überholungen und 60 Lkw-Überholungen auf einer Durchfahrt des landwirtschaftlichen Fahrzeugs mit 60 km/h. Die Zahlen werden noch größer, wenn das landwirtschaftliche Fahrzeug mit 40 km/h unterwegs ist (Gutachten S. 16) oder mehr landwirtschaftliche Fahrzeuge die Strecke befahren.

35

Hinzu kommt, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge mit bauartbedingten Geschwindigkeiten deutlich außerhalb der gewohnten Geschwindigkeitsbereiche – auch unterhalb derjenigen von anderem Schwerverkehr – unterwegs sein werden. Dies hat zur Folge, dass sie besonders unerwartete Situationen darstellen (Gutachten S. 17). Hier zeigt sich die Bedeutung des auch sachverständigenseits erläuterten Grundsatzes der „Einheit von Bau und Betrieb“ und dessen Zusammenhang zur Frage einer erhöhten Unfallwahrscheinlichkeit. Dazu hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt:

36

„Unfälle sind keine Folge kausal vorbedingter Voraussetzungen, sondern sie treten aufgrund menschlicher Fehlleistungen bei komplexen Entscheidungsprozessen glücklicherweise relativ selten auf. Wir können sie also nicht in Form deterministischer Zusammenhänge präzise vorhersagen, sondern wir erarbeiten Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von menschlichem Fehlverhalten. Die Straßenverkehrstechnik analysiert Gründe, die aus den technischen Gegebenheiten dieses Fehlverhalten begünstigen können und leitet daraus Maßnahmen ab, mit denen das Fehlverhalten vermindert mit der Zielsetzung vermieden werden kann. […]“ (Niederschrift S. 4).

37

„Diese [Unfall-]Risiken stehen im Zusammenhang mit der nicht völligen Fehlerfreiheit menschlicher Entscheidungen. Wir wissen aus der Wahrnehmungspsychologie und Informationsverarbeitung, dass die Fehlerbehaftung von menschlichen Entscheidungen neben vielen anderen Randbedingungen beeinflusst wird davon, wie neu oder fremd der Vorgang ist. Die Informationsverarbeitung kennt den Begriff der Heuristik, die sagt, dass der Mensch in der Lage ist, in komplexen Situationen gute Entscheidungen zu treffen aufgrund von Erfahrung, d.h. den Vergleich mit ähnlichen Situationen, die positiv bewältigt wurden. Wenn die Randbedingungen gestört sind, ist die Fehleranfälligkeit größer. Das ist der Kern des Gedankens von 'Einheit von Bau und Betrieb'. Wenn also auf einer Straßenverkehrsanlage eine Situation eintritt, die der Kraftfahrer aufgrund der Gesamterscheinung dieser Verkehrsanlage schon häufig vorgefunden hat, dann sind menschliche Verhaltensweisen in aller Regel sicher. Wenn eine unerwartete Situation eintritt, bedarf es größerer mentaler Anstrengungen, die nicht in allen Fällen zu einem fehlerfreien Ergebnis führen. […]“ (Niederschrift S. 6).

38

Diese inhaltlich nicht in Frage zu stellenden Zusammenhänge zeigen anschaulich, dass es vorliegend nicht darum geht, mit einem allgemein steigenden Überholbedarf und den allgemeinen Gefahren des Überholens bzw. des dafür erforderlichen Fahrstreifenwechsels eine Gefahrenlage im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO zu begründen. Insoweit würde es sowohl an einer in den besonderen örtlichen Verhältnissen beruhenden als auch einer das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung übersteigenden Gefahrenlage fehlen.

39

Vielmehr handelt es sich zwar im Ausgangspunkt durchaus um verallgemeinerungsfähige Zusammenhänge. Diese begründen jedoch – wie dargelegt – gerade bezogen auf den streitgegenständlichen Streckenabschnitt der B 50 bei Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr eine erhebliche, über dem allgemeinen Risiko einer Beeinträchtigung liegende Gefahrenlage gemäß § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO. Gerade der die besonderen örtlichen Verhältnisse prägende autobahnähnliche Ausbauzustand der B 50 zieht es nach sich, dass bei Zulassung von langsamem, insbesondere landwirtschaftlichem Verkehr erhebliche Geschwindigkeitsdifferenzen auftreten, die einerseits überraschende Ereignisse darstellen, damit dem Grundsatz der Einheit von Bau und Betrieb widersprechen und deshalb die Fehleranfälligkeit und dadurch die Unfallwahrscheinlichkeit steigern. Gleichzeit verursachen größere Geschwindigkeitsdifferenzen neben dem dadurch ausgelösten zusätzlichen Überholbedarf eine steigende Unfallschwere.

40

Auch wenn es für die – nach sorgfältiger Prüfung der Verkehrssituation bzw. der zu prognostizierten Veränderung – bejahte konkrete Gefahrenlage keiner Ermittlung eines Unfallhäufigkeits-Prozentsatzes bedarf und auch vertiefte Ermittlungen zur Frage nicht erforderlich sind, wie hoch konkret der Anteil an feststellbaren bzw. zu erwartenden Unfällen im Zusammenhang mit der von der Straßenverkehrsbehörde identifizierten Gefahr ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. April 2001 – 3 C 23.00 –, juris, Rn. 28), hat der Sachverständige hier eine entsprechende Prognose abgegeben, die sich der Senat zu Eigen macht. Gestützt auf eine vorsichtige und konservative Schätzung geht der Sachverständige von einer Verdoppelung der bisherigen Überholvorgänge von Schwerverkehr aus und hat unter den beschriebenen Randbedingungen abgeleitet, dass sich die Unfälle, die sich jetzt beim Überholen von Schwerverkehrsfahrzeugen ereignen, möglicherweise in gleicher Zahl, wahrscheinlich aber in höherer Schwere wegen der größeren Geschwindigkeitsunterschiede zusätzlich ereignen werden. Damit – so der Sachverständige – würde sich der aktuell vorhandene (gute) Sicherheitsgrad der B 50 im maßgeblichen Abschnitt – abgebildet durch die Unfallkostenrate (UKR), die als Kennzahl sowohl die Unfallhäufigkeit als auch die Unfallschwere abbildet (dazu im Einzelnen Gutachten S. 11 ff.) – um 20 % verschlechtern (Niederschrift S. 8 und S. 11). Diese bei Zulassung von langsam fahrenden – vor allem landwirtschaftlichen – Fahrzeugen mit Geschwindigkeiten unter 60 km/h und teilweise unter 40 km/h begründete Steigerung der auch qualitativ gewichteten Unfallgefahren um 20 % übersteigt – wie von § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO vorausgesetzt – das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich.

