Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 08. Sept. 2016 - 4 K 395/16.NW
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen eine vom Beklagten den Beigeladenen nachträglich erteilte Baugenehmigung.
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Die Klägerin ist seit 2013 Alleineigentümerin des von ihr und ihrem Ehemann seit 1966 bewohnten Grundstücks mit der Flurstück-Nr. ...., A-Straße .. in Haßloch. Östlich grenzt das ebenfalls im Eigentum der Klägerin stehende über 1.200 m² große Grundstück Flurstück-Nr. …… an, das als Garten genutzt wird. Die Beigeladenen sind seit 1994 Eigentümer des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks Flurstück-Nr. 6483/1, A-Straße ... Dieses grenzt im Osten vollständig an das Gartengrundstück des Beigeladenen an.
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Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Skizze dienen:
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Die Grundstücke Flurstück-Nrn. .... und …. liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „A-Straße“ der Gemeinde Haßloch aus dem Jahre 1995, geändert im Jahre 1999. Dieser weist das gesamte Plangebiet als Mischgebiet aus. Das Grundstück mit der Flurstück-Nr. …... befindet sich nur teilweise innerhalb der Grenzen des Bebauungsplans. Gemäß Ziffer 5.4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung, die nach Rechtskraft des Bebauungsplanes errichtet werden, nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zulässig. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung können nach den Festsetzungen die Werte in Anpassung an die vorhandene Bebauung gemäß § 17 Abs. 9 Baunutzungsverordnung für die bereits bebauten Grundstücke überschritten werden.
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Der Bebauungsplan weist auf dem Grundstück der Beigeladenen mit der Flurstück-Nr. ….. neben einem vorhandenen Wohngebäude ein bestehendes Nebengebäude aus, das sich 5 m außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche und der Baugrenze befindet. Auch auf dem Grundstück der Klägerin, Flurstück-Nr. .... weist der Bebauungsplan ein vorhandenes Nebengebäude auf, das sich ebenfalls 5 m außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen befindet.
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Das Wohngebäude und auch der Anbau der Beigeladenen wurden bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans errichtet und werden im Bebauungsplan als grenzständige Bestandsgebäude dargestellt. Baugenehmigungsunterlagen hierzu sind beim Beklagten nicht auffindbar.
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Nachdem im Jahre 1987 der damalige Eigentümer des Grundstücks Flurstück-Nr. ……, Herr C, den vorhandenen grenzständigen Anbau um ein weiteres Geschoss erhöhen wollte, beschwerte sich die Klägerin über die Bauarbeiten. Am 23. Juni 1987 erteilte der Beklagte Herrn C daraufhin eine Baugenehmigung zum „Umbau des Nebengebäudes“ des Anbaus. Auf diesem Anbau befindet sich mindestens seit 1987 ein Balkon unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Klägerin mit der Flurstück-Nr. ……. Im Jahre 1990 ersteigerte ein Immobilienmakler das Grundstück Flurstück-Nr. ….. und schließlich erwarben die Beigeladenen dieses Grundstück im Jahre 1994. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Anbau nach Angaben der Beigeladenen bereits zu Wohnzwecken genutzt. Nach dem Einzug der Beigeladenen nutzten zunächst deren Sohn und anschließend deren Tochter das an den Balkon im Obergeschoss angrenzenden Raum als Kinder- bzw. Jugendzimmer.
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Im September 2008 beantragte der Beigeladene zu 2) die Erteilung einer Baugenehmigung für die zuvor bereits vorgenommene Überdachung des Balkons an der Grenze zum Grundstück der Klägerin mit der Flurstück-Nr. …... In den eingereichten Bauplänen war im Grundriss Obergeschoss des Anbaus ein Kinderzimmer direkt anschließend an das Elternschlafzimmer im Hauptgebäude eingezeichnet. Die Klägerin, die dem Baugenehmigungsverfahren beteiligt wurde, war nicht bereit, der Überdachung des Balkons zuzustimmen. Mit Bescheid vom 24. September 2009 lehnte der Beklagte daraufhin den Bauantrag des Beigeladenen zu 2) ab.
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Die Klägerin ging wegen der Balkonüberdachung zivilrechtlich gegen die Beigeladenen vor. Mit Urteil vom 18. April 2012 – 2 S 369/11 – wies das Landgericht Frankenthal die Berufung der Klägerin gegen das zuvor ergangene Urteil des Amtsgerichts Neustadt vom 27. Oktober 2011 u.a. mit der Begründung zurück, die geltend gemachten Ansprüche der Klägerin seien verjährt.