41

Der Einwand des Klägers, bei den seit dem Jahr 2012 inzwischen weit über 1.000 mit Ausnahmegenehmigungen durchgeführten Fahrten mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen hätten sich die gutachterlich beschriebenen Gefahren nicht verwirklicht, vielmehr sei alles spannungsfrei verlaufen, zieht die überzeugenden Folgerungen des Sachverständigen nicht in Zweifel. Hierzu hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Gesamtfahrleistung auf der Strecke von 140 Millionen Fahrzeugkilometer pro Jahr in beide Richtungen ausgeführt, dass sich bei 1.000 Fahrten pro Jahr (Anmerkung: Nach dem Vorbringen des Klägers ging es um mehr als 1.000 Fahrten in mehr als zwei Jahren) ein Anteil von landwirtschaftlichem Verkehr unterhalb eines Zehntel-Promille-Bereichs der gesamten Fahrleistung errechne und sich deshalb selbst extrem hohe Risikowerte solcher Fahrten kaum sichtbar in der Bilanz niederschlagen (Niederschrift S. 11 f.). Hinzu kommt in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte nur Ausnahmegenehmigungen für Fahrzeuge und Gespanne erteilt hat, die eine Mindestgeschwindigkeit von 40 km/h erreichen. Bei einer generellen Zulassung des landwirtschaftlichen Verkehrs würden voraussichtlich auch (noch) langsamere Fahrzeuge hinzukommen, die die oben beschriebene Gefahrenlage nochmals verschärfen würden. Allein der Umstand, dass bei den bisherigen (wenigen) Fahrten nichts passiert ist, kann bei der hier vorzunehmenden Gefahrenprognose kein Kriterium sein. Alles andere liefe darauf hinaus, auf dem streitigen Straßenabschnitt einen „Feldversuch“ der Art durchzuführen, langsamen – insbesondere landwirtschaftlichen – Verkehr zuzulassen, um die daraus resultierende Unfallentwicklung zu analysieren. Angesichts der handgreiflichen Gefahrenlage darf dem Beklagten die Verantwortung hierfür nicht aufgebürdet werden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5. April 2001 – 3 C 23.00 –, juris, Rn. 28).

42

Der Senat hat weiter keinen Anlass, die Grundlagen bzw. die Grundannahmen des Gutachtens anzuzweifeln. Dies gilt im Besonderen für die qualitative Unfallanalyse des Sachverständigen, die angesichts des seltenen Ereignisses Verkehrsunfall und des dadurch begründeten Wegfalls einer quantitativen Auswertungsmöglichkeit (vgl. Gutachten S. 14 f.) nicht zu beanstanden ist. Der Sachverständige hat dies im weiteren Gutachten berücksichtigt und aus der qualitativen Unfallanalyse, die ein „grobkörniges Bild“ liefert, einen erkennbaren „Trend zur Profilierung der ansonsten amorphen Struktur der Unfallabläufe“ entnommen (vgl. Gutachten S. 15).

43

Schließlich leidet das Gutachten auch nicht darunter, dass der Sachverständige keine Erkenntnisse und Erfahrungen von anderen Autobahnen oder Kraftfahrstraßen in die Betrachtung einbezogen hat, auf denen landwirtschaftlicher Verkehr in Ausnahmeteilstücken zugelassen ist. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass andere Strecken bezüglich ihrer Rahmenbedingungen (generelle Tempo-limits, Erscheinungsbild, Netzbedeutung, Verkehrsbelastung, Länge des Abschnitts) sehr unterschiedlich seien und es deshalb seines Wissens nach keine aussagefähigen Untersuchungen dieser Einzelfälle gebe, die er als Vergleich hätte heranziehen können (vgl. Niederschrift S. 12).

44

b) Die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde, der prognostizierten Gefahrenlage durch die Ausweisung einer Kraftfahrstraße zu begegnen und damit den langsamen Verkehr von der Nutzung des betroffenen Streckenabschnitts der B 50 auszuschließen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 StVO), ist frei von Ermessensfehlern.

45

Im Rahmen der Ermessensausübung waren die beteiligten öffentlichen und privaten Interessen umfassend gegeneinander abzuwägen. Allerdings war die Behörde nicht verpflichtet, das potenzielle Interesse jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers zu beachten. Abwägungserheblich sind vielmehr nur qualifizierte Interessen Privater, also solche Interessen, die erheblich, schutzwürdig und für die Straßenverkehrsbehörde erkennbar sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1993 – 11 C 3.92 –, juris, Rn. 23 = BVerwGE 92, 32 unter Verweis auf Manssen, NZV 1992, S. 465 [469 f.]; auch König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 45 StVO Rn. 28a m.w.N).

46

Soweit danach auf Seiten des Klägers insbesondere die Verkehrsbedürfnisse einzustellen sind, die ein landwirtschaftlicher Betrieb begründet, indem die gewonnenen Erzeugnisse zur nächstgelegenen landwirtschaftlichen Annahmestelle verbracht werden müssen, ist es angesichts des Bestehens zumutbarer Ausweichstrecken nicht ermessenfehlerhaft, den landwirtschaftlichen Verkehr von der Nutzung der B 50 im streitgegenständlichen Abschnitt durch die Ausweisung als Kraftfahrstraße auszuschließen und der Sicherheit des Verkehrs den Vorrang einzuräumen.

47

Nachdem bereits im vorangegangenen Musterverfahren letztlich allein die Zumutbarkeit der Ausweichroute im Bereich zwischen Büchenbeuren/West und Kirchberg problematisiert worden war, während die Zumutbarkeit der Umfahrung für den Abschnitt zwischen Kirchberg und Simmern/Ost vom Verwaltungsgericht im Musterverfahren bejaht und weder seinerzeit von den dortigen Kläger angegriffen worden ist noch im vorliegenden Verfahren auch nur ansatzweise in Frage gestellt wird, gibt es für den Senat weder Anhaltspunkte noch Anlass, die Zumutbarkeit der Ausweichroute zwischen Kirchberg und Simmern/Ost in Frage zu stellen.

48

Für den Bereich zwischen Büchenbeuren/West und Kirchberg, der auch konkret für den Kläger von Interesse ist, ist nunmehr mit der in der Berufungsinstanz des Musterverfahrens eingerichteten Strecke nördlich der B 50 ebenfalls eine zumutbare Alternativroute vorhanden: Von Osten kommend wird die B 327 am Abzweig der K 77 bzw. K 137 nördlich in Richtung Lötzbeuren verlassen. Nach etwa 400 m zweigt ein Wirtschaftsweg rechts ab in Richtung Koblenz, der im Westen des Flughafens Frankfurt-Hahn nach Norden führt und alsbald auf die L 193 trifft. Von dort aus geht es auf der L 193 weiter in nordöstlicher Richtung nach Kappel und von dort auf die B 421 Richtung Süden nach Kirchberg. Diese Alternativroute führt weitgehend über öffentliche Straße und verläuft lediglich im Bereich zwischen der K 137 und der L 193 entlang des Flughafens auf einer Länge von etwa 2,2 km über einen Wirtschaftsweg.

49

Der in der mündlichen Verhandlung durch den Kläger erhobene und mit Fotoaufnahmen untermauerte Einwand zur (Nicht-)Nutzbarkeit des vorgenannten Wirtschaftsweges, mit dem er geltend macht, der Weg weise erhebliche Schlaglöcher auf, die nur in Schrittgeschwindigkeit zu durchfahren seien, und der Weg sei zum Teil seitlich auch so stark eingewachsen, dass die landwirtschaftlichen Fahrzeuge kaum ohne Kontakt durchkämen, steht der Zumutbarkeit einer Nutzung der nördlichen Umfahrung nicht entgegen. So besteht für den genannten Wirtschaftsweg eine Vereinbarung zwischen dem Landesbetrieb Mobilität, der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH – FFHG –, dem Landkreis Cochem-Zell und der Ortsgemeinde Lötzbeuren, der zufolge die FFHG einen dort näher bezeichneten Ausbau sowie die Unterhaltung des Wirtschaftsweges übernimmt (vgl. Bl. 604 ff. der Gerichtsakte im Musterverfahren 6 K 963/05.KO). Es wird auch eine Nachfolgeregelung für diese Verpflichtungen sowie eine Ausfallhaftung des Landes Rheinland-Pfalz bestimmt. Mithin ist rechtlich gewährleistet, dass der benannte Wirtschaftsweg, der Teil einer ansonsten über öffentliche Straßen verlaufenden Alternativroute ist, in einem für eine zumutbare Nutzung erforderlichen Zustand erhalten wird. Soweit der Kläger den tatsächlichen Zustand des Wirtschaftsweges angreift, hat die Vertreterin des Beklagten unter Hinweis auf die bestehende Unterhaltungslast der FFHG angegeben, sich sofort mit der unterhaltungspflichtigen Gesellschaft in Verbindung zu setzen, um die beklagten Zustände zu verbessern (vgl. Niederschrift S. 15 f.). Anhaltspunkte dafür, dass trotz geltend gemachter Beanstandungen keine Abhilfe erfolgt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Es gibt auch keine Anhaltspunkte für einen systemisch bedingt schlechten Zustand der Ausweichstrecke im Bereich des Wirtschaftsweges, der die Zumutbarkeit der Route selbst in Zweifel ziehen könnte.

50

Auch hinsichtlich der übrigen Parameter stellt sich die Ausweichstrecke nördlich der B 50 nicht als unzumutbar dar. Im überregionalen Bereich kann von vornherein auch mit Blick auf die landwirtschaftlichen Belange erwartet werden, dass gegebenenfalls Umwege und Behinderungen in Kauf genommen werden oder aber von für das Straßennetz geeigneten Fahrzeugen Gebrauch gemacht wird (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. September 2005 – 7 B 11119/05.OVG –). Bezogen auf die zurückzulegende Strecke sind zwischen der Abfahrt von der B 327 Richtung Lötzbeuren (Beginn der nördlichen Umfahrung) und dem Kreuzungspunkt der B 421 mit der B 50 bei Kirchberg über die B 50 etwa 13 km und auf der Umfahrung etwa 20 km zurück zu legen. Die Differenz von 7 km reduziert sich auf 5 km, wenn man weiter berücksichtigt, dass der Landhandel als typisches Ziel des überregionalen landwirtschaftlichen Verkehrs 1 km nördlich des Kreuzungspunktes der B 421 mit der B 50 an der B 421 liegt. Der zusätzliche zeitliche Aufwand begründet ebenfalls keine Unzumutbarkeit. Aus den Angaben des Klägers, die dieser im Zusammenhang mit der im Musterverfahren durchgeführten Ortsbesichtigung am 14. April 2011 gemacht hat (vgl. Bl. 600 der Gerichtsakte im Musterverfahren 6 K 963/05.KO), ergibt sich, dass über die nördliche Ausweichroute im Vergleich zur Nutzung der B 50 etwa 15 Minuten mehr Fahrzeit benötigt werden. Weder der Umweg noch die zusätzliche Fahrzeit sind unzumutbar.

51

Soweit der Kläger vorträgt, er benötige für den Abschnitt zwischen Büchenbeuren und Rheinböllen „über die vom Beklagten ausgewiesene“ Alternativstrecke 90 Minuten und über die B 50 lediglich etwa 30 Minuten, begründet dies aus mehreren Gründen keine relevante Unzumutbarkeit. Erstens ist der Bereich der B 50 und dessen Umfahrungsmöglichkeit zwischen Simmern/Ost und Rheinböllen nicht Gegenstand des Verfahrens. Zweitens lässt sich dem Vortrag nicht entnehmen, ob im Bereich zwischen Büchenbeuren und Kirchberg die nördliche oder die mehr Zeit in Anspruch nehmende südliche Umfahrung gewählt wurde. Drittens kann die Fahrzeit eines landwirtschaftlichen Gespanns, das die Strecke von Büchenbeuren bis Rheinböllen – mithin etwa 34 km – über die B 50 in etwa 30 Minuten schafft und damit eine durchschnittliche Geschwindigkeit von über 60 km/h gefahren sein muss, für den Zeitvergleich nicht maßstäblich sein, da ein Großteil der betroffenen Fahrzeuge deutlich langsamer unterwegs ist. Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die Zumutbarkeit überhaupt anhand eines Vergleichs der alternativ abgefahrenen Gesamtstrecken anzustellen ist oder ob die typischerweise anzufahrenden Ziele (z.B. Hofstelle, landwirtschaftliche Annahmestelle) den Vergleichsrahmen bilden.

52

Auch die klägerseits geltend gemachten Mehrkosten von 5.000,00 bis 8.000,00 € pro Jahr begründen für sich genommen keine Unzumutbarkeit. Das bisher vorhandene Straßennetz stellte insoweit für die betrieblichen Verhältnisse des Klägers lediglich eine Chance dar, nicht aber eine fest zu beanspruchende Rechtsposition. Auf ein verändertes Straßennetz müssen sich die betrieblichen Verhältnisse des Klägers daher grundsätzlich einstellen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 14. September 2005 – 7 B 11119/05.OVG –). Dies einbeziehend ist eine Unzumutbarkeit der zu tragenden Mehrkosten weder dargelegt noch ersichtlich.

53

Ein Ermessensfehler wird entgegen dem Einwand des Klägers auch nicht dadurch begründet, dass im Planfeststellungsverfahren zum vierbahnigen Ausbau der B 50 keine straßenrechtliche Teileinziehung verfügt worden ist und die Frage des Ausschlusses von langsamem – insbesondere landwirtschaftlichem – Verkehr auf die straßenverkehrsrechtliche Ausweisung als Kraftfahrstraße verlagert wurde. Auch wenn – wie bereits das Verwaltungsgericht im Musterverfahren ausgeführt hat (vgl. Bl. 294 f. der Gerichtsakte im Musterverfahren 6 K 963/05.KO) – das Planfeststellungsverfahrens aufgrund der dortigen Beteiligungsvorschriften besser geeignet ist, die auftretenden Interessenkonflikte zu lösen, war der vom Kläger als zentral benannte Punkt zumutbarer Alternativrouten gleichsam in der straßenverkehrsrechtlichen Ausweisung als Kraftfahrstraße – konkret bei der hier zu treffenden Ermessensentscheidung – zu berücksichtigen. Dass entsprechende Anforderungen an zumutbare Alternativrouten auch im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die straßenverkehrsrechtlichen Ausweisung als Kraftfahrstraße wirksam geltend werden können, hat das Musterverfahren gezeigt. Inzwischen ist auch die Teileinziehung des hier betroffenen Abschnitts der B 50 verfügt, so dass – trotz des hiergegen eingelegten Widerspruchs – aktuell kein Konflikt zwischen Straßen- und Straßenverkehrsrecht ersichtlich ist.

54

Der Beklagte durfte im Rahmen der Ermessensausübung auch die Netzfunktion der B 50 berücksichtigen. Die Einstufung als Straßenzug mit maßgeblicher Verbindungsfunktion A I (großräumige Verbindung), die nach den Richtlinien den Einsatz der Entwurfsklasse EKL 1 vorsieht, die ihrerseits richtliniengemäß als Kraftfahrstraße betrieben werden soll (vgl. Gutachten S. 5), weist insoweit auch nicht allein einen planerischen Bezug auf, sondern beinhaltet gleichsam auch Aspekte der Verkehrssicherheit. Zu diesem Zusammenhang hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass „neben vielen anderen Gründen auch immer ein Sicherheitsproblem die Durchmischung nicht verträglicher Verkehrsarten auf Landstraßen [ist]“ und „[Ü]berall, wo eine Vermischung der Bedeutung großräumiger Verbindungen mit Erschließungsfunktionen der anliegenden Regionen versucht wurde, dies Sicherheitsnachteile gehabt [hat]“ (vgl. Niederschrift S. 9 f.). Auch die Zugehörigkeit zum Transeuropäischen Straßennetz TERN (vgl. dazu Beschluss Nr. 661/2010/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juli 2010 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, Anhang I, Abschnitt 2.5) stellt eine Verbindung zur Verkehrssicherheit dar. Nach der Richtlinie 2008/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur geht es bei dem TERN neben dessen grundlegender Bedeutung für die Integration, für den Zusammenhalt Europas und für eine hohe Lebensqualität insbesondere auch um die Gewährleistung eines hohen Sicherheitsniveaus (vgl. Erwägungsgrund (1), (10) bis (14) der RL 2008/96/EG). Art. 9 Abs. 2 des Beschlusses 661/2010/EU, demzufolge „Das Netz […] den Benutzern einen hohen, einheitlichen und gleichbleibenden Dienstleistungs-, Komfort- und Sicherheitsstandard [garantiert]“, bestätigt, dass das TERN auch auf die Einhaltung bestimmter Sicherheitsvorgaben ausgerichtet ist und bei der Ermessensentscheidung im Rahmen des § 45 Abs. 9 Satz 2 i.V.m. § 45 Abs. 1 StVO diese Belange einzubeziehen sind.