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Wegen der Nutzung des Anbaus zu Wohnzwecken verlangte der Beklagte von den Beigeladenen in der Folgezeit einen entsprechenden Nutzungsänderungsantrag. Diesen reichten die Beigeladenen am 24. Februar 2015 ein und baten um Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Abstellraums in Wohnraum. Das im 1. Obergeschoss des Nebengebäudes befindliche Zimmer sollte danach als Kinderzimmer genutzt werden. Zudem beantragten die Beigeladenen eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Überschreitung des Baufensters durch die Wohnnutzung um 2,5 m. Die Eigentümer der nördlich und südlich angrenzenden Nachbargrundstücke, Flurstück-Nrn. …. und ….. stimmten dem Bauvorhaben zu. Die Gemeinde Haßloch erteilte das Einvernehmen zu einer Befreiung bezüglich der Überschreitung des Baufensters mit einer Hauptnutzung bis zu einem Maß von 2 m.
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Der Beklagte informierte die Gemeinde Haßloch daraufhin, dass für das beantragte Bauvorhaben gemäß § 8 Abs. 12 Landesbauordnung – LBauO – keine Abstandsflächen nachzuweisen seien. Die Gemeinde Haßloch hielt an ihrer Entscheidung, das Einvernehmen nur eingeschränkt zu erteilen, fest.
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Mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 erteilte der Beklagte den Beigeladenen im vereinfachten Genehmigungsverfahren die Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Abstellraums in einen Wohnraum unter Ersetzung des nur eingeschränkt erteilten Einvernehmens der Gemeinde Haßloch.
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Hiergegen legte die Klägerin am 28. Oktober 2015 Widerspruch mit der Begründung ein, die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze sie in ihren nachbarlichen Rechten. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans lägen nicht vor. Durch die Überschreitung des Baufensters werde gerade von solchen nachbarlichen Interessen abgewichen, für die der Bebauungsplan einen Ausgleich geschaffen habe. Der Beklagte habe das gemeindliche Einvernehmen rechtswidrig ersetzt. Wenn die Gemeinde Haßloch aufgrund ihrer Planungshoheit auf eine Einhaltung der Abstandsflächen bestehe, könne der Beklagte dies nicht einfach durch eine Ersetzung des Einvernehmens umgehen. Weder das Nebengebäude selbst (einschließlich des so bezeichneten Balkons) noch seine derzeitige Nutzung seien baurechtlich legal. Die Nutzungsänderung des Nebengebäudes sei nicht genehmigungsfähig, da der notwendige Grenzabstand von mindestens 3 m nicht eingehalten werde. Die Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 12 LBauO sei nicht anwendbar, da die Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt seien. So sei das Nebengebäude nur bei seiner ursprünglichen Errichtung zulässig gewesen, als es noch nicht über Aufenthaltsräume verfügt habe. Auf ein solches Gebäude ohne Aufenthaltsräume finde § 8 Abs. 12 LBauO keine Anwendung. Hinsichtlich der auf dem Nebengebäude errichteten Plattform handele es sich nicht um einen Balkon, sondern um eine illegal errichtete Terrasse. Da aufgrund der Nutzung der Terrasse zu Wohnzwecken auf das Grundstück der Klägerin die gleichen Wirkungen ausgingen wie von einem oberirdischen Gebäude, sei nach § 8 Abs. 8 Satz 1 LBauO zwingend ein Grenzabstand einzuhalten. Hiervon entbinde auch nicht § 8 Abs. 9 Salz 1 LBauO, da die 3,55 m hohe Brüstungsmauer der Terrasse die zulässige Wandhöhe von 3,20 m überschreite. Selbst wenn man die Plattform als Balkon einstufe, sei sie ordnungsrechtlich unzulässig, da ein solcher nach § 8 Abs. 5 Satz 2 LBauO eine Abstandsfläche von mindestens 2,00 m erfordere.
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Der Kreisrechtsausschuss des Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2016 zurück. Zur Begründung führte der Kreisrechtsausschuss aus, das Vorhaben der Beigeladenen verstoße nicht gegen hier zu prüfende Vorschriften. Die Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenzen (Überschreitung des Baufensters) hätten hier keine nachbarschützende Funktion. Weder aus der Begründung noch aus den Festsetzungen des Bebauungsplans sei zu entnehmen, dass die Gemeinde im rückwärtigen Grundstücksbereich einen unantastbaren Ruhebereich habe schaffen wollen, der auch dem Nachbarschutz diene.