55

Die Ausweisung als Kraftfahrstraße ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Unter Berücksichtigung des der Straßenverkehrsbehörde bei der Auswahl des Mittels zustehenden (fachlichen) Einschätzungsspielraums (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 36 = BVerwGE 138, 21) ist es nicht zu beanstanden, dass andere (mildere) Mittel als nicht gleich geeignet eingestuft wurden, um den von der Zulassung von langsamem – insbesondere landwirtschaftlichem – Verkehr ausgehenden Gefahren (dazu oben unter a.) zu begegnen. Soweit angesichts des maßgeblichen Zeitpunkts auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung abzustellen ist (stRspr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 21 = BVerwGE 138, 21 m.w.N.) und die Straßenverkehrsbehörde die Voraussetzungen für die getroffene Anordnung fortlaufend „unter Kontrolle“ halten muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 28 = BVerwGE 138, 21), ist bei der Frage, ob der Beklagte mildere Mittel bei seiner Entscheidung einbezogen hat, auch zu berücksichtigen, dass der Sachverständige in seinem Gutachten alternative Lösungsmöglichkeiten – insbesondere eine Annäherung der Geschwindigkeiten durch Tempolimits (vgl. Gutachten, S. 19 ff.) – diskutiert und weder für zweckmäßig noch praktikabel gehalten hat (Akzeptanz, Überwachung, Angemessenheit, vgl. Gutachten S. 20 f.). Ebenso hat er in Bezug auf eine Verbesserung der Erkennbarkeit (gelbe Rundumleuchten) ausgeführt, dass dadurch weitere gefahrerhöhende Faktoren (Fahrstreifenwechsel, fehlerhafte Einschätzung von Geschwindigkeitsdifferenzen und Abständen) nicht berührt würden (vgl. Gutachten S. 17). Der Beklagte hat sich die Ausführungen des Sachverständigen mit Schriftsatz vom 8. März 2016 ausdrücklich zu Eigen gemacht und dabei insbesondere die dort erörterten und verneinten Möglichkeiten für ein unter Sicherheitsaspekten verträgliches Miteinander der verschiedenen Verkehrsarten einbezogen. Da andere Maßnahmen zur Gefahrenbeherrschung nicht eindeutig vorzugswürdig gewesen wären – schließlich bliebe das Grundproblem der erheblichen Geschwindigkeitsdifferenzen unberührt –, ist es im Ergebnis unschädlich, wenn sich hierzu keine gesonderten Erwägungen des Beklagten finden (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37.09 –, juris, Rn. 51 = BVerwGE 138, 21).

56

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss

57

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 47, § 52 Abs. 2 GKG).

(1) Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie

1.
zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum,
2.
zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße,
3.
zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen,
4.
zum Schutz der Gewässer und Heilquellen,
5.
hinsichtlich der zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen sowie
6.
zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens, der Verkehrsabläufe sowie zur Erprobung geplanter verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen.

(1a) Das gleiche Recht haben sie ferner

1.
in Bade- und heilklimatischen Kurorten,
2.
in Luftkurorten,
3.
in Erholungsorten von besonderer Bedeutung,
4.
in Landschaftsgebieten und Ortsteilen, die überwiegend der Erholung dienen,
4a.
hinsichtlich örtlich begrenzter Maßnahmen aus Gründen des Arten- oder Biotopschutzes,
4b.
hinsichtlich örtlich und zeitlich begrenzter Maßnahmen zum Schutz kultureller Veranstaltungen, die außerhalb des Straßenraums stattfinden und durch den Straßenverkehr, insbesondere durch den von diesem ausgehenden Lärm, erheblich beeinträchtigt werden,
5.
in der Nähe von Krankenhäusern und Pflegeanstalten sowie
6.
in unmittelbarer Nähe von Erholungsstätten außerhalb geschlossener Ortschaften,
wenn dadurch anders nicht vermeidbare Belästigungen durch den Fahrzeugverkehr verhütet werden können.

(1b) Die Straßenverkehrsbehörden treffen auch die notwendigen Anordnungen

1.
im Zusammenhang mit der Einrichtung von gebührenpflichtigen Parkplätzen für Großveranstaltungen,
2.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, beidseitiger Amelie oder Phokomelie oder mit vergleichbaren Funktionseinschränkungen sowie für blinde Menschen,
2a.
im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel durch vollständige oder zeitlich beschränkte Reservierung des Parkraums für die Berechtigten oder durch Anordnung der Freistellung von angeordneten Parkraumbewirtschaftungsmaßnahmen,
3.
zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen,
4.
zur Erhaltung der Sicherheit oder Ordnung in diesen Bereichen sowie
5.
zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung.
Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die Parkmöglichkeiten für Bewohner, die Kennzeichnung von Fußgängerbereichen, verkehrsberuhigten Bereichen und Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Einvernehmen mit der Gemeinde an.

(1c) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Abweichend von Satz 3 bleiben vor dem 1. November 2000 angeordnete Tempo 30-Zonen mit Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger zulässig.

(1d) In zentralen städtischen Bereichen mit hohem Fußgängeraufkommen und überwiegender Aufenthaltsfunktion (verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche) können auch Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen von weniger als 30 km/h angeordnet werden.

(1e) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen die für den Betrieb von mautgebührenpflichtigen Strecken erforderlichen Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen auf der Grundlage des vom Konzessionsnehmer vorgelegten Verkehrszeichenplans an. Die erforderlichen Anordnungen sind spätestens drei Monate nach Eingang des Verkehrszeichenplans zu treffen.

(1f) Zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen ordnet die Straßenverkehrsbehörde die dafür erforderlichen Verkehrsverbote mittels der Zeichen 270.1 und 270.2 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1g) Zur Bevorrechtigung elektrisch betriebener Fahrzeuge ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen des § 3 Absatz 1 des Elektromobilitätsgesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen an.

(1h) Zur Parkbevorrechtigung von Carsharingfahrzeugen ordnet die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung der Anforderungen der §§ 2 und 3 des Carsharinggesetzes die dafür erforderlichen Zeichen 314, 314.1 und 315 in Verbindung mit dem dazu vorgesehenen Zusatzzeichen mit dem Carsharingsinnbild nach § 39 Absatz 11 an. Soll die Parkfläche nur für ein bestimmtes Carsharingunternehmen vorgehalten werden, ist auf einem weiteren Zusatzzeichen unterhalb dieses Zusatzzeichens die Firmenbezeichnung des Carsharingunternehmens namentlich in schwarzer Schrift auf weißem Grund anzuordnen.

(1i) Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Gebieten mit hoher Fahrradverkehrsdichte, Fahrradzonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Die Anordnung einer Fahrradzone darf sich nicht mit der Anordnung einer Tempo 30-Zone überschneiden. Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn aufzubringen.

(2) Zur Durchführung von Straßenbauarbeiten und zur Verhütung von außerordentlichen Schäden an der Straße, die durch deren baulichen Zustand bedingt sind, können die nach Landesrecht für den Straßenbau bestimmten Behörden (Straßenbaubehörde) – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Verkehrsverbote und -beschränkungen anordnen, den Verkehr umleiten und ihn durch Markierungen und Leiteinrichtungen lenken. Für Bahnübergänge von Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs können nur die Bahnunternehmen durch Blinklicht- oder Lichtzeichenanlagen, durch rot-weiß gestreifte Schranken oder durch Aufstellung des Andreaskreuzes ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer vorschreiben. Für Bahnübergänge von Straßenbahnen auf unabhängigem Bahnkörper gilt Satz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass die Befugnis zur Anordnung der Maßnahmen der nach personenbeförderungsrechtlichen Vorschriften zuständigen Technischen Aufsichtsbehörde des Straßenbahnunternehmens obliegt. Alle Gebote und Verbote sind durch Zeichen und Verkehrseinrichtungen nach dieser Verordnung anzuordnen.

(3) Im Übrigen bestimmen die Straßenverkehrsbehörden, wo und welche Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen anzubringen und zu entfernen sind, bei Straßennamensschildern nur darüber, wo diese so anzubringen sind, wie Zeichen 437 zeigt. Die Straßenbaubehörden legen – vorbehaltlich anderer Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden – die Art der Anbringung und der Ausgestaltung, wie Übergröße, Beleuchtung fest; ob Leitpfosten anzubringen sind, bestimmen sie allein. Sie können auch – vorbehaltlich anderer Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden – Gefahrzeichen anbringen, wenn die Sicherheit des Verkehrs durch den Zustand der Straße gefährdet wird.

(4) Die genannten Behörden dürfen den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken; in dem Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 5 jedoch auch durch Anordnungen, die durch Rundfunk, Fernsehen, Tageszeitungen oder auf andere Weise bekannt gegeben werden, sofern die Aufstellung von Verkehrszeichen und -einrichtungen nach den gegebenen Umständen nicht möglich ist.

(5) Zur Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen und zu deren Betrieb einschließlich ihrer Beleuchtung ist der Baulastträger verpflichtet, sonst der Eigentümer der Straße. Das gilt auch für die von der Straßenverkehrsbehörde angeordnete Beleuchtung von Fußgängerüberwegen.

(6) Vor dem Beginn von Arbeiten, die sich auf den Straßenverkehr auswirken, müssen die Unternehmer – die Bauunternehmer unter Vorlage eines Verkehrszeichenplans – von der zuständigen Behörde Anordnungen nach den Absätzen 1 bis 3 darüber einholen, wie ihre Arbeitsstellen abzusperren und zu kennzeichnen sind, ob und wie der Verkehr, auch bei teilweiser Straßensperrung, zu beschränken, zu leiten und zu regeln ist, ferner ob und wie sie gesperrte Straßen und Umleitungen zu kennzeichnen haben. Sie haben diese Anordnungen zu befolgen und Lichtzeichenanlagen zu bedienen.

(7) Sind Straßen als Vorfahrtstraßen oder als Verkehrsumleitungen gekennzeichnet, bedürfen Baumaßnahmen, durch welche die Fahrbahn eingeengt wird, der Zustimmung der Straßenverkehrsbehörde; ausgenommen sind die laufende Straßenunterhaltung sowie Notmaßnahmen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn sich die Behörde nicht innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags zu der Maßnahme geäußert hat.

(7a) Die Besatzung von Fahrzeugen, die im Pannenhilfsdienst, bei Bergungsarbeiten und bei der Vorbereitung von Abschleppmaßnahmen eingesetzt wird, darf bei Gefahr im Verzug zur Eigensicherung, zur Absicherung des havarierten Fahrzeugs und zur Sicherung des übrigen Verkehrs an der Pannenstelle Leitkegel (Zeichen 610) aufstellen.

(8) Die Straßenverkehrsbehörden können innerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf bestimmten Straßen durch Zeichen 274 erhöhen. Außerhalb geschlossener Ortschaften können sie mit Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden die nach § 3 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe c zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 120 km/h anheben.

(9) Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Dabei dürfen Gefahrzeichen nur dort angeordnet werden, wo es für die Sicherheit des Verkehrs erforderlich ist, weil auch ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auch nicht mit ihr rechnen muss. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Satz 3 gilt nicht für die Anordnung von

1.
Schutzstreifen für den Radverkehr (Zeichen 340),
2.
Fahrradstraßen (Zeichen 244.1),
3.
Sonderwegen außerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237, Zeichen 240, Zeichen 241) oder Radfahrstreifen innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237 in Verbindung mit Zeichen 295),
4.
Tempo 30-Zonen nach Absatz 1c,
5.
verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen nach Absatz 1d,
6.
innerörtlichen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Absatz 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstätten, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern,
7.
Erprobungsmaßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zweiter Halbsatz,
8.
Fahrradzonen nach Absatz 1i.
Satz 3 gilt ferner nicht für Beschränkungen oder Verbote des fließenden Verkehrs nach Absatz 1 Satz 1 oder 2 Nummer 3 zur Beseitigung oder Abmilderung von erheblichen Auswirkungen veränderter Verkehrsverhältnisse, die durch die Erhebung der Maut nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz hervorgerufen worden sind. Satz 3 gilt zudem nicht zur Kennzeichnung der in einem Luftreinhalteplan oder einem Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen nach § 47 Absatz 1 oder 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Umweltzonen nach Absatz 1f.

(10) Absatz 9 gilt nicht, soweit Verkehrszeichen angeordnet werden, die zur Förderung der Elektromobilität nach dem Elektromobilitätsgesetz oder zur Förderung des Carsharing nach dem Carsharinggesetz getroffen werden dürfen.

(11) Absatz 1 Satz 1 und 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 6, Absatz 1a, 1f, 2 Satz 1 und 4, Absatz 3, 4, 5 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1, Absatz 7 sowie Absatz 9 Satz 1 bis 3, 4 Nummer 7 und Satz 6 gelten entsprechend für mit den Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichnete Autobahnen in der Baulast des Bundes für das Fernstraßen-Bundesamt. Absatz 2 Satz 1 und 4 sowie Absatz 3, 4 und 7 gelten entsprechend für Bundesstraßen in Bundesverwaltung für das Fernstraßen-Bundesamt.

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin betreibt im Anwesen A-Straße ... in Ludwigshafen die Gaststätte „…“. Vor dem Lokal befindet sich ein Bürgersteig. In dem gesamten Bereich zwischen der Kreuzung A-Straße/B-Straße und der Kreuzung A-Straße/C-Straße ist das Gehwegparken gemäß Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung – StVO – erlaubt. Entsprechende Verkehrszeichen sind in der A-Straße vor den Anwesen B-Straße ... und C-Straße ... angebracht. Nach den aufgestellten Verkehrszeichen ist das kostenlose Parken auf dem Gehweg für die Dauer von 1 Stunde mittels Parkschein zulässig. Anwohner sind berechtigt, zeitlich unbegrenzt dort zu parken. Der Gehweg inklusive Parkfläche vor dem Gebäude A-Straße .. ist knapp 4 m breit.

2

Die Antragstellerin stellte am 17. März 2016 einen Antrag auf Erteilung einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung für die Zeit vom 1. April 2016 bis 30. September 2016 zwecks Aufstellung von Tischen und Stühlen vor ihrem Lokal. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5. April 2016 ab und führte zur Begründung aus, es sei nicht möglich, vor der Gaststätte Stühle und Tische zwischen den dort befindlichen Bäumen aufzustellen, da es sich um eine Parkfläche handele, die nicht zugestellt werden dürfe.