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Das Rücksichtnahmegebot sei ebenfalls nicht verletzt. Das folge schon daraus, dass das Vorhaben die Abstandsflächenvorschriften einhalte. Das Vorhaben der Beigeladenen müsse nämlich gemäß § 8 Abs. 12 Satz 1 LBauO keine Abstandsflächen einhalten. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen vor. Bei dem hinteren Anbau handele es sich um ein in zulässiger Weise errichtetes Gebäude, da der den Umbau des Nebengebäudes (Änderung der Dachkonstruktion des Anbaus) mit Bescheid vom 23. Juni 1987 genehmigt worden sei. Diese Genehmigung habe das grenzständige Nebengebäude legalisiert. Bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans bestehende und im Bebauungsplan als vorhanden ausgewiesene Nebengebäude hätten toleriert werden sollen. Das Gebäude diene der Innenentwicklung der Gemeinde im Sinne des § 8 Abs. 12 Nr. 2 LBauO. Aufgabe dieser zukunftsgerichteten städtebaulichen Entwicklung sei es, bereits bestehende, erschlossene Bauflächen im Innenbereich durch eine bauliche Verdichtung auszunutzen und auf die Inanspruchnahme landschaftlicher, im Außenbereich liegender Flächen als Bauflächen weitestgehend zu verzichten. Dieses Ziel könne durch die vorliegend begehrte Nutzungsänderung erreicht werden, da durch die Schaffung von Wohnraum in dem Nebengebäude und die damit einhergehende Ausnutzung der bereits bestehenden, erschlossenen Bausubstanz die Inanspruchnahme von Grünflächen im Außenbereich vermieden werden könne. Das Gebäude verfüge auch über eine erhaltenswerte Substanz und werde durch die Nutzungsänderung in seiner äußeren Gestalt in keiner Weise verändert.
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Da für das Bauvorhaben der Beigeladenen gemäß § 8 Abs. 12 LBauO keine Abstandsflächen nachzuweisen seien, könne auch nicht festgestellt werden, dass von der Nutzungsänderung am Nebengebäude rücksichtslose, erdrückende Wirkungen oder unzumutbare Belästigungen auf das Grundstück der Klägerin ausgingen. Deren Grundstück sei im Bereich der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beigeladenen unbebaut, so das durch das Bauvorhaben keinerlei Beeinträchtigungen zu erwarten seien, durch welche bei der Klägerin der Eindruck des Eingesperrtseins oder eine Verletzung ihrer Privatheit hervorgerufen werden könne. Auch sei weiterhin eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung des Grundstücks der Klägerin gewährleistet.
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Die Klägerin hat am 24. Mai 2016 Klage erhoben. Sie führt aus, das Nebengebäude der Beigeladenen sei offenbar schon vor dem Kauf der Immobilie baurechtlich illegal genutzt worden. Insbesondere seien die Räume im Erdgeschoß (Waschküche/Abstellraum) und der Abstellraum im Obergeschoß im Nebengebäude tatsächlich baurechtswidrig als Aufenthaltsräume zum Wohnen genutzt worden. Ebenfalls baurechtswidrig sei bereits zu diesem Zeitpunkt eine über die Abschlusswand des Nebengebäudes erreichbare, über der ehemaligen Waschküche/Abstellraum gelegene Terrasse, die nachträglich von dem Beklagten am 23. Juni 1987 als sogenannte Balkonbrüstung genehmigt worden sei, zu Wohnzwecken genutzt worden.
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Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung verletze sie, die Klägerin, auch in ihren Nachbarrechten, soweit in der Baugenehmigung eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes zugelassen werde. Mit der Befreiung werde an der gemeinsamen hinteren Grenze eine Wohnnutzung genehmigt, die die hintere Baugrenze um 2,50 m überschreite. Die die Nutzungsänderung im 1. Obergeschoß des Nebengebäudes betreffende Genehmigung befreie hier auch - entgegen der Auffassung des Beklagten - von einer nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplans, ohne dass die gesetzlichen Befreiungsvoraussetzungen gegeben seien. Die Festsetzungen des Bebauungsplans „Meckenheimer Straße“ zur überbaubaren Grundstücksfläche dienten auch dem Nachbarschutz. Dem Bebauungsplan sei zu entnehmen, dass mit der Baulinien- und Baugrenzenfestsetzung auch ein nachbarschaftliches Austauschverhältnis habe begründet und nach dem Willen des Ortsgesetzgebers ein gegenseitiges Verhältnis der Rücksichtnahme geschaffen werden sollen, sodass der hinteren Baugrenze nachbarschützende Wirkung beizumessen sei. Die entgegen des Planungswillens der Gemeinde gleichwohl in der Baugenehmigung vorgenommene Ersetzung des Einvernehmens durch die Bauaufsichtsbehörde sei deshalb rechtswidrig erfolgt.
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Die Baugenehmigung hätte auch nicht im vereinfachten Verfahren des § 66 Abs. 1 LBauO erteilt werden dürfen, weil der Beklagte ganz offensichtlich auch bauordnungsrechtliche Vorschriften geprüft und angewandt habe. Die Voraussetzungen des geprüften § 8 Abs. 12 LBauO lägen im Übrigen nicht vor.
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Die Klägerin beantragt,
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die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 15. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2016 aufzuheben
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und
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die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 8 Abs. 12 LBauO seien gegeben.