3

Dagegen legte die Antragstellerin am 3. Mai 2016 Widerspruch ein.

4

Am 20. Juni 2016 hat sie ferner um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt sie aus, bereits der Vorbesitzer der Gaststätte habe eine Ausnahmegenehmigung aus dem Jahre 2007 zum Aufstellen von Tischen und Stühlen auf der Parkfläche vor der Gaststätte gehabt. Zwar sei dort nunmehr eine Parkfläche eingerichtet worden. Die Parkflächen befänden sich aber nicht direkt vor der Gaststätte. Die Möglichkeit der Außenbestuhlung sei für sie, die Antragstellerin, sehr wichtig, da sie sich so weitere Gäste und Besucher erhoffe. Die Angelegenheit sei besonders dringend, da Sommer sei und gerade jetzt die Außenbestuhlung genutzt werde

5

Die Antragstellerin beantragt,

6

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr, der Antragstellerin, als Betreiberin der Gaststätte „…“ in der A-Straße ..., Ludwigshafen am Rhein, vorläufig eine Ausnahmegenehmigung von der Straßenverkehrsordnung für das Aufstellen von Stühlen und Tischen vor der Gaststätte zu erteilen.

7

Die Antragsgegnerin beantragt,

8

den Antrag abzulehnen.

9

Sie trägt vor, durch das Aufstellen von Tischen und Stühlen werde der öffentliche Verkehrsraum beeinträchtigt und erschwert. Bei der herrschenden Verkehrslage sei es nicht möglich, eine Außenbestuhlung zu gestatten. Der vorhandene Gehweg sei nur 1,65 m breit. Eine Bestuhlung würde den gesamten zur Verfügung stehenden Raum einnehmen. Der Fußgängerverkehr wäre gezwungen, auf die Straße auszuweichen. Die Fläche, die als Parkplatz gewidmet sei, könne der Antragstellerin ebenfalls nicht zur Verfügung gestellt werden, denn Parkplätze seien in der A-Straße selten und würden stark genutzt. Des Weiteren müsste die Parkplatzfläche, die für die Bestuhlung genutzt werden solle, mit einer festen Barriere von der Fahrbahn abgetrennt werden, um eine Gefährdung der Gäste zu vermeiden. Dies würde den zur Verfügung stehenden Raum weiter einengen und vermutlich den Verkehr behindern. Soweit sich die Antragstellerin auf eine Ausnahmegenehmigung im Jahr 2008 berufe, führe dies zu keinem Rechtsanspruch, denn maßgebend seien die heutigen Verhältnisse.

10

II.

11

Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr, der Antragstellerin, als Betreiberin der Gaststätte „…“ in der A-Straße ..., … Ludwigshafen am Rhein, vorläufig eine Ausnahmegenehmigung von der Straßenverkehrsordnung für das Aufstellen von Stühlen und Tischen vor der Gaststätte zu erteilen, ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – statthaft und auch ansonsten zulässig.

12

Der Antrag ist in der Sache aber unbegründet.

13

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweiligen Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder um drohende Gefahren zu verhindern oder wenn sie aus anderen Gründen erforderlich ist. Dabei darf grundsätzlich nicht die Hauptsache vorweggenommen werden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz – GG – gewährleisteten Rechtsschutzgarantie jedoch dann, wenn der in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch überwiegend wahrscheinlich ist und wegen des Nichterfüllens dieses Anspruchs schwere, unzumutbare oder nicht anders abwendbare Nachteile drohen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 – 6 VR 3/13 –, NVwZ 2014, 558; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. April 2016 – 7 B 10228/16.OVG –). Diese Voraussetzungen sind wie alle Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZivilprozessordnungZPO – i. V. m. § 123 Abs. 3 VwGO).

14

Vorliegend sind die Voraussetzungen einer solchen Regelungsanordnung nicht gegeben.

15

1. Die Antragstellerin hat bereits nicht den geltend gemachten Anordnungsgrund der besonderen Dringlichkeit glaubhaft gemacht. Der bloße Umstand, dass die Antragstellerin sich durch die Möglichkeit der Außenbestuhlung weitere Gäste und Besucher erhofft und gerade im Sommer die Außenbestuhlung genutzt wird, reicht nicht aus, um einen die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Anordnungsgrund anzunehmen.

16

2. Ungeachtet dessen fehlt es vorliegend auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.

17

Die von der Antragstellerin beabsichtigte Aufstellung von Tischen und Stühlen vor ihrem Lokal in der A-Straße in Ludwigshafen unterfällt der Vorschrift des § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO. Danach ist es verboten, Waren und Leistungen aller Art auf der Straße anzubieten, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Folglich benötigt die Antragstellerin eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 StVO. Diese straßenverkehrsrechtliche Regelung kommt vorliegend – im Verhältnis zum Straßenrecht – zum Zuge.

18

2.1. Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht sind selbständige Rechtsmaterien (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1984 – 2 BvL 10/82 –, NJW 1985, 371) mit unterschiedlichen Regelungszwecken. Mit dem Straßenverkehrsrecht, das nach Art. 74 Nr. 22 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes ist, soll die Teilnahme am Straßenverkehr, vor allem aber dessen Sicherheit und Leichtigkeit gewährleistet werden. Es dient als „sachlich begrenztes Ordnungsrecht“ der Abwehr von typischen Gefahren, die vom Straßenverkehr ausgehen und die dem Straßenverkehr von außen oder durch Verkehrsteilnehmer erwachsen. Aufgabe des zur originären Gesetzgebungskompetenz der Länder gehörenden Straßen- und Wegerechts ist es hingegen, die Rechtsverhältnisse an den öffentlichen Straßen und ihre Bereitstellung für den Verkehr durch Widmung zu regeln. Das Straßenrecht befasst sich daher vor allem mit der Entstehung, der Ein- und Umstufung öffentlicher Straßen und der Abgrenzung von Gemeingebrauch zur Sondernutzung. Beide Rechtsmaterien stehen allerdings in einem sachlichen Zusammenhang. Das Straßenverkehrsrecht setzt, insbesondere durch das Erfordernis der straßenrechtlichen Widmung, das Straßenrecht voraus (sogenannter Vorbehalt des Straßenrechts). Das Straßenverkehrsrecht knüpft an die wegerechtliche Widmung in ihrem gegebenen Bestand an und befasst sich nicht selbst mit ihren Voraussetzungen, insbesondere mit ihrem Umfang (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1981 – 7 C 27/79 –, NJW 1982, 840). Der durch die Widmung eröffnete Gemeingebrauch wird wesentlich vom Straßenverkehrsrecht „mitbestimmt“. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass der Gemeingebrauch im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften eröffnet wird. Hieraus folgt, dass ein Verkehrsvorgang, der im Rahmen der Verkehrsvorschriften liegt, sich gleichzeitig innerhalb des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs bewegt (sogenannter Vorrang des Straßenverkehrsrechts). Der Bund hat von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für das Straßenverkehrsrecht insbesondere im Straßenverkehrsgesetz und zu dessen Ausführung u. a. in der Straßenverkehrsordnung weitgehend abschließend Gebrauch gemacht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Februar 1972 – 1 BvR 111/68 –, NJW 1972, 859). Das gilt auch in Bezug auf das in § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO enthaltene Verbot, für das – der Zielrichtung des Straßenverkehrsrechts entsprechend – tatbestandliche Voraussetzung ist, dass durch die umschriebene Handlung des Anbietens von Waren und Leistungen aller Art auf der Straße „am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können“. Die Abgrenzung der beiden Rechtsgebiete ist also danach vorzunehmen, ob es (im Schwerpunkt) um die Abwehr von Gefahren für den Straßenverkehr geht oder ob einer Überschreitung des Gemeingebrauchs (Sondernutzung) begegnet werden soll (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 11. März 2005 – 5 S 2421/03 –, juris).