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Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
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Sie schließen sich den Ausführungen des Beklagten an und führen ergänzend aus, die Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenzen hätten keine nachbarschützende Funktion. Es sei angesichts der konkreten Situation auch nicht zu erkennen, dass der Bebauungsplan bei dem Acker der Klägerin jenseits des Plangebiets im rückwärtigen Grundstücksbereich einen unantastbaren Ruhebereich habe schaffen wollen, der auch dem Nachbarschutz diene.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2016.
Entscheidungsgründe
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Die Klage kann keinen Erfolg haben.
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1. Die Klage ist allerdings zulässig.
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1.1. Die Klägerin ist gemäß § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – klagebefugt. Insbesondere kann sie sich auch auf die mögliche Verletzung der drittschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschrift des § 8 Landesbauordnung – LBauO – berufen, obwohl die angegriffene Baugenehmigung vom 15. Oktober 2015 im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilt wurde. Zwar hat dies grundsätzlich zur Folge, dass nach § 66 Abs. 4 LBauO die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 LBauO nicht zu prüfen ist. Eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Baugenehmigung hat nur Wirkung in Bezug auf öffentlich-rechtliche Vorschriften, die in diesem Verfahren zu überprüfen waren. Bezüglich der übrigen gesetzlichen Regelungen enthält die Genehmigung weder eine Feststellung noch eine Freigabe, so dass sie insoweit auch weder den Bauherrn begünstigt, indem sie die Übereinstimmung des Vorhabens mit allen Vorschriften des öffentlichen Rechts feststellt, noch den Nachbarn belasten kann. Dieser ist daher durch die Baugenehmigung hinsichtlich der nicht geprüften Vorschriften nicht in seinen Rechten betroffen im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18. November 1991 – 8 B 11955/91 –, NVwZ-RR 1992, 289).
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Allerdings ist die Bauaufsichtsbehörde nicht daran gehindert, die – entsprechend dem eingeschränkten Prüfungsprogramm – beschränkte Feststellungswirkung einer Baugenehmigung um weitere Feststellungen zur Vereinbarkeit des Vorha-bens auch mit bauordnungsrechtlichen Vorschriften zu ergänzen (OVG Rhein-land-Pfalz, Urteil vom 22. November 2011 – 8 A 10636/11 –, LKRZ 2012, 153). Für eine solche Verfahrensweise besteht insbesondere dann Anlass, wenn bereits im vereinfachten Genehmigungsverfahren Einwendungen des Nachbarn hinsichtlich der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens vorliegen oder zu erwarten sind und die Behörde deshalb ohnehin gehalten ist, sich mit einem Begehren auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten zu befassen. Ist die Behörde zur isolierten Feststellung der bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit befugt, bestehen keine Hinderungsgründe, diese Regelung mit der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu erteilenden „schlanken“ Baugenehmigung zu verbinden (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. November 2011 – 8 A 10636/11 –, LKRZ 2012, 153). Hat daher die Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren oder der Rechtsausschuss im Widerspruchsverfahren abweichend vom gesetzlich vorgegebenen Prüfungsprogramm tatsächlich bestimmte bauordnungsrechtliche Vorschriften geprüft, werden diese Regelungsinhalt der Baugenehmigung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. Mai 1993 – 8 B 11124/93.OVG – u.a. zum Widerspruchsverfahren).
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Vorliegend hat sowohl die Ausgangsbehörde in der Baugenehmigung vom 15. Oktober 2015 als auch der Kreisrechtsausschuss des Beklagten in dem Widerspruchsbescheid vom 26. April 2016 tatsächlich die Einhaltung der Vorschrift des § 8 LBauO geprüft. Auch wenn die Einhaltung des § 8 LBauO im Rahmen der Ersetzung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 2 Baugesetzbuch – BauGB – i.V.m § 71 LBauO erfolgte, enthält die streitgegenständliche Baugenehmigung eine entsprechende bauordnungsrechtliche Aussage in Bezug auf den § 8 LBauO und war damit Regelungsinhalt der Baugenehmigung geworden (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 23. Juli 2015 – 4 K 43/15.NW –, juris m.w.N.). Hat aber eine faktische Prüfung der Abstandsflächen stattgefunden, ist ein Nachbar im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO befugt, sich auf einen möglichen Verstoß gegen § 8 LBauO zu berufen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 24. Mai 1993 – 8 B 11124/93.OVG – und 28. Mai 1993 – 8 B 11148/93.OVG –; VG Neustadt, Beschluss vom 7. August 2014 – 3 L 644/14.NW –, juris und Urteil vom 23. Juli 2015 – 4 K 43/15.NW –, juris
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1.2. Die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben. Insbesondere fehlt der Klage nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Da die Klägerin rechtzeitig gegen die Baugenehmigung vom 15. Oktober 2015 Widerspruch und Anfechtungsklage erhoben hat, scheidet eine – zur Unzulässigkeit der Klage führende (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 14. Juli 2015 – 2 Bs 131/15 –, juris) – Verwirkung einer verfahrensrechtlichen Position aus (näher zur Unterscheidung von verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Rechtspositionen s. BVerwG, Beschluss vom 18. März 1988 – 4 B 50/88 –, NVwZ 1988, 730).
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2. Die Klage ist in der Sache aber unbegründet.
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Die angefochtene Baugenehmigung vom 15. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2016 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin kann als Nachbarin zunächst nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte habe zu Unrecht das fehlende Einvernehmen der Gemeinde Haßloch zu dem Vorhaben der Beigeladenen ersetzt (2.1.). Ferner kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, der Beklagte habe den Beigeladenen zu Unrecht eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt (2.2.). Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob die angefochtene Baugenehmigung gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift des § 8 LBauO verstößt (2.3.). Denn die Klägerin hat jedenfalls ihr diesbezügliches materiell-rechtliches Abwehrrecht schon vor und unabhängig von der Erteilung der Baugenehmigung vom 15. Oktober 2015 verwirkt (2.4.).
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2.1. Soweit die Klägerin gerügt hat, die entgegen des Planungswillens der Gemeinde Haßloch vom Beklagten in der Baugenehmigung vorgenommene Ersetzung des Einvernehmens sei rechtswidrig erfolgt, kann sie damit im vorliegenden Verfahren nicht gehört werden.
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Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen. Hiervon hat der rheinland-pfälzische Gesetzgeber Gebrauch gemacht, indem er in § 2 Nr. 1 der Landesverordnung über Zuständigkeiten nach dem BauGB die nach § 71 LBauO zuständige Behörde zur zuständigen Behörde zur Ersetzung des Einvernehmens nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB bestimmt hat.
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Die Vorschrift des § 36 BauGB betrifft allerdings ausschließlich das Verhältnis einer Gemeinde zur zuständigen Bauaufsichtsbehörde. Die Mitwirkung der Gemeinde nach § 36 BauGB sichert die gemeindliche Planungshoheit als Teil des verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz – GG –). Die Gemeinde bedarf dieses Schutzes, wenn sie nicht mit der Bauaufsichtsbehörde identisch ist, um der Gefahr zu begegnen, dass Bauvorhaben über ihren Kopf hinweg genehmigt werden. § 36 Abs. 1 BauGB dient aber nicht – auch nicht neben anderen Zwecken – dem Interesse des Bürgers, räumt ihm mithin keine Verfahrensrechte ein und gibt ihm damit nicht die Möglichkeit, einen etwa vorliegenden Verstoß gegen die aus § 36 Abs. 1 BauGB folgenden Beteiligungspflichten mit Erfolg zu rügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1967 – IV C 94.66 –, BVerwGE 28, 268; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juni 2014 – OVG 10 S 29.13 –, juris; VG Neustadt, Urteil vom 18. April 2016 – 3 K 818/14.NW –, juris).
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2.2. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte habe den Beigeladenen zu Unrecht eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt, wonach Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 1 Baunutzungsverordnung – BauNVO – nur innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zulässig seien. Abgesehen davon, dass der Beklagte in der angefochtenen Baugenehmigung keine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans über die überbaubaren Grundstücksflächen erteilt hat – die Ziffer 5.4. der textlichen Festsetzungen des genannten Bebauungsplans greift hier nicht ein, da es sich bei dem „Nebengebäude“ der Beigeladenen nicht um ein solches handelt, das erst nach Rechtskraft des Plans errichtet worden ist –, haben Festsetzungen eines Bebauungsplans über die überbaubaren Grundstücksflächen grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion, sondern erfolgen in der Regel nur aus städtebaulichen Gründen (s. näher OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. August 2016 – 8 A 10264/16 –, juris). Vorliegend sind dem Bebauungsplan keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Bestimmungen zu der überbaubaren Grundfläche neben städtebaulichen Belangen auch den Schutz nachbarlicher Interessen bezwecken.
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2.3. Die Kammer lässt offen, ob vorliegend ein Verstoß gegen die hier im Mittelpunkt stehende Vorschrift des § 8 LBauO, die grundsätzlich auch bei Nutzungsänderungen einschlägig ist (näher dazu s. Jeromin in: Jeromin, Landesbauordnung RhPf, 4. Auflage 2016, § 8 Rn. 16 ff.), gegeben ist. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO sind grundsätzlich vor Außenwänden oberirdischer Gebäude Abstandsflächen freizuhalten. Gemäß § 8 Abs. 6 Satz 2 LBauO muss die Tiefe der Abstandsfläche mindestens 3 m betragen.