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2.2. Danach gilt hier Folgendes:

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Grundsätzlich benötigt die Antragstellerin für die beabsichtigte Außenbewirtschaftung ihrer Gaststätte auf dem Gehweg vor ihrem Lokal in der A-Straße in Ludwigshafen sowohl eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis als auch eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung.

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2.2.1. Bei dem Aufstellen von Tischen und Stühlen auf einer öffentlichen Verkehrsfläche zum gewerblichen Betrieb einer Außenbewirtschaftung einer Gaststätte handelt es sich um eine Nutzung der Straße über den Gemeingebrauch im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 Landesstraßengesetz – LStrG – hinaus und damit um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 1 LStrG (s. z.B. Bay. VGH, Beschluss vom 17. April 2012 – 8 ZB 11.2785 –, juris; VG Neustadt, Urteil vom 11. September 2015 – 4 K 179/15.NW –, GewArch 2016, 81; Scheidler, GewArch 2012, 285). Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Antragstellerin Inhaberin eines an der A-Straße gelegenen Gewerbebetriebs ist. Zwar steht ihr insoweit – in den Grenzen der Verkehrsüblichkeit und Gemeinverträglichkeit (vgl. § 34 Abs. 1 LStrG) – das Recht auf einen gesteigerten Gemeingebrauch (Anliegergebrauch) der Straße in Bezug auf solche Nutzungen zu, auf die sie als Anliegerin spezifisch angewiesen ist. Das Landesstraßengesetz gewährleistet dem Grundeigentümer sowie dem Inhaber eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs das Recht auf Anliegergebrauch indes lediglich in seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kerngehalt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 9. Dezember 2005 – 6 B 11634/05 –, GewArch 2006, 82; VG Neustadt, Beschluss vom 28. August 2015 – 3 L 760/15.NW –, juris). Dazu gehören die Zugänglichkeit eines Grundstücks (§ 39 LStrG) und (bei Gewerbebetrieben) der „Kontakt nach außen“. Dieser gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch von Nicht-Anliegern gesteigerte Schutz reicht indessen nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums oder Bestand und Ausübung des Gewerbebetriebs eine Benutzung der Straße unabdingbar erfordern (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987 – 7 C 60/85 –, NJW 1988, 432). Dazu zählt das Aufstellen von Tischen und Stühlen auf der öffentlichen Verkehrsfläche vor einem Gewerbebetrieb nicht.

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2.2.2. Für die vorgesehene Außenbewirtschaftung der Antragstellerin ist aber auch eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung erforderlich. Wie oben ausgeführt, ist nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO das Anbieten von Waren und Leistungen aller Art auf der Straße verboten, wenn dadurch Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Von diesem Verbot können die Straßenverkehrsbehörden nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 StVO in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen. Ein Nachweis konkret entstandener Verkehrsgefahren oder -unfälle ist für die Anwendung dieser Vorschrift nicht erforderlich, weil das mit Art. 12 GG vereinbare Verbot nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 33 Abs. 1 StVO bereits dann eingreift, wenn Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden „können“; eine abstrakte Gefahr reicht damit bereits aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1993 – 11 C 44/92 –, GewArch 1994, 389). Diese liegt vor, wenn angesichts des jeweiligen Verhaltens oder Zustands nach generalisierender Betrachtung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Störung aufzutreten pflegt (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 33 StVO Rn. 9 m.w.N.). Dies kann z.B. bei breitem Aufstellen von Kisten mit Waren auf dem Gehsteig (vgl. VG Neustadt, Beschluss vom 15. März 2012 – 4 L 195/12.NW –, GewArch 2012, 220) oder beim Betreiben eines Bauchladen-Würstchengrills (vgl. VG Berlin, Urteil vom 5. September 2001 – VG 25 A 239.98 –, NZV 2002, 55) der Fall sein.

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Vorliegend wäre bei einer Aufstellung von Tischen und Stühlen unmittelbar vor der Gaststätte der Antragstellerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Störung des Fußgängerverkehrs zu rechnen. Zwar ist der Gehweg vor dem Anwesen der Antragstellerin insgesamt ca. 4 m breit. Jedoch ist in dem gesamten Bereich nördlich der A-Straße zwischen der Kreuzung A-Straße/B-Straße und der Kreuzung A-Straße/C-Straße das Gehwegparken gemäß Zeichen 315 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO erlaubt. Die entsprechenden Verkehrszeichen sind vor den Anwesen B-Straße ... und C-Straße ... angebracht (s. dazu die von der Antragsgegnerin dem Gericht übermittelten Lichtbilder). Anfang und Ende der Gehwegparkstrecke sind durch von der Fahrbahn hin wegweisende weiße Pfeile auf dem Zeichen 315 gekennzeichnet (s. Anlage 3 Nr. 10 Spalte 3 Erläuterung Nr. 1 zu § 42 Abs. 2 StVO; s. dazu die Lichtbilder auf Blatt 28 der Gerichtsakte). Zwischen den an den beiden Kreuzungen angebrachten Verkehrszeichen befinden sich keine weiteren Verkehrszeichen, die diese Regelung teilweise aufheben, so dass die durch Zeichen 315 eingeräumte Erlaubnis des Gehwegparkens in dem gesamten Bereich gilt. Auf die unterschiedliche Farbgestaltung des Bodenbelags kommt es in diesem Zusammenhang nicht an; insbesondere kann darin keine Parkflächenmarkierung (s. Anlage 2 Nr. 74 Spalte 3 zu § 41 Abs. 1 StVO) gesehen werden. Unzulässig ist das Gehwegparken zwischen den beiden Kreuzungen gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2 StVO daher nur vor den Grundstücksein- und -ausfahrten der nördlich angrenzenden Anwesen, also z.B. der Hofeinfahrt des Gebäudes A-Straße .... Der Einwand der Antragstellerin, die Parkflächen befänden sich nicht direkt vor dem Eingang zu ihrer Gaststätte ist somit unzutreffend.

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Unter Abzug der Fläche für das Gehwegparken ist der Bürgersteig nach Angaben der Antragsgegnerin auf der Höhe der Gaststätte der Antragstellerin noch 1,65 m breit. Diese Breite ist offenkundig nicht ausreichend, um im Falle der Aufstellung von Tischen und Stühlen zur Außenbewirtschaftung auf dieser Fläche den (gefahrlosen) Fußgängerverkehr – gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVO müssen Fußgänger den Gehweg benutzen – zu gewährleisten. Vielmehr ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer Störung des Fußgängerverkehrs zu rechnen.

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Gehwege dienen nach ihrer Zweckbestimmung primär der Sicherheit von Fußgängern, weil sie den langsamsten und schutzbedürftigsten Verkehrsteilnehmern einen eigenen, von den übrigen Verkehrsarten abgegrenzten Verkehrsraum überlassen. In welcher Breite Gehwege hergestellt werden, kann die Gemeinde als Trägerin der Straßenbaulast für die jeweilige Straße entscheiden. Innerhalb des ihr dabei eingeräumten Planungsspielraums (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1972 – IV C 15.71 –, BVerwGE 40, 177) hat die Gemeinde die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Januar 1991 – 8 C 14.89 –, NVwZ 1992, 492). Gehwege müssen jedoch eine Mindestbreite aufweisen, die ein sicheres Begehen – getrennt vom Autoverkehr auf der Fahrbahn – ermöglicht (Bay. VGH, Urteil vom 11. Juni 2002 – 6 B 97.2355 – juris).