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Dies ist im Falle des genehmigten Kinderzimmers im Anbau der Beigeladenen nicht der Fall, denn dieses reicht bis zu 2,50 m und damit in die Abstandsflächen zum Grundstück der Klägerin mit der Flurstück-Nr. …. hinein. Die Ausnahmefälle der § 8 Abs. 1 Satz 2 LBauO, § 8 Abs. 1 Satz 3 LBauO und § 8 Abs. 9 LBauO greifen ersichtlich nicht ein.
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Der Beklagte hat die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Anbaus mit dem innerhalb der Abstandsflächen des § 8 Abs. 6 Satz 2 LBauO liegenden Kinderzimmer im 1. Obergeschoss des Grundstücks Flurstück-Nr. …. auf die Bestimmung des § 8 Abs. 12 Satz 1 LBauO gestützt. Wird danach in zulässiger Weise errichteten Gebäuden, deren Außenwände die nach diesem Gesetz erforderlichen Abstandsflächen gegenüber Grundstücksgrenzen nicht einhalten, Raum für die Wohnnutzung oder die Änderung und Entwicklung ansässiger, ortsüblicher Betriebe insbesondere des Weinbaus, Handwerks oder Gastgewerbes durch Ausbau oder Änderung der Nutzung geschaffen, gelten die Absätze 1 bis 4 und 6 nicht für diese Außenwände, wenn 1. die Gebäude in Gebieten liegen, die überwiegend dem Wohnen oder der Innenentwicklung von Städten und Gemeinden dienen, 2. die Gebäude eine erhaltenswerte Bausubstanz haben und 3. die äußere Gestalt des Gebäudes nicht oder nur unwesentlich verändert wird. Satz 1 gilt gemäß § 8 Abs. 12 Satz 2 LBauO nicht für Gebäude im Sinne des Absatzes 9.
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Vorliegend ist problematisch, ob die Vorschrift des § 8 Abs. 12 LBauO Anwendung finden kann. § 8 Abs. 12 LBauO ist Ausfluss des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 17/90 –, NVwZ 1992, 165) und soll Nutzungsänderungen erleichtern, durch die Wohnraum in bestehenden, bislang anderweitig genutzten Gebäuden geschaffen wird. Der tatbestandliche Anwendungsbereich des Satzes 1 setzt voraus, dass es sich um ein legal errichtetes Gebäude handeln muss (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Mai 2001 – 8 B 10576/01.OVG –; Jeromin in: Jeromin, a.a.O., § 8 Rn. 154). Dies bedeutet, dass der Bestand des Gebäudes entweder durch eine Baugenehmigung abgedeckt oder materiell rechtmäßig gewesen sein muss. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 8 Abs. 12 Satz 1 LBauO („in zulässiger Weise errichtet“) reicht es demgegenüber nicht aus, dass das Gebäude lediglich die Billigung der Bauaufsichtsbehörde gefunden haben muss (so aber Stich/Gabelmann/Porger, Landesbauordnung RhPf, Stand März 2016, Ziffer 14.2.1.).
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Die Beigeladenen, die als Grundstückseigentümer im Zweifelsfall zu beweisen haben, dass die bauliche Anlage formell oder materiell legal errichtet worden ist (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. Januar 2009 – 8 A 11199/08.OVG –), verfügen nicht über Baugenehmigungsunterlagen bezüglich der ursprünglichen Errichtung des Anbaus. Derartige Dokumente sind bei dem Beklagten ebenfalls nicht vorhanden. In der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2016 konnte auch nicht geklärt werden, wann Hauptgebäude und Anbau auf dem Grundstück Flurstück-Nr. ….. errichtet worden sind. Der Umstand, dass der Anbau in dem im Jahre 1985 aufgestellten Bebauungsplan als Bestand eingezeichnet ist, führt jedenfalls nicht zu seiner Legalisierung.
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Eine formelle Legalisierung kann sich somit nur aus der Baugenehmigung vom 23. Juni 1987 ergeben. Zwar ist im Bauantrag die Rede von einem bewohnten Hausanbau. Zur Genehmigung gestellt wurde ausweislich der Baupläne und der Baubeschreibung des damaligen Grundstückseigentümers aber nur die Änderung der Dachkonstruktion des Anbaus, so dass sich Zweifel ergeben, ob diese Baugenehmigung zur formellen Legalisierung des gesamten Anbaus geführt hat.
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Eine materielle Legalität ist ebenfalls nicht offensichtlich.
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2.2. Dem Ganzen braucht nicht weiter nachgegangen zu werden, denn selbst dann, wenn man die Vorschrift des § 8 Abs. 12 Satz 1 LBauO hier nicht für einschlägig halten und einen Verstoß gegen § 8 Abs. 1 Satz 1 LBauO annehmen würde, gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass die Klägerin jedenfalls ihr materiell-rechtliches Abwehrrecht schon vor der Erteilung der Baugenehmigung vom 15. Oktober 2015 verwirkt hat.
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Die Verwirkung des materiellen Abwehrrechts ist vom Vorliegen einer Baugenehmigung unabhängig; maßgeblich ist allein, ob der Nachbar länger als notwendig mit der Geltendmachung seiner Rechte zugewartet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4/89 –, NVwZ 1991, 1182 und Beschluss vom 18. März 1988 – 4 B 50/88 –, NVwZ 1988, 730; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Mai 2008 – 8 A 10226/08.OVG –; Troidl, NVwZ 2004, 315, 316). Eigenständige Bedeutung hat die Verwirkung materieller Abwehrrechte im Falle der baurechtlichen Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung dann, wenn der Bauherr zunächst einen Schwarzbau errichtet hat und die Baugenehmigung erst nachträglich erteilt worden ist (s. z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. März 1999 – 10 A 2343/97 –, BauR 2000, 381). Dies ist hier der Fall, da das streitgegenständliche Kinderzimmer nicht erst nach Erteilung der Baugenehmigung am 15. Oktober 2015 sondern bereits spätestens im Jahre 1994 eingerichtet worden ist.
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Das Rechtsinstitut der Verwirkung als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (s. z.B. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11/13 –, NVwZ 2014, 1671). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (sog. Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (sog. Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (Vertrauensbetätigung). Das Rechtsverhältnis zwischen benachbarten Grundstückseigentümern ist durch ein besonderes nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis gekennzeichnet, das nach Treu und Glauben besondere Rücksicht der Nachbarn aufeinander fordert. Die Vertrauensgrundlage, dass ein Recht nach langer Zeit nicht mehr geltend gemacht wird, muss für die Dispositionen des Nachbarn grundsätzlich kausal geworden sein ((Bay. VGH München, Beschluss vom 16. November 2009 – 2 ZB 08.2389 –, juris). Die Voraussetzungen der Verwirkung können demnach in ein „Zeitmoment“ und ein „Umstandsmoment“ gegliedert werden, an deren Vorliegen jeweils strenge Anforderungen zu stellen sind (Troidl, NVwZ 2004, 315).
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Die Nichterweislichkeit des Verwirkungstatbestandes geht zu Lasten desjenigen, der sich auf diesen Ausnahmetatbestand beruft (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 14. Juli 2005 – 3 M 69/05 –, NordÖR 2005, 424). Erstreckt sich der Einwand der Verwirkung auf eine Mehrheit von Rechten, so sind die Verwirkungsvoraussetzungen für jedes einzelne Recht gesondert zu prüfen (BVerwG, Beschluss vom 21. Juni 1995 – 4 B 140/95 –, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 127).
- 55
Der Beginn des für eine Verwirkung maßgeblichen Zeitraums ist nicht mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen, in dem der Nachbar (vermeintlich) positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Baulichkeit erlangt hat. Anlass für die Geltendmachung eigener Rechte ist bereits der sichtbare Beginn von Bauarbeiten. Die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Nachbarn, von der an im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben von einer Verwirkung des Rechts die Rede sein kann, hängt entscheidend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4/89 –, NVwZ 1991, 1182). Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis verpflichtet den Nachbarn, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst gering zu halten (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Mai 2008 – 8 A 10226/08.OVG –). Der Nachbar muss dieser Verpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine Einwendungen geltend macht. Die verzögerte Rechtsausübung hat die Qualifizierung als treuwidrig dann verdient, wenn die zunächst gezeigte Untätigkeit des Nachbarn den Bauherrn zu bestimmten Reaktionen veranlasst hat, d.h. dieser darauf vertraut hat, dass das Nachbarrecht nicht mehr ausgeübt werde und er sich infolgedessen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Verwirkung kann etwa dann eintreten, wenn der Nachbar die Baustelle interessiert besichtigt (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. April 2003 – 8 A 11903/02.OVG –) oder in Kenntnis des Bauvorhabens sein Grundstück für die Durchführung von Bauarbeiten zur Verfügung stellt (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. April 1992 – 7 A 1521/90 –, NVwZ-RR 1993, 397) bzw. sich gar an der Herstellung des umstrittenen Bauvorhabens persönlich beteiligt hat (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. Juli 1996 – 8 B 11457/96.OVG –).
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Aufgrund der besonderen Pflichten im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis kann auch eine bloße Untätigkeit des Nachbarn genügen, wenn sie vom Bauherrn als eine dem aktiven Tun gleichzusetzende Duldung seines Vorhabens verstanden werden kann. Da der Nachbar aufgrund des Gemeinschaftsverhältnisses verpflichtet ist, durch zumutbares aktives Handeln dazu beizutragen, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden, ergibt sich aus der Länge des Zeitraums der Untätigkeit bereits ein gewichtiger Hinweis darauf, dass der Nachbar sein an sich bestehendes Abwehrrecht nicht mehr geltend machen werde (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9. April 2014 – 8 A 11183/13.OVG –).