26

Konkrete Aussagen zur Bemessung von Gehwegen finden sich in den von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen in Köln im Jahre 2007 herausgegebenen Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06). Bei diesem Regelwerk handelt es sich um die sachverständige Konkretisierung moderner Grundsätze des Straßenbaus (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1989 – 8 C 6/88 –, NVwZ 1990, 165). Die Sachverständigenaussagen enthalten auf der Grundlage standardisierter Vorgaben Maßstäbe dafür, wie Verkehrsanlagen im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs entsprechend ihrer Funktion auszuführen und zu gestalten sind. Den in den Richtlinien enthaltenen Maßangaben kommt zwar keine verbindliche Wirkung im Sinne einer Norm zu. Die darin empfohlenen Breiten für die einzelnen Entwurfselemente stellen aber im Kern Orientierungswerte dar, die als Hilfe bei Planung und Entwurf nicht starr angewandt zu werden brauchen. Die Gemeinden können bei der Entwurfsplanung anhand der konkreten örtlichen Situation im notwendigen Umfang hiervon abweichen (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 11. Juni 2002 – 6 B 97.2355 – juris).

27

Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen gehen davon aus, dass das Grundmaß für den „Verkehrsraum“ des Fußverkehrs auf den Begegnungsfall bzw. das Nebeneinandergehen von zwei Personen ausgerichtet ist und daher 1,80 m betragen soll. Hinzukommen soll ein seitlicher Sicherheitsraum von 0,50 m Abstand zu einer Fahrbahn oder einem Längs-Parkstreifen und 0,20 m Abstand zu einem Gebäude. Dadurch ergebe sich ein „lichter Raum“ bzw. als „Regelbreite“ das absolute Mindestbreite für Seitenraum-Gehwege von 2,50 m (RASt 06, Nr. 6.1.6.1).

28

Es bedarf keiner Entscheidung, welche (idealtypische) Mindestbreite ein Gehweg haben soll (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 11. Juni 2002 – 6 B 97.2355 – juris: fahrbahnbegleitende Gehwege sollen nach Möglichkeit nicht schmaler als 2,00 m sein). Jedenfalls darf eine Verschmälerung zur Wahrung der Funktionsfähigkeit nicht so weit gehen, dass ein sicheres Begehen der Fußgänger nicht mehr gewährleistet ist. Dies wäre hier aber offenkundig der Fall. Folglich benötigt die Antragstellerin vorliegend auch eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO.

29

2.2.3. Für den Fall, dass sowohl eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis als auch eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung erforderlich ist, bestimmt § 41 Abs. 7 Satz 1 LStrG, dass es keiner Erlaubnis nach § 41 Abs. 1 LStrG bedarf, sofern nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist. Die genannte Vorschrift will nach ihrem Sinn und Zweck vermeiden, dass in den Fällen, in denen eine Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung nach dem Straßenverkehrsrecht notwendig ist, zusätzlich noch eine gesonderte wegerechtliche Erlaubnis einzuholen ist. Sie dient auf diese Weise der Verfahrenskonzentration (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1993 – 11 C 44/92 –, GewArch 1994, 389; Grupp in: Marschall, Bundesfernstraßengesetz, 6. Auflage 2012, § 8 Rn. 26).

30

Da es vorliegend primär nicht darum geht, ob einer Überschreitung des Gemeingebrauchs begegnet werden soll sondern im Schwerpunkt um die Abwehr von Gefahren für den Fußgängerverkehr auf der A-Straße vor dem Lokal der Antragstellerin, greift hier § 41 Abs. 7 Satz 1 LStrG ein. Es ist daher zu prüfen, ob die Antragstellerin einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 StVO glaubhaft gemacht hat. Dies ist zu verneinen.

31

Die Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 9 StVO setzt Gründe voraus, die das öffentliche Interesse an dem Verbot überwiegen, von dem dispensiert werden soll; sie darf das Schutzgut der Vorschrift nicht wesentlich beeinträchtigen. Bei der Entscheidung über eine Ausnahme von einem Verkehrsverbot hat die Straßenverkehrsbehörde dem mit dem Verbot verfolgten öffentlichen Interesse die besonderen Belange des von dem Verbot Betroffenen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüberzustellen (BVerwG, Urteil vom 22. Dezember 1993 – 11 C 45.92 –, NZV 1994, 244). Die Belange des Betroffenen sind auch insoweit einzubeziehen, als sie keinen grundrechtlichen Schutz genießen. Es können grundsätzlich aber auch grundrechtlich geschützte Belange von einem vorrangigen öffentlichen Interesse verdrängt werden. Ferner setzt § 46 Abs. 1 Nr. 9 StVO eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde – hier der Antragsgegnerin als Straßenverkehrsbehörde im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts – voraus. Bei Verwaltungsakten, die im Ermessen der Behörde stehen, kann die Verpflichtung zum Erlass des begehrten Verwaltungsakts nur ausgesprochen werden, wenn angesichts der konkreten Umstände des Falles nur eine einzige, bestimmte Entscheidung in Betracht kommt, die nicht ermessensfehlerhaft wäre (sog. Ermessensreduktion auf Null). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, da die Breite des verbleibenden Gehwegs vor der Gaststätte der Antragstellerin von 1,65 m nicht ausreicht, um eine Außenbewirtschaftung auf dieser Fläche ohne Störung des Fußgängerverkehrs zu ermöglichen. Selbst wenn die Antragstellerin Tische und Stühle unmittelbar neben die Hauswand der Gaststätte stellen würde, wäre der für einen Fußgänger erforderliche „Gehraum“ in der Breite von 0,75 m nicht gewährleistet und kann daher nicht hingenommen werden.

32

2.2.4. Schließlich weist die Kammer noch darauf hin, dass dem Antrag der Antragstellerin auch dann nicht stattgegeben werden könnte, wenn man ihr Begehren dahingehend auslegen würde, ihr das Aufstellen von Tischen und Stühlen zur Außenbewirtschaftung auf den Parkflächen vor dem Lokal zu erlauben. Zwar wäre dann bei Annahme einer fehlenden Gefährdung des Verkehrs keine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung sondern „nur“ eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis erforderlich. Aber auch auf diese hätte die Antragstellerin keinen Anspruch, da im Falle der Erteilung der Erlaubnis zwei öffentliche Parkplätze wegfallen würden (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 11. September 2015 – 4 K 179/15.NW –, GewArch 2016, 81).

33

Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang eingewandt hat, dem Vorbesitzer sei in den Jahren 2006 und 2007 auch das Aufstellen von Tischen und Stühlen vor der Gaststätte erlaubt worden, kann sie daraus nichts zu ihren Gunsten herleiten. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass es in den Jahren 2006 und 2007 die heutige Parkregelung noch nicht gab. Ungeachtet dessen besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von Tischen und Stühlen vor einer Gaststätte auf einem öffentlichen Parkplatz mit der Begründung, dies sei einem anderen Gastwirt in der näheren Umgebung erlaubt worden (vgl. Bay. VerfGH, Entscheidung vom 16. Mai 2011 – Vf. 73-VI-10 –, GewArch 2011, 498; VG Neustadt, Urteil vom 11. September 2015 – 4 K 179/15.NW –, GewArch 2016, 81; Scheidler, GewArch 2012, 285, 287 f.).

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

35

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2, 63 Gerichtskostengesetz – GKG –. Wegen der Vorwegnahme der Hauptsache ist eine Halbierung des Streitwerts nicht angezeigt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.