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In Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer der Auffassung, dass die Klägerin ihr eventuell bestehendes Nachbarrecht verwirkt hat.
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Die Klägerin wohnt bereits seit dem Jahre 1966 in dem Anwesen auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... und nutzt seither das über 1.200 m² große Gartengrundstück Flurstück-Nr. …., das unmittelbar an das Grundstück der Beigeladenen Flurstück-Nr. …. angrenzt. Der grenzständige Anbau war der Klägerin also von Anfang an bekannt. Nach ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2016 hatte sie sich im Jahre 1987 gegenüber dem damaligen Grundstückeigentümer, Herrn C, beschwert, als dieser den Anbau unmittelbar an der Grenze aufstockte und die Aufstockung nach der Beschwerde auf einen Balkon zurückbaute. Weiter führte die Klägerin aus, nach dem Einzug der Beigeladenen im Jahre 1994 habe zunächst der Sohn und später, als dieser zur Bundeswehr gegangen sei, die Tochter das streitgegenständliche Zimmer im 1. Obergeschoss zu Wohnzwecken genutzt. Anfangs habe sich nur selten eine Person, etwa zum Rauchen, auf dem Balkon aufgehalten. Später sei die Nutzung des Balkons aber intensiviert worden. Wegen des Balkons und dessen im Jahre 2009 durch die Beigeladenen erfolgte Überdachung führte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann ab dem Jahre 2011 einen zivilrechtlichen Rechtsstreit, der mit Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 18. April 2012 – 2 S 369/11 – für die Klägerin erfolglos beendet wurde.
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Damit steht zweifelsfrei fest, dass der in den Bauplänen als „Kinderzimmer“ bezeichnete und in den Abstandsflächen liegende Wohnraum auf dem Grundstück der Beigeladenen mit der Flurstück-Nr. …. seit weit über 20 Jahren zu Wohnzwecken genutzt wird und der Klägerin dies auch von Anfang an bekannt war. Dennoch war die Klägerin in Bezug auf diesen Wohnraum im 1. Obergeschoss des Anbaus der Beigeladenen über 20 Jahre untätig geblieben. Dabei war schon von Anfang an das Ausmaß einer nachbarlichen Beeinträchtigung durch Verletzung der Vorschriften über die Abstandsflächen ohne Weiteres erkennbar.
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Angesichts des verstrichenen Zeitraums von mehr als 20 Jahren und der Offenkundigkeit der Beeinträchtigung sowie der Pflicht eines Nachbarn, einen wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn zu vermeiden, war ein Vertrauen der Beigeladenen darauf entstanden, dass die Klägerin in Bezug auf das „Kinderzimmer“ ihr Abwehrrecht nicht mehr geltend machen würde. Hierauf haben sich die Beigeladenen, die in dem langen Zeitraum auch (mehrmals) Kosten verursachende Renovierungen in dem Zimmer vorgenommen haben, auch in einer Weise eingerichtet, nach der die verspätete Durchsetzung des Abwehrrechts einen unzumutbaren Nachteil entstehen lassen würde.
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Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie durch eine eigene Antragsstellung ein Kostenrisiko i. S. d. § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen sind.
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Das weitere Begehren der Klägerin, gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, musste infolge der Klageabweisung ebenfalls erfolglos bleiben.
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Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung – ZPO –.
Beschluss
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(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.
(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.
(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
Bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 bestehen, auch wenn eine Geschossflächenzahl oder eine Baumassenzahl nicht dargestellt oder festgesetzt wird, folgende Orientierungswerte für Obergrenzen:
1 | 2 | 3 | 4 | |
---|---|---|---|---|
Baugebiet | Grund- flächenzahl (GRZ) | Geschoss- flächenzahl (GFZ) | Bau- massenzahl (BMZ) | |
in | Kleinsiedlungsgebieten (WS) | 0,2 | 0,4 | – |
in | reinen Wohngebieten (WR) allgemeinen Wohngebieten (WA) Ferienhausgebieten | 0,4 | 1,2 | – |
in | besonderen Wohngebieten (WB) | 0,6 | 1,6 | – |
in | Dorfgebieten (MD) Mischgebieten (MI) dörflichen Wohngebieten (MDW) | 0,6 | 1,2 | – |
in | urbanen Gebieten (MU) | 0,8 | 3,0 | – |
in | Kerngebieten (MK) | 1,0 | 3,0 | – |
in | Gewerbegebieten (GE) Industriegebieten (GI) sonstigen Sondergebieten | 0,8 | 2,4 | 10,0 |
in | Wochenendhausgebieten | 0,2 | 0,2 | – |
In Wochenendhausgebieten und Ferienhausgebieten dürfen die Orientierungswerte für Obergrenzen nach Satz 1 nicht überschritten werden.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.
(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.
(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.
(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.
(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.
(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